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V.

Geschichte der Stadt Lage.

Von
Pastor C. Beyer
zu Lage.

Vorbemerkung.

D ie Stadt Lage, über deren Vergangenheit im Nachfolgenden Aufschluß gegeben wird, ist eine der kleinsten Städte im Lande Meklenburg. Sie liegt an dem Recknitz=Flüßchen mitten zwischen Rostock, Güstrow und Teterow. Neben den größeren Städten führte sie ihr Dasein stets im Verborgenen, ihre früheren Schicksale sind bisher noch niemals bekannt geworden, und es mag immerhin ein seltsamer Versuch erscheinen, dieselben zum Gegenstand einer Abhandlung für weitere Kreise zu wählen. Es sei dem Verfasser vergönnt, sich kurz zu rechtfertigen.

Bald nach dem Antritte meines Amtes als Pastor in der Lager Gemeinde äußerte im Gespräch der damalige Bürgermeister Ph. Süsserott sein Bedauern, daß so wenig Nachrichten über die Vergangenheit der Stadt vorhanden seien, und sprach die Ansicht aus, daß trotz der Kleinheit des Ortes es für jeden Bewohner doch von Werth sein müßte zu erkennen, wie im Kämpfen und Streben sich die Verhältnisse, derer man sich jetzt erfreuen könnte, herausgebildet hätten. Dieses Gespräch gab den ersten Anstoß zu der hier der Oeffentlichkeit vorgelegten Arbeit. Ich sah täglich die alte Kirche, rührte im Vorübergehen oft die großen Steine des Chores an und dachte: "Wenn ihr doch reden könntet!" In meinem Kirchenstuhle stand eine Tafel mit den Namen meiner Vorgänger, und so oft mein Blick auf dieselbe fiel, schien sie mich zu mahnen, das Andenken derer zu erneuern, die in langer Amtsdauer ihre beste Lebenskraft der Gemeinde gespendet hatten.

Ich fing zunächst an, allerlei kleine Notizen zu sammeln, wie sie mir gelegentlich zuflogen. Zu größerem Ernste trieb mich die

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Beschäftigung mit Freytags schönen "Bildern aus der deutschen Vergangenheit." Mit der Einsicht, daß man deutsche Geschichte nicht verstehe durch bloßes Anschauen der Ereignisse und Abschnitte, wie sie in großen Zügen die gebräuchlichen Geschichtswerke dem Laien vortragen, sondern durch geduldiges Eingehen auf das Einzelne, durch Achtung für das Kleinleben unserer Vorfahren, reifte der Entschluß, einen Versuch auf engstem Gebiete zu machen, die Vergangenheit einer unbedeutenden Landstadt im kleinen Meklenburg zu erforschen, um zu sehen, welchen Gewinn ich für das Verständniß der Geschichte des großen Vaterlandes davontragen könnte.

Zur Verfügung stand mir, wie erwähnt, zunächst kein Material von Bedeutung. Da fielen mir die Visitationsprotokolle der Gemeinde Lage aus dem 16. und 17. Jahrhundert in die Hände, durch diese wurde ich auf das Archiv der Superintendentur in Güstrow und von dort auf das Geheime und Haupt=Archiv in Schwerin geführt. Endlich gab mir das städtische Archiv wenigstens genaue Kunde vom Jahre 1759 an, die Acten aus früherer Zeit sind durch wiederholte Brände zerstört. Am Spärlichsten flossen die Nachrichten aus dem Pfarrarchiv. Die nöthigen Urkunden bis zum Jahre 1360 brachte das "Mekl. Urkundenbuch." Auch die "Jahrbücher des Vereins für mekl. Geschichte und Alterthumskunde" gaben schätzenswerthe Winke, wenngleich die Archive immer Hauptquellen blieben. Die bekannten Geschichtswerke über allgemeine meklenburgischen Geschichte, sowie einige Abhaudlungen, die im Laufe der Arbeit erwähnt werden, erschlossen mir das Verständniß der mir bisher noch unbekannten Zeiten.

Mit Freude bemerkte ich bei der Darstellung der einzelnen Abschnitte, daß alle großen Ereignisse, die mit Kraft und Ungestüm Deutschland erregten, auch ihre deutlich bemerkbaren Wellen bis in das Städtchen, diesen kleinen Erdenwinkel, trieben, und setzte meinen Eifer daran, scharf zuzusehen, welchen Eindruck weltbewegende Thaten hier hervorriefen. Ich mußte erkennen, daß manche Zeiten, deren Ruhm uns allen schon in der Schule verkündet und fest ins Gedächtniß geprägt wurde, doch oft recht traurige Früchte in kleinen Verhältnissen brachten. Die Reformation entfesselte in gradezu abstoßender Weise die Habsucht, der siebenjährige Krieg schuf für die Stadt eitel Jammer und Verderben. Es schien oft, als ob alle Noth Deutschlands und speciell Meklenburgs sich auf das Städtchen wie auf einen Brennpunkt zusammengezogen hätte. Zugleich aber auch konnte ich sehen, daß die Erhebung des Ganzen die einzelne Stadt schließlich wieder emportrug. Bosheit machte sich

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oft recht breit; kleinliche Gesinnung leitete das Stadtregiment; rauh, roh waren die Sitten; überall aber blitzte, oft durch Lumpen, meklenburgische Zähigkeit und Tüchtigkeit hindurch. Der Bürger kämpfte verzweifelt gegen den Untergang, immer wieder rang er sich empor. Ich lernte solche Kraft, die oft grade am Besten bemerkbar war, wenn das große Vaterland sich mit Schmach belud, achten.

Dieser Gewinn machte mich so froh, daß ich den Entschluß zur Veröffentlichung meiner Forschungen faßte, um zu sehen, ob Andere sich mit mir freuen würden. Freilich werde ich immer etwas Besonderes vorweg behalten, bei meinen Gängen durch die Stadtflur haben Höhen und Niederungen, Wälder und Felder für mich Sprache, ja, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, am alten Kirchenchor reden die Steine.

Daß ich keine überall zusammenhängende Geschichte der Stadt Lage schreiben konnte, ergiebt sich aus der Lückenhaftigkeit des Materials; ich glaube nicht, daß mir wesentliche Nachrichten, die zu erlangen waren, entgangen sind, dennoch bleiben halbe und ganze Jahrhunderte dunkel. Eine dürre Aneinanderreihung einzelner Ereignisse widerstand mir, so versuchte ich einzelne Bilder zu entrollen. Ein Neuling bin ich auf dem Gebiete, das zu betreten ich wagte, und jeder Leser wird das leicht erkennen. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich nicht überall befriedige. Daß meine Arbeit einen Platz fand in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde, war nur möglich bei der Nachsicht des Redacteurs, für die ich meinen herzlichen Dank sage.


I. Entstehung und Herausbildung der Stadt.

Der Name der Stadt Lage hat dasselbe Schicksal gehabt, wie viele wendische Ortsnamen in Meklenburg, er ist im Laufe der Jahrhunderte so entstellt, daß man nur aus älteren Urkunden seine eigentliche Bedeutung erkennen kann. 1726 hat er schon seine jetzige officielle Schreibart Laage, 1622 die richtigere Lage, 1578 Lawe, 1346 Lawis (Lawiss), 1316 Lawe, 1309 Laue, 1301 Law, 1270 Lawe, 1216 Lauena. Irrthümlich wollte man früher (so z. B. Erasmus, Pastor in Lage, nach dem 30jährigen Kriege) Lawe von Löwe ableiten, und leicht war es dann der Phantasie, die Gründung der Stadt auf den Sachsenherzog Heinrich den Löwen zurückzu=

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führen. Indessen Kühnel (Jahrbücher XLVI) erklärt mit guter Begründung den Namen aus lawa Bank, polnisch = Brücke, Steg durch einen Ssumpf, und deutet demnach Lauena als "Brückenort". Diese Erklärung paßt vorzüglich auf die Lage der Stadt, denn in der That führte bei derselben eine Straße durch das sumpfige Recknitzthal, die schon in wendischen Zeiten bekannt und in ihrer Wichtigkeit begriffen war. 1216 wird in der Urkunde, in welcher die Schenkung des Landgutes Polchow mit der Einöde Geresowe oder Chowale an das Kloster Dargun durch Herzog Kasimar von Polen vollzogen wird, hinsichtlich der Grenzen bemerkt: . . . "(Termini) ab illa (ualle) respiciunt contra uiam regiam, que ducit de Luchowe in Lauena . . . ab illa ualle transeunt per ultra uicinam paludem et uadunt ad unum lapidem terre affixum non longe a uia regia; ab illo lapide respiciunt contra Rinsowe et uadunt ad quoddam uadum, quod uiantibus praestat transitum de Rinsowe in Lauena" . . . (Mekl. Urkundenbuch I, 223), Die hier genannte via regia war eine öffentliche Straße, die, soweit mir bekannt, von Demmin über Dargun und Lüchow nach Lage führte, also wahrscheinlich der Hauptweg der meklenburgischen Wenden für ihren Verkehr mit Pommern und Rügen. Folgen wir der gewöhnlichen Annahme, daß die Recknitz die Grenze der Circipaner angab, so leuchtet zugleich die strategische Wichtigkeit dieses Ueberganges ein, und es wäre auffallend, wenn dieselbe nicht erkannt und gewürdigt wäre.

In der That ließ sich bei näherem Nachforschen auch leicht die Stelle finden, wo eine wendische Burg einst lag. Südlich von der Stadt in der Entfernung einer Viertelstunde liegt die (einstige Papiermühle, jetzige) Henningsmühle, die über ein Jahrhundert in dem Besitze der Familie Hennings gewesen ist. Es fließt vor derselben der sogenannte Pludderbach vorüber, der das Mühlrad treibt, hinter derselben liegen zwei Ackerstücke, die zum Stadtgebiet gehören, aber von der Mühle aus bewirtschaftet werden. Das erstere, nahe am Pludderbach, fällt nach Norden mit steiler Böschung ab, als wäre es früher abgegraben, und verläuft nach Süden in sanfter Abdachung, um plötzlich mit einem Abhang von 4-5 Fuß Höhe scharf abzubrechen. An dieses Ackerstück stößt südlich ein Graben, und mit Ueberschreitung desselben gelangt man auf das zweite Ackerstück, eine fast kreisrunde, sehr leicht gewölbte Fläche von 550 □Ruthen, die deutlich aus der angrenzenden Wiesenfläche hervortritt. Beide Ackerstücke führen den Namen Burgwall. Es ist mit ziemlicher Zuversicht anzunehmen, daß hier einst die wendische Burg Lavena oder Lawena lag. Die Berechtigung zu

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dieser Annahme ergiebt sich zunächst aus der Lage. (Siehe die Karte.) Im Westen des Burgwalls liegt das breite Thal der Recknitz, das früher sehr wasserreich und moorig gewesen ist; wenn es auch heute an den meisten Stellen bequem durchschritten werden kann, so erkennt man doch, daß solcher Erfolg nur künstlicher Entwässerung zu danken ist. Jedenfalls war es einst völlig unpassirbar für Reiter und Fußgänger. Quer gegen dieses Recknitzthal stößt nun südlich vom Burgwall ein eben so mooriges Querthal, ursprünglich von der Schwenknitz (später nach der Verlegung Pludderbach genannt, einem Nebenflusse der Recknitz, durchzogen. In dieses Thal hinein, das noch heute selbst in ganz trockenen Sommern kaum durchschritten werden kann, wurde von den Wenden der Burgwall geschüttet, so daß er also auch im Osten durch die Wiese gedeckt war. Gegen Norden wurde er durch einen tiefen Graben von einem natürlichen Hügel, an den auch im Osten und Westen noch die Wiesen grenzten, geschieden. Nördlich wieder von letzterem war wahrscheinlich einst ein breiter Graben gezogen, von dem die Reste wohl in den beiden Mühlenteichen und dem Bette des Pludderbaches sich finden.

Der letzte Papiermüller aus der Familie Hennings, ein durchaus zuverlässiger und redlicher Mann, berichtete mir über den Burgwall, daß zu seiner Lebenszeit auf demselben deutliche, nicht sehr hohe Wälle erkennbar waren, die den Eindruck machten, als seien sie durch den Pflug allmählich niedriger gelegt. (Der Burgwall war schon lange Ackerland, nachweisbar schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts, wahrscheinlich schon geraume Zeit vor dem 30jährigen Kriege.) Er fand bei Uebernahme seiner Wirthschaft in der Mitte desselben ein etwas feuchtes, wiesenartiges Terrain vor und unternahm es, dasselbe auszufüllen mit einer Anhöhe von etwa drei Fuß, die innerhalb des Walles, vom Nordrande desselben mindestens eine Ruthe entfernt, lag; als er an die Abgrabung dieser Höhe ging, fand er ein Fundament von nicht großen Feldsteinen, vielleicht 1 1/2 Fuß hoch, dasselbe war drei Ruthen lang, 2 Ruthen breit. Im innern Raum lag eine Brandstätte ohne eine Spur von Backsteinen, jedoch mit deutlich erkennbaren, durch den Brand verhärteten Lehmstücken, die offenbar zur Erbauung der Wände über den Fundamenten gedient hatten, zumal Lehm sonst erst auf dem nördlichen Festlande gefunden wird. Er entsann sich nicht Scherben und dergleichen beobachtet zu haben, da er bei seinem Werke arbeitseifrig nur die Planirung ins Auge faßte. Das Fundament nahm er heraus und brachte die Steine auf einen Haufen, Von dem sie allmählich nach Bedarf hinweggenommen

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wurden. (Nach so gründlicher Umgestaltung des Bodens erschien mir ein Nachgraben an Ort und Stelle überflüssig.)

Der nördlichste Hügel bildete offenbar die zu dem wendischen Burgwalle gehörige Vorburg, die durch die Ziehung eines Grabens gleichfalls mit leichter Mühe befestigt werden konnte und die Wohnstätte der wendischen Bewohner von Lawena abgab.

Wenn es richtig ist, daß bei der Einwanderung der Deutschen die Landeseintheilung der Wenden meistens beibehalten wurde, so ergäbe das noch für meine Ansicht eine weitere Begründung. Denn es gab später eine Advocatia, Vogtei, Lage. 1 ) Nicolaus, D. gr. dominus de Werle, macht villulam Vipperniz, jacentem in advocatia Lawis et sub abbacia fratrum in Dargun, exemptam et liberam ab omni mensuracionis . . . genere. Anno 1297. Johann III und Nicolaus IV, Fürsten von Werle, gaben Nicolaus Hahn und seinen Erben das Dorf Jahmen in der Vogtei Lage zu vollem Eigenthum unter Verzicht auf alle landesherrlichen Gerechtsame. 2 ) Anno 1349. - Nach Klüver wurden im Jahre 1506 in die Vogtei Lawe gerechnet die Adeligen zu Potrems, Rossewitz, Gottin, Rensow, Diekhof, Wüstenfelde, Weitendorf, Teschow, Subsin, Kammin. Nach solchen Angaben dürften sich mit der Karte in der Hand leicht die ungefähren Grenzen der allerdings nur kleinen wendischen Vogtei reconstruiren lassen. - Urkb. XIV, 8308, heißt es: "in terra Lawis," 8561: "an der voghedie tu der Lawe" (1359), 8680: "Dorf und Gut Tolzin in der Vogtei Lawe."

Die Lage der Burg war durch die Rücksicht auf den Recknitz=Uebergang gewählt; die via regia konnte indessen nicht sofort von der Burg ausgehen, sondern mußte natürlich an einer schmaleren Stelle angelegt werden. Es findet sich nun thalabwärts in den Wiesen ein uralter, fast versunkener Damm. Er macht sich nur bei genauestem Zusehen durch leise Erhebungen bemerkbar, etwa in der Richtung von dem Kirchthurm auf Kronskamp zu; wahrscheinlich dürfen wir hier die via regia suchen. Es soll in den Wiesen noch eine Abzweigung nach der Rostocker Straße zu erkennbar sein.

Mit der Einwanderung der Deutschen begann eine andere Art von Ansiedelung. Die Wenden suchten die Gründe, die Deutschen die Höhen, die Wenden bevorzugten die Unzugänglichkeit, die Deutschen die Zugänglichkeit ihrer Niederlassungen; in Folge dessen ließ man die wendischen Anlagen verfallen und wählte unter den


1) Urkb. IV, Nr. 2429.
2) Urkb. X, Nr. 7010.
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Höhen am Recknitzthale diejenige, bei welcher der Fluß dem festen Boden am nächsten kam. Die Recknitz muß in damaliger Zeit reichlich drei= bis viermal so breit als jetzt und entsprechend tief gewesen sein. Noch im Anfang dieses Jahrhunderts war sie oberhalb der Stadt zwei Ruthen breit und oft 12 Fuß tief, auch voll schmackhafter, stattlicher Fische, die in der Gegend einen gewissen Ruf hatten. Vor nicht vielen Jahren lag noch etwas stromabwärts im Flußbett ein Prahm, der mit Steinen beladen und dort gesunken war. Das alles läßt uns erklärlich erscheinen, daß einst die neuen Ansiedler auf die Verkehrserleichterung durch den Fluß Rücksicht nahmen.

Wir finden schon Bewohner der Stadt Lage im Jahre 1270, als Fürst Nicolaus von Werle derselben das später sogenannte "Lager Moor" schenkte. Im Urkundenbuch II, 1190, steht die Schenkungsurkunde lateinisch, ich lasse dieselbe, um Wiederholung zu vermeiden, nach einer recht alten deutschen Uebersetzung folgen, die freilich auch schon anderswo gedruckt ist:

"Nicolaus, van gades gnaden here vann Werle, allen jegenwerdige schrittt sehende heyel to ewigen tyden. Kunth sy alle den jenen, die gegenwerdige schrifft annemen to lesende, dath wy van unsen guden willen und vulborde unser leven kinder Hinricks und Johannes van Werle, unsen leven borgeren binnen der Lawe wanende de wiske, die dath mohr up düdesk geheten werth, twischen den Spotzlendorp und twischen unsen vorgesechten borgern van der Lawe, van dem Kalenberge beth to den Hagenböckenbusck, liek uth snorrecht vortogande, für der van Wozens van den ellern beth an den orth in Wardow, item van dem orde van Wardow betthe in de stede, die Hinrikus unse advokat van Güstrow mith sinen mithgesellen liekuth hefft gesetten nnd verordnet, bewilligen ewiglick to besittende, also dat sie noch in dem wege, de dar leidet betthe an die wiske, und ock nicht in vordüpinge dersülven jemandth schall behindern. Unde dath ock dith gescheffte moge standafftig und vaste bliven, hebbe wi dith in tüchenisse unses segels bevestet. Tüge dessen dinges sint de riddere Hinrikus van Vlotow, unse advokat van Robele, Wedekindt Beehr, denstknechte (famuli) Hinrikus, unse advokate to Güstrow, Conradus Kla(g)uiger binnen Güstrow, Gelow, unse meyer van Wardow, mith sinen borgern (burgensibus) is hir jegenwerdig gewesen, disse alle to bevestende, Syfridus, unse meyer van Spotzelendorpe, mith sinen borgern is hir och jegenwerdich und hefft dith vorvasth und danckbarlich gehalt, Jo-

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hannes van Crackow mith sinen borgern van Wozene is hir ock jegenwerdich gewesen und hefft gelick alse de anderen dath werck bewilligt und bevestet. Disse syn geschen im jar na der hilligen minsckwerdinge dusent twe hundert seventich, gegeven tho Güstrow mith der handt Gotfridi, prawstes der sülven stede, den twelfften Klndas. Maij.

Jegenwerdige copie is uth dem latine in unse düdessche tungen gesettet und transfereret worden durch my Nicolaum Schmidt uth Keiwall (?), offne notarium, und kummeth averein mith sinen rechten versegelden originall van sententien to sententien, dath mith disser miner egenen handthe do betugen."

Diese Urkunde scheint die Veranlassung zu der Ueberlieferung des Staatskalenders zu sein, Nicolaus III habe Lage 1270 gestiftet; doch leuchtet ein, daß der Fürst die schon bestehende Stadt beschenkte. Das "Lager Moor," das im Laufe der Zeit wieder von der Stadt ab an Wardow gekommen ist, hat eine große Ausdehnung und außer ergiebigem Torfstich noch viel Bruchholz und Wiesenland, so daß die Stadt wesentliche Vortheile von solcher Schenkung hatte. Allerdings verlor dieselbe dadurch etwas an Werth, daß das Grundstück etwa 3/4 Meilen von der Stadt entfernt lag. In Rücksicht hierauf stellt die Urkunde den Weg dahin auch unter allen Umständen sicher.

Der Stiftungsbrief oder die Bestätigungs=Urkunde der Stadt fehlt; wir müssen es also unbestimmt lassen, in welchem Jahre Lage gegründet ist. Bei der Landestheilung 1233 kam das Gebiet der Stadt zur Herrschaft Werle und verblieb bei Güstrow bis zu Nicolaus' Tode 1277; daraus möchte sich die Vermuthung rechtfertigen, daß im Staatskalender wenigstens der Name des Gründers richtig ist. Etwas Anhalt für die Gründungszeit geben die Bemerkungen über die Kirche zu Lage (Jahrbücher XII, 463) von Lisch, dessen Urteil wir vertrauen dürfen, denn es fände sich schwerlich Jemand, der mit solchem Eifer, wie er, an die Erforschung fast aller Kirchen Meklenburgs gegangen wäre. Seitdem er unsere Kirche sah, ist dieselbe restaurirt, mancherlei Aenderungen sind vorgenommen, so daß seine damaligen Bemerkungen doppelt wertvoll sind. Ich setze sie deshalb hierher: "Die Kirche zu Lage, die einzige Merkwürdigkeit dieses Städtchens, ist in ihrer Art ein seltenes Bauwerk im Lande. Sie besteht aus zwei ganz verschiedenen Theilen, Chor und Schiff, die in sehr verschiedenen Zeiten erbaut sind. Das Chor bildet ein Oblongum mit grader Altarwand und hat drei Fenster in der Altarwand und zwei Fensterpaare in jeder Seitenwand. Diese Fenster sind in der höchsten Entfaltung des

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Uebergangsstyls erbaut, eng, schräg eingehend, in der Wölbung leise gespitzt, mit Wulsten eingefaßt; sie sind zwar nicht in der Construction, aber in ihrer außerordentlichen Höhe ganz ungewöhnlich und vielleicht die einzigen Beispiele im Lande. Hierdurch zeichnet sich die Kirche in Lage sehr aus. Da auch das Chor selbst für den Uebergangsstyl hoch ist und große Verhältnisse hat, so macht der Bau einen ungewöhnlichen Eindruck auf den Beschauer. Der Bau des Chores hat überhaupt viel Edles und schönes: die zwei Gewölbe, mit starken Rippen, werden von Pilaster=Bündeln getragen, welche ungewöhnlich schöne Capitäler von Laubwerk, auch mit Menschengesichtern, haben. Im Aeußern hat das Chor nur Lissenen, noch keine Strebepfeiler, der Rundbogenfries fehlt schon, statt dessen steht eine umgekehrt treppenförmige Verzierung auf der Höhe der Mauer. Die Chorfenster sind an der Außenwand durch einen einfachen Mauerbogen zusammengefaßt. Nach allen diesen Erscheinungen ist das Chor der Kirche zu Lage eins der schönsten und edelsten, wenn auch jüngsten Werke aus der Zeit des Uebergangsstyles und wird noch vor Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut sein. Die Stadt Lage wird nach den bisherigen Nachrichten zuerst als Stadt 1270 genannt. Jedoch kommt schon im Jahre 1261 ein Pfarrer Johannes von Lage vor, neben und nach den Pfarrern von Röbel, Malchin und Schwan; also stand damals gewiß schon die Stadt. . . . . . . Das Schiff ist im ausgebildeten Spitzbogenstyle, also wohl im 14. Jahrhundert erbaut, es hat drei Gewölbe Länge, zwei Seitenschiffe, Strebepfeiler und einen kleeblattförmigen Fries, sonst nichts Ungewöhnliches und schönes; die Gewölbe fehlen ganz und sonst jede Erinnerung aus alter Zeit. . . . Ueber der Pforte im Thurm sind zwei hellgrün glasurte kleine Reliefkacheln mit Heiligenbildern, wohl aus dem 15. Jahrhundert, eingemauert, auch eine seltene Erscheinung." (Die gerühmten Fenster sind leider inzwischen umgebaut, die Kacheln sind verschwunden.) Der von Lisch erwähnte Uebergangsstil vom Rundbogen zum Spitzbogen herrschte nur kurze Zeit und zwar grade damals, als in Meklenburg nach der Ueberwindung des Widerstandes der heidnischen Wenden das Christenthum feste Stellung und Verbreitung gewann. Daher erklärt sich der Umstand, daß in Meklenburg grade Kirchen im Uebergangsstil mehr vorgefunden werden, als in den benachbarten Ländern. Nach solchen Angaben von Lisch (vgl. Archiv für Landeskunde 1852, S. 633) möchte es uns gestattet sein, die Gründung der Stadt Lage, der gewiß bald die Erbauung der Kirche folgte, vor Mitte des 13. Jahrhunderts anzusetzen.

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Wenn wir nach den ersten deutschen Bewohnern der Gegend fragen, so dürfen wir nicht unbeachtet lassen, daß es in Meklenburg ein altes Patricier=Geschlecht von Lawe gab, das hauptsächlich in Rostock seinen Sitz hatte und der Stadt schon seit 1278 verschiedene Rathsherren, dem Lande manche Geistlichen stellte. Dasselbe ist lange ausgestorben, aber sein Andenken lebt in Rostock in der Lagerstraße, die nach ihm den Namen erhielt, fort. Wir begegnen nun unter den Patricier= oder rathsfähigen Geschlechtern unseres Landes wiederholt solchen Namen, die von Städten abgeleitet sind, z. B. Eckehard von Brunswich, Gottfried von Goldberg, Albert von Malchow, Johann von Marlow, und es liegt darum nahe, den Namen jenes obigen Rostocker Geschlechts mit dem der stadt Lage in Verbindung zu setzen.

In die Wirren während der Zeit, da Meklenburg in viele Theile zerrissen und in Bruderkriege verwickelt war, wurde das junge Städtlein wegen seiner Lage bald hineingezogen. Als der Fürst Heinrich von Werle=Güstrow durch die frevelhafte Hand seiner Söhne Heinrich und Nicolaus auf der Jagd am 8. October 1291 erschlagen wurde, erhob sich sofort gegen die Mörder zur Rache über die verruchte Gräuelthat deren rechter Vetter, der energische Nicolaus II von Parchim. Er hatte nur eine kleine Macht im Verhältniß zu den Mördern, die durch die Herrschaft Meklenburg, sowie durch Pommern und Rügen unterstützt wurden. Anfangs gewann Nicolaus durch seine Schnelligkeit an Land, er besetzte Schwan, Lage, Plau, Waren, bis die Verbündeten mit ihrer überlegenen Macht ihn zurückdrängten. Um den wichtigen Uebergang bei Lage zu beherrschen, erbauten die letzteren auf dem sogenannten Köppenberg bei Kronskamp in der Gabel zwischen den Landstraßen nach Rostock und Güstrow die Burg Kronskamp. Nach der Schlacht bei Parchim 1293, die für den Parchimer Nicolaus sehr günstig endete, mußten die mörderischen Güstrower ihr Land aufgeben, und so wurde Werle=Güstrow=Parchim in einer Hand vereinigt. Die Burg Kronskamp gerieth in die Hände des Siegers. Von derselben ist jetzt keine Spur mehr zu finden; im Anfang dieses Jahrhunderts sollen indessen noch Fundamente und Kellerwölbungen nachgewiesen sein. Offenbar hat dieselbe nicht lange gestanden. Die Steine werden später in die Nachbarschaft verfahren sein. Die Sage überspann die Stätte.

Nur kurze Zeit sollte Lage Ruhe haben. Nicolaus das Kind von Rostock stellte seine Herrschaft unter die Oberlehnsherrlichkeit Erichs von Dänemark, der bald das Bestreben offenbarte, das Land Rostock der dänischen Herrschaft einzuverleiben. Da hiermit

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den übrigen meklenburgischen Fürsten ein sehr gefährlicher Nachbar erwuchs, so traten diese im Verein mit Pommern und Brandenburg gegen die Dänen auf, und es mußte vor allem Lage als Uebergangsort eine Rolle spielen. In dieser kriegerischen Zeit wird auch eine mittelalterliche Burg unmittelbar vor der Stadt erwähnt. Wenn man von Rostock kommt und die Recknitzbrücke überschritten hat, findet man alsbald rechts von der Hauptstraße eine Fläche, die einst eine sumpfige Niederung bis zur jetzigen Sumpfstraße bedeckte. (siehe Grundriß der Stadt Lage.) Mitten in derselben lag früher ein breiter, flacher Hügel, welcher jetzt eingeebnet und zu Gartenland gelegt ist, das zur Zeit im Besitze der Familie Buhse sich befindet. Noch zu Gedenkzeiten dieser Familie ragten in dem Garten Ruinen, die offenbar zu einem alten Thurm gehört hatten und im Innern so geräumig waren, daß ein früherer Besitzer darin Platz zur Anlage eines Gärtchens gefunden hatte, etwa 10 Fuß hoch aus der Erde empor; die Mauern waren über einen Klafter dick, die Steine dazu waren weit größer, als man sie später anfertigte, und so fest mit Kalk verbunden, daß man sie nicht mit dem Meißel trennen konnte; es sprangen die Steine eher, als daß der Kalk losließ. Gewaltige Fundamente konnte man noch 10 Fuß tief im Boden finden, ohne das Ende zu erreichen. Dieselben wurden später gesprengt und dienten als Einfriedigung des ganzen, weiten Gartens; aber außerdem wurden noch über 100 Fuhren davon zum Chausseebau verkauft. Noch jetzt sollen im Garten beim Nachgraben Fundamente zu finden sein, die, wie es heißt, sich bis auf das Nachbargehöft erstrecken. Rings um den Platz, wo die Ruine stand, lief ein breiter Graben, der in die Recknitz mündete. Auch mit dieser Burg beschäftigte sich die Sage. Es soll dort eine meklenburgische Prinzessin gewohnt haben, die mannigfach gefährdet war und sich gegen Belagerungen verteidigen mußte (eine schwere Wallbüchse wurde vor einigen Jahrzehnten in der Recknitz, jedoch etwas stromabwärts, gefunden). Ein dänischer Prinz heirathete die Prinzessin, und dadurch wurde sie frei. Die vielleicht nicht sehr umfangreiche, nur etwa aus einem Hauptthurm bestehende Feste, mit einigen Nebengebäuden, welche den Uebergang über die Recknitz unbedingt weit sicherer beherrschte als die Kronskamper Burg, wird von Kirchberg erwähnt. Er sagt in seiner Reimchronik bei der Schilderung des Streites zwischen Heinrich dem Löwen von Meklenburg und Nicolaus von Werle (1291):

Der von Mekilnborg Hinrich
sich samnete abir mechtiglich,

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da gewan her manlich drad
zu der Lawe Hus und Stad,
dy Sloz her da besaste wol
mit starkin Luden so man sol,
her buwete auch sterklich sunder Wende,
Eyn Sloz uf des Dammes Ende,
by den Kronescamp unvirwant
und mannte wol daz sloz zu hant u. s. w.

Und später, aus dem Jahre 1293, erzählt er:

Dy Czyd czouch vur dy Lawe alsus
Derselbe Her Nycolaus,
mit großim Here sundir Wan,
Stad und Hus her da gewan,
und gewan dy Hus ouch des getruwit,
dy der von Mekilnborg hatte gebuwit,
daz waz dy Kirche und Borg alsam,
und die Borg, dy her uf den Tam
gebuwit hatte vaste,
dy gewan her sundir Raste.

Es ergiebt sich, daß beim Beginn der Werler Unruhen die Burg von Lage schon gebaut war. Sie hat in der meklenburgischen Geschichte später offenbar keine besondere Rolle gespielt und möglicher Weise keine lange Dauer gehabt.

In dem oben erwähnten Kriege siegte Erich von Dänemark, im Frieden von Schwan, den 22. Juli 1301 wurde sogar Schwan an ihn abgetreten. Mit Bezug auf diesen Frieden ist im Urkundenbuch V, 2748, eine Urkunde abgedruckt, in der Nicolaus, Fürst von Werle, dem König Erich von Dänemark den zu Schwan geschlossenen Frieden zu halten gelobt, und in dieser Urkunde findet sich folgender Abschnitt: "In qua terra (Gnoien) munitiones, quas ipse et nos tenemus, exnunc frangere debemus et alias similiter, videlicet Sulten, Tessyn, Dobisdorp et Law, sicut et alias praedictas in terris Calant et Gnogen infra quartam feriam iam instantem . . . . . . Ceterum captiuos omnes in castro Tessyn, per ipsum dominum nostrum nuper captos . . . liberos facere debet." Daraus geht hervor, daß die Recknitzlinie von Sülz bis Lage besonders befestigt war und bei Tessin von Erich durchbrochen wurde. Es ist nun ja nicht wahrscheinlich, daß in Lage noch eine andere Festung als eben jene Burg vorhanden war, und wir errathen denn aus jener Urkunde den Grund, warum sie so bald verschwand. Wollte man aber annehmen, daß damals die Lager Burg noch gar nicht gebaut war, daß jene 1301 er=

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wähnte munitio nur eine wegen dieses Krieges errichtete Verschanzung war, so könnte man vielleicht sagen, daß bei Regelung der Vogtei=Verhältnisse die eigentliche Burg für den ersten fürstlichen Beamten als Wohnsitz hergerichtet wurde. In diesem Falle würde der Abbruch der Lager Burg in jener Zeit anzunehmen sein, als die Vogtei von der Stadt weg nach Güstrow gelegt wurde. Dazu würde dann das mir zu Ohren gekommene Gerücht stimmen, daß die Burg abgebrochen und ihre Steine nach Güstrow gefahren seien.

Für kurze Zeit nur blieb Lage bei Werle=Güstrow. Nicolaus II hatte bestimmte Anrechte daselbst, insbesondere ein fürstliches Lehen, das 20 Mark Aufkünfte brachte. Welcher Art dasselbe war, ist nicht zu bestimmen, doch weiß man, daß er Arnold Kopmann, Bürger in Rostock, mit denselben belehnt hatte und später, als dieser es zu der Stiftung einer Vicarei in der Marienkirche in Rostock verwenden wollte, auf alles Anrecht an dasselbe verzichtete (Urkb. V, 3312). Diese Vicarei blieb laut Testaments von Bestand, im Jahre 1336 war sie Domino Michaeli übertragen. (Urkb. VIII, 5656.) Als Nicolaus II im Jahre 1316 starb, hinterließ er einen Sohn Johann III (Henning), der aber von seinem Oheim Johannes zu einer Landestheilung gezwungen wurde. (Urkb. VI, 3860.) Es entstanden die beiden Linien Werle=Güstrow und Werle=Goldberg, und zu dieser letzteren gehörte mit Parchim, Malchow, Stavenhagen, Teterow und Malchin auch Lage.

Wie für die meisten Städte des Landes wird mit dem 14. Jahrhundert auch für Lage die Zeit des Aufblühens gekommen sein. Das Schiff der Kirche und der Thurm wurden wohl in der Mitte dieses Jahrhunderts gebaut (Lisch), ein Beweis, wie die Gemeinde anwuchs. Hinsichtlich des Thurmes erzählt eine Tradition, daß ein Ritter aus Kobrow eine Pilgerfahrt ins heilige Land unternehmen wollte, und um durch ein heiliges Werk den Schutz Gottes inzwischen zu erlangen, machte er mit einem Zimmermeister der Stadt den Vertrag, derselbe sollte in seiner Abwesenheit einen Thurm zu der Kirche bauen. Er wies zu diesem Zwecke alle Materialien an, die Steine ließ er in Kobrow brennen und lieferte auch das Holz, gleichfalls sicherte er den Meister durch Vorausbezahlung des Geldes. Als der Ritter die lange Fahrt glücklich vollendet hatte, spähete er bei der Heimkehr frohen Mutiges aus in der Hoffnung, demnächst den stolzen Thurm der heimathlichen Kirche schon von ferne zu erblicken. Doch er fand, daß kaum Hand an den Bau gelegt war, denn der Meister hatte gehofft, der Ritter würde überhaupt aus allen Gefahren garnicht heimkehren, und hatte

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die Materialien anderweitig verwandt. In jäh erwachtem Zorne über solche Untreue stieß ihn der Ritter auf dem Kirchhofe nieder.

Die Kirche wurde bald gut dotirt, es standen in demselben viele Altäre, die reiche Lehen trugen. Auf dieselben, sowie auf alle milden Stiftungen u. dgl., werden wir später, wo die Umwälzungen der Reformationszeit die Kirchengüter antasteten und den Streit um sie hervorriefen, unser Augenmerk zu richten haben. Hier will ich nur erwähnen, daß unter den Pfarren, die zu dem Archidiaconate Rostock gehörten, nach dem Zehntenregister von 1570 die Pfarren Ribnitz 40, Tessin 24, Kammin 30, Lage 60, Recknitz 40 Mark zahlten. Daraus würde sich das besonders hohe Einkommen der Lager Pfarre in katholischer Zeit ergeben.

Die Stadt hatte immer nur eine geringe Einwohnerzahl, es ist ihr Schicksal noch jetzt, eine der kleineren im Lande zu sein; so war es schon vor 500 Jahren. Wie es kam, daß die Stadt so klein blieb, werden wir später sehen. Der Plan, nach dem man ursprünglich sie anlegte, ergiebt sich aus der damals entstandenen Wallanlage, und man muß gestehen, daß der Ring für jene Zeit nicht so sehr eng gespannt war. Von diesem Walle, der auf einer im Jahre 1759 aufgenommenen Karte sehr deutlich verzeichnet steht, sind jetzt nur noch sehr schwache Spuren vorhanden: er konnte aber vor einigen Jahrzehnten noch nachgewiesen werden und umfaßte auch wirklich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts noch die ganze Stadt. Es ist gewiß eine seltene Erscheinung, daß eine Stadt in 500 Jahren sich nicht weiter recken und strecken konnte, aber die Häufung ihrer traurigen Schicksale ist eine ebenso seltene Erscheinung. Daß aber um die Mitte des 14. Jahrhunderts der Wallring angelegt wurde, ergiebt sich aus der Angabe des Bürgermeisters Artener (Acten im Hauptarchiv) vom Jahre 1730, daß die Fürsten Johannes und Nicolaus von Werle Wall und Graben um Lage aufgeführt hätten. (Bei der dürftigen Kunde über jene verworrenen Zeiten der Landestheilungen, die Artener besitzen konnte, läßt sich nicht annehmen, daß er sich blos seine Gedanken so gemacht, vielmehr wird die Schrift, aus der er seine Nachrichten schöpfte, das Schicksal aller übrigen älteren Stadtschriften gehabt haben: sie wird 1759 verbrannt sein.) Nun giebt es nur eine Zeit, wo für Werle=Goldberg zwei Fürsten Johann und Nicolaus zusammen landesherrliche Befehle erließen und anderweitige Anordnungen trafen. Im Jahre 1341 gaben die Fürsten Johann III von Werle=Goldberg mit seinem Sohne Nicolaus IV und Nicolaus III von Werle=Güstrow mit seinem Bruder Bernhard III (von Werle=Waren) ihren Städten und Vasallen Macht, alle

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Verbrecher gegen den öffentlichen Landfrieden zu richten. (Urkunden=Buch IX, 6097.) Der Erlaß hebt an: "Ick Johann, Nicolaus, mvn szon, ick Nicolaus vnnd min broder, junge hern vhan Werle, bekennen . . . dat wy ehn (nämlich Städten und Vasallen) geuen macht tho donde vnnd tho latende ouer alle misdeder, dede rouen, dede bernen" u. s. w. Es mußte mit dem Lande schon weit gekommen sein, wenn die Fürsten ihren Unterthanen so gleichsam unbeschränktes Recht zur Selbsthülfe zugestanden, weshalb es in diesen unsicheren Zeiten offenbar für eine kleine Landstadt Nothsache war, festen Schutz hinter Wall und Graben gegen plötzliche Ueberfälle der Landstreicher und Raubritter zu suchen. Da nun mit dem Wallring, der mit zwei Enden an die Recknitz=Niederungen stieß, zugleich der Uebergang über das Thal mehr gesichert wurde, so ist es wahrscheinlich, daß um 1341 herum die Errichtung dieser Befestigung anzusetzen ist.

Die geringe Einwohnerzahl der Stadt ergiebt sich aus einem Vergleich mit den übrigen Städten. Als 1351 Albrecht und Johann von Meklenburg mit den Werlern einen Landfrieden schlossen und festsetzten, wie viel Mann zur Aufrechterhaltung desselben im Nothfalle jede Stadt stellen sollte, entfielen auf Rostock 60, Wismar und Parchim 40, Brandenburg und Malchin 30, Sternberg, Friedland und Waren 20, Grevesmühlen, Gadebusch, Gnoien, Ribnitz u. a. 10, auf Lage nur fünf Mann. Trotzdem machten die Stadt und die Kirche daselbst damals wesentliche Anstrengungen nach Grunderwerb und Ausdehnung des Besitzes. Hierher gehört eine Urkunde aus dem Jahre 1346, die ich, trotzdem dieselbe im Urkundenbuch X, 6666, schon abgedruckt ist, doch wegen ihrer Wichtigkeit hier folgen lasse:

"Ad perpetuam rei memoriam. Nos Walburg(is), relicta Hermanni Pynnowe bone memorie, Nicolaus dictus Bussel, Albertus, Hermannus, Nicolaus, fratres dicti Pynnowe, cum nostris heredibus (. .?) cupimus pervenire, quod matura deliberatione prehabita, nostrorum heredum et amicorum conscensu et voluntate rite et rationabiliter vendidimus (. .?) totam villam Pynnowe, sicut in suis distingtionibus jacet et continetur in mansis, agris cultis et incultis, areis, lignis, pascuis, gratis, paludibus, aquis, aquarum accursibus et decursibus ac cum omni jure et libertate in fructibus et redditibus ac singulis attenenciis, prout hucvsque dictam villam Pynnowe possedimus jure hereditario, libere possidendam, pro mille marcis et vna marca denariorum slauicalium, quas nobis et nostris cum literis consulum et vniuersitatis opidi Lawis integraliter certificauerunt. Huius-

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modi etiam villam coram dominis terrarum dominis de Werle ad manus consulum et predicte vniuersitatis opidi Lawis resignauimus; et prestare debemus et volumus varandiam, que proprie dicitur Warscop, dicte ville Pynnowe sepedictis consulibus et vniuersitati opidi Lawis per annum et diem, sicut iuris est et consuetudinis, pro omnibus, qui (in) iudicio voluerint comparere. Ad firmitatem omnium predictorum vna nobiscum Hermaniius, Nicolaus, Albertus, fratres dicti Pynnowe, filii Alberti Pynnowe bone memorie, fidetenus dictis consulibus in Lawis in solidum cum Thiderico Bussel fidetenus promiserunt. In quorum euidens testimonium sigilla nostra et nostrorum compromissorum presentibus sunt appensa. Datum et actum Lawis, anno domini M°CCC° quadragesimo sexto, ipso die Petri et Pauli beatorum apostolorum, presentibus discretis viris Bertoldo de Jork, milite, domino Johanne Sconenberch, rectore ecclesie in Lawis, domino Johanne Fabri, vicario in Rekenisse, Hinrico de Adrym, Hinrico et Tiderico Sconewelt, fratribus, Conrado Nortman, Nicolao (Tr)entkop, aduocato, famulis, et quam pluribus aliis fide dignis, ad hec vocatis et rogatis."

Das oben erwähnte, von der Stadt angekaufte Dorf Pinnow verleiht dann Johann III, Fürst von Werle, der Stadt als Eigenthum und legt es zur Stadtfeldmark. (Urkunden=Buch X, 6667.) Es heißt in dieser Urkunde: "Nos igitur, cupientes nostras ciuitates et oppida atque terras ditari et bonis pocioribus feliciter augmentari, ex speciali fauore et debita gratitudine, quibus erga nostros dilectos consules ac vniuersitatem in Lawis mouemur et excitamur, . . . . donamus proprietatem predicte ville Pinnowe nostro oppido Lawis antedicto, eandem villam et proprietatem ipsius cum bonis adjacentibus firmiter annectentes et integraliter incorporantes" . . . . . Unter den Klerikern, die als Zeugen herbeigezogen sind, tritt "Johannes Sconenberch in Lawis" auf neben denen aus Kammin, Belitz, Recknitz u. s.w.; unter den Knappen "Hinricus et Thydericus Sconeuelt, Johannes Pramule und Nicolaus Trendecop, noster aduocatus in Lawis." - Gegeben in Goldberg, 1346 "feria sexta infra octauas Petri et Pauli."

Es lag dieses Dorf Pinnow, an das noch heute die Namen "Pinnower Thor, Pinnower Viertel" erinnern, nach Wardow zu, und wir können sogar die Lage desselben sehr genau bestimmen. Es heißt ein Stück auf der Stadtfeldmark "die Dorfstellen," nahe dabei liegt der Pinnower Teich. Man fand dort vor 50 Jahren beim Steinesuchen vier Fundamente, von wenigen Steinen flach er=

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baut und von sehr geringem Umfange. Die ziemlich bedeutende Ankaufssumme läßt auf eine große Ausdehnung der Pinnower Feldmark schließen, wenn man bedenkt, daß in dieser Zeit in der Nähe (Kobrow) von Lager Interessenten sieben Hufen für 150 Mark angekauft wurden. Aus den jetzt vorhandenen Karten der Feldmark läßt sich nichts bestimmen, aber bei genauer Zusammenstellung der Bezeichnungen der einzelnen Ackerstücke u. s. w. bei Verpachtungen und Streitigkeiten in früheren Jahrhunderten konnte ich feststellen, daß "das Pinnower Feld" früher in drei Schläge, den vordersten, mittelsten und hintersten Schlag, eingetheilt war und vom Wardower bis zum Ridsenower Wege reichte. Und da hat die Annahme höchste Wahrscheinlichkeit für sich, daß der größte Theil des Ackers, mit dem die Lager Stadtfeldmark so auffallend in das Wardower Gebiet hineinragt, das Pinnower Feld ausmacht. (s. im Anhang noch die Flurnamen und die Karte der Feldmark.) Der in obigen beiden Urkunden als Zeuge auftretende Johann Schönberg (Sconenberg), rector ecclesiae in Lawis, ist der erste Pfarrherr, von dessen Thätigkeit wir Näheres wissen. (Sein Vorgänger als Kerkherr, plebanus oder rector ecclesiae, war (Gherhardus, der 1345 als Zeuge in einer Urkunde (IX, 6550) auftritt.) Er stammte aus einem meklenburgischen Adelsgeschlecht, das erloschen ist (Register zum Urkundenbuch), und sein Name tritt wiederholt unter den Urkunden damaliger Zeit auf. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er als Kapellan bei Johann III von Werle 1338 fungirte, daselbst scheint er sich größere Geschäftsgewandtheit erworben zu haben. Ein Jahr darauf, 1339, heißt er presbyter, notarius und bekennt sich, den rector ecclesiae in Brüsewitz, als den Vermittler eines Vergleiches; es ist bei dieser Gelegenheit auch sein Siegel erhalten (IX, 5951). 1344 wird er Notar und Kapellan Johanns genannt, darauf wird er Pfarrherr in Recknitz und siedelt 1346 auf die reichere Pfarre in Lage über. Dort entfaltet er anscheinend eine umsichtige Thätigkeit. (Siehe unter Heiligen=Dreikönige=Lehn.) Seine Brüder waren Nicolaus, Ratsherr in Parchim, und Dethard, Geistlicher daselbst. 1 )

Zusammen mit obigem Johann Schönberg tritt als Zeuge in Urkunden wiederholt Nicolaus Trendekop auf, der als Vogt, advocatus, 1346 in Lage saß und die Rechte des Fürsten wahrte. Er


1) Was den im Personen=Register des Urkb. erwähnten Geistlichen Michaël vicarius perpetuus anlangt, so ist derselbe nicht in Lage wohnhaft, vielmehr, wie sich aus dem Vergleich von V, 3312, und VIII, 5656, ergiebt, als Nutznießer einer Vicarei der Marienkirche in Rostock zu denken.
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stammte aus einer Sternberger Patricier=Familie und scheint nicht unbegütert gewesen zu sein. Mit mehreren anderen Sternbergern, insbesondere mit seinem Bruder Heinrich, zusammen war er Gläubiger von Johann und Henning von Werle 1328. Sein Siegel ist IX, 6153, beschrieben.

Vor diesem "advocatus noster in Lawis" ist noch 1336 (VIII, 5679) ein Albertus advocatus erwähnt, dessen Aufenthalt wahrscheinlich wenigstens Lage war, da die Stellung seines Namens in der Urkunde nichts weiter erwarten läßt. Er wird nämlich an der Spitze der Rathsherren und einiger Bürger von Lage genannt. Das Personen=Register des Urkundenbuches stellt die Vermuthung auf, daß er als Stadtvogt (im Unterschied von Landvogt) angestellt war. Auf die Bedeutung eines Stadtvogtes kommen wir weiter unten zu sprechen. Hier sollen zunächst noch weitere Personen festgestellt werden. Im Jahre 1330 (VIII, 5109) sind folgende Bürgernamen erwähnt: Henning Wulf, Peter Schilling, Heinrich Deetken, Dethlev Timme, Heinrich Timme, Johannes Wildeghus, Heiurich Schutte, Heinrich Wendt, Heinrich Dosse; im Jahre 1336 (VIII, 5679) kommen dazu als Rathsherren (consules) Johannes Plonies, Heinrich Darghesce, Nicolaus Molne, Thymme (einer der obigen Timme?), Meinhard von Sputendorpe, Dietrich Dalwitze, als Bürger Johannes Ukermunde und Henning (von) Doberan. Vielleicht dürften wir mit diesen Namen aus dem Jahre 1336 auch die vornehmsten Geschlechter Lage's kennen lernen. So klein die Stadt war, so wird sie doch, wie die übrigen Städte uuseres Landes, auch ihre rathsfähigen Geschlechter gehabt haben, die es versuchten, das Stadtregiment in Händen zu behalten und allein zu führen. Der genannte Rathsherr Nicolaus Molne (von Mölln) geht besonders mit dem Pfarrer Schönberg Hand in Hand bei Grunderwerbungen für Kirche und Stadt. Wir verwiesen schon auf die späteren Bemerkungen beim Dreikönige=Lehn. Hier nur soviel. Anlangend den Ankauf von Kobrow bringt das Urkb. X, 6622 und 6681, zwei Nachrichten, welche melden, daß 1346 (2. Februar) der Knappe Heinrich Schönfeld 7 Hufen und Hebungen zu Groß=Kobrow an den Pfarrer Johann Schönberg zu Lage und dessen Verwandten und an den Rathmann Nicolaus Molne zu Lage verkauft; ferner daß 1346 (29. September) die Knappen Konrad und Nicolaus Pramule 7 Hufen und Hebungen zu Groß=Kobrow an Heinrich und Dietrich Schönfeld verkaufen. Diese 7 Hufen sind beide Male genau dieselben, und es liegt auf der Hand, daß man nicht annehmen darf, Schönfeld verkaufe am 2. Februar Hufen, die

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er am 29. September desselben Jahres erst erwirbt. Der Gedanke liegt nahe, daß das Urkb., für das beide Male nur Copien vorlagen, dem Irrthume eines Schreibers folgt. In der That besitze ich Kopien, allerdings in einer späteren Zeit, 1760, aufgenommen, abermals nach Kopien, die in wesentlichen Punkten von obigen beiden Urkunden abweichen und allem Anscheine nach richtiger das Original aufbewahrt haben. Außerdem hat das Urkb. XIV, 8197, dieselbe Urkunde, die es X, 6622, gebracht hatte, noch einmal abgedruckt mit Richtigstellung der Jahreszahl 1356. In der Ueberschrift ist versehentlich Schönfeld statt Schönberg als Name des Pfarrers angegeben. Richtig wird darnach sein, daß 1346 der Verkauf durch Pramule an Schönfeld geschehen ist für 140 Mark. Dagegen verkaufte am 2. Februar 1356 (eine Jahreszahl, die auch Schröder, papist. Meckl., giebt) Schönfeld nach Lage für 150 Mark. 1360 wird dieser Verkauf durch Nicolaus von Werle bestätigt, 1361 durch Agnes, Herzogin von Meklenburg. (Diese Urkunden gebe ich beim Dreikönige=Lehn im Auszug wieder.) 1356 heißt Nicolaus Molne consul, 1357 Rathmann, 1360 proconsul, 1361 consul. Beim Ankauf von Pinnow ist von consules et universitas oppidi Lauis geredet. Die Stadt hatte nie mehr als zwei Bürgermeister (proconsules) und sechs Rathsherren (consules). Die ersteren hießen 1346 Berthold und Lüder, die letzteren Johann Kowalk, Markwart Langebosse, Werner Schmid (Faber), Dietrich Bülow, Matthias und ohne Frage Nicolaus Molne. Als Zeugen unter der Urkunde über den Verkauf von 4 Hufen in Wozeten traten 1357 auf: Heinrich Schönfeld, der Verkäufer von Kobrow, Volmer Hanenze und Berthold Dolgemann (Bürgermeister), Johann Kowalk, Bülow, Langebosse und Werner Schmid (Rathmannen). Aus dieser Zeit stammt auch das älteste Siegel der Stadt Lage, ein Werlescher Stierkopf mit der Umschrift sigillum civitatis Lawe, abgebildet Urkb. XIII, S. 324.

Indem wir zum Schluß versuchen, uns ein Bild von der Verfassung der kleinen Landstadt zu machen, haben wir an Dr. W. G. Beyer (in den Jahrbüchern XIV, S. 108 ff., über die Geschichte der Volksgerichte) zunächst einen willkommenen Führer. - Die Vogtei, das fürstliche Amt, Lage wurde verwaltet durch den fürstlichen Beamten, den Vogt (Landvogt, Amtshauptmann), der die Rechte seines Herrn zu vertreten und zu wahren hatte. Er übte das fürstliche Gericht, besonders die höhere Gerichtsbarkeit, judicium manus et colli, 1 ) er mußte bei excessibus ex trunca-


1) Die höhere Gerichtsbarkeit (j. majus, groteste, hogeste Gericht) an Hals und Hand im Unterschied von der niedern Gerichtsbarkeit (j. minus, (  ...  )
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cione capitis aut membri mntilacione provenientibus 1 ) als Richter zugegen sein, (V, 3248, nostro advocato super hoc judice invitato); außerdem erhob er die Bede. 2 ) In den Orten seines Bezirkes, in denen der Fürst alle Rechte verkauft hatte mit deme grotesten richte an den hals unde de hand unde mid deme minnesten richte (IX, 5764-65), wie in Wozeten und Kl.=Wardow, hatte der Vogt kein Gericht. Oft aber reservirte sich der Fürst beim Verkauf das oberste Gericht, z. B. bei Schweez (V, 3248). "Seiner (des Vogtes) im Namen des Landesherrn geübten Gerichtsgewalt waren ursprünglich ohne Zweifel die gesammten Eingesessenen des Gaues ohne Unterschied des Standes unterworfen, und nur die Zusammensetzung des Gerichtes selbst unter dem Vorsitze des Vogtes richtete sich in jedem einzelnen Falle nach dem Stande des Beklagten." (Beyer, a. a. O. 110.) Wenn, was allerdings nicht gewiß ist, der oben genannte advocatus Albrecht als Stadtvogt anzusehen ist, so darf man seine Stellung nicht mit der des später (im 16. Jahrh., Beyer, 111) landesherrlich eingesetzten Stadtvogtes verwechseln. Der damalige Stadtvogt, advocatus minor, subadvocatus, war nur ein Substitut, vom Landvogt abhängig, und vertrat denselben etwa im Behinderungsfalle (V, 2796). Von dem Urtheile des Vogtes stand die Appellation an das Gericht des Landesherrn zu.

Wann die Vogtei in Lage aufgehoben wurde, ist nicht nachzuweisen, wahrscheinlich im 15. Jahrhundert; 1441 bestand sie noch. Jedenfalls war der Vogt im Anfang des 16. Jahrhunderts nicht mehr am Orte. Der Bezirk war ja ohnehin nur von geringem Umfange, so daß, nachdem die feste Ordnung aller Verhältnisse erreicht war, die Vogtei in Lage entbehrt werden konnte. Nach der Aushebung und Vereinigung mit Güstrow mußte der fürstliche Vogt zu bestimmten Zeiten nach Lage kommen, um das Gericht daselbst zu hegen, später, im 16. Jahrhundert, wurde zur Erleichterung ein besonderer Stadtvogt eingesetzt, dem wir öfter begegnen werden. Das Güstrower Amt erhielt in solcher Entwickelung das Recht der Appellations=Instanz und machte auf dasselbe


(  ...  ) minneste, sydeste Gericht), das für geringere Vergehen kleine Geldbußen auferlegen durfte.
1) Bei Geldbußen (Strafgeldern), die aus Enthauptungen oder Gliedverstümmelungen aufkommen.
2) Bede, precaria, Steuer, die der Fürst an Geld und Korn von den Landhufen erhob. Sein Recht an die Bede einzelner Orte verkaufte oder verschenkte er vielfach.
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beharrlich noch im vorigen Jahrhundert Anspruch. "Dieser Appellationszug vom Stadtgericht an das Amtsgericht ist jedoch nur als eine nicht häufige Ausnahme in Meklenburg zu betrachten." (Beyer, S. 142.)

Der Stadtvogt, der das Niedergericht ausübte, hatte seinen besonderen Gerichtsplatz im Rathhause und mußte mit zwei Rathsherren, den jüngsten, als Beisitzern Recht sprechen. Ein Drittheil der Brüche kam der Stadt zu. Das peinliche Halsgericht, das, wie wir bei Erwähnung der Hexenprozesse sehen werden, öffentlich am Orte gehegt wurde, war später hier eine bloße Formalität. "Der Rechtsspruch wurde in der fürstlichen Hofcanzlei auf Grund der eingesandten Acten über die im Geheimen geführte Untersuchung schriftlich abgefaßt und zur Veröffentlichung in dem erwähnten hochpeinlichen Halsgerichte mitgetheilt."

Die städtische Verwaltung lag in der Hand zweier Bürgermeister und sechs Rathsherren. Die Zahl der letzteren legt den Schluß nahe, daß die Eintheilung der Stadt in drei Theile (später Viertel genannt), Mühlen=, Pinnower, Breesener Stadttheil, so daß jeder Theil zwei Rathsherren stellte, schon recht alt ist. Von einer Betheiligung der Bürgerschaft am Stadtregimente durch Viertelsleute, die in einem Bürgervorsprecher ihren vereidigten Vorsitzenden fanden, ist noch nichts zu merken. In späteren Zeiten änderte sich die Verfassung dahin, daß zunächst vier Rathsherren und daneben schon Viertelsleute, endlich zwei Rathsherren und sechs Viertelsleute sich finden, während bis ins letzte Viertel des vorigen Jahrhunderts immer zwei Bürgermeister blieben. Zu bemerken ist, daß es oft verzweifelte Kämpfe kostete, bevor die Bürgerschaft sich ihren Antheil an der Stadtverwaltung gesichert hatte. Die letzten Kämpfe werden wir noch beleuchten.

Wie sich aus den bisherigen Darlegungen ergiebt, hat die Stadt Lage in ihrem ersten Jahrhundert kräftige Anstrengungen gemacht, ihren Besitz zu mehren, ihre Grenzen auszudehnen und sich innerhalb derselben durch innern Ausbau in Ordnung und Recht zu festigen. In ihrer Geschichte dürfte hier ein Hauptabschnitt festzustellen sein. Ihre fernere Entwicklung wird weniger durch Verhältnisse im Innern, als durch die äußeren Geschicke des Landestheiles, dem sie angehörte, beeinflußt. Ueber jene sind fast gar keine Nachrichten vorhanden, 1 ) über diese müssen wir noch ein Weniges hinzufügen.


1) Margaret Langebosse schenkt 1426 zwei Morgen Ackers am Fischteich, um vom Ertrage Oblaten und Wein der Kirche zu halten, 1430 bestätigen Rath und Kirchenvorsteher deren Empfang.
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Während in den ersten 150 Jahren nach der Landestheilung noch Fürsten in Meklenburg (im weitern Sinne genommen) herrschen, die voller Kraft und Umsicht mit Erfolg in den Gang der Geschichte eingreifen (Heinrich der Löwe, Albrecht II, Albrecht III, Nicolaus II), beginnt gegen Ende des 14. Jahrhunderts für das ganze Land eine jammervolle Zeit, die fast das ganze 15. Jahrhundert hindurch währt. Die Regenten der einzelnen Landestheile sind gegenüber ihren Vorfahren wenig thatkräftig, das Land verwildert unter Raubwesen und muß seine Kräfte durch Kriege, die in kleinlicher Gesinnung hervorgerufen und kleinlich geführt werden, rasch dahin schwinden sehen, bis mit Herzog Magnus eine bessere Zeit beginnt.

Selbstverständlich wird auch Lage unter der allgemeinen Noth geseufzt haben. In einer Fehde mit den Werlern ließen die Rostocker z. B. die Stadt ihre Macht fühlen; sie richteten 1407 von Lage bis Malchin blutige Auftritte an. Außerdem kam Lage in rascher Reihenfolge an verschiedene Herren. Die Linie Werle=Goldberg erlosch 1376, und das Land fiel an Werle=Güstrow, das aber auch schon Werle=Waren von sich abgezweigt hatte, so kam Lage an das letztere, und als dieses 1426 aufhörte, an Güstrow. Dasselbe verlor seinen letzten Herrscher 1436, und Lage gerieth unter die Herrschaft Meklenburg, welches schon vor fast 100 Jahren die Grafschaft Schwerin gleichfalls erworben hatte. - Indessen war das Haus Meklenburg auch wieder in zwei Linien zerteilt, Meklenburg=Schwerin, woselbst Heinrich der Dicke und Johann V miteinander regierten, und Meklenburg=Stargard, wo Heinrich der Aeltere herrschte. Beide Linien mußten gemeinsam das Fürstenthum Wenden (Güstrow) erben, und aus dieser Zeit der gemeinschaftlichen Regierung stammt folgende Urkunde (mitgetheilt nach zwei Abschriften aus dem 17. Jahrhundert im Geheimen und Haupt=Archiv in Schwerin): In den namen der unnedelden hilligen drevaldycheit. Amen. Wy Hinrick de older tho Stargharde, Hinreck de jungher vnde Johan, broder, tho Schwerin, van gades gnaden alle hertoghen to Mekelenborch, forsten tho Wenden ond to Werle heren etc., mit vnsen eruen vnde nakamelinghen bekennen vnd betughen apenbar an dessen breue jegenwardich vnd vor alsweme, de ene zeen edder horen lezen, dat wy willen vnd scholen myt vnsen eruen holden und holden laten vnsen düchtighen leuen mannen vnd den ersamen vnsen leuen borgermesteren, radtmannen, inwaneren vnd menheidt vnser vogedyghen vnd stadt to der Lawe, de nu synt, und eren nakamelinghen alle ere breue, priuilegia, olde vnd nige, vnde

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vryheit, dede von vnsen zehligen vedderen, den forsten tho Wenden, edder van wat heren, dar se ere privilegia aff hebben, de wille wy by aller macht laten vullkamen to bliuende ond nerghen mede to brekende, men wy willen en allen vnd einen iewelken by syck in aller wise vnd macht holden, alzo de inholdende sint vnd luden van worden to worden, offt de myt vnsen eghnen jnghezeghelen bozeghelt weren. Wy hebben en de privilegia bestedeghet, bevesteghet, vulwordet vnd vornyet, vnd wy heren vorbenomt bevestighen, stedighen, vulworden vnd vornyen de in krafft desses breues, vnd wy herrn vorbenomt myt vnsen eruen willen vnd scholen de vorbenomten vnse leuen düchtigen manne an den vögedye vnd vnsen leuen radtmanne, jnwaneren vnd menheydt to der Lawe, gestlich vnd werlich, by allen guden olden wanheyden, besittinghen, vryheyden, eghendum, de se hebben an dörperen, wanynghen, velden, holten, jacht, wateren, vyscheryen, vnd myt alle, dat sy, wat id sy, nicht vtgenhamen, (de) vnbeworen, vry vnd vredesam laten. Wer auer, dat wy hern vorbenomt alle edder vnser en jennighe redelcke tosprake hadden to vnsen düchtighen mannen an der vaghedye edder to vnsen radtmannen offte jnwaneren to der Lawe, dat scholen wy vorderen iegen de, dar id vns to schelett, an der voghedyghe darsuluest. Op dat alle desse stucke, artikel vnd en iesslik bi sick stede vnd vast sunder alle arch woll gheholden werde, laue wy ergenant heren myt vnsen eruen den duchtighen vnsen truwen mannen vnd den ersamen radtmannen, jnwaneren der voghedye vnd stadt to der Lawe an gudem louen vnd an rechtiger warheit sunder arch vnd hebben desses to tughe vnd to grotter bekantnisse vnse jnghesegelle alle vor vns, vnse eruen vnd nakamelynghe hengen laten vor dessen breff, geuen vnd screuen to Gustrow, na der bordt Christi vnses heren vertyen hundert jar an dem en vnd vertighesten jare, am auende sunte Gertrudt der hillighen juncfrawen. Hyran vnd auer sin ghewesen de strenghe vnd düchtighe vnse leue truwen her Mathias Axcouw, ridder, Otte vnd Johann Verechen, Hennynck Warborch, Henneke vnd Vicke Haluerstadt, Reymar von Plessen, knapen, vnd vele mehr vnses rades, louen- vnd erewerdighen.

Aus der vorstehenden Urkunde ergiebt sich zunächst, daß Vogtei und Stadt Lage die Bestätigung ihrer Privilegien (hauptsächlich Bestand und Besitz in den bisherigen Grenzen) von den neuen Landesfürsten erhalten haben. Wichtig ist es, zu erfahren, daß 1441 die Vogtei Lage noch bestand. Beim Anbruch der neuen

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Zeit im nächsten Jahrhundert war sie aufgehoben, wie wir erwähnten.

Nur noch eine kurze Nachricht kommt aus dem 15. Jahrhundert über Lage auf uns. Es heißt in dem Schiedsspruch des Königs von Dänemark zwischen Herzog Magnus und Rostock, § 9: "zu Thessien soll der von Laage dorthin verlegte Zoll, sofern er nicht verhöht wird, in seinem Esse bleiben." Sonst dunkelt es nun über der Geschichte der Stadt, kein Lichtstrahl erhellt die Finsterniß, - ein Zeichen ihres schwachen Lebens oder der stürmischen Zeit. Demnach liegt leider die Nötigung vor, eine Lücke in der Darlegung ihrer Entwickelung zu lassen und sofort in das Jahrhundert der Reformation überzugehen.

II. Aus dem Jahrhundert der Reformation.

Wie schon erwähnt, war die Kirche zu Lage vermögend, sie besaß manche liegenden Gründe in den benachbarten Ortschaften Kobrow und Wozeten, erhebliche Aecker und Wiesen auf der Stadtfeldmark und außerdem viele Renten aus Häusern und Aeckern. Von manchen Dotirungen sind Nachrichten auf uns gekommen, andere sind uns verschwiegen geblieben; aber unschwer lassen sich bei den späteren Streitigkeiten mindestens die wichtigsten Ländereien bestimmen. Wenn in der jetzigen Zeit sich der Besitzstand der Kirche völlig verwandelt hat, so läßt sich das bei genauerer Betrachtung der Geschichte der einzelnen Kirchengüter erklären, die im Zusammenhange später gegeben werden muß. Schon gegen Ende des 15. Jahrhunderts finden wir, daß Reimar v. Lehsten auf Wardow in seiner Art Reformation zu treiben und das Lehn der Kirche zu Kobrow an sich zu reißen versuchte, doch wurde er durch den Bann, der vier Jahre lang auf ihm lastete, endlich ermüdet und wartete grollend auf eine günstigere Gelegenheit. Noch war die katholische Kirche fest geschlossen und mächtig genug, ihre Rechte zu wahren; am Empfindlichsten war ihr die Kränkung im Besitz weltlicher Güter.

In dem Gotteshause waren nachweisbar außer dem Hochaltar fünf Nebenaltäre, die meistens mit besonderen Einnahmen dotirt waren, nämlich der Altar ad primam missam (Frühmesse) et ad missam Borate, Trium Regum (der drei Könige), St. Katharinae, St. Michael, St. Nicolai; außerdem lagen in der Nachbarschaft der Stadt die Kapelle St. Gertrud, das Hospital zum heiligen Geist, die St. Jürgensstiftung und das Armenhaus; und endlich gab es daselbst die Kalands=Brüderschaft. In Groß=Ridsenow

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stand eine Kapelle, zu der Klein=Ridsenow und Spotendorf gehörten, und auch diese wurde von Lage aus verwaltet; wahrscheinlich wurde dieselbe in dem dreißigjährigen Kriege zerstört, und die drei genannten Orte zogen sich nun zu der Kirche in Polchow.

Die Pfarre war, wie oben bemerkt, dem Archidiaconate Rostock unterstellt; hinsichtlich des Bisthums, dem sie zugewiesen war, sind verschiedene Ansichten entstanden. In älteren Zeiten war der Sprengel des Bischofs von Schwerin über die ganze Gegend ausgedehnt, später kamen Streitigkeiten mit dem Bischofe von Kammin in Pommern, der es erreichte, daß die Nebel bei Güstrow die Grenze der Bisthümer wurde. Demnach könnte es scheinen, als wäre auch Lage an den Gehorsam gegen Kammin gewiesen worden. Aber wie das Archidiaconat Rostock zu der Präpositur Bützow und mit dieser zu dem Bistum Schwerin gehörte, so gehörte auch Lage dahin, der Schweriner Bischof bestätigte geistliche Lehen daselbst und beaufsichtigte die Verwaltung.

Unser Staatskalender, der die jetzige Präpositur Lüssow, zu der auch Lage gehört, zu Kammin rechnet, würde also auch hier irren.

Im Jahre 1498 wurde in Lage ein Pfarrherr Heinrich Möller von Herzog Magnus eingesetzt. Er war ein einflußreicher, vermögender Mann, der ausgedehnte Ackerwirthschaft trieb und in Folge dessen die ihm obliegenden geistlichen Pflichten nicht hinreichend selbst erledigen konnte; darum hielt er sich Kapellane, die er durch Belohnung mit Vicareien, welche ihm zustanden, versorgte, oder für die er Belehnung zu erreichen verstand, so daß sie seiner Tasche nicht allzusehr zur Last fielen. Der erste Kapellan, der uns bekannt ist, war Johannes Katte, der hernach Scholasticus (1534) und Domherr (1540) in Rostock war, und von dem eine spätere Notiz sagt: conversus e papatu (bekehrt vom Papstthum). Natürlich fand seine Bekehrung nicht in Lage statt, denn sonst wäre er wohl nicht Domherr geworden. Ein zweiter Kapellan war Ulrich Evers, der 1534 schon und 1540 noch in Lage war. Als 1534 auf Befehl der Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg die erste Kirchen=Visitation gehalten wurde, kamen die Commissarien Sebastian Schenck, Propst in Güstrow, Detlev Danckwardt, Domherr in Rostock, Nicolaus Bockholt, Geistlicher aus dem Schwerinschen Sprengel, sämmtlich Katholiken, auch nach Lage; sie beschränkten sich, ohne nach den Anhängern der neuen Lehre zu forschen, auf Aufzeichnung des Besitzes der Kirche und Geistlichkeit, der, wie so viele andern, durch Eigenmächtigkeit des umwohnenden Adels schwer bedroht war. Die evangelischen Visitatoren, die Herzog Heinrich im Jahre 1535 aussandte, kamen seltsamer Weise nicht in die Stadt; sie besuchten alle umliegenden

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Städte, wie Güstrow, Schwan, Tessin, Gnoien, Teterow, auch Pfarren in unmittelbarer Nachbarschaft, wie Kammin und Hohen=Sprenz, aber Lage vermieden sie.

Bald darauf wurde Heinrich Möller Domherr in Güstrow, doch veraulaßte ihn die Uebernahme dieser neuen Würde wohl zur Uebersiedelung nach jener Stadt, aber durchaus nicht zur Aufgabe seiner Pfarre. Als rector ecclesiae mußte er stets das Hochamt halten, die Processionen leiten und einige besondere Amtsgeschäfte übernehmen: alle gewöhnlichen Gottesdienste und geistlichen Handlungen, Ceremonien, Predigten mußte sein Kapellan besorgen. Nach Güstrow floß also der größte Theil der Pfarreinnahmen. Die dortigen Domherren waren der Hort des Katholicismus in der ganzen Gegend, ihre Macht erstreckte sich weit in den östlichen Theil des Landes, reiche Besitzungen machten ihnen das Leben behaglich und leicht; selbstverständlich mußten sie der Reformation viele Steine in den Weg werfen, wenn sie weltlicher Klugheit gemäß für sich sorgen wollten. Das merkte unser Städtlein, denn auch hier regte sich der evangelische Geist, und zwar versuchten Laien gegen den Vicar Johann Schwenn die Führung zu übernehmen. Schwenn hatte, bevor er nach Lage kam, sechs Jahre lang zu Putlitz das Evangelium lauter und rein gepredigt und die Sacramente richtig verwaltet, aber er war ein schwankender, haltloser Charakter, denn als der stolze und mächtige Domherr in Güstrow ihn zu seinem Vicar in Lage machte, schlug er wieder vollständig um zur Papisterei und wurde um so schlimmer, als er mutwillig gegen die erkannte Wahrheit sich auflehnte, kurz, er rechtfertigte das Urtheil: "Dieser Mietling ist ein arger, hartkoppischer Papist." An den Geistlichen in der Nachbarschaft konnte er keine Stütze finden. "Der Kirchher zu Kamin yst eyn ungeschickt, ungelert man, hatt keynen rechten versthande, wye man dy sacrament gebrauchen und was uncz darauss khompt." "Der Kirchher zu Hohen Sprencze weys auch keynen rechten verstand und brauch der sacrament, furet also eyn blinder den Andern." "In Tessin yst ein Dorfpfarher, gancz ungelehrt, wär besser czum Hirten auffs felde, denn czum seelsorger." Selbstverständlich wollte Schwenn von allen Neuerungen nichts mehr wissen und verfolgte sie nachdrücklich. 1538 endlich drängte das Verlangen der Bürgerschaft nach der neuen Lehre zu einer Aeußerung gegen den Vicar, die allerdings bescheiden genug genannt werden muß und schnell genug geahndet wurde, aber doch den Anfang des reformatorischen Strebens in Lage bezeichnet. Einer der damaligen Bürgermeister, dessen Name uns leider nicht genannt wird (vielleicht Achim Bennickendorf) sammt zwei Bürgern

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wollte es durchsetzen, daß christliche Lieder deutsch in der Kirche gesungen würden, "damit die Jugend, auch er sammt den andern möchten verstehen, wie sie Gott recht loben sollten." Darum fingen sie an, in der Kirche "Allein Gott in der Höh' sei Ehr" zu singen. Schwenn hatte nichts Eiligeres zu thun, als dieses dem Kirchherrn, dem Canonicus Möller nach Güstrow zu melden, und dieser, der Sorge um seine Pfründe trug, stellte das Ganze als eine Störung des öffentlichen Gottesdienstes hin, so daß er die Beteiligten vor den Vogt in Güstrow bringen konnte und es durchsetzte, daß die drei Bürger 30 Gulden Bruchgeld geben mußten. Das war eine hohe Strafe, und sie schreckte von erneuten Versuchen ab; zum Ohr des Herzogs Heinrich, der entschieden die Strafe erlassen haben würde, weil er die Reformation schützte, war es weit.

Als nun dieser Herzog Heinrich V, der Friedfertige, der mit seinem Bruder Albrecht die Regierung gemeinsam führte, trotz der ausgeprägt katholischen Neigung des Letzteren im Jahre 1541 seine Visitatoren, den Superintendenten Riebling mit dem herzoglichen Rathe Kurd v. Pentz, dem Schweriner lutherischen Prediger Joachim Kükenbieter und dem Secretär Simon Leupold ins Land sandte, damit dieselben den Stand der Reformation erforschten, benutzte der Rath ihre Ankunft, "aufs Höchste mit unterthänigem Fleiße zu bitten, daß der Herzog als ein christlicher, löblicher Fürst ein gnädiges Eiusehen wolle darein haben, daß ihnen doch möchte das wahre Wort Gottes lauter und rein gepredigt und auch die heiligen Sacramente nach christlicher Einsetzung verreicht werden." Die Visitatoren fanden es "wahrlich zum Erbarmen, daß die armen Leute, so ein großer Haufe, des heiligen, wahren Wortes Gottes so jämmerlich sollten beraubt sein," und luden den Pastor Johann Schwenn zum Berichte vor die Commission. Dieser versuchte zwar, sich gegen eine Verantwortung zunächst mit höhnischen, spöttischen Worten zu schützen, und ließ sagen: "Siehe, will Herzog Heinrich eben was Neues anfangen mit seinen Visitatoren, dieweil sein Bruder Herzog Albrecht nicht im Lande ist?" Da er aber wohl merkte, daß er mit Nachgeben weiter käme, ließ er sich zur Gestellung bereit finden. In der sich entspinnenden Disputation mußte der haltlose Mann denn auch "frei selbst bekennen, daß Vigilien und Seelmessen halten nichts sei; daß vom Fegefeuer lehren Menschendicht sei; daß Sacramente unter einer Gestalt verabreichen wider Gottes Ordnung sei; item daß die Priester sich in den Ehestand begeben, recht sei; auch recht, daß der Glaube allein selig mache; daß die Absolution und heilige Taufe mit deutlichen Worten, die die Zuhörer vernehmen können, geschehen sollen, recht sei." Er

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konnte nichts dagegen vorbringen und mußte also zusagen, er wolle fürder darnach leben und lehren. Aber die Visitatoren nahmen doch den Eindruck mit: "Dieweil er so lange wider die erkannte Wahrheit mutwillig gethan, ist zu besorgen, er werde bei seinem Vornehmen bleiben oder ja nicht viele Frucht schaffen, dieweil er es nur um des Bauches willen thut."

In Güstrow ging die Reformation ihren Gang sicher weiter, nach einigen gescheiterten Widerstandsversuchen wurde das Domcapitel 1550 aufgelöst, und mit demselben war denn auch das Band, das viele von ihm Abhängige noch unter das alte Joch zwang, zerschnitten. Unser Johann Schwenn fügte sich aalglatt in alle Wandlungen, er wurde ja nun Inhaber aller Pfarreinkünfte und benutzte sie, um sich seine so gewissenlos behauptete Stellung recht angenehm zu machen, denn 1552 empfing er das Zeugniß: "Ziemlich gelehrt, aber eines ärgerlichen Lebens." Es scheint, als ob er sein Versprechen, lutherisch zu lehren, doch gehalten habe.

Sein Nachfolger wurde Konrad Ritter, der schon 1576 und bestimmt noch 1582 im Amte war. Ob dieser den ersten großen Stadtbrand, von dem uns berichtet ist, zu Lage schon erlebte, ist nicht zu sagen. Der Brand brach 1569 aus und legte die Kirche sammt dem Thurm in Asche; die Ringmauern blieben, und das Gewölbe hielt sich; die Glocken stürzten herunter und zerschmolzen in der Gluth. Der größte Theil der Stadt mit dem Rathhause sank in Asche, und die Gemeinde war in ihrer Bedrängniß auf die Hülfe der Landsleute angewiesen. Diese blieb auch nicht aus; theils durch Vermächtnisse und Sammlungen, theils durch fürstliche Beisteuer und Erlaß der Landbede kam die Kirche wieder in Stand, auch die Wedeme (das Pfarrgehöft) wurde neu gebaut. Von dem Glockenguß ging ein ziemlicher Theil nach Güstrow zum Verkauf, der Rest stand noch nach sechs Jahren auf dem Kirchhofe. Man behalf sich mit einer kleinen Glocke, doch kam auch diese bald zu Schaden: beim ungeschickten Läuten zersprang sie. Im Laufe der Jahre wurde Alles ergänzt, und noch vor dem großen Kriege hatte der Thurm sein Geläute voll wieder. Die Meßgewänder und allerlei Geräthe aus der katholischen Zeit waren gerettet, und es wurde von diesem Inventar der Kirche jetzt das werthvollere, soweit es im lutherischen Gottesdienste nicht gebraucht wurde, verkauft. - Ein besonderer Verlust war es, das manche städtische Urkunden im Feuer verloren gingen.

Die Reformation nöthigte mit ihrem Eifer für die Lehre gegenüber der großen Unwissenheit des Volkes zur Entfaltung der regsten Thätigkeit auf zwei Gebieten, in Predigt und Unterricht. Man

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verlangte von allen neu anzustellenden Geistlichen eine gründliche Durchbildung in der Gottesgelehrtheit, und auch unser Konrad Ritter "ist woll bestaunen." Er erlebte eine Hauptvisitation der Kirche zu Lage durch den Superintendenten Konrad Becker, den Amtshauptmann Gottschalk Berner und den Licentiaten Jakob Bording, die auf Anfordern des Kirchspieljunkers v. Lehsten=Wardow gehalten wurde, und zwar angefangen am 13. Februar 1578 und fortgesetzt am 5. April 1582 (durch den Superintendenten Andreas Celichius). Ritter, so wurde festgestellt, hatte zweimal sonntäglich zu predigen, Vormittags über die Perikopen, Nachmittags über den Katechismus, ferner am Mittwoch Wochengottesdienst zu halten, um die Haustafel auszulegen, endlich die Kinder zu examiniren (Kinderlehre). Da aber diese angestrengte Arbeit seine Kräfte sehr in Anspruch nahm, so war beschlossen, die Aufkünfte eines Capitals, das vom Dreikönige=Lehn stammte, zur Besoldung eines Gehülfs=Predigers anzuwenden. Bis dahin sollte der Küster die Schularbeit thun und dafür die Hälfte jener Einkünfte beziehen. Der damalige Küster hieß Joachim Diekmann; er unterrichtete in einem besonderen Schulhause, von dem es 1578 heißt: "Die Schule ist baufällig, wiewohl sie nicht lange gestanden, ist auffs erst übel gebawet." Seine Einkünfte waren sehr gering. Jeder Schüler, den verständige Eltern sandten, gab aufs Quartal 3 ßl. Freie Feuerung hatte der Küster insofern, als jeder Schüler ihm für die Heizung der Schulstube, in der jener zugleich wohnte, 1 ßl. beisteuerte. Seine sonstigen Einnahmen beliefen sich auf etwa 16 Gulden. "Auf die drei Feste, als Weihnachten, Ostern, Pfingsten, wenn die Gottshausleute mit dem Bilde umbgehen, davon der Pastor den halben Theil bekommt, giebt ihm der Pastor 1 ßl. Lübisch und die Gottshausleute auch einen 1 ßl. Lübisch. 1 ) Auf den Witteltag wurden ihm aus jedem Hause zu Lage 2 Eier gegeben. Weihelgeld brachte ungefähr 10-11 ßl. Lübisch, Taufgeld 1 Witten, Kirchgang 1 Witten, Aufgebot 1 Witten, Krankenbesuch 1 Witten, Todtengeld von Erwachsenen 2 ßl., von kleinen Kindern 6 Pfg. Außerdem erhielt er noch Würste und 6 Drömpt 9 1/2 Schffl. Hafer vom Lande.

Kirchenvorsteher, die die Erhebung und Verwaltung der Aufkünfte der Kirche und geistlichen Stiftungen besorgten, gab es ge=


1) Gotteshausleute, Juraten, sind vereidigte Kirchenvorsteher oder Provisoren, die schon in der katholischen Zeit an der Kirche angestellt waren und mit der Vermögensverwaltung und Rechnungsführung betraut wurden. Dieselben gingen auch mit dem Bilde, Belte oder Opferbrette um zur Sammlung von Opfern und hatten die Urkunden der Kirche unter ihrer Aufsicht.
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setzlich vier, nämlich zwei vom Lande und zwei aus der Stadt. Dieselben sollten beeidigt werden auf redliche Verwaltung ihres Amtes. Aber es wurde dieses Institut selten in guter Ordnung gehalten. Die Vorsteher waren oft unbeeidigt, oft nicht vollzählig, die ländlichen fehlten meistens. (Später, am Ende des 18. Jahrhunderts, ging das ganze Institut ein, seine Pflichten übernahm ein Kirchenprovisor.) Wenn auch angeordnet wurde, daß die Vorsteher der Hospitäler und der Kirche jährlich auf Martini vor dem Amtshauptmann oder Küchenmeister aus Güstrow im Beisein der Kirchspielsjunker und des Pastors Rechenschaft ablegen sollten, so wurde doch auch solche Ordnung in den Drangsalen des nächsten Jahrhunderts durchbrochen.

Die Zeit der Reformation, die nicht bloß die Leidenschaften auf dem Gebiete der religiösen Fragen entfachte, sondern auch gar oft in der Verwirrung des Ueberganges den habgierigen Griffen eigenmächtiger Leute unter Bürgern und Junkern freien Spielraum gönnte, brachte der Kirche große Verluste. Wir müssen leider annehmen, daß der Eifer für die neue Lehre durchaus oft aus der Sorge für den Geldbeutel entsprang: es ist nicht erfreulich zu sehen, wie beim Zusammenbruch des Alten nun jeder zugriff und wegraffte von geistlichem, d. h. doch fremdem Eigentum, was er nur erlangen konnte. Die gewaltige Macht der katholischen Kirche trat nicht mehr schützend ein, und einzelne Kirchenvorsteher, die selbst gern ihren und ihrer Mitbürger Vortheil wahrnahmen, und der Ortsgeistliche, der sich mühsam durch die Schwierigkeiten des Uebergangs hindurch arbeitete, gewährten wenig Schutz. Es fehlte beiden Vertretern am klaren Blick fiir das Nöthige. Zufriedenstellende Rechnungsablage seitens der Vorsteher fand sich selten, bei der Revision fehlten oft große Summen, und dann erst begann das Nachdenken und Erwägen, wohin dieselben wohl gethan sein könnten. Man besinnt sich dann gelegentlich, daß die Zimmerleute nicht in Rechnung gesetzt sind und nimmt den ungefähren Ueberschlag ihrer Forderungen an, oder der Vorsteher behauptet, Geld für einen Prozeß nach Speier gesandt zu haben, worauf ihm nachgewiesen wird, daß es dort zu keinem Prozeß gekommen sei; da fällt ihm ein, daß er den kleinern Theil der fraglichen Summe für ein Urtheil nach Wismar gesandt, den größten Theil zur Türkensteuer angewandt habe. Diese Verwirrung kam daher, daß die Vorsteher nicht schreiben konnten, sich höchstes gelegentliche Notizen von andern machen ließen, z. B. von dem Küster, dem sie dann dafür jährlich ein paar Schuhe gaben. Die Kirche besaß drei Pfannen und einen Kessel, die sie zum Gebrauch beim Brauen in

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die Häuser lieh; sie hätte davon gute Einnahmen haben müssen, aber meistens holten die Leute die Geräthe ohne Aufsicht und brachten sie ohne Bezahlung, und doch waren diese so werthvoll, daß sie, nachdem sie schon ziemlich beschädigt waren, für 146 Gulden 19 ßl. 6 Pfg. verkauft wurden. Wer das alles bedenkt, dem wird es erklärlich sein, daß viele Kirchengüter allmählich verloren gehen konnten.

A. Altarlehen der Kirche.

Zum leichteren Verständniß der Rechtsverhältnisse und Aufkünfte der Nebenaltäre muß noch vorweg eine kurze Erklärung gegeben werden. Die Altare waren durch fromme Stiftungen und Vermächtnisse gegründet, meistens von Leuten, die beabsichtigten, von ihrem Vermögen auch nach dem Tode noch wesentliche Vortheile zu genießen. Sie stellten zu diesem Zwecke die Bedingung, daß für ihre Seelen, insbesondere zur leichteren Lösung derselben aus dem Fegefeuer, an den von ihnen gegründeten Nebenaltären Messen gehalten und Gebete gesprochen würden. Da solches nur von einem geweihten Priester geschehen konnte, so mußte natürlich, damit derselbe für seine Mühe entsprechende Entschädigung erhalten, ein größerer oder geringerer Zinsertrag gesichert sein, je nachdem allwöchentlich oder alltäglich Messe gelesen werden sollte. Es wurde auch wohl von einem Testator, der nicht vermögend genug war, einen besonderen Altar zu stiften, einem der schon bestehenden eine Summe Geldes oder ein größeres Grundstück zu Seelenmessen vermacht. So entstand eine Vicarei: ein Priester der die Einkünfte bezog und die Messen hielt, hieß Vicar. Der Stifter einer Vicarei hatte das Recht, die Wahl des Vicars nach eigenem Ermessen zu ordnen. In Lage übertrug man dem jedesmaligen Pfarrherrn oder dem Rathe der Stadt oder dem Schweriner Bischofe die Bestimmung desselben, auch vergaben wohl Pfarrherr und Rath abwechselnd die Vicarei. Es lag also nahe, daß bei Aufhebung der Messen und Vicareien die Pfarre oder die Stadt Ansprüche an die Hebungen erhoben und wohl auch durchsetzten. 1 )

I. Das Heiligen=Dreikönige=Lehn.
(Beneficium trium regum.)

Die Geschichte der zwei Besitzungen dieses Hauptlehns läßt sich ziemlich genau verfolgen. An denselben rüttelte auch die Zeit


1) Grautoff, Historische Schriften I, 264 ff.
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der Reformation. Die entbrennenden Streitigkeiten sind die Veranlassung gewesen, daß die Kunde von jenen uns genauer erhalten ist. Es handelt sich hierbei um sieben Hufen in Deutsch=Kobrow und um ein Bauergehöft in Wozeten.

1) Die sieben Hufen in Deutsch=Kobrow.

Der Pfarrer Johann Schönberg zu Lage und seine Verwandten, sowie der Rathmann Nicolaus Molne daselbst kauften am 2. Februar 1356 zusammen einen Theil Landes in Kobrow, worüber eine Urkunde uns erhalten, die Urkb. XIV, 8197, abgedruckt ist. Der Verkäufer, der Knappe Heinrich Schönfeld, hatte das Land im Verein mit seinem Bruder im Jahre 1346 (29. September) von den Knappen Konrad und Nicolaus Pramule käuflich erworben. (Urkb. X, 6681.) Das Kaufobject waren sieben Hufen Landes und 24 ßl. Einkommens auf dem Felde, genannt Overland, im Dorf Deutsch=Kobrow, mit allem Lehnrecht, mit allem Nutzen und Frommen, worin es bestehen mochte. "Die Abtretung des Lehns," heißt es in der Urkunde, "über diese gedachten Hufen zum Nutzen und Besten derselben (der Käufer) will ich so lange, wofern es nöthig sein wird, zurückbehalten, bis ich ihnen dasselbe von dem wahren Lehnsherrn werde procuriren und zu Wege bringen können." Als Compromissores traten zu Heinrich Schönfeld sein Vetter Albrecht Schönfeld, Wedekind Lehsten, Jochim Northmann und Nicolaus Zapkendorf. Als Zeugen fungirten die oben im ersten Theil genannten Bürgermeister und Rathmänner der Stadt. - Obiges Versprechen, vom Fürsten die Bestätigung des Lehnskaufes zu erwirken, hielt Schönfeld, und in der Bestätigungs=Urkunde ist zugleich angedeutet, zu welchem Zwecke überhaupt der Ankauf der Hufen geschehen war. Diese Urkunde ist im Urkb. XIV, 8758, abgedruckt.

Zum Verständniß beachte man, daß Lage zur Herrschaft Werle=Goldberg gehörte. 1354 war Nicolaus IV von Werle=Goldberg, der Sohn Johanns III, gestorben mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes, Johanns IV, für welchen Nicolaus III von Werle=Güstrow die Vormundschaft führte. Dieser Letztgenannte ist es, der 1360 obigen Verkauf bestätigt. Wir ersehen aus der Urkunde, daß purst Nicolaus zugleich die Erlaubniß giebt, die sieben Hufen zur dauernden Vicarei anzulegen, das oberste Gericht, die Naturalgefälle (Hundekorn) und alle Beden wurden reservirt, dagegen wurden die Lehndienste, insbesondere der Roßdienst (servitium dextrarii) erlassen. Im nächsten Jahre bestätigte ferner die Fürstin

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Agnes, Wittwe des 1354 gestorbenen Nicolaus IV von Werle=Goldberg, also die Mutter des unmündigen Johann IV, den Uebergang des Lehns. 1 ) Die von ihr ausgestellte Urkunde, die noch nicht im Urkundenbuch abgedruckt ist, lautet: Nos Agnes, dei gratia ducissa Mangnopolensis, vninersis presentia visuris seu audituris volumus esse notum lucidius protestantes, quod prehabito consilio et consensu mangnifici principis Johannis, ducis Magnopolensis, contoralis nostri dilecti, propter cultum diuinum, quem augeri desideramus, ad petitiones discretorum virorum domini Johannis Schonenbergh, rectoris ecclesie Lawis, et Nicolai de Molnen, consulis ibidem, dedimus et presentibus damus septem mansos in villa Teutunica Coberouw, quos ipsi ad perpetuas vicarias apposnerunt, ob salutem animarum nobilium virorum Johannis et Nicolai, eius filii, quondam domini et contoralis nostri dilecti bone memorie, dominorum de Werle, ac patris nostri Vlrici et fratris nostri Vlrici, comitum de Lindouw, liberos, quitos penitus et solutos ab omni seruicio et annona canina, que hundekorne dicitur, ita quod cultores dictorum septem mansorum nobis et nostris nullam annonam caninam dabunt, nec seruicia facere debeant temporibus, quibus aduixerimus, sed in singulis ad nutum vicariorum stabunt, precarias denariorum nobis in eisdem mansis reseruantes. Inhibemus etiam nostris aduocatis, famulis, teolonariis et seruitoribus singulis, quicunque pro tempore fuerint, ne huiusmodi donationem a nobis factam infringant, nec cultores predictorum mansorum de cetero in aliquo molestare et grauare presumant; quod a cunctis nostris officialibus, aduocatis et seruitoribus fideliter et integraliter volumus obseruari. In cuius testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum anno domini millesimo tricentesimo sexagesimo primo, feria sexta ante Lucio virginis, presentibus Alardo de Cernyn, Zanouitze magistro camerario, Tzandero, famulis, et domino Thiderico, nostro cappellano, et pluribus aliis fide dignis. Nach dieser Urkunde verzichtet die Herzogin Agnes auf alle Ansprüche an die Hufen, läßt sie sogar von den ihr zukommenden Natural=Abgaben (Hundekorn) frei und reservirt sich nur die jährliche Geldbede. Die beiden Lager Käufer haben aber diese Hufen zu einer bleibenden Vicarei schon der Kirche beigelegt.


1) Agnes war eine geborene Gräfin von Lindow und in zweiter Ehe verheirathet mit Johann I von Meklenburg=Stargard, weshalb sie hernach Herzogin von Meklenburg hieß.
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Endlich dürfte hierher eine Urkunde vom Jahre 1366 zu ziehen sein, die sich in Schröder, papist. Meckl. findet, worin auch seitens des Bischofs die Stiftung bestätigt wird. Friedericus, episcopus Suerinensis . . . confirmat vicariam, quam dominus Johannes, dominus Dethardus et Nicolaus Schonenbergk fratres in remedium suorum et propriarum animarum salutem in ecclesia Lawys, Suerinensis diocesis, in honorem Dei, Johannis apostoli et evangelistae et Katharinae virginis fundaverunt, sub modis ac conditionibus, quae afferunt. Es fehlt die Erwähnung des Rathmanns Molne, und dieser Umstand scheint denn auch eine spätere Nachricht zu bestätigen, daß ursprünglich aus den Grundstücken zwei Vicareien gestiftet, eine zu St. Katharinen, welche die Kirche, und eine zu Trium Regum, welche die Stadt zu verlehnen hatte. Gewöhnlich indessen werden hernach die sieben Hufen als ein Dreikönige=Lehn schlechtweg bezeichnet.

Nach all diesen Mühen war anscheinend fest und unanfechtbar das Grundstück gesichert. Dennoch, und obwohl die Urkunden sorgfältig gehütet wurden, begann später der Angriff.

Als im Jahre 1412 Johann Lehsten mit Wardow und Kobrow belehnt wurde, waren in dem Lehnbriefe jene sieben Hufen nicht ausdrücklich ausgenommen; es war durchaus nichts Ungewöhnliches, daß mitten in einem verlehnten Dorfe Leute wohnten, die Acker, der nicht zum Lehn gehörte, bewirtschafteten, aber die Lehsten hefteten sofort begehrlich ihre Augen auf den in Aussicht stehenden Vortheil. Reimar v. Lehsten, ein nachfolgender Besitzer, fing endlich an, die beiden Bauern auf den sieben Hufen, Dietrich Sötmelk und Hans Schröder, zu bedrängen und mit allerlei Scherereien zu belästigen und begehrte sodann mit dürren Worten die Pachtzahlung für sich. In dieser Zeit waren Hermann Sudefeld, Propst zu Güstrow, und Hermann Melbertz, Domherr daselbst, mit den Auskünften belehnt, und zwar ersterer vom Kirchherrn, letzterer vom Rathe. Der Bauer Sötmelk weigerte sich von seiner Pflicht abzulassen und brachte die Pacht an seinen richtigen Herrn, worauf er vor den Verfolgungen des Lehsten ein Jahr lang flüchtig werden und die Bewirtschaftung seiner Frau überlassen mußte. Den Lehsten traf, wie wir schon sagten, dafiir der Bann, den er vier Jahre hindurch trotzig trug, bis er nachgab und auf die Pacht ferner keinen Anspruch erhob. Als die Macht der katholischen Kirche durch die Reformation gebrochen wurde, schien ihm der richtige Zeitpunkt gekommen, seinen Anmaßungen Gültigkeit zu verschaffen. Er bedrückte die Bewohner der sieben Hufen so lange, bis sie verzweifelt ihren Wohnsitz aufgaben, worauf er die Hufen mit

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seinen eigenen Leuten besetzte. Die Stadt Lage, die in dem Gedanken leben mochte, daß, wenn Jemand die Hufen haben sollte, sie doch näheren Auspruch zum mindesten an die Hälfte habe, ging mit einer Beschwerde an den Herzog Heinrich zu Güstrow 1534, und dieser befahl nach Einsicht der Urkunden den Junkern Reimar und Christoph v. Lehsten zu Gottin und Wardow, die damals noch belehnten Priester bei ihren Gütern und dem Gebrauch derselben ungehindert zu lassen. Da die Junker Einspruch gegen dieses Urtheil erhoben, so wurde für die Parteien ein Tag zur Verhandlung in Bützow angesetzt, und der Bürgermeister Gruwel reiste dorthin mit den Urkunden. Als einer der Lehsten solches hinterher in Bützow erfuhr, rief er in heller Wuth bedeutungsvoll: "Hätte ich gewußt, daß du den Brief bei dir hättest, du solltest ihn nicht hierher gebracht haben!" Reimar v. Lehsten erbot sich nun zum Verzicht auf die Pacht, aber den Dienst der Leute könnte er nicht entbehren.

Wahrscheinlich um die kostbaren Urkunden, die bei solchem Hin= und Hertragen zum Gericht in größter Gefahr waren, im sichern Gewahrsam in dem eisernen Kasten in der Kirche lassen zu können, suchten die beiden Nutznießer der Lehen beglaubigte und unbestreitbar richtige Abschriften zu erlangen. Darüber liegt folgende Urkunde vor (in späterer Abschrift und Uebersetzung):

"Wir Bürgermeister und Rathmänner der Stadt Güstrow, Kamynschen Stiftes, thun kund und offenbar vor jedermänniglich bekennen und bezeugen, denen dieser unserer Brief vorkommt zu sehen und zu hören oder zu lesen, daß vor uns erschienen ist der würdige Herr Johann Katte, Dohmherr zu Rostock, vor Sich und in Vollmacht Ehren Uldarici Everdes, alß welche Beyde gemeinschafftl. Theil haben an den Guhtern der Vicarien zu dem Altare der heil. Dreyer Könige, belegen zu Lawe in der Pfarr=Kirchen daselbst, vor dem Rath=Stuhl nach Inhalt der Briefe, welche er offenbahr produciret und vorgezeiget, auch uns zu lesen und zu besichtigen in die Hand gegeben, und zwar vier versiegelte Briefe, die wir gantz unversehrt, uuverbeßert, gantz deutl. ohne allen Wandel und Verdacht in ihren Siegeln und Briefen befunden haben, welche lauten auf etliche Hufen Landes und Acker, die zu zween ewigen Vicarien zur Lawe, wie berichtet, belegen gehören. Der erste ist Hinrich Schönfelds Brief mit fünf anhängenden Siegeln. Der ander ist Nicolai von der Werle Brief mit einem großen anhangenden Siegel, darinnen ein Ochsen=Kopf. Der dritte, Conradi Nicolai Brief, Pramulen genandt. Der vierte Brief der Fürstinnen von Meklenburg, Agnes genandt, mit einem

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anhangenden Siegel, darinnen der Ochsen Kopf. Diese Briefe haben wir in unsern Händen und Gesichte gehabt, besehen und gelesen, examiniret und auf gedachten Ehren Johann Kalten Begehren und freundliches Bitten fleißig vidimiret und abgeschrieben, welche von Wort zu Wort hier sind einverleibt, wie folget." (Folgen die vier Briefe.) Zum Schluß heißt es: "Deß zur Uhrkund der Wahrheit haben wir unser Stadt=Siegel an diesen Brief hangen lassen. So gegeben und geschrieben zu Güstrow am 8. Tage Allerheyligen d. 8. Tag Nov. 1540 Jahr nach Christi unseres Herrn und Seligmachers Gebuhrt."

Die Uebersetzung ist angefertigt von Erasmus Boddicker "alß des vorgedachten Raths zu diesem Werk erfordertem Schreiber."

Es entspann sich nun ein langwieriger Prozeß beim fürstlich meklenburgischen Landgericht, bei dem allerlei Zeugenverhöre vorgenommen wurden. Das Recht war unbestreitbar bei Stadt und Kirche. Denn abgesehen von den vorliegenden Urkunden bewiesen das sonstige Nachrichten klar. Folgende Urkunde z. B. existirt (Visitations=Prot. d. a. 1552) über die Aussage des Decans Matthäus Wilcken in Güstrow:

"Anno 1551 Indictione nona am Dinsedage prima mensis Decembris thor vesper tidt hefft de werdige vnnd Achtbar er Tomas Toman Scholasticus Collegiatae Ecclesiae S. Seciliae Gustrouiensis, Caminensis Diocaesis, vff furderunge des Ersamenn Mans Clawes Timmenn, ein Ratsfrundt zur Lage, vnnd vth beuhel des Rades darsuluesth den Wirdigenn hern Dekenn Matheum Wilckenn to Gustrow gefragett ad perpetuam et aeternam rei memoriam tho extenderende in forma meliori, offt de Dekenn Wetenheitt hette vmme de Pechte tho Kubrow, der souenn hufenn ackers tho einem lehne belegen. Darup de here Deckenn vlitich geanttworttett per Conscientiam suam publice vnd gesecht, datt he de Pechte vele Jar lang, vonn Magister Hermanni Molberchs wegen, de Pachtt vpgeborett vnnd Molberge gehandreickett ahne Jennige einrede vnnd wedderseggendt der erbarenn Menne(r) der Lesten. Dusse bekanttenusse hefft de vorbenomede Clawes Timme vonn des Rades wegenn gebedenn, darup ein oder meher Instrumenta, so vele des von nodenn, von Rechts wegenn sin wordenn tho makende vnd tho geuende, ad aeternam rei memoriam tho extenderende. Duth ist geschehenn tho Gustrow Inn des Dekenns Dorntzenn, dar he vp sinem stole sittende. Darby ann vnnd ouer gewest Barlholomeus Schwortzel vnnd Christoffer Loppinn, Hauelbergensis et Caminensis Diocaesis, ein tuge hirtho sunderlich geeschett vnnd geropen. - Erasmus Boddiker Clericus Brandenbur-

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gensis, publicus sacra Imperiali Anthoritate in Archiuio Romanae Cnriae (im)matriculatus et approbatus Notarius ad praemissa legittime requisitus. Et protester de latius extendendum in quantum etc."

Die Stadt beanspruchte in diesem Prozeß die Herausgabe der durch fast 50 Jahre widerrechtlich erhobenen Pächte, sowie Ersatz der Gerichtskosten, und im Jahre 1567 entschieden denn auch die Herzoge Johann Albrecht und Ulrich von Meklenburg, gegen Berthold und Vicke, Gebrüder und Vettern Lehsten, und befahlen, die sieben Hufen als geistliches Lehn zu restituiren und die Gerichtskosten zu erstatten.

Die Lehsten, die viele benachbarte, adelige Standesgenossen als Zeugen aufgeführt hatten, welche aussagten, daß sie nicht anders gehört hätten, als daß nicht der Pfarrherr, sondern die Lehsten die Hufen genutzt, protestirten gegen solche Entscheidung und appellirten an das kaiserliche Kammergericht. Sie hatten bei dem sich nun entspinnenden langwierigen Prozeß, wie man sagt, den längern Athem; wegen des schlimmen Brandschadens, der Stadt und Kirche traf und in Armuth und Unvermögen brachte, mußten diese beim Herzog Ulrich leider bald klagen, daß sie das Endurtheil nicht abwarten könnten. Die Lehsten erklärten sich natürlich bereit, "aus einem sonderlichen Mitleiden gegen die Kirche zu Lage als ihre ordentliche Pfarre gütliche Handlung in der Sache zu leiden." Der Herzog ordnete nun als fürstliche Räthe Joachim Krause zu Varchentin und Lüdeke Bassewitz zu Lüburg, ferner den Superintendenten Becker und den Amtmann Berner aus Güstrow zur Vermittelung nach Lage, und es kam 1572 ein Vergleich dahin zu Staude, daß die Lehsten die sieben Hufen mit allen Pertinentien erhielten, alle auflaufenden Gerichtskosten tragen mußten und 500 unverbotene Thaler, à 32 ßl. Lübisch = 1000 Mark Lübisch, am nächsten meklenburgischen Umschlag (Termin) im Jahre 1573 bezahlen sollten. Davon sollten 900 Mark aufs Rathhaus nach Rostock auf ewig unlöslichen Zins gethan werden, welcher Zins mit andern Auskünften zur Erhaltung eines gelehrten Schulmeisters, der zugleich Kapellan sein mußte, gebraucht und von den Vorstehern jährlich eingenommen werden sollte. Die Lehsten reservirten sich das Recht, Aufsicht über die richtige Verwendung zu üben, und ferner, daß ohne ihr und ihrer Lehnsherren Vorwissen diese Zinsen niemals zu weltlichen Zwecken gebraucht werden sollten. Der Rath erhielt die übrigen 100 Mark sammt 20 Gulden Münze, welche die Lehsten sofort bezahlten, mußte sich aber verpflichten, davon "ein Rathhäuselein" in der Stadt aufzubauen.

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Von dem Aufsichtsrechte machten denn auch die Wardower sorgfältig Gebrauch. Der Pastor Konrad Ritter nahm die dreißig Gulden, die an jährlicher Rente aufkamen, einstweilen für sich ein. Alsbald beschwerten sich die Lehsten, und er rechtfertigte sich damit, daß er vergebens darauf gedrängt habe, daß ihm ein Kapellan beigeordnet würde; da er nun alle Arbeit allein hätte, könnte er auch den Lohn beanspruchen. Uebrigens sei er nicht aus eigner Anmaßung, sondern auf Erlaubniß des Superintendenten so verfahren, er habe sechs Jahre (1572-78) das Geld genommen und sei nicht im Stande bei einer Familie von 10 Kindern etwas davon wieder zu ersetzen. Um die Lehsten zufrieden zu stellen, ward dann bestimmt, daß die Kirchenvorsteher in Zukunft die ganze Summe einnehmen und zwischen Pastor und Küster theilen sollten, bis ein Schulmeister bestellt wäre, dem sie sodann beigelegt werden müßten. So geschah es denn auch.

2) Das Bauergehöft in Wozeten.

Dieselben beiden Männer, die einst jene sieben Hufen zur Vicarei verschafften, erwarben sich noch ein weiteres Verdienst um das Dreikönige=Lehn.

"Nicolaus Hane, Knecht, Ludolfus Hane, Pape, gebruder, haben vorkaufft her Johan Schonenberge, Kirchherrn zur Lawe, und Clawes Moller, Rhattman zur Lawe, und ihren erben vier Hufen in dem Dorff zu Wutzetze (desser zey bawet Hermann Scade vnd Seele Mas eine Hufe und Hinrick Kolsebudel eine Hufe vor 120 Mark Lübisch), mit allem eigenthumb, freyheit, pacht, bede, mit alleme rechte, hogeftem richte vnd mit dem fidesten, sunder Denest, den hern oder ihnen, den Hanen, zu thun. dat. 1357 Mitwochens na S. Mertenstage." 1 )

Mit diesen Worten wird das Grundstück, um das es sich im Folgenden handelt, zuerst zu unserer Kenntniß gebracht. Wozeten ist heute ein Gut, war aber damals noch ein Bauerdorf mit sechs Bauern. Der Kauf wurde von den Käufern zu Gunsten des Heil.=Dreikönige=Lehns abgeschlossen. Später heißt es dann (Vis.=Pt. 1552): "Jtem es sind vier Hufen zu Wozeten, zwei gehören dem Bischof zu verlehnen zu Schwerin und zwei dem Rathe zu Lage;" die Patrone ließen sich aber die Gesammtverlehnung umgehen: "gehört ein Jahr dem Bischof, das andere Jahr dem Rathe zu Lage zu verlehnen." Die Hufen wurden allmählich zusammengezogen, und


1) Visit.=Prot. 1578, woselbft obiger Auszug der Urkunde gegeben, die Urkb. XIV, 8408, vollständig abgedruckt.
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1569 besaß Klaus Willborn dieselben; er betrachtete sich als Unterthan des Rathes. Seine Abgaben bezahlte er an Sudefeld, spater an den Rath. Die Lehsten rächten sich an dem Rath, der auf dem besten Wege war, das Alleinrecht sich in aller Stille anzueignen, für die ihnen bereiteten Schwierigkeiten dadurch, daß sie den Uebergriff desselben beleuchteten und auf Anerkennung der Kirchenrechte drangen. Der Rath rechtfertigte sich mit der Erklärung, daß er die Einkünfte behalten müsse, weil die Stadt so viel an den Kobrower Rrozeß gewandt habe, die Kirche aber nur sehr wenig. So wurde denn in dem oben erwähnten Vergleich vom Jahre 1572 zugleich durch Herzog Ulrich bestimmt, daß die Pächte, Dienste und Nutzungen von den vier Hufen in Wozeten dem Rathe und Pfarrherrn gemeinsam sein und bleiben und die sieben Gulden Aufkünfte getheilt werden sollten.

Grade nach dem Sinne des Bauern Klaus Willborn scheint die fürstliche Verfügung nicht gewesen zu sein, denn alsbald beginnt sein Versuch, der Pfarre die Dienste u. s. w. thunlichst vorzuenthalten; auch das Rauchhuhn, 1 ) das immer abwechselnd dem Pastor und dem Bürgermeister gebührte, giebt er dem ersteren nicht. Vielleicht hat die Stadt ihr Regiment zuvor sehr milde geführt, um verhängnißvollen Streit zu vermeiden, vielleicht hat der Bauer sich das Vorbild großer Herrn angesehen und suchte bei der Neugestaltung aller Verhältnisse auch für sich zu gewinnen, darum wird im Protokoll 1578 der deutliche Befehl erlassen, daß der Bauer sich nach der fürstlichen Confirmation von 1572 zu verhalten habe.

Bei der Visitations=Fortsetzung 1582 stellte sich heraus, daß Klaus Willborn die festgesetzte Pacht allerdings zahlte; aber er leistete dem ausdrücklichen Befehl zuwider dem Pastor keine Dienste und gab das Rauchhuhn die vier Jahre dem Bürgermeister; auch weigerte er dem Rathe bei begehrten Fuhren seine Dienste nicht. (Abermals scheint also eine Mitschuld des Rathes nicht ausgeschlossen.)

Der Pastor Ritter beschwerte sich, daß der Bauer ein gottloser Mensch sei, der ihm muthwilliglich nicht allein nicht diente, sondern den Dienst mit viel unbescheidenen und beharrlichen Worten versagte, weil er zum Theil von anderen Personen in sothanem Muthwillen gestärkt werde, zum Theil der Pastor allein zu macht=


1) Das Rauchhuhn wurde als Anerkennung der Lehnsherrschaft von dem Unterthan gegeben. Der Name kommt, wie man jetzt meistens annimmt, davon her, daß man die Abgabe ursprünglich entrichtete für die Stätte, von der der Rauch aufstieg, den Herd, der das allgemein gültige Zeichen eines eigenen Hauswesens war.
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los sei, ihn zum Gehorsam zu bringen. Abermals wird die Verpflichtung nachdrücklich erneuert und bestimmt, daß nunmehr zunächst vier Jahre hindurch der Pastor das Rauchhuhn allein erhalten und dann wieder die gehörige Abwechselung eintreten soll.

Aus dem Vorstehenden ergiebt sich die Lage des Bauern. Er war der Unterthan zweier Herren, die gemeinsam über ihn Jurisdiction hatten. Er hatte ein großes Grundstück von vier Hufen; andere Bauern ernährten sich schon von einer oder zwei Hufen. Seine baaren Abgaben waren gering, das Rauchhuhn sollte nur Anerkennung der Oberherrschaft offenbaren. Dagegen begehrten die Herren Hand= und Spanndienste in reichlichem Maße; der Pastor verlangte die Besorgung seiner ganzen Feld= und Erntearbeit durch den Bauern, zu welcher derselbe wöchentlich oft mehrere Tage auf Bestellung kommen mußte; auch wenn der Pastor ausreisen wollte, mußte er ihn befördern. Für die Stadt mußte er herzogliches Volk fahren, Landmesser anholen, Landtagsfuhren leisten, auch des Bürgermeisters Korn mähen. Die Dienste waren nicht genauer festgesetzt, also konnten die Herren ziemlich willkürlich fordern. Höchstens gaben diese ihm aus gutem Willen noch Kost, aber kein Futter für die Pferde. Bei der Unregelmäßigkeit, mit der man seine Dienste begehrte, war für ihn kaum ein vernünftiges Einrichten der Wirthschaft möglich; in stiller Zeit hatte er oft vier Wochen lang nichts zu thun, in dringender Erntezeit aber vier Tage in jeder Woche, wohl gar mehr. Dabei ist anzunehmen, daß die Herren die Verpflichtung zur Herrichtung der Gebäude und dergl. auf den Bauerhof gelegt und von allen Verpflichtungen ihrerseits sich frei gemacht hatten. Daß der Bauer bei solchen Zuständen oft ungeduldig wurde und mindestens eines Herrn sich zu entledigen strebte, kann uns nicht wundern, zumal immer mehr Pfarracker unter den Pflug genommen wurde. Bei den vielen Versuchen, sich teilweise seiner Dienste zu entziehen, war sein Glück, daß er die Stadt sich zum Freunde hielt, denn nur wenn beide Herrschaften einig waren, war sein Schicksal, daß er vom Hofe geworfen wurde, besiegelt.

Klaus starb, als sein Sohn Chim noch zu jung war, um den Hof zu übernehmen, darum wirtschaftete sein Schwager Knegendorf, der schon ein gereifter Mann war. Dieser bemühte sich, den Hof gut in Stand und vollkommene Hofwehr darauf zu halten. Darnach heirathete der junge Willborn, und zwar dem Anscheine nach ein ziemlich resolutes, böses Weib. Sie trieb ihren Mann an, des Vaters Gehöst für sich zurückzubegehren, das er auch erhielt. Da er aber noch eine jüngere Schwester hatte, die sich verheirathen wollte, so mußte er, um diese auszusteuern, 220 (elf

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Stiege) Gulden an Schulden aufnehmen. Das drückte ihn sehr, und ungeduldig suchte er das doppelt schwer empfundene Joch seiner beiden Herrschaften abzuschütteln. Im Laufe der Jahre zeigte er sich schließlich immer weniger willfährig, ja fast gefährlich. Begehrte Dienste leistete er nicht, er blieb entweder ganz aus oder kam, wann es ihm, aber nicht seinen Herren paßte. Einmal sollte er dem Pastor Korn nach Rostock fahren (Prot. 1622), bei welcher Gelegenheit der Pastor selbst als Verkäufer mitfahren wollte. Anfangs weigerte der Bauer sich wohl ganz, dann aber sandte er vier Pferde, doch nur einen halben Wagen, auf welchem das Korn liegen und der Pastor sitzen sollte. Zu pflügen weigerte er sich überall. Er sollte zur Roggensaat vier Eggen schicken, that es auch, aber nur drei hatten Zinken. Zum Einfahren kam er erst gegen Mittag an und fuhr selten über acht Fuder. Auf sein Veranlassen verweigerten seine Leute das Dienen im Fach und verlangten Mahlzeiten, die ihnen nicht zukamen. Des Bauern Knecht hatte auf fremdem Gebiete Gewalt geübt und sollte Strafe zahlen, indem auf seinen Lohn von den Lager Herren Beschlag gelegt wurde; der Bauer aber verweigerte die Herausgabe des Lohnes, und sein Weib sagte: "Da sollte sie kein Teufel dazu bringen, daß sie das Geld ausgebe." Sie stellte den Pastor in Gegenwart des Raths öffentlich vor seinem Hause zur Rede, warum er sie auf der Kanzel strafe, er sollte ihr beweisen, daß sie gottlos wäre. Der Bauer schalt den Bürgermeister, daß er es mit dem Pastor hielte, und endlich sagte er gar zu seinem Knechte, er solle den Pastor so fahren, daß er nur seinen Wagen und seine Pferde wieder bekomme, sollte der Pastor auch um den Hals kommen; und der Knecht sagte das dem Pastor grade ins Gesicht.

Zunächst versuchten es die Herren, Pastor Nicolaus Stein und Bürgermeister Rickert, mit Strafen, auch mag wohl der Pastor, sonst ein von der Gemeinde sehr geschätzter, treuer Mann, die Frau ob ihrer Widerspenstigkeit öffentlich von der Kanzel getadelt haben. Aber einem weitern Vorgehen suchte der Bauer listiger Weise zuvorzukommen, er begab sich nämlich zum Superintendenten Bacmeister nach Güstrow und verklagte beide, Pastor und Bürgermeister. Seine Beschwerdepunkte faßte er dahin zusammen: der Pastor habe ihm einen Ochsen aus dem Stalle genommen, nächstens wolle er mit dem Rathe noch einen mit Gewalt nehmen; man hätte ihm drei Gulden abgenöthigt, seine Tochter und Frau bei seiner Tochter Kirchgang "dahin gezwungen, daß sie auf der Gasse haben beim Zaune liegen müssen;" seine Herren gingen so unmenschlich und tyrannisch mit ihm um, daß, wenn er vor sie käme, er zittern und

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beben müsse wie ein Laub; sie beschwerten ihn mit unmöglich zu leistenden Diensten, und der Pastor wolle seine Frau auf der Kanzel nennen. Diese Beschwerden wurden den Herren zugestellt, sie erkannten die bösen Lügen und Unwahrheiten und forderten eine Untersuchung vor demselben Richter. Sie wiesen auf ihr Recht hin, den sehr trotzigen und rebellischen Unterthan ohne Weiteres wegjagen zu können, sie wollten ihm aber "den Scheffel voll messen, damit er sich nicht zu beschweren habe, als geschehe ihm Gewalt und Unrecht," erboten sich auch, alle Unkosten zu tragen, wenn nur diese Sache dauernd geordnet und fest stipulirt würde.

Der Superintendent setzte eine Verhandlung auf den 12. Juni 1622 an und lud zum Beisitzer den Kirchspieljunker Hauptmann Joachim v. Lehsten auf Wardow (Wozeten benachbart) ein. Der Pastor hatte den Reimar v. Lehsten und Kasper v. Winterfeld zu Kobrow zu seinem Beistande erwählt. Dem Bauern war die Zeit der Verhandlung rechtzeitig mitgetheilt und befohlen, des Morgens 8 Uhr auf der Wedeme in Lage sich einzufinden. Er kam aber nicht. Um die Verhandlung zu ermöglichen, schickten seine Herren drei Männer nach Wozeten, ihn zu holen, und diese "haben auch denselben auf den Weg gebracht, aber weil er in seinem Hause noch Pfingsten gehalten und trunken gewesen, ihn nicht fortbringen können, sondern ihn auf dem Wozeter Felde hinterlassen." Dagegen kam seine Frau und berichtete, ihr Mann würde nachkommen. Die Verhandlungen wurden eröffnet, der Pastor wollte eben seine Klage vorbringen, als der Bauer endlich mit seiner Frau erschien. Man fand ihn soweit ernüchtert, daß er im Stande war, den Verhandlungen beizuwohnen. Vielleicht war seine Trunkenheit auch nur erheuchelt gewesen, weil er gehofft hatte, die Verhandlungen dadurch zu stören. Der Pastor brachte nun alle Beschwerden, die die Unbotmäßigkeit des Bauern erweisen mußten, in neun Punkten vor. Der Rath secundirte; sie forderten zusammen, daß der Bauer genau so verpflichtet werden müsse, wie ein dem Adel unterthäniger Bauer. Chim Willborn legte sich aufs Lügen, Streiten und Verdrehen der Thatsachen. "Rusticus negat, Rustica negat, ist nicht geständig," das ist das Resultat.

Nach genauer Berathung erklärten nun seine Herren, daß sie jederseits wöchentlich zwei Tage Dienst beanspruchten, es sei Hand= oder Spanndienst, in der Ernte wollten sie seine Dienste unbeschränkt haben; Essen und Trinken sollten weder Bauer noch Knecht fordern dürfen. Und wenn der Bauer zu diesen Bedingungen sich nicht bekennen wollte, so würden sie von ihrem Herrenrecht Gebrauch machen und ihn absetzen, es würde sich schon ein anderer

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zur Uebernahme der Stelle finden. Man sieht, daß die Herren die Anforderungen wohl absichtlich so hoch spannten, um dem widerspenstigen Bauern ihre Macht zu zeigen. Der kroch nun zu Kreuz und bat um Abminderung, die ihm denn auch gewährt wurde, indem man allwöchentlich insgesammt mit drei Diensttagen zufrieden sein wollte, auch sollte der Bauer beim Dienst eine Mittagsmahlzeit haben und in der Ernte Vesperbrot dazu, "jedoch solle er sich auch genügen lassen, was Gott giebt, und was der Pastor seinem Gesinde vorsetzt."

Damit war der Streit beendet. Mit Handschlag mußte der Bauer Gehorsam zusagen. Es war ihm ohne Frage ein hartes Ding zugemuthet denn wenn auch seine Pacht gering war, so waren seine Dienste desto größer, und er war insofern recht schlecht daran, als er immer zwei Herrschaften hatte.

Von jetzt ab fließen die Nachrichten über das ursprüngliche Lehn spärlicher. Der große Krieg trug Brand und Verwüstung über die Fluren und Wohnstätten, Wozeten wurde niedergebrannt, Chim Willborn starb, und sein Sohn Heinrich, den wir im Jahre 1646 finden, hatte großes Elend zu tragen. Seine Abgaben blieben aus, denn er hatte nichts einzunehmen; er diente sparsam und erhielt dann volle Kost. Mit ihm scheint die Familie Willborn ausgestorben zu sein. Die Stelle ging auf andere über und kam rasch zu Ende, da sie sich niemals wieder von den Kriegsschäden erholte. 1663 war darauf Hans Früchtening. 1677 verkaufte die Stadt Lage ihren Antheil an dem Gehöft für 700 Gulden an den Hofmarschall Geheimrath Georg Heinrich v. Lehsten auf Wardow. 1690 war Hans Kölzow auf der Stelle völlig verarmt, er verstarb im tiefsten Elend. Beide Herren, v. Lehsten und Pastor Blank, begaben sich an Ort und Stelle. Die Wintersaat war schlecht bestellt, zur bevorstehenden Sommersaat war kein Saatkorn vorhanden; kein Brotkorn war zu finden; überall lagen auf dem, was sonst noch an Eigenthum da war, große Schulden. Offenbar hätte, wenn die Stelle wieder in die Höhe und zu Ertrag gebracht werden sollte, auf Kosten der Herren der Acker bestellt, das Saatkorn gekauft und die Hofwehr eingerichtet werden müssen. Das scheute natürlich Blank, der in der schweren Zeit nichts zuzusetzen hatte. So bot er seinen Antheil dem Herrn v. Lehsten zum Kauf an, und derselbe bezahlte dafür 500 Gulden meklenburgischer Währung, nachdem der Fürst oberbischöflich den Kaufcontract 1692 bestätigt hatte. Auch das zweite Altarlehn war an die v. Lehsten gefallen. In Folge dessen verschwand das Bauergehöft, da es vom Besitzer gelegt wurde.

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Immerhin ist es beim Rückblick deutlich zu erkennen, wie das eine Mal der Edelmann, das andere Mal der Bauer, jeder in seiner Art, Reform zu schaffen suchten.

II. Das St.=Katharinen=Lehn.
(Beneficium St. Catharinae.)

"Hinrich Dosse, ein burger zu Lawe, stifftet eine vicarey oder beneficium zum altar S. Kathrinen in der Kirchen zu Lawe an der vorderseite von 20 Mk. lubisch geldes, wie zu Rostogk vnd Lawe genge vnd geue, ierlicher pacht vnd hebungen von den Erben, heusern pp., vnd derselben besitzern, alß erstlich vom Acker, die Kauelen genant, von der Kauel, die nu bawet Henningus Wulff 2 Mk. lubisch, von der Kauel, so Peter Schilling bawet, 2 Mk. lubisch, von Heinrich Deetken Kauel 2 Mk. lubisch, von Detleui Timmen Kauel 2 Mk. lubisch, von den zwen Kaueln, so Hinrich Timme bawet, 4 Mk. lubisch; Jedoch also, das der Vicarius von 2 Mk. lubisch ein wachßlicht vorm hohen Altar vorschaffen soll, weil miß gehalten wirt. Von einem stucke ackerß, die Paalstucke genant, welchs nu bawet Johannes Wildeghus, 2 Mk. lubisch. Von einem stucke ackerß, die Windtmolenberch genant, den nu bawet Hinrich Schutte, 2 Mk. lubisch. Von einem hopffenhofe, den Heinrich Went (bawet), 1 Mk. lubisch. Jtem in großen Lankow (Lantow) von dem hofe vnd hufen, welchen bewonet und bawet Bertold Hoppener, 1 Mk. lubisch und 4 witte. Von Gherdt Worpelß hofe 8 ßl. lubisch. In kleinen Lankow (Lantow) von Clauß Vugen hofe vnd hufen 12 ßl. lubisch. Von Reimar Pinnenberges hofe vnd hufen 1 Mk. sundisch. Jtem 2 Mk. lubisch, welche Hans von Leesten in die ehre Gottes gekaufft hat. Do nun von obgedachten Kaueln vnd Hebungen etliche eingeloset vnd widerkaufft wurden, sollen die Patroni vnd Vicarius mit der Heuptsum andere Hebungen wider erkauffen. Dat. Lawe Ao. 1330." - ("Disen brieff hab ich Daniel Clandrian, den Vorstehern der Kirchen zu Lawe, alß Jochim Burmeistern, Jacob Schulten vnd Jochim Lemmeken daselbst zugestellet, bei die Kirchenbriefe zu legen, 14. Octob. 1590.")

So lautet die Stiftungsurkunde, wie sie im Visitations=Protokolle vom Jahre 1578 abschriftlich aufgeführt ist. Die Urkunde selbst war lange im Besitze der v. Lehsten, und erst auf wiederholte Mahnung ließen dieselben sich bereit finden, sie nach Güstrow einzuliefern. Das Original kam, wie obiger Anhang besagt, zu den anderen Urkunden, die in dem großen, eisenbeschlagenen Kasten in der Kirche lagen. Da nun die genannten Hebungen der Vicarei

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meistens aus Aeckern aufkamen und ausdrücklich den Schuldnern das Recht der Einlösung zustand, so war es später ein Leichtes, die Schuld zu leugnen mit der Behauptung, daß sie längst bezahlt sei. In der Reformationszeil, in der es festzuhalten galt, war die betreffende Urkunde nicht einmal in den Händen des Geistlichen, auch hatte dieser durchaus nicht Lust, sich für alte Verhältnisse zu erwärmen, "habe sich nicht sonderlichs bemuhet zu erkundigen, was die Hebungen waren, die Siegel und Briefe hätte ein Rhatt gehabt, daß er keine gesehen; das andere Leute davon sagten von Kirchengütern, wisse er zum teil, zum teil sei ihm vergessen," bekennt er selbst. So hatten die Schuldner am allerwenigsten Trieb, den Verpflichtungen nachzukommen. Es wurde von den Visitatoren vielfach hin und her gefragt, gelegentlich sagte wohl einmal ein alter Mann etwas aus, wenn er gedrängt wurde, worauf man nachzufassen suchte; aber man stieß auf die beharrliche Schlußantwort: "Man wisse nichts davon." In solcher Weise waren die Renten das erste, was der Kirche an Einkünften unwiederbringlich verloren ging.

III. Das St.=Nicolai=Lehn.
(Beneficium ad primam missam et ad missam Rorate et ad altare St. Nicolai.)

Hiermit werden zwei weitere Altäre, der erste und der fünfte, zu unserer Kenntniß gebracht. Der Rath hatte das Recht, das Lehn zu vergeben und dasselbe 1552 an Detlev Danckwardt zu Rostock verliehen. Ueber den Ursprung wissen wir nichts, wohl aber lassen sich 1552 noch einige Aufkünfte bestimmen. Denn es heißt im derzeitigen Protokolle: "Pactus (Pacht) in Law: Achim Klueth vthme Hoppenhaue XV gude ßl. vnnd stann nha VII Jarlanck, sind XIII gude marck. Titke Bruseke X schill. lubisch, stann von VII Jarenn nha; Clawes Wulf XV ßl. lubisch, ist woll vonn tein Jarenn schuldigk . . . . . Clawes Bolckow VII schill. sundisch, ist schuldig vonn vielen Jaren, weitt wol dorvon" u. s. w. Aus diesen Angaben ergiebt sich, daß kleinere Capitalien zu dem Lehn gehörten, die ausgethan und von den Nutznießern zu verzinsen waren; dieselben waren durch Einzelschenkungen mit der Zeit zusammengekommen. Beachtenswerth ist, daß die Zurückhaltung der Zinsen meist vor sieben oder zehn Jahren begann, was uns darauf schließen läßt, daß, nachdem die Kirchenvisitation von 1542 mit der Reformirung etwas nachdrücklicher vorgegangen war, die Stadt auch sofort von jener Zeit an nach ihrer Weise ihre Vortheile durch Befreiung von Lasten zu erreichen suchte. Als 26 Jahre später,

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1578, die Visitatoren abermals kamen, konnte der Rath allerdings wohl angeben, daß Danckwardt aus Rostock einmal angefragt habe, wie es mit seinen Hebungen stände, aber es sei nichts zu erreichen, Inzwischen war ja der große Brand gewesen. Doch hatte man wohl noch ein anderes Verzeichniß zusammengestellt über Verpflichtungen Auswärtiger. Denn man konnte angeben: "20 Mk. sundisch Orborn, 1 ) sagen die Bürgermeister, das einer zu Güstrow, Tonnies Hagemeister, das lehn gehabt, dasselbe werde itzo gen Rostogk gegeben in die Oeconomei, (der die Stadt verschuldet war!). Vrban Lamprecht 12 ßl. Orbör, diß werde itzo vnserm gnedigen fursten und hern gegeben: die Korschüler zu Güstrow 5 Gulden Orbör, bekompt itzo vnser gnediger Herr. Magister Conrado Pegel Bischoffs tegenden 2 ) VII Gulden, wirt itzo eingenommen von Bastian Bernern. Magister Lewpolde 7 Mk. lubisch, davon wissen sie keinen bescheidt."

Als bei der Fortsetzung der Visitation 1582 die Mitglieder des Raths weiter befragt wurden, erklärten alle, als ob sie sich verabredet, sie wüßten nichts davon. Unvorsichtiger Weise hatte aber der Bürgermeister Scharfenberg dem Pastor Ritter gegenüber verlauten lassen, es wären noch etliche Aecker da, die von Jungfrauen gegeben wären. Deshalb zur Rede gestellt, legte der Bürgermeister sich anfangs aufs Leugnen, da aber anderweitig bezeugt wurde, daß die Töchter eines Bürgers Kollmann, auf dem Sterbebette drei Morgen auf dem Felde Pinnow gegeben, gestand er es endlich zu, daß er wüßte, es wären zu dem Lehn die Stücke am Fischteich gegeben; von einigen würden Kornpächte gegeben, von ändern nicht. Diese Pächte hatte also wohl der Rath bisher eingezogen, hinfort wurden sie der Kirche zugesprochen.

IV. Das St.=Michael=Lehn.

Dies Lehn wird nur einmal flüchtig erwähnt, aber Genaueres ist nicht bekannt.


1) Orbör, Erhebung, Grund= und Boden=Abgabe in den Städten, die ursprünglich der Landesherr erhob. Da hier indessen von Einkünften, die den Altären zustanden, geredet ist, so mag vielleicht einmal der Landesfürst zu deren Gunsten verzichtet und hernach wieder sein Recht beansprucht haben; denn offenbar ist derselbe der Haupt=Nutznießer jener Orbör geworden.
2) Tegenden, thegenden, Zehnten, decimae.
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B. Kapellen und Stiftungen.

I. Die Kapelle St. Gertrud vor der Stadt.

Nahe bei der Stadt lag die Kapelle St. Gertrud. Nicht die leiseste Nachricht findet sich über den Erbauer oder Stifter, nicht einmal ihre Stelle ist bekannt. Im Jahre 1552 wußte man noch, daß verschiedene Kapitalien in Stadthäusern standen oder iu Aeckern beim Stadtgraben und Kannensoll, im hintersten Schlage, auch in Gärten. Aber die Kapelle, an deren Erhaltung Niemandem lag, war verfallen; 1578 wußte man nichts mehr davon. Man beschloß, die sämmtlichen säumigen Schuldner bei der Fortsetzung der Visitation vorzufordern; aber 1582 heißt es im Visitirbuch: "Es seyn auch etliche Leute mit Zinsen angeschrieben, seyn aber mehrentheilß todt, die Häuser abgebrannt und die Stedten verkaufft, das man nichts davon erlangen kann." Uebrigens finden wir auch in andern Städten, daß die St.=Gertruden=Kapellen unbeachtet verschwanden. Die Heil. Gertrud wurde von den Reisenden um Schutz angefleht; ob sie als Beschützerin der Felder (gegen Mäusefraß?) angesehen wurde, lassen wir dahingestellt.

II. Das Hospital zum Heiligen Geist.

Einst lag vor der Stadt, 15 Minuten etwa entfernt, auf dem Kronskamper Felde an der alten Landstraße nach Rostock der Heil.= Geist=Berg. Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden auf dem Berge Steine zur Reparatur der Kirchhofsmauer gebrochen und dabei Fundamente freigelegt, die auf einen früher bedeutenden Bau schließen ließen. Zu dem Damm durch die Wiesen wurde viele Erde von dem Berge entnommen, auch wurde später die Chaussee quer über denselben geführt, bei welcher Gelegenheit man ihn tief durchgrub und die letzten Fundamentsteine zur Schüttung zerschlug. So ist von dem Heil.=Geist=Berge eigentlich nicht mehr die Rede, im Aberglauben erhielt sich noch leise eine Erinnerung an seine einstige Bedeutung. Oft, wenn man sonst Hand an den Berg legte, beim Steinbrechen u. s. w., fand man menschliche Gerippe, es müssen also früher zahlreiche Beerdigungen dort stattgefunden haben.

Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß wir die Stätte, wo das Hospital zum Heiligen Geist einst stand, gefunden haben. Es lag nicht, wie anderswo, innerhalb der Stadt, sondern vor derselben und diente, wie alle Stiftungen gleichen Namens, zur Verpflegung Bedürftiger und Kranker. Die dort Verstorbenen

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wurden offenbar auf einem Friedhofe bei der Kapelle beerdigt. Der Grund, warum die Anlage soweit von der Stadt entfernt wurde, läßt sich vielleicht nachweisen. Schröder, papist. Meckl., erwähnt aus dem Jahre 1372: "Friedrich und Johann von Moltecken stifften eine Kirche und Vicarie vor dem Städtlein Lage, dazu der Rath daselbst die Stelle zu ewigen Zeiten hergegeben." Diese Stiftung kann sich nur auf das Hospital beziehen. Nach dem Visit.=Prot. wurde dasselbe mit folgenden Aufkünften belehnt: Vom Felde Kronskamp wurden von 20 1/2 Hufen je 1 1/2 Gulden gegeben. Von der aufkommenden Summe gingen 8 Mark Sund. als Zehntgeld an den Official nach Rostock; der Rest war in drei Lehen zertheilt, die je einem Priester in Bützow, Güstrow und Walkendorf zugesprochen wurden. Es lag dafür die Verpflichtung ob, des Sonnabends in der Kirche eine Messe zu lesen (Kelch und Patenen waren im Besitz derselben); aber da die Belehnten selbstverständlich die Reise scheuten, so nahmen sie den jedesmaligen Vicar in Lage zum Stellvertreter an, dem sie von der Pacht 5 Mark Sund. abgaben. Vom Stadtfelde gehörten zum Hospital 22 Morgen, die zerstreut in den verschiedenen Schlägen lagen. Erwägen wir nun, daß Kronskamp in älteren Zeiten im Besitze der Moltke war, und daß das Hospital seine Haupteinkünfte zur Ausstattung der Vicarei aus Kronskamp bezog, so dürfen wir annehmen, daß 1372 durch jene Herren die Kirche zum Hospital errichtet ist. Dabei könnte nur auffallen, daß die Stadt jetzt gar keine bemerkenswerthen Besitzungen auf dem linken Ufer der Recknitz hat. Indessen besaß sie früher daselbst allerdings Wiesen und Aecker, die nicht grade klein waren. Diese sind nach späteren Angaben an Klein=Lantow gekommen. Grade die Nachrichten über die Lage der Wolfskrug=Ländereien, die die Stadt verlor, paßt hierher.

Daß auf dem Hopfenhof nahe bei Lage, nach Wardow zu, noch jetzt eine Höhe Spitalsberg genannt wird, soll hier beiläufig erwähnt werden, wahrscheinlich lagen dort einzelne Morgen, die dem Spital zinsten.

Die Tradition blieb im Moltke'schen Hause, daß dasselbe ein Anrecht an das Hospital habe; sie trat in der Reformationszeit wieder lebhaft hervor und bewog zu sehr eigenmächtigem Vorgehen. Gebhard Moltke deckte zunächst das Dach der Kapelle ab und ließ schließlich das ganze Gebäude abbrechen, um die Steine anderweitig zu benutzen; er behielt die Aufkünfte aus Kronskamp, auf die man kirchlicherseits auch niemals Ansprüche erhob. Dagegen wurden die auf Stadtgebiet belegenen Aecker des Hospitals zum Kircheneigenthum gelegt und blieben auch dabei.

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Der Heil.=Geist=Berg lag in Rusch und Busch Jahrhunderte lang; die Stadt reclamirte ihr Eigenthum nicht. Später fand dasselbe schon seine Besitzer unter den nächsten Nachbarn.

III. St.=Jürgen.

Ueber Ursprung und Gründung dieses geistlichen Stiftes ist mir nichts bekannt geworden. In welcher Weise es später ausgestattet und gestaltet wurde, und wohin es gekommen ist, läßt sich glücklicher Weise um so klarer nachweisen. Unter allen Stiftungen, deren Besitz auf Stadtgebiet lag, ist diese die größteste. Ursprünglich wird sie, wie die Hospitäler zu St.=Jürgen vor den andern Städten Meklenburgs, die Bestimmung gehabt haben, die durch den angeblich aus dem Morgenlande eingeschleppten Aussatz Befallenen aufzunehmen. In den Städten wurde ihnen kein Platz gegönnt. Um die Ausgestoßenen nicht dem Untergange preiszugeben, wurden jene Hospitäler errichtet, die meistens unfern einer Hauptverkehrsstraße lagen. Dort wohnten die Kranken und riefen von Ferne das Erbarmen der Vorübergehenden an, die ihre Unterstützung in einen Opferstock am Wege niederlegten. So lag denn auch vor dem Breesener Thore unfern der Landstraße nach Teterow, vom Rohrteiche aus stadtwärts gerechnet, das Lager St.=Jürgen=Hospital. Es bestand in zwei kleinen Häusern. Die Bewohner empfingen ihren Unterhalt zum Theil von dem Jürgensvogt, der auf dem in der Nähe liegenden Jürgenshof wohnte und die umliegenden Gründe in Nutzung hatte. Da die Verbannten nicht mit der Gemeinde in dasselbe Gotteshaus gehen durften, war für sie die Jürgens=Kapelle errichtet, so bildeten sie eine Gemeinde im Kleinen unter Aufsicht des Vogtes. Später erlosch allmählich die Krankheit in Deutschland, und es stand St.=Jürgen unbenutzt. Man bestimmte es dann für die Aufnahme unbescholtener, unvermögender Leute, die gern ihre alten Tage in Ruhe verleben wollten und im Stande waren, zum Einkauf noch eine bestimmte Summe zu verwenden. Es ist also ein sogenanntes Armenhaus von diesem St.=Jürgen deutlich zu unterscheiden.

Selbstverständlich konnte das Stift in der Reformation nicht angegriffen werden, da Glaubensfragen bei Erhaltung desselben gar nicht in Betracht kamen. Wir dürfen annehmen, daß es ziemlich in seinem Besitze erhalten war, als 1578 und 1582 die Visitatoren über die Kirchengüter genaue Aufnahme machten. Auf dem Jürgenshof wohnte 1578 der Vogt oder Pächter Hans Schlackmann, der mit der Stelle für die Pachtzeit von sechs Jahren vom Super=

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intendenten in Güstrow belehnt war. Er stand unter dessen Gericht und war dem Einflusse des Stadtvogtes oder des Rathes entzogen. In Nutzung hatte er zehn Morgen auf dem Jürgenskamp hinter dem Hofe, 1 1/4 Morgen auf dem Kamp hinter dem Graben, zwei Morgen auf dem Fischteichskamp, vier Morgen auf dem Felde Pinnow, einen Morgen auf der Dickstow. Meistentheils war der Acker von geringem Werthe. Außerdem lagen am Hofe ein Garten und eine Wiese mit Teich (Rohrteich), ebenfalls hatte er in der sogenannten Koppel noch eine Wiese. Der Teich war stark mit Rohr zugewachsen, dessen Werbung dem Pachter zustand. Gegen Nutzung von Hof und Gründen war der Pächter verpflichtet, Haus und Hof im Stande zu halten mit Inventar, das ihm überliefert wurde, ferner jährlich an die Prövener (Stiftsbewohner) 1 Drömt Roggen und ein Drömt Gerste zu geben, wozu später noch vier Scheffel Roggen und vier Scheffel Gerste kamen.

Die Prövener, wie sie gewöhnlich heißen, die Jürgens=Brüder und =Schwestern, welche die beiden Präbendenhäuser bewohnten, mußten bei der Aufnahme vier (später fünf) Gulden zahlen, die als festes Kapital auf Rente in Häuser und Aecker der Stadt gelegt wurden, die Zinsen kamen dem sogenannten Kapitel zu Gut. Ferner mußten sie, "wenn sie die Häuser eschenn," d. h. Aufnahme forderten, ein "Eschelbier," bestehend in einem Viertel Bier, einem grünen Gericht mit Fleisch, einem Schinken, Weißbrot und Butter, dem Kapitel ausrichten; dazu bezahlten sie einen Tafelgulden, den das Kapitel unter sich theilte. Später hatte sich gar die Unsitte eingeschlichen, daß sie dem Rathe und ihren Mitgenossen einen rechten Aufnahmeschmaus geben sollten, und zwar zwei Tonnen Bier, zwölf gebratene Hühner, einen "Rumpf" Fleisch, ein Schaf, einen Scheffel Weizen und Butter. Nach der Aufnahme stand ihnen für die Dauer ihres Lebens folgender Nutzen zu: freie Wohnung, freier Garten, Antheil an obiger Kornlieferung und obigen Zinsen. Zur Verwaltung der Gelder und zur Ueberwachung des Ganzen waren zwei Jürgens=Vorsteher vom Superintendenten bestellt.

Es wurde die höchste Zeit, daß gegen die Unsitte eingeschritten wurde, die es mit sich brachte, daß reichere Leute die Aufnahme leichter erlangten, als ärmere. Zu dem Zwecke wurde durch die Visitatoren festgesetzt, daß in Zukunft alle Unkosten bei der Aufnahme wegzufallen hätten, alle Bewohner des Hauses sollten aus der Gemeinde, nicht aus der Fremde, ausgewählt werden: Arme, Unvermögende, Kranke sollten den Vorzug haben, zumal diejenigen, die sich eines frommen Lebens befleißigten. Müßiggänger und muthwillige Bettler sollten ausgeschlossen sein; die Vorsteher mußten darauf achten,

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daß keine lose und berüchtigte Personen in St.=Jürgen beherbergt wurden. Die Aufnahme fand durch den Pastor und den Rath statt.

Bis zum großen 30jährigen Kriege ging die Verwaltung im geordneten Geleise weiter, dann fegte derselbe mit seinem eisernen Besen auch Hof und Präbende hinweg, und der Pastor Erasmus hatte hernach in den unruhigen Zeiten seine Noth, die Gebäude wieder aufzurichten. Der Superintendent setzte 1654 Hans Frahm, gewesenen Kirchendiener zu pPlchow, zum Hofmeister ein und nach dessen Tode den Marcus Horn, dem die Aufgabe gestellt war, den Hof wieder in guten Stand zu bringen. Von den Prövener=Aufkünften erhält schon der Küster vier Scheffel Roggen zur Erhöhung seiner Einnahmen, 1663 begannen die Streitigkeiten um die Besetzung von Jürgenshof. Der Rath der Stadt, dem derselbe so bequem vor dem Thore lag, versuchte ein Anrecht zu erwerben in der Absicht, bei einem etwaigen Verfall der Stelle dieselbe ganz zur Stadt zu legen, bis dahin aber den Pächter zu den Stadtlasten mit heranzuziehen: doch siegte der Superintendent Celichius. Um die Kapelle, deren Dach schon lange eingefallen war, und deren Mauern wüste standen, kümmerte sich Niemand mehr, als gelegentlich ein Herumstreicher, der dort Obdach suchte, oder Jemand, der gute Bausteine auf die billigste Weise sich verschaffen wollte. 1692 übernahm Christian Dessin den Hof, nachdem derselbe abgebrannt war; 1715-34 wirthschaftete darauf Joachim Schalle, nach ihm Franz Bardt; der letzte Pächter hieß Hahn. Im Jahre 1707 waren noch zwei Prövener vorhanden: Peter Mohr, der 21 Jahre lang dem Herzog zu Braunschweig gedient, vor Neuhäusel gegen die Türken gestritten hatte, beim Sturm durch eine springende Mine verschüttet, später ausgegraben und mit zerdrücktem Leibe und verbranntem Angesichte entlassen war, und August Winter, ein Schulmeister und Schneider aus Siemitz. Letzterer hatte einen Conflict mit dem Stadtvogt Bartholdi. Bei Einführung des Licentwesens 1 ) hoffte er, als Bewohner eines geistlichen Stiftes licentfrei mahlen zu können, erhielt aber keinen Freizettel. Später, als die Lager Mühle einmal kein Wasser hatte, mahlte er in Korleput, worauf Bartholdi mit dem Mühlenschreiber, dem Mühlenknechte und dem Kirchenvorsteher Saß anrückte, um ihm sein Mehl zu nehmen. Es entspann sich eine Schlägerei, in der Winter mit seiner Frau energisch sein geistliches Recht vertheidigte und die Berufung auf den Superintendenten durchsetzte, obwohl der Stadtvogt schrie: "Was Priester! Was frag ich nach dem Priester!"


1) Siehe später die Streitigkeiten unter der Regierung von Karl Leopold.
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Doch wahrte der Superintendent sein Recht und schützte auch die Prövener gegen die Belastung mit Einquartirung, als die Russen später die Stadt heimsuchten. Trotzdem geriethen Hof und Stift immer mehr in Verfall. 1778 war das letzte Präbendenhaus unbewohnbar, und drei Jahre später wurde es auf Abbruch verkauft. Da auch der Hof fast wüste lag, so beantragte die Stadt 1785 bei dem jungen Herzog Friedrich Franz die Ueberlassung sämmtlicher Jürgens=Grundstücke in Erbpacht gegen jährliche Zahlung von 40 Thlr. N2/3; davon erhielt, nachdem der Herzog zugestimmt, alljährlich der Berechner 3 Thlr. 24 ßl., der Revisor 38 1/2 ßl. und außerdem der Cantor 5 Scheffel Roggen. Ueber die Verwendung des Restes war Unklarheit. Wer sollte denselben erhalten? Niemand wußte Besseres, als daß er den Armen zukommen sollte. Darum wurde festgesetzt, daß die Stadt und die Kirche sich in die Verwendung theilen sollten, und jeder Theil sollte seine Einnahme nach Gutdünken vergeben. Doch gestattete der Herzog ausdrücklich der Kirche, ihre Einnahmen bis auf weitere Verordnung zur Deckung ihrer Schulden anzuwenden.

IV. Das Armenhaus.

Vor dem Breesener Thore, ganz nahe bei St.=Jürgen, nur noch ein wenig mehr der Landstraße zu, lag das einstige Armenhaus, über dessen Ursprung gleichfalls nichts bekannt ist. Es war nicht mit Grundstücken oder Capitalien fundirt, sondern allein ausgestattet mit den Einkünften, die allsonntäglich durch den Klingbeutel zusammengebracht und in einen in der Kirche stehenden großen Kasten mit mehreren Schlössern gelegt wurden. Außerdem hatten die Armenhäusler das Recht, mit einer verschlossenen Büchse von den Vorübergehenden zu sammeln. Es scheint das Armenhaus eine Einrichtung aus jener Zeit zu sein, als in St.=Jürgen vermögendere Personen Aufnahme fanden. Die ganz Armen, die damals nicht bedacht waren, mußten doch auch versorgt werden, und das Recht, mit der Büchse zu sammeln, ging von den Prövenern auf sie über. Beide Stiftungen standen unter denselben Vorstehern und unter Aufsicht des Pastors. Was ein Armer ins Haus brachte, blieb bei seinem Tode darin, so erforderten es die Gerechtsame des Hauses. Alljährlich viermal wurde der Armenkasten in der Kirche von den Vorstehern in Beisein des Pastors geöffnet und die Sammlung herausgenommen, um entweder für die Restaurirung des Hauses oder für Feuerung und Unterstützung der vier Hausarmen verwendet zu werden. Der Superintendent konnte die Armen

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belehnen, sie ins Haus aufnehmen; doch überließ er dies meistens dem Ortsgeistlichen. Im großen Kriege brannte auch das Armenhaus ab; aber der Pastor Erasmus gedachte, daß es grade in der folgenden, schlimmen Zeit das erste Werk sein müßte, sich der Armen anzunehmen, darum setzte er die Wiedererbauung bald durch. 1659 wurde es abermals zerstört, 10 Jahre darauf mit Hülfe des Fürsten wieder erbaut, und zwar mit fünf Kammern für fünf Personen. Damals wurde nur an Fest= und Bettagen mit dem Klingbeutel für den Armenkasten gesammelt. Den Ertrag der Sammelbüchse an der Landstraße erhielten die Häusler alle vier Wochen ausgetheilt.

Im Jahre 1714 waren drei Armenhäusler da, die aber von den mit sparsamer Hand angesammelten Ziusen, welche nicht unbedeutend waren, nur den geringern Theil zu genießen bekamen. Allmählich ging das Haus seinem Verfall entgegen. Im Brande 1759 wurde es verschont, aber 16 Jahre darauf war es so verfallen, daß man den Insassen das Verlassen dringend anrieth. So verging es.

Allmählich drängte sich das Bedürfniß nach einer geregelten Armenpflege der Stadt auf, und die Kirche capitalisirte die angesammelten Gelder. In neuerer Zeit kamen die Zinsen wieder zur Verwendung für Arme. Mit der Armenhaus=Stiftung nichts zu schaffen hatte der im Jahre 1732 angelegte Armenkirchhof. Da nämlich der alte Kirchhof beim Gotteshause anfing zu enge zu werden, die Bürger also nicht mehr hinreichend geräumige Begräbnißstellen kaufen konnten, so beschloß die Stadt auf Anhalten der Armenkasten=Vorsteher und des Pastors, einen besonderen Platz unweit St.=Jürgen zu einem neuen Kirchhofe herzugeben, auf dem die Armenhäusler, sonstige Arme des Ortes und Fremde, die in Lage starben, beerdigt werden sollten. Dieser Kirchhof sollte "St.=Jürgens=Kirchhof" heißen, weil er nahe bei St.=Jürgen lag. 1745 wurde daselbst eine kleine, sehr dürftige Kapelle gebaut, 1789 schon war diese verfallen. Der Platz des Armenkirchhofs kam später bei Errichtung eines neuen Kirchhofes an die Stadt zurück.

C. Der Kaland.

Es wäre seltsam, wenn bei dem kirchlichen Sinne, der sich in katholischer Zeit in der Lager Gemeinde durch die Gründung von Stiftungen offenbarte, der Kaland, jene Laien=Brüderschaft, die in Niederdeutschland besonders weite Verbreitung fand, nicht auch in Lage vertreten gewesen wäre. Je mehr das kirchliche Leben in seinen berufenen Pflegern der Verderbniß anheim fiel, umsomehr

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sahen sich die ernsteren Männer genöthigt, eine Befriedigung ihres Gemüthes in freien, nicht kirchlich regierten, brüderlichen Vereinen zu suchen. Nicht immer waren diese Brüderschaften von dem Kirchenregimente gern gesehen, wenn auch der Laie ihnen umsomehr günstig war; zuweilen traten Inquisition und Mönche gegen sie heftig auf. Aber die Kalandsbrüder oder Brüder von der Gesellschaft des Heil. Geistes standen unter der Gunst der Päpste. Sie hielten am ersten Tage des Monats, Kalendae genannt, ihre Zusammenkünfte und erhielten so wahrscheinlich ihren Namen. Ihre Absicht war die Förderung des Seelenheils der lebenden und verstorbenen Mitglieder durch Gebete und Messen, sowie die Erleichterung der Begräbnisse und auch wohl die Pflege der Armen unter den Mitgliedern. Sie kauften sich zu ihren Zusammenkünften Häuser und stifteten im Anfang mit Ernst und Eifer viel Segen. Später wurde der fromme Zweck vergessen, und die Zusammekünfte dienten meistens den Gelagen. Das ist auch wohl der Grund, weshalb der neue Ernst der Reformationszeit diese morsch gewordenen Glieder zerschellte, die sonst ihren edelsten Zwecken bei der neuen Lehre gut hätten nachkommen können.

Auch in Lage bestand ein Kaland mit stattlichen Einnahmen. Wenige Namen von Mitgliedern sind bekannt. Laut eines Briefes des "Commissarii Archidiaconatus Rostochiensis in Ecclesia Suerinensi" wird angezeigt, daß Heinrich Jorck fiir sich und von wegen Heinrich Schönfeld's in Subsin dem Kaland zwei große Grapen (olla) gegeben habe. Dat. Lawe 1487. Diese Grapen, meistens eisern, werden in damaliger Zeit wertvoll gewesen sein, wie aus der Aufnahme der Geräthe erhellt; in den spätern Verhandlungen über den Verbleib der Kalandsgüter werden sie wiederholt erwähnt.

Auf diesen Brief ist geschrieben, daß Arnold Klokow 10 Mark Sund. Hauptstuhl zu den Memorien gegeben habe. Herzog Heinrich consentirt ferner, daß Nicolaus Lieffheit, Kirchherr zu Kammin, auf seine geistlichen Lehnspächte daselbst von den Kalandsherren zu Lage fünf Gulden genommen hat, 1520. Auf diesen Brief ist geschrieben: "Ick, Nikolaus Lieffheit, bekenne mit myner handt, wo dat ick mynen leven Mitbrudern des Kalandes zur Lawe hebbe settet mit willen Mynes gnedigen Herrn vief Gulden pacht in Hans Yns und vier Mark sundisch in Hermann Wegener up Martini im Jahre 21." Aus diesen Angaben ist zu entnehmen, daß vornehmlich Herren, Geistliche und Weltliche, aus der Umgegend zum Kaland gehörten. Einzelne weitere Nachrichten aus den

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Jahren 1500, 1510, 1518, in denen dem Kalande Einnahmen gesichert werden, übergehe ich, da sie von geringerer Bedeutung sind.

Mit dem Eindringen der Reformation verschwand auch der Lager Kaland spurlos. Der Rath der Stadt, der geistliche Güter auf dem Stadtgebiet gern verschwieg, solche auf dem Lande aber im Auge behielt und Ansprüche der Kirche darauf nachdrücklich unterstützte, beeilte sich, die Visitatoren 1541 besonders auf die Gefahr, daß des Kalands Güter verkommen könnten, aufmerksam zu machen, worauf er, zum Nachforschen angehalten, 1552 berichtete, daß drei Grapen in der Verwahrung des Rathes seien. Für die Hebungen konnte er die Urkunden vorlegen. Das Kalandshaus wurde 1530 an den Lager Bürger Jakob Lemke für 25 Gulden verkauft. Bei den übrigen Forderungen an Landbesitzer mußte man einfach notiren: "Kommt nicht auf." Ein Tessiner Bürger, Hans Wienke, schuldete gleichfalls von 1530 dem Kalande 20 Mark Lüb., wofür er ihm vier Morgen Ackers verpfändet hatte. Eine Anfrage beim Tessiner Rath ergab, daß Wienke inzwischen gestorben war; sein Enkel lebte noch, aber in großen Schulden: seine Güter waren dreimal von der Kanzel aufgeboten, damit seine Gläubiger sich melden sollten, und dann im Concurse verkauft, so daß also dort nichts zu haben war. 1582 hatte Hans Petersen von den drei Grapen nur noch einen; auch die Forderung aus dem alten Kalandshause ging darauf, als dasselbe abbrannte und der Käufer wegstarb. Der Sohn desselben ließ sich nach längerem Unterhandeln zur Zahlung von sechs Gulden bewegen.

In solcher Weise war auch allmählich das Kalandsgut endlich in die vier Winde gegangen.

 

Es ist hier vielleicht der Platz zu berichten, daß noch jetzt ein Acker mit Namen "Beguinenstück" in den Kämmerei=Rechnungen erwähnt wird. Vielleicht ist das eine Andeutung, daß auch Beguinen in Lage waren. Der Acker liegt am Wardower Wege.

Wenn wir nach obiger Darlegung der Einführung und Befestigung der Reformation, der daraus entstandenen Streitigkeiten, sowie der Herausbildung einer neuen kirchlichen Ordnung noch einen Blick auf die sonstige Entwickelung der Stadt thun wollen, so fällt uns auf, daß auch hier die Nachrichten über die weltliche Geschichte außerordentlich dürftig fließen. Die Bürgermeister der Stadt zu Ritter's Zeit waren Joachim Bölckow und Scharfenberg, der erstere war Kirchenvorsteher. Die Landvogtei war

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schon lange von Lage weg verlegt, so daß nur noch ein Stadtvogt zur Wahrnehmung des Niedergerichts anwesend war; derselbe erhielt z. B. 1582 den Auftrag, darauf zu achten, daß an den Sonntagen durch "Schotten und Haken" kein Markt abgehalten würde. "Da aber Jemand von Kramern und Haken mit seinen Waaren auff den Sonntag außzustehen sich unternehmen würde, sollen ihm dieselben durch den Stadtvogt oder Landreuter genommen und den Armen gegeben werden, und damit keine unwissenheit von Jemanden muge furgewandt werden, soll der Pastor etliche Sonntage sollichs von der Kantzel abkündigen und einen jedern für schaden warnen." "Sonsten soll frembden unverbotten sein, in der Wochen außzustehen und Marckt zu halten." Es gab jetzt meistens nur noch drei, höchstens vier Rathsherren und außerdem einen Vertreter jedes Stadttheils. Aus den Kirchenregistern, die die Pächter der Kirchen=Grundstücke u. s. w. uns angeben, können wir eine ziemliche Reihe von Haushaltungen mit Namen kennen lernen, und im Vergleich mit der Zeit nach 100 Jahren wird uns klar, wenn uns vielfach damals Namen begegnen, die später wildfremd klingen, daß die Träger derselben wahrscheinlich Opfer des Krieges geworden sind. Von Vilut, Paris, Segurt, Stantup, Wintpennig, Seddin, Goldenbage, Renneckendorf, Muchels, Klubanich, Hert, Griep, Panus, Schlaptmann, Gowe, Jmderich, Karock weiß man hernach in Lage nichts mehr, Vornamen, wie Kurd, Drewes, Tönnies, Kersten, Eggert, Titke (Tideke), Gerke (Gerhard), Urban, Heiden, Ewald hören später auf. Es sind freilich auch noch jetzt in Lage Nachkommen von Familien, die im 16. Jahrhundert, auftraten, wie Bölckow, Schröder, Bruseke (Buseke, Buhse), Garßmann (Gartzmann, Getzmann); andere heute übliche Namen, wie Schmidt, Schulz, Kröger, Kramer, Hoff, Peters, Weidemann, Saß, Kindt, Strüwing, Bawendererde sind wenigstens schon damals bekannt. Ich lasse das Verzeichniß der mir aus dem 16. Jahrhundert bekannten Familien am Ende dieses Abschnittes folgen. Es führte damals die Stadt ein verhältnißmäßig friedliches Dasein, denn die Streitigkeiten um Kirchensachen tobten dort nicht sehr arg, und daß die Stadt nicht in jenes unerhörte Lasterleben, das an andern Orten durch die Geistlichen gerügt wird, versunken war, beweisen die Protokolle, in denen der Pastor über die Gemeinde nicht zu klagen weiß. Allerdings hatte dieselbe auch in ihren Geistlichen sehr treue Hirten, und die Familie Stein stellte, wie wir gleich sehen werden, mehrere Männer, deren Andenken besonders werth gehalten wurde. Die Flammen der Feuersbrunst von 1569 warfen auf etliche Jahre ihren grellen Schein, den man nur mit Bekümmerniß

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und Sorge sah, aber allmählich erblaßte er. Die Stürme, die den Süden von Deutschland erschütterten, berührten Meklenburg wenig, von den innern Streitigkeiten mit den Fürsten und den Uebergriffen des Adels wurde die Stadt wohl nur gestreift, es gab noch immer geordnete Wege, auf denen der Geschädigte sein Recht erlangen konnte.

Durch die "nahrhafte" Zeit scheint nur die gedrückte Gestalt des Küsters hindurch zu schleichen, wehmüthige Blicke nach den vollen Fleischtöpfen der Bürger versendend, denn, o Kummer, er hatte ja nicht das Recht, sich bei ihnen der Reihe nach durchzuessen; das durfte ja nicht einmal der spätere Cantor. Wir gaben oben die spärlichen Einnahmen des Küsters an. Aber wir wollen auch als Gegenstück die geringen Kosten des Lebensunterhaltes hinstellen.

1 Schffl. Roggen kostete 10 ßl., Gerste 8 ßl., Hafer 4 ßl., 1 Kanne Bier 3 Witten, Arbeitslohn und Baukosten standen in ähnlichem Verhältniß, z. B. kosteten bei Erbauung eines neuen Schweinestalls 2 Fimm Stroh 2 Gulden, Holz 2 Gulden, die Bude 2 Gulden, Latten und Klehmstaken 1 Gulden, Arbeitslohn des Zimmermanns nebst Knecht für 2 Tage 11 ßl., Kost für sie 12 ßl. Bier 7 ßl. 2 Witten. Hespen und Haken 3 ßl., Arbeitslohn der Klehmer (5 Tage) 10 ßl., Kost derselben 15 ßl., Bier (20 Kannen) 15 ßl., das Innere zurechtzumachen an Arbeitslohn 16 ßl., Essen 8 ßl., Bier 6 ßl., andere Ausgaben betrugen 9 ßl.; so stand also der Stall völlig fertig da für 11 Gulden 16 ßl. 2 Witten (1 Gulden = 24 ßl., 1 ßl. = 4 Witten).

Ob der Nachfolger von Konrad Ritter sofort der Pastor Joachim Stein wurde, läßt sich nicht ganz bestimmt sagen. Der Vater dieses Joachim Stein hat, so berichten die Eingepfarrten, Gelegenheit gehabt, "sich um die Gemeinde wohl verdient" zu machen. Es ist nicht ersichtlich, in welcher Stellung, ob als Schulmeister oder als Pastor. Letzteres ist nach den alten Nachrichten unwahrscheinlich, schon Pastor Clasen 1 ) (1714-1741) nahm an, daß auf Ritter Joachim Stein sofort folgte.

Joachim Stein führte sein Amt von 1588 bis 1617, am 14. Juni des letztgenannten Jahres starb er unverhofft. Nach den 29 Jahren seiner Amtsführung erhielt er von den Eingepfarrten, in einer Eingabe wegen seines Nachfolgers, das schöne Zeugniß,


1) Clasen war der Nachfolger des Michael Blank, dieser ein Schwiegersohn von Pastor Erasmus, dieser Schwiegersohn von Pastor Nicolaus Stein, dieser Sohn von Pastor Joachim Stein, so daß eine Reihe von Angehörigen desselben Geschlechts in Lage als Pastoren auftrat, zum Segen der Gemeinde allzeit.
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"daß er seiner Zuhörer Seligkeit mit heilsamer, unverfälschter Lehre, christlichem Leben und gutem Wandel aller Dinge nach der Vermahnung St. Pauli an Titum 2 mit getreuem Fleiße gesuchet und ohne Zweifel Gott gefallen." Seine Zuhörer kamen eifrig zur Kirche, man erbaute die Chöre, der Adel hatte seine stattlichen Stühle. Dem Pastor zur Seite stand der Schulmeister Daniel Freudenberg, ein Theologe, der lateinische und deutsche Schule hielt und jeden Sonntag Nachmittag über die Epistel predigte. Der Küster hieß Kasper Tarnow.

Als der treue Pastor gestorben war, baten die Eingepfarrten, daß dessen Sohn Nicolaus zu seinem Nachfolger geordnet würde. Derselbe hatte von seinen Lehrern großes Lob aufzuweisen und wollte im Gnadenjahr seine Studien beenden; er that denn auch seine Probepredigt, wurde examinirt, ordinirt, introducirt, alles im Sommer 1618. Einige Jahre darauf (1624) starb der Schulmeister, der auch sehr geachtet war, und es erging nun die Bitte an den Fürsten, den jüngsten Bruder des Pastors, Jeremias Stein, der noch studirte und von den vier Söhnen des verstorbenen Joachim Stein allein unversorgt war, zu seinem Nachfolger zu machen, "weil sich nicht allein sein Großvater, wie denn auch sein seliger Vater um unsere Gemeinde viele Jahre wohlverdient gemacht, sondern auch sein Bruder, unser jetziger Pastor, unserer Kirche und Gemeinde höchstem Vergnügen nach zu dienen sich nicht verdrießen läßt." Diesen jungen Jeremias Stein, der die Stelle erhielt, finden wir später als Pastor in Volkenshagen; dort lebt er 1667 noch, 74 Jahre alt, er hat also die ganze Zeit des 30jährigen Krieges durchlebt.

Es war ein verhängnißvolles Jahr, als der junge Pastor 1618 sein Amt übernahm. Wie ein fernes Wetterleuchten zuckte der Kriegsschein im südöstlichen Deutschland, in Böhmen, auf; aber noch ahnte Niemand, welche furchtbaren Unwetter sich dereinst auch über den Norden entladen sollten. Noch strebte Lage, das bei erneueter Landestheilung (1611) an die Güstrower Linie gefallen war, nach sorgsamer Erhaltung der Grundlagen für ein ruhiges Gedeihen. Herzog Johann Albrecht II erneuerte, confirmirte und bestätigte der Stadt auf ihr Ansuchen alle Privilegien, welche ihr von weil. Heinrich d. A., Heinrich d. J. und Johann, Herzögen zu Meklenburg, 1441 gesichert waren, "weil uns (so schrieb der Herzoge dan nun in der Erbtheilung mehrgedachtes Stättlein Lage zugefallen und zu unserm Ampt Güstrow gehorig ist," 16. März 1615. Im Uebrigen lebte, wirkte und stritt man in geordneten Verhältnissen in der kleinstädtischen Gemeinde vergnüglich; man schalt und vertrug

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sich, wenn man sich die Wahrheit gesagt hatte. So war es 1626 z. B., als Mansfeld Meklenburg streifte, noch möglich, daß man den alten Streit um die Verpachtung der Kirchenäcker wieder aufnahm und einen Kampf zwischen Patriciern und plebejern im Kleinen ganz wacker ausführte. Die neuern, jüngern, eingewanderten Bürger beschwerten sich über den Pastor und die Kirchenvorsteher, daß dafür Sorge getragen würde, daß der Kirchenacker immer nach Gunst zu einem geringen Satze allein den älteren Familien ausgeheuert würde. Der Rath erhielt Auftrag, auf solche Beschwerde hin eine Erhebung des Thatbestandes zu machen. Es wurden alle Bürger auf das Rathhaus gefordert und die Beschwerdeführer sollen nun einzeln auftreten. Da erfuhr der Fürst denn, "daß welche vor wenig Jahren Bauernknecht gewesen waren und zum Theil noch keine Bürger seien, zum Theil wegen Diebstahls und unzüchtigen Lebens unter dem Adel weggekommen und als räudige Schafe in dieses Städtlein sich eingeschlichen. Und weil ihnen der gerechte Gott wegen ihrer gewesenen Bosheit seinen Segen vorenthält und sie bei ehrlichen Leuten keinen Glauben finden, so wollen sie denn auch ihrer Nächsten Gut mit List und unter dem Schein des Rechtes an sich bringen." Es wurde nachgewiesen, daß der Superintendent erst vor drei Jahren anwesend gewesen sei und die Verpachtung vorgenommen habe. - Man muß obige Ausdrücke nicht so schlimm nehmen, wie sie klingen, denn der Rath selbst war wesentlich bei den Kirchenäckern als Pächter interessirt und suchte mit seinen kräftigen Worten sich nur gegen den Sturmlauf zu verschanzen. In Wirklichkeit lag, wie wir später sehen werden, die Sache so, daß die älteren Familien sich in der billigen Pacht zu behaupten verstanden; und wenn der Streit für diesmal durch die bald hereinbrechende Noth unterbrochen wurde, so wurde er doch später immer wieder von Neuem aufgenommen. Einstweilen haben wir nicht den Eindruck, als ob dieses Intermezzo die glückliche Zufriedenheit der Stadt dauernd stören konnte. Noch erfreute man sich des ungestörten Genusses der Ländereien, Hölzungen, Wiesen und Weiden, noch trieb der Kuhhirte friedlich sein Vieh zur Weide, der Schweinehirt seine borstigen Schützlinge in das große Eichenholz auf dem Steinlande zur Mast. Noch kavelten sämmtliche Bürger das geschlagene Holz unter sich aus und nutzten das Lager Moor unentgeltlich, noch waren alle Hausstätten "gedoppelt" bebaut mit guten Häusern, noch nähte, hämmerte, hobelte der Handwerker, und ein blühendes Tuchmachergewerk (60-70 Handwerker, die der Tradition nach die jetzige Pfannkammer hinauf wohnten) filzte hämmernd sein Tuch, das weithin verhandelt wurde, in der Walk=

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mühle, die ihr Wasser von der quellenreichen Ueker erhielt. Wie viele Einwohner damals im umwallten Stadtbezirk wohnten, können wir leider nur unsicher berechnen. Der Schwiegersohn von Nicolaus Stein, Erasmus, der nach dem Kriege Pastor in Lage war, und mit den Resten der Bürgerschaft gleichsam die Neugründung der tadt vornahm, berichtet, daß die ganze Gemeinde vor dem Kriege etwa 4000 Seelen umfaßte. Nehmen wir auch an, daß die Landgemeinde, die ebensoviel Ortschaften umfaßte, wie jetzt noch, doppelt so zahlreich (!) an Mitgliedern war, wie zu heutiger Zeit, wo die großen Güter sehr viele Bauerstellen aufgesogen haben, so würden für die Stadt immerhin noch 2000 Seelen übrig bleiben, das heißt etwa dieselbe Zahl, die Lage 1870 aufwies.

Nachtrag.

Lager Einwohner aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts.
Klaus Stute.
Jakob Lemmecke.
Achim Bagge.
Heinrich Witte.
Marcus Wintpennig.
Matthias Stantup.
Martin Segurt.
Peter Kröger.
Jochim Seddin.
Hans Klabermann.
Klaus Timme.
Achim Kramer.
Peter Goldenbage.
Bernd Klabermann.
Achim Rachgow.
Hans Wedige.
Kurd Hoff.
Drewes Peters.
Jochim Renneckendorf.
Martin Vilut (Vielhuit).
Olde Beckersche (Wittwe).
Tönnies Muchels.
Thomas Bölckow.
Hans Scharpenberg.
Hans Gruwel.
Kersten Schröder.
Klaus Böickow.
Hans Wulf.
Martin Möllendorf.
Jakob Selpin.
Junge Klaus Gruwel.
Achim Witte.
Eggert Gruwel.
Achim Bagge.
Klaus Schröder.
Simon Schröder.
Achim Dedewich.
Achim Klueth.
Tideke Bruseke.
Klaus Wulf.
Heinrich Weidemann.
Klaus Brasch.
Achim Goldenbage.
Georg Becker.
Peter Küster.
Henning Klubanich.
Achim Bawendererde.
Achim Steding.
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Gerke Bölckow.
Hans Manecke.
Christian Kläbenow.
Urban Lamprecht.
Hans Wulf.
Klaus Kosse.
Martin Poppendik.
Martin Sukowsche.
Hans Detloff.
Heinrich Brasche.
Tideke Brasche.
Heinrich Kröger.
Jochim Hert.
Hermann Sassesche.
Jochim Schröder.
Achim Bresemann.
Achim Lübbe.
Hans Eggerdts.
Achim Paris.
Heinrich Berner.
Kannenberg.
Hans Schlackmann.
Achim Schmidt.
Heinrich Röpke.
Achim Panes (Panus).
Bartholomaeus Michels.
Heiden Imderich.
Jochim Ricker.
Jochim Burmeister.
Heinrich Kracht.
Wedege Wirt.
Jakob Schulze.
Stephan Gryp (Griep).
Ewald Kratse (Kratz).
Achim Struwing.
Achim Garßmann.
Lucas Gartzmann.
Hans Frehse.
Tideke Hagemeister.
Peter Kindt.
Jochim Bellin.
Heinrich Bresemann.
Möllenbekesche (Wittwe).
Peter Schele.
Achim Huth (Huett).
Jasper Ryck.
Hans Karock.
Jakob Ruge.
Achim Sternberg.
Hans Schweder.
Achim Schlaptmann.
Hans Gave.

III. Aus dem Jahrhundert des 30jährigen Krieges.

Brausend fegte der Sturm des großen Krieges durch Deutschland; im Osten und Westen, im Norden und Süden waren die Trümmer durch seine schreckliche Gewalt bald dicht gesäet; Meklenburg allein hatte sich verhältnißmäßiger Ruhe erfreut. Während anderswo die Heere von Freund und Feind, jagend und gejagt, zwei=, dreimal durch dieselben Landstriche zogen und wohlhabende Gegenden zu armen, arme zu ausgemergelten, ausgemergelte zu wüsten machten, spürte man in der kleinen Landstadt an der Recknitz noch wenig von dem unendlichen Weh des großen Vaterlandes. Der Schrei der gemarterten Menschen, das Prasseln der Flammen aus vernichteten Ortschaften, das Winseln der Hungernden wurde auf den Flügeln des Gerüchtes wohl schnell genug überall hingetragen; aber das Verständniß für das wirkliche Elend konnte

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nur durch die grausige Erfahrung selbst kommen. Wohl führte Mansfeld, wie bemerkt, seine Schaaren durch das südlichste Meklenburg nach Brandenburg, und der Soldat übte gewiß seine Willkür bei guter Gelegenheit; aber der Führer nöthigte zur Beschränkung der Raubgelüste, denn man zog durch Freundesland, dessen Willfährigkeit zu erhalten man noch für werthvoll hielt, und - in Lage stritt man sich frischfröhlich um die Verpachtung der Kirchenäcker. Die meklenburgischen Herzoge Adolf Friedrich und Johann Albrecht verbündeten sich trotz des Abmahnens der Stände mit den Dänen und mußten mit Schrecken den jähen Sturz des nach deutschem Grunde lüsternen Christian IV von Dänemark merken; im Juli 1627 rückten kaiserliche Völker in Meklenburg ein und behandelten es als ein feindliches Land. Vor dem Gericht des Kaisers flohen die Herzoge, und die Stände hatten die Wahl, ihnen die Treue zu brechen und ihren Haß zu erwerben, oder ihnen die Treue zu bewahren und damit der erbarmungslosen Härte Wallensteins, des slavischen Usurpators, sich preiszugeben.

Die Noth war groß, aber sie traf nicht vernichtend. Wallenstein erhob nach seinem Einzuge in Güstrow im Juli 1628 gebietend seine Hand, und die Kriegsgreuel wenigstens blieben dem Lande, das er das seine nennen durfte, fern. Sein Aufenthalt freilich machte große Kosten, und Lage in der Nähe seiner Residenz wird schon seinen Theil davon gehabt haben. Auch blieben noch 1629 bei seinem Abzuge kaiserliche Regimenter im Lande. Das Stocken von Handel und Wandel, die Ungewißheit über die Zukunft machten zum ersten Male der Stadt bemerkbar, was der Krieg noch zu bringen vermochte; sie konnte die auferlegten Contributionen nicht sofort erschwingen und verpfändete für 300 Gulden die Grünhören=Wiese an v. Pritzbuer auf Diekhof und Schweez; da sie niemals die Einlösung vollziehen konnte, so sehen wir hier den Anfang zu dem später so bitter empfundenen Verluste von Kämmerei=Eigenthum. Die Verantwortung für diesen Schritt trugen die Bürgermeister Jochim Gruel (Gruwel) und Jakob Rickert, die Rathsverwandten Heinrich Becker, Gerd Zurow, Johann Bülow, Thieß Mellendorf, die Viertelsleute Hans Scharfenberg, Hans Bünger und Jochen Kegebein.

Im Juni 1630 kam Gustav Adolf nach Deutschland, und Meklenburg begrüßte seine Gesandten als Befreier vom ungern getragenen Joch. Racheschnaubend zog Tilly dann durch das südöstliche Meklenburg (März 1631), und die Ströme Blutes, die in den Straßen des unglücklichen Neubrandenburg flossen, zeigten wohl, was zu vollbringen ihn gelüstete; aber am Vollbringen wurde

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er durch die Schnelligkeit des Schwedenkönigs gehindert. Die Lager wurden auch von den feindlichen Scharen heimgesucht und nannten sich eine "arme, ganz ausgeplünderte Bürgerschaft." Aber es klingt doch seltsam, daß sie sich allen Ernstes 1633 beim Fürsten, der durch den Schwedenkönig wieder in sein Land gekommen war, beschwerten, daß werbende Soldaten eines Bürgers Sohn gewaltsam preßten und der Führer dem Rathe, der entrüstet auf das Mandat des Fürsten gegen verdächtige Werbungen hinwies, spöttisch antwortete: "Ich achte solches nicht! Wie lange habt ihr euren Herrn im Lande gehabt" Eine Stadt, die Lust findet, über diesen Umstand sich zu beschweren, weiß noch nichts von der echten Wildheit der Kriegsfurie.

1634 plünderten die Schweden unter Baner, erbittert, daß die Herzoge nach der Schlacht bei Nördlingen sich mit Friedensgedanken trugen, das südliche Meklenburg. Sie wichen den kurfürstlich sächsischen Truppen nur theilweise. In der Schlacht bei Wittstock siegte Baner 1636 über das kaiserliche Heer, mit dem Kursachsen verbündet war: das Hin und Herfluthen der Völker erschöpfte Meklenburg im Süden gänzlich: wie viel Noth es Lage brachte, ist nicht zu ersehen.

Bald walzen sich die Kriegshorden zurück nach Norden, Gallas, der kaiserliche Feldherr, der in Pommern eingedrungen ist, zieht sich mit 60000 Mann von Anklam her zurück, weil er sein Heer in dem schlimm mitgenommenen Pommern nicht ernähren kann; er führt seine hungrigen Scharen durch Meklenburg, das noch immer lockende Land (1637). Ihm folgt Baner, der nur auf die Gelegenheit gewartet hat, dem Lande zu zeigen, was es bedeutet, das stolze Schweden, den Retter der meklenburgischen Fürsten, undankbar zu verlassen. Damit beginnt dann im Jahre 1637 und 1638 die echte, grimme Kriegsnoth, und sie muß bis auf die Neige genossen werden. Es giebt kein anderes Recht, als die Macht, und die Landstadt liegt offen und wehrlos vor jeder geschlossenen Schaar, wenn sie nur nicht allzu klein ist.

Jetzt naht ein zweiter Feind, geräuschlos. schleichend zieht er einher, man merkt kaum, wie er kommt, er ist da, und heimlich übt er seine Gewalt. In die Gegenden, wohin kein Soldatenauge schaute, dringt er hinein, und wenn er geht, herrscht hinter ihm Grabesstille. Das ist die Pest! Ja, flieht nur, sie ist schneller, als das schnellste Roß; schreit nur, sie ist taub gegen alles Flehen! Der Soldat hat doch noch ein Herz, auch wenn es von Stein ist, dieses Gerippe hat kein Herz. Wenn ihr es noch versteht, wenn

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das Entsetzen euch nicht alle Gedanken genommen, dann betet, sonst legt euch stumpf sinnig nieder, um zu sterben.

Wenn Jemand gesund bleibt und seltsamer Weise die Neigung gar spürt, zu ackern, zu säen, natürlich nur für die Soldateska: er hat kein Pferd, keinen Wagen, keinen Pflug, kein Saatkorn, kein Vieh, keine Scheune, kein Haus. Der jetzt die Sense in die Hand genommen zu mähen, ist der Hunger. Verderben, Tod, Vernichtung allüberall!

Wer war der Unglücklichste in jener grausigen Zeit? Der Todte, der Gemorderte, der Verhungerte sicherlich nicht; aber unter den Lebenden? Eine müssige Frage! Die Noth traf jeden Einzelnen, der nicht hinter den Mauern größerer Städte geborgen war, in der höchsten Steigerung, es handelte sich nur darum, wer sie ertragen konnte. Unsere kleine Landstadt mußte vermöge ihrer Lage von den schweifenden Völkern immer in erster Linie berührt werden. Im Jahre 1637 liegt sie im Sterben, 1638 ist sie todt. Die ganze Stadt, Pfarrhaus, Zollhaus, Rathhaus und vor allem die Kirche, alles wurde am Pfingsttage von den kaiserlichen Völkern in Asche und Trümmer gelegt. Die Stadt Lage ist gewesen, man kennt ihre Stätte, aber es ist eine Stätte des Grauens.

Ob Jemand diese Zeit überlebt?

Der Pastor Nicolaus Stein hatte wie ein getreuer Hirte seine Herde nicht verlassen, Gott hielt seine Hand über ihm. Beim Feindesandrang (1637) führte er seine wenigen noch übrigen Beichtkinder, die letzten Lager, nach Rostock, woselbst er Sonntags in der Heil.=Geist=Kirche des Gottesdienstes pflegte, bis ihn, der zwanzig Jahre getreulich sein Amt verwaltet hatte, bald (1638) die Folgen der Drangsale hinwegrafften. Die wichtigsten Stadtschriften und Urkunden nahmen die Flüchtlinge mit. Später, im Rostocker Brande, gingen diese zu Grunde. Wie viele damals nach Rostock zogen, erzählt uns Niemand.

Als der erste, schlimmste Andrang vorüber war, trieb es doch manchen, trotz der Unsicherheit der Straßen sich wieder an die Stätte zurückzubegeben, wo einst seine Vorfahren so glücklich waren, wo seine Wiege stand. Das ist so damals des Deutschen Art, er klebt an der Scholle, nur in seiner Heimath weiß er seinen Platz, sucht er sein Glück. Wie viele zurückkehren, wissen wir genau. Diesen wenigen Bürgern nämlich giebt sofort der Commandant von Ribnitz auf, monatlich 12 Thlr. Contribution zu zahlen. O grausamer Hohn! Sie bitten schriftlich den Fürsten am Tage Johannis des Täufers 1639, er solle doch dem Commandanten befehlen, "daß er uns, weil wir weder Kühe noch Ochsen, weder Haus noch Hof,

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weder Säen noch Mähen, weder Rath noch Bürgerschaft haben, so mehrentheils Todes verfahren und über fünf nicht mehr übrig sein, die sich fast mit Betteln ernähren müssen," mit der Contribution und andern Auflagen verschone. Es leben zerstreut hier und da gewiß noch einige, die sich allmählich zurückfinden, viele sind es gewiß nicht gewesen, wie man bald erkennnen wird.

Die neuen Bürger Lages schufen sich - und immerhin ist das äußerst bezeichnend für die Gedanken der kleinen Schaar - sofort einen Mittelpunkt in einem Rathhause, das freilich nicht viel besser als eine Baracke gewesen sein wird. Daß es nur dürftig war, beweist der Umstand, daß schon 1655 die Stadt ein Stück Wiese zur Erbauung eines Rathhauses verkaufte. Aber unter Trümmerhaufen ist ein Hüttlein schon ein ermuthigender Anblick. Auch arbeiteten die Bürger an der Herrichtung eigner Wohnungen, und bei dem neuen Bauen unter alten Trümmern sollte bald zu dem alten Gotte ein neues Vertrauen erweckt werden. Denn schon nahte der Mann, der, ein Prediger in der Wüste, ein Held im Kampfe mit unholden Geistern, voll Muths und Glaubens, zu denen gezählt werden muß, von denen Paulus sagt: "Als die Sterbenden und siehe wir leben, als die Gezüchtigten und doch nicht ertödtet, als die Traurigen, aber allzeit fröhlich, als die Armen, aber die doch viel reich machen, als die nichts inne haben und doch alles haben."

Georg Nicolaus Erasmus wurde zu Ohrdruff in Thüringen am 6. Februar 1610 geboren. Beim Beginn des Krieges war er ein Knabe, in den Unruhen ward sein Vater nach Danzig verschlagen; daselbst besuchte der Sohn die Schule, ward der Gottesgelahrtheit Beflissener in Rostock 1638, woselbst er den letzten Lager Pastor kennen lernte und von diesem auf die arme, verlassene Gemeinde aufmerksam gemacht wurde. Er suchte seinen Unterhalt für die nächsten drei Jahre beim Kanzler v. d. Lippe in Hadersleben und bewarb sich dann, als die Zeiten etwas ruhiger geworden waren, um die so lange unbesetzt gebliebene Pfarre in Lage. Nachdem er vor dem Ministerium in Güstrow auf Befehl von Adolf Friedrich sich gestellt hatte und im Examen wohl bestanden war, wurde er zum Pastor bestellt und heirathete am Tage seiner Einführung die Tochter seines Vorgängers. Welch ein Sturm mochte im Gemüthe der jungen Pfarrfrau entfesselt werden, als sie die Gegend wieder betrat, wo sie die Tage glücklicher Jugend verlebt hatte! Noch lagen die Trümmer wirr durcheinander, es gab eigentlich noch kein Haus, wo sie nach deutscher Frauenweise ein trauliches Daheim gründen konnte, ja kaum einmal eine Stelle, wohin das junge Paar sein Haupt in Sicherheit legen durfte. Wir haben eine kurze Nachricht

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von Pastor Erasmus selbst über seine erste Wirksamkeit, die wir hier zunächst im Zusammenhange wiedergeben, um sie später zu ergänzen. Erasmus schreibt: "J. N. J. - Anno MDCXLI Dominica Septuagesimae bin von meinem gnädigen Fürsten und Herrn, Herrn Adolpff Friedrichen, Hertzoge zu Mechlenburg pp. alß Patrono, Ich Georgius Nicolaus Erasmus von Ohrdruff auß Thüringen zum arbeiter in dem Weinberge des Herrn allhie zur Lage ordentlich beruffen, den ich wegen vorhergehender total ruin sehr wüste befunden, also daß von mehr als 4000 nicht vber 50 Seelen (E. rechnet incl. Landgemeinden) vbrig geblieben, die Ich dann mit dem Heiligen Predigampte so lange versorget, biß ich 10. Maji gedachtes Jahres, nach vorhergehendem Apostolischen examine, vom damahligen Superintendenten, dem weiland Ehrwürdigen, Andächtigen vnd Hochgelahrten Herrn Magister Daniele Michaeln Sehl. in der Güstrowischen Thumbkirchen öffentlich ordiniret vnd zween tage hernach in der Kirchen alhier zum wächter vorgestellt, vnd mir Sie auff meine Seele vnd Blut anvertrawen lassen, welches mir denn mein Lebenlang durch Gottes gnädigen Beystand vor augen schweben soll, daß Ich mein anvertrawtes pfund anwende, vnd getrewlich damit wuchere. - Weil auch die Kirche biß auff das gemäur anno 1638, eben am Heiligen Pfingsttage, durchs fewr, nebst dem Pfarrhause und meistentheil der Stadt, so gantz verwüstet, daß nit ein geringes thürlein vbrig blieben, alß habe Ich mit dem damahligen einigen Vorsteher Michel Meldendorpen sehl. von Ihrer fürstlichen Gnaden vnd dem sämptlichen Kirchspiel durch große mühewaltung soviel erhalten, daß anno 1642 im September ein Sparwerk von 12 gebinden vber das gewelbe gesetzet, welche anno 1643 von einem Rostocker Mäurmann durch nit geringe Kosten repariret und mit einem Ziegeldache versehen, also daß ich eben auf S. Johannis Baptistae darinnen zu predigen angefangen, nachdem ich 2 1/2 Jahre mit großer Unlust das Ampt aufm Rathhause verrichten müssen. Und sind die Bawkosten allzumahl biß nur auff ein weniges, nemlich 106 Gld., so zu Rostock colligiret, von dem gelde, so auß dem zerschmoltzenenn glockengute gelöset, genommen, wie das darüber gehaltene Register ausweiset."

Wie so vielfach in Deutschland, so war auch hier in unserer Landstadt ein Geistlicher berufen, um durch eine aufopferungsvolle Arbeit die Sammlung und Neuerbauung einer Gemeinde zu bewirken. Man hat vielfach über die "todte Orthodoxie," unter deren Einfluß die lutherischen Geistlichen jener Zeit meistens standen und mit Geistesschärfe stritten, in den folgenden Jahrhunderten gescholten mit den herben Vorwürfen, daß man über die Wissenschaft das Leben,

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über das Dogma die Liebe vergaß. Wie unberechtigt dieser Vorwurf ist, erkennt man, wenn man die Thätigkeit der Vielgescholtenen in und nach dem dreißigjährigen Kriege beachtet. Es waren Männer am Platz, die ihre Treue bis zur Selbstaufopferung bewährten; in erster Linie sind sie unter denen zu nennen, denen Deutschland seine Rettung verdankt. Der 31 jährige Mann in Lage, auch ein Orthodoxer, in rauher Zeit erzogen und den Frieden nur aus schwacher Erinnerung seiner Kindheit kennend, hat unermüdlich als Friedensprediger seinen Posten ausgefüllt und sein oben erwähntes Versprechen gehalten mit völliger Hintenansetzung seines Ichs. Ehre sei seinem Andenken, so lange die Stadt Lage steht!

Von 4000 Seelen sind im Jahre 1641 in der ganzen Gemeinde nur noch 50 übrig geblieben. Ein Jahr nach seiner Einführung schreibt Erasmus im Auftrage der Bürger an den Fürsten und bittet dringlich, daß der Zoll, die Accise, zunächst doch noch nicht wieder eingerichtet werden möchte; die Stadt, so giebt er an, ist durch Krieg und Brand mehr verwüstet, als irgend eine in Meklenburg und Deutschland, es zieht Niemand zu, weil die Wohnungen mangeln. "Einwohner sind nicht mehr vorhanden als Matthias Melldorp, Rathsverwandter, Michel Melldorp, Rathsverwandter, Klaus Schröder, Heinrich Melldorp, Matthies Wilke, Gerdt Surow (ist unbefreyt), Klaus Sötmelk (dient dem Pastor als Knecht), Klaus Stavenow (pflegt das Almosen zu suchen). Unter diesen sämmtlichen ist nicht einer, der einen Knecht oder eine Magd habe, woraus ihr Vermögen leicht zu schließen. Zwei haben eigne Häuser. Der Durchzug der schwedischen Völker zu Fuß und Roß dauert fort, die Bewohner müsfen jeden Bissen mit ihnen theilen, die Kirche erfordert zum Ausbau alle verfügbaren Kräfte, auch müssen nothwendig Häuser gebaut werden." Zu diesen namhaft gemachten Bürgern kommt dann noch bald der Bürgermeister Johann Bülow. So haben wir, abgesehen vom Pastor, 17 Personen als Grundstock für die zukünftig zu errichtende Stadt.

Mit dem Jahre 1640 begann doch schon das Säen wieder. Da die Mühlen in Lage und Kobrow abgebrannt waren, so mußte das Korn zum Mahlen mühsam weithin gebracht werden. Nach drei weitern schweren Jahren gab es nur noch dieselben 9 Bürger, die es nunmehr auf vier Wagen gebracht hatten. Pferde waren etwas Unerschwingliches, außerdem von den durchziehenden Soldaten sehr Begehrtes, darum arbeitete man mit Rindern. Welche unendlich saure Arbeit aber war das Bebauen des Ackers, der manches Jahr hindurch wüste gelegen hatte. Eine Mutter, so erzählt man noch

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heute, kam und wollte ihrem in der wilden Zeit erwachsenen Sohne die Ackerstücke zeigen, die sein Eigenthum waren. Aber als sie vor dem Gewirr von Gestrüpp und Gebüsch stand, das an den Stellen aufgeschossen war, die einst im jungen Saatengrün oder im Schmuck wogender Aehren prangten, da mußte sie weinend darauf verzichten, dem Sohne das Erbe seiner Väter zu überweisen. Selbstverständlich konnte der Prediger Erasmus von seinen Gemeindegliedern, die kümmerlich um ihre Existenz rangen, nicht erhalten werden, entsagend erhielt er sich selbst und lebte von dem Acker, den er mühsam mit seinem Knechte bestellte; er verlangte auch für sich nichts Besonderes, nur das Eine begehrte er, das Haus des Herrn aus dem Schutte wieder aufzurichten, um an würdiger Stätte Gottesdienst halten zu können. Der Thurm und das Schiff waren völlig ausgebrannt, so daß nur die kahlen Wände dastanden; aber von dem Chore hatte das Gewölbe noch zum Glück dem Feuer und der Witterung getrotzt, und darum mußte der Versuch gemacht werden, über denselben zunächst ein Dach zu errichten. Dazu gehörten Holz, Steine, Fuhren und Handwerker. Das Holz schafften auf unermüdliches Anhalten von Erasmus die Eingepfarrten, aber es fehlten die Steine, die man nur in Rostock gegen gutes Geld haben konnte. Erasmus entdeckte auf dem Kirchhofe eine große Menge zerschmolzenes Glockengut und verkaufte es mit herzoglicher Erlaubniß nach Rostock für 570 Gulden. 4 Gulden erhielt der (Amts=)Hauptmann für Verpflegung des ankommenden Pastors, 50 Gulden kostete die Introduction desselben und des Küsters Besoldung, 100 Gulden erhielt Erasmus auf 5 Jahre (das Jahr 20 Gulden) als Gehalt ausbezahlt, damit er sich einrichten konnte, 200 Gulden wurden zunächst zum Kirchenbau angewiesen, der Rest verblieb in herzoglicher Verwaltung. Von dem obigen Gelde konnten aber nicht alle Kosten gedeckt werden, unerschwinglich waren die Fuhrgelder. Erasmus bewirkte die Aufhebung des Zolles für alle, die über Lage Korn nach Rostock zum Verkaufe fuhren und sich verpflichteten, Steine umsonst auf der Rückfahrt mitzubringen. Aber 300 Fuhren, die nöthig waren, kamen auch so nicht fertig; das Sparrenwerk stand 1642, aber das Dach war noch nicht darauf, es blieb also im Winter offen, bis das Amt Güstrow die letzten 2000 Steine von Rostock anzufahren Befehl erhielt, nachdem eine fürstliche Commission an Ort und Stelle die Notlage constatirt hatte. Erst 1643 kam man mit einem Maurermeister, Hans Behrens zu Rostock, für 90 Gulden und 3 Tonnen Bier überein, daß er das Dach fertig stellte; den Rest der Kosten deckte Erasmus durch eine Sammlung in Rostock. Die nach dem Hauptschiff zu

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offene Seite des Chores wurde geschlossen, und endlich konnte der Gottesdienst an einem würdigen Orte begonnen werden. Würdig? Keine Kanzel, kein Altar, keine Sitze; aber immerhin doch ein gutes Obdach für die Zuhörer, groß genug für die kleine Schaar. Schiff und Thurm blieben einstweilen im Schutt liegen. In dem Schaffen und Fertigstellen auf rastloses Mahnen des Geistlichen hin lag ein vorzügliches Heilmittel gegen Entmuthigung. Die Leute hatten ein Kirchlein, woran jeder seine Arbeit gewandt, seinen Antheil hatte; nicht für den augenblicklichen Nutzen war der Bau hergerichtet, sondern er lenkte die Gedanken auf die Zukunft, so wollte Jeder denn auch seinen Theil davon haben, und es fehlte am Sonntag Niemand in der Kirche, der den Weg machen konnte. Wie mag aber doch den Aelteren in der Gemeinde zu Muthe gewesen sein, als sie den ersten Gottesdienst feierten? In kaum sechs Jahren der furchtbarsten Noth hatte man sich noch nicht an das Vergessen ganz gewöhnt.

Und siehe da, abermals fluthete das Kriegsunheil heran, der schwedische General Torstenson führte sein Heer aus Mähren zurück nach Holstein, ihm folgte jetzt Gallas; beide, Schweden und Kaiserliche, zogen durch Meklenburg und hatten in der Zeit ihrer Abwesenheit nicht an Rohheit abgenommen, aber viel Scheußliches zugelernt; sie waren noch findiger im Martern und Aufstöbern der Schlupfwinkel, an Härte konnten sie nicht wachsen. Da sammelte Erasmus schweren Herzens seine kleine Schaar, Hab und Gut wurde verladen, das Vieh voraus, - so flüchteten sie in das große Barentin'sche Holz bei Kronskamp; in seinen Dickichten verbargen sie sich wochenlang, denn wenn auch Torstenson gewöhnt war, wie der Blitz mit seiner Schaar vorüberzufahren, und die Kaiserlichen, so gut es ging, seinem Beispiele folgten, so begleiteten doch Streifzügler und Gesindel schlimmster Art die Truppen und waren mehr zu fürchten. Hier in Holz und Busch errichtete Erasmus einen Altar aus Rasen, seine Zuhörer mußten sich Sitze durch Ziehen von Gräben verschaffen. Den Vögeln in den Zweigen mag es seltsam vorgekommen sein, wenn der beredte Mann versuchte, das Gottvertrauen seiner Zuhörer immer neu zu entfachen, und seine Stimme feierlich unter dem grünen Dome dahin schallte. Wie man die Stadt bei der Rückkehr vorfand, erzählt uns keine Schrift, vielleicht hatte man sich an das Elend gewöhnt, daß man es nicht mehr bemerkenswerth fand.

Inzwischen war auch die Regierung, insbesondere der Herzog Adolf Friedrich, nicht müßig. Er setzte wieder seinen Stadtvogt (Hans Albrecht Bunkenburg) zur Wahrung von Recht und Ord=

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nung ein, und der Gedanke, die Mängel gründlich aufzudecken und die Mittel und Wege zur Abhülfe aufzufinden, wurde mit Eifer erwogen. So kam die große Kirchenvisitation von 1646 zu Stande. Als Visitatoren erschienen der Regierungsrath Jochim v. Nessen, der Superintendent Samuel Arnold und der Hauptmann Krüger am 17. Juli in Lage, nachdem für rechtzeitige Bekanntmachung gesorgt und die Einladung an den eingepfarrten Adel erlassen war.

"Dominus Superintendens cum pastore colloquinm instituit et jussit, eum recensere errores, qui Catechismo Lutheri per omnes partes cum pontificiis intercedunt. Pastor praemissa gratiarum actione erudite respondit et rectissime Dominis Commissariis satisfecit." Es folgte sodann ein Examen der Kinder sowohl vom Lande wie aus der Stadt, und zum höchsten Erstaunen fand man ein vierjähriges Kind, welches seinen ganzen Katechismus hersagen konnte; dann mußte die ganze Gemeinde, 50 Männer und 60 Frauen, antreten "und wurden aus dem Catechismo und Fragestücken befragt, welche ihn aber meistentheils ohn Auslegung gewußt haben und woll darin bestanden. Und ist das Examen bei vier Stunden gewehret. Und ist ihnen anbefohlen, daß sie den Catechismum alle mit der Auslegung lernen sollen." Vom Pastor war allsonntäglich zweimal gepredigt, in der Frühpredigt der Katechismus und der Prophet Jeremias (!), Vormittags das Evangelium ausgelegt; zu Kirchenvorstehern waren Johann Bülow, Klaus Gruwel und Gerhard Zurow bestellt, ein Schulmeister fand sich nicht vor, wohl aber ein Küster Simon Gielow, der zugleich Kinderschule halten mußte. Drei silberne Kelche waren aus früherer Zeit bei St.=Jacobi in Rostock für 70 Gulden versetzt, ein silberner, vergoldeter Kelch war kürzlich durch Kapitän v. Vieregge der Kirche verehrt. (Wahrscheinlich der noch jetzt im Gebrauch befindliche Kelch, ein Kunstwerk von besonderm Werth, der durch räuberische Soldaten offenbar aus Süddeutschland nach Meklenburg verschleppt und hier verkauft war, mit der Inschrift: "Anno Domini 1603 Summus et Illustrissimus Princeps Dominus, Dns. Wolfgangus, Episcopus Ratisponensis, Praepositus et Dominus Elwacensis hunc calicem fieri curavit." Der Abendmahlsbesuch war zufriedenstellend.

Da die Wedeme noch nicht aufgebaut war, so trat man in Verhandlung mit dem Zimmermeister Harder, daß er aus zu liefernden Materialien für 70 Gulden (collectirte Gelder), eine Tonne stark und eine Tonne schwach Bier die wüste Stätte bebauen sollte. Bei der Feststellung der Hebungen und Einnahmen klingt überall hindurch, daß das Land wüste liegt, nichts aufkommt,

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die Zahlungspflichtigen gänzlich verarmt sind: und wenn der Abschied die Verpflichtung zum Zahlen nachdrücklich betonte, so läßt sich dennoch annehmen, daß es wenig geholfen hat. Doch ist auf diesem Gebiete auch nicht die Wirkung der Visitation zu suchen. Die ganze Gemeinde fühlte es einmal wieder handgreiflich, daß sie nicht so einsam in den Kampf mit der bösen Zeit gestellt war, sondern vielmehr das Glied eines großen Ganzen ausmachte, daß ein treuer Fürst die ernste Sorge für das Wohlergehen seiner Unterthanen trug, daß diese aber auch für ihr Thun und Treiben ihm und dem ganzen Lande gegenüber ernstliche Verantwortung übernehmen, aber noch viel mehr dem Gotte, auf dessen Antrieb und zur Mehrung von dessen Ehre diese Männer gekommen zu sein ausdrücklich betonten, ihre heilige Pflicht leisten mußten. Dieses Zusammenschließen und Sammeln zum Ganzen war von größtem Einfluß, um die Lust zur Arbeit an sich und an dem Gemeindewohl, die Unverdrossenheit im Kampfe mit den schlimmen Widerwärtigkeiten zu stärken und zu mehren.

Aus dem Vorhergehenden zeigt sich, daß inzwischen die Bevölkerung der einzelnen Gemeinde=Ortschaften sich etwas gehoben hat, jetzt sind doch schon 110 Erwachsene vorhanden. In Kl.=Kobrow finden sich 4 Bauern, Gr.=Kobrow liegt ganz wüste (die Hufen wurden nicht wieder aufgerichtet, sondern zum Hof gezogen), in Wozeten wohnen 4 Personen, in Breesen 1 Bauer, in Gr.=Lantow 4 Bauern, in Kl.=Lantow 1 Verwalter und 1 Bauer, in Kl.=Wardow 3 Personen, in Gr.=Wardow 3 Personen. In Schweez und Barentin, abgesehen von den Hofbesitzern, Niemand weiter. Leider ist uns nicht bekannt, wie hoch sich die Dienerschaft des Adels belief, sonst könnte man die Bewohnerzahl der Stadt wohl feststellen, doch möchten wir nicht irren, wenn wir in derselben etwa 20 Männer annehmen.

Nach langem sehnlichen Warten kam endlich die Nachricht, daß der Friede geschlossen sei. Ein Märchen mußte es die Meisten dünken. Nun sollte man wieder den Acker in Sicherheit bestellen dürfen in der gewissen Zuversicht, auch ungestört und allein den Ertrag genießen zu dürfen? Die Töchter sollten wieder im friedlichen Haushalt heranwachsen, ohne daß ein roher Soldat sie in der Blüthe knickte? und die Söhne sollten sich an die Führung des Meißels, des Hobels, des Hammers wieder gewöhnen und nicht von Kindesbeinen an das Messer und die Pike führen lernen als bestes Handwerksgeschirr? Sie sollten in der Werkstube besser Bescheid wissen, als auf den heimlichen Schleichwegen in Wald und Busch? Wenn die beiden Alten, Johann Bülow, der Bürgermeister, und

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Klaus Schröder zusammenrückten und erzählten, wie einst im deutschen Reich die Landstraßen frei und sicher waren, belebt von lustigen, harmlosen und im Handwerksbrauch geübten Gesellen, wie am Sonntag feierlich die Glockenklänge dahinzogen über Land und Stadt und die großen, schönen Kirchen die Menge der Andächtigen nicht zu fassen vermochten, wie an den Jahrmärkten die Straßen der Stadt wimmelten von den Verkäufern, die aus den Nachbarstädten, und den Käufern, die vom Lande herbeizogen: dann mochten den Jüngern unter den Zuhörern diese Dinge scheinen, wie etwa unsern Kindern eine Erzählung vom Schlaraffenland. Daß dieses Alles noch einmal wiederkommen sollte, wer mochte das glauben? Ueber 200 Jahre sind seitdem vergangen, und jene Behäbigkeit und Wohlhabenheit ist für unsere kleine Landstadt jetzt kaum wiedergekommen.

Allmählich wurde der bisher benutzte Kirchenraum zu eng; im Jahre 1653 berichtete Erasmus, das Gedränge sei so groß, daß ein ziemlicher Theil der Gemeinde vor der Thür des Chores stehen müßte, und erbat eine Commission, die den Ausbau der Kirche berathen sollte. Abermals vergingen 4 lange Jahre, endlich hatte sein Andrängen Erfolg. Der Superintendent Daniel Janus kam mit einer Commission, welche die Baukosten, um das Schiff unter Dach zu bringen u. s. w., auf 600 Gulden veranschlagte, abgesehen von den Materialien. Es offenbarte sich eine große Opferwilligkeit unter dem eingepfarrten Adel, der allerdings insofern ein lebhaftes Interesse an der Förderung des Baues hatte, als er, wenn die Gemeinde ins Schiff verwiesen war, seine vor dem Kriege vorhandenen Kirchenstühle im Chor wieder aufrichten konnte. Der Rittmeister v. Plüskow wollte den Predigtstuhl (Kanzel) auf seine Kosten bauen, Oberstlieutenant v. Vieregge gab 40 Gulden, Daniel v. Warnstädt 20, Lindemann, Pächter in Kl.=Lantow, 40, Büseke, Pächter in Schweez, 12, Detmer, Pächter in Wardow, 10 Gulden; alle Pachtschäfer sollten je 4 Gulden geben, die Bauern je 3 Gulden. Von der Stadt forderte man 128 Gulden, indessen betonten die Bürger, "da sie nur 40 Personen im Städtlein wohnten", daß keiner mehr als 2 Gulden geben könne. (Man darf annehmen, daß mit solcher Zahl die Haushaltungen angegeben sind, so daß man mindestens auf etwa 150 Seelen die sämmtlichen Bewohner rechnen darf.) Der Rest sollte aus den von der Kirche einzuziehenden Kapitalien gedeckt werden.

Doch sollte der Bau leider noch lange nicht beginnen; das erfreuliche Gedeihen und der verhältnißmäßig schnelle Wachsthum der Gemeinde sollten sehr jäh wiederum unterbrochen werden. Der dreißigjährige Krieg war allerdings beendet, aber die nordische Macht,

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die mit demselben sich in Deutschland festgesetzt hatte und erstarkt aus den Wirren hervorgegangen war, konnte für ihre ehrsüchtigen Auschläge auf die Ostsee immer noch nicht Befriedigung finden. Schweden schlug mit Hülfe des brandenburgischen Kurfürsten zunächst in der dreitägigen Schlacht bei Warschau die Polen, demüthigte sodann die Dänen durch den Frieden von Roeskilde, brach denselben und sah sich nun plötzlich dem Bündnisse der Polen, Brandenburger, Dänen und Holländer gegenüber. Es galt, die Schweden aus Pommern und Jütland zu vertreiben, und selbstverständlich richteten sich die Angriffe der Verbündeten auch auf Wismar, diesen "Pfahl im Fleisch" für Meklenburg. 1659, am 26. Februar, sah man bei heitern Himmel mitten am Tage feurige Kugeln an verschiedenen Stellen durch die Luft herniederfahren, das Volk erschrak, denn das bedeutete Krieg. Und plötzlich flog mit Windeseile die Nachricht durch das entsetzte Land, daß ein zweifaches Heer, Brandenburger und Polen, sich gegen Meklenburg in Bewegung gesetzt habe. Mit einem Schlage stand das ganze, furchtbare Elend, das die zuchtlosen Schaaren mit sich bringen würden, den Bewohnern vor Augen. Es gab keine andere Rettung als in der Flucht. Bald loderten einzelne Städte in Flammen auf, und viele Leute, die in die Hände der Sarmaten geriethen, verbluteten unter Martern und Streichen.

Die Lager suchten unter dem Geleite ihres Seelsorgers ihren alten bewährten Zufluchtsort wieder auf. Als die Kriegsfluthen sich verlaufen hatten, sahen sie abermals ein trauriges Bild vor sich: die Häuser waren niedergebrannt, die zurückgelassene Habe war vernichtet oder geraubt, die Kirche auf's Gräulichste geschändet, die in ihr beigesetzten Särge waren aufgewühlt und aufgebrochen, das Gotteshaus war zum Pferdestall gemacht, und man erkannte, wie die Polen es sich hatten angelegen sein lassen, mit dem ekelsten Unrath das Heilige zu besudeln. Der Küster Martin Fischer (der alte Simon Gielow war 1658 gestorben und Fischer auf Empfehlung als ein homo vitae integer, honestis parentibus ortus zum Nachfolger gemacht) war zurückgeblieben in dem Orte, er war ein habsüchtiger, ungetreuer, boshafter Mann, der sich von dem Seinen nicht losreißen wollte und vielleicht, da Alles geflüchtet war, aus den verlassenen Wohnungen mancherlei Gutes zu erwischen hoffte, dessen Verlust hernach den Polen zugeschoben werden konnte. Aber diese hatten ihn ergriffen und so schwer mit Schlägen mißhandelt und geängstigt, daß er epileptische Zufälle davontrug. Das von Erasmus mühsam angelegte Gärtchen war gründlich verheert, und sogar das, was den Feinden völlig werthlos, ihm aber sehr lieb

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war, seine Bücher, hatten sie ihm gestohlen, und er behielt nur seine Bibel, die er auf der Flucht mitgenommen hatte.

Wie der fromme Mann über diese traurigen Dinge dachte, wissen wir ziemlich genau. Er war ein fester Lateiner, der auch in seinen Briefen an Freunde und Vorgesetzte mit Vorliebe der lateinischen Sprache sich bediente, zugleich auch ein Kenner alter Dichter, und nach ihrem Vorbilde schrieb und veröffentlichte er später eine Reihe Epigramme, die, wie er selbst sagt, des Nachts, wenn er ruhelos auf seinem Lager lag, gequält durch die Sorge, daß nur das Uebel sie Alle nicht ganz unterdrücken möge, in schwer leidendem Gemüthe entwarf, gleichsam sich selbst zur Erleichterung, zum Trost und besonders zur Glaubensstärkung. Weil in seinen Distichen sowohl seine Gedanken, als die Leiden der Seinen sich hell wiederspiegeln, so will ich versuchen, einige in Uebersetzung hier anzuführen; ich bitte, wenn etwas ungefüge klingt, die Schuld der Ungeschicklichkeit dem Uebersetzer, nicht dem Verfasser zuzuschreiben. (G. N. Erasmi Ohrd. Tristium, hoc est Epigrammatum, quibus Belli . . . praecipue continetur historia . . . Libri tres. Gustrowi, Christianus Scheippel, 1663.)

  1. Abermals Hannibal steht vor dem Thor. Sprich, möchtest Du lieber,
    Deutscher, mit Fleh'n und Gebet zwingen ihn oder mit Blut?
  2. Komm', mein theures Gemahl, kommt, Pfänder lauterer Liebe,
    Unsere Rettung liegt einzig allein in der Flucht.
    Regen gleich fließen vom Aug' eure Thränen im Weh solcher Trübsal.
    Glaubet nur! Sicherlich weicht Regen dem sonnigen Schein.
  3. Weh', kein Bleiben im Haus, ringsum keine Hoffnung auf Rettung,
    Was wir besaßen, nun wird's Beute der wüthenden Schaar.
    Hieran klebt unser Schweiß, mit der Sense ward jenes erworben!
    Weh' welch' trostlose Zeit hat uns ergriffen, o Gott!
  4. Zwanzig Jahre in Müh', in gewaltigem Ringen verstrichen,
    Ein Paradies, so schön überall wurde das Land.
    Kaum ein Monat verging, so ward's eine Höhle von Räubern.
    Oefter die Frucht eines Jahrs raubet ein einziger Tag.
  5. An St.=Michaelstag geht uns're Verbannung zu Ende.
    Flehend die Hände ich ring', ach, um das Haus meines Herrn,
    Weh', zum Viehstall ist es gemacht, zur eklen Kloake.
    O, vernichte das Vieh, räume die Schweine hinweg!
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  1. Wahrlich, Menschen nicht sind's, die schändeten gräulich die Kirche,
    Wandelten ohne Scham sie für die Rosse zum Stall,
    Welche erbrachen den Raum, wo in Frieden die Heiligen schliefen.
    Acherontische Säue, ha, jene Wilden nur sind.
  1. Weißt Du die Vogelart, der Sarmaten=Volk zu vergleichen?
    Siehe, der Vogel beschmutzt scheußlich das eigene Nest.
  1. Feuer verzehrte Gnoien, Grevesmühlen, Sternberg und Lage,
    Gottes, des Richtenden, Zorn hat diese Schickung gebracht.
    So nur genügte es ihm, zum Feuer den Tod zu gesellen.
    Was die Flamme verschont, fraß noch das rächende Schwert.
  1. Bei dem Jammer in Füll', oh, scheide nur Du nicht vom Hause,
    Feurigstes Leben ist nichts ohne Dich, Leben ist Tod!
  1. Nicht um unser Verdienst - es sammelte unsere Sünde
    Keines - nur um Dein selbst schone uns, gütiger Gott!
  1. Besser ein schwacher Glaub' als keiner; denn wenn er beharret,
    Alles der schwache besitzt, keiner besitzet auch nichts.
  1. Meine Bücher dahin, gestohlen die prächtigen Bände!
    Aber das Lebensbuch konnte nicht stehlen der Dieb.
    Da ich noch lebe, so ist, ich bekenne es, nichts mir genommen.
    Alles ja nenne ich mein noch in dem einzigen Buch.
  1. Nahrung und Kleidung und sonst an Besitz, was meines ich nannte,
    Haben mir alles zur Stund' wilde Harpyien geraubt.
    Eins aber mochten sie nicht, nicht konnten sie's legen zur Beute -
    Jesum! Er mir doch blieb! Nichts sie mir nahmen hinweg.
    Er ist Nahrung und Kleid, mein Ein' und All' ist der Heiland.
    Siebenfach alles vermag wiederzugeben der Herr.
  1. Lage, das einst geschmückt mit dem Namen des muthigen Löwen, 1 ) Hegte in seinem Bezirk tapfere Männer voll Kraft.
    Hasenstadt dürfte hinfort sein richtiger Name wohl lauten.
    Kaum noch Hasen an Furcht birgt es, wenn auch nicht an Brauch (usu).
  1. Wie wenn unter den Druck der Kelter die Traube gefüget,
    Aus dem herrlichen Saft wird uns der mundende Wein,
    Also unter dem Druck der traurigsten Zeiten die Kirche
    Lieget, und siehe, es strömt Wein der Gebete hervor.

1) Lawe von Löwe, Lage von λαγός.
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Eine Probe nur wollte ich geben, wie Erasmus, welcher die Noth die er mit eignen Augen schaute, gewiß nicht übertrieb, seine Last trug. Mit welchem Glaubensmuth, mit welcher Fröhlichkeit im Leiden versteht er sich und die Seinen immer wieder aufzurichten. Der durchblitzende Humor läßt auf seine Gemüthsverfassung schließen. Solcher Mann war gewiß im Staude, seiner Gemeinde, die verzweiflungsvoll auf die Trümmer starrte, neuen, kräftigen Geist wieder einzuhauchen. Zugleich erkennen wir den Schwung seiner Gedanken und die Gewandtheit seiner Feder. 1 )

Abermals ging es ans Arbeiten und Bestellen, Sammeln und Aufbauen. Jämmerlicher wohnte damals der Erste in der Stadt, als jetzt ein Arbeitsmann, eng zusammengedrängt mußten die Familien leben; der Pastor war froh, wenn er für sich und seine sich mehrende Familie endlich zwei Stuben hatte, darin zu schlafen und zu wohnen. Mit welcher Freude wohl damals eine Hausfrau ein im langen Winter selbstgesponnenes und gewebtes Stück Leinen betrachtete, ein Bettbezug war Luxus, gar ein Federbett ein besonders bemerkenswerthes und zu hütendes Besitzstück. Was man so mühsam und stückweise anschafite, mußte man mit Aengstlichkeit bewahren, denn wem sollte man trauen? Auf den Landstraßen begegnete man gar oft entlassenen Soldaten, die als erwerbsloses Gesindel die Gegend unsicher machten, das Diebshandwerk mit seinen vielen Kniffen aus dem Grunde kannten und vor dem Morde aus Gewohnheit nicht zurückschreckten. Gegen sie schützten die rasch aufgebauten Häuser wenig, eine Lehmwand war bald durchbrochen, der Einbrecher brauchte sich gar nicht erst mit dem hölzernen Riegel zu befassen. Darum verfiel man auf den Ausweg, alles Wertvolle an dem Orte aufzubewahren, der verhältnißmäßig noch am besten geschützt werden konnte und am meisten unter Aufsicht stand, das war das


1) Um von der Gewandtheit seiner Feder noch einen Beweis zu liefern, der zugleich seinen hübschen Humor offenbart, will ich hier einen kurzen Brief wiedergeben, den er später einmal an den Superintendenten zu seiner Rechtfertigung schrieb: "Großgünstiger Herr Superintendent, hochwerter Gönner! Daß Jemand nostri ordinis sei, der sich wegen eines im höchsten Nothfalle von mir getauften adeligen Kindes beschwere und was ich damals bekommen und mit nach Hause genommen, haben wolle, habe ich erfahren. Gebe zur Nachricht, daß ich ganz und gar nichts, als einen gewaltigen Schnupfen mit mir nach Hause gebracht und bis dato annoch in voriger voller Quantität bei mir trage; dünket nun bewußter Person, mir solches Accidens nicht länger zu lassen, so sende er mir sattsame Quittung darüber, alsdann will ich, wenn es thunlich, mit der Lieferung unsäumig erfunden werden. Lebet wohl und bewahret eure Gunst" u. s. w.
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wieder hergestellte Chor der Kirche; ein Gotteshaus sah selbst der Aberglauben damals mit besonderer Scheu an. Man packte also alle Habe, die die Diebe reizen konnte, dorthin weg, theils auf das Gewölbe hinauf, theils in die Ecken beim Altar herum. Kisten, Laden und Säcke mit Brod, Fleisch, Würsten, Korn, Kleidungsstücken, Betten standen und lagen dort im seltsamen Verein; der Küster Fischer allein hatte den Schlüssel, Niemand konnte ohne seine Aufsicht oder Begleitung etwas holen.

Bald häuften sich trotz dieser Vorsicht die Klagen über Diebereien, die so ausgeführt waren, daß meistens nicht der ganze Inhalt eines Behälters ausgeraubt war, sondern nur ein Theil. Jemand hatte 30 große Brote im Sack gehabt, 10 waren gestohlen, von einem Bette fehlte der Pfühl, von 5 Faß Roggen blieben 3 übrig u. s. w. Zunächst machte Erasmus die einzelnen ihm gemeldeten Diebstähle von der Kanzel bekannt, und schwer abzusetzende Stücke wurden dann wohl dem Besitzer wieder vor die Thür gelegt. Einzelne stellten sodann den Küster direct zur Rede. Er wurde gegen Schwächere sehr grob, daß sie geängstigt schwiegen; wer sich nicht verblüffen ließ, fand unvermuthet das Gestohlene in der Kirche in fremden Säcken wieder. Natürlich kam man so schnell auf den Verdacht, daß der Küster mit seiner Frau in der schamlosesten Weise das Vertrauen gebrochen und die seinem Schutze anvertrauten Gegenstände gestohlen habe. Erasmus schritt gegen ihn ein und schloß ihn zunächst öffentlich vom Abendmahl aus. Der Küster stürzte darauf wutentbrannt auf den Pfarrhof und drohte, sich an dem Pastor thätlich zu vergreifen, schien doch das Faustrecht damals noch immer das Sicherste. Darüber kam des Pastors Frau zu und rief den Knecht; der Spieß wurde umgedreht, und der Küster lud gründlich auf. Um das Schauspiel vollständig zu machen, kam die Küsterfrau dem Manne zu Hülfe und konnte ihm insofern wenigstens Beistand leisten, als sie, freilich mit energischem Widerstreben, die durch des Pastors Gesinde freigebig ertheilte Tracht Prügel zur Hälfte aufladen konnte. Dieses Handgemenge auf dem Pfarrhofe beschleunigte den Gang der Dinge. Der Küster machte sich unter dem Vorwande davon, den Vorgesetzten bei dem Ephorus in Güstrow zu verklagen, wurde aber durch den Stadtvogt unterwegs eingeholt und festgesetzt. Seine Sachen wurden alle mit Beschlag belegt, und auf eine unverschämte Beschwerde der Küsterin, die an den Herzog gelangte, wurde der Superintendent zur Untersuchung abgeordnet. Man stellte die Schuld und die Schuldigen fest. In 14 Fällen waren Werthstücke gestohlen, von denen das Wenigste zurückerstattet war:

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7 Bühren, 11 Laken, 9 Betttheile, 90 Ellen Leinen, Mäntel, Decken, Nahrungsmittel u. s. w. waren verloren. Diese Verluste trugen die Hausfrauen mit vielen Thränen, ein einziges Laken war ja damals mehr werth, als heute ein ganzes Dutzend. Der Küster, dieser "homo vitae integer, honestis parentibus ortus", wurde abgesetzt; Hans Wegner, ein Gärtner, wurde sein Nachfolger.

Bald fand Erasmus neue Veranlassung zu klagen, daß es Leute gebe, die ihre Kinder schlimmer als Hunde behandelten, mit Jedermann Streit begönnen, marschirenden oder streifenden Soldaten verriethen, wie sie den Einwohnern Schaden zufügen könnten, Gesinde, das im Vortheile des Herrn ihren Uebergrifien wehren wollte, prügelten. Sabbathschänden, Fluchen, Lästern und Aberglauben sind sehr im Schwange.

Unter diesen großen Aergernissen arbeitete Erasmus unverdrossen an seinen Bauten weiter und sorgte für Herausbildung guter Verhältnisse. Ein Schulhaus war schon 1653 gebaut und zum Glück nicht zerstört; in demselben wurde dem neu angestellten Cantor Johann Albert Riccius die Wohnung angewiesen. Im Sommer war die Schule geschlossen und die Kinder hüteten das Vieh, im Winter wurde täglich unterrichtet, und später, als der Andrang größer wurde, mußte der Küster zwei Stunden helfen; für die nächste Zeit wurde der Cantor allerdings noch allein mit seiner Arbeit fertig. Ein langer Tisch mit zwei Bänken genügte reichlich für die Schülerzahl. Am Sonntag hielt der Cantor die Nachmittags=Predigten, zur andern Zeit leitete er den Kirchengesang, dazu hielt er an den Wochentagen täglich 4 Stunden Schule. Er unterwies im Katechismus, Beten, Lesen, Schreiben, Rechnen und Latein. Für das Predigen erhielt er 16 Gulden, sogenanntes Tischgeld 16 Gulden, für jedes Kind pro Quartal 9 ßl., Accidentien wenig, Naturalien an Mettwürsten und Ostereiern, Kornlieferungen; er bebaute 2 Morgen Acker und einen Garten. Holz zum Heizen der Schulstube mußten die Kinder mitbringen. So nährte sich damals die Cantorfamilie, bis das Glück gut war und eine Pfarre sie aufnahm. - Die Küsterei wurde 1662 erbaut, bestehend in Stube, Schlafkammer mit Lehmdiele und Kuhstall. Wir dürfen uns nicht vorstellen, daß die Gebäude damals nur annähernd unsern heutigen Anforderungen entsprechen würden. Das Pfarrhaus enthielt doch schon eine Wohnstube, eine Studierstube (mit Eisengittern!), zwei Schlafkammern ohne Oefen und eine allerdings große, aber schornsteinlose Küche, dazu eine Mädchenkammer. "Wiewohl ich ungern mehr baue, denn mir grauet für allem Bauen, muß ich doch umb einen Schornstein anhalten, damit nicht meine Kinder in ihrer

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zarten Jugend der Prillen gebrauchen müssen," schreibt einmal Erasmus. Dach und Wände der Wedeme mußte die Stadt, die Zäune das Land erhalten. Beim Pfarrhause am Wall lag die Pfarrscheune.

Endlich nach langem Sehnen, Sorgen und Arbeiten kam auch der höchst nöthige und freilich ziemlich theure Kirchenausbau zu Stande. Wie oben angegeben, hatte das Nothjahr 1659 alle Baupläne zerschlagen. 1661 hob Erasmus mit seinen Bitten wieder an, 1663 kam eine Kirchenvisitation, und die Kommissarien: Superintendent Daniel Janus, Pastor Joachim Albinus, Rathsherr Winhold Dinggraf, Landrath von Lehsten, hatten vom Herzog den Befehl, auf den Kirchenbau vor allem ihr Augenmerk zu richten. Abermals wurde der Pastor einem Colloquium unterworfen, die Gemeinde aus dem Katechismus examinirt, zunächst die Kinder, dann die Erwachsenen, endlich die Alten und die Hauswirthe. "Darunter viel woll bestanden, die Trägen sind ernstlich ermahnt, ihr Christentumb woll zu beobachten." Der Pastor sollte in Zukunft Niemanden zur Copulation und zum Nachtmahl lassen, der nicht den Katechismus wohl wüßte und verstände. Sodann wurde die Gemeinde über den Pastor gefragt, keiner hatte zu klagen, umgekehrt aber mußte Erasmus manches Trübe berichten. Eine Unsitte, die sich viel verbreitet fand, wurde nachdrücklich abgestellt. "Die Pfingstgilde, nach der Scheibe zu schießen, soll vermöge Ihr. fürstl. Durchlaucht Coustitution abgeschafft werden." (Dieselbe ist nicht mit der sog. Schützenzunft zu verwechseln, die im ersten Jahrzehnt des nächsten Jahrhunderts sich aufthat). Die Leute suchten die schlimmen Zeiten thunlichst durch Ausnutzung jeder Gelegenheit zu Trinkgelagen zu vergessen. Solche Pfingstgilde feierte gerne eine ganze Woche.

Am Nachdrücklichsten nahmen sich, dem Auftrage gemäß, die Visitatoren des Kirchenbaues an; sie fanden in dem Chor einen steinernen Altar und über ihm einen schmalen Schülerchor, einen alten Predigtstuhl und beim Altar einen Beichtstuhl (nicht mit der Sakristei zu verwechseln, vielmehr den altlutherischen Beichtstuhl, den der Pietismus später verdrängte). In die Trümmer des Schiffs hinein führte die Thür, und die Leute, die zu spät kamen, um noch Platz im Chor zu finden, mußten demnach im Schutt stehen. Auf dem Kirchhofe stand ein Glockenstuhl, in dem eine vom Amte Stavenhagen entliehene Glocke hing, eine kleine Klingglocke war durch das Wetter zerschlagen; dagegen gab es eine Uhr. Die Eingepfarrten erklärten sich zu manchen Opfern bereit, aber

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eine wesentliche Förderung erhielt der Bau erst durch den Besuch des Herzogs Gustav Adolf von Güstrow am 10. März 1665. Er kam mit seiner Gemahlin und großem Gefolge von Räthen und Hofleuten und besichtigte die Stadt genau. Ueberall erkannte er des Pastors Fürsorge, und bei dem von ihm angelegten Lust= und Baumgarten sprach er vor Allen mit Nachdruck zu ihm: "Herr Pastor, der einmal nach ihm kommt und erkennt nicht, daß ihm vorgearbeitet sei, der ist nicht werth, daß er in seine Arbeit kommen soll." Von dieser Zeit an wurde eifrig an der Kirche gearbeitet. Aber das junge Werk sollte nicht ohne häßlichen Streit, der des Adels Sitten in damaliger Zeit charakterisirt, gefördert werden. Sobald es anging, hatte nach dem Kriege Valentin v. Vieregge zu Barentin einen großen Stuhl im Chor der Kirche erbaut, in welchem sämmtliche Adelige ihren Stand nahmen. Später begehrten nun der Wardower Hans Friedrich v. Lehsten und der Kobrower Rittmeister v. Plüskow auch ihrerseits Stühle zu bauen, und da der Barentinsche Stuhl viel zu großen Raum einnahm im Verhältniß zu seinem frühern Platz, so mußte er gekürzt und verkleinert werden. In Barentin wohnte nach dem Tod des Valentin v. Vieregge dessen Schwiegersohn v. Pentz; derselbe bestand sehr trotzig, obgleich die alle Lage der Stühle vor dem Kriege durchaus klar war, darauf, daß sein Stuhl nicht geändert würde. Inzwischen hatte v. Plüskow seinen Kirchenstuhl zu Hause vom Tischler völlig fertig stellen lassen, und mit Genehmigung des Pastors ließ er nun von dem Barentinschen Stuhle soviel abschneiden, daß sein Stuhl Platz hatte, und sein Tischler machte sich an den Aufbau. Am dritten Tage kam v. Pentz in die Kirche, als grade der Präceptor aus Kobrow anwesend war. Heftig erbost legte er Hand an den neuen Stuhl, der Präceptor warnte ihn, worauf der trotzige Mann ihn mit dem Degen bedrohte und endlich vieles einriß und niedertrampelte, auch den Tischler fortschickte, indem er mit der Hand am Degen drohte, er solle gehen, sonst würde er ihm Beine machen. Da er die Füllung an der Altarseite nicht umstoßen konnte, eilte er zornglühend fort und holte eine Axt vom Müller. Inzwischen war aber die Stadt in Aufregung gekommen, und der Stadtvogt trat ihm an der Thüre entgegen, ihn warnend und die Schließung der Kirche veranlassend. Mit allen Ausflüchten konnte v. Pentz später, als eine fürstliche Commission zur Untersuchung kam, sich nicht rechtfertigen. Er mußte 300 Thlr. Strafe zahlen, v. Plüskow dagegen wegen eigenmächtigen Vorgehens 50 Thlr.; Erasmus, der gutmüthig dem Letztgenannten Vorschub geleistet hatte, erhielt einen Verweis.

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Endlich 1669 konnte der Pastor frohen Herzens berichten, daß die Restaurirung vollzogen sei und man nunmehr an den Ausbau des Thurmes denken müsse. Die Kanzel hatte dem Versprechen gemäß v. Plüskow geschenkt, über dem Altar war von Erasmus in lateinischen Versen die Passionsgeschichte beschrieben.

Wir sind mit unserer Darlegung an einem Abschnitte angelangt. Die Errichtung der geistlichen Gebäude bezeichnet zugleich, daß die Stadt aus Schutt und Asche entstanden ist. Doch mag es mir gestattet sein, zur Ergänzung noch ein Bild anzureihen, das zur Beleuchtung der Sitten damaliger Zeit nicht wertlos ist.

Es ist so fahl und häßlich, daß es sich gegenüber den Zeiten rohesten Mittelalters, die im blutrothen Schein des wildesten Fanatismus gefärbt sind, ja gegenüber den traurigsten Zeiten des großen Krieges noch grell abhebt. Ich ziele auf die Justiz=Verbrechen an jenen armen Weibspersonen, die das Volk im Aberglauben als die Buhlen des Teufels, als Hexen, bezeichnete. Die unglaublich harten Gemüther bedurften, wenn sie etwas erregen sollte, starker Reizmittel. Die schlimmen Zeiten, in denen der Glaube an den gütigen Gott in zunehmender Rohheit erstickt wurde, und das Entsetzliche, das man überall schaute, drängten den Gedanken an den gottfeindlichen Urheber des Bösen immer verstärkt den Menschen auf, und es errang, wie es meistens in den Zeiten des Abfalls zu gehen pflegt, der Aberglaube ein breites Feld. Die schaurige Gestalt des Höllenfürsten wurde fast volkstümlich. Da kamen die Hexenprocesse in Blüthe, und Tausende armer Weiber, die äußerlich irgendwie auffallend gezeichnet waren oder unvorsichtiger Weise der freilich bis zur heutigen Zeit unter dem weiblichen Geschlecht sehr verbreiteten Schwäche, dem Glauben an übernatürliche Kräfte und Mittel, zu sehr nachgaben, mußten auf dem Scheiterhaufen brennen, damit das Volk in dem aufsteigenden Qualm seinen eignen tiefen Fall verhüllen konnte. Je nachdrücklicher es sich wieder aufrichtete, umsomehr mußte es selbst vor solchem ungeheuren Frevel zurückschrecken. Bis dahin machen wir die unsagbar traurige Erfahrung, daß die allerbesten und treuesten Männer, die unermüdlich und thatkräftig ihre Nächstenliebe zu erweisen bemüht waren, leider grade auch auf dem Gebiete der Hexenprocesse eine große Thätigkeit entfalteten. Als Kinder der Zeit wollten sie ja grade den ärgsten Krebsschaden nachdrücklich ausbrennen und ihrem Volke den besten Dienst dadurch erweisen.

Im Jahre 1671 wurde in Lage ein Mann Namens Michael Moyses, offenbar ein Fremder, vielleicht ein Jude, aufgegriffen und der Zauberei angeklagt. Bald war sein Urteil beim Hofgericht

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fertig. Im Mai kam der Befehl vom Herzog Gustav Adolf zu Güstrow, daß der Pastor allen Fleiß anwende, damit der Angeklagte zur wahren Reue und Buße über seine große und abscheuliche Sünde gebracht werde, und darauf wurde derselbe in Lage verbrannt. Im Juli 1671 wurde Anna Holtzmann, Jochim Voet's Wittwe, dem Pastor Erasmus zur "Seelenkur" überwiesen und dann verbrannt. Im October waren zwei Weibspersonen, die Schrödersche und die Hoikendorffsche, wegen des abscheulichen Lasters der Zauberei in gefängliche Haft gerathen. "Wann denn dieselben solche Uebelthaten umbständtlich bekanndt und zugestanden und desfalls nunmehro dem Rechte nach abgestrafft werden sollen," so werden sie dem Pastor Erasmus "zur Seelenkur" überwiesen. Im November traf das Votum der Justizkanzlei über die Elisabeth Moltke (auch die Bülowsche genannt) ein, im December wurde Samuel Mellendorff's Wittwe, Anna Wilcke in Lage, wegen Zauberei durch Feuer vom Leben zum Tode gebracht.

Wie mit diesen armen Frauen umgegangen wurde, wie das ungeheuerliche Unheil zu Stande kam und wie die Angeklagten zum Geständniß ihrer Schuld gebracht wurden, beweist uns am besten der Fall der Anna Rohde, Peter Schmidt's Wittwe, die den Richtern von Mitte 1671 bis ins Jahr 1672 hinein zu schaffen machte, vielleicht nur, weil sie von etwas besserer Constitution war. Wegen Hexerei verdächtig, wird sie eingezogen, hat die Tortur bis zum dritten Grade bestanden und erklärt, daß sie von der Langeschen, als der Lehrmeisterin, das Hexen gelernt habe; am folgenden Tage widerruft sie und nennt statt der Lange einen Lehrmeister Jakob Rogge in Kavelstorf, auch bezüchtigt sie die Bülowsche (vgl. oben) anfänglich, widerruft in confrontatione und sagt, sie habe sie auf dem Blocksberge nicht gesehen. Als sie extra torturam befragt wird, lacht sie viel, und es fragt sich, ob turbata phantasia oder aus Spötterei oder Frechheit. Sie sagt, sie habe in Güte und gegen den Prediger nichts bekennen wollen, weil sie den Prediger nicht verstanden hätte. Man beschließt, sie noch einmal durch geistliches Zureden prüfen zu lassen, und zwar durch zwei Pastoren. Erasmus und sein Freund Hane in Recknitz beginnen ihre Seelenkur. Jetzt antwortet sie, sie habe von jenen drei früher bezeichneten Anstiftern, und zwar zu verschiedenen Zeiten gelernt; "die Mellendorffsche (siehe oben) hätte ja von ihr gewußt, aber sie selbst wüßte nicht, ob sie hexen könne, wiewohl sie einen Haufen böser Geister unter ihrem Bette in der Zeit ihres Gefängnisses gesehen habe. Sie wüßte nicht, ob sie gelacht hätte," lacht aber den Pastoren noch einmal ins Gesicht "unzweifelhaft auf des Satans An=

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trieb." So verfällt auch sie ihrem Schicksal, gegen das die arme, offenbar durch die Angst und Tortur um den Verstand gebrachte Wahnsinnige sich so beharrlich gewehrt hat. - Durch die Mellendorffsche ist sie angegeben, sie selbst nennt die Bülowsche, und wenn sie auch widerruft, so genügt doch ihre Anzeige, daß auch diese peinlich inquirirt wird. In der Angst und Noth, wo sie etwas bekennen soll und nicht kann, stößt sie vielleicht irgend einen Namen aus, der ihr einfällt, die Genannte ist verloren, denn je länger sie in der Tortur sich wehrt, umsomehr erschrecken die Richter über die Macht, die der Böse über sie hat. Daß aber die beiden Geistlichen, klar denkende, pflichttreue und warmherzige Männer, nicht den Weg zu ihrer Rettung finden konnten, beweist die tiefe geistige Noth jener Zeit.

Aufgefordert von Gustav Adolf, den Hergang des peinlichen Noth= und Halsgerichtes in Lage nebst den Ceremonien zu berichten, schreibt der Stadtvogt Hans Albrecht Bunkenburg folgendermaßen: "Ein Tisch wird unter dem blauen Himmel neben Stühle gesetzt, dabei ich neben zwei aus dem Rathe nebst dem Notarius sitze. Hebe ich an zu unserm Diener: "N. N., ist es Zeit anzufangen, daß ich das hochpeinliche Noth= und Halsgericht hegen kann?" Antwort der Diener: "Ja, Herr Richter!" So hege ich das hochpeinliche Noth= und Halsgericht im Namen der hochgelobten Dreifaltigkeiten und im Namen Ihrer hochfürstlichen Durchlaucht Gustav Adolfs, Herzogs zu Meklenburg, itzt unsers gnädigsten Fürsten und Herrn, auch wegen unseres Rathes und Städtchens Gerichts und Gerechtigkeit zum ersten Male. Diese Hegung wird dreimal gebraucht. Nach der Gerichtssitzung wird der Uebelthäter vor den Tisch los durch unsern Diener geführt, werden also die Artikul, jeglicher allein, darauf der Uebelthäter vorher bekannt, nochmalen vorgelesen, ob sie dem noch beständig, was sie vorher bekannt, verblieben; wenn das geschieht, wird das Urteil gelesen öffentlich, so daß ein Jeglicher höret, was für eine Strafe der Uebelthäter, nach Urtheil und Recht erkannt, leiden soll; wird also der Scharfrichter gefordert: "Meister N. N., ihr habt gehört, was ein Urtheil erkannt, also nämlich mit dieser Strafe vom Leben zum Tode sollt bringen, und befehlen wir euch hiermit den Uebelthäter aus unserm Gericht, und nehmet ihn in euer Gericht und thut, was das Urtheil im Munde." So nimmt ihn des Scharfrichters Knecht, bindet ihn, und der Pastor tritt herzu, gehen also nach dem Gericht, da dann der Uebelthäter seinen Lohn empfängt, nichts mehr."

Am 4. März 1679 starb Pastor Erasmus; seine erste Frau hatte er zwölf Jahre zuvor verloren und sich mit einer Wittwe,

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Catharina Schulz, geb. Hinzpeter, abermals verheirathet. Er schrieb bei Lebzeiten selbst noch eine Grabschrift für den Stein, unter dem er mit seiner Gattin ruhen wollte, und wurde in der Kirche am Altare beigesetzt. Die Grabschrift lautet:

Par erat, haud impar Catharina, Erasmus amore;
Atque sub hoc saxo par habet urna pares.
Celsa fides animas nitida sub astra levavit,
Corpora, quae fuerant terrea, terra fovet.

Der Grabstein liegt noch jetzt, seitdem die Gräber in der Kirche bei der Restaurirung derselben in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts zugeschüttet wurden, damit der Boden mit Fliesen belegt würde, auf der Stufe am Südportal, und allsonntäglich schreiten achtlos die Kirchgänger darüber hinweg, ohne zu bedenken, daß ihr Fuß auf den Grabstein eines Mannes tritt, der in der Zeit der schwersten Noth der Gemeinde festeste Stütze gewesen ist. 1 )

Selbständige Wirtschaften im Jahre 1677.
Bürgermeister Heinrich Lindemann.
" Daniel Bölckow.
Ratsherr Gerhard Zurow.
" Hans Gadewals.
Franz Albrecht Bunkenburg.
Dethlof Meußling.
Heinrich Holzmann.
Peter Bölckow.
David Speck.
Christoph Schröder.
Klaus Kressin.
Jochim Voigt.
Hans Finck.
Heinrich Plagmann.
Jochim Garmatz.
Jürgen Krützendorff.
Michel Getzmann.
Peter Kampmann.
Jürgen Hübbe.
Johann Bürding.
Hans Schall.
Johann Wulfrath.
Michel Schröder.
Wittwe Brennersche.
Hans Mausfeldt.
Peter Becker.
David Damm.
Hans Behrens.
Hans Bülow.
Klaus Gadewals.
Jochim Röpcke.
Peter Husen.
Möller's Wittwe.
Hans Wulf.
Klaus Kayser.
Wittwe Wulfsche.
Hans Teschendorff.
Karsten Siems.

1) Es ist inzwischen nach gegebener Anregung der Stein ausgehoben und in der Kirche an passender Stelle angebracht.
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Wittwe Russowsche.
Wittwe Rüsche.
Johann Mecklenburg.
Wittwe Ahrendsche.
Klaus Lilienfot. Von diesem existirt ein Contract aus dem Jahre 1669, in welchem er mit seiner Marke unterzeichnet, der einzigen mir aus Lage bekannt gewordenen.
Bernhard Glose.
Wittwe Schrödersche.
Hans Glose.
Wilhelm Saß.
Hausmarke
(Fortsetzung folgt.)