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VIII.

Wallenstein

und

die Stadt Rostock


Ein Beitrag zur Specialgeschichte des 30jährigen Krieges.

Von

Dr. Wilhelm Rogge
(† 31. Jan. 1882).


I. Einleitung.

I m Laufe des 15. Jahrhunderts hatte Rostocks politische Größe ihren Höhepunkt erreicht. Mit den Händeln wegen des von den Landesherren errichteten Domstifts zu St. Jacob beginnt aber die Zeit des Verfalls. Wohl war früher der aristokratische Rath mit den demokratischen Elementen der Zünfte wiederholt in erbitterte Kämpfe gerathen; doch war weder die eine noch die andere Partei völlig besiegt worden, noch hatten diese Streitigkeiten zu einer dauernden und nachdrücklichen Befestigung der landesherrlichen Macht in der Stadt geführt. Die Domhändel dagegen endeten mit einer Niederlage der Stadt. Der blutige Volksaufstand vom 16. Jan. 1487 gegen die katholische Priesterschaft, in welchem der Dompropst erschlagen wurde, war der Anfang derselben. Im Jahre 1491 endigten sie mit der Enthauptung der demokratischen Führer Hans Runge, Berend Wartenberg u. a. Die Stadt war in dem fünfjährigen Kriege materiell geschwächt worden, Rath und Bürgerschaft mußten "mit enem Knee vp de Erde rörende" vor

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dem Thore den Herzogen Abbitte thun und eine Geldbuße von 21,000 Gulden erlegen. 1 )

Der Handel war die Lebensquelle der Stadt. Es gab zahlreiche Kaufmannsgilden, von denen jede ihr besonderes Gelag hatte, in welchem sie ihre Zusammenkünfte hielt: die Rigafahrergesellschaft mit dem Gelag in der Kosfelderstraße, die Wiekfahrer, die Bergenfahrer, die Schonenfahrer, deren Gelag an der Südseite der gr. Bäckerstraße lag; Flandernfahrer, Landskronafahrer, Spanienfahrer. Diese Gesellschaften bildeten zugleich kirchliche Brüderschaften. Der größte Theil war in der Marienkirche eingepfarrt, wo sie ihre besonderen Meßaltäre hatten. Rostock handelte mit Leinen, Tuch, Salz, Korn, Mehl, Hopfen, Bier, Vieh, Holz, gesalzenen Fischen, Fleisch, Eisen. Nach Schweden allein sollen jährlich 400,000 Tonnen Bier verschifft worden sein.

Aber auch der Handel, bisher durch alte und zahlreiche Privilegien der nordischen Könige geschützt, war im Abnehmen begriffen. Die neuen Bahnen, welche der Welthandel im 16. Jahrhundert einschlug, und das gleichzeitige Bemühen des europäischen Nordens, sich von der Vormundschaft der Hansa zu befreien, schädigten die Handelsinteressen der wendischen Städte. Schon 1476 war eine Zeit lang eine Accise auf das Bier der wendischen Hansa gelegt; der i. J. 1490 abgeschlossene englisch=nordische Handelsvertrag war den Interessen der Hanseaten höchst nachtheilig.

Bald erneuerten sich in Rostock die Kämpfe zwischen Rath und Bürgerschaft wegen der Theilnahme an den dänischen Reichshändeln und den dabei aufgewandten Kosten. Diese führten 1533 zu einem Siege der Demokratie, welche neue Sechsziger ernannte und die Bestätigung des großen Freiheitsbriefes vom Jahre 1428 ertrotzte. 2 ) Die folgenden Streitigkeiten in den Jahren 1557 u. 58 mit den Landesherren, welche aus Kirchenangelegenheiten entstanden, brachten neue Niederlagen, die wiederum große Geldbußen verursachten. 3 ) Und endlich führten die im Jahre 1562 ausbrechenden innern Unruhen und ein Streit mit den Landesfürsten, der hauptsächlich wegen des Antheiles der Stadt zur Abtragung der landesherrlichen Schulden entstand, außerdem aber noch die Hochschule und die Beibehaltung einer vom Rath eigenmächtig ein=


1) Die Urk. des Vergleichs d. d. Wismar 1491, Mai 20, bei Franck, A. u. N. Meklb. VIII, S. 245.
2) Franck, A. u. N. M. IX, 174; Rudloff, Mekl. Gesch. Bd. III, 88.
3) Rudloff a. a. O. III, S. 157 ff.
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geführten Malz =Accise betraf, zum Erbvertrag von 1573. 1 ) Durch diesen ward das Verhältniß der Stadt zu den Landesherren geordnet. Hatten diese bisher, da die Stadt von ihren Vorfahren ihres Reichthums wegen durch Hoheitsrechte und Privilegien so begnadigt worden, daß sie selbst wenig in ihr zu sagen hatten, daselbst nur ein "Schattenrecht" besessen, so mußte die Stadt nun ihre "Erbunterthänigkeit", die Landeshoheit und Obergerichtsbarkeit der Herzoge anerkennen. In Folge dessen war sie verpflichtet, diesen zum Kriegsdienste 400 Mann zu stellen, außerdem zur Uebernahme öffentlicher Lasten, der allgemeinen Landhülfe nach Uebereinkunft mit der Landschaft, zum Erscheinen auf Landtagen u. s. w. Dagegen wurden von Seiten der Herzoge die Privilegien der Stadt erneuert und bestätigt.

Trotz dieser Demüthigungen war der Stolz der Bürger und das Ansehen, in welchem die Stadt bei ihren Nachbarn stand, beim Beginn des 17. Jahrhunderts immer noch bedeutend. Namentlich war es der Ruf ihrer Universität, die recht eigentlich als die Hochschule des Hansabundes angesehen werden kann, welcher um diese Zeit von Neuem ihren Ruhm über die Landesgrenzen hinaus verbreitete. Zahlreiche Lübeker und Hamburger machten ihre Studien daselbst. Aus den östlichen Gegenden, aus Stettin, Danzig und Königsberg, strömten die Studirenden herbei, um auf der Academia Rosarum ihren Studien obzuliegen. Hanseatische Gelehrte wurden in Rostock zu Professoren gewählt, während Rostocker in den Hansestädten als geachtete Prediger, Rechtsgelehrte, Aerzte und Schulmänner wirkten.

Ueber den Sittenzustand jener Zeit giebt ein Rostocker Tagebuch 2 ) von 1600 - 1625 genügenden Aufschluß. Aeußerlich präsentirte sich die Stadt nicht unansehnlich. Sie zählte vor dem 30jährigen Kriege 241 Brauhäuser, 489 große Giebelhäuser, 1296 Buden, 119 Kellerbuden, 75 Querhäuser, 80 Säle, 1082 Dönsken=(Stuben =) Keller und 324 gemeine Wohnkeller, also zusammen 2101 Häuser und Buden und 1605 Keller, Kellerbuden und Säle. Die Saalwohnungen wurden meistens von Studenten bewohnt. Die großen Brauhäuser mit ihren gothischen Giebeln befanden sich größtentheils in den nach dem Strande führenden Hauptstraßen.


1) Die wegen des herzoglichen Festungsbaues an den Kaiser geschickten Gesandten hatten die Schulden der Stadt bis zu 400,000 Gulden vermehrt. Rudloff a. a. O. S. 172 fg., 180 fg.
2) Abgedr. in: Neue wöchentl. Rost. Nachr. und Anz., Jahrg. 1841, Nr. 66 fg.
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In der Kosfelderstraße, wo sich allein 25 Brauhäuser befanden, lag das Wieker=Gelag der Brauercompagnie.

Rostocker Bier war in Dänemark noch immer das beliebteste Getränk bei Gastmählern; aber am 16. Februar 1621 erließ König Christian IV., um die einheimische Brauerei zu heben, eine Verordnung, durch welche ein hoher Zoll auf das Rostocker Bier gelegt wurde. Hierdurch ward Rostock viel Nahrung entzogen. Auf Anhalten der Brauer schickte der Rath am 5. Sept. den Bürgermeister Joachim Schütte und die Rathsherren Dr. Th. Lindemann und Joh. Luttermann, welche mit Fürschriften der Königin Sophia, des Bruders des Königs, Herzogs Ulrich (zu Bützow), des Herzogs Johann Albrecht und der meklenburgischen Ritterschaft versehen waren, an den König nach Kopenhagen. Sie hatten am 18. Audienz im Schlosse beim Reichsrath; aber dieser ertheilte ihnen im Namen des Königs eine abschlägige Antwort.

Nachfolgendes Verzeichniß der Stadtgüter, von Wengiersky 1628 entworfen, zeigt uns, wie bedeutend der Grundbesitz Rostocks beim Beginn des Krieges war. Aus denselben bezog es seine Einkünfte.

Bürgermeisterhöfe:

Stove, Sildemow.

Stadtgüter:

Willershagen.
Rövershagen.
Wulfshagen.
Voigtshagen.
Volkenshagen.
Gr. Kusssewitz.
Kl. Kussewitz.
Alberstorf.
Bentwisch.
Bartelsdorf.
Rickthal.
Kassebohm.
Kessin.
Hohen Schwarfs.
Beselin.
Ikendorf.
Broderdorf.
Göldenitz.
Zum Hofe.

Hospitalgüter:

St. Georg. Heil. Geist.
Lüsewitz.
Göldenitz, Hof u. Dorf.
Schlage, Dorf.
Hove, Dorf.
Niendorf.
Dietrichshagen.
Elmenhorst.
Grawetop.
Dalwitz, Hof u. Mühle.
Dierkow.
Barnstorf.
Bramow.
Gr. Klein.
Gr. Schwaß.
Lütten Stove.
Voigtshagen.
Dierkow.
Bentwisch.

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Was die Wehrverfassung der Stadt betrifft, so zählte sie um 1620 ungefähr 6000 waffenfähige Bürger. Dieselben waren jedoch nicht mehr jene abgehärteten und kriegstüchtigen Männer, welche Lanze und Armbrust ebenso gut wie Elle und Bügeleisen zu führen verstanden. Der Wohlstand und die lange Ruhe hatten friedliebende Herzen erzeugt. Die Schützengesellschaften, in denen das Waffenhandwerk fortgeübt wurde, vernachlässigte der Rath. 1607 hatten diese Gesellschaften noch keine obrigkeitliche Anerkennung gefunden und kamen deshalb schriftlich beim Rathe ein. Es heißt in der Eingabe 1 ) u. a.:

"Wir können aber E. E. u. Hochw. klagend nicht verhalten, daß uns solch für undenklichen Jahren verordnete Gewandt nun etliche Jahr nicht allein entzogen, sondern auch dasjenige, darumb wir abgelaufene etliche Jahr aus Erlaubniß E. E. Raths geschossen, aus unsrem Seckel zu bezahlen uns uffgedrungen wird. Und aber E. E. Hochw. Rath, als eine löbliche Obrigkeit, über alle wohlangeordnete Gebräuche und Zusagen festiglich zu halten und, was zu der Stadt Ehr und Ruhm gereicht, lieber zu= als abzubringen pflegen, wird vernünftiglich erachten, daß solche Uebung im Schießen, bevoraus in diesen gefährlichen Zeiten, sehr nöthig, dann auch die Bürgerschaft sich daher mit guten Büchsen versorgen und zu der Stadt bringen wird. Da auch sonsten wohl gefunden worden solche, die im Falle der Noth nicht ein Rohr abschießen konnten und so Freunde als Feinde verletzten, und solch Gewandt der Stadt zu geringem Schaden, ja vielmehr zu großem Vortheil gereicht; angesehen, da über alle gefaßte Hoffnung solch von Alters uns vermachtes Gewandt sollte entzogen werden, wir nicht allein das Schießen ganz angeben müssen, dadurch denn die Gewehr und sonderlich die Büchsen ganz von der Stadt gebracht."

Um diese Zeit bestanden 3 Schützengilden, 1) die Krämer=Compagnie, 2) die Schützencompagnie der Stadtjunker oder des Wieker=Gelages, 3) die Schützencompagnie des Wokrenter=Gelages; hierzu gehörten auch die Tuchhändler, Seiden= und Gewürzkrämer. 2 ) Im Laufe des 30jährigen Krieges wurde das Vogelschießen aber gänzlich eingestellt.

Die Unterdrückung der Protestanten in den kaiserlichen Erbländern, sowie die Grenzverletzungen der Spanier, von denen Deutschland während 30 Jahre seit den niederländischen Befreiungskriegen heimgesucht wurde, hatten in den evangelischen Ständen zwischen Rhein und Elbe die Befürchtung wachgerufen, daß das nordwestliche Deutschland zuerst dem katholischen Angriff ausgesetzt sein werde. Dies veranlaßte auch den Rath zu Rostock, mehr auf


1) Rost. Nachr., Jahrg. 1838, Nr. 33.
2) Ueber den Ständeunterschied derselben vgl. Rost. Nachr., Jahrg. 1838, Nr. 14.
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die Vertheidigung der Stadt bedacht zu sein. Wir werden an einer andern Stelle zeigen, wie Rostock gemeinschaftlich mit den übrigen Hansestädten Ingenieure zum Bau der Festungswerke annahm. Gleichzeitig (1620) zog der Rath einen holländischen Capitain Thomas Kars in seinen Dienst, der die Bürger einexerciren sollte. Seine Vorschläge waren folgende:

Die Stadt sollte in 20 Fahnen eingetheilt werden, die vier Bürgermeister sollten als Oberste je 5 Fahnen commandiren. Die Fahne zählte 300 Mann, mit 3 Sergeanten, 6 Corporalen und 30 Gefreiten. Diese Fahnen sollten bei einer Belagerung auf die Wälle vertheilt werden, so daß der Raum von einem Rondeel zum andern mit je einer Fahne besetzt würde, ebenso die Rondeele selbst mit 1 Fahne. An schwächeren Stellen, z. B. am Zwinger, sollten 2. Fahnen placirt werden. Dagegen glaubte man den vom Wasser geschützten Strand vom Fischer= bis zum Petrithor mit 2 Fahnen vertheidigen zu können. Diese wollte der Capitain selbst commandiren. Ob man dagegen das unbewaffnete Volk an dieser Stelle, und die 2 Fähnlein sonst im Nothfall an andern Oertern aufstelle, möchte man bedenken, weil man dieselben als Reserve gebrauchen müsse. Es wäre dies auch außerdem gut, damit der Feind die Zahl der Bürger nicht in Erfahrung brächte. Aus eben den Gründen möge man die unbewaffneten Bürger bei den Stücken und Artillerie verwenden; diejenigen aber, welche noch etwas "bewehrt" seien, müßte man unter das beste Volk stecken. Zudem könne auch das unbewehrte Volk den Constablern helfen die Stücke laden und anfahren, auch Holz und Bretter herbeischaffen. Ferner sollten im Innern der Stadt auf dem Hopfenmarkt 3, auf dem Neumarkt 2 und auf dem Altmarkt 1 Fähnlein als Reserve placirt und im Nothfall auf den Wall geworfen werden. Außerdem sei ihre Verwendung bei Verrath, Feuersnoth und Aufruhr nothwendig.

Die Disciplin betreffend, so soll ein Bürger, der nicht erscheint, auf die Anzeige des Officiers, unter dessen Fahne er steht, entsprechend bestraft werden. Im Falle ein starkes Vergehen stattfindet, soll er mit einer Geldstrafe belegt werden, von der die eine Hälfte dem Armenhause, die andere den Officieren zugewiesen wird. Wenn ein Bürger den Posten verläßt, so soll der Officier ihn nach Gutdünken strafen; ist aber das Vergehen so groß, daß der betreffende Capitain allein die Sache nicht auf sich nehmen will, so soll ein Kriegsgericht gehalten werden.

Der Rath solle ferner Commissarien ernennen, die die Bürgerschaft musterten. Einige könnten das Zeughaus beaufsichtigen, einige die Lieferung von Pulver und Blei übernehmen, einige bei

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der Artillerie und den Geschützen, einige bei den Batterien und Constablern die nöthigen Befehle ertheilen.

Recht ernstlich scheint man jedoch auch jetzt noch nicht zu Werke gegangen zu sein; es blieb bei Waffenvisitationen und Musterungen der Bürgerschaft. Der Capitain beschwert sich, daß er in den zwei Jahren, die er hier sei, so wenig zu thun habe, und bittet den Rath, die Augen aufzuthun, so lange es noch Zeit sei. Er trat deshalb bald darauf in Wallensteins Dienste.

Im August 1625 ist die Stadt in 18 Theile oder Fahnen mit je 1 Capitain, 1 Lieutenant, 1 Fähndrich, 1 Sergeant, 4 Corporalen und 4 Gefreiten eingetheilt werden. Sie besaß einen eignen Büchsenmeister, Schwertfeger und Harnischmacher; auch Geschützgießer wurden angenommen. Gleichzeitig warb Rostock Söldner an. Die Gelder hierzu wurden durch Contribution, s. g. Soldatengelder, beigetrieben. Bei einer solchen Werbung wurde unter Trommelschlag Folgendes öffentlich ausgerufen: "Also, liebe Soldaten, so jemand vorhanden ist, der Lust und Liebe hat der Stadt Rostock zu dienen, der wolle sich auf dem Rathhause bei der Kasten angeben, der soll gut Geld entfangen."

"Ein Anders, wann sie convociret werden:" "Also, ihr liebe Soldaten und Kriegsleute, wer der Herrn Geld entfangen hat, der soll morgen vmb 6 Uhr mit sein Vnter= vnd Obergewehr vor des Capitains Thueren sein, bei Leibes= und Lebensstrafe vnd Verlust seiner Gewehr."

Der "Aufruf zur Musterung" lautete: "Also, ihr Bürger vnd Einwohner, ein Ehrbar Rahtt lest anzeigen, das ein Jeder seine Rüstung, Wehr und Wapffen fertigk haben sol, also, wan die Trummel zum andern mahl gerühret wird, daß er zur Musterung gefaßt vnd fertig erscheinen konne, bei strafe des Raths."

Der Fahneneid wurde in Gegenwart dreier Bürgermeister und mehrerer Rathsmitglieder auf dem Rondeel vor dem Mühlenthor geleistet. Nachdem die Soldaten einen Kreis geschlossen, wurde ihnen von dem Stadtregistrator Daniel Braun der Artikelsbrief vorgelesen, worauf sie gleichzeitig den Eid ablegten. Der worthabende Bürgermeister Schütte ermahnte sie alle fleißig, Eid und Artikelsbrief zu halten, und wünschte ihnen Glück und Heil. -

Bevor die Drangsale des Krieges über Rostock hereinbrachen, wurde es durch ein anderes großes Unglück heimgesucht. Der im Jahre 1624 in der Stadt ausbrechenden Pest, in Folge deren Rostock von allem Verkehr mit den Nachbarn ausgeschlossen, und

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die schon herrschende Theurung noch größer wurde, folgte am 20. und 21. Februar 1625, bei einem starken Nordost, eine Sturmfluth, deren Höhe in Warnemünde 12, und in Rostock am Mönchenthore 8 Fuß betrug. Der Schade an Schiffen, Häusern und Gärten war sehr groß; in Warnemünde allein wurden von den 150 Häusern, aus denen der Ort bestand, 74 stark beschädigt und 18 völlig von den Fluthen fortgerissen. Dies Unglück wurde von den Zeitgenossen als Strafe Gottes und als die Vorboten des herannahenden Krieges gedeutet. Die Wasserfluth war ihnen Vorbild der späteren Ueberschwemmung durch die fremden Kriegsvölker und der kommenden Verwüstung.

II. Husans Gesandtschaft.

Die Rostocker wünschten ohne Zweifel den Frieden, bei welchem der Handel blühte; das Handelsinteresse überwog den Eifer für den Protestantismus. Wie auch die meklenburgische Ritterschaft, mißbilligten sie es, daß die Herzoge Adolf Friedrich und Johann Albrecht sich dem König Christian IV. von Dänemark, als dem Kreisobersten, 1625 zur Defension des Niedersächsischen Kreises gegen Tilly anschlossen. Aus diesem Grunde wurden die 400 Mann nebst Rüstwagen und zwei Falconetlein, die Rostock erbvertragsmäßig stellen mußte, verweigert, als dieselben 1625 von den Herzogen zum Schutze der Landesgrenzen aufgeboten wurden, und erst auf Bedrohen mit dem Verlust ihrer Privilegien sandten sie dieselben unter Protest nach Grabow und Dömitz. Vergebens wurden sie im Februar 1626 ersucht, ihre Soldatesca dem König von Dänemark zu überlassen; auch auf das Ersuchen des Königs Gustav Adolf von Schweden, zum polnischen Kriege ihm geworbene Mannschaften abzustehen, gingen sie nicht ein; und nur widerwillig, in Rücksicht auf ihren Handel, gestatteten sie (den kaiserlichen Patenten entgegen) dem schwedischen Geh. Rath Ritter Rasche und dem schwedischen Commissarius Fegräus einige Monate hindurch in den Rostocker Stadtgütern ihren Laufplatz zu halten, um dort Reiter für das schwedische Heer anzuwerben. Das Ansuchen der meklenburgischen Herzoge um eine Anleihe von 6000 Rthlrn. zu Zwecken der Landesvertheidigung ward abgeschlagen; der Rath zu Rostock antwortete, "daß durch die concurrirende und fast täglich gehende Kreis=, Land= und Stadtsteuer, auch continuirliche Unterhaltung der geworbenen Soldaten und andere Ausgaben ihr Aerarium erschöpfet" sei,

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Am 14. Sept. 1626 überreichte der ehemals meklenburgische, nunmehr kaiserliche Rath Edler Heinrich v. Husan, der auch die meklenburgischen Stände im Namen des Kaisers zu verwarnen hatte, daß sie sich von jeder Verbindung mit Dänemarks sogen. Kreisdefension fern hielten, dem Rath zu Rostock sein Creditiv und proponirte andern Tages mündlich und schriftlich seinen kaiserlichen Auftrag. Er ermahnte die Rostocker, sie möchten "zu keiner wiederwärtigen Verfassung, wie sie jetzt im Schwange gehe, sich begeben und einlassen, noch im wenigsten weder für sich selbst oder durch ihre Bürgerschaft und Unterthanen, es würde solches gleich unter dem Namen einer Kreisbewilligung, Landes=Defension oder anderem Schein gefordert, einige Contribution zur Continuirung dieser durch offene Mandate verbotenen Armatur nichts entrichten -, sondern in der I. Ks. Maj. und dem Reich gehörigen Devotion standhaft und rühmlich verharren - und zu I. M. als Römischem Kaiser und weltlichem Oberhaupt wirklich treten." Er warnte sie, "kein widerwärtig=verdächtiges aus= oder einländisches Kriegsvolk einzunehmen, noch in einigerlei Weise solchen, durch Dero kais. Mandata verbotenen Kriegsheeren einigen Vorschub mit Contribution, Einquartierung, Proviant, Kleidung oder Munition zu erzeigen, sondern vielmehr ihre Meerhäfen und Pässe, woran I. Ks. M. und dem Heil. Reiche hoch und viel gelegen, ihrer selbst Wohlfahrt und Freiheit zum Besten mit Gott wohl verwahren, versichern und defendiren." Dagegen verheiße der Kaiser der Stadt wie allen gehorsamen Ständen den wirksamsten Schutz. Im Uebrigen aber würde dem Kaiser jetzt um so mehr Parition zu leisten sein, "demnach die Niedersächsische Armatur sich nit weiter mit dem Mantel der Kreis=Defension bedecken lasse, sondern das Haupt derselben" (König Christian von Dänemark) "sein Fürnehmen und Intention bei der mit Engelland und Holland gemachten, auch hin und her ins H. Reich selbst publicirten hochgefährlichen Bündniß viel zu einem andern Ende zu erkennen gegeben."

Am 18. Sept. resolvirten sich hierauf Rath und Bürgerschaft schriftlich. "Gleichwie Ihrer Ks. Maj. unterthänigst zu gehorsamen und in den Schranken gemeldter Reichs=Constitution sie sich zu verhalten schuldig: als contestiren und bezeugen sie öffentlich und mit gutem Gewissen, daß ihnen niemals in ihre Gedanken gekommen, ichtes was vorsätzlich und wissentlich zu verhängen, vorzunehmen oder zuzulassen, das obbesagten kais. Patenten und Reichs=Satzung in einigen Wegen, wie es immer geschehen möchte, zuwider laufen konnte, sondern sind jederzeit in I. Ks. Maj. unterthänigster Devotion und gehorsamster Treue und was dahero

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rühret und ihnen unterthänigst gebühret, beständig und unabsetzlich verblieben. Dabei sie auch ihrer Vorfahren rühmlichem Exempel zufolge, so viel in ihren Mächten bestehet, ferner unverrücket, aufrichtig und redlich zu beharren unterthänigst entschlossen. Wollten sich demnach vielgedachten kais. erneuerten Mandaten und Reichs=Constitution unterthänigst gemäß verhalten, in keine damit streitende Kriegswerbung sich einlassen, keine Einquartierung, so lange sie gewaltsamen Zwangs entfreiet, verstatten, auch kein verdächtiges Volk einnehmen, sondern sich in Allem insgemein dergestalt, wie es getreuen, gehorsamen Unterthanen wohl anstehet und gebühret, im Werke bezeigen" etc. .

Ob solcher Erklärung trug der kaiserliche Gesandte ein gutes Gefallen, und mit Genugthuung erfuhr hernach der Rostocker Rath, daß der Kaiser diese Bezeugung ihrer Unterthänigkeit gnädig aufgenommen habe. Seitdem sie solcher kaiserlichen Special=Gesandtschaft gewürdigt waren, wurden die Rostocker erst recht ungemein loyal gegen den Kaiser und bemüheten sich auf allen Land= und Hansetagen oder bei sonstigen Verhandlungen, zu denen sie zugezogen wurden, oder wo ihre Stimme Geltung hatte, ihre beharrliche Devotion in Wort und That zu beweisen und den äußersten Fleiß daran zu setzen, allen falschen Schein von sich abzuwälzen.

Als Husan Rostock besuchte, war schon der König Christian IV. von Tilly bei Lutter entscheidend geschlagen, die Dänen zogen sich im Herbst 1626 mehr und mehr auf Meklenburg zurück; und wer konnte berechnen, wann Tilly ihnen folgen würde? Das Streben der meklenburgischen Herzoge ging dahin, thunlichst beide Parteien aus ihrem Gebiete fernzuhalten; aber ihre Defensions=Absichten fanden bei ihren Ständen keinen Beifall und keine rechte Unterstützung. Die Rostocker versagten wiederum ihr Contingent, so daß Herzog Adolf Friedrich ihnen ihr Fähnlein und ihr Geschütz abnehmen und erst nach 4 Monaten (im Febr. 1627) zurückstellen ließ. Allmählich hatten die Dänen sich ganz in Meklenburg einquartiert; auch bei dem besten Willen hätten unsere Herzoge nicht die Macht gehabt, dieselben aus dem Lande zu treiben. Daß auch in ihren Stadtgütern Dänen einquartiert wurden, ließen die Rostocker sich gefallen. Denn wie eifrig sie auch dem Kaiser zugethan waren, hüteten sie sich doch wohl, ebenso wie die andern Hansestädte, mit den Dänen zu brechen. Ihre Handelspolitik erforderte Neutralität.

Bei alle dem aber war die Stimmung keine behagliche, als im Sommer 1627 der "Imperator armatus", das Kaiserthum in Waffen, nördlich der Elbe erschien, der ligistische Feldherr Tilly

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am 28. Juli unweit Boizenburg die Elbe überschritt, E. Juli der Oberst Hans Georg v. Arnim als Vortrab Wallensteins das östliche Meklenburg erreichte und Wallenstein selbst von Schlesien her durch Brandenburg gleichfalls auf Meklenburg seine Richtung nahm. Der Rath zu Rostock ließ Gebete von der Kanzel verlesen, daß der allmächtige Gott das bevorstehende große Unglück von der Stadt abwenden möge.

Als Herzog Adolf Friedrich beim Anmarsch Arnims den Rostockern aufgab, ihr Contingent nach Neubrandenburg zu schicken, gehorchten sie - ihrer Politik getreu - nicht diesem Befehl. Sie sollten aber bald erfahren, wie die Kaiserlichen ihnen ihre Anhänglichkeit lohnten.

III. Rostock verweigert den Kaiserlichen Einlaß.

Die Rostocker unterließen nicht, die heranmarschirenden Oberfeldherren ihrer Loyalität zu versichern. Auf ihre Zuschrift an Tilly vom 3. Aug. 1627, worin sie baten, sie bei diesen Kriegesläuften in den kaiserlichen Schutz zu nehmen, erfolgte am 27. Aug. die Antwort, daß der Graf einstweilen noch einer schließlichen Erklärung der Herzoge von Meklenburg entgegensehe; bis dahin möchten sich die Rostocker gedulden, inzwischen aber sich jeder Correspondenz mit den Feinden des Reiches enthalten, ihnen keinerlei Hülfe oder Vorschub leisten, insonderheit ihrer "Stadt porten, Meerhafen und andere Befestigungen in behutsame, vleißige vnd sorgfältige gute Obacht nehmen."

Das war allerdings eine correcte Antwort; aber sie bedeutete eben nichts, denn Wallenstein war keineswegs gesonnen, Tilly in Meklenburg irgendwie festen Fuß fassen zu lassen. Schon am 21. Aug., aus seinem Quartier zu Cottbus, hatte der Herzog von Friedland seinem Obersten Hans Georg v. Arnim den Befehl gesandt: "Er wolle im Land zu Meckhelburg so viel, alß sich thuen lässt, örter occupiern und dieselben mit kaiserl. Volck besetzen", - "auch mit bäyden Städten, Rostock und Wißmar, tractiern und Sie ermahnen, daß Sie die Kays. genadt zeitlich suchen." 1 )

Inzwischen aber hatten die Rostocker auch schon zu Anfang des August Wallenstein ihre Devotion bezeugt in einem Schreiben, welches dem Rath v. Husan zur Beförderung übermittelt war; und sie hatten insonderheit gebeten, ihrer selbst und ihrer Dörfer in


1) Förster, Wall. Br. I, 102.
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Gnaden zu schonen, sie in kaiserliches Geleite zu nehmen, alle Kriegspressuren von ihnen abzuwenden und sie ihrer Treue genießen zu lassen. Als dann hernach der Herzog Johann Albrecht dem Herzog von Friedland eine Gesandtschaft nach Dömitz entgegensandte, gesellten sich dieser Rostocker Abgeordnete bei und brachten einen Schutzbrief von ihm heim, der viel bestimmter lautete als der Tillysche. 1 ) Ja mündlich erklärte sich Wallenstein gegen die Rostocker Deputirten sogar dahin: weil er von ihnen vernommen habe, daß die Stadt sich selbst zu vertheidigen im Stande wäre, so wolle er dieselbe mit Garnison in Gnaden gern verschonen, in Anbetracht, daß er sein Heer lieber beisammen als an viele Oerter vertheilt haben möchte.

Das war ja allerdings eine Erklärung, die sehr tröstlich klang. Aber was war sie werth? Wallenstein eilte am nächsten Tage weiter über Lauenburg nach Holstein, um mit Tilly gemeinsam den König von Dänemark zu verfolgen. Seine Unterfeldherren hatten aber ganz andere Weisungen!

Schon am 18. Aug. erschien zu Rostock der Obrist=Wachtmeister Moritz Adolf v. Dehn mit 70 Pferden. Weil es ihm in einem Bürgerhause nicht gefiel, ward er beim Bürgermeister Luttermann einquartiert; denn er kam mit wichtigen Depeschen, mit einem Schreiben des Feldmarschalls Hendrich Schlick, Grafen zu Paßow, aus dem Walleinsteinschen Hauptquartier zu Wittenberge vom 14/.24. Aug., und mit einem Briefe H. G. v. Arnims, d. d. New=


1) Albrecht von Gottes gnaden Herzog zu Friedtlandt, Röm. Kays. Mayt.

Kriegß=Rath, Caemmerer, Obrister zu Prag vnd General Obrister Veldthaubtmann.

Ehrnueste Wollweiße Besonders Liebe vnd gute Freunde. Wir haben Eur schreiben den 17 dits datieret woll empfangen vnd deßen inhalt mit mehrern vernomen, Wann vnnß dan Jr. Kays. Mayt. gndst. anbeuolen, die Jenige welche deroselben genad vnd schutz anhalten würden, souiel immer muglich zuuerschonen vnd in dero gndsten. schutz anzunehmen auch wider dero Feinden zue defendiren vnndt Handt zuhaben, Also seindt wir geneigt, solches im werckh erzeigen vnd gegen Euch alß Höchsteruenter Kay. Mayt. getreue spüren zulaßen vnd wider die Widerwertige Euch zuschutzen. Geben im Haubtquartier zue Dömitz den 30 Augusty Anno 1627.
A. H. z. F.
Denen Ernuesten vnd Wohlweisen Unsern besonders liben vnd
guten Freunden N. Bürgermaistern vnd Rath deß H.
Römischen Reichs Stadt Rostockh.

N. d. Originale im Stadt=Archive zu Rostock.     
30jähr. Kr. 3143 I.               

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stadt, d. 17/.27. Augusti 1627, welche beide an Rostock das Ansuchen stellten, eine kaiserliche Besatzung einzunehmen. "Als haben wir", schrieb Schlick, "auch nicht alsofort wieder Sie" (Bürgermeister und Rath) "verfahren, besondern in güte an sie begehren wollen, damit die Röm. Kais. Maytt. im werk [ver]spüren, das Sie an allem, was bishero vorgelauffen, unschuldig vnd in alle wege in Ihrer schuldigen deuotion gegen die Röm. Kaiß. Maytt. vorblieben, daß auch Sie (wie von andern vornehmen Reichsstädten, alß Wormbs, Speier und mehren beschehen) eine Kaiserliche Besatzung einnehmen wollen. Dieweil doch beiderseits Ihre Fürsten, die Hertzog von Mecklenburgk, zu Ihrer Kais. Maytt. Devotion sowohl durch schriften als Ihre Gesandten soweit sich erklert, alle örter und Plätze, so zu nutzen Ihrer Kaiß. Maytt. können besetzet werden, einzureumen: Alß werden Sie auch so viel weniger difficultiren; dann damit werden Sie Ihrer Kayß. Maytt. Ihre bestendige vnterthenigste treu versichern und alle böse suspicion, welche im widrigen fall würde erregett werden, gentzlichen benehmen, Ihrer Kayßerl. Maytt. auch ursache geben, Sie nicht alleine bei vorigen Ihren Privilegien zu lassen, besondern auch nach begebenden gelegenheiten mit mehreren zu begnadigen" u. s. w. (Orig. im Rost. Rathsarchiv.) - Denselben Ton schlug auch Arnim an: "Nun bezeuge Ich mit Gott, das mir solchs" - das Kriegsunglück Meklenburgs - "soweit es die Kayserl. Pflichten zulaßen, von Herzen leidt, Insonderheit, daß solche vornehme Stadt, wie die Ihrige, in vnheil und verderb solte gesetzt werden. Dahero ich mich (Weill ich der gudtthat, so mir auch darinnen vnterschiedlichen wiederfahren, mich erinnert) zum höchsten bemühet, Sie von allem, Was bißhero mochte vorgelaufen sein, auf's beste zue entschuldigen - -. Worauff dan vmb ein guhtes die Gemühter gemiltert vnd so viel Frucht, durch Gottes Gnade, geschaffet, das mir anbefohlen worden, Ihnen zuerst beigefügtes Kays. Patent zu überschicken, daraus - - Ihnen hoch angenehm sein wirtt, zu ihrem schutz vnd beßerer Versicherung die Kayserl. besatzung, welches die Röm. Kays. Maytt. von Ihnen fordern, Ihre Fürstl. Gnaden der Herr General" (Wallenstein) "auch begehren --, gantz willigk vnd gerne einzunehmen, welche dann also soll beschaffen sein, das Ihnen solches zu keinen beschwerden gereichen soll. Damit sie auch ferner sehen, das es nicht anders als gudt gemeinett, sollen Sie mit keinen frembden Nationes belestiget, besondern von Meinem eigenen Regimente solche leute hinein gelegtt werden, die in allen sachen ordre halten sollen, daß keinem auff 1 Thalers wertt schaden soll zugefüget werden," u. s. w.

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Also trotz aller fast geflissentlich zur Schau getragenen Loyalität gegen den Kaiser ward den Rostockern von den kaiserlichen Feldherren gar nicht verhehlt, daß man sie gleichwohl mit Mißtrauen ansah und die Einnehmung kaiserlicher Besatzung als ein Zeichen der Treue erwartete. Der einzige Grund zu solcher Forderung war freilich dies Mißtrauen nicht; Wallenstein begehrte, wie wir hernach weiter sehen werden, vor Allem feste Plätze an der Ostsee für sich und fürchtete, der König von Dänemark könnte dieselben besetzen. Schon im April 1627 war Rostock von Lübek aus durch Husan vor einer Ueberrumpelung von 9000 Dänen gewarnt worden!

Ob die Kaiserlichen auch schon den König Gustav Adolf ins Auge faßten? Wegen dessen naher Verwandtschaft mit den beiden Herzogen von Meklenburg (ihre Mütter waren Schwestern) und wegen seiner vertrauten Freundschaft mit Herzog Adolf Friedrich konnte dieser wohl in Betracht kommen; und sein Abgesandter Peter Banér regte allerdings im Sommer 1627 den Gedanken an, Wismar und Rostock sollten weder dänische noch kaiserliche Besatzung einnehmen, sondern eine schwedische.

Diesen Gedanken wiesen die Rostocker zwar sofort zurück; ebenso lehnten sie aber auch Schlicks und Arnims Ansinnen ab. Sie entschuldigten sich deswegen sowohl mündlich gegen v. Dehn, welchen sie mit einer goldenen Kette beschenkten, als auch schriftlich gegen beide Feldherren. An Arnim schrieb der Rath: "Demnach gelangt an E. Gestr. vnsere vnterdinstliche Bitte, Sie geruhen Ihrer hohen tiscretion vnd großgünstiger affection nach für vns zu laboriren, die vns angesonnene Besatzung durch oben angezogene vnd andere dienliche motiven zu verbitten."

Aber auch das schien noch nicht genug. Weil bald darauf der Herzog Hans Albrecht den meklenburgischen Landrath Gregor Bevernest nebst einem anhaltischen Gesandten an den Feldmarschall Grafen Schlick abzuschicken beabsichtigte, und demselben u. a. den Auftrag machte, die den Rostockern angemuthete Besatzung zu verbitten: so wurde demselben von Rostock folgendes Memorial vom 23. Aug. mitgegeben, worauf der Landrath bei seiner Zurückkunft der Stadt gute Vertröstung gab, daß sie wegen der angeführten Gründe mit der Einquartierung hoffentlich verschont bleiben würde. Aus den Gründen, warum Rostock mit der angemutheten Besatzung verschont bleiben wollte, erkennt man zugleich die Stellung, welche die Stadt, auf ihre Privilegien sich berufend, im Herzogthum einnahm.

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Memorial.

1) Die Stadt beruft sich auf ihre Treue und Devotion von Anfang an;

2) daß der Kaiser die seinem Gesandten Heinr. Husan gegebene Versicherung ihrer Treue gnädig aufgenommen habe;

3) daß die Rostocker diese Gesinnung auf allen Landtagen und Versammlungen durch ihre Stimmen bethätigt haben, was ihnen Lübek bezeugen kann;

4) können sie ihre Unschuld mit reinem Gewissen bezeugen.

5) ist ihnen durch den kaiserl. Gesandten zugesagt, daß sie als Lohn ihrer Treue beim Kriege nicht durch Pressuren belastet werden sollen:

6) daß sie gleich anderen vornehmen Städten des niedersächsischen Kreises mit einer Besatzung verschont bleiben möchten.

7) Hoffentlich würden die Generale dadurch bewogen werden, daß die Stadt von ihrer Gründung an sich gegen den Kaiser dergestalt benommen, daß ihr nie eine Garnison angemuthet sei, sondern sie vielmehr mit diesem Privilegium begnadigt, daß sie nicht allein jus fortalicii, aufs Beste sich zu befestigen, sondern auch keine Festung auf zwei Meilen Weges herum zu dulden erlanget, was auch die Kaiser Ferdinand I. und Maximilian II. fest gehalten; und von dem jetzt regierenden Ferdinand II. Victoriosus sei dasselbe und alle anderen Privilegien dieser Stadt gnädigst confirmirt 1 ).

8) ist die Stadt mit Bürgern und sich hier jetzt aufhaltenden Landständen und geworbenen Soldaten zur Zeit so zahlreich, daß sie im Stande ist, sowohl sich selbst als Warnemünde zu vertheidigen, zumal noch täglich mehr Soldaten angeworben werden und sowohl die Festung der Stadt als der Hafen also versehen, daß die Bürger ohne fremde Garnison sich getrauen können, die Stadt für Kaiser und Reich, für ihre Freiheit, Leib und Leben, Weib und Kinder ritterlich zu vertheidigen.

9) Herzog Johann Albrecht hat sich die Fortificationen persönlich angesehen und sie so beschaffen gefunden, daß die Stadt einer kaiserlichen Besatzung nicht bedürfte. 2 )


1) Die Stände hatten sich ihre 1572 und 1621 von den Herzogen und deren Vorfahren erlangten Privilegien 1626 von Ferdinand II. bestätigen lassen, welche Confirmation den 17. Febr. durch H. Husan auf dem Landtage zu Sternberg den Ständen überreicht wurde. Die Herzoge empfanden diesen Schritt sehr übel und erklärten, sie würden ihr Wort auch ohne jene Bestätigung gehalten haben.
2) In Wirklichkeit waren die Befestigungen noch unvollendet und die Stadt an vielen Stellen offen.
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10) Weil sie nie zu einer Differenz Ursache gegeben, und der Kaiser ihrer Devotion versichert sei, sie auch den eigentlichen Zweck einer kaiserlichen Besatzung selbst schon in der That erreicht hätten, so bäten sie um Verschonung. Sie behaupten

11) daß andererseits die Stadt mit Garnison zu besetzen, nicht allein keine bessere Sicherheit und Vortheil für den Kaiser und dieses Land gewähre, sondern vielmehr nachtheilig sei, den Totalruin dieser Stadt herbeiführen würde. Da dieselbe vermöge ihrer Lage an der Ostsee auf den Handel angewiesen sei und das ganze Land von ihr mit Waaren versehen werde, zumal es unmöglich sei, diese Lande ohne freien Meerhafen im Wohlstande zu erhalten, so wäre, wenn Garnison hierher gelegt würde, nichts gewisser, als daß ihnen die Nahrung zu Wasser und zu Lande abgeschnitten würde, da sich dann ja kein fremder Schiffer hierher begäbe. Durch eine solche Einschließung des Hafens würden sie nicht allein blokirt, sondern ebenso hart, als wenn sie feindlich bezwungen, gänzlich ruinirt werden;

12) daß der Zweck der Gründung der Stadt die Verhinderung der incursiones gentium septentrionalium gewesen sei, daß dieselben durch eine Besatzung aber von Neuem hierher gezogen würden.

13) möchten die Generale bedenken, daß der kaiserl. Armee selbst an der Freiheit des Meerhafens nicht wenig gelegen. Denn, wenn von diesem Orte die Zufuhr zu Wasser abgeschnitten und die Abfuhr verboten, und sie sich also der Lebensmittel beraubt sähen, dann würde auch solcher Mangel an allen Orten des Landes empfunden, und die Gelegenheit zu aller Unterstützung verhindert werden, zumal der ganze Ritterstand, wenn der Handel der Seestädte abgeschnitten sei, von seinen Gütern nicht leben könne.

14) Es wäre im Interesse der ganzen hansa Teutonica; darum verwende sich auch Lübek für sie um Verschonung mit Besatzung. 1 )

15) Daß in dieser Stadt die Landstände ihre Zusammenkünfte hielten und die Contributionen hierher eingebracht würden, was dann aufhören würde;

16) sei diese Stadt jederzeit dieses Fürstenthums Meerhafen gewesen, daß die Landstände und Fürsten sie pro communi totius provinciae refugio gehalten; diese Gerechtsame seien von den Kaisern Maximilian II. und Ferdinand I. bestätigt worden.


1) Lübeks Intervention an Tilly und Wallenstein 18. Aug. 1627.
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17) ist hier eine Universität und a pontifice ac imperatoria Majestate confirmiret; dieselbe hat bis auf diese Stunde geblüht, woraus nicht nur der Stadt, sondern auch dem ganzen Lande ein großer Nutzen erwachsen ist. Durch die Besatzung würde eine gänzliche Auflösung rei litterariae et academiae erfolgen.

18) Große Eroberer hätten ihren Ruhm dadurch erhöht, daß sie die Akademien und Lehrer geschont, wie noch vor wenig Jahren Kaiser Rudolf der Akademie specialem salvam guardiam ertheilet, zumal da daselbst täglich für den Fortgang der kaiserl. Sache gestritten würde. Wenn also dem Ansuchen getrauet würde, so sei dabei keine Gefahr vorhanden, sondern es der eigene Vortheil; alsdann könnte der Kaiser der Stadt ebenso versichert sein, als ob er Garnison hineingelegt hätte. Deshalb bitten die Rostocker die Herren Generale um Verschonung mit Besatzung.

IV. Rostocks Contributionen.

Aber dies Memorial blieb ohne Wirkung. Oberst Arnim rückte bald hernach auf die in den Händen der Dänen befindliche bischöfliche Stadt Bützow 1 ) vor und verlegte während der Belagerung sein Hauptquartier am 27. Aug. (6. Sept.) nach Schwan. Hier wurden die Verhandlungen wegen der angemutheten Besatzung mit Rostock fortgesetzt. Als der Herzog Einige aus der Ritterschaft dahin abschickte, wurden auch von Rostock aus der Bürgermeister Joachim Schütte, Dr. Thomas Lindemann und Joachim Gerdes dahin abgeordnet, um mündlich die oben angedeuteten Motive, warum es unverantwortlich wäre die Stadt mit einer Garnison zu belegen, dem Obersten vorzutragen. Derselbe erklärte hierauf, daß er ihre Gründe für seine Person für erheblich ansehen und halten müsse; er wolle auch hoffen, daß dieselben, wenn sie den kaiserl. Generalen vorgetragen würden, Berücksichtigung fänden. Er rieth ihnen deshalb aus ihrer Mitte Einige an Wallenstein abzuschicken, wobei er hinzufügte, daß, wenn sie sich erbieten würden, ihren Kriegshaufen zu kaiserlichen Diensten verwenden zu lassen, er dafür halte, dies würde ein besonderer Grund sein, Wallenstein zu bewegen.

Nebst diesem verlangte er schriftlich "an Proviant täglichen, so lange das Kay. Volck alhier liegen pleibet, 10000 Pf. brodt


1) Die Dänen hatten Bützow inne, weil der Administrator des Stifts Ulrich III. ein Sohn König Cristians IV, war.
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und 150 Tonnen bier", auch Pulver, Lunten und Munition von Rostock; und die Stadt lieferte Alles, um einen Realbeweis ihrer Devotion zu geben.

Am 2./12. Sept. schreibt Arnim an die Rostocker wieder, daß "sie wegen ihrer Haeffen allein, und nicht der schiffe sich ercleret, weniger, daß im Nottfall sie die fremden zu Ihr. May. Diensten, wenn Es begehrett wurde, anhallten wollten." Desgleichen an demselben Tage: "Dieweyll die Herrn wegen der Stücke zu Ihr. May. diensten abfolgen zu lassen Bedenken getragen, vermeinen, I. May. zu willfahren mitt 50 Ctrn. Pulver, 100 Ctrn. Lunten, 100 Ctrn. Blei."

Am 14. Septbr. übersendet ihm die Stadt 6 Tonnen Pulver, 10 Ctr. Lunten nach Schwan, am 15. an den Kaiserl. Proviantmeister Hauptmann v. Bülow auf Kressin durch den Büchsenmeister Heinr. Warkentien 10 Ctr. Lunten und 6 Tonnen Pulver. Am 16. Sept., von Bützow aus, begehrt der Proviantmeister v. Bülow wieder von Rostock, daß die Stadt "eilent proviant an Brott vnd Viehe einschicken" solle, "weiln gar wenigk Vorrath vorhanden, vndt die Soldaten für Pöl (von wo sie eben die Dänen verdrängen wollten) große Noth leiden."

Inzwischen machte sich die Nähe der kais. Armee in der Umgegend Rostocks in bedenklicher Weise fühlbar und erbitterte den gemeinen Mann. Schon am 30. Aug. war eine Legation an Arnim geschickt, um demselben die von den Soldaten gegen die Bürger und ihre Güter begangenen Feindseligkeiten vorzutragen und deswegen salvaguardia auf die Stadt= und Landgüter zu erbitten. Die Soldaten verkauften die den Bauern abgenommenen Güter in der Stadt! - Dann am 3. Septbr. schreibt der Rath an Arnim: "daß für vnsern thoren in vnsern Dörffern so viel insolentien täglich verübet, auch große troupen Reuter sich zu der Stadt nehern, daß wir vns fast nicht darin zu schicken vermögen, auch keine Stunde besorglichen Ueberfalls assecuriren (?) müssen". - Desgl. 9. Septbr.: da "je länger je mehr unsere Dörfer ausgeplündert, das Korn ausgedroschen und hier für den halben Preis verkauft und Alles so ruinirt wird, daß fast alle Bauern verlaufen und Alles stehen lassen, und wir diese gerne so lange salviret sehen möchten, bis der Ackerbau und die Wintersaat bestellt und die besorgliche Totalverwüstung verhütet werde, bitten wir nochmals um salvaguardia." - Am 8 /18. Septbr. beschwert sich dagegen Arnim beim Rath über grobe Excesse zwischen den Bürgern und seinen Soldaten: "Wie denn gestriger Tage, da das kaiserl. Volk nothdürftig Futter von ihren Dörfern holen wollen, etzliche der

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Rostocker Soldaten und Bürger ausgefallen, die Reuter jämmerlich zerschlagen und ihre Pferde abgenommen." - Da solches von den Bürgern geschehen, so könne es nicht ohne Consens der Obrigkeit sein. Auch leichtfertige Reden würden wider den Kaiser selbst ausgestoßen, vor den Thoren. Wenn man das Volk in der Stadt begehret, würde es hinausgestoßen, auch Officiere würden vor die Stadt gewiesen, und wenn sie hinein gekommen, mit Musketieren, ja sogar mit Stadtknechten zu ihrer Verachtung begleitet. Es würde eben wenig der Proviantlieferung nachgekommen; denn in 8 Tagen seien statt der täglichen 20000 Pfd. Brot nicht so viel geliefert. Er bittet den gemeinen Mann besser im Zügel zu halten.

Die Räubereien dauerten noch fort, wie die Armee von Schwan längst aufgebrochen war, so daß wegen der Unsicherheit der Straßen die Zufuhr nach Rostock gehemmt blieb. -

Während die Stadt die kaiserl. Armee so auf alle Weise unterstützte, hatte sie dem dänischen Befehlshaber, welcher sich mit dringenden Bitten an sie wandte, Alles abgeschlagen. Georg Friedrich, Markgraf von Baden, begehrte von seinem Hauptquartier Ström[ken]dorf aus unterm 12. Aug. von Rostock, Proviant gegen Bezahlung zur Unterhaltung der dänischen Armee nach der Insel Pöl zu schicken. Die Rostocker entschuldigten sich aber unterm 14. August, daß die Stadt mit dem hinein geflüchteten Adel und Unadel überfüllt, die Landstraßen durch den Krieg gesperrt, die Früchte noch nicht eingeerntet, theils die Felder verheert, die Früchte verzehrt und verdorben seien, daher wenig Zufuhr zu vermuthen, und sie selbst Mangel an Proviant besorgen müßten, daher sie unlängst die Verschiffung von Korn verboten hätten.

Georg Friedrich wiederholte unterm 17. Aug. sein Begehr, worauf die Rostocker unterm 24. antworten: Sie hätten leider erfahren, daß vor wenig Tagen alle Zufuhr in Lebensmitteln u. a. aus Dänemark in diese und benachbarte Hansestädte verboten sein solle, auch hätten sie die Wirkung dieses Verbots seither verspüret; und, da durch den Krieg der Handel darniederliege, auch bei ihnen sich Mängel fände, so wäre es ihnen unmöglich.

Wie groß übrigens der Schrecken war, den die auf ihrer Flucht Meklenburg überschwemmenden Dänen verbreiteten, zeigt eine Verordnung Herzog Adolf Friedrichs vom 12. August 1627, worin es heißt, "daß unsere in den Aemtern Doberan und Bukow wohnende Unterthanen mit ihren Knechten und Mägden ihre Häuser und Höfe, wie auch das Korn im Felde stehen lassen und sich nach Rostock begeben haben. Da hier nicht allein das Korn im Felde stehen bleibt, sondern verdirbt, so [sollet ihr] von den Kanzeln

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verkündigen lassen, daß jeder sich wieder an seinen Ort begeben soll, weil die Soldaten alles Ihrige wegnehmen, auch wohl die Höfe in Brand stecken; deshalb sie aus Rostock gewiesen werden sollen." -

V. Weitere Verhandlungen mit Wallenstein und Arnim.

Weil kein anderer Weg übrig blieb, von der angemutheten beschwerlichen Garnison befreit zu bleiben, als den kaiserl. General selbst zu beschicken, und Herzog Hans Albrecht ebenfalls eine Legation dahin absandte, so wurden derselben Bürgermeister Johann Luttermann, Bernhard Klinge und Hieronymus Roß 1 ) beigegeben, welche nun ihren Weg auf Güstrow nahmen und von dannen mit den fürstlichen Gesandten Gregor Bevernest, Ludwig Hahn und Johann Bartels nach Wismar und weiter ins Lager zu Strömkendorf und nach Pöl zu Arnim reisten, bei dem sie durch weitere Verhandlungen und durch entsprechende Mittel auch soviel erreichten, daß er ihnen ein bewegliches Intercessions=Schreiben an die kaiserlichen Generale mitgab. Weil die fürstlichen Gesandten es für rathsam hielten, auch den Grafen Tilly zu begrüßen, benutzten die Rostocker diese Gelegenheit und trugen Sr. Excellenz der Stadt Anliegen vor, erlangten von demselben auch ein Empfehlungsschreiben. Zugleich gab ihnen Lübek ein Fürschreiben an den Herzog von Friedland mit. Die Instruction der Gesandten vom 16. Septbr. führte dieselben Gründe auf, wie das oben bereits mitgetheilte Memorial. Rostock beruft sich hier darauf, daß seine Treue gegen den Kaiser bereits "weltkundig" geworden sei. "Daferne nun darauf gnädige Erklärung pure erfolgen würde, so hätten unsere Abgesandten Gott uud I. F. G. unterthänig dafür zu danken. Zum Fall aber in unsere Abgeordnete wegen einer sonderbaren Abfindung hart gedrungen, und eine hohe Summe gefordert werden sollte, so hätten sie dagegen unser Unvermögen, Abgang der Nahrung, immerwährende Contributionen und ausgestandene Pressuren, und daher vor Augen stehende Impossibilität anzuzeigen; zuletzt, da es nicht zu erbitten, sich zu einer Summe Geldes, die sie wissen mögen aufzubringen, dergestalt zu erbieten, daß dieselbe in leidlichen Terminen und mit dem Bedinge ausgezahlt würde, daß wir dagegen bei diesem Kriegswesen ferner nicht graviret, sondern deswegen


1) Die Portraits aller dieser, so wie der in den spätern Gesandschaften vorkommenden Rathsmitglieder, mit biographischen Notizen befinden sich in den Quartierstuben des Rathhauses zu Rostock.
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genugsam assecuriret werden möchten. Sollte aber solche Summe nicht acceptirt werden, so hätten unsere Abgesandten es ad referendum anzunehmen." - Auf ihrer Rückreise sollten die Gesandten den Rathschlag Lübeks mitbringen, um Empfehlungsbriefe anhalten und dieselben an Husan zur Beförderung übergeben. Sie sollten auch zu Lübek oder Hamburg eine Anleihe auf der Stadt Credit machen, und wenn sie Neues erfahren könnten, solches durch Geld herauslocken. Außerdem verpflichtete sich Rostock bei der Unsicherheit der Wege, wenn die Gesandten beraubt oder angehalten werden sollten, alle Mittel zu ihrer Befreiung aufzubieten.

So langten die Gesandten im Hauptquartier vor Rendsburg an. Als sie dort ihre Werbung vortrugen und die Intercessionsschreiben präsentirten, äußerte Wallenstein ganz gnädig, die Stadt Rostock wäre ihm genugsam empfohlen und sollte mit keiner Einquartierung beschwert werden; denn es wäre eine Hanse= und Handelsstadt. Sie müßte aber, fügte er hinzu, nichtsdestoweniger zur Erhaltung der kaiserlichen Armee Etwas contribuiren. Wie nun die Abgeordneten weiter von dem Unvermögen der Stadt sprachen und sie mit großen Summen zu verschonen baten, da antwortete Wallenstein, er wisse wohl, daß sie nicht Hamburg oder Lübek wäre, man müßte sie nicht auf einmal ausrupfen. Weil die von Wismar von den Rostockern begehrt, ihrethalben den General um Verschonung zu bitten, und diese zu dem Zweck ein Creditiv übergaben, und also der Stadt Drangsal beweglich vortrugen, erklärte er, er wisse nicht, ob er dieselbe verschonen könne, weil sie dem Feinde Zufuhr gethan. Als die Abgeordneten dies entschuldigten und um gnädigen Bescheid anhielten, antwortete der General, er wolle an Arnim seine Meinung schreiben. Was die Rostocker Werbung betraf, so dictirte er in ihrer Gegenwart dem Secretär ein Schreiben an Arnim und erzeigte sich sowohl bei der Audienz als bei der fürstlichen Tafel gegen dieselben sowohl im Wort wie im Benehmen sehr gnädig, wie er denn auch dieselben aufforderte, weil um diese Zeit die Stadt Rendsburg sich ergeben, mit ihm dahin zu reisen; und darauf wurden sie mit dem Schreiben an Arnim, von dem sie allerdings keine Copie erlangen konnten, und Creditiv entlassen. Die Gesandten kamen am 11. October in Wismar an, wie eben vorigen Tages die Kaiserlichen in diese Stadt eingezogen waren. Sie überreichten daselbst dem Obristen Arnim das Schreiben Wallensteins, das er erbrach und las, ihnen aber den Inhalt vorenthielt. Dieses beruhte hauptsächlich darauf: da sich Rostock eine

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Besatzung verbeten, so sei dieselbe mit einer starken Contribution zu belegen. Dieser Passus war am Rande von einer andern Hand, welche nach Arnims Aussage die Wallensteins war, stark notirt gewesen. "Das der herr mitt denen von Rostock klümpflich procedirt" (schreibt er am 9. Oct. an Arnim), "höre ichs von Herzen gern. Die bedenken, worumb der herr kein volck der Zeit hinein legt, seindt erheblich 1 ); drumb remitire ich alles dem herrn, er sehe, wie wir eine gewisse gelts=Contribucion von ihnen bekommen." 2 ) Darauf theilte Arnim ihnen mit, daß sie gerade zu rechter Zeit kämen; denn er hätte schon Tags vorher den Obristen Sparre nach Rostock geschickt und der Stadt befohlen die Aufnahme einer Garnison weiter ins Werk zu setzen, auch Befehl ertheilt, daß die ganze Armee dahin marschiren solle. Jetzt solle man ihm in Folge des Schreibens von Wallenstein Etliche zuschicken, mit denen er verhandeln könne. Die Abgesandten machten sich nach dieser Erklärung eilig auf den Weg und gelangten glücklicher Weise noch mit dem Obristen Sparre zugleich am 12. October Mittags vor dem Kröpeliner Thore an. Nachdem sie ihm bei der Thorwache Einlaß verschafft hatten, begaben sich Alle aufs Rathhaus, worauf Sparre zuerst seinen Auftrag wegen der geforderten Garnison ausrichtete. Als jedoch die Gesandten bei den 100=Männern Bericht darüber ablegten, was sie bei Wallenstein ausgerichtet, und dem Obristen der Beschluß des Generals vorgehalten wurde, war derselbe zuerst etwas entrüstet, beruhigte sich jedoch, da der Proviantmeister Arnims, v. Bülow, welcher noch vor des Obristen Abreise hier angelangt war, den Bericht der Abgeordneten bestätigte und dabei dem Rathe andeutete, daß Arnim sein Heer nicht an die Stadt führen werde, sondern zuvor mit ihnen wegen der Contribution sich abfinden wolle, und wünschte, weil Arnim am folgenden Tage (d. 14. October) zu Güstrow sein werde, sie möchten Einige dahin abordnen. Der Obrist Sparre erklärte, er müßte nunmehr ihren Einwänden Glauben schenken, verlangte aber darüber einen schriftlichen Schein vom Rath, welcher ihm auch ertheilt wurde.

Zur bestimmten Zeit wurden der Bürgermeister Luttermann, Bernhard Klinge, Dr. Nicol. Scharfenberg und Valentin Strelenius nebst einigen Bürgern, Rodrich Koch, Joachim Gerdes, Klaus Frese, Hieronymus Roß und noch andern, nach


1) In Folge der im Lager zu Schwan gemachten Erfahrungen hatte Arnim Wallenstein gerathen die volkreiche aufgeregte Sttadt nicht gegen sich zu reizen.
2) Förster a. a. O. Nr. 45.
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Güstrow deputirt. Zu gleicher Zeit wurden die vom Schweriner Landtage zurückkehrenden Bürgermeister Joach. Schütte, der Dr. Lindemann nebst Daniel Brun benachrichtigt, zur bestimmten Zeit in Güstrow zu den andern Deputirten zu stoßen, was der Verabredung gemäß geschah. Am 15. October begannen die Verhandlungen im Hause des Obristen Arnim. Er hat daselbst abermals den Abgeordneten vorgeschlagen, daß, obwohl in des Herrn Generals Schreiben nicht expreß enthalten sei, sie mit der Garnison ganz zu verschonen, er dennoch zur Einleitung, zumal ihm die Contribution an die Hand gegeben sei, und er das Schreiben so verstehe, mit ihnen wegen der anbefohlenen starken Contribution verhandeln wolle und hören, was sie zu thun gewillt seien. Er schlug vor, die Stadt solle 1 Regiment zu Pferde und 1 Regiment zu Fuß (das Arnimsche) auf 3 Monate unterhalten, wozu 140,000 Thlr. gehörten; außerdem verlangte er Quartiere für dieselben, und für den Fall, daß sie solche nicht hätten, sollten sie mit Ihro Fürstl. Gnaden unterhandeln, ihnen dazu einige kleine Städte einzuräumen.

Die Deputirten boten, nachdem sie das Unvermögen der Stadt hervorgehoben hatten, 25,000, dann 30,000 Thlr., jedoch ein für alle Mal unter der Bedingung, daß die Stadt sowie deren Spital= und Landgüter stets von Einquartierung befreit bleiben müßten.

Darauf erklärte Arnim, er glaube wohl, daß es ihnen schwer fallen würde die Summe aufzubringen; er habe jedoch nicht die Vollmacht, die angebotene Summe, wenn sie gleich noch viel höher wäre, anzunehmen, sondern er müsse des Herrn Generals Befehl ihnen andeuten, daß die Stadt 2 Regimenter zu Fuß und zu Roß unterhalten solle, und wenn ihnen das zu viel wäre, so wolle er das dem Herrn General berichten; er wolle sie aber in guter Absicht erinnern sich vorzusehen, daß man den General nicht erzürne; derselbe könnte dann leicht seine Bedingungen und Zusage zurücknehmen. Wenn die Stadt jedoch die angedeutete Summe zum Unterhalt von 2 Regimentern geben wolle, so werde er für die Quartiere sorgen; im andern Falle müsse er vor die Stadt rücken, wie vor Wismar, und dieselbe so lange belagern, bis sie sich geeinigt hätten.

Hierauf haben die Deputirten 50,000 Thlr. geboten.

Arnim entgegnete, daß er weder befugt sei, die Summe von 100,000 Thlrn. noch die von 50,000 Thlrn. anzunehmen; er wolle aber hierüber mit Wallenstein conferiren, jedoch so lange müßte das Volk unterhalten und einquartiert, oder eine Summe von we=

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nigstens 30,000 Thlrn. zum Unterhalt bis zu seiner Zurückkunft erlegt werden. Er müsse morgen das Volk marschiren lassen; er wolle in eigner Person zu Wallenstein reisen und hoffe dies in 10 Tagen abzumachen. Sie möchten sich die Sache überlegen und gegen 1 Uhr sich erklären; er wolle jetzt in die Kirche gehen.

Gegen 4 Uhr schickten die Deputirten einige aus ihrer Mitte wieder zum Obersten. Gegen diese erklärte er, daß er für seine Person privatim zufrieden sein und 50,000 Thlr. annehmen würde; er wisse wohl, wie schwer es fiele eine solche Summe auszugeben, aber es könnten nach seinem Erachten nicht unter 140,000 Thlr. sein, damit dem General nicht Ursache zur Unzufriedenheit gegeben würde; außerdem stünde es nicht in des Generals Macht, das zu ändern, was im großen Kriegsrath beschlossen sei. Wenn aber 100,000 Thlr. deponirt würden, dann solle die Armee von Rostock abgeführt werden; er glaube, daß die Rostocker dann ziemlich gesichert sein würden, könne jedoch nicht versichern, daß sie gänzlich frei sein sollten; er würde freilich beim General sein Bestes thun, er betheuerte aber, daß es nicht rathsam sei demselben unter 100,000 Thlrn. zu bieten. Wenn endlich die Summe von 50,000 Thlrn. fest abgemacht sei, so müßten 25,000 Thlr. sofort binnen 8 Tagen deponirt werden. Die Erklärung hierüber wolle er am Dienstag in Schwan oder in Bützow entgegennehmen. -

Die Gesandten verhießen zu berichten und verfügten sich hierauf in Güstrow zu Herzog Hans Albrecht. Derselbe versicherte sie seiner Fürsprache. Ebenso ersuchte man auf dem Landtage zu Schwerin den Herzog Adolf Friedrich die Sache in die Hand zu nehmen. Dieser schlug es jedoch ab und erklärte, daß er selbst mit keinem Gelde die Einquartierung habe verhüten können; er riethe ihnen die Bedingungen anzunehmen und zu halten. Nach 2 Tagen haben sich dann die Deputirten abermals zu Bützow eingefunden und die Verhandlungen soweit geschlossen, daß man bei der Unmöglichkeit, die 100,000 Thlr. aufzubringen, allerdings den General zu erzürnen fürchte, aber alles Vertrauen auf ihn (Arnim) setze, er würde für ihr Bestes handeln. Sie wollten in seiner Person gleichsam versprechen, was er auf die geforderte Summe abhandeln und schließen werde, zu ratificiren. Dazu wurden, um ihn für sich zu gewinnen, abermals dienliche Mittel gebraucht. Er versprach bereitwillig bei dem General von der gebotenen Summe etwas abzuhandeln, oder wenn das nicht möglich wäre, die gewünschte Sicherheit mitzubringen. Mit solcher Verabredung reiste der Oberst zu dem Kaiserlichen General ins Hauptquartier ab.

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Als aber einer der Deputirten kurz darauf in Privatgeschäften nach Wismar kam, erfuhr er, daß an demselben Tage, wie Arnim nach Lübek hatte aufbrechen wollen, der Obrist Götze bei ihm von Wallenstein angelangt sei und geäußert habe, er hätte den Befehl bei sich, daß Rostock eine Besatzung einnehmen solle. Diese Nachricht brachte eine große Bestürzung hervor, so daß man sofort durch einen Einspänner ein Schreiben an den Obersten Arnim nachschickte, und ebenfalls an den Grafen Schwarzenberg und an Lübek Briefe abgehen ließ. Der Einspänner brachte jedoch nur eine Empfangsbescheinigung aus der Kriegskanzlei (Octbr. 27) zurück. Lübek und Schwarzenberg antworteten gleichfalls schriftlich (Novbr. 8). Weil der Obrist Arnim auf der Rückreise den Einspänner in Wismar vorfand, gab er demselben noch ein Schreiben an die Deputirten und den Bürgermeister Luttermann mit.

Darauf wurden einige der Deputirten abermals nach Bützow gesandt. Aber schon auf dem halben Wege kam ihnen der Proviantmeister v. Bülow entgegen und berichtete, der Obrist sei eilend nach Güstrow gereist und habe ihm zwei Schreiben von Wallenstein übergeben, welche er ihnen zustellen solle mit der Weisung, daß sie am folgenden Montag, am 5. November, sich zu Bützow einstellen möchten. Wie diese Briefe nach der Rückkehr geöffnet wurden, enthielt der eine derselben nochmals die Zumuthung eine Besatzung einzunehmen. Da man sich den Hergang der Sache nicht erklären konnte, beschloß man durch eine Deputation an den Obristen Arnim sich hierüber Aufklärung zu verschaffen. Dieselben fanden jedoch diesen bei ihrer Ankunft nicht vor, erfuhren aber am folgenden Tage, daß der Obrist=Lieutenant v. Kaldewitz von Arnim angewiesen sei, mit ihnen zu reden und ihnen Wallensteins Meinung anzufügen. Dieser ließ die Deputirten auf das bischöfliche Schloß fordern und machte ihnen folgende Mittheilung. Obwohl Arnim seinem Versprechen gemäß mit dem General verhandelt hätte, daß es bei den 100,000 Thlrn. bewendet bleiben möge, so habe Wallenstein dennoch diese Summe nicht annehmen wollen und sich dahin entschieden, die Rostocker sollten entweder zwei Regimenter unterhalten oder dem Befehle des Obristen gemäß eine Besatzung einnehmen.

Diese neue Zumuthung erregte bei den Deputirten großes Befremden. Der Obrist=Lieutenant erklärte ihnen hierauf, daß er weiter keine genügende Instruction habe, und verwies die Gesandten, um die Verhandlungen zum vollen Abschluß zu bringen, an Arnim selbst, welcher am 8. November zu Neubrandenburg sein werde. Die dorthin Abgesandten trafen ihn jedoch zur angegebenen Zeit

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nicht vor, wohl aber seine schriftliche Aufforderung an den Rath, Deputirte zum 12. Nov. nach Bützow zu schicken.

Dort stellten sich nun der Bürgermeister Joachim Schütte, Bernhard Klinge, Joachim Gerdes und Nicolaus Bötticher ein. Der Obrist wiederholte dieselbe Forderung, mit welcher sie schon der Obrist=Lieutenant in Bützow bekannt gemacht hatte und bestand auf derselben. Weil aber die Deputirten Bedenken trugen diese anzunehmen, andererseits jedoch auch die Verhandlungen sich nicht zerschlagen lassen wollten, so bewogen sie den Obristen, nach Rostock zu kommen. Daselbst wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und (am 15. Nov.) soweit gebracht, daß Arnim die 100,000 Thlr. schlechtweg annahm, aber auf die Unterhaltung zweier Regimenter drang. Da er endlich von letzterer Bedingung abzusehen sich bereit erklärte, wenn man dagegen zu den 100,000 Thlrn. noch eine ansehnliche Summe zulegte, so erbot sich der Rath zu 140,000 Thlrn., aber gegen die Zusicherung: "dafür uns, neben uns und unsern Bürgern Stadt, Hafen, Land=, Kloster= und Hospitalgüter für alle und jede exactionen nicht allein in sicheren Schutz und Schirm zu nehmen, sondern auch für alle Einquartierung und Drangsale uns künftig zu verschonen." Obwohl Arnim dieses Anerbieten ohne Wissen und Genehmigung Wallensteins nicht annehmen wollte, so war er doch bereit, eine Quittung darüber auszustellen, und versprach, wenn die vorgeschlagene Summe bei Wallenstein zur Sprache komme, für ihren Vortheil zu sprechen und Alles anzuwenden, um die gewünschte Versicherung für sie auszuwirken. Dabei hielt er um Auszahlung des ersten Termins inständig an; und man mußte fest versprechen, den andern gegen Neujahr zu halten. Hierauf wurden ihm zu den sofort erlegten 14,000 Thlrn. noch 10,000 Thlr. gegen Quittung baar entrichtet; und er ermahnte den Rath ernstlich, ferner mit dem andern Termine, nämlich 36,000 Thlrn., auf Neujahr bereit zu sein, 40,000 Thlr. sollten zu Ostern erlegt werden.

Daß es Wallenstein jedoch bei der Contribution nicht bewenden lassen wollte, ersieht man aus seinem Briefe an Arnim vom 2. Decbr. 1627 (Förster Nr. 91): "was itzt die von Rostock bewilligt haben, darbey kanns bleiben noch ein par monat; aber nacher wirdt die contribucion auf eine andere weis von ihnen gefordert werden, welches ich dem herrn (Arnim) aufs eheste durch den Obristen Sant Julien werde zu müssen thun." - Die Verwendung dieser Summen ersieht man aus weiteren Verfügungen Wallensteins. Da die Pferde anderweitig unterhalten wurden, betimmte er von den 20,000 fl., welche die Rostocker monatlich

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hierzu zahlen mußten, 6000 fl. zu seinem monatlichen Deputat, 3000 fl. monatlich für den Commandirenden v. Arnim, "weil derselbige große Spesen führen muß", und die übrigen 11,000 fl. zum Ankauf von Getreide und Munition. Doch schon im December sollte die Stadt 50,000 Thlr. über jene anfänglich festgesetzte Summe zahlen. (Förster Nr. 106.)

Als bald darauf ein Wendischer (Hanse =) Tag zu Lübek ausgeschrieben war, brachten daselbst die Rostocker Abgeordneten die bedrängte Lage ihrer Stadt zur Sprache und ersuchten die andern Städte um Rath und Hülfe. Weil jedoch auch die andern Beschwerden hatten, so wurde für gut angesehen, eine gemeinsame Gesandtschaft an den Kaiser zu schicken und um Erleichterung anzuhalten. Doch wurde jeder einzelnen Stadt freigestellt, ihre Beschwerden dem Kaiser und den Generalen besonders vorzutragen.

VI. Kaiser Ferdinand sucht die Hansestädte zu gewinnen.

Man durfte sich allerdings von einer solchen Gesandtschaft einigen Erfolg versprechen; denn Kaiser Ferdinand gab sich eben damals alle Mühe die Hansestädte für sich zu gewinnen.

Er war entschlossen, seinen Sieg über Christian IV. bis aufs Aeußerste zu verfolgen und den flüchtigen Feind auf seinen Inseln anzugreifen; aber es mangelte hierzu an Schiffen. Alles, was Deutschland an Fahrzeugen besaß, war die Handelsmarine der Hansa. Schon Maximilian II. hatte auf dem Reichstage zu Speier 1567 vorgeschlagen, von den burgundischen, westfälischen und sächsischen Kreisen ein Reichsadmiralsamt zu bilden und einen Reichsadmiral zu ernennen. Jetzt wollte der Kaiser Ferdinand II., des alten Ruhmes der einst so mächtigen Hansa gedenkend, ihre ehemalige Größe wieder herstellen 1 ), woran seine Vorgänger wegen der Türkenkriege, der Religionshändel u. s. w. nicht hätten denken können. Im Grunde aber verfolgte er in Gemeinschaft mit dem König von Spanien rein Habsburgische Interessen. Eine spanische Gesandtschaft erschien schon Ende Septembers in Danzig, und zu Anfang Novembers 1627 zu Lübek als kaiserlicher Gesandter der Graf Ludwig v. Schwarzenberg, begleitet von dem spanischen Agenten Gabriel de Roy um den Hansestädten verlockende Vorschläge zu machen. Der Kaiser verlangte von ihnen, sie sollten


1) Vgl. Reichard, Die maritime Politik der Habsburger im 17. Jahrh. Verl. 1867; Droysen, Gustav Adolf, I, S. 319 f.
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aus ihrer Neutralität heraustreten, sich entschieden in seinen Dienst und seinen Schutz stellen und zunächst ihre Schiffe zum Kriege gegen Dänemark hergeben. Spanien seinerseits bot ihnen einen schon bis auf die Unterschriften fertigen Handelsvertrag an, wonach sie allein von allen Mächten an der Ostsee und Nordsee mit Spanien handeln, auch allein den Handel zwischen Spanien und den spanischen Colonien in Gemeinschaft mit den Spaniern selbst treiben sollten. England, Holland, Schweden und Dänemark sollten ihre nach Spanien bestimmten Waaren in die hansischen Häfen schaffen, damit sie dort auf hansische oder spanische Schiffe verladen und an den Ort ihrer Bestimmung gebracht würden, und aus den hansischen Häfen sollten sie die spanischen Waaren beziehen.

Ueber diese Propositionen vom 8. Nov. ward nun zu Lübek bis in den December hinein (gerade sowie auch in Danzig) fruchtlos verhandelt. Rostock war dabei vertreten durch den Bürgermeister Luttermann und B. Klinge, denen Schwarzenberg am 4. Dec. seine an Bürgermeister und Rath der Stadt Rostock gerichtete kaiserl. Creditive vom 4. Sept. überreichen ließ (die sich noch im Rathsarchiv zu Rostock befindet). Fruchtlos aber blieben die Verhandlungen vornehmlich darum, weil die Hanseaten kein Vertrauen zu der Habsburgischen Politik hatten und voraussahen, daß sie alsdann mit allen Nachbarn zerfallen, etwanige Kriege deswegen aber allein auszufechten haben würden. Schon mahnte König Christian IV. am 12. Dec. 1627 durch seinen Gesandten Dr. Kratz entschieden bei der Neutralität zu verharren. Er erwarte von seinen Freunden Hülfe, sei aber zum Frieden geneigt und bereit die Vermittelung der Hanseaten anzunehmen. Die Städte mochten erwägen, daß es sich für sie um Religion und Libertät handle; und wenn sie dem Kaiser Beistand leisteten, so würde er mit den Schweden, Engländern und Niederländern eine Macht zusammenbringen, daß es um den hansischen Handel geschehen wäre. Vergebens erklärten die hansischen Deputirten dem kaiserl. Gesandten, sie seien auf seine Propositionen nicht instruirt; Schwarzenberg erinnerte daran, daß nicht umsonst kaiserliche Heere in der Nähe seien. Nur die Vorstellung, lieber den Sommer abzuwarten, da die Schiffe in den fremden Ländern sich auf dem Winterlager befänden und nicht wiederkehren würden, wenn sie diese Botschaft erführen, auch wohl von den fremden Nationen an der Rückkehr verhindert werden möchten, fand so weit Gehör, daß weitere Verhandlungen bis zum Februar 1628 verschoben wurden.

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Inzwischen aber versuchten die Kaiserlichen von den einzelnen Städten Schiffe zu erlangen. Am 19. Decbr. schrieb Schwarzenberg an den Commandanten zu Wismar, den Obersten Daniel v. Hebron, er habe "vff Erforderung Hrn. General=Wachtmeisters (Gordon), vornemblich aber auf Beuelig I. Frstl. Gn. Hrn. Generals, Hertzogen zu Friedlandt" "ehist etliche Schiff von 20 oder 30 Lasten, deren 12 oder wenigist 10 sein sollen", von Wismar "nach Neustadt in Wagerlandt" (in Holstein) "mit gutten Schiffleuthen" abzuschicken. "Vnd saien solche Schiff daselbsten nit vorhanden, wolle der Herr vnverzogenlich nach Rostock senden vnd Befelg geben, daß von dannen so uiel geschicket werden khönnen. Dieselben aber sollen zu der Neustadt nit aufgehalten werden, sondern bald wieder zuruckh gelassen." Da nun, wie begreiflich, die Stadt Wismar "ihre erhebliche Entschuldigungen wegen Mangelung der Schiffen vnd anderer Vrsachen eingewandt", theilte Gordon Bürgermeister und Rath zu Rostock am 11. Dec. obiges Schreiben abschriftlich mit, und "weile dieselben", schrieb er ihnen zugleich, "ihre Schiffarth noch im Meer frei und eine viel größere Anzahl der Schiffen haben, als werden die hern sich dergestalt darauff zue resolviren wißen, daß vorhochgedachte I. F. Gn. der Hr. Generall wie auch I. Exc. der Herr Graf von Schwarzberg daran ein gnädiges Benugen haben mügen." - Doch der Rostocker Rath antwortete am 15. Dec. dem Öb.=Wachtmeister ablehnend: Man habe auf Erkundigung erfahren, "daß dergleichen Schiffe von hinnen auß weinig geführet, sondern fast alle größerer Ladung vnd vber daß eben itzo bei der annoch wehrenden weichen Zeit an die benachbarten orte, dahin sie sicher kommen, für der annahenden beschlossenen Winterzeit noch eine Reise thun konnen, außgefahren sein. Vber das mögen E. g. dienstlich nicht bergen, waßmassen vnsere Schiffer auß der See von unterschiedtlichen orden her, daß sich etzliche streifende Pinken schon sehen lassen, vnd also keine geringe Gefahr sich ereugen soll, advisiret" etc. . -

VII. Warnemünde befestigt und blokirt.

Die Absichten, welche Wallenstein mit Rostock hatte, spricht er von Fehrbellin aus am 15. Nov. in einer Instruction an den Obersten v. Arnim aus (Förster Nr. 67; I, 133): "Rostock und Wismar, sehe der herr, das sie auf solche weis fortificiert werden, auf das sie mitt wenig volck können vor feindts einfellen versichert, und wenn der Pewel oder sonsten böse leit in der statt tumultuiren wolten, im Zaum gehalten; und das muß ein Citadella sein,

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doch das sie sich nicht acorgieren" (daß sie den Zweck nicht merken): "in summa, der Herr wirdts wüssen, wie ers anstellen wirdt; bitt, er eile nur, denn ich kann kein ruhe haben, bis es gericht wirdt." - "Denen von Rostock wird man müssen den Port mit Schanzen spören." Seitdem Wallenstein unsere Gegenden wieder verlassen, ergehen regelmäßig in seinen Briefen an die Obristen die Weisungen, Rostock und Wismar mit Citadellen zu versehen, die Getreideausfuhr zu verbieten und die Meerhäfen der Ostsee gegen die Feinde zu sichern. 1 )

Als Wallenstein die Weisung Warnemünde zu befestigen von Prag am 9. Februar 1628 und aus Gitschin am 27. Febr. 2 ) an San Julian erließ, hatte Arnim bereits die nöthigen Schritte hierzu gethan. Am 10. Februar 1628 schickte derselbe in dieser Angelegenheit den Obristen S. Julian nach Rostock und ließ den Rath auffordern, Deputirte zu diesem zu schicken. Als der Bürgermeister Luttermann, Johann Mars und Joh. Buchius bei ihm erschienen, theilte er ihnen mit, daß, da der Kaiser die Stadt hoch empfohlen habe und ihr in Gnaden gewogen sei, weil sie in der kaiserlichen Devotion geblieben, sie nun von der Einquartierung verschont bleiben solle. Was aber Warnemünde beträfe, dessen müßte man sich für den Kaiser versichern; da man Nachricht habe, daß der Feind (König Christian) sich sehr rüste, so müsse der Ort befestigt und besetzt werden. Dies sollte jedoch nicht geschehen, ohne daß es dem Rathe mitgetheilt sei, nicht mit Gewalt; und man würde gestatten, daß die Schanzen zur Hälfte mit kaiserlichen und zur Hälfte mit Rostocker Soldaten besetzt würden. Es sei dies nöthig, damit man Controle über die Ein= und Ausfahrenden führen könnte, und diese Maßregel würde nach dem Frieden wieder aufgehoben werden. Nachdem im Rathe dieser wichtige Punkt reiflich überlegt war, wurde der Entschluß dem Obristen durch eine Deputation überbracht; er lautete dahin, daß man selbst den Hafen besetzen und eine Schanze bauen wolle. Man hoffe, daß der Obrist Arnim sein gegebenes Versprechen halten würde; man sei bereit, wenn es nöthig sei, noch am selben Tage 100 Soldaten dahin zu schicken und sofort mit dem Schanzenbau anfangen zu lassen. Mit dieser Erklärung aber war S. Julian nicht zufrieden; endlich einigte man sich mit ihm dahin, daß man dieserwegen an den Obristen Arnim selbst gehen wolle. Die Deputirten reisten also am 12. nach Greifswald. Der Rath meldete aber bereits am 15.


1) Förster, Nr. 77, 91, 92 u. s. w.
2) O. Lorenz Briefe Wallensteins in Jahrb. XL, Nr. 3 u. 4.
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an Arnim, daß der Obrist S. Julian mit etzlichen Regimentern aufgebrochen und auf den Flecken Warnemünde marschirt sei, sein Volk in den umliegenden Stadt= und Hospitaldörfern einquartiert und dem Rath angezeigt habe, daß Sr. Gnaden Intention sei, auf Arnims Ordinanz zu Warnemünde eine Schanze anzulegen, und während daran gearbeitet würde, dabei eine Wacht von 300 kaiserlichen Musketieren zu halten. Die Bauern im Amte Schwan seien aufgeboten, mit Schaufel und Spaten in dem Quartier zu arbeiten. Die Deputirten baten anfänglich den Obristen noch, daß die Leuchte stehen bliebe; und obwohl zuerst ein Realwerk gemacht werden sollte, so wurde doch endlich vom Obersten nachgegeben, nur eine vierkantige Schanze zu bauen. Weiter erreichte man nichts. Schon am 2. Februar hatte S. Julian von seinem Hauptquartier Elmenhorst aus von der Stadt gefordert, man solle ihm aus den Universitäts=, Kloster= und Hospitaldörfern 100 Bauern mit Schaufeln, Spaten und Kost nach Warnemünde zum Schanzen schicken. 1 ) Alle Vorstellungen dagegen bei S. Julian blieben erfolglos. Der Schanzenbau schritt rasch vor. Die Bauern mußten Holz und Strauch von allen Orten zuführen und wurden mit Zwang zur harten Arbeit angehalten, die auch Sonntags fortgesetzt wurde. Am 29. Febr. konnte der Obrist schon Wallenstein von Warnemünde aus die Vollendung der Schanze melden; er verhehlte jedoch demselben nicht den ungeheuren Schaden, welcher der Stadt hieraus erwüchse und ihren gänzlichen Untergang herbeiführen könnte. Er rieth deshalb selbst die Schanze mit Stadtsoldaten zu besetzen. 2 ) Am 9. März ertheilte S. Julian dem Rathe ein Patent, daß die Schanze nur zur Vertheidigung gegen die Feinde des Kaisers aufgeworfen sei, und verhieß den Handelsleuten und Seefahrern aller Nationen freie Aus= und Einfahrt, wenn sie nicht Kriegsvorräthe mit sich führten. Dieses Patent wurde zu Rostock und Warnemünde öffentlich angeschlagen. 3 ) - Es war aber vorauszusehen, daß Rostock durch jene Hafenschanze in den schlimmsten Conflict mit Dänemark gerieth.

Von Dänemark hatten einst die Protestanten, hauptsächlich die Partei Friedrichs V., des Winterkönigs, die Wiederherstellung der früheren Zustände gehofft. Es war der vorgeschobene Posten einer großen europäischen Combination gewesen. England und Holland


1) Abschr. Di Elmost à di 2 Feb. 1628, im Rathsarchiv zu Rostock.
2) Abschr. des italien. Orig. und Concept einer deutschen Uebersetzung im Raths=Archiv zu Rostock.
3) Frank XIII, C. VI, S. 66.
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hatten 1625 eine Allianz zur Unterdrückung der spanisch=österreichischen Macht geschlossen, welche durch ihre großen Waffenerfolge noch einmal anfing, in Europa das Uebergewicht zu erhalten, und König Christian IV. war diesem Bündnisse beigetreten. England und Frankreich, dessen Cardinal Richelieu an der Politik Heinrichs IV. festhielt die habsburgische Monarchie zu schwächen, hatten Subsidiengelder zur Führung des Krieges an Dänemark gezahlt. Aber dieses Bündniß mit fremden Mächten hatte Christian IV., der als Herzog von Holstein Vasall des Kaisers und von den Niedersächsischen Ständen zum Kreisobersten erwählt worden war, seinen norddeutschen Bundesgenossen entfremdet; sie hatten sich, wie ihn das Kriegsglück 1626 bei Lutter verließ, von ihm losgesagt. Jetzt sah er sich in seinem eignen Lande von den Kaiserlichen bedroht, die sich der Seehäfen bemächtigten, um ihn von dort aus zu Schiff auf seinen Inseln anzugreifen. Um dies zu verhindern, wandte er sich an die Hansestädte. Bereits unter dem 23. August 1627, von Kolding aus, hatte der dänisch=norwegische Reichsrath den Rath zu Rostock auf die Gefahr aufmerksam gemacht, welche ihnen durch die Päpstlichen und die Ligisten erwachse, indem "sie nemlich den Krieg und ihre äußerste Gewalt nunmehr in diese benachbarte Quartiere geführet mit dem ungezweifelten Vorsatz der Ostsee sich zu nahen und, da möglich, sich derselben zu impatroniren." Der Reichsrath erinnert an die Praktiken, durch welche die Gegner die Stände des deutschen Reiches entzweiet und geschwächt, betont, daß die Rostocker ("so durch Gott und die Natur mit uns in so gute Nachbarschaft gesetzet und conjungiret") die "vor Augen schwebende", gemeinsame Gefahr erkennen und sich nicht durch "der Widerwärtigen listige Praktiken (deren sie jedoch ohne das wohl informirt)" aus der natürlichen Verbindung reißen lassen möchten, da die allgemeine Wohlfahrt nur "durch göttliche Verleihung gegen der Widrigen Partie Macht und Anschläge mit Tapferkeit einig und allein zu erhalten stehe." Die Dänen versichern ihrerseits es an nichts fehlen zu lassen, was zur gemeinsamen Wohlfahrt und Vertheidigung der althergebrachten Libertät dienen könne.

Aber Rostock hatte sich bereits für die Kaiserlichen entschieden, und seitdem Dänemark vom Kaiser für seinen Feind erklärt war, demselben alle Unterstützung entzogen. Dieser Gehorsam der Stadt gegen den Kaiser war nachgerade weltbekannt geworden. Durch die Besetzung Warnemündes war die Neutralität, die Rostock wünschte, völlig unhaltbar geworden. Am 14. Jan. 1628 gelangte an den Rath zu Rostock ein Schreiben vom 28. Dec. 1627, worin

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König Christian von Dänemark notificirte, daß er vermöge Kriegsgebrauchs und Völkerrechts sich entschlossen habe, die "Zufuhr und Segellation" in alle seine Lande "und alle andere Orte und Städte, so vom Feinde occupirt und Garnison eingenommen, gänzlich zu schließen", und alle Schiffe, so dahin zu laufen sich unterstehen würden, so weit er deren könne mächtig werden, durch seine "Auslieger anzuhalten und preis zu machen."

Der König wollte jedoch, bevor er die Feindseligkeiten begann, nochmals den Weg der Unterhandlung betreten. Am 24. Februar erschien ein dänisches Orlogschiff auf der Rhede vor Warnemünde und ging daselbst vor Anker. Auf demselben befand sich der dänische Gesandte Dr. Steinberg, der Aufträge von Christian IV. an Rostock, Stralsund und Stettin bei sich führte. Wie derselbe Warnemünde von den Kaiserlichen besetzt fand, wagte er nicht ans Land zu gehen, sondern ließ durch einen als Kaufmann verkleideten Schiffslieutenant dem Rath sein Creditiv übergeben mit dem Ansuchen, zwei Deputirte aus der Stadt zu ihm aufs Schiff zu senden, um seine Werbung zu vernehmen. Hierauf wurden Herr Johannes Maas, Joh. Bernh. Buchius, Klaus Frese und Hieronymus Roß deputirt, mit dem Befehl, bevor sie zum Orlogschiffe überführen, ihre Absicht erst dem Obristen S. Julian zu eröffnen, damit sie nicht unschuldig in Verdacht gerathen möchten. Der Oberst gab dazu gern seine Einwilligung. Die dänische Werbung, welche Steinberg hatte, beruhte in zwei Forderungen an Rostock: 1) keine kaiserliche Garnison in die Stadt aufzunehmen, und 2) den Kaiserlichen keinen Proviant, Kraut und Anderes verabfolgen zu lassen.

Als man dies dem Obristen bei der Zurückkunft vom Schiffe ebenfalls mittheilte, rühmte er dies sehr hoch und rieth den Rostockern, den Dänen darauf zu antworten: 1) daß es Unrecht wäre, Unterthanen von ihrem Herrn abzuführen, 2) daß sie ihren eignen Nutzen und Schaden nicht ansehen, aber 3) wohl bedenken möchten, ob man der kaiserlichen Armee Widerstand leisten könne.

Auf das Einkommen solcher Resolution einigte man sich dahin, dem Gesandten ebenfalls eine schriftliche Erklärung zu schicken, welche ihm auch am 2. März durch die Deputirten übergeben wurde. Dieselbe mußte jedoch vorher dem Obristen mitgetheilt werden, weil die Vermuthung auf der Hand lag, daß er Alles an Wallenstein berichten würde. Auch erhielt er eine Copie dieser Schrift, welche folgenden Inhalt hatte: Daß man die kaiserliche Garnison durch eine Geldsumme abgehandelt habe; die von S. Julian angelegte Fortification habe man sich freilich verbeten, müsse

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aber der Gewalt weichen; da ihnen jedoch gestattet sei, eigne Besatzung hineinzulegen, so hoffe man, daß der König von Dänemark sich nicht dadurch beleidigt fühlen, sondern ihnen freie Schifffahrt verstatten würde. Munitionslieferungen wären ihnen von den Kaiserlichen nicht zugemuthet, und Proviant würde nur gegen Zahlung verabfolgt, weil man sonst die Dörfer vollkommen ausplündern würde.

Der dänische Gesandte war freilich mit dieser Erklärung nicht zufrieden; aber man mußte es dabei bewenden lassen. Während der Zeit, wo das Kriegsschiff auf der Rhede lag, wurden drei Rostocker Schiffe, aus Dänemark und Schweden kommend, von dem Orlogschiff angehalten, auf Bitten der Deputirten wieder frei gegeben, ihnen aber 1800 fl. abgenommen. Es befanden sich zu dieser Zeit noch 8 oder 9 Rostocker Bergenfahrer auf See, welche theilweise zu Kopenhagen eingebracht wurden. Am 12. März entfernte sich das Orlogschiff und nahm drei fremde Fahrzeuge mit.

Sofort beim Erscheinen des Kriegsschiffes hatte S. Julian nicht nur die schon fortgeschickten Mannschaften wieder zurückgerufen, sondern in Warnemünde allein 2000 Mann und auf den Dörfern 5000 Mann zusammengezogen, wo nun die Bauern wieder große Beschwerden ausstehen mußten, so daß viele von Haus und Hof liefen und sich nach Rostock flüchteten. Dazu wurde der Stadt gegen die Verabredung zugemuthet, Lebensmittel zum Unterhalt der Truppen herbeizuschaffen, was man jedoch nur gegen das Versprechen zusagte, daß dieselben von der Contribution abgekürzt würden.

Am 9. März 1628 kehrte das dänische Schiff, welches den Gesandten nach Kopenhagen zurückgebracht hatte, in Begleitung mehrerer Raubschiffe zurück; sie kreuzten auf der Rhede und nahmen Angesichts der Kaiserlichen verschiedene Rostocker Schiffe weg. Als sie wiederum ein von Lübek kommendes Fahrzeug bei neblichtem, dickem Schneewetter durch 10 Mann in einem Boote fortnahmen, gerieth S. Julian darüber in solchen Zorn, daß er die Wache, die auf der Schanze stand, einziehen und sofort stranguliren ließ. Obwohl der Rath nun an den König und die Reichsrathe schrieb und sich entschuldigte, zu keiner Beleidigung Ursache gegeben zu haben, so wurden dennoch die Feindseligkeiten in verstärktem Grade erneuert. Am 1. April erschien der Unteradmiral P. Mund mit 3 Schiffen auf der Rhede und begann mit Anbruch des Tages eine starke Kanonade auf die Schanze und auf Warnemünde, welche bis Nachmittags anhielt. S. Julian hatte beide

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Bollwerke stark mit Soldaten besetzt, es wurden jedoch nur 2 Mann getödtet. Aber gegen 10 Uhr lief eine große, mit Steinen gefüllte Schute auf den Hafen zu, welche, nachdem sie an das "Hövet" gekommen war, sank, glücklicher Weise aber zu sehr ostwärts getrieben war, so daß sie dem Tief nicht schadete. Um 12 Uhr kam noch eine Schute von 20 Last, mit Steinen beladen, lief rechts auf den Hafen zu, wurde jedoch außerhalb desselben gesenkt. Nach dem Bericht der Seeleute konnte dieselbe wohl wieder, wenn die Kanonade aufhörte, entfernt werden.

In Folge dieser Feindseligkeiten konnte sich kein Schiffer herein oder hinaus wagen, so daß der Handel gänzlich darnieder lag, was in Rostock bei dem gemeinen Mann und den Seefahrern, deren hier im Ganzen 400 vorhanden waren, eine große Niedergeschlagenheit verursachte. Etwa 80 Bootsleute versammelten sich in der St. Johanniskirche und beschlossen eine Deputation an den Bürgermeister zu schicken, um sich einen guten Rath bei ihrer Brotlosigkeit zu erbitten. Es wurde ihnen der Bescheid zu Theil, man wolle an den König, die Reichsräthe und sämmtliche zu Lübek versammelte Hansestädte schreiben; damit mußten sie sich zufrieden geben.

Die geraubten Rostocker Schiffe, deren Werth sich auf über 2 Tonnen Goldes (200,000 Thlr.) belief, wurden von Dänemark dazu benutzt, um Proviant nach Stralsund zu bringen.

Am 22. März wandte sich auf Rostocks Bitte der zu Lübek versammelte Hansetag ("Vereinigtte Stette der Teutschen Hansee") mit einem ausführlichen Schreiben an König Christian. Die Städte erinnerten ihn an ihre bisher bestehenden freundschaftlichen Beziehungen und ersuchten ihn die Blokade von Warnemünde aufzuheben und die aufgebrachten Schiffe zurückzugeben. Sie wünschten sehnlichst die Wiederherstellung des Friedens und hätten soeben beschlossen deswegen an den Kaiser eine Gesandtschaft abzuordnen, der König aber würde durch Freigabe des Handels und der Schifffahrt dazu viel beitragen.

Die Rostocker versäumten auch sonst nichts, um durch Fürschreiben Anderer eine Sinnesänderung beim König v. Dänemark herbeizuführen. Insbesondere sandten sie Bitten um solche Intercession, welche von Empfehlungen der meklenburgischen Herzoge begleitet waren, unterm 29. März, 3. April und 15. Mai an den König Gustav Adolf von Schweden, worauf dieser ihnen am 5. Mai von Landsort aus folgende Antwort zu Theil werden

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ließ 1 ): "Die von ihm verlangte Intercession bei dem Könige von Dänemark zur Aufhebung der Sperre ihres Hafens hätte er wohl bewillgen wollen, und seine Bemühungen würden ihm auch schon gelungen sein, wenn er nicht gedacht hätte, wie Rostock gleich den übrigen Hansestädten verblendet gewesen sei und seine früheren Vorschläge abgelehnt habe; indeß, wenn man ihm nur versichern wolle, daß in ihrem Hafen sich keine Feinde einnisten sollten, und daß sie im Stande wären dies abzuwehren, so werde er schon thun, was ihm als Beschützer der Ostsee gebühre." Gleichzeitig bat der Rath den schwedischen Gesandten Ritter Rasche am 8. Mai um Fürsprache bei Gustav Adolf: "vnd veber das (der König von Dänemark) alle vnsere Schiffe, so in mari Balthico angetroffen, wegknehmen vnd die wahren ins Proviant=Hauß zu Kopenhagen führen laßen, darunter auch der Schiffe, so aus dem Reiche Schweden kommen vnd anhero gewollt, nicht geschonet, da doch der Kaiserlicher Oberster durch öffentlich angeschlagene patenta allen frembden nationen und in spe[cie] den Schwedischen und Dennemarkischen trafiquanten die navigation frei in dieser Stadt Port zu verstatten contestiret" etc. . Unter demselben Datum bittet die Stadt die Königin von Dänemark um ein Intercessionalschreiben an König Christian: "wie hart wir durch Sperr= vnd Senkung vnseres Meerhauens, also abschneidung aller vnserer trafiq vnd nahrung, nicht allein bedruecket, sondern vns auch alle vnsere Schiffe, so dem Reich Dännemark Zufuhr gethan vnd wieder anhero vff der rückreiße geweßen vnd sonsten angetroffen, abgenommen, solches haben Ew. K. M. aus dem weltkundig erschollenen ruff zweifelsfrei genugsamb erfahren." -- Christian antwortete den Rostockern endlich unterm 22. Mai aus Kopenhagen, daß er nur nach dem Völkerrecht handle und wie es sein Kriegszustand erfordere, und daß er die Blokade nicht eher aufheben könne, bis der Hafen von den Kaiserlichen frei, und den dänischen Schiffen die freie Einfahrt gesichert sei. Uebrigens versicherte er seine Friedensliebe. -

Trotz dieser Vergewaltigung Rostocks durch Wallenstein ward in Lübek im Februar noch lebhaft von Schwarzenberg mit den Sendeboten der Hansestädte über das enge Bündniß mit dem Kaiser und das Handelsprivilegium von Spanien verhandelt. Mit beredten Worten versicherte der kaiserliche Gesandte die Städte der Gunst seines Herrn; er erinnerte sie an alle Beleidigungen und Beeinträchtigungen, die sie von England und Schweden erfahren,


1) Gedr. in Rost. Etw., Jahrg. 1740, S. 525.
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an die Schmach des Sundzolls u. s. w.; der Kaiser beabsichtige eben, den alten Flor der Hansa herzustellen. Indessen, wie verlockend und gewinnreich auch die Hoffnungen, welche Schwarzenberg vorspiegelte, klangen: er vermochte nicht das Mißtrauen der Hanseaten zu dämpfen, und Flugschriften wie "der hansische Wecker" nährten es. Sie lehnten das Ansinnen Schiffe gegen Dänemark zu stellen ab, und desgleichen den spanischen Handelsvertrag, weil sie sich den Potentaten, so auf dem Meere mächtig wären und deren Pässe sie gebrauchen müßten, nicht widersetzen oder selbige sich zu Feinden machen könnten. Doch beschlossen sie Ende März, eine Gesandtschaft an den Kaiser abzuordnen und am 1. Sept. 1628 einen neuen Hansetag zu halten. - Trotzdem trug man sich am Kaiserhofe noch mit großen Hoffnungen; ward doch im April Wallenstein zum General des Oceanischen und Baltischen Meeres ernannt ! - Inzwischen aber nahmen Meklenburgs Geschicke eine Wendung, durch welche Rostock mit dem Herzog von Friedland anderweitig in eine viel beängstigendere Beziehung trat.

VIII. Pfandhuldigung der Stände.

Die Rückreise Wallensteins von dem dänischen Feldzuge im November 1627 nach seiner Residenz Gitschin ging über Prag, wo die ersten Verhandlungen mit dem Kaiser wegen Meklenburgs stattfanden. Sein Aufenthalt war von Erfolg gekrönt, bereits am 20. Dec. konnte er Arnim melden, daß in wenigen Tagen eine Mutation mit selbigem Land vorgehen würde. 1 ) Endlich am 15. Januar 1628 schrieb er an denselben: "Mit Mechelburg die sach ist schon in der Feder, in kurzem wirds ausbrechen." - Ferdinand hatte von seinen Räthen ein Gutachten verlangt. Aber es gab am Hofe zwei Parteien. Die starken Gegner Wallensteins hatten dem Kaiser abgerathen, die Herzoge von Meklenburg wider die Bestimmung der Wahlcapitulation ohne Verhör und Proceß ihres Landes zu entsetzen. Endlich jedoch siegte die Wallensteinsche Partei und geistlicher Einfluß, indem diese Partei dem Kaiser vorstellte, die Ueberweisung Meklenburgs an Wallenstein sei eine Gewissenssache, weil dadurch der Katholicismus befördert werde (machte doch Wallenstein damals den Jesuiten Hoffnung auf das Stift Bützow und auf die Gründung zweier Collegien für sie in Rostock und Wismar!), weil auch die Gerechtigkeit die Bestrafung der mekl.


1) Förster B. I, 169.
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Herzoge verlange, und endlich, weil der Kaiser sich dadurch der Verpflichtungen gegen den Herzog von Friedland entledigen könne. Diese Partei setzte dem Kaiser so lange zu, daß er endlich am 19. Dec. 1627 1 ) den Herzog von Friedland zu Brandeis in Böhmen auf seinem Schlosse zu einem Reichs=Fürsten erhob und ihm die Lehen über das Herzogthum Meklenburg wie auch das Fürstenthum Sagan in Schlesien ertheilte; "und haben Ihre Maj., als sie Tafel gehalten, und der Hertzog aufgewartet, ihn als einen regierenden Hertzog von Mecklenburg den Hudt aufsetzen heißen." 2 ) Unterm 26. Januar wurde dann auch der Kaufbrief über Meklenburg ausgestellt, demzufolge die herzoglichen Brüder Adolf Friedrich und Johann Albrecht ihrer Lande entsetzt, und Wallenstein "obangeregtes Herzogthumb Meckelburg, Fürstenthumb Wenden, Grafschaft Schwerin, Herrschaft der Lande Rostock und Stargart, und in Summa der ganze stato, den erstbesagte Herzogen sonsten besitzen, mit aller Landsfürstlicher Hoheit, Superiorität, Jurisdiction und Regalien, sambt allen Ein= und Zugehörungen, Recht und Gerechtigkeiten, aus römischer Kaiserl. Macht und Vollkommenheit, wissentlich und in Kraft dieses Briefs, dergestalt zu einem rechten, wahren und beständigen Kauf überlassen" (werden), "daß unerachtet der hohen Landesfürstlichen Dignität, Präeminenz, Jurisdiction und Regalien, so gegen andere billich gar hoch zu ästimiren und zu halten wären, dennoch sein, Unsers Oheimbs und Herzogs zu Friedland L., seiner Weltkündigen, uns erwiesener ersprießlicher und rühmlicher Dienst halber, dieselben frey, zu einem Voraus, und ohne allen Anschlag, haben und halten, und nur allein die Einkommen, und Entraden, gedachter Herzogthumb, Fürstenthumb, Grafschaft, Herrschaft und Länder gegen vier per Cento zu erkaufen und uns zu bezahlen schuldig seyn solle."

Gleichzeitig belehnte der Kaiser in einem andern Briefe Wallenstein mit Meklenburg und gestattete ihm die künftige Successionsordnung festzustellen. Außerdem verpfändete er seinem Generalissimus um 750,000 fl. das Bisthum Schwerin und die sonstigen geistlichen Stifter in Meklenburg. 3 ) -

Jener Kaufbrief ward aber geheim gehalten, öffentlich nur von einem Pfandbesitz geredet. In einem Patent an die Meklenburger vom 1. Febr. erklärte der Kaiser, das Land zu Handen genommen zu haben, "biß wir des angewandten schweren Unkostens


1) S. jetzt Gindely, Wallenstein 1625=30 I, S. 365, A. W.
2) Khevenh. XI, 67 ff. Förster, W.'s Briefe I, 188 f. Jahrb. 40, S.93 f.
3) Gindely, S. 367. W.
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und Schadens Abtragh von denjenigen Landen und Herrschaften, so dazu Ursach gegeben, vollenkömblich erlangen"; und da der Herzog von Friedland durch Tapferkeit und gehabte Auslagen sich hoch verdient gemacht, "haben wir vmb eines theils solches Kriegs Unkosten, auch erst angeregte angenehmen Dienst willen, wie nicht weniger, damit wir uns dieses Landes desto besser versichern und dergleichen Gefahr hinführo nicht mehr zu besorgen haben mögen, obgedachtes Fürstenthumb Meklenburg. . . S. L. zu einem Unterpfande eingesetzet" - Frhr. Joh. Altringer und der Rath v. Walmerode erschienen als kaiserliche Commissare, um die Meklenburger des Eides gegen ihre Herzoge zu entbinden und dem Wallenstein huldigen zu lassen; Letzterer ernannte zu seinen Abgeordneten den Obersten San Julian und zwei Rechtsgelehrte.

Am 1. März 1628 erging von den Kaiserl. Commissarien eine schriftliche und gedruckte Edictal=Citation, worin der Rath der Stadt Rostock besonders und insgemein die Ritterschaft, Städte und Stände Meklenburgs zum 23. März bei Verlust aller ihrer Privilegien und Eigenthums citirt wurden zu Güstrow zu erscheinen. Die Citation wurde am 12. März zu Rostock eingereicht, und sofort die beiden Bürgermeister M. Tancke und Joh. Schütte nebst dem Rathsverwandten Val. Strelenius abgeschickt mit der Instruction, die Proposition anzuhören und darüber zu referiren. Am 24. März machten die Kaiserl. Commissare im Beisein der Räthe des Herzogs von Friedland die Proposition, welche darauf hinausging, daß der Kaiser jure retentionis wegen der von dem Herzoge von Friedland aufgewandten großen Kriegskosten demselben und dessen Erben dies Land Meklenburg anvertrauen lassen, um dasselbe so lange zu behalten, bis solche Unkosten vollkommen wieder gehoben und eingenommen seien; sie haben deswegen alle Unterthanen ihrer Eide und Pflichten entlassen, und befohlen, dem Herzoge zu Friedland alsbald zu huldigen u. s. w. Nachdem die Kaiserl. Commission öffentlich verlesen war, wurde dieselbe von den Friedländischen Gesandten acceptirt, welche darauf auch ihre Instruction verlesen ließen. Die Ritterschaft aber bat um Aufschub und ersuchte ihre angestammten Herzoge nach Güstrow zu kommen. Es ist bekannt, welche Anstrengungen und Anerbietungen die Stände nun machten, um die Pfandhuldigung abzuwehren, und mit wie wenig Erfolg. Sie sahen sich schließlich doch zum Huldigungseide genöthigt.

Die Rostocker Abgesandten zogen sich alsbald zurück und berichteten den Verlauf nach Hause, wo ausgemacht wurde, daß der Eid durch Deputirte zu Güstrow abgelegt werden sollte. Die dahin

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Abgeschickten kamen jedoch mit der Antwort zurück, man werde ihnen den Eid zu Hause abnehmen. Am 8. April kamen die Friedländischen Commissarien Statthalter San Julian, Dr. Lüders, Balthasar Moltke, Gregorius Bevernest und Dr. L. Stephani mit 40 Pferden nach Rostock, worauf am 9. der Rath und die Bürgerschaft ihnen auf dem Rathhause denselben Eid leisteten, wie die Ritterschaft gethan hatte. -

IX. Die Gesandtschaft an den Kaiser und an Wallenstein.

Im Januar 1628 waren die Verhandlungen mit Arnim wegen der Contribution noch nicht zum Schluß gekommen. Deshalb verwandten sich die meklenburgische Ritterschaft und die Stadt Lübek bei Wallenstein und dem Kaiser, Rostock mit Einquartierung zu verschonen und die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Da ferner auf dem Hansetage zu Lübek ausgemacht war, daß jede Stadt dem Kaiser ihre Wünsche und Beschwerden selbst vortragen sollte, so entsandte Rostock den Bürgermeister Luttermann und Dr. Th. Lindemann, welche am 23. Februar 1628 mit der Stadtkutsche von Rostock abfuhren, am 4. März in Leipzig eintrafen und über Dresden Prag am 12. erreichten. Ehe sie nach Gitschin weiterreisten, sprachen sie jedoch erst mit dem kaiserlichen Rath v. Stralendorf, dessen Förderung sie empfohlen waren. Am 15. reisten sie dann von Prag nach Gitschin, wo sie am 17. anlangten. Alsbald übergaben sie ihr Creditiv und wurden darauf zu Mittag hinauf zu der freien Tafel geladen; der Herzog speiste in seinem Privatzimmer, weil er durch den Genuß von Fleischspeisen während der Fasten kein öffentliches Aergerniß erregen wollte. Am Nachmittage ertheilte er ihnen Audienz. Er war ziemlich wohl disponirt und hörte gnädig ihre Proposition folgenden Inhalts an:

1) die vertröstete Assecuration, daß die Stadt und deren Land= und Hospitalgüter von der Einquartierung entfreiet sein sollten, zu ertheilen.

2) bitten die Deputirten, S. F. G. wolle geruhen, die dem Obersten von Arnim angebotenen 100,000 Thlr. zu acceptiren und zu deren vollkommener Abstattung eine ziemliche Frist gnädigst zu indulgiren. Sie bitten

3) die in der Stadt Rostock und in allen benachbarten Städten über Menschen Gedenken auch annoch übliche Accise und Tiefgeld gleich andern Städten nach Gelegenheit der jetzigen großen Noth zu verhöhen und Rostock ungehindert gegönnet bleiben zu lassen.

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4) daß ihnen die Schanze zu Warnemünde eingeräumt werden möge, um sie mit ihrer Soldatesca zu besetzen, welche I. F. G. und der Stadt schwören sollte.

5) daß während des Krieges die freie Schiffahrt allen verwandten Hansestädten nicht allein, sondern auch Schweden, Dänen und anderen Völkern ungehindert vergönnt werden möge.

6) keinen heimlichen und verbotenen portus außerhalb der ordinarii alten privilegirten Meerhäfen Rostock und Wismar Jemand zu gebrauchen zu verstatten.

Hierauf äußerte Wallenstein seine Meinung folgendermaßen: er wolle sie nicht nach Hofart von Herodes zu Pilatus schicken, sondern ihnen seine Resolution kurz andeuten. Zuerst versicherte er ihnen, daß es niemals (!) seine Meinung gewesen sei, Rostock mit Einquartierung zu belegen, er sei vielmehr auf der Stadt Bestes bedacht. Darum hätte die Rostocker in diesem Punkte nichts zu besorgen. Die Erlassung der 40,000 Thlr. betreffend, wolle er sich bedenken. Wie sie aber weiter anhielten, erklärte er gnädig, er wolle Alles dem v. Arnim anheim stellen.

Die Beförderung der Accise beim Kaiser betreffend, so sei seine Meinung, daß er ihnen in allen Punkten Satisfaction widerfahren lassen wolle, wenn er nach Meklenburg käme, und daß sie garnicht nöthig hätten, beim Kaiserlichen Hofe etwas dieserhalb zu suchen, denn sie wüßten doch wohl, daß ihm Meklenburg übergeben sei; wenn er dahin käme, so wolle er sich informiren und, soviel er könne, helfen, wie sie auch in Bezug auf die Landescontribution nicht über die Gebühr beschwert werden sollten.

Ueber ihr Gesuch wegen Wiedereinräumung der Schanze hätten sie sich wohl zu bedenken; denn es könnte leicht geschehen, daß ihre Officiere gleich dem Magdeburgischen Capitain zum Schelm würden, sich bestechen ließen und dem König von Dänemark die Schanze übergäben. Dann würde es aber heißen:

Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim.

Er wolle, wenn er hinunterkäme, den Sachen weiter nachsinnen; jedoch solle die Nahrung frei bleiben, und er wolle sich an Ort und Stelle nach der Richtigkeit ihres Berichts erkundigen.

Wie sie abermals in Betreff der Accise dem Fürsten andeuteten, daß die Rostocker wohl berechtigt seien, dieselbe anzulegen, aber doch beim Kaiser um Confirmation ihres Privilegiums anhalten wollten, ließ er sich vernehmen, daß dieses Vorhaben einen Widerspruch in sich enthielte; denn er sei selbst geneigt ihnen zu helfen. Und er brauchte dabei die tiefsinnigen Worte: Amor et

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dominium non patiuntur socium. Daneben ließ er weiter merken, daß, wenn sie dieserhalb oder sonst Etwas beim Kaiser suchen würden, sie doch keinen Bescheid bekommen sollten. 1 )

Am Mittwoch, 19. März, Vormittags wurden sie wieder gefordert. Die Gesandten nahmen Gelegenheit weiter von der Befreiung von der Landescontribution zu reden und dem Fürsten die Unbilligkeit des Verlangens zu Gemüthe zu führen. Nachdem er solches bei sich erwogen, ließ er sofort den Secretair holen und befahl demselben in der Gesandten Gegenwart ein Schreiben an Arnim auszufertigen: Weil die Rostocker zur Kaiserlichen Armee absonderlich contribuirten, so wäre es unbillig, daß sie zur Landescontribution noch Etwas geben sollten, deswegen die Stadt nebst Land= und Hospitaldörfern davon exempt seien. Gegen Mittag wurden die Deputirten vom Fürsten zur Tafel gefordert und ihnen dabei angedeutet, daß eben ein Schreiben von San Julian angekommen sei. Die Gesandten waren im Begriff sich zu verabschieden, als Wallenstein ihnen das Schreiben von San Julian zeigte, worin derselbe meldete, daß der Pöbel und die Seefahrer zu Rostock sich bei 2000 zusammengerottet und den Kaiserlichen gedroht hätten, sie wollten die Schanze zu Warnemünde, sobald sie Hülfe von den dänischen Schiffen erhielten, niederreißen und die Soldaten daraus entfernen. Ueber den Bescheid des Raths an den dänischen Gesandten Dr. Steinberg, welchen er ihnen vorlas, äußerte er sich zufrieden. Die Ritterschaft wurde von San Julian beschuldigt, das Land zum Aufstand reizen zu wollen. Hierüber zeigte sich Wallenstein sehr entrüstet und drohte mit harten Worten, es hätten sich die guten Herren wohl vorzusehen. Die Deputirten berichteten darüber nach Hause: "Wir mögen fast nicht schreiben, wie gar gefährlich es von dieser Stunde an mit unserm gnädigen Fürsten und Herrn stehet. Wir beklagen die guten Herren. Gott verzeihe es denen, die es anders hätten dirigiren sollen! Man wird in wenig Tagen große Veränderung erleben. Wir bitten inmittelst, E. E. Rath wollte die ehrliebende Bürgerschaft zu guter discretion und patientz ermahnen." Der bei der Rückkehr der Deputirten verfaßte amtliche Bericht sucht den Zorn Wallensteins, wo nicht direct zu leugnen, so doch abzuschwächen, indem er erklärt, er sei darüber nicht sehr alterirt gewesen, während die unter dem ersten Eindruck nach Hause ge=


1) Daß Wallenstein in seinen Fürstenthümern selbst die Einsprache des Kaisers nicht duldete, darüber vgl. O. Hunziker, Wallenstein als Landesherr, Zürich, 1875, S. 46 ff.
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schriebenen Briefe den furchtbaren Eindruck und das Gefährliche der Situation deutlich erkennen lassen.

Obwohl der Zweck ihrer Gesandtschaft soweit erreicht war, das die von Wallenstein erlangten Schreiben an Arnim und San Julian bis zur Unterschrift ausgefertigt waren, so wurde bei dieser Nachricht die vollkommene Ausfertigung verboten, bis mit nächster Post weitere Zeitung angekommen wäre. Den Gesandten wurde befohlen, sich während dieser Zeit in Prag aufzuhalten. Wallenstein antwortete dem Obersten San Julian unterm 2. April: "Aus des Herrn Schreiben von Warnemündt, den 5. Marcii datirt, hab ich vernommen, was der poeuel in der statt Rostock vor die handt zu nehmen sich unterstehen will, wie der König nicht unterlest, sie durch seine gesandten zum ungehorsam zu solicitiren, auch was der adel sich vor impertinenzen anzufangen verlauten lest. Diesem allem vorzukommen ist dies mitl: der herr halte bey dem Ob. von Zieman an vmb mehr Volck, im fall, daß diese zwey Regiment des Torquato undt Farensbach nicht genug sein. Der herr sehe, daß in continenti die bürger zu Rostock disarmirt werden und ein Citadellen angefangen; dies soll auch zu Wismar geschehen; dahere ich denn den herrn aufs fleißigste bitten thue, er wolle keine Zeit verliehren, sondern ohne eine einzige mora dies ins Werck richten; ihre Abgesandten seindt noch dahie." - - -

Am 21. März langten die Deputirten wieder zu Prag an. Am 24. hatten sie beim Geh. Rath Frh. v. Stralendorf 1 ) Audienz. Derselbe war Rostock wohl gewogen und betrauerte tief die jetzt vor sich gehende Veränderung in Meklenburg. Er erklärte, es würde der Herzog von Friedland bei allem ihrem Ansuchen sein eigenes Interesse, so er nunmehr am fürstlichen Hause Meklenburg hätte, in Acht nehmen, und hätten sie sich deshalb vorzusehen, beim Kaiser Etwas zu suchen, wodurch er beleidigt werden könnte, denn es würde ihm Alles hinterbracht werden.

Am 26. März wurde den Rostockern auch eine Audienz beim Kaiser verstattet. Derselbe erinnerte sich der Abschickung Heinrich Husan's und ihrer darauf eingekommenen allerunterthänigsten Erklärung; er habe an ihnen nichts Anderes als Treue und Gehorsam verspürt, er wolle sie in seinen Schutz nehmen und ihr gnädigster Kaiser sein und bleiben. Was sie auch für Anliegen hätten,


1) Der Vice=Canzler Pet. Heinr. v. Stralendorf war ein Meklenburger Edelmann. Sein Vater Leopold war in Folge eines von ihm in Wien geführten berühmten Processes dem Kaiser Rudolf II. bekannt geworden, der ihn zum Reichs=Vicekanzler erhob.
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solche sollten reiflich überlegt werden, und sie darauf gnädigste Resolution erlangen. Sie konnten jedoch nicht Alles, wie sie wohl wünschten, proponiren, weil sie wußten, daß es Wallenstein doch hinterbracht werden würde, und derselbe sie gewarnt hatte, daß sie wohl bedenken sollten, Etwas nachzusuchen, was gegen seine ihnen bekannte Meinung sei.

Den 28. März ließ Wallenstein die Deputirten wieder zu sich fordern und sprach ausführlich mit ihnen über seine beabsichtigten Friedensverhandlungen. Ferner redete er von den Mitteln, durch einen Kanal die Ost= und Nordsee zu verbinden, und entdeckte ihnen seinen Plan, den Kanal von Schwerin nach Wismar zu vollenden. Bei dieser Gelegenheit kam er auf die Gesandtschaft Schwarzenbergs an die Hansestädte zu reden, dessen Heftigkeit er mißbilligte, indem er andeutete, er wolle, daß Städte nur sich gegenseitig näherten. In diesem Falle wolle er schon fordern, daß der Graf abberufen würde. Er sähe es gern, daß die Hansestädte Gesandte an ihn abschickten und den Frieden und freien Handel forderten; denn er könne leicht einsehen, daß die Städte mit Spanien sich nicht einlassen würden. Als die Deputirten seine Politik hoch lobten und u. A. erwähnten, daß bei den Friedensverhandlungen auch ihrer Herzöge gedacht werden, und sie wieder zu ihrem Fürstenthum kommen würden, wollte Wallenstein nichts davon hören. Die Deputirten unterließen auch bei dieser Gelegenheit nicht, die Erlassung der 40,000 Thlr., wie auch eine schriftliche Versicherung wegen der Einquartierung zu fordern, worauf er bei dem Punkte der Remission motu capitis pro more suo suspensivum, wo nicht gar obnutivum angedeutet. Wegen der Einquartierung äußerte er, wann es ratio belli erforderte, so legte er die Soldaten auch wohl auf den Altar. Sie könnten jedoch deshalb ein Memorial an die Kanzlei einschicken.

Die Gesandten wurden von Tag zu Tag aufgehalten, weil man erst Nachricht über den Verlauf des mekl. Landtages haben wollte, ehe man sie entließ. Sie schrieben nach Hause: "Hätten wir die Botschaft San Julians vor unserm Aufbruch erfahren, so wollten wir lieber den syrraxim in loco erwarten. Wir sehen unsere Gefahr schon vor Augen, wollen aber nicht hoffen, daß E. E. R. uns in Gefahr stürzen lassen werdet. Jedoch ist Alles gut gemeint. Wir wollen ferner unser Bestes thun." - Am 9. April kam endlich die erwünschte Nachricht an, daß die Huldigung schon geschehen sei, worauf nun Wallenstein die Rostocker fordern ließ und ihnen hiervon Anzeige machte, sowie, das ihre

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Abreise nunmehr erfolgen solle. Dabei berichtete er ihnen die Einwände der Landschaft wegen Confirmation der Privilegien und der Religion, indem er erklärte, er wolle dieselbe wider ihre Privilegien nicht beschweren, auch in der Religion keine Aenderung vornehmen. Er begehre niemand zur Religion zu zwingen, er habe mehr Evangelische als Katholische in seiner Armee, und wäre ihm der Arnim, trotz dessen er ein eifriger Lutheraner sei, ebenso lieb als San Julian, der Katholische. Die Religion gebe und nehme der Aufrichtigkeit nichts. Er fügte noch hinzu, der König von Spanien hätte vorlängst besser gethan, wenn er den Niederländern das Privilegium libertatis religionis oder libere zum Teufel zu fahren gegeben hätte.

Am andern Tage ließen sich die Deputirten im Vertrauen von dem Cancellarius den auf ihr eingereichtes Memorial erfolgten Befehl Wallensteins zeigen, welcher lautete, daß man ihnen ein Schreiben an Arnim und San Julian mitgeben sollte in diesem Sinne, daß sie mit Einquartierung verschont bleiben sollten, wenn nicht ratio belli das Gegentheil erfordere. Item sollten sie von der Landescontribution eximiret sein. Dabei berichtete der Cancellarius, Wallenstein habe sich wegen der Erlassung der 40,000 Thlr. erklärt, bis Michaelis wäre zu lange, aber bis Johannis möchte sein. Weil Wallenstein den 11./21. "confitiret", unterblieb die Ausfertigung den Abend. Nichts destoweniger kamen die Gesandten noch nach 7 Uhr zu ihm. Er fragte sie besonders nach der Fürstinnen Leibgedingen; weil sie davon aber keine genaue Nachricht geben konnten, und der Rittmeister Petersdorf eben draußen wartete, so verwiesen sie auf diesen, den der Fürst auch darauf hereinrief und über eine Stunde mit ihm sprach. Den 12. verlangten sie abermals ihre Beförderung und empfingen zuletzt die Copie eines Schreibens an San Julian. 1 ) Obwohl dasselbe mit


1)           Albrecht etc. .
Wohlgeborner, besonders lieber Herr Obrister, Vnnß haben Vnser Statt Rostock Ageordnete zuuernehmen geben, vnangesehen Sie auf daß Kay. Volck in der Statt contribuiren auch â parte eine ansehnliche Summa geldes zu geben bewilliget, gleichwol der Statt zum Land auch zu contribuiren auferlegt werde, Welches Wir Ihnen beschwerlich zu sein erachten.
Wird derowegen der Herr darob sein, daß ermeldte Statt Rostock neben Ihren Hospitalen= vnd Landgütern von dero Lands=Contribution exempt, wie auch mit einlosierung des Kriegsvolckes verschonet werden möge, woferne nur ratio belli nicht ein anders erfordert. Also wollen Wir auch, daß man mit einforderung der restirenden Neuntzig Taufend Reichsthaler biß zu ynser Ankunfft temporisire. Wie Er dann den (  ...  )
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dem vorigen Concept nicht völlig übereinstimmte, so wagten sie doch nicht um eine Aenderung anzuhalten. Endlich am 14./24. April begaben sie sich auf die Rückreise und gelangten am Freitag vor Misericordias domini (25. April/5. Mai) in Rostock an.

X. Verhandlungen mit Stralsund. 1 )

Im Herbste 1627 hatte Arnim Pommern besetzt, dem Herzoge Bogislav jedoch, welcher an dem dänischen Kriege keinen Theil genommen hatte, die Regierung gelassen. Die Städte Stettin, Wolgast, Cöslin und Damm sollten mit Einquartierung verschont bleiben, während man Stralsund dieselbe zumuthete. Diese Stadt weigerte sich, ließ sich jedoch auf Unterhandlungen mit Arnim ein, welcher erklärte: "wofern die Stadt mit der Einquartierung verschont werden wollte, würde sie eben das thun müssen, was Rostock sich bereits erboten habe und ferner thun müßte (also 140,000 Thlr. geboten); und wenn Stralsund sich desgleichen erbieten würde, wollte er Alles des Herrn Generals F. G. im Besten referiren." Die Stadt erbot sich jedoch nur zu 30,000 Thalern.

Am Schlusse des Jahres 1627 war ihr das herzogliche Steuer=Edict zugesandt worden; da es aber unbillig und unmöglich schien beide Lasten - Loskaufung von der Einquartierung und Steuer - einer Ursache wegen zu tragen, so hatte man am letzten Tage des Jahres dem Protonotarius Joh. Wahl aufgetragen, dagegen zu appelliren, zumal da die der Stadt zuertheilte Steuer schon am 2. Januar zur allgemeinen Landeskasse eingesandt werden sollte. Da Arnim in seinen Forderungen sich auf das Beispiel der Stadt Rostock berief, so ward jener Protonotarius Wahl dahin abgefertigt, sich genau zu befragen: 1) wann, wie und gegen welche Quittung Rostock die erste Summe (14,000 Thlr.) erlegt habe? 2) was darüber für eine Vertröstung und Quittung


(  ...  ) sachen nichts zu thun wißen wird. Geben zu Prag, den 22. Aprilis Anno 1628.
An Obr. von
S. Julian.

Collationatum et concordat
     
cum originali. Testor id     
Georg Graff ab Ehrenfeld     
Secretarius m. ppria.     

1) Vgl. Zober, Gesch. d. Belagerung Stralsunds, 1828.
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vorhanden sei? 3) ob Rostock zu der kaiserlichen Armee ins Land aus der Stadt steure? 4) ob es von den Landgütern oder von ihrer Bürger Gütern geschehen? 5) ob Rostock bei seiner gewissen Quota verbleibe? und 6) ob Schiffe von Rostock begehrt worden, wie es von Stralsund im Namen des Obersten Götze geschehen?

Nach 4 Tagen kehrte Wahl von Rostock zurück und überbrachte als Antwort, daß diese Stadt sowohl von dem Herzog von Friedland als von dem Grafen von Tilly nur die Vertröstung bekommen, daß sie mit der Einquartierung verschont bleiben sollte, statt aller übrigen Versicherungen aber nur eine Quittung für die bezahlten 14,000 Thlr. erhalten habe und bald darauf ebenfalls noch über 10,000 Thlr. Auf den 3. Punkt ward von den Rostockern geantwortet, es wäre unrecht und von ihnen nicht verlangt worden, daß sie doppelte Lasten tragen sollten; auch wären bisher keine Schiffe von ihnen gefordert; dem Lande gäben sie ihre Quota, nämlich den 12. Theil.

Mitten in den Verhandlungen hatte sich nun aber Arnim des Dänholms bemächtigt und fuhr fort die Stadt zu bedrängen. Es half den Stralsundern nichts, daß sie am 12./22. Febr. jene 30,000 Rthlr. an Arnim zahlten; denn Wallenstein schrieb diesem am 27. Febr. 1628: "Der Herr muß sehen, die von Stralsund mit ernst angreifen und nicht eher weck ziehen, bis sie ein stark guarnizon eingenommen haben; denn ich will nicht dazu kommen lassen, das sie etwas wieder uns erhalten undt dadurch sie und andere ihres gleichen herz fassen und ungebührlichkeiten anfangen." (Förster, Br. I, 212.)

Am 18. April kam der Rostocker Rathsherr Joh. Maaß in Stralsund an, um im Namen seiner Stadt einen Mittler zwischen ihr und dem Obersten v. Arnim abzugeben. Nur durch Vermittelung des kaiserlichen Obersten S. Julian hatte Maaß von dem aufgebrachten Arnim die Erlaubniß erhalten, zu versuchen, ob die Stadt sich auf gütliche Unterhandlungen einlassen und nachgeben wollte. Das Erscheinen dieses Rostocker Abgesandten war aber nur die Folge eines unüberlegten Schrittes des von Stralsund nach Lübek abgesandten Joach. Martens, der aus Besorgniß für seine Vaterstadt, ohne dazu bevollmächtigt zu sein, den Rostocker Rath um Vermittelung ersucht hatte. Der Stralsunder Rath konnte sich auf den Antrag des Rostocker Abgesandten nicht bestimmt erklären, da seine eigenen Deputirten vom Hansetag zu Lübek noch nicht zurück waren; dessenungeachtet gab er Maaß eine ausführliche Antwort, worin sich die schon oft angeführten Klagen

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wiederholten, und die Stadt Rostock ersucht ward, mit Lübek und Hamburg gemeinschaftlich die Vermittelung mit Arnim zu übernehmen.

Dazu erklärte sich Rostock bereit und bat zugleich Arnim, den Ort zu bestimmen, wo eine Zusammenkunft stattfinden solle. Am 8. Mai erschienen Maaß und Abgeordnete von Lübek und Hamburg zu Stralsund auf Einladung des dortigen Raths. - Aber die Entscheidung erfolgte auf anderm Wege.

Rostock hatte die Hülfe Dänemarks und Schwedens zurückgewiesen; Stralsund dagegen, durch dieses Beispiel gewarnt, ergriff bereitwillig die dargebotene Hand und erwarb sich unsterblichen Ruhm.

Von den Hansestädten durfte Stralsund keine Hülfe erwarten; vergebens versuchte Gustav Adolf sie mit fortzureißen, und die 15,000 Rthlr., welche die Hansa Stralsund versprach, sind erst im September erfolgt, nachdem die Entscheidung bereits gefallen war. Alle Stürme, die Wallenstein Ende Juni und im Juli auf Stralsund persönlich unternahm, blieben ebenso erfolglos wie seine Unterhandlungen; und da neue Hülfstruppen aus Dänemark und Schweden anlangten, sah er sich veranlaßt, am 14./24. Juli abzuziehen.

Vom 17./27. Juli bis zum August weilte er in seiner Residenz zu Güstrow, von wo ihn die gefährliche Landung der Dänen bei Wolgast wieder auf den Kriegsschauplatz rief. Die Flucht der Dänen veranlaßte einen erneuerten Angriff auf Stralsund. Arnim zog wieder ins Gebiet der Stadt und hielt sich bis Anfang Octobers in Mützkow eine starke Meile von den Wällen entfernt, während welcher Zeit er vergeblich sich Stralsunds durch Verrath zu bemächtigen suchte.

XI. Wallenstein zwingt Rostock zu capituliren.

Nicht umsonst schien Wallenstein am 27. Febr. Arnim geschrieben zu haben, er dürfe von Stralsund nicht ablassen; sonst würden "alle anderen stett ihnen nachfolgen und vermeinen, ist es diesen hingangen, das diese auch recht dran thun, wann sie sich zur wehr stellen." - Da Wismar bereits eine kaiserliche Besatzung hatte, scheinen jene Worte besonders auf Rostock hinzuzielen.

Vor Stralsund hatte Wallenstein erfahren, wie eifrig Rostock an seinen Befestigungen arbeitete; er hatte jedoch geglaubt, daß dies auf S. Julians Befehl geschehe. Da er nun aber aus dessen

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eigenem Munde hörte, daß dem nicht so sei, so ließ er es verbieten. Argwöhnisch fürchtend, das erfolgreiche Beispiel Stralsunds möchte die Rostocker nun zur Nachahmung aufreizen, hielt er es jetzt für den geeigneten Zeitpunkt, seine schon lange gehegte Absicht auszuführen, sich dieser seiner Stadt zu versichern. Er bediente sich zu diesem Zwecke einer List, um die Rostocker um ihren Proviant zu bringen und dadurch für jeden längeren Widerstand unfähig zu machen.

Nämlich nachdem er, in Stralsunds Nähe überall starke Besatzungen zurücklassend, aus dem Hauptquartier zu Mützkow mit 6 Regimentern zu Fuß, auch Cavallerie und Artillerie, aufgebrochen war, ließ er am 8./18. October die Rostocker durch den Statthalter Wingiersky benachrichtigen, daß er durch Meklenburg nach Holstein zu marschiren beabsichtige, und sie zur Verproviantirung der Armee rechtzeitig 10,000 Pfd. Brot und 100 Tonnen Bier nach Tessin schicken möchten. Ein anderes Schreiben vom 19. forderte die Stadt auf, ebensoviel nach Schwan zu senden, mit der Versicherung, daß man dafür erkenntlich sein würde. Dem Befehle wurde von dem nichts ahnenden Rathe und der Bürgerschaft nachgekommen. Außerdem wurde Bespannung für die Artillerie und Ausbesserung der Brücken begehrt, konnte jedoch nicht bewilligt werden. Jeder glaubte, der Marsch würde vorbeigehen, zumal Wallenstein gegen die bei ihm weilenden Rostocker Gesandten geäußert hatte, er wolle nach Holstein, um die Stadt Krempe zu nehmen und damit noch vor dem Winter dem dänischen Kriege ein Ende zu machen. Nachdem der Einmarsch in Meklenburg über Tribsees aufgegeben war, weil das Wasser daselbst gestiegen, erfolgte derselbe am 12. October zwischen Damgarten und Ribnitz, und bei Volkenshagen diesseit Ribnitz wurde bivouakirt. Am 13. wurde der Marsch auf Schwan fortgesetzt, wo Wallenstein zwei Tage, am 14. und 15. October, Halt machen ließ, bis die ganze Armee nachgefolgt wäre. Die Rostocker waren um so sicherer, da noch am selben Tage Altringer und andere hohe Officiere mit Einigen vom Rath Conferenz gehalten hatten. Am folgenden Tage hieß es, man könne die Kanonen nicht an der bestimmten Stelle durchbringen und müsse deshalb den Weg zurück und näher bei der Stadt nehmen; auch zeigten sich einige Reiterschaaren in der Nähe der Thore. Hieraus glaubte man schließen zu dürfen, daß die Armee jetzt langsam vorbeimarschiren würde. Allein bald wurde die Stadt durch allerlei Gerüchte beunruhigt. Man vermuthete zuerst eine Ueberrumpelung. Obwohl der Rath hiedurch bestürzt wurde, so traute er doch der Zusage Wallensteins unbedingt.

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Die Bürgerschaft hatte am vorigen Tage unter den Waffen gestanden und Wache gehalten. Jetzt hielt man dieselbe weiter nicht für nothwendig; weshalb nur 2 Fahnen wachten, während die übrigen schliefen. Erstere versahen die Wache so gewissenhaft, daß am andern Morgen ihre "Gespeiseten" vom vorigen Abend sich dem Stadtgraben nähern konnten 1 ) und von ihnen Quartier forderten, widrigenfalls sie ihnen den Garaus machten. Wallenstein war nämlich um Mitternacht vom 15. auf den 16. October mit der Armee von Schwan aufgebrochen und nach Rostock marschirt, in dessen Nähe er um 3 Uhr Nachts anlangte. Die Fortbringung der Kanonen hielt ihn jedoch so lange auf, daß die Regimenter erst gegen Morgen in unmittelbarer Nähe der Stadt anlangten. Durch den vor einem Jahre aus Rostockschen Diensten entlassenen holländischen Capitain Kars, der sein Ehrenwort gegeben hatte, nicht gegen die Stadt zu dienen, wurde den Kaiserlichen der Weg unten an den Wiesen durch einen Garten gezeigt, wodurch die Außenwerke umgangen wurden. Die 12 Stadtsoldaten, welche in denselben Wache hielten, machten sich, als ihnen der Haufe auf den Hals kam, eiligst davon. Sie sahen noch, wie die Kaiserlichen über den Graben in den Garten und von dort nach dem Sanct Georg geführt wurden, wo sie sich haufenweise lagerten. Durch die in die Stadt eilende Wache wurde die Nachricht verbreitet, daß es draußen voll Kriegsvolk liege. Es wurde Alarm geschlagen und die Sturmglocken gezogen. Die mit ihren Waffen herbeieilenden Bürger wurden auf den Wällen aufgestellt, während der Rath sich versammelte. Unterdessen rückten die Kaiserlichen von allen Seiten heran und auf das Steinthor zu. Um 6 1/2 Uhr Morgens erschien der Freiherr v. Altringer vor demselben und schickte durch Wingiersky sein Creditiv an den Rath, indem er verlangte, weil die Thorwache ihn nicht habe einlassen wollen, möchte man seine Werbung vor dem Thore anhören. Hierauf wurde der Bürgermeister Joachim Schütte und Dr. Thom. Lindemann nebst einigen aus der Bürgerschaft zu ihm gesandt, denen der Obrist Folgendes ankündigte: Wallenstein habe erfahren, das König Gustav Adolf beabsichtige sich der Stadt zu bemächtigen. Um dies zu verhüten, wolle er eine Besatzung von 2000 Mann hineinlegen; dabei versicherte er, das es nicht zum Verderben, sondern zur Wohlfahrt der Stadt geschehen solle. Die bestürzten Deputirten


1) Die Unterredung Altringers, mit der darauf erfolgten Verringerung der Wachtmannschaft, deutet auf eine dieserhalb getroffene Verabredung hin. Dieser verdächtige Umstand ist in dem amtlichen Berichte fortgelassen.
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baten Altringer mit hinein zu kommen, damit man solches mit der Bürgerschaft berathen und einen gültigen Beschluß fassen könne. Er schlug dies jedoch aus, ermahnte aber die Deputirten einen schnellen Entschluß zu fassen; denn Wallenstein halte sich in der Nähe der Stadt auf und warte auf die Antwort.

Da der Rath sich mit der Bürgerschaft nicht einigen, noch in so kurzer Zeit zu einem Entschluß kommen konnte, Altringer aber durch einen abgesandten Officier dringend um Entscheidung bat, so wählte der Rath zu Deputirten Marcus Tancke, den Bürgermeister Joachim Schütte und Dr. Lindemann nebst den Bürgern Peter Eggers und Joachim Schnäkel bei Altringer um Aufschub zu bitten. Als die Deputirten auf den Rosengarten kamen und noch glaubten an die Ziegelei gehen zu müssen, sahen sie schon, daß vor dem St. Georg=Spital Alles mit Soldaten angefüllt war. Vor ihnen her gingen hohe Officiere auf und ab. Es waren der Herzog Franz Karl von Sachsen, Fürst Ernst von Anhalt, der Feldmarschall v. Arnim und Wingiersky. Die Deputirten näherten sich der Gruppe, beschwerten sich über das Eindringen der Soldatesca und hielten ihnen das fürstliche Versprechen vor, wobei sie um Frist baten.

Wie sie so im eifrigen Gespräch begriffen waren, kam Wallenstein selbst heran, bot den Deputirten die Hand und sagte, er begehre zu seiner Sicherheit und zu ihrer Erhaltung eine Garnison in die Stadt zu legen; dieselbe solle aber dadurch so wenig wie möglich belästigt, und ihr alle Privilegien, sowohl in Religions= als weltlichen Angelegenheiten, gelassen werden; auch solle die Unterhaltung der Soldaten vom Lande aus beschafft, und die Einquartierung dem Gutachten des Rathes überlassen werden. Sie möchten in die Stadt zurückkehren und sich bald bedenken; bis 1 Uhr wolle er ihnen Zeit geben. Wie nun die Deputirten sich wegen der kurzen Zeit beschwerten, so gab er ihnen nochmals die Weisung, sich nach der Stadt zurückzuverfügen und sich baldigst zu bedenken; denn wenn man die Garnison nicht gutwillig annehmen wollte, so hätte er die Mittel dieselbe einzuführen.

Mit diesem Bescheid erschienen die Deputirten wieder auf dem Rathhause. Daselbst fand man es geboten, daß Etliche vom Rath auf die Wälle gingen und den Bürgern, welche dort in 18 Fahnen vollzählig aufgestellt waren, Wallensteins Forderung eröffneten und sie um ihre Meinung fragten. Dies geschah auch. Sämmtliche 4 Bürgermeister begaben sich auf den Wall, führten der versammelten Bürgerschaft alle Umstände zu Gemüthe und baten und ermahnten fleißig, sie möchten der Stadt und ihre eigene Wohl=

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fahrt wohl bedenken, sich nicht übereilen, auch nicht schießen und ausfallen, sondern solange einhalten, bis man sehe, ob Gott nicht Mittel an die Hand geben möchte, diesem verruchten Unglück zu entrinnen. Die vornehmen Bürger überlegten und erwogen die Gründe, die ihnen ans Herz gelegt waren, reiflich; aber der große Haufe und gemeine Mann rief, sie wollten sich wehren, man würde ihnen doch - wie es sich leider auch später ereignete - keinen Glauben halten. Zuletzt schlugen sie vor, man sollte versuchen, ob man sich nicht mit Geld befreien könnte. - Dennoch waren sie soweit gehorsam, daß sie nicht schossen oder sich sonst zu Thätlichkeiten verleiten ließen.

Darauf wurden abermals der Bürgermeister Luttermann, Dr. Scharfenberg, Peter Eggers, Christ. Gusebier, Paul Havemann deputirt, welche sich gegen Abend zum Herzog begaben und abermals um Schonung der Stadt, welche jederzeit treu gegen den Kaiser gewesen sei, baten. Die Bürgerschaft sei erbötig, dies mit Erlegung des rückständigen Geldes, soweit es menschenmöglich sei, zu unterstützen. Darauf antwortete Wallenstein: so wäre schon Stralsund vom Reich gekommen; er könne nicht verantworten, daß es auch mit Rostock geschähe; er wolle die Stadt durch die Garnison nicht verderben, sondern conserviren. Er sei nicht Geldes halber gekommen. Er setzte hinzu, ein Graf v. Mansfeld hätte ihm geschrieben, daß Rostocker Bürger geäußert hätten, die Stadt würde 800 schwedische Soldaten einnehmen, dies Schreiben könne er ihnen vorlegen; auch hätten sie mit der Schanzenarbeit nicht eingehalten, da doch Stettin, obwohl nicht abhängig von ihm wie sie, ohne seinen Willen keine Schaufel ansetzen wollte. Jedoch habe er das alles vergessen; sie sollten sich nur bald erklären, was sie thun wollten, er wolle noch an diesem Tage - es war S. Galli (16. Oct.) - endlichen Bescheid haben, und die Deputirten möchten sich nach der Stadt verfügen, um solchen zu holen. Alle Bitten, die erwähnten Bürger, welche Obiges geredet, namhaft zu machen oder das Schreiben, welches gegen die Wahrheit sei, ihnen zu zeigen, blieben erfolglos. Die Deputirten mußten sich nach der Stadt zurückwenden.

Hier ließen sie den Rath, alle Bürger und Soldaten=Capitaine aufs Rathhaus fordern und zeigten ihnen daselbst des Generals Meinung an. Der Rath brachte gewichtige Gründe vor, warum es gefährlich sei, mit Macht sich dagegen aufzulehnen, befragte auch den Stadtcapitain Wormbs, ob er die Stadt so befände, daß er sich getraue, dieselbe ehrenvoll und mit Erfolg zum Nutzen und zur Wohlfahrt des gemeinen Besten zu halten. Dieser erklärte hierauf,

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er wolle an dem Ort, wo er commandire, sich redlich, wie es es einem Officier zukäme, wehren; weiter könne er für nichts stehen. Denn die Stadt sei an vielen Orten offen. Die anderen Stadtcapitaine traten zurück und verschoben ihre Antwort. Sie dürften sich zu dieser Zeit da man im Begriff sei die Garnison einzunehmen, nicht äußern; denn sie wären allesammt entschlossen, für ihr Vaterland zu fechten. Sie bäten jedoch, daß man um Bedenkzeit - bis zum folgenden Morgen - dem 17. October - anhalten sollte.

Hierauf gingen die Deputirten des Raths und der Bürgerschaft am späten Abend wieder hinaus und zeigten sowohl dem Feldmarschall Arnim, wie dem Herzoge von Sachsen und Altringer an, daß diese Verhandlungen zu wichtig seien, und unmöglich in so kurzer Zeit die Sache den Bürgern, wie es die Nothwendigkeit erforderte, vorzutragen und ein fester Entschluß zu fassen sei; man müßte noch ferner darüber die Meinungen austauschen. Hierauf traten die Unterhändler an Wallenstein heran. Dieser verstand ihren Antrag so, als wäre dieser Aufschub nur, um die Capitulation weiter zu behandeln, und setzte voraus, man würde dem Hauptpunkte, die Einlassung der Garnison betreffend, sich schon anbequemt haben. Als sie sich aber nicht ermächtigt erklärten, solches rein zuzusagen, gerieth Wallenstein in Zorn und sagte, wenn sie noch unentschlossen wären, so wolle er diese Nacht noch stürmen lassen und keine fernere Verzögerung einräumen. Dagegen hielten sie sehr flehentlich und inständig um Aufschub bis zum nächsten Tage an, so daß der General sich so weit erweichen ließ, ihnen solchen bis zum andern Tage um 8, höchstens 10 Uhr zu bewilligen.

Er nahm es auch sehr ungnädig auf, daß die Bürgerschaft ihre Fahnen wehen ließ und während der Verhandlungen an den Schanzen arbeitete. Deshalb begann er ebenfalls auf dem Felde beim Rosengarten Erdarbeiten und erklärte, als er schon die Frist eingeräumt hatte, er wolle zwar diese Nacht die Feindseligkeiten nicht beginnen, aber weil die Stadt bauete, wolle er auch Redouten aufwerfen lassen.

Die Deputirten kamen erst spät am Abend wieder in die Stadt und ließen gegen 8 Uhr die vornehmsten Bürger aufs Rathhaus fordern; und als dieselben in großer Anzahl mit ihren Waffen erschienen, theilten sie ihnen mit, wie hart es gehalten hätte, Aufschub bis morgen zu erlangen, und in welcher Gefahr sich in jedem Falle die Stadt befinde. Sie empfahlen den Anwesenden, jeder möchte während der Nacht den Schutz Gottes anrufen. Am fol=

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genden Morgen um 6 Uhr sollten sie wieder zusammenkommen und alsdann in Gottes Namen das gemeine Wohl beschließen.

Vor den Augen der Bürger wurde nun eine Schanze auf dem Camp zu bauen angefangen und ungeheure Massen Strauchwerks und Schanzkörbe herbeigeschafft. Die Kaiserlichen arbeiteten die ganze Nacht eifrig; doch wurde von beiden Seiten nichts Feindliches unternommen, außer daß viele Gärtengeländer und andere Gegenstände draußen heruntergerissen und in die Schanzen verbaut wurden. Außen vor der Stadt zwischen Bistow und Sildemow war das eigentliche Zeltlager aufgeschlagen. Wallenstein aber kam an beiden Tagen in die Zingel und saß während der Zeit bei den Reiferbuden am Wachtfeuer.

Hierauf wurde die Zusammenkunft für den Abend aufgelöst und am nächsten Morgen (17.) wieder aufgenommen. Unterdessen hatte der Rath, die Unmöglichkeit, der stündlich sich verstärkenden kaiserlichen Macht Wallensteins Widerstand zu leisten, eingesehen. Auch konnte man dies wegen der Eide und Pflichten nicht verantworten und wußte nicht die geringste Hülfe, zumal man sich darauf gefaßt machen mußte, daß, wenn Wallenstein die Stadt durch Gewalt in seine Hände bekäme, er dieselbe der Plünderung preisgeben und ihrer Freiheit, Privilegien und besonders der ihr theuren Religion berauben würde. Man hatte ja nicht soviel Zeit gehabt, um sich zur Gegenwehr vorzubereiten, dagegen Wallenstein hatte einen großen Vortheil voraus, und bei der allgemeinen Bestürzung mußte man fürchten, daß er die Bürger eilig und schnell überrumpeln könne. Um diesem Unglück vorzubeugen, richtete der Rath seine Ueberlegung, im Falle man durch Bitten nicht erreichte sie abzuwenden, auf die Form, in welche die Capitulationsbedingungen zu fassen sein möchten, um sie dann der Bürgerschaft vorzulesen. Obgleich die auf dem Rathhause versammelten Bürger in die gemeldete Fassung einwilligten, sich auch die beiden Rathsherren Joh. Maaß und Dr. Scharfenberg zum Zeichen, daß sie ihrerseits damit einig seien, die Hand reichten, so war doch zur selbigen Zeit die ganze Bürgerschaft auf dem Walle in Waffen, und ohne deren Wissen konnte kein feststehender Entschluß gefaßt werden. Deshalb gingen der Bürgermeister Luttermann, Konrad und Albrecht Dobbin, Johann Willbrand und Dr. Scharfenberg auf den Wall zu allen Fahnen, um ihnen die Meinung des Rathes und der vornehmsten Bürger anzudeuten und das Concept der Capitulation durch den Registrator Brun verlesen zu lassen. Das Volk hatte das Bewußtsein, das Verrath im Spiele sei. Wie daher die Verlesung bei der ersten Fahne auf dem Rondeel beim Zwinger geschah,

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wurden von den Seefahrern und dem gemeinen Mann gefährliche Drohungen und Schimpfreden gegen den Rath ausgestoßen; man drohte die Deputirten todtzuschlagen, richtete sogar Musketen auf einen Abgeordneten und hob die Degen auf; so fehlte nicht viel, daß ("wenn Gott es nicht verhütet hätte") alsbald ein Aufstand erregt wäre. In der anderen Fahne fing während der Verlesung des Conceptes die am Bandelier hangende Pulverbüchse eines Bürgers Feuer, so daß eine Explosion entstand, von der etliche Bürger niedergerissen wurden; und man glaubte, es hätte einer aus dem Haufen geschossen. In der Verwirrung geriethen die Deputirten theils auseinander, theils wollten sie sich entfernen und von dem Werke abstehen; sie ermuthigten sich jedoch wieder und setzten es dessenungeachtet in allen Fahnen fort. Es konnte aber sobald kein gewisser Entschluß erfolgen, sondern die Deputirten kamen mit dem Bescheide, sie möchten sich besprechen, und jeder Fahnen=Capitain solle den Beschluß aufs Rathhaus einbringen, wieder dahin zurück. Dies zog sich sehr lange, fast bis 3 Uhr Nachmittags, hin. Es kam nämlich ein Capitain nach dem andern an und brachte den Beschluß seiner Fahne, daß man mit der Vollziehung der Capitulation, so wie sie abgefaßt war, einverstanden sei. Um sich noch mehr zu sichern, wurde noch der Protonotarius Dr. Möhring zu allen Fahnen geschickt; er brachte die Erklärung heim, daß sie sämmtlich damit einverstanden seien.

Nach dem Verlauf der Dinge muß man bemerken, daß es gefährlich und sehr gewagt war, das Concept den Bürgern so, wie es vom Rathe verfaßt war, vorzulesen, da man nicht voraussehen konnte, ob es in dieser Fassung Wallenstein recht sein würde; jedoch wagte man es. Es wurden vom Rathe die beiden Bürgermeister Vinc. Gladow und Luttermann, Nicol. Wineke, Alb. Dobbin und Dr. Scharfenberg nebst mehreren Bürgern und dem Registrator Brun deputirt. Man verfügte sich in die Wohnung des Priesters an dem St. Georg, wohin der Feldmarschall Arnim und Altringer als Unterhändler sie beschieden hatten und wo die Punkte der Capitulation vorgenommen wurden. Von Zeit zu Zeit holte man sich über den einen oder den andern Punkt Instruction von Wallenstein, welcher sich während der Zeit auf der Reiferbahn aufhielt. In der Capitulation war von Rostock nur dreierlei vermerkt worden: 1) daß ehelichen Weibern der Soldaten der Eintritt in die Stadt gestattet würde; 2) daß der Rath auf Disciplin sehen würde; 3) daß die Erlassung der nachstelligen Gelder eingefügt würde.

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Die beiden ersten Erinnerungen waren bald geregelt; aber der dritte Punkt hatte seine große Schwierigkeit, weil Wallenstein anzeigen ließ, die Gelder wären schon angewiesen und könnten nicht erlassen werden. Die Deputirten dagegen konnten diesen Punkt nicht auslassen oder übergehen. Darüber gerieth Wallenstein sehr in Zorn und sagte, er wolle von Arnims Verträgen nichts mehr wissen: man solle den Befehl austheilen, daß das Volk sich zum Sturm vorbereite, und das Geschütz aufpflanzen. Dann winkte er den Deputirten mit dem Hute sich zu entfernen. Inzwischen wurde das Kriegsvolk zu Fuß und zu Roß in voller Schlachtordnung durch die Zingel im Laufschritt gegen die Stadt geführt und mit der Schanzenarbeit, die seit 1 Uhr geruht hatte, wieder begonnen.

Bei diesem Anblick geriethen die Deputirten in große Angst, da sie zumal bedachten, daß der Punkt des nachstehenden Geldes nicht Hauptsache in der Berathung gewesen, es also bedenklich sei, dieserhalb den feindlichen Angriff heraufzubeschwören. In dieser Verwirrung eilten der Bürgermeister Luttermann und Dr. Scharfenberg wieder in die Stadt, in der Absicht, dem Senat den Verlauf zu berichten. Die übrigen Deputirten verloren sich aus Furcht; nur der Bürgermeister Gladow, Dr. Lindemann, Albrecht Dobbin, Joch. Schnäkel, Wilh. Gerdes, N. Bötticher und Brun blieben allein stehen, unentschlossen, ob sie den Vertrag anerkennen könnten. Zuletzt, als sie die Heeresmacht, den Ernst der Stunde und die herannahende Gefahr erkannt hatten, faßten sie einen Entschluß und erklärten dem Feldmarschall Arnim: Obwohl sie eine große Gefahr befürchten müßten, wenn sie von dem den Bürgern vorgelegten Concepte abwichen, so bäten sie doch, damit der Fürst sähe, daß man sich demselben in allen Forderungen anbequemen wolle, er möge in den übrigen Punkten den Vergleich unterschreiben, oder man wolle es seiner fürstlichen Gnade anheimstellen, mit ihnen wie mit gehorsamen Unterthanen zu verfahren. Arnim überbrachte dies eilenden Schritts. Wohl mochte die Erinnerung an die in dieser Stadt empfangenen Wohlthaten in diesem Augenblicke seine Schritte beschleunigen. Wie dem Fürsten dieser Entschluß überbracht wurde und die Anwesenden Fürsprache thaten, besänftigte sich der Herzog nnd ließ den Deputirten durch Arnim sagen, weil er sähe, daß sie auf ihren harten Köpfen nicht bestünden, so wolle er ihnen den ganzen Nachstand erlassen, was die Deputirten mit unterthänigstem Danke annahmen. Hierauf wurde die Capitulation, wie sie vom Rathe verfaßt war, abgeschrieben und den Unterhändlern zugestellt, welche dieselbe als ihr Concept

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dem Generalissimus unterbreiteten. Wallenstein saß in dem Gange vor den Reiferbuden vor der Scheune Martin Sillers am Wachtfeuer. Nachdem er es gelesen und Alles genehmigt, unterschrieb er es in der Gegenwart der Deputirten und ließ es sofort durch seinen Kammerherrn versiegeln und den Deputirten zustellen. Unterdessen wurde das aufgestellte Kriegsvolk wieder zurückgeführt und die Schanzarbeit eingestellt.

Wie man mit Allem fertig war und die Deputirten zu dem Fürsten herantraten, um demselben ihren Dank auszusprechen, bot er ihnen die Hand und sagte: "Ihr habt mir das Geld abgeschwatzt", und setzte noch hinzu, der Rath solle versichert sein, die eingewilligte Garnison sei nicht, um Rostock zu verderben, sondern um es zu erhalten. Wenn der Stadt etwas dem Widersprechendes zugemuthet würde, so könnte man das principiis obsta ausüben und gegen ihn klagbar werden. Damit verabschiedete er die Deputirten, welche dem Rathe und den Bürgern in der Stadt hinterbrachten, wie es abgelaufen war.

Die kaiserlichen Officiere waren über den Ausgang sehr unwillig, weil ihnen die gehoffte Beute entwischt war, und ein Artillerie=Obrist N. Koddewitz versicherte mit einem Schwure, wäre die Sache nicht so gekommen, so würde er in der Nacht mit etlichen Tausend Mann in die Stadt eingedrungen sein, denn man habe in der nächsten Nacht Bresche schießen und stürmen wollen, und wenn er nur 3 Schüsse gethan hätte, so wäre Rostock sein gewesen; er wisse den Ort zum Eindringen besser als sie selbst, und wolle ihnen die Stelle zeigen; dann wäre alles dort vorhandene Zinn und Kupfer ihm anheimgefallen, welches die Rostocker wenigstens mit 20,000 Thlrn. hätten einlösen müssen. Auch Altringer hatte geäußert, er habe sich die Gelegenheit so gut ausersehen, daß er sich hätte anheischig machen wollen, am folgenden Abend in Rostock zu sein.

Das hier nun überflüssig gewordene Kriegsvolk marschirte sofort nach Holstein weiter. Auch Wallenstein selbst hat die Stadt Rostock innerhalb ihrer Mauern nicht betreten, wahrscheinlich aus Furcht vor dem Pöbel. Nur die tausend Mann, aus einem Arnimschen und einem Dohnaschen Regiment zusammengesetzt, welche auf dem Rosengarten aufgestellt waren, marschirten 6 Uhr Abends in 200 Gliedern zu 5 Mann in guter Ordnung durchs Steinthor in die Stadt und campirten die Nacht auf dem Markte, wo sie auch am folgenden Tage blieben. Gegen Abend wurden sie vorläufig, bis man sich wegen der Einquartierung geeinigt hatte, in die Handwerker=Schüttinge verlegt.

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Am Abend wurde die Wache durch 300 Kaiserliche und zwei Fahnen der Bürger gebildet, welche abwechselnd die Runde machten. An alle Straßenecken wurde eine Wache von je einem Bürger und Soldaten gestellt. Obwohl der Pöbel sich bemerklich machte, so schwiegen die Kaiserlichen doch still; denn es war ihnen strenge befohlen, niemand durch Worte oder thätlich zu beleidigen. Der kaiserliche Commandant und der Rath hatten beide Schlüssel zum Thore. Die Parole wurde vom Commandanten dem worthabenden Bürgermeister mitgetheilt.

Bald verbreitete sich das Gerücht in der Stadt, daß dieselbe durch Verrath Wallenstein in die Hände gespielt sei. Dasselbe war so nachhaltig, daß später die Herzoge von Meklenburg dieserhalb eine gerichtliche Untersuchung gegen die beschuldigten Rathspersonen, Bürgermeister Luttermann, Joh. Maaß und Clinge, anstellen ließen und denselben einen Proceß anhingen.

Die Beurtheilung, welche das Verfahren Wallensteins mit Rostock bei den Hanseaten erfuhr, möge hier folgen. 1 ) "Seht nun, Ihr lieben Hänse (der Herr kommt doch auch zu Zeiten mit in ihren Rath), und spiegelt euch hieran, im Fall euch je die Memoria so schwach, daß die Stralsundischen und Wismarschen Proceduren euch entfallen. Wollet ihr noch trauen? 1) Präpariret euch, glaubet keinen papiernen Sincerationen und Promissionen, als dadurch bald ein Loch gemacht. Richtet euch nicht mehr mit euren Syndicis und Doctoribus juris nach Recht oder den Reichsabschieden: denn sie sind abgeschieden und verschieden, gelten wie alte Münze, die man gern hat oder aufhebt, es ist aber derselbigen im Handel und Wandel keiner oder gar geringer Nutzen, und auch sonst wenig damit auszurichten. 2) Lasset dann die Rostocker euch ein Exempel sein! Schicket das Eurige nicht euern Feind zu stärken hinaus, wie diese gethan und ihr noch täglich thuet! Nehmet eine bessere Resolution, für eure Libertet zu fechten! bedenket und bewerbet euch, woher, wie bald und wie stark ihr Succurs könnt erlangen, oder saget hernach mit den Rostockern das non putaram oder intonirt das klägliche ejulate, den Gesang mit Heulen und Weinen vermischet; welches ihr für eure selbsteigene Weiber und Kinder, sammt Allen, so euch angehören, auch der lieben posteritet schwer zu verantworten haben werden. Und ihr beiden guten Städte Hamburg und Lübek, habet wohl Acht auf eure Schanzen! Um euch ist's nun zu thun, über euch wird die Glocke gegossen, euertwegen werden nunmehr die geheimsten und vornehmsten cousultationes


1) Aus dem Anhang zum Hansischen Wecker: Rostocker Spiegel.
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angestellet; über euch gehet es; über euch sind Pilatus und Herodes neulicher Zeit Freunde geworden. Ihr habts Leberle gefressen. Ihr seid diejenigen, die den Kaiser an der Ausführung seines Sieges hindern. Ihr seid es, die S. Kais. Maj. machen sagen: man werde und könne dero keine Victoriam einbilden, so lange ihr beiden nicht überwunden seid. Fürwahr ihm ist auch also: sintemal, so lange noch etwas übrig, daß den Victorem hindert oder aufhält, seine Intention völliglich zu erlangen oder zu prosequiren, so lange ist das Spiel noch nicht gewonnen, und ist noch niemals erfahren, daß Einiger so glücklich gewesen, daß, wenn es mit dem Kriege sich verzogen, ihm das Glück stetiglich ohne Wendung beigestanden habe. Ihr seid es nun, sage ich, ihr lieben beiden Städte, welche annoch merklich verhindern, daß mit der allgemeinen Reformation nicht also, wie es Manchem wohl ums Herz ist, herausgefahren wird. Wäre man mit euch fertig, ihr würdet wohl ein ander Liedlein in euren Kirchen hören intoniren, und was darauf für sequentien mehr folgten. Trauet doch derowegen nicht schönen und betrieglichen Friedensworten! - Bedenket doch nur, was der General von Friedland mit euch nunmehr nach eroberter Krempe im Sinne habe! Sobald er derselben Festung (Gott verzeihe denjenigen, die Ursache an Versäumniß des Entsatzes eines so stattlichen Orts) mächtig worden, da hat er also fort darauf an euch beide Schreiben pro imperio geschicket: ihr solltet ihm Schiffe hergeben, leihen oder verkaufen, oder die Materialien, deren man zum Bau derselbigen benöthigt, darreichen, und auch seinen Soldaten in euern Territorien Einquartierung verordnen oder gestatten."


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Anhang.

Zur Geschichte der Fortification Rostocks.

Rostocks Wälle und Mauern sind, wie bei vielen alten Städten, scheinbar zu einem einheitlichen Werk vereinigt; ihre Geschichte umfaßt jedoch einen langen Zeitraum und umschließt die verschiedenen Entwicklungsstadien der Befestigungskunst, welche durch die Anwendung und Verbreitung des Schießpulvers in zwei Hauptperioden zerfällt. Die seit dem 13. Jahrhundert nachzuweisenden Stadtmauern, 2 Fuß dick, von verschiedener Höhe, auf einem Fundament von Granit (erratischen Blöcken) aus Ziegeln aufgeführt, mit schräger Ziegelbedachung, mit schmalen, nach innen sich erweiternden Schießscharten, in bestimmten Abständen verstärkt durch sogenannte Wikh'äuser, die mit halbkreisförmigem oder polygonem Grundriß aus der Mauer in gleicher Höhe heraustreten, genügte mit dem umgebenden Graben zunächst dem Vertheidigungsbedürfnisse. Dann kamen Thürme hinzu, unter denen namentlich der blaue Thurm (der Fischerbastion gegenüber) und der Kaiserthurm (zwischen dem Fischer= und dem Grapengießerthore) zu nennen sind. Außerdem waren die Landthore selbst Befestigungsthürme. Das schönste erhaltene Beispiel dieser Art, das Kröpeliner Thor, ist ein hoher, viereckiger, mit Giebeln und Dachreiter verzierter gothischer Backsteinbau. Unter den Giebeln sind auf 3 Seiten große Thüröffnungen angebracht, durch welche man auf einen hölzernen Umgang hinaustrat, der 1620 schon sehr schadhaft war 1 ) und von dem jetzt nur noch die viereckigen Oeffnungen zeugen, in welchen die Tragebalken steckten. 2 ) - Ein isolirter runder Thurmbau war der Zwinger (dwenger) vor dem Steinthor, der erst 1526 begonnen, 1528 von Meister Hans Percham aus Wittstock fortgesetzt und 1532 vollendet ward. 3 )

Gegen die Unsicherheit des fehdelustigen 15. Jahrhunderts schützten sich alle Städte dadurch, daß sie ihre Feldmarken mit


1) Stadtarchiv, Abth. 30j. Krieg, Nr. 3143, I.
2) Unmittelbar unter dem Giebelfriese sieht man noch die Haken, an denen die Sparren aufgehängt waren. Aus einer Reihe von kleinen Löchern sehen angelartige eiserne Ringe hervor, deren Zweck nicht ganz klar ist.
3) Jahrbuch I, S. 84; N. wöch. Rost. Anz. 1838, S.181, 1840, S. 127.
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Landwehren umgaben, großen Gräben mit nach innen aufgeworfenem Wall, die mit der Zeit durch Bäume und Sträucher fast undurchdringlich wurden, während die Eingänge mit Schlagbäumen, Warten und Thürmen versehen und stets mit ausspähenden Wächtern besetzt waren.

Aber auch die Stadt Rostock selbst ward, nachweislich seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, wenigstens schon mit einzelnen Schanzen versehen, die ihren Namen anscheinend nach den Zünften erhielten, welche sie zu Vertheidigen hatten. Z. B. wird etwa 1494 der "wall vppe deme Küterbroke" 1 ), zu Anfang des 16. Jahrh. der "Wullenweuer=Wall" erwähnt. Diese Befestigungsweise ward dann im 16. Jahrh. fortgesetzt; Bürger verlangten 1525 sogar 2 ), auch die geistlichen Personen sollten "in den Grauen ghaen" und mit Karren "vp den stadtwal foren." Endlich 1559 beschloß der Rath die Stadt mit Rondeelen und Wällen zu befestigen und beeidigte einen Hauptmann oder Commandanten; und daß man 1563 bereits mitten in der Arbeit war, bezeugt der Vertrag des Raths mit der Universität vom 11. Mai, nach welchem die Professoren für die Befreiung vom Wachen und "Graben gehen" der Stadt von jedem ihrer Brauhäuser 1 Thlr. und von jedem ihrer Wohnhäuser 1 Mk. Lüb. jährlich entrichten sollten. Da der Camp vor dem Steinthore seiner hohen Lage wegen für die Stadt gefährlich war, hatte der Rath schon 1558 wegen Applanirung desselben mit Hans v. Herforden einen Vertrag geschlossen. 3 )

Allein alle diese Befestigungsarbeiten erfuhren eine unliebsame Unterbrechung, als die beiden Herzoge Johann Albrecht I. und Ulrich, um die Stadt Rostock, mit welcher sie seit mehreren Jahren im Streit lagen, zu bezwingen, ihrerseits 1566 4 ) eine Feste vor derselben zu bauen begannen. Sie ließen den Rosengarten rasiren, das Steinthor, einen schönen, mit Kupfer gedeckten Turm, sammt der Stadtmauer zu beiden Seiten niederreißen bis zum Kuhthor hin, das, seit vielen Jahren vermauert, nun wieder dem Verkehr geöffnet werden mußte, da man den Raum, der durch die Entfernung des Steinthors und der Mauer gewonnen wurde, in die Feste hineinzog. Herzog Johann Albrecht stieg am 25. Febr. beim Zwinger vom Pferde, um den ersten Spaten voll Erde zur Schanze


1) Im braunen Buch der Petrikirche und im A. H. R. der Petrikirche.
2) Jahrb. III, 92.
3) Neue Rost. Anz. 1838, S. 222.
4) Rost. Anz. 1838, S 209, auch S. 377 f., 1839, S. 4 f. - Ungnaden, Amoen. 310. - Lindeberg, Wettken, Huber.
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aufzuwerfen, und ließ dann von 500 Bauern aus der Umgegend ununterbrochen an der Festung arbeiten. Das Johanniskloster ward der Steine wegen bis auf die Kirche abgebrochen; die Rostocker mußten gleichfalls Materialien liefern, und die Festung wurde mit Geschützen und Munition, die man der Stadt abgenommen hatte, versehen, die Mündungen der Geschütze gegen diese gerichtet. Der Herzog gedachte (nach einem Briefe vom 4. Aug.) sein Werk so stark wie Ziegenhain zu machen! - Der Bau ward dann auch noch in den nächsten Jahren fortgesetzt. Die Stadt aber schützte sich gegen Ueberfälle durch Schlagbäume, Ketten und Wachen. Endlich, als die langen Streitigkeiten 1573 durch einen Vertrag zwischen den Herzogen und der Stadt beigelegt waren, begann am 15. Febr. 1574 die Schleifung dieser Feste, welche so gründlich durchgeführt ward, daß keine Spur davon übrig geblieben ist. 1 )

Alsbald verschrieb sich nun der Rostocker Rath einen guten Baumeister, Anton Bawald, um an Stelle der zerstörten Festung Wall und Mauer aufführen zu lassen; man begann den Aufbau der Mauer am 10. Mai am Kuhthor, und gleichzeitig das Aufwerfen des Walles vom Zwinger bis an das Mühlenthor; am 17. Juni ward auf der Stelle des ehemaligen Gefangenthurms das Fundament zu einem neuen Thurm gelegt, im Sommer 1570 das heutige Steinthor erbaut, 1576 der Bau der Mauer bis zum St. Johann fortgesetzt. Die Arbeiten an den Erdwällen wurden 1582 unterbrochen, weil man "das Tief" mit Macht in Angriff nahm, aber 1586 und 87 wurden wieder Klagen über beschwerliche Grabenarbeit laut. 1584 waren aus allen Kirchspielen Männer verordnet, welche in den Gemeinden Kupfer und Messing sammelten, um daraus 9 Geschütze zu gießen.

Wenngleich nun die Rostocker auch im Anfange des 17. Jahrh. in ihren Befestigungswerken nicht nachlässig waren, 1608, am 7. März, den Bau des Rondeels beim blauen Thurm am Strande (die Fischerbastion), 1611, am 29. April, den Bau der steinernen Brücke vor dem Steinthore begannen, 1617 das äußerste Thor vor dem Kröpeliner Thore beim St. Gertruden=Kirchhof, bisher aus Holz, nun in Backsteinen aufführten und 1618 den hölzernen Schlagbaum vor dem Steinthor durch ein äußeres Thor ersetzten: so fand doch der schon oben mehrfach erwähnte holländische Capitain Kars, als er 1620 in den Dienst des Rostocker Rathes trat, die Fortificationen


1) Vgl. außer den bekannten Rost. Chroniken bes. N. Rost. Nachr. 1838 und 1839.
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Rostock 1624
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Befestigungen der Stadt Rostock
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ganz unzureichend. 1 ) Die hölzernen Thorflügel waren nicht genügend mit Eisen beschlagen und verriegelt, im Innern der Thore mangelte es an Treppen und Böden für die Wachmannschaft, auch Geschütz mußte noch hinaufgebracht werden; desgleichen mangelte es in den (von armen Leuten bewohnten) Wikhäusern an Treppen, um den dort aufgestellten Wächtern freien Ausblick zu gewähren; an der inneren Seite der Stadtmauer verhinderten Ställe die Erdaufschüttungen oder Gallerien, so daß man nicht an die Schießscharten kommen konnte; und auf den Wällen wuchsen Eschen und Obstbäume und mangelte es an Brustwehren. Am Kuhthore war die Stadt so gut wie offen, und gerade dieser Punkt ward vom höher gelegenen Rosengarten völlig beherrscht. Auf der Unter=Warnow vom Strande nach der Fähre hielt Kars für nöthig das Fahrwasser durch Pfahlreihen einzuengen und die Durchfahrt mit einem Schlagbaum zu versehen, um das Einlaufen feindlicher Schiffe verhüten zu können. Er erlangte auch, daß zwei ihm bekannte Officiere aus Holland herbei gerufen wurden, die ihm beim Einexerciren der Bürger helfen sollten; sie empfingen je eine Gage von 300 holländ. Gulden und freie Wohnung. Am 20. Aug. 1620 ward auch eine Verordnung 2 ) gegeben, wonach den zum Graben gehenden Bürgern Quartiere zugewiesen wurden, der St. Marien= und der Jacobi=Gemeinde 8 Quartiere, denen von St. Peter und St. Nicolai 4.

In einem zweiten Memorial vom 3. Jan. 1623 3 ) begehrte Kars vom Rathe Anordnungen für Mauer und Wälle, so lange es noch Zeit sei. Er schlägt vor, draußen bei der Steinthor=Zingel einen Halbmond (demi - lune) zu erbauen, was man ohne einen Ingenieur selbst könne, damit sich die in der Noth zur Stadt flüchtenden Bauern dort schützen und vertheidigen könnten, bis man ihnen zu Hülfe käme; auch sei es Zeit an den Straßenecken die Sperrketten einzuhängen. Namentlich aber dringt er auf die Verschanzung Warnemündes, die schnell und, indem man das dazu nöthige Holz aus der Markgrafenheide entnehme, ohne große Mühe auszuführen sei; denn wer Warnemünde habe, sei Rostocks Meister; so lange die Schiffahrt frei sei, habe es mit der Stadt keine Noth. Uebrigens beklagt Kars sich bei dem Rath, daß er bisher so wenig


1) Sein Gutachten v. 20. Apr. 1620: Stadtarchiv, Abth. 30j. Kr. 3143, I.
2) Das.
3) Das.
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für die Stadt habe thun können; der Rath möge ihn mehr beschäftigen.

Dies scheint aber doch nicht geschehen zu sein; unzufrieden verließ er bald hernach den Dienst der Stadt, und später leistete er Wallenstein, wie erzählt ist, 1628 gute Dienste gegen dieselbe!

Rücksichtlich der Fortification scheint der Rath zu Kars auch kein großes Vertrauen gehegt zu haben, ließ vielmehr schon im Mai 1620 durch den Rath zu Hamburg den bewährten holländischen Ingenieur Johann v. Falkenburg, der zu Hamburg und Bremen Befestigungswerke ausführte, um seinen Rath bitten; allein dieser kam damals nicht, aber am 5. Febr. 1623 konnte Rostock Stralsund melden, daß Falkenburg einen Riß gemacht, und über denselben mit dem Prinzen Moritz von Oranien gesprochen habe, Letzterer auch auf das Project eingegangen sei. Falkenburg empfahl zur Ausführung seinen Mitverordneten Gerhard v. Wenen, der auch Rostock in Augenschein nahm. Am 8. Oct. dankte der Rostocker Rath Falkenburg brieflich dafür, daß er selbst ihre Stadt besichtigt und zu der Fortification derselben einen vollkommenen Riß angefertigt habe; und am 4. Decbr. benachrichtigte Falkenburg wiederum den Rath zu Rostock, daß er über die Befestigung dieser Stadt wiederum mit Oranien eine Unterredung gehabt, und dieser ihm seine Ansicht mitgetheilt habe, wie die Rostocker fürs Erste mit keinen großen Unkosten überhäuft werden sollten.

Aber man mußte sich noch gedulden; erst im August 1624 gelangte Falkenburg persönlich nach Rostock und entwarf den Befestigungsplan mit 9 Bollwerken, der noch im Stadtarchiv aufbewahrt wird, und von welchem wir auf Taf. X eine Skizze in halbem Maßstab geben. Wäre dieses Project bis zum Eintreffen der Wallensteinschen Armee im J. 1627 ausgeführt worden, so hätte Rostock mit Unterstützung von Seiten Gustav Adolfs, der dazu sehr geneigt war, immerhin eine Belagerung wie Stralsund aushalten können. Allein der Plan kam, weil der Capitain v. Falkenburg nicht lange hernach (vor dem 1. Nov. 1625) verstarb, nicht zur Ausführung. Die Rostocker nahmen freilich 1626 den von diesem empfohlenen Werkmeister Peter v. Kampen in ihren Dienst und stellten ihn unter die Oberleitung des meklenburg=güstrowschen Artillerie= und Ingenieur=Officiers Paul de Montront; aber wirklich ausgeführt ward von Falkenburgs Project doch nur "das neue Werk" bei dem Kröpeliner Thore, eine Drei=Wall=Bastion, die mit einem Vorwalle (fausse braye) ausgestattet ward. Der Bürgermeister Luttermann schob die erste Karre voll Erde dazu, Rathsherren und Bürger folgten ihm.

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Es war seit 1626 die Stadt also nun durch folgende, durch die Wälle verbundene Werke, wie unsere Skizze auf Tafel XI zeigt, geschützt: 1 )

1) das Fischer=Rondeel. 2) die Schanze vor dem Bramowschen Thore (die Clyren=Schanze genannt), 3) das neue Werk beim Kröpeliner Thor, 4) das alte Rondeel, 5) das Rondeel vor dem Steinthore mit dem Zwinger, 6) das Mühlen=Rondeel vor dem Mühlenthore; dazu kommt ferner noch ein isolirtes Werk beim St. Georg. 2 ) Die Wälle waren mit 70 Geschützen besetzt. Die Hauptsache aber war nun, daß die Befestigungen in gutem Stande erhalten wurden. Im April 1626 erließ zu dem Ende der Rath eine strenge Verordnung über die Verrichtung der Arbeit an den Wällen. Die Bürger, welche in Fahnen und Corporalschaften eingetheilt waren, ließen sich die Arbeit umgehen, die Reihenfolge theilte der sie beaufsichtigende Wallschreiber den Corporalen mit. Die vom Werkmeister abgesteckten Strecken wurden durchs Loos unter die Bürger vertheilt, die nicht eher aufhören durften, als bis die Arbeit fertig war. Karren und Schanzgeräthe verwahrte der Wallschreiber Abends und lieferte sie Morgens dem Baumeister aus. Bei Regenwetter ruhete die Arbeit. Die Corporale controlirten die Bürger: wer von diesen ausblieb, ward ausgepfändet, die Pfänder jeden Sonnabend mit einem Verzeichnisse von den Corporalen abgeliefert, die Strafgelder zum Werk verwandt. Widersetzlichkeiten und verdrießliche Worte gegen die Corporale wurden den Wallherren gemeldet und bestraft. 3 )

Als der Rath Michaelis 1626 den Dr. Joachim Jungius zum Professor der Mathematik bestellte, trug er demselben auch auf, ihm nöthigenfalls mit seinem Rathe in Fortificationssachen zu dienen 4 ); aber wir verspüren von dieser Verpflichtung keine besonderen Erfolge.

Der Eifer der Rostocker für ihre Stadtwälle erwachte erst wieder, nachdem die Kaiserlichen ins Land gekommen waren, erregte aber nun deren ganzes Mißtrauen. Vergeblich entschuldigte sich der Rath am 1. Juli 1628 bei Arnim damit, daß nur ein Ort, der zur großen Unzierde der Stadt offen stehe, verwahrt werde. San Julian erklärte in einem Schreiben vom 3./13. Juli ganz offen,


1) N. Rost. Nachr 1838, S. 63.
2) Stadtarchiv, 30j. Kr. 3250, wohl der "Klappengraben", s. u.
3) Stadtarchiv, 30j. Kr. Nr. 8143, I.
4) Avé=Lallemant, J. Jungius Briefw. 89, 90.
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es könne nur Argwohn erregen, daß man eben jetzt mit so viel Tausenden von Menschen nach so langer Unterbrechung an den Befestigungen arbeitete; er rieth diese Arbeit auf günstigere Zeit zu verschieben. Und Wallenstein ließ durch S. Julian, nachdem er, wie schon erzählt, von diesem den Sachverhalt erfahren, am 7. Juli einfach schreiben, daß Rostock davon abstehen sollte. Denn, wie Wingiersky der Stadt am 27. Juli /6. Aug. meldete, wollte der Herzog es nicht eher gestatten, als bis er selbst es befehle. Rostock erklärte am 28. Juli seinen Gehorsam, entschuldigte sich aber damit, daß einst der kaiserliche Gesandte Husan den Eifer angespornt habe, und erwähnte zugleich, daß der Regen an dem Wall großen Schaden anrichte, da derselbe von unten auf noch nicht mit Setzerde und Rasen befestigt sei! 1 ) -

Damals lag Wallenstein freilich daran, die Stadtbefestigung in dem schadhaften Zustande zu lassen. Nachdem aber Rostock am 17. Oct. 1628 in seine Hand gekommen war, und als ein Krieg mit Gustav Adolf in Aussicht stand, hatten die Kaiserlichen das entgegengesetzte Interesse. Sie selbst baueten nun im Juli 1629 eine Brustwehr auf dem Mühlen=Rondeel, wozu sie von den Wiesen an der Ober=Warnow Rasen herbeiholten, setzten im Septbr. das Geschütz in Stand und fingen am 21. Sept. an am Strande vorm Mönchen=, Lager= und Wokrenterthor, im October auch vor der Bramower Zingel Schanzen aufzuwerfen. Von den Rostockern begehrte am 5./15. Oct. der Statthalter Wingiersky, sie sollten sich täglich aus den umliegenden Dörfern 300 Mann zu Hülfe nehmen, um eine Schanze vor dem Petrithore zu bauen. Doch blieb diese unvollendet. Aber die Stadtmauer daselbst ward mit Schießscharten versehen.

Am 26. März 1630 besichtigten Wingiersky und S. Julian die Festungswerke 2 ) und begannen Unterhandlungen über deren dringend nöthige Verstärkungen mit dem Rath. Die Ausführung des Falkenburgschen Plans fanden sie zu weit aussehend. Man vereinbarte, daß die Ravelins vor dem Kröpeliner und dem Steinthore von den Kaiserlichen mit Hülfe der aus dem Lande requirirten Schanzgräber, die Schanzen vor dem Schwanschen und dem Petrithore aber von den Bürgern hergestellt wurden. Man richtete sich auf eine Belagerung ein; im Juni und Juli wurden die Windmühlen vor der Stadt heruntergenommen und dafür Roßmühlen an den Wällen errichtet, 22. - 25. Aug. der St. Georg von den


1) Stadtarchiv, 30j. Kr. Nr. 3148, II.
2) Das. Nr. 8149, III.
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Kaiserlichen zerstört; am 25. Oct. (4. Nov.) kam vom Statthalter der Befehl, das Terrain vor der Festung ganz zu rasiren; die Forderung, an den Wällen Baracken zur Unterbringung der Kaiserlichen zu erbauen, hate er schon im August gestellt. -

Alle diese Maßregeln nützten schließlich jedoch recht wenig. Im September 1631 ward Rostock von den Herzogen von Meklenburg und den Schweden unter Tott eingeschlossen, und schon am 6. Oct. übergab der kaiserliche Oberst Virmond ihnen die Stadt gegen freien Abzug.

Die Herzoge zürnten der Stadt wohl wegen der Capitulation v. J. 1628; aber sie achteten darauf, daß die Rostocker für die Sicherung ihrer Befestigungen thätig waren. Am 8. Oct. gab ihnen Herzog Johann Albrecht auf, die Werke des (schwedischen) Lagers und die Landwehr, wenn's noch nicht geschehen, in möglichster Eile zu zerstören, an den Wällen und auch den Außenwerken das Nöthige zu repariren und sich wieder Gewehr anzuschaffen (da sie durch die Kaiserlichen entwaffnet waren). Am 16. Novbr. antwortete der Rath auf eine aus Güstrow erfolgte Weisung, mit der Demolirung des Klappengrabens hinter dem St. Georg sei längst der Anfang gemacht, das Werk sei unter die gesammte Bürgerschaft vertheilt, doch könne diese in solcher Eile damit allein nicht fertig werden; er bat daher um Bauern aus dem Domanium und den ritterschaftlichen Aemtern, um "solch undienlich Werk" rasiren zu können.

Die zahlreichen durch Meklenburg ziehenden Truppen verlangten stete Wachsamkeit. Nach einem Vertrage vom 1. Oct 1635 nahm die Stadt eine herzogliche Besatzung von 1400 Mann ein und verpflichtete sich ihre Befestigungen in Stand zu setzen. In einem Memorial vom 28. Jan. 1636 erwähnt der Rath als nöthig: daß den Thurmwächtern befohlen werde Tag und Nacht zu wachen; die Corps de guarde vor dem faulen Thore zu repariren, auf dem neuen Werke die Brücke abzubrechen, die Löcher an den Brustwehren zu füllen und unten ans Werk Pallisaden zu setzen, auch das Fischer=Rondeel je eher je lieber auszubessern, und endlich, damit kein feindlich Volk auf "Schuten und Schlupen" von Warnemünde hereingebracht werden möge, den Baum auf der Unter=Warnow zu schließen, einen Prahm mit Soldaten und wo möglich die fürstliche "Gallei" dabei zu placiren. Auch der Capitain der Garnison begehrte am 9. Febr. 1636 vom Rath das neue Werk besser einzurichten 1 ); man nehme seit 4 Jahren die Vertheidigung zu wenig ernst. -


1) Das. Nr. 3155, 342.
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Aus der späteren Zeit sind sehr wenig Nachrichten über die Rostocker Fortificationen vorhanden. Doch werden im Hauptregister der Kämmerei=Intraden (Cap. 8, Platzheuer S. 11, 196, 204) Andeutungen von neuen Befestigungen gegeben, daß nämlich die Scheune des Ziegelmeisters vor dem Kröpeliner Thor und ein Platz vor dem Schwanschen Thore, wo früher die Hornschanze gelegen habe, mit in die Befestigungen hineingezogen, und eine steinerne Brücke vor dem Kröpelinschen Thore gebauet sei. -

Mit dem Jahre 1832 beginnt die Zerstörung der Befestigungen, welche bei dem Mühlenthore ihren Anfang nahm und seit der Zeit weit fortgeschritten ist.

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