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IV.

J. Kornerup's Forschungen

über den

ältesten Theil der Darguner Klosterkirche.

Angezeigt von Dr. F. Wigger .


Unter den meklenburgischen Klöstern nahmen von jeher Doberan und Dargun einen hervorragenden Platz ein, und noch immer wendet sich zu diesen ältesten Pflegestätten christlicher Cultur der Blick der Forscher mit Vorliebe hin. Auch in unsern Jahrbüchern ist von beiden Klöstern wiederholt gehandelt, aber Doberan ist dabei sehr bevorzugt; und während Letzteres wenigstens für das erste Jahrhundert seines Bestehens bereits einen Historiker gefunden hat 1 ), harrt Dargun noch immer eines Geschichtsschreibers, wie dessen Tochterkloster Hilda (Eldena) ein solcher neuerdings in dem Professor Dr. Pyl zu Greifswald in so ausgezeichneter Weise zu Theil geworden ist.

Um so willkommener ist uns jeder neue Beitrag sachverständiger Forscher; und auf einen solchen aufmerksam zu machen, ist der Zweck dieser Zeilen.

Nämlich nachdem K. v. Rosen 1872, in der Vereinsschrift der rügisch=pommerschen Abtheilung der Gesellschaft für pommersche Geschichte, vom kunsthistorischen Standpunkt aus "über Dänemarks Einfluß auf die früheste christliche Architektur


1) Compart, in Schirrmachers Beiträgen I.
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Rügens" geschrieben, und J. L. Löffler solchen in seinen Abhandlungen über die Klosterkirche zu Bergen und die Gotteshäuser zu Altenkirchen und Schaprode (Baltische Studien 29, S. 77 flgd.; 31, S. 211 flgd.) mehr im Einzelnen nachgewiesen hatte: hielt es der mit der ältesten dänischen Baukunst innig vertraute Professor Körnerup für angezeigt, den dänischen Einfluß auf den Kirchenbau am südlichen Gestade der Ostsee noch weiter zu verfolgen, und untersuchte zu diesem Zwecke die Klosterkirchen zu Dargun und Colbatz und die Ruinen des Klosters Hilda. Die Resultate seiner Forschung hat er in einer Abhandlung "über die Verbindungen des Klosters Esrom mit den wendischen Ländern und deren architektonische Spuren", abgedruckt in: "Aarbøger for nordisk oldkyndighed och historie, Kjøbenhavn, 1881", S. 1 flgd., niedergelegt. Die Gesellschaft für pommersche Geschichte und Alterthumskunde hat wegen des großen Interesses, welches diese Untersuchung für das ganze Gebiet ihrer Forschung hat, bereits eine Uebersetzung der ganzen Abhandlung (vom Regierungsrath G. v. Rosen) in den Baltischen Studien, Jahrg. 1883, S. 65, publicirt und dabei die dem Original eingefügten Holzschnitte reproducirt; wir beschränken uns hier aber auf Dargun.

Kornerup schickt in einer historischen Einleitung eine kurze Darstellung von den Kämpfen der Dänen und der Wenden im 12. Jahrhundert vorauf. Wir haben dieselben im 28. Jahrbuche (1863, in der Abhandlung über den Bischof Berno und Meklenburg zu dessen Zeit) ausführlich besprochen und gezeigt, daß die Wenden, nachdem sie Jahrhunderte lang die Dänen und die Deutschen befehdet hatten, endlich den vereinten Kräften des großen Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen und der Dänen erlagen. Nachdem Herzog Heinrich die Macht der Obotriten gebrochen hatte, und der Fürst Pribislaw für das Christenthum gewonnen war, gelang es 1168 dem Dänenkönige Waldemar und den mit ihm unter Führung des Bischofs Berno vereinigten neubekehrten Wenden, die Tempelburg Arkona auf Rügen zu erobern und den Dienst des Götzen Zwantewit zu vernichten. Die Insel Rügen ward christianisirt und dem dänischen Bisthum Roeskilde einverleibt. Dänische Geistliche baueten hier die ersten christlichen Kirchen. Eroberungslust und Eifer für die Ausbreitung des Christenthums gingen in Dänemark wie in Sachsen Hand in Hand. König Waldemar drang 1171 auch in das Land der Circipaner ein, die Zwantewits eifrige Anhänger gewesen waren und demselben regelmäßig ihren Tribut gesandt hatten. Es gelang ihm die Burg des

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Kotimar im Teterower See zu zerstören; aber der Burgherr selbst fand Gnade vor ihm, er und seine Brüder Mirognew und Monic gaben die ersten Ländereien her zur Stiftung des Klosters Dargun 1 ). Dänische Mönche aus dem erst 1153 gestifteten Cistercienserkloster Esrom zogen voll heiligen Bekehrungseifers in diese Wildniß; der 25. Juni 1172 wird als der Stiftungstag ihres Klosters bezeichnet 2 ); am 30. November 1173 weihete der Bischof Berno von Schwerin den Marienaltar in der ersten Capelle Darguns und des ganzen Circipanerlandes 3 ). Den frommen Brüdern ward gestattet, im Klostergebiete Deutsche, Dänen und Wenden anzusiedeln 4 ), und es fehlt auch nicht an Spuren dänischer Einwanderung 5 ).

Das war ein fröhlicher Anfang; allein auf die Dauer vermochten sich die dänischen Mönche doch nicht unter der wendischen, noch dem Heidenthum ergebenen Bevölkerung zu behaupten. Nachdem der Sturz Heinrichs des Löwen die Machtverhältnisse in den Ostseeländern erschüttert hatte, trat der Haß gegen die fremden christlichen Einwanderer offen zu Tage. Wir wissen nicht einmal, ob die Esromschen Mönche und die von ihnen herbeigezogenen Ansiedler noch den Krieg Herzog Bogislaws mit den Dänen und Rujanern in den Jahren 1184 und 1185 zu Dargun erlebt haben: die Klosterstiftung nahm spätestens damals ein Ende. Der Bischof Berno suchte wenigstens das Klostergebiet für künftige, bessere Zeiten zu retten, indem er sich vom Papste Urban III. am 23. Februar 1186 "den Ort Namens Dargun, wo der vorgenannte Bischof ein Kloster gegründet", bestätigen ließ 6 ). Die Mönche fanden nach längerem Umherirren einen Zufluchtsort in Hilda (Eldena bei Greifswald), und dort haben sie dann sich hernach ein neues Kloster gegründet.

Damit hatte die Verbindung des Klosters Esrom mit Dargun ein frühes Ende gefunden: denn es rückten keine neuen Mönche an die Stelle der früheren. Dargun war


1) Vergl. Lisch in Jahrbuch XXVI, S. 181 flgd.
2) Mekl. U.=B. I, Nr. 104.
3) Das. Nr. 111.
4) Das. I, Nr. 114.
5) Jahrbuch XXVIII, S. 247, Anm. 2.
6) Mekl. U.=B. I, Nr. 141. Berno ließ sich vom Papst u. a. bestätigen: "Doberan uero et totam terram Gobange spectantem (das Gebiet des damals noch in Trümmern liegenden Klosters Althof=Doberan) - -, "et locum Dargun dictum, in quo predictus episcopus cenobium fundauit - -." Ich vermag diese Worte nur im oben angegebenen Sinne zu deuten.
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nunmehr, nach dem Ausdruck des Bischofs Slawin von Camin im Jahre 1216 1 ), eine lange Zeit wüste, so daß, wo früher Gottesdienst gehalten war, jetzt die wilden Thiere ihr Lager und Räuber ihre Höhle hatten.

Erst 1209 2 ) richtete Bischof Sigwin, der Circipanien nun zu seinem Caminschen Sprengel rechnete, mit Unterstützung Herzog Kasimars zu Dargun aufs Neue ein Kloster auf; er berief dorthin aber nicht wieder Mönche aus Esrom, sondern Cistereienser aus Doberan 3 ). Damit ging das Kloster Dargun von der Linie Clairvaux im Cistercienser=Orden an die Linie Morimund über, die factische Verbindung mit Esrom hörte auf, wenngleich die Aebte von Esrom noch lange Zeit Paternitätsrechte über Dargun geltend zu machen suchten, bis sie ihren Proceß darüber 1258 verloren 4 ) und 1259 dem Abt zu Doberan gegen eine geringe Entschädigung auf alle ferneren Ansprüche förmlich Verzicht leisteten 5 ). Herzog Kasimar bestätigte dem neuen Kloster freilich 1219 6 ) alle Besitzungen und Rechte des alten, und darunter auch den freien Zuzug von "Deutschen, Dänen und Wenden" und deren freie Ausübung ihrer Handwerke (artes exercendi); aber daß damals wirklich noch Dänen eingewandert wären, ist durch nichts bezeugt und unwahrscheinlich.

Von den ersten Bauten, welche die Doberaner Mönche in Dargun aufgeführt haben, ist uns nichts erhalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren sie nur von Holz und Lehm (Fachwerk, ausgefüllt mit sogenannten Klehmstaken) aufgeführt und mit Stroh oder Rohr bedacht, um den dringendsten Bedürfnissen zu genügen. Im Jahre 1225 schenkte dann der Herzog Wartislaw von Pommern=Demmin dem Kloster Dargun das Dorf Küsserow zu freiem Eigenthum "ad opus latericium", um dort eine Ziegelei anzulegen 7 ). Daß die daselbst gewonnenen Ziegel vornehmlich zu Klosterbauten bestimmt wurden, ist freilich nicht zu bezweifeln; doch scheinen zunächst Wirtschaftsgebäude hergestellt zu sein, denn erst 1241, am 24. April, bezeugt der Fürst Borwin von Rostock, der inzwischen seines Hauses Hoheitsrechte über jene Gegenden gegen die Herzoge von Pommern durchgesetzt hatte, daß er bei der Grundstein=


1) Mekl. U.=B. I, Nr. 226.
2) Das. I, Nr. 186.
3) Das. Nr. 226.
4) Das. II, Nr. 812.
5) Das. Nr. 841.
6) Das. I, Nr. 247.
7) Das. I, Nr. 311.
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legung des Klosters Dargun diesem die Kirche zu Levin als Vicarei incorporirt habe. 1 )

Hiernach ist es sehr wahrscheinlich, daß wir die Grundsteinlegung in den Frühling 1241 zu setzen haben; und nach dem sonst üblichen Brauche darf man annehmen, daß der Grundstein an der Stelle des künftigen Hochaltars eingesenkt ward, und daß der neue Bau mit dem Chor begann, dann zunächst etwa auch noch das Kreuz umfaßte. Jedenfalls wird er zunächst auf die Theile der Kirche beschränkt sein, welche zum Gottesdienste nothwendig waren, und auf die Wohnräume des Conventes und vielleicht der Conversbrüder. Das weniger nothwendige Langhaus mag erst in Angriff genommen sein, als die zunehmende Bevölkerung des Klosterhofes eine Erweiterung des Gotteshauses gegen Westen erheischte und die Mittel des Klosters und der Gläubigen so weit angewachsen waren, um einen dreischiffigen Prachtbau zu ermöglichen. Schwerlich dürfen wir darum die Entstehung dieses Langhauses noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts setzen, wie Lisch angenommen hat 2 ); die Spitzbogenform der Arkaden spricht sicher für die zweite Hälfte jenes Jahrhunderts.

Auf dieses Langhaus hat nun Kornerup seinen Blick gerichtet. Seine Beschreibung desselben lautet, wie folgt (S. 5):

"Die alte Kirche in Dargun war in ihrer Grundanlage ohne Zweifel nach den für die Kirchen der Cistertienser geltenden Regeln als Kreuzkirche mit kleinen Capellen an der Ostseite des Kreuzes angelegt, hat aber im Laufe der Zeiten mancherlei Veränderungen erfahren. Namentlich ward in den Jahren 1464-1479 ein Umbau vorgenommen, indem das Kreuzschiff und der Chor niedergerissen und im entwickelten Spitzbogenstil wieder aufgebauet wurden. Durch die Reformation kam das Kloster in den Besitz der meklenburgischen Herzoge, und das einen viereckigen Hof umschließende Klostergebäude (den firkantede Klostergaard) ward theilweise umgeformt und zu einem fürstlichen Schlosse umgebaut, von runden Eckthürmen flankirt und mit Graben umgeben. Somit ist es nur das Schiff, der älteste Theil der Kirche, welches für uns Bedeutung hat."


1) Mekl. U.=B. I, 527: cum ad impositionem primi lapidis monasterii Dargunensis, vdi tunc presentes fuimus etc.
2) Jahrb. XXVI, S. 215: "Da das Schiff der Kirche ein in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vollendeter, alter Bau ist" u s. w.
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"Dies Schiff ist 46 Ellen lang, 15 Ellen breit und 23 Ellen hoch 1 ) und hat an beiden Seiten niedrige Seitenschiffe gehabt, von denen jetzt das südliche abgebrochen ist. Dasselbe ist eingetheilt in drei Gewölbefächer (Hvælvingsfag, Joche, Travéen), und jedes dieser Fächer wird durch eine Gruppe von zwei schmalen, schräg eingeschnittenen, schwach zugespitzten Fenstern erleuchtet. Aus den Seitenwänden des Schiffes springen Halbsäulen hervor mit Kapitälen, deren Ecken schräge abgeschnitten sind, gleichwie an den ältesten dänischen Mauerstein=Kapitälen, und die gleichfalls nur mit einer einfachen Deckplatte mit Hohlkehle versehen sind. In jedem Fache öffnen sich zwei schmale (smalle) spitzbogige Arkaden nach den Seitenschiffen zu. Diese Arkadenreihe, welche ebenfalls von Halbsäulen getragen wird, deren Kapitäle abgeschrägte Ecken haben, erinnern an einige gleiche in ein paar dänischen Kirchen, welche älter als Dargun sind, nämlich an Ringsted und Stubbekjöbina, wo die Arkadenbögen jedoch rund sind. Die Sockel (Fodstykker) der Halbsäulen in Dargun haben ganz denselben eigenthümlichen Zuschnitt wie einige Sockel im ältesten Theile des Domes zu Roeskilde, denselben hochsitzenden Ring mit der darunter hervortretenden Hohlkehle und mit den zwei schweren Eckknäufen auf dem untersen Ringe oder Wulse 2 ) Der stark gebrannte rothe Ziegelstein, aus welchem die Kirche zu Dargun ausgeführt wurde, ist wie bei den älteren dänischen Backsteinkirchen an allen Halbsäulen und schräg eingeschnittenen Fensteröffnungen (Vinduesskraaninger) geriffelt. Die ursprünglichen Gewölbe, welche ohne Zweifel, wie die Arkaden, spitzbogig gewesen sind, existiren nicht mehr; denn die jetzt vorhandenen rundbogigen Wölbungen sind ans Holz und rühren von einer Restauration im Jahre 1850 her. Endlich muß noch bemerkt werden, daß das nördliche Seitenschiff damals, als das Kloster ein fürstliches Schloß ward, theilweise umgebauet und verändert ist."

"Betrachten wir das Schiff der Kirche zu Dargun außen von der Südseite, so nehmen wir über den Fenstern den für die ältesten deutschen Backsteinkirchen bezeichnenden herkömm=


1) Die dänische Elle ist = 0,6277 Mtr.; 46 Ellen also = 28,86 Mtr., 15 Ellen = 9,41 Mtr., 23 Ellen = 14,44 Mtr. - Die Höhe beträgt hiernach die Hälfte, die Breite etwa 1/3 der Länge, so daß jedes der drei Gewölberäume etwa quadratisch ist.
2) Kornerup citirt hiezu: "Der Dom zu Roeskilde in den Danske Mindesmærker II, T. XIII.
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lichen Fries wahr, welcher in einer Reihe kleiner Rundbogen besteht, die einander schneiden; dasselbe Motiv, welches wir an mehreren holländischen Kirchen wieder erkennen und welches diese klar genug von Norddeutschland herübergenommen haben. Die schmalen Fenster, von denen nur das mittelste Paar rundbogig ist, sind alle mit einem Rundstabe eingefaßt (Løber omkring Stikket), und die gewölbten Bogenflächen (Buernes krumme FIader) sind, wie bei einigen Fenstern im Dome zu Roeskilde und in der Frauenkirche daselbst, mit Kalkputz belegt. Der Westgiebel des Schiffes, der theilweise durch ein anstoßendes Gebäude verdeckt wird, ist spitz ohne Abtreppungen, querüber verziert mit einer Zahnleiste (Tandskifte, wohl Stromschicht) und mit runden Blenden, und darunter mit einem Ziazackmuster (Heringsgrätenmuster?), ähnlich dem am Kreuzgiebel der Kirche zu Bergen auf Rügen und am Dom zu Roeskilde. Ueber den fünf spitzbogigen Arkaden, welche die Verbindung zwischen dem abgebrochenen Seitenschiffe und dem Hauptschiffe gebildet haben, sind deutlich Spuren von fünf Spitzgiebeln wahrzunehmen. Das Seitenschiff scheint also durch eine Reihe von Satteldächern mit Spitzgiebeln bedacht gewesen zu sein: wieder eine Erscheinung, die an den Dom zu Roeskilde erinnert."

"Die Uebereinstimmung in den oben erwähnten Einzelheiten mit den Formen der ältesten dänischen Backsteinkirchen ist unverkennbar. Der in Dargun herrschende Uebergangsstil mit seinen halb romanischen, halb gothischen Motiven ist ganz derselbe, wie er an der Roeskilder Domkirche durchgeführt ist, nur daß die Anlage bei der Cistertienserkirche naturgemäß einfacher war als bei der eines Domes. Das Schiff in Dargun, welches wahrscheinlich nach 1241 aufgeführt ist, muß in Hinsicht auf seine spitzbogigen Fenster und die kleingegliederte (smaaleddede) Einfassung der Arkaden für ein wenig jünger angesehen werden als der altere östliche Theil, der Chor und das Kreuz des Domes zu Roeskilde, aber vielleicht für älter als der westliche Theil derselben Domkirche." -

Wir sind dem Verfasser dankbar für diese sorgfältige, auf seiner Beobachtung beruhende Beschreibung, welche auch dann ihren Werth behält, wenn man sich vielleicht die von demselben aus der Vergleichung mit dänischen Kirchen gezogenen Schlüsse nicht aneignen kann. Die Frage, welche Kornerup hier angeregt hat, ist für die meklenburgische Baugeschichte von nicht geringem Interesse und verdient ohne

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Zweifel eine weitere Erwägung der Sachverständigen; denn bis jetzt erscheint sie dem Referenten doch noch keineswegs gelöst.

Kornerup selbst, der die Verwandtschaft der Darguner Kirche mit den dänischen (S. 9) für "augensichtlich" (øiensynlig) erklärt, verräth einige Verlegenheit, wie er sie erklären soll, da ja die dänischen Mönche (und gewiß auch die etwa mit ihnen eingewanderten dänischen Handwerker) Circipanien schon vor dem Schlusse des 12. Jahrhunderts wieder verließen, und 1209 nicht dänische, sondern Doberaner Mönche das Kloster wieder aufrichteten. In dieser Hinsicht steht Dargun ganz anders da als Eldena und Colbatz, welche als Töchter Esroms mit dem dänischen Mutterkloster in steter Verbindung blieben.

Der dänische Kunsthistoriker stellt nun (S. 9) zur Erklärung seiner Hypothese zwei Vermuthungen auf, nämlich daß entweder die Darguner einen baukundigen, aus dänischer Schule hervorgegangenen Mönch aus Hilda zum Baumeister herbeigerufen haben, oder daß sich bei ihnen "in dem Zeitraum, wo die meklenburgischen Lande dem Scepter Waldemars unterstanden", Dänen, und unter diesen sowohl Maurermeister als Ziegler, ansiedelten.

Allein beide Vermuthungen dünken uns gleich unwahrscheinlich. Denn abgesehen davon, daß, wie die bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinein erbauten Kirchen 1 ) sattsam beweisen, es auch in Meklenburg selbst nicht an Maurern und Zieglern fehlte, ist an einen Einfluß König Waldemars II. hier nicht zu denken. Als Doberan 1209 einen neuen Convent nach Dargun entsandte, waren die meklenburgischen Fürsten allerdings noch dänische Vasallen, und König Waldemar suchte sich hernach in die Grafschaft Schwerin einzudrängen; aber seitdem 1223 Graf Heinrich von Schwerin sich seiner Person bemächtigte, war es mit seinem politischen Einfluß in Meklenburg aus, und daß er einen andern ausgeübt hatte, ist nicht bezeugt. Für Dargun war dies ganze Verhältniß zu ihm um so gleichgültiger, als damals die Gegend von Dargun noch unter pommerscher Landeshoheit stand. Und wäre etwa um 1220 ein dänischer Maurermeister in Dargun eingewandert, so hätte er ja damals noch nicht in Dänemark die Muster gefunden, nach denen er gearbeitet haben soll, auch schwerlich in jener Abgelegenheit den großen Schritt vom romanischen zum Spitz=


1) S. das Verzeichniß von Dr. Crull, Jahrb. XXIX, S 53.
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bogenstil selbständig gethan. Und ebenso wenig können wir an einen Baumeister aus Eldena i. P. glauben, zumal die Vollendung des dortigen Klosters etwas später (1265) 1 ) zu fallen scheint als die des Dargun'schen. Viel natürlicher will es uns bedünken, daß die Darguner das Mutterkloster Doberan in den Rath nahmen, als sie ihren Bauplan entwarfen; und wenn Kornerup (S. 9) die Nähe von Eldena (6 Meilen) betont, so können die drei Meilen, um welche Doberan den Dargunern ferner lag, doch nichts verschlagen.

Kornerup erhebt in Bezug auf Doberan freilich das Bedenken, das die Kirche zu Doberan im 14. Jahrhundert umgebauet, also jünger sei als das Langhaus zu Dargun, mithin nicht zur Vergleichung herangezogen werden könne. Er übersieht aber dabei, daß von dem älteren, am 3. Oktober 1232 geweiheten 2 ) Kirchengebäude zu Doberan noch ansehnliche Reste zeugen 3 ), daß es also dort an lebhaftem Interesse und Verständniß für Baukunst nicht fehlte; und daß dieses mit 1232 nicht abschloß, beweisen Kirchengebäude in dem ehemaligen Gebiete dieser Abtei und die sog. Heiligen=Bluts=Capelle in Doberan selbst. Auch darf man, wenn von meklenburgischen Cistertienserbauten jener Zeit die Rede ist, nicht unbeachtet lassen, daß von dem 1248 oder 49 geweiheten 4 ) Dom zu Schwerin noch der westlichste Theil erhalten ist und trotz aller Umbauten noch ursprüngliche Theile erkennen läßt 5 ). - Ferner darf man in der Baugeschichte der Klosterkirchen niemals vergessen, daß die Aebte eines Ordens mehr oder weniger regelmäßig bei den General=Conventen zusammentrafen und dort die schönste Gelegenheit fanden ihre Ansichten und Wünsche auch hinsichtlich ihrer beabsichtigten oder bereits begonnenen Bauten auszutauschen.

Dies ist auch Kornerup sehr wohl bekannt; er hebt selbst (S. 36) hervor, daß der Backsteinbau gerade durch die Cistertienser aus der Lombardei nach dem nördlichen Europa verbreitet sei, und insonderheit betont er (S. 31), daß der Backsteinbau im 12. Jahrhundert durch König


1) Mekl. U.=B. II, Nr. 1005: fater R[eginarus] dictus abbas in Hilda totusque conuentus ididem - nouum nostrum mouastterium nunc intrauimus." Ueber die Zeit der Ausstellung dieses Briefes (1265) siehe Pyl, Eldena I, S. 415, Amn.
2) Mekl. U.=B. I, Nr. 406.
3) Lisch, Jahrb. IX, S. 410.
4) Mekl. U.=B. I, Nr. 631, Anm.
5) S. Lisch im Jahrb. XIX, S. 399.
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Waldemar I. und seine Zeitgenossen aus Deutschland nach Dänemark eingeführt worden ist. Aber in ähnlicher Weise, wie hochverdiente dänische Forscher über die prähistorischen Alterthümer die Ansicht ausgesprochen haben, daß die Bronzecultur in ihr Vaterland importirt, dann aber dort eigenthümlich entwickelt sei, "meint" Kornerup (S. 37) "zu verspüren, daß dieselbe" (die Backstein=Baukunst, aus der Lombardei) "über Deutschland nach Dänemark gekommen ist und dagegen dorthin" (nach Deutschland) "wieder jene Kirchen" (zu Dargun, Hilda und Colbatz) "gebracht hat, welche die Mönche aus Esrom im alten Wendenlande erbaut haben".

Was Daraun angeht, so bekennt sich Referent von dieser Ansicht nicht überzeugt. Denn man überzeugt sich schwer davon, daß der lebhafte Verkehr Dänemarks mit Deutschland, den Kornerup im 12. Jahrhundert anerkennt, späterhin aufgehört habe; im Ganzen und Großen beweisen ja auch die Bauwerke selbst, daß die Architektur in Dänemark dieselben Phasen durchlief wie in Norddeutschland 1 ). Und wenn wir dem dänischen Kunsthistoriker auch willig einräumen, daß, wenn man sich die Erforschung architektonischer Einwirkungen und Verbindungen zur Aufgabe stelle, es dabei auch sehr auf den Schmuck und die kleinen Einzelheiten ankomme: so müßten doch die von ihm hervorgehobenen Uebereinstimmungen ausschließlich dänisch sein, wenn sie uns überzeugen sollten. Eben dieses aber vermissen wir. Die von Kornerup betonten Kapitäle der Halbsäulen mit schräge abgeschnittenen Ecken sind ja nicht eine dänische Erfindung, sondern, wie er selbst (S. 32) anführt, schon ein Jahrhundert früher in Jerichow in der Altmark angewandt; und sie finden sich vielfach schon an romanischen Bauwerken Norddeutschlands, auch Meklenburgs 2 ). Die geriffelten Steine waren nach Kornerups eigener Angabe in Norddeutschland verbreitet und von hier nach Dänemark gekommen. Die Arkaden stimmen in der Form zugestandenermaßen nicht mit den zur Vergleichung herangezogenen dänischen. Die Zahnleiste mit den geblendeten Halbkreisen sieht man auch an der Westfeite des Doms zu Schwerin. Daß die Bedachung des Seitenschiffes mit Spitz= giebeln nicht aus Dänemark herübergebracht zu sein braucht,


1) Die auf S. 32 angeführte wesentlichste Eigenthümlichkeit der romanischen Kirchen Dänemarks in der Construction des Triumphbogens kommt bei unserer Frage nicht in Betracht.
2) Vgl. über die Verbreitung des Trapezcapitals Otte, Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie (4. Aufl.) I, S. 448, Anm.
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weiß auch Kornerup; er citirt selbst Dohme (Kirchen des Cistertienserordens in Deutschland S. 150), welcher der Ansicht ist, daß diese Anordnung vom Dom zu Magdeburg entlehnt ward. Was dann aber noch von Kornerup's Vergleichspunkten übrig bleibt, die Aehnlichkeit der Säulensockel und das Bißchen Kalkputz über den Bogenspitzen der Fenster, reicht meines Erachtens noch nicht aus, um daraus auf einen dänischen Baumeister der Darguner Kirche zu schließen.

 

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