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II.

Meklenburgische Grabfelder der Eisenzeit.

Von

Dr. Robert Beltz .


I. Urnenfeld von Spornitz.
[Katalog=Nummer des Großh. Antiquariums: E 161-182.]

E ine Zusammenstellung der verschiedenen Fundstätten prähistorischer Alterthümer in Meklenburg ergiebt als Resultat, daß es im Wesentlichen dieselben Gegenden gewesen sind, welche die Bevölkerung der drei vorgeschichtlichen Perioden, der Stein=, Bronze= und Eisenzeit, angezogen haben. Es ist überwiegend leichter, sandiger Boden, in dem wir die Spuren der alten Ansiedelungen finden, wohl begreiflich bei der unüberwindlichen Schwierigkeit, welche die Bearbeitung des fetten Bodens der primitiven Cultur entgegenstellen mußte. Und so hat denn auch der Sandboden des südlichen Meklenburgs eine außerordentlich große Anzahl von vorgeschichtlichen Sachen aufzuweisen; noch im letzten Jahrbuch (XLVIII, S. 314) sind neue Gräber der Bronzezeit ("Kegelgräber") in der Parchimer Gegend mitgetheilt worden. Auffallend war es, daß dort, wo fast Ort an Ort Kegelgräber bekannt geworden sind, die Steinzeit durch Gräber von Muchow und Siggelkow, die jüngere (wendische) Eisenzeit durch Skelettgräber bei Parchim und durch Burgwälle bei Neu=Brenz, Muchow, Wulfsahl und Marnitz charakterisirt wird, Grabstätten der älteren (germanischen) Eisenzeit fast gänzlich zu fehlen schienen. Der Verfasser schuldet darum

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Herrn Ehrenstein großen Dank, der als Revierjäger in Spornitz ihn auf ein Grabfeld bei Spornitz aufmerksam machte. An Ort und Stelle habe ich dann erfahren, daß dasselbe nicht allein steht, sondern noch zwei ähnliche Felder sich in der Nähe befunden haben, die dem Anscheine nach aber gänzlich zerstört sind. Es scheint demnach die Annahme begründet, daß die auffallende Lücke zwischen Bronze= und jüngerer Eisenzeit nur auf mangelnder Beobachtung beruht, und wir hoffen können, sie allmählich auszufüllen. Es gehört überhaupt zu den betrübendsten Erscheinungen, daß die Aufmerksamkeit unserer Landbevölkerung sich mit den Urnenfeldern nicht im geringsten beschäftigt. Die über den Boden hervorragenden, oft recht stattlichen Kegelgräber haben wenigstens zu Sagen Veranlassung gegeben und sind sehr lange Gegenstand einer abergläubischen Scheu geblieben; die Urnenfelder in Acker oder in Sandgruben sind stets gedankenlos der Zerstörung überlassen. Nur so ist es zu erklären, wenn die Reihe der prähistorischen Formenentwickelung hier an einigen Stellen unterbrochen scheint. Daß z. B. die Eisenzeit in Meklenburg gleich mit der Periode römischer Provincialcultur einsetzen sollte, wie es nach den im Schweriner Museum befindlichen Funden scheinen könnte, ist nach unserer Kenntniß der prähistorischen Verhältnisse unserer Nachbarländer kaum denkbar. Gelegentlich finden sich auch bei uns Funde der vorrömischen (keltischen) Eisenzeit, der sog. la Tèue-Cultur, und ich habe Grund zu der Annahme, daß dieselben nicht versprengte Stücke sind, sondern zerstörten Urnenfeldern angehören (wie sie in glänzender Weise an der Niederelbe und in Holstein auftreten). Daß auch das Ende der Bronzezeit hier durch Urnenfelder charakterisirt gewesen ist, und daß unsere bisherige Unklarheit über diesen Punkt auf dem Umstande beruht, daß diese Urnenfelder sehr arm an Beigaben waren und daher zu Untersuchungen früher nicht einzuladen schienen, läßt sich direct beweisen (s. Jahrb. XLVII, S. 292 flgd.). -

Reich und gut vertreten ist dann bei uns im Museum die römische Eisenzeit, deren Grabfelder man früher als wendische ansah. Aber auch diese begreifen nur einen beschränkten Zeitraum und verlieren sich um die Zeit der Völkerwanderung gänzlich. Wie schmerzlich gerade hier eine Lücke ist, wo man so gern völlig dunkle Partien der einheimischen Geschichte durch archäologische Methode aufklären möchte, brauche ich nicht zu sagen. Sorgsam müssen wir da auch die unscheinbarste Beobachtung registriren, die dereinst in richtigem Zusammenhange zur Aufklärung dienen könnte;

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und von diesem Standpunkte kann auch das Spornitzer Grabfeld, trotzdem es nur im Zustande der jämmerlichsten Verwüstung bekannt geworden ist, Interesse beanspruchen. Ich theile im Folgenden die Resultate einer Untersuchung mit, die ich am 3. und 4. September 1883 unter höchst dankenswerther, thätiger Beihülfe des Herrn Försters Mecklenburg in Spornitz und des Herrn Pastors Voß in Neustadt vorgenommen habe.

Südlich von Spornitz steigt das Terrain langsam auf; hier liegt an dem nach Stolpe führenden Wege 1/4 Stunde hinter dem Dorfe ein Sandhügel, "Spreensberg" genannt. Derselbe ist im Laufe der Zeit in seinem südlichen Theile allmählich fast gänzlich abgefahren, und damit ist ein anscheinend sehr reiches Urnenfeld zerstört worden. Der nördliche Abhang ist vor nicht allzu langer Zeit bei einer Viehseuche als Begräbnißstelle benutzt worden. Alterthümer hat man hier und auf der Höhe des Hügels nicht gefunden. Der Grund scheint derselbe zu sein, welcher die Bauern veranlaßte, den südlichen Abhang beim Sandholen besonders zu benutzen. Der Sand steht nämlich hier nicht tief und ist mit reichlichem Steingeröll durchsetzt, während der südliche Abhang überwiegend tiefen, reinen Sand enthält. Ueber die ursprüngliche Ausdehnung des Grabfeldes ist ein Urtheil nicht möglich, da dasselbe nicht nur, wie gesagt, bereits durch Sandabfahren zerstört ist, sondern auch ein durchgelegter breiter Weg viel hinweggenommen hat. Auch über die Stellung der Urnen zu einander ist eine Entscheidung nicht mehr möglich; an den noch unberührt aufgedeckten war eine Reihenfolge nicht zu erkennen. Auch ihre Tiefstellung war eine verschiedene; im Allgemeinen ließ sich bemerken, daß die Sandschicht durchgraben und sie auf der darunter anstehenden Mergelschicht beigesetzt waren, im tieferen Sande standen sie etwa 50 cm tief. Sie standen frei, nur einige waren in Steine verpackt. Alle waren mit Knochen, Asche und Kohle bis oben gefüllt, und die Beigaben lagen zwischen diesen, nicht auf ihnen; nur eine Urne, und noch dazu die einzige sorgsam durch Steine geschützte, enthielt nur Sand.

Bei Beginn der Ausgrabung lagen auf dem durchwühlten Sandfelde zahllose Urnenscherben und einige Perlen, Eisen= und Bronzestücke wild umher, für einen Archäologen ein herzzerreißender Anblick. Die Ausgrabung selbst hat über ein Dutzend Urnen zu Tage gefördert, von denen aber nur wenige Beigaben enthielten; die Urnen waren sämmtlich zerbrochen. Unter diesen Umständen ist ein Zusammenreihen

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der Fundstücke nach ihrem Fundplatze ohne Bedeutung; und ich zähle demnach die durch eigene Ausgrabung gewonnenen und die auf dem Felde gesammelten Gegenstände mit den durch die glücklichere Hand des Herrn Ehrenstein erbeuteten zusammen auf.

A. Thongefäße.

Die Arbeit derselben ist eine durchaus gute. Das Material ist fein geschlemmter, graubrauner Thon, der nur bei einigen Exemplaren mit gröberem Sande vermengt ist. Gerade die größeren Urnen sind am sorgsamsten geschlemmt. Die Oberfläche besteht bei der Mehrzahl aus einer feinen Thonschicht, und zwar bedingt dieser Ueberzug die Färbung des Gefäßes. Wo der Ueberzug fehlt, ist die Färbung der Innen= und Außenseite conform; wo er vorhanden ist, wechselt sie von hellem Rothbraun bis tiefem Schwarz, ohne jemals das tiefglänzende Schwarz der Urnen von Kamin, Kothendorf u. s. w. zu erreichen. Es scheint, daß die schwarze Färbung nicht dadurch erzielt ist, daß die fertigen Urnen einem "Schmauchfeuer" ausgesetzt wurden, sondern daß bereits dem Ueberzuge, durch einen Zusatz von Fett oder Oel etwa, seine Farbe gegeben ist.

Die Verzierungen zerfallen in Linien, Punkte und Rippen, in folgenden Combinationen:

a. Rein lineare Verzierungen zeigten: 1) die Reste einer größeren Urne, wo oberhalb des Bauchrandes vier tief eingedrückte Parallelstriche mit unregelmäßig gezogenen Linien wechselnd um die Wand herumliefen; mehrmals wird der 5 1/2 cm hohe Streifen durch eingedrückte Verticallinien unterbrochen (s. Tafel II, Fig. 1). - 2) Einzelne Scherben, wo zwischen zwei starken Horizontallinien eine Anzahl Schräglinien hinlaufen; unterhalb des so gebildeten Bandes laufen andere größere Schräglinien in umgekehrter Richtung (s. Tafel II, Fig. 2). - 3) Scherben verschiedener Urnen, wo zwei Paare starker, nicht weit von einander entfernter Parallelstriche um die Wand unterhalb des Halses herumlaufen.

b. Linien und Punkte: 1) Flüchtig und unregelmäßig eingedrückte horizontale Parallellinien, unter denen eingekerbte Punkte, in zwei Reihen, wahrscheinlich mit einem stumpfen Holzstock eingedrückt (s.Tafel II, Fig. 3). - 2) Zwei horizontale Parallellinien, von deren unterster in regelmäßigen Abständen von 2 cm je 3 verticale Parallellinien hinablaufen, sorgsam gezogen. In den freien Flächen befinden sich unter einander je 3 platte eingedrückte Punkte (s. Tafel II, Fig. 4).

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c. Alleinstehend ist die Verzierung des unten näher beschriebenen (Tafel II, Figur 5 abgebildeten) zierlichen Gefäßes. Unterhalb des Halses laufen 1 cm von einander entfernt zwei Horizontallinien; dicht über der unteren sind dicht neben einander Punkte eingekerbt; an der Bauchrundung sind stärkere Rippen vertical neben einander eingedrückt. 3 1/2 cm lang.

Eine Vergleichung dieser Ornamentirung ergiebt nun eine wesentliche Abweichung von den Urnen der älteren Eisenzeit (Kamin u. s. w.), da bei diesen die Verzierungen stets

Urne von Kamin

Urne von Kamin (ältere Form)

aus feinen, meist punktirten Linien bestehen, und reiht sie Urnen an, wie sie z. B. in den "Römergräbern" von Häven gefunden sind. Im Jahrb. XXXV, Tafel II, 18 und 19

Urne von Pritzier

Urne von Pritzier (jüngere Form)

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sind zwei Urnen abgebildet, deren Verzierung genau der oben unter a 1 und 2 charakterisirten gleicht. Bei der Besprechung des Hävener Fundes (a a. O. S. 122) hat Lisch Analogien aus sogenannten "Wendenkirchhöfen" angeführt, besonders auf gleiche Urnen aus Pritzier hingewiesen (Jahrb. VIII, B, S. 58, s. auch XII, S. 428); wir können noch Funde aus Urnenfeldern von Kothendorf, Göthen und Malchin dazufügen. Wenn Lisch damals "diese mit meist derben Strichen verzierten Urnen für älter hielt, gegenüber den feineren punktirten", so hat eine Vergleichung mit dem archäologischen Befunde der Nachbarländer das umgekehrte Verhältniß ergeben, und wir müssen heute mit den durch punktirte Urnen charakterisirten Urnenfeldern die Reihe der Gräber der Eisenzeit eröffnen. (S. jetzt besonders Undset, das erste Auftreten des Eisens in Nord=Europa S. 269).

Ueber die Form der Spornitzer Urnen läßt sich leider nichts Durchgehendes bestimmen, da keine einzige völlig erhalten ist. Im Allgemeinen scheinen sich die Wände an den platten Fuß in sehr stumpfem Winkel anzusetzen; in einem scharf ansetzenden Bauchrand oder in starker Rundung zieht sich die Gefäßwand zu dem verhältnißmäßig engen Halse zusammen. Abweichend sind zwei kleinere Gefäße: 1) das oben erwähnte (Tafel II, Fig. 5) mit Gratrippen. Der Hals ist nicht erhalten, der Fuß hat 5 1/2 cm Durchmesser und ist nach innen hohl, der Bauch flach gewölbt. Die Farbe ist innen wie außen rothbraun; gearbeitet ist es aus freier Hand; das Material ist fein geschlemmter Thon. Diese geriefelten Gefäße sind häufiger im mittleren Elbgebiete und in der Lausitz, bei uns noch nicht beobachtet. Lindenschmit, A. u. a. h. V. II, I, 1 theilt eine Anzahl derselben mit, von denen besonders Nr. 2 den unseren entspricht. 2) Ein Napf, wesentlich einfacherer Art als die anderen Gefäße; kein Fuß, unten eingedrückt zu einem Grübchen von 3 1/2 cm Durchmesser; größter Durchmesser 38 cm. Die Höhe ist nicht genau bestimmbar, da der obere Theil abgebröckelt ist, etwa 6 1/2 cm.

Die Spornitzer Urnen gehören einer durch scharfe Merkmale charakterisirten Stufe der Keramik an, die sie nicht nur von den Urnen der Stein= und Bronzezeit, sondern auch von denen der älteren und der jüngeren Eisenzeit (dem sogenannten Burgwalltypus) bestimmt unterscheidet. Ihr Verbreitungsgebiet zu bestimmen ist mir bei der Art, wie das archäologische Material in Deutschland zerstreut ist, noch nicht möglich gewesen; zusammenfassende Darstellungen fehlen, da Undsets classisches Werk sich nicht bis zu dieser Periode er=

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streckt. Ich will nur erwähnen, daß ich an einen directen Zusammenhang mit dem sogenannten Lausitzer Typus, der seinen Namen nach den außerordentlich reichen und mannigfaltigen Urnen jener Gegend hat, nicht glaube; jene Funde sind doch wesentlich älter, und ihre Aehnlichkeit mit den Spornitzer Urnen wohl nur äußerlich. Eine Aufeinanderfolge von Lausitzer Typus und Burgwallfunden ist wohl gelegentlich vermuthet, aber, soviel ich weiß, nirgends sicher constatirt; es scheint vielmehr, daß dort das Nachrücken slavischer Massen noch früher als bei uns der älteren Eisenzeit ein Ende gemacht hat. (S. auch Undset, a. a. O. S. 150 flad.)

Dagegen bietet Hannover sehr reiche Urnenfunde dieses Charakters; siehe z. B. die allerdings sehr manirirten Abbildungen in Kemble's Horae Feriales, Tafel XXX u. XXXI, aus Grabfeldern von Hoya, Nienburg, Wölpe. Nach Norden geht er weit hinauf: in Sehested's Werke über seine Funde in Broholm auf Fünen sind mehrere Urnen der Art abgebildet; auch wichtig weil in Beigaben mit dem Spornitzer Felde übereinstimmend, sind die Bornholmer Grabfelder (s. Vedel in den M/eacute;moires de la société des antiquaires du nord 1872-1877, Tafel 10), und Undset bildet a. a. O. Fig. 209 Urnen gleicher Art aus Gräbern Norwegens mit römischem Einflusse ab.

B. Gegenstände von Bronze.

1) Eine Fibel (abgeb. Tafel II, Fig. 6), sogenannte "Armbrustfibel". Die Seyne schlingt sich in 8, resp. 7 Windungen um die 5 3/4 cm lange Axe und lehnt sich halbkreisförmig an die untere Seite des Bügels an; dieser ist selbst halbkreisförmig und hat einen constanten dreiseitigen Querschnitt mit leise convexen Seiten von 3/4, resp. 1/2 cm Breite, der Fuß ist vierseitig und hat eine Nadelscheide. Die Ornamentirung ist ungewöhnlich reich: auf dem Bügel ist ein Ornament, bestehend aus zwei concentrischen Kreisen mit einem Auge in der Mitte, eingedruckt, auf jeder Seite sechsmal. Offenbar ist dieses vermittelst eines Stahlpunzens geschehen, wie man an den scharfen Rändern der Furchen erkennen kann, und zwar ziemlich unsicher; denn die Abstände der Kreise von einander sind ungleich und die Furchen von verschiedener Tiefe. Der Fuß ist mit dem Spitzstichel ciselirt auf der Seite der Nadelscheide durch Linien, welche dieser parallel laufen, auf der anderen durch ein Band von in spitzen Winkeln an einander stoßenden Linien. Außerdem ist der Fuß durch Ausfeilen von je zwei Quadraten auf beiden

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Seiten profilirt. - An den Bügelhals setzt sich auf kurzem, dickem, gerundetem Stiele ein kegelförmiger, facettirter Knopf an; gleiche, aber kleinere Knöpfe schließen die Sehnenaxe ab.

Zur chronologischen Fixirung eines Grabfeldes sind die Fibeln von der größten Wichtigkeit; diese unscheinbaren Geräthe sind Erzeugnisse einer fabrikmäßigen römischen Provincialcultur, deren Verbreitung von der Productionsquelle bis zum fernen Osten und Norden sich verfolgen läßt und eine sichere, nicht nur relative, sondern zum Theil auch absolute Zeitbestimmung schon darum zuläßt, weil wir doch eine Zeit jahrhundertelanger Wanderung für diese zerbrechlichen Dinge nicht annehmen können. Es ist auf deutschem Boden hauptsächlich das Verdienst von Otto Tischler in Königsberg, die einzelnen Fibelformen nicht nur scharf geschieden, sondern auch nach ihrem Verbreitungsgebiete untersucht und durch gleichzeitige Münzfunde chronologisch bestimmt zu haben. Unsere Fibelform bezeichnet er "Ostpreußische Grabfelder" S. 182 als Typus A II a und giebt Curland und die Insel Gothland als die nördlichsten Ausstralungen an. Merkwürdig ist es, daß sie in der Nähe römischer Cultur, also nach dem Rheine zu, selten zu sein scheint, während eine häufigere Abart, die mit lang herabgehendem Nadelhalter, zu dem regelmäßigen Inventar der von römischer Cultur beeinflußten Gräber und anderen Fundstätten im ganzen Gebiete gehört.

"Armbrustfibeln" der Spornitzer Art gehören bei uns zu den seltneren; wir haben sie nur aus den vier Grabstätten von Klein=Retzow, Pritzier (Jahrb. VIII, 58; XXXVIII, 219), Gögelow (Fr. Fr., S. 96) und Bützow und aus sieben Einzelfunden, meist ohne genaue Fundangabe.

In Ostpreußen tritt diese Fibelform zusammen auf mit römischen Kaisermünzen aus der Zeit der Antonine und des Commodus (138-192 n. Chr.). Wenn wir nun auch eine Anzahl von Jahren als nothwendig für die weite Reise nach dem deutschen Norden annehmen, so können wir immerhin mit ziemlicher Bestimmtheit die "Armbrustfibel" in die erste Hälfte des dritten Jahrhunderts setzen.

2) Eine gleiche Fibel, aber kleiner und einfacher gearbeitet, der Knopf ist nicht profilirt und der Bügel nicht ornamentirt, die Nadelscheide läuft spitz aus. Länge: 5 1/2 cm, des Fußes: 2 1/2 cm.

3) und 4) Zwei einander völlig gleiche Fibeln, den vorigen verwandt, aber mit herabgehendem Nadelhalter, wie Hildebrand Spännets historie, Fig. 60 u. 61, Vedel a. a. O. 15, 4. Diese Form, wie es nach neueren Untersuchungen

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scheinen will, die ältere, ist in ihren verschiedenen Ausbildungen häufiger als die eben erwähnte und bis in die römisch=germanischen Grenzgebiete direkt zu verfolgen; auch in unsern Urnenfeldern ist sie sehr häufig.

5) Zusammengebrannte Bronze stücke, unter denen ein sich verbreiterndes Band mit erhabenem Grate erkennbar ist, wahrscheinlich der Bügel einer Fibel von seltnerer Gestalt.

C. Gegenstände von Eisen.

1) Eine eiserne Axt (s. Tafel II, Fig. 7). - Die Axt ist nach unten leise geschweift, aber bei Weitem nicht so, wie die Aexte aus den Gräbern des Rheinlandes (die bekannte Frankenwaffe, die francisca) zu sein pflegen, deren Zeit eine etwas jüngere ist. (Abbildung und Detailausführung in Lindenschmit's Handbuch der deutschen Alterthumskunde I, 1, S. 189 flgd., wo Fig. 90 der unseren am meisten entspricht, s. auch Lindenschmit's Alterthümer uns. h. Vorzeit I, II, 7, 2.) Sie entspricht ganz den Formen der übrigen Aexte der meklenburgischen Eisenzeit, wie sie in den Gräbern von Börzow, Kothendorf (Frid. Franc., Text S. 89) und Kamin (Jahrb. II B, S. 53 und XXX, S. 153) gefunden sind. Doch giebt ein Umstand dabei zu denken. Die genannten Grabfelder enthalten die oben erwähnten schwarzen Urnen mit Mäanderverzierung und eine Fibelform mit oberer Sehne, die früher sogenannte "Wendenfibel"; hierdurch charakterisiren sie sich als der älteren Periode der Eisenzeit angehörig. Finden wir in Spornitz diese Axtform mit der jüngeren Fibelform und jüngeren Urnen zusammen, so beweist dies ein Fortbestehen der älteren Axtform in dieser Zeit, wohl begreiflich bei ihrer Einfachheit und Zweckmäßigkeit, documentirt aber zugleich einen direkten Zusammenhang zwischen beiden Arten von Grabfeldern. Im Uebrigen fanden Beigaben von Waffen damals nur sehr selten statt.

Diese Axt ist im Norden weit verbreitet: in Ost=Preußen erscheint sie neben älteren Fibelformen, also wie unsere Börzower u. s. w, in schleswigschen und dänischen Moorfunden * ) tritt sie neben Fundstücken auf, die denen unserer "Römergräber" ähneln; besonders beachtenswerth ist das Vorkommen in Bornholmer Skelettgräbern dieser Art (s. Mémoires des antiquaires du nord 1872-77, Tafel 13, Fig. 3, genau unser Exemplar, zusammen mit entsprechender


*) Anm. S. u. a. Engelhard, Kragetut mosefyndet IV, 10, Thorsberg mosefyndet XII, 13.
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Fibelform). Auf einen Zusammenhang der letzteren mit den Spornitzer Funden ist oben schon hingewiesen. Noch näher berührt uns Virchow's Mittheilung über das Urnenfeld von Ragow, wo unsere Axtform sich neben Urnen fand, die den Spornitzer ganz analog sind. (S. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1880, S. 94 flgd., Fig. 11.)

2) Ein Messer von 11 cm Länge, in zwei Stücke zerbrochen. Der Rücken ist gerade, die Klinge leise nach der Spitze zu nach oben geschweift, die Griffangel ist kurz und schmal. Es ist dieses die Form und die Größe, welche die Messer der Eisenzeit zu haben pflegen. Von unseren ältesten Urnenfeldern (z. B. Kamin) bis in die jüngste Heidenzeit (z. B. in dem Funde von Kladow, s. Jahrb. XL, S. 268) bilden sie ein fast regelmäßig wiederkehrendes Fundobject, und zwar überall, wo wir eine der unsern analoge Eisencultur antreffen, z. B. in dänischen Skelettaräbern der älteren Eisenzeit (s. Undset, Auftreten des Eisens, S. 442, Fig. 144), auf dem für die Eisenzeit und ihre Periodentheilung classisch gewordenen Boden von Bornholm in den Brandgruben (brandpletter) der dortigen zweiten und dritten Periode, welch letztere zu den Spornitzer Funden die meisten Beziehungen hat (S. a. a. O, Tafel 7, Fig. 4, mit unserem Exemplar genau übereinstimmend), in Ost=Preußen in dem Urnenfelde von Rosenau (s. Berend, Ztschr. d. phys.=ökon. Gesellschaft in Königsberg XIII, Tafel 7, Nr. 27, 31 u. 32, dazu Tischler, ebend. XIX, S. 245).

3) Ein Messer, ähnlich dem vorigen, aber unvollständig erhalten. Der Griff besteht aus einer vierseitigen, ziemlich starken Stange von 1 cm, resp. 3/4 cm Breite, die Klinge ist recht schmal, von kaum 1 cm größter Breite.

4) Ein Messer, stark zerbrochen und unvollständig; der Griff ist länger und dünner als beim vorigen, die Klinge stärker.

5) Eine Schnalle mit rundem Bügel, deren ursprüngliche Gestalt durch Verbiegen und Rost unkenntlich geworden ist.

6) Rest einer scheibenförmigen Fibel, leider so zerrostet und verbogen, daß ein näheres Erkennen unmöglich ist.

D. Eine Anzahl Perlen aus Glas oder Thon.

Die Mehrzahl sind platt und abgerundet, nur eine hat scharfe Kanten; die meisten sind einfarbig, die Glasperlen blau oder grün, die Thonperlen roth oder gelb. Die Tafel II, Fig. 8 abgebildete Perle ist auf einem schwarzen Grunde weiß gebändert, mit grünen Augen; solche Perlen sind bei

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uns selten, während die einfarbigen häufig gefunden werden, und zwar je jünger das Grabfeld, desto häufiger.

E. Zusammengerostete Eisen=, Bronze= und Glastheile.

Die Spornitzer Gegenstände sind theils unverletzt zu den gesammelten Gebeinen des Bestatteten in die Urne gelegt, theils mit ihm verbrannt. In letzterem Falle haben sie meist ihre Gestalt verloren und sind im Einzelnen nicht mehr erkennbar. So haben wir ein eisernes Messer, zusammengerostet mit Knochenstücken und Thon=Perlen, ein unerkennbares eisernes Geräth mit einem dünnen Bronzeringe, einen Nagel mit bronzenem Kopfe.

Die aufgezählten Trümmer des reichen Grabfeldes reichen zu einer allgemeinen Zeitbestimmung desselben aus. Nach dem Ausgeführten gehört es etwa dem dritten nachchristlichen Jahrhundert an, einer Zeit, in der Meklenburg noch seine alte germanische Bevölkerung gehabt und seine Cultureinflüsse auf dem westlichen Wege von den romanisirten Grenzländern erhalten hat. Am reinsten spricht sich dieser Einfluß in den Skelettgräbern, besonders zu Häven, aus; er herrscht aber auch in gleichzeitigen Urnenfeldern, von denen das von Pritzier dem Spornitzer am nächsten steht. Dieses gehört zu unsern jüngsten Urnenfeldern, wie ein Vergleich mit dem folgenden noch genauer zeigen wird.


II. Urnenfeld von Pogreß.
[Kat.=Nr. E 186. 187.]

Auf dem gräflich Bernstorff'schen Gute Pogreß, eine Meile nordnordöstlich von Wittenburg, hat der Pächter Herr Peitzner seit Jahren ein aufmerksames Auge auf vorkommende Alterthümer und prähistorische Stätten von Bedeutung gehabt. Er hat daher nicht nur selbst eine ansehnliche Sammlung von Geräthen aller prähistorischen Perioden zusammengebracht, sondern auch eine große Anzahl von Kegelgräbern westlich, südlich und östlich um den Hof herum nachgewiesen, die allerdings meist schon zerstört sind; es scheinen diese Grabhügel nach den Funden der jüngeren Bronzezeit anzugehören. Der hervorragendste Hügel, den man hierher zählen möchte, heißt "der Opferberg", hat aber

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bei einer Durchgrabung keine Fundstücke ergeben. Nahe dabei sind Urnen freigelegt, von denen eine mit Inhalt in das Schweriner Museum gekommen ist (s. Jahrb. XLI, S. 167). Das Grabfeld, von dem sie stammen, gehört zu den ältesten unserer Eisenzeit, denn die Urne enthielt vorrömische Metallsachen aus einer Culturperiode, die sonst an Meklenburg fast spurlos vorübergegangen zu sein schien. (S. Undset, Eisen in Nord=Europa, S. 263.) Oestlich von diesem Felde hat nun Herr Peitzner ein anderes entdeck, welches einen ganz anderen Charakter trägt und einer relativ jungen Periode der Eisenzeit angehört. Verfasser hat dasselbe mit freundlicher Unterstützung des Herrn Peitzner am 4.-6. October 1883 untersucht. Nördlich an dem von Dreilützow nach Parum führenden Wege ist eine Tannenwaldung durch einen Graben von früherem Ackerlande geschieden, auf dem jetzt eine Tannenschonung angelegt ist. Aus dem bei Anlage des Grabens aufgeworfenen sandigen Erdreich hat der Regen oft verbrannte Knochen, Urnenscherben und kleine Fundstücke aus Eisen, Bronze oder Glas freigespült, und auch bei der Tannenpflanzung ist man auf Urnen gestoßen. Diese Urnen standen etwa 1/2 m tief in der Erde, ungeschützt und, wie es scheint, gruppenweise bei einander. Da das Terrain nicht frei war, verbot sich die Freilegung einer größeren Strecke von oben her, und wir haben nur seitlich von den Wänden des Grabens aus eine Anzahl Scherben u. s. w. zu Tage fördern können. Auf eine unversehrte Urne sind wir nicht gestoßen. Ich zähle daher die früher und zuletzt gefundenen Gegenstände neben einander auf und bemerke, daß Herr Peitzner charakteristische Urnenscherben und die Taf. II, Fig. 13 abgebildete Schnalle der Sammlung geschenkt hat.

A. Thongefäße.

Die Urnen waren sämmtlich sehr fein geschlemmt aus braunrothem Thon, ohne Zusatz von Granitgruß, mit sehr geringem von Sand. Die Oberfläche war schwarz in verschiedenen Nuancirungen. Die Grundform scheint die eines Gefäßes mit kleinem Fuße, kräftiger Ausbauchung und starker Verengerung zur Halsöffnung gewesen zu sein.

Die Verzierungen waren meist fein ausgeführt und bestanden in Linien und rippenartigen Einkerbungen, vereinzelt auch Punkten.

1) Die Linearverzierung bestand aus kräftig eingedrückten oder flüchtig geritzten, niemals aus punktirten

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Linien. Die eingedrückten laufen zu einander parallel (Fig. 10) oder setzen sich an einen Streifen aus Parallellinien senkrecht (Fig. 12) oder auch schräg in Streifen an. Die eingeritzten zeigen denselben Charakter, z. B. Fig. 9. In verschiedener Weise sind dann eingeritzte und eingedrückte Linien combinirt (sehr ähnlich z. B. der Jahrb. XXXV, Tafel 2, 19 abgebildeten Urne von Häven). Gebogene Linien, wie an den Pritzierschen Urnen, sind selten (z. B. Fig. 11). Die Ornamentirung erinnert sehr an die Urnen der jütischen Moorfunde, z. B. Thorsberg, Taf. 17, Fig. 16.

2) Einkerbungen kommen in denselben Variationen vor, entweder allein, und dann wie an der abgebildeten Spornitzer, oder in Combination mit eingedrückten oder eingeritzten Linien in derselben Zusammenstellung, wie diese unter sich.

3) Punkte sind selten; ein Gefäß zeigt größere Punkte von kleineren umgeben, ein anderes eingedrückte, wie die Spornitzer Scherbe Nr. 4, und zwar sind sie kreuzförmig zusammengestellt.

B. Gegenstände aus Bronze.

1) Eine Schnalle ohne bewegbare Axe, mit viereckigem Bügel. Die große Mehrzahl der Schnallen, welche zu den regelmäßigen Ausstattungsstücken eines Grabfeldes der Eisenzeit gehören, hat eine Axe, ist also zweigliedrig.

2) Der Bügel einer Schnalle mit rohem Thierkopfornament (s. Fig. 13). Interesse gewinnt dieser Bügel durch parallele Funde. Im Museum zu Hannover sah ich vier gleiche Exemplare aus dem Perlberger Urnenfelde bei Stade, zusammen mit ihnen "Armbrustfibeln" und Knöpfe aus Knochen gleich dem unten zu erwähnenden. Auch die Urnen zeigten große Aehnlichkeit. Diese Uebereinstimmung zwischen hannoverschen und meklenburgischen Funden, so geringfügig letztere sind, ist nicht ohne Tragweite für Erkenntniß unserer ethnographischen Verhältnisse. Durch die "Armbrustfibeln" ist das hannoversche Feld dem zweiten bis dritten nachchristlichen Jahrhundert zugewiesen; finden wir Felder gleichen Charakters, so dürfen wir sie der gleichen Zeit und einer mindestens verwandten Bevölkerung zuschreiben. Es scheint demnach in jener Zeit starker Völkerbewegungen, welche der großen germanischen Wanderung nach Süden und nachdrängender slavischer Invasion vorausgingen, eine enge Verbindung zwischen der Bevölkerung zu beiden Seiten der Niederelbe und ihres Flußgebietes bestanden zu haben. Nach ihrem ganzen Charakter müssen wir Urnenfelder, wie das von Spornitz und Pogreß, an das Ende unserer Urnen=

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feldperiode stellen, und es wird nach dem Gesagten wahrscheinlich, daß die slavische Einwanderung derselben ein Ende gemacht hat. Dieses Resultat weicht wesentlich von der alten Anschauung ab, welche in den Urnenfeldern wendische Grabstätten erblickte und den populären Namen "Wendenkirchhöfe" approbirte; denn es weist ganz im Gegentheil sämmtliche Urnenfelder der germanischen Zeit zu und legt uns die Verpflichtung auf, andere archäologische Merkmale des Slavischen aufzufinden. Vorläufig ist das nur für die letzte Zeit des Slaventhums in Burgwallfunden, dem Begräbnißplatze von Bartelsdorf und einigen Silberfunden gelunaen; die ganze dazwischen liegende Zeit des slavischen Meklenburgs ist eine archäologisch noch dunkle Strecke, die zu erhellen wir erst ganz allmählich hoffen dürfen.

Aehnlichkeit mit der Pogresser Schnalle bietet auch die von Häven (Jahrb. XXXV, Tafel 1, Fig. 7), ein Beleg für etwaige Gleichzeitigkeit der beiden Fundstätten; aber während dort der Kopf unorganisch an dem Körper der Schnalle angesetzt ist, erscheint er bei der Pogresser, wenn auch plump ausgeführt, doch mit richtigem Stilgefühl als abschließendes Ende des Bügels. Wir haben aus einem Urnenfelde von Klink (s. Jahrb. XIII, S. 382) eine Schnalle, welche den Uebergang herstellt: noch ist das abschließende Glied des Bügels kein Thierkopf, aber es fehlen nur Ohren und Augen, um es dazu zu machen. Man verzeihe das lange Verweilen bei diesem unscheinbaren Gegenstande; ich glaube aber, daß die Betrachtung dieses Fundstückes insofern von Bedeutung ist, als es neben ähnlichen den Beginn einer nationalen germanischen Kunstindustrie darstellt, die nach römischen Mustern arbeitend zu einem eigenartigen Stile, dem germanischen der Völkerwanderungszeit, geführt hat. Die slavische Bevölkerung, welche den Osten damals occupirt hat, hat daran keinen Antheil, und so ist es auf unserem Boden bei Anfängen verblieben. Ich verweise daher auf Sophus Müller's lichtvolle Ausführungen (die Thierornamentik im Norden, übersetzt von J. Mestorf, 1881, S. 27 flgd.), welcher nachweist, wie an den römischen Industrieproducten allmählich als selbständiges Decorativ der Thierkopf auftritt und mehr und mehr zu einem germanischen Typus wird.

C. Eine kleine Axt aus Eisen, 9 3/4 cm lang, ganz gleich der Spornitzer (Tafel II, Fig. 7).

D. Rest eines Spielsteins (?) oder Knopfes aus Knochen, mit kleinen concentrischen Kreisen verziert.

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E. Mehrere sehr schöne Glasperlen. Sie sind rund, aus grünem Glase, eine mit helleren Längsstreifen, worüber gelbe Querstreifen gemalt sind.

Das Pogresser Urnenfeld läßt noch auf mehr Ausbeute hoffen; wir müssen uns begnügen, auf Grund obiger Ausführungen vorläufig seine Zeit ungefähr als die des dritten Jahrhunderts zu bezeichnen und es in eine Reihe mit den Urnenfeldern von Pritzier und Spornitz, den Skelettgräbern von Häven zu setzen, in welcher Reihe es zeitlich den letzten Platz einzunehmen hätte.


III. Begräbnißplatz von Bartelsdorf.
[Kat.=Nr. E 300-302.]

(Fortsetzung zu Jahrb. XXVIII, S. 301 und XXIX, S. 177.)

In den Jahren 1862 und 1863 wurde am rechten Warnowufer bei Rostock, auf dem Felde von Bartelsdorf, ein Grabfeld freigelegt und von Lisch untersucht, welches sich als unzweifelhaft wendisch, und zwar dem Beginn der christlichen Periode angehörig erwies, also dem ausgehenden zwölften, resp. beginnenden dreizehnten Jahrhundert angehörte. Die Bestattungsform war die Beerdigung, die Alterthümer von Eisen und Bronze waren sicher als jung charakterisirt. Eine Anzahl Fundgegenstände sind damals in den Händen von Rostocker Bürgern verblieben; so hat der Lithograph Dethloff einige erworben (s. Jahrb. XXVIII, 305). Diese sind später in den Besitz des Herrn Rathssecretärs A. Rusch gekommen und von diesem im Januar 1883 der Großherzogl. Alterthümersammlung überlassen. Es sind das:

1) Eine Schale aus Bronzeblech von 6 1/2 cm Durchmesser. Der Rand ist nach innen gebogen, unter demselben in gleichen Abständen drei kleine Oeffnungen, um die Schale aufhängen zu können. Dazu gehört angeblich ein Stück gewundenen Bronzedrahts, wohl eine Wagschale, wie Montelius, antiquités suédoises 642. Im Stockholmer Museum habe ich mir 4 solche Wagschalen notirt, meist zusammen mit Silberfunden aus der Zeit um 1000, also nicht wesentlich von der Zeit der Bartelsdorfer Gräber verschieden (s. Montelius

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statens historiska museum S. 58, Hildebrand, das heidnische Zeitalter in Schweden S. 128); durch dieses Zusammentreffen sind sie als Geldwagen charakterisirt. Da die Schatzfunde überwiegend aus "Hacksilber"(zerbrochenen Schmucksachen u. s. w., s. Bericht über die deutsche Anthropologen=Versammlung in Berlin 1880, S. 60 flgd.) bestehen, so wurden diese Wagen ja nothwendig. S. übrigens unten die Besprechung des Silberrings von Schwerin.

2) Ein kleiner Beschlag aus Bronze, in dem Eisen eingeklemmt, ist verziert mit kreuzförmig gestellten Punkten, wie der im Jahrb. XXVIII, S. 305 abgebildete Kopfring. Solche Beschläge sind auch von den Ausgrabungen her in die Sammlung gelangt und damals nicht unwahrscheinlich als Beschlag einer Messerscheide erklärt.

3) Ein kleiner Gürtelhaken aus Bronze, einfachster Form, zerbrochen und verletzt, etwa 7 cm lang; an der einen Seite eine Oeffnung zum Einhaken, an der andern eine kleine Knippe; verziert mit je einer Reihe eingedrückter Punkte an den Rändern und einer Wellenlinie in der Mitte, die ebenfalls von Punkten begleitet wird.

4) Ein "Schläfenring" aus Bronze. Der Ausdruck "Schläfenring" ist in neuerer Zeit, soviel ich weiß, durch Sophus Müller aufgekommen und bezeichnet offene Ringe aus Bronzedraht, die an dem einen Ende stumpf, an dem anderen zu einer Oese zurückgebogen sind. Man hat sie bei beerdigten Leichen, und zwar am Kopfe, gefunden in Begräbnißstätten, die man durchgängig als slavische ansprechen konnte, und sieht darum mit Recht in ihnen eine für Slavisches typische Form. (Sophus Müller in Schlesiens Vorzeit in Wort und Bild 1877.) Ueber ihr Vorkommen, besonders in Meklenburg, s. Lisch, Jahrb. XLV (1880), S. 268, bei Gelegenheit des Kladower Fundes. Seit der Zeit haben sich die Beobachtungen im Osten bedeutend gemehrt; nach Virchow's Ausführungen (Berliner Zeitschrift für Ethnologie XIII, 1881, Verhandlungen S. 369) scheint es, daß sie mit der offenen Oese an einem Riemen aufgereiht am Kopfe getragen wurden. Das vorliegende Exemplar hat 4 cm Durchmesser und unterscheidet sich von den früheren Bartelsdorfschen (s. Jahrb. XXIX, S. 180) wesentlich; diese sind nämlich aus zusammengebogenem Bronzeblech, das unsere dagegen massiv aus Bronzedraht.

5) Drei eiserne Nägel mit großem flachem Kopfe, wie sie schon früher erwähnt sind (Jahrb. XXVIII, S.

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304), damals als Sargnägel und Zeichen christlicher Sitte erklärt.

6) Scherben von drei Urnen, unverziert, mit brauner Oberfläche, mit grobem Kiessand durchknetet, wesentlich roher als die Urnen der oben besprochenen Urnenfelder.

Diese Nachlese giebt nur eine Ergänzung zu dem Bilde, welches a. a. O. von der Bartelsdorfer Grabstätte gegeben ist. Lisch hat gleich bei ihrer Aufdeckung ihre Bedeutung erkannt, und an seinen dort gezogenen Resultaten haben die zwanzig Jahre reger archäologischer Bestrebungen nichts geändert; nur ist die Wichtigkeit des Fundes dadurch gesteigert, daß er der einzige in Meklenburg geblieben ist.


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Anhang.

Ich füge anhangsweise noch zwei Funde hinzu, die vorläufig noch als Einzelfunde zu bezeichnen sind, sich aber mit den aufgeführten Grabfunden mehrfach berühren.

1. Perle von Dämelow.
[Kat.=Nr. 4665.]

Auf der Feldmark des Gutes Dämelow bei Brüel hat Herr v. Storch, der Besitzer, schon mehrere Perlen gefunden, und zwar an verschiedenen Stellen verstreut, während man weder auf Gräber der Bronzezeit, noch auf Urnenfelder gestoßen ist. Das zuletzt (Jan. 1883) geschenkte Exemplar ist rund, einfarbig hellblau, von 1 cm Durchmesser.

Die früher gefundenen Perlen (Jahrb. XXVIII, S. 152, XL, S. 155, XLIII, S. 206) waren meist blau, und zwar in sehr verschiedenen Nuancirungen, eine ganz dunkelgrün, zwei mit gelben Punkten, resp. Spitzen verziert. Nahe bei Dämelow liegen die Gräber von Häven, welche ein so beredtes Zeugniß von der römischen Beeinflussung jener Gegend etwa im dritten Jahrhundert n. Chr. (s. Lisch, Jahrb. XXXV, S. 163) geben. Diese Perlen einer Bevölkerung und einer gleichen Zeit zuzuschreiben liegt nahe; daß es römische Importartikel sind, kann keinem Zweifel unterliegen.

2) Silberring von Schwerin.
[Kat.=Nr. LII., V. V. c.]

Am Pfaffenteiche in Schwerin, beim Amtsgebäude, wurde bei Gelegenheit von Erdarbeiten der auf Tafel II, Fig. 14 abgebildete starke Silberring gefunden. Derselbe ist offen, an der Oeffnung spitz auslaufend und von da aus sich immer mehr verdickend bis zu 1/2 cm Stärke. Der Durchmesser beträgt 2 cm. An der stärksten Stelle ist er durch flüchtig eingeritzte kleine Linien verziert. Daß wir in diesem Ringe keinen zufällig verlorenen Gegenstand vor uns haben, für den die Fundstätte indifferirt ist, dafür scheint zu sprechen,

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daß schon vor Jahren von derselben Stelle eine Urne mit Henkel eingeliefert ist, hart gebrannt, mit klingendem Tone, der obere Theil stark eingebogen, und der Hals scharf ansetzend, mit schmutzig schwarzer Oberfläche. Beide Funde zusammengenommen scheinen doch auf eine absichtliche Bergung an dieser Stelle zu weisen. Silberfunde haben wir nur aus der letzten Zeit des Heidenthums, und wenn ich auch keine völlig treffende Analogie aus Deutschland zu dem besprochenen Ringe anführen kann 1 ), so weist doch seine Form ihn in jene Reihe von Schatzfunden orientalischen Charakters, die im Osten (bes. Pommern) und Norden (bes. Gothland) so überraschend reich auftreten, bei uns aber nur durch den großen Silberfund von Schwan vertreten sind. (S. Jahrb. XXVI, S. 241.) Dieser Fund ist durch deutsche, englische, russische und arabische Münzen datirbar und mit Sicherheit etwa dem Jahre 1030 zuzuschreiben. Unser isoliertes Stück können wir natürlich nur im Allgemeinen als Zeitgenossen jenes Fundes bezeichnen, müssen aber auf genauere Zeitbestimmung verzichten. Wie der Schwaner Fund in der Nähe von Niklots Burg Werle gemacht ist, so ist auch dieser Ring in der Nähe einer für das sinkende Wendenthum bedeutenden Stätte, des Schweriner Burgwalls, gefunden. Bei der großen Armuth an archäologischem Material, welches zur Aufhellung dieser denkwürdigen Epoche dienen könnte, wollen wir auf dieses Zusammentreffen wenigstens hingewiesen haben.

Es sei nur noch bemerkt, daß schon einmal bei Schwerin ein Silberfund gemacht ist, bei dem leider die genaueren Fundverhältnisse nicht zu ermitteln gewesen sind (s. Jahrb. IX, S. 388 und den Nachtrag X, S. 295). Derselbe bestand aus Schmucksachen in Filigranarbeit, orientalischen Ursprungs, und Münzen, theils "Wendenpfennigen", theils niedersächsischen Nachbildungen kölnisch=Ottonischer Pfennige.

Silberring

Letztere gehören dem elften, resp. dem zwölften Jahrhundert an, und hierdurch findet der Fund seine chronologische Fixirung. Der anbei nach Jahrb. XI, S. 389 abgebildete Ring erinnert sehr an den besprochenen und ist ein neuer Beleg für die oben aufgestellte Zeitbestimmung.


1) In Stockholm sah ich ein völlig gleiches Exemplar aus einem Funde von Münzen und "Hacksilber", das durch deutsche Bischofsmünzen, z. B. von Conrad v. Speier, das Jahr 1070 als terminus post quem erhielt.
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Zur Tafel II.

1.-5. Urnenscherben von Spornitz.
     6. Fibel aus Bronze von Spornitz.
     7. Axt aus Eisen von Spornitz.
     8. Perle aus Glas von Spornitz.
9.-12. Urnenscherben von Pogreß.
    13. Schnalle aus Bronze von Pogreß.
    14. Silberring von Schwerin.

 

Vignette
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Mecklenburgische Grabfelder der Eisenzeit
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