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III. Moorfund von Granzin.

(Abbildung: Tafel VI (2), Figur 11.)

An der Chaussee von Parchim nach Sternberg sind in früheren Jahren eine Reihe von Alterthumsfunden gemacht worden. Dicht bei einander lagen die Kegelgräber von Stralendorf, Darze, Wozinkel, Grebbin, Granzin, etwa 2 Meilen von Friedrichsruhe, 1 1/2 von Ruthen, dem Fundorte der bekannten Gießstätte (Jahrb. XXXIX, S. 127), entfernt. Hier stieß im Jahre 1876 ein Arbeiter in einem kleinen Torfstich bei Granzin, etwa 25 cm. unter der Oberfläche, auf zwei große Bronzegefäße, die er im vorigen Jahre Herrn Kupferschmied Kornehl in Parchim verkaufte, der sie unter freundlicher Vermittelung des Herrn Buchhändlers Wehdemann gegen Erstattung des Metallwerthes der Großherzoglichen Sammlung überließ. Sie sind in unseren Sammlungen die ersten Repräsentanten ihrer Art und eine außerordentlich werthvolle Bereicherung. In Gestalt und Größe sind die Gefäße, die wir als Kesseleimer oder Tragkessel bezeichnen wollen, ziemlich übereinstimmend. Die Höhe des einen beträgt 31 cm, die Oeffnung hat 31 cm,

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der Boden 15 cm Durchmesser, der Bauch in der Mitte einen Umfang von 84 cm; der andere ist ein wenig kleiner. Die Eimer sind aus 3 Stücken gehämmerten Bronzebleches so hergestellt, daß 2 Stücke den Bauch bilden, das dritte den Fuß. Die überfassenden Enden der beiden ersteren sind in dem einen Eimer mit 6, im andern mit 4 großköpfigen, runden, außen platten, innen buckelig hervorstehenden Nieten zusammengehämmert, ebenso ist der Fuß mit 10 Nieten angesetzt. Der Boden ist nach innen etwas eingedrückt, ähnlich wie bei unseren Weinflaschen. Oben biegt sich das Gefäß zu einem 2 1/2 cm breiten Rande um, dessen Kante um einen Bronzedraht herumgeschlagen ist. An beiden Seiten ist ein rechteckiger Henkel, aus einer runden Bronzestange gebogen, mit platten Enden, die mit 3 konischen Nieten auf jeder Seite befestigt sind. Die Ornamente, deren Zeichnung auf der Abbildung zu ersehen ist, bestehen aus punktirten Linien, die mit größeren und kleineren Punzen von innen herausgeschlagen sind. Der abgebildete Eimer ist der kleinere, auf dem andern sind die Henkel wie auch die Punzen wesentlich größer, die Zeichnung einfacher.

Unter den Fragen, die zur Bewältigung des für uns wichtigsten aller Probleme prähistorischer Forschung, des Ursprungs der nordischen Bronzezeit, zuerst beantwortet werden müssen, nimmt die: welche nordischen Funde sind sicher als südlichen Ursprungs nachweisbar? die erste Stelle ein. Lindenschmit hat zuerst den südlichen Ursprung einer Reihe von archaischen Bronzegefäßen constatirt (Beilage zum 1. Heft des 3. Bandes seiner "Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit") und ihre Verbreitung von Italien über Hallstadt bis Schleswig nachgewiesen 1 ). In diese Reihe gehören unsere Eimer hinein. Aber auch hier lehrt ein Gang durch unsere Sammlung, wie fremdartig sich ein solches südliches Produkt neben den dominirenden nordischen Formen ausnimmt, und wie wenig Anhaltspunkte ein solcher einzelner Fund für den Nachweis des Eindringens einer fremdartigen Kultur giebt 2 ). Zur Vergleichung mit unseren Eimern sind besonders heranzuziehen diejenigen Gefäße, die ihnen in Arbeit und Ornamentirung gleichen. Es sind das vornehmlich: 1) ein


1) S. darüber auch Genthe, Tauschhandel der Etrusker, S. 23.
2) S. darüber Engelhard, Influence de l'industrie classique sur le nord in den Mémoires de la société des antiquaires du Nord, Copenhague 1875, und Sophus Müller, Die nordische Bronzezeit, S. 123 i. d. Uebers.
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Kesseleimer aus einem Grabe bei Unterglauheim im Augsburger Museum. Derselbe ist, bis auf einzelne Verschiedenheiten in den Ornamenten, den unseren völlig gleich und besonders dadurch interessant, daß er als Aschenurne benutzt wurde und in sich eine köstliche goldene Schale von der Arbeit des berühmten sog. Hutes von Schifferstadt im Münchn. Nationalmuseum barg - 2) ein Kesseleimer aus einem Grabhügel bei Siem in Schleswig (abgeb. bei Lindenschmit a. a. O. Fig. 1). - 3) eine Bronzevase mit Henkeln aus einem Grabhügel bei Rönning in Schleswig (abgeb. ebenda, Fig. 4). - 4) eine Bronzeschale aus Rossin in Pommern (Lindenschmit, Alterthümer etc III, Heft VII, Taf. 3, Fig. 2). - 5) eine Schüssel aus den Gräbern von Hallstadt (Lindenschmit, Alterthümer etc . II, Heft IV, 5, Fig. 4). - 6) ein flaches Becken mit Bronzegehängen im Germanischen Museum in Nürnberg, dessen Fundort leider nicht zu ermitteln war. - Die Ornamente betreffend, so sind dieselben als Vogelköpfe, nicht Drachen, wie man wohl gemeint hat, aufzufassen. Es lehrt dies unter Anderem ein Vergleich mit dem Erzschilde von Halland in Schweden (Lindenschmit, Alterthümer etc . III, Heft VII, Taf. 2, Fig. 3; Montelius, Führer durch das Museum von Stockholm Fig. 26), auf welchem Vögel in ganzer Figur mit gleichen Köpfen dargestellt sind, und die Betrachtung eines etrurischen Gefäßes im Münchener Antiquarium, an dem sich massiv gegossene entenartige Vögel befinden. Bei der großen Seltenheit von Thiergestalten auf Geräthen der Bronzezeit im Norden mag hervorgehoben werden, daß unter den Bronzen von Vietgest (Jahrb. XV, 265; XXII, 296) eine gegossene Vogelfigur sich befindet, die denen des Stockholmer Schildes sehr ähnelt. Je mehr nach Süden, desto häufiger werden diese Vogelgestalten 1 ), bis wir im alten Etrurien auf die Stätten stoßen, die wir zwar nicht als Heimath dieser Ornamente, aber als Ausgangspunkt des Exportes der mit ihnen verzierten Geräthe ansehen müssen. Mustern wir nun unsere Sammlung auf ähnliche Bronzegefäße hin, so sind die aus Grabhügeln stammenden schon oben (S. 273) besprochen worden. Mehr Aehnlichkeit aber bieten einige Moorfunde dar. Es sind das: 1) eine Bronzeschale, mit Reihen von Buckeln verziert, aus heller Bronze, gefunden in Dahmen in einem Moderloch (abgeb. Jahrb. X, S. 283, auch Lindenschmit, Alterthümer Bd. II, Heft 3, Taf. 5, Fig. 2);


1) S. u. a. Kemble, On some remarkable sepulchral objects. London 1856.
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2) drei ganz gleiche von Kl.=Lukow (Jahrb. XIII, 376); 3) sechs ebenfalls gleiche von Basedow (Jahrb. XXXVI, 135). Die drei Fundorte liegen etwa 3/4 Meilen auseinander, die Fundart war bei allen dieselbe. Solche Schalen nun sind von Hallstadt bis nach der Insel Fühnen gefunden 1 ), zeigen also ein ähnliches Verbreitungsgebiet, wie unsere Kesseleimer. Sophus Müller belegt a. a. Q. S. 99 die Beobachtung, daß "die fremden, nicht im Inlande angefertigten Objekte am häufigsten in Mooren oder Gewässern oder unter einem Steine niedergelegt sind, und verhältnißmäßig selten in Gräbern gefunden werden". Diese eigenthümliche Gewohnheit findet auch in Meklenburg (nicht in Schleswig, s. o.) ihre Bestätigung. Alle die aufgezählten, sicher importirten Gefäße sind Moorfunde. - Treten wir nun der Frage näher, in welche Zeit unsere Gefäße gehören, so enthält dieselbe zweierlei: Wann wurden die Gefäße in meklenburger Boden verborgen? und: wann sind sie in Italien fabricirt? Es ist schon oben hervorgehoben, daß eine jede Zeitbestimmung für die nordische Bronzezeit eine relative ist. Daß wir aber ein Recht haben, die Gefäße in der That der Bronzezeit zuzuschreiben, lehrt neben der Art ihrer Bergung die Analogie der angeführten, durch Beifunde zeitlich genauer bestimmten Gefäße. Da keine Beigaben gefunden sind, müssen wir uns damit begnügen. Hegen wir also die Ueberzeugung, daß ein Volk der Bronzekultur diese Eimer benutzt hat, so sind wir andererseits überzeugt, daß sie von einem Volke angefertigt sind, welches bereits im vollen Eisenalter stand. Daß etwa das Jahr 400 v. Chr. Geburt den Zeitpunkt bezeichnet, an dem die norditalisch=etruskische Kultur von den Galliern vernichtet wurde, daß damit auch die sog. Hallstädter Periode endet, kann nach den sorgfältigen Untersuchungen der letzten Jahre als ausgemacht angesehen werden (s. Tischler in den Verhandlungen der Regensburger Anthropologenversammlung 1881, S. 124). Halten wir diese Zeitbestimmung fest, so ergiebt sich etwa das 5. Jahrh. v. Chr. als dasjenige, in dem unsere Kesseleimer in Meklenburg benutzt sind; eine genaue Zeitbestimmung ist selbstverständlich unmöglich, da wir einerseits nur den terminus ante quem für die Fabrication haben,


1) Nachweise bei Genthe, "Tauschhandel der Etrusker", S. 20; Lindenschmit a. a. O., Beilage [Schalen von Mainz und Wiesbaden]; Friedel, Zeitschrift für Ethnologie, Bericht über die Sitzung vom 20. März 1875 [Schalen von Roitzsch bei Torgau und Staaken bei Spandau]; Correspondenzblatt d. deutsch. Anthrop. Ges. 1881 Bl. IV, 4 [Correlettes]; Madsen, Afbildninger etc . XV, 4 [Insel Fühnen].
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andererseits nicht wissen können, wie lange es gedauert hat, bis die Gefäße den Norden erreicht, oder gar, wie lange sie vor ihrer Versenkung gebraucht sind.