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I.

Urkundliche Mittheilungen

über die

Beghinen= und Begharden=Häuser

zu Rostock,

von

Archivrath Dr. F. Wigger.


F ür das kirchliche Leben des Mittelalters war die Bildung von geistlichen Gesellschaften und Gemeinschaften aller Art viel zu wesentlich, als daß sich nicht auch in Meklenburg alsbald nach der Germanisirung und Christianisirung des Landes die verschiedenen Formen derselben gezeigt haben sollten. Noch bevor hier die Kirche ihre ausgebildete Organisation empfangen hatte, bemüheten sich wetteifernd die geistlichen und die weltlichen Herren, derselben eine Stütze in den Feldklöstern der Cistertienser=Mönche zu Althof und Dargun und der Prämonstratenser zu Broda zu geben; und wenngleich diese Stiftungen noch feindlichen, heidnischen Bestrebungen zum Opfer fielen, so erstanden sie doch bald wieder zu um so kräftigerem Gedeihen und förderten auch in nicht geistlicher Hinsicht die deutsche Cultur. Seit dem Jahre 1222 erhob sich in Tempzin ein Haus für die Antoniusbrüder, um dieselbe Zeit zu Dobbertin ein Kloster für Benedictiner=Mönche, die dann freilich bald einem Nonnen=Convent Platz machten. Schon gab es damals ein Feldkloster für Nonnen zu Neukloster, es folgten im Laufe des 13. Jahrhunderts die zu Eldena, Rühn, Rehna, Zarrentin, Ivenack und Wanzka, und die Büßerinnen von Neuröbel siedelten 1298 in ihr neues Kloster zu Alt=Malchow über. Desgleichen breiteten

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sich in den meklenburgischen Städten die Bettelorden überraschend schnell aus; die Franziskaner hatten zu Schwerin schon 1236, zu Rostock schon 1243, zu Parchim 1246 ein Kloster, 1251 fanden sie auch in Wismar Aufnahme; die Dominikaner siedelten sich schon 1256 am Steinthor in Rostock (zu St. Johann) an, sie ließen sich 1285 zu Röbel, 1293 zu Wismar nieder. In der Stadt Rostock ward 1270 sogar auch das Cistertienser=Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz gestiftet, und 1323 legte Fürst Heinrich II. den Grund zum Clarissenkloster in Ribnitz. Während die Domherren zu Ratzeburg in einem klösterlichen Verbande nach der Prämonstratenser=Regel lebten, richteten sich die Schwerinschen nach der freieren Weise der Capitel an den meisten Kathedralkirchen, und zu Güstrow und zu Bützow wurden früh Collegiatkirchen gegründet. Und wenn diese Domstifter und die Feldklöster ihr Gut auch zunächst und zumeist der Freigebigkeit der Landesherren, hernach auch der Mildthätigkeit der Privatleute um der Seelenmessen willen verdankten, so Zeigt doch schon das Bestehen der Bettelmönch=Klöster, die von Vermächtnissen und milden Gaben entstanden und beständig unterstützt wurden, wie tiefe Wurzeln das Klosterwesen überall im Volke geschlagen hatte. Alles strebte nach geistlicher Gemeinschaft. Die Kranken, die Armen und die Wanderer fanden neben leiblicher auch geistliche Pflege theils in den Leprosenhäusern, die schon in frühester Zeit vor den Städten und an den Landstraßen gestiftet wurden und sich in hohem Maße der Mildtätigkeit der Gläubigen erfreueten, theils in den Heiligen=Geist=Hospitälern, welche seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zu Wismar, Rostock, Parchim, Schwerin, Röbel u. s. w. von milder Hand gegründet wurden. Von den Kalandsbrüderschaften, zu welchen sowohl Geistliche als Laien zur Förderung ihres Gottesdienstes und zur Sicherung eines würdigen Begräbnisses und der für unentbehrlich gehaltenen Seelenmessen zusammentraten, finden sich schon im 13. Jahrhunderte Spuren; sie nehmen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Ja selbst die Gewerke und Innungen stellen sich durch die Erwählung ihrer Schutzpatrone unter den Heiligen, durch die Gründung von Altären und Vikareien u. s. w. in gewissem Sinne als geistliche Brüderschaften hin.

Als der Höhepunkt der Frömmigkeit erschien dem Mittelalter immer das beschauliche Leben in den Klöstern; und unzählige Christen, welche an demselben nicht als Convents=

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Mitglieder Theil nehmen konnten, trachteten wenigstens danach, die Brüderschaft eines Klosters zu gewinnen und damit "aller guten Werke" desselben, vornehmlich auch der Seelenmessen theilhaftig zu werden, oder sie suchten einem solchen als Laienbrüder und Laienschwestern (Conversen) zu dienen oder sich als Kostgänger anzuschließen, und sich auf dem Klosterkirchhofe oder in der Klosterkirche eine Grabstätte zu verschaffen.

Wie sehr aber die Klöster auch bestrebt waren, von den ihnen zugewandten Gaben ihr Gut, und damit auch die Zahl ihrer Präbenden zu mehren, genügten sie doch nicht dem vielfach empfundenen Bedürfniß, eine Ruhestätte zu einem stillen, steter Andacht und geistlichen Uebungen gewidmeten Leben zu finden. Sicherlich mehr diesem Umstande und der oft nicht unbedeutenden Forderung der Klöster für die Aufnahme neuer Mitglieder, als der Abneigung gegen die Strenge der Ordensregeln und der klösterlichen Zucht oder dem Abscheu gegen die nicht zu leugnende Verweltlichung mancher Orden, verdankte das Institut der Beghinen seine Entstehung in den Niederlanden und seine Verbreitung bis in unsere Gegenden.

In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts traten zuerst in Belgien die Beghinen 1 ) hervor. Es waren Laienschwestern, die keiner bestimmten, allgemein gültigen Ordensregel nachlebten, doch durch eine bestimmte Kleidung sich als Mitglieder einer Schwesterschaft kennzeichneten und nach dem Vorbilde der Nonnen meistens sich zu einem Convent unter der Vorsteherschaft einer magistra in einem Hause zusammenthaten, um hier in aller Stille gemeinschaftlicher Andachten, Fasten und anderer geistlicher Uebungen zu pflegen und Werke der Barmherzigkeit zu üben, aber auf ihr Privatvermögen zu verzichten in der Regel nicht genöthigt wurden, auch jederzeit aus dem Convent austreten und sich verehelichen durften. Sie gingen vorzugsweise aus den unbemittelten Ständen hervor und lebten vielfach in Dürftigkeit von ihrer Hände Arbeit; eben dadurch aber wuchsen sie schnell in der Gunst des Volkes, sie wurden von demselben vielfach den Nonnen gleichgestellt und auch als solche oder einfach als "Schwestern" bezeichnet.


1) Ueber die Ableitungen dieses Wortes vgl. J. L. a Mosheim de beghardis et beguinabus (Lps. 1790), p. 5, Grimm, Wörterbuch, auch Gieseler, Kirchengeschichte II, 2, S. 364, und die verschiedenen Formen s. bei Diefenbach, s. v. begina; vgl. auch unsere Jahrb. IV A, 2.
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Uebrigens gewannen sie durch ihre ehrbare und sittsame Lebensweise auch in den höheren Classen und durch ihre Frömmigkeit und Kirchlichkeit bei der Geistlichkeit, selbst bei den Päpsten Innocenz IV. und Urban IV. großen Beifall 1 ), nachdem seit dem Ende des 12. Jahrhunderts die Beghinenhöfe sich nicht nur in Belgien, sondern auch über die Nachbarländer in kurzer Zeit verbreitet und die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts schätzte man die Zahl der Beghinen allein in der Stadt Köln auf tausend und mehr 2 ). Wie sich die Franziskaner in Deutschland ausbreiteten, begaben sich die Beghinen nicht selten gleichsam in deren Schutz und traten mit den Laienschwestern derselben, den Tertiarierinnen, vielfach in die allernächsten Berührungen, so daß sich die Unterschiede zwischen ihnen verwischten.

Nach dem Vorbilde der Beghinen bildeten sich dann, zunächst wiederum in den Niederlanden, im 13. Jahrhundert auch Convente von Männern, die im Volksmunde Begharden 3 ) hießen. Auch diese breiteten sich namentlich längs des Rheines aus; in Mecklenburg finden wir aber im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von ihnen noch keine Spur.

Die Beghinen werden dagegen in unsern Landen schon vor dem Ablaufe des 13. Jahrhunderts erwähnt, und zwar etwa gleichzeitig in Wismar und in Rostock.

In Wismar gab der Rathmann Radolf von Krukow 1283 "den gesammten Beghinen" (bagginis vniuersis), also einem Convent, "von dem Querhause hinter Johann v. Krukows Erbe mit dem anliegenden Hofe 5 Fach, und die Rathmänner gaben dazu ihre Zustimmung auf so lange, als es der Stadt zum Nutzen gereichen würde" 4 ). Dieses Haus hieß später der "Krukowen=Convent" und hat der jetzt noch so genannten "Beginenstraße" den Namen gegeben. Wahrscheinlich war dieser Convent aber nur gleichsam eine Colonie eines älteren. Wenigstens ist nur vier Jahre später von zwei Beghinenhäusern zu Wismar die Rede: ein Rathmann und dessen Ehefrau vermachten den Beghinen von den beiden Häusern (beginis de duabus domibus) 2 Mark, in welche sie sich theilen sollten. Vermuthlich war der ältere Convent der "bei den Minderbrüdern" (den Franziskanern)


1) Mosheim a. a. O. 141.
2) Matth. Paris ad a. 1250, vielleicht übertrieben. - Ueber die Convente zu Köln vgl. J. B. Haaß, Die Convente in Köln und die Beghinen, Köln 1860.
3) Ueber die Erklärung des Wortes Vgl. Grimm, Wörterbuch.
4) Mekl. Urk.=Buch III, Nr. 1660.
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(baggine apud fratres minores), und lehnten sich auch hier die Beghinen, wie an so vielen Orten, ursprünglich an den Franziskanerorden an. Bei dem Kloster der Minderbrüder wohnten "die blauen Schwestern"; 1290 ließ "die blaue Beghine Adelheid" (Alheydis blauia bagina) "durch ihren Vormund" (per tutorem) die Hälfte eines Hauses auf, und "die blauen Schwestern" (sorores blauie) Adelheid, Kunigund und Wendela verkauften ein bei der "Pflegerin der Minderbrüder" (procuratrix fratrum) belegenes Häuschen; dagegen erwarb Alheydis blauia bagina 1293 wiederum ein Häuschen, und 1299 kauften "die Beghinen bei den Minderbrüdern" von Dietrich Lewetzow ein Erbe, "belegen bei den Minderbrüdern neben dem Hofe der älteren Frau (Fürstin) von Meklenburg" (Anastasia), "mit den Almosen Heinrich Klumpsilvers". Eben darum wohl hieß dieses Haus später der "Klumpsilver=Convent" 1 ).

Wie der Rath zu Wismar dem Krukowen=Convent die geschenkte Wohnung nur mit der Bedingung zuschrieb: "so lange es der Stadt zum Nutzen gereiche", so bewies auch der Rath zu Rostock Anfangs den Beghinen gegenüber einige Bedenklichkeiten. Als 1279 Gerlach von Koesfeld, ein dortiger Bürger, "den Beghinen in Rostock" (begginis in R., die also dort schon wohnten, aber noch zerstreut) "30 Mark zum Ankauf eines Hauses, um darin zusammen zu leben", vermachte, genehmigte dies freilich der Rath, jedoch mit der Bedingung: "wenn sie sich die Gunst der Stadt erhalten könnten (si in fauore ciuitatis haberi poterunt); und als Johann Raven 1284 beim Johanniskloster ein Erbe verkaufte, machten die Kämmereiherren dem Käufer zur Bedingung, daß dasselbe "nicht an Brüder" (es sind wohl die Predigerbrüder zu St. Johann gemeint) "oder an Beghinen verkauft werden dürfe"; er mußte verwillküren, daß das Erbe, wenn jenes doch geschähe, der Stadt verfallen sein sollte 2 ).

Wie weit sich damals der "Stand" (Orden durfte man nicht sagen) der Beghinen in Rostock schon ausgebreitet hatte, ist nicht mehr zu ermitteln. Die Franziskaner ("Minderbrüder" zu St. Katharinen auf der Altstadt) verkauften 1285 der Laienschwester (conversa) Sophie eine Worth, welche sie bebauet hatte; und in der Grapengießerstraße (auf der Neustadt) bewohnten Laienschwestern (conversae) ein Haus 3 );


1) Mekl. Urk Buch III, Nr. 1908, 2073, milder Note, 2141, 2253 Bd. IV, Nr. 2544.
2) Daselbst Bd. II, Nr. 1479, Bd. III, Nr. 1722
3) Daselbst Nr. 1800, n.
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diese Conversen waren aber wahrscheinlich Tertiarierinnen des Franziskaner=Ordens. Dagegen mag es mit dem Vermächtniß Koesfelds zusammenhängen, daß die Beghine Christina von Anklam (bagina dicta Cristina de Anclem) ihr Haus in der Hartenstraße (nahe dem Franziskaner=Kloster) verkaufte; denn wahrscheinlich erwarben die Beghinen mit jenem Vermächtniß und andern Mitteln "ein Erbe auf dem Küterbruche neben dem Stadtgraben", welches 1299 als ehemaliger Besitz der Beghinen bezeichnet wird 1 ).

Dieses anscheinend sehr bescheidene und vermuthlich niedrig und ungesund gelegene Häuschen verließen die Beghinen ohne Zweifel schon wieder im Jahre 1293. Denn in diesem Jahre verkaufte nach Ausweis des Stadtbuches "Schwester Wibe allen zum Capitel gehörenden Schwestern ihr auf dem Berge" [der fortan der Beghinenberg hieß] 2 ) "belegenes Haus zum beständigen Besitz, mit der Bedingung, daß Schwester Wibe und ihre (leibliche) Schwester zu ihrem Gebrauche eine Kammer und einen Hofraum zum Bleichen ihres Garns behielten" 3 ).

Von dieser Schwester Wibe erfahren wir noch Weiteres durch eine Einzeichnung des Stadtbuches aus demselben Jahre. Hiernach verkaufte nämlich Hermann Leyst an Arnold von Grevesmühlen und an "Schwester Wibe," die Tochter Meister Jordans, und an die "Schwester Gertrud," Tochter Heinrichs von Schwan, das kleine an sein Haus stoßende Erbe mit dem Hofe, Stallgebäuden etc . Wo dieses lag, ob etwa auch auf dem Beghinenberge, wird leider nicht hinzugefügt; wir erfahren nur gelegentlich 1295, daß Wibe dem Kloster Dargun für die Vollendung eines "Werkes" (einer Orgel?), welches ihr Vater für dasselbe anfertigte, den vierten Theil ihres von Hermann Leyst erkauften Hauses im Werthe von 30 Mk. Pf. zum Pfande setzte 4 ).

Sicher wissen wir also nur, daß das "Capitel" der Beghinen seit 1293 auf dem Beghinenberge fest angesiedelt war; einen Garten hatten diese "Schwestern" (1319) vor der Stadt nach dem St. Georg zu 5 ). Auf dem Beghinen=


1) Mekl. Urk.=Buch Nr. 1800, n.
2) Daß nicht etwa die Straße "Am Berge" gemeint ist, sondern der spätere "Beghinenberg" zwischen der Steinstraße und der Vierglindenmühle, ergiebt sich aus einer Inscription im Stadtbuche von 1319 [Mekl. Urk.=Buch 3999, n.], wonach ein Haus verkauft ward "ante valuam inferiorem juxta quatuor rotas cum curia-cum porta iuxta domum quondam begginarum". Das Beghinenhaus war damals bereits verkauft, s. u.
3) Mekl. Urk.=Buch Nr. 2217.
4) Das. Nr. 2326.
5) Das. Nr. 3999, n.
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berge mögen sich auch ihre Verwandten angesiedelt haben. Wo freilich jener "Friedrich, Schwager (?) der Beghinen" (Fredericus gener baginarum), dem 1287 Gläubiger sein Haus entzogen, gewohnt haben mag, ist nicht zu ermitteln; aber "Konrad, der Sohn der Beghine" (Conradus filius baggine), wie er 1297, oder "Konrad, der Bagginen Schwager" (gener bagginarum), wie anscheinend derselbe 1299, oder "Conradus baggine", wie er 1304 genannt ward, wohnte "im Winkel gegenüber den Beghinen" 1 ).

Von der weiteren Ausbreitung der "Schwestern" in Meklenburg haben wir wenig Kunde. Doch hieß die jetzige "Pontanusstraße" zu Neubrandenburg nahe bei dem Franziskaner=Kloster bis vor Kurzem noch Beghinenstraße 2 ). Ferner werden gelegentlich schon 1326-29 "Nonnen" oder "Beghinen" oder "Schwestern" zu Gadebusch erwähnt 3 ); und in Parchim, wo sich, wie bemerkt, früh Franziskaner ein Kloster gegründet hatten, siedelten sich noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts "Nonnen" an. Als 1293 Wolder Grote Almosen aus den Einkünften des von ihm in der Georgenkirche zu Parchim gestifteten Altars verordnete, bestimmte er "den Nonnen" (moniales), "welche in der Neustadt in einem Hause vereinigt sind, Tuch zu Socken," "nämlich denen, welche von großer Bedürftigkeit betroffen sind", und dazu den Nonnen selbst 4 Schillinge "wegen der in dem Hause selbst" - wohl im Gegensatz zur Kirche - "anzustellenden Gedächtnißfeier für ihn und seine Ehefrau". Wir bezweifeln nicht, daß diese "Nonnen" Beghinen waren.

Gerade diese Fürbitten für die Verstorbenen haben gewiß nicht wenig dazu beigetragen, die Beghinen in der Gunst der Bevölkerung zu heben, namentlich in unsern Gegenden. An andern Orten aber fehlte es ihnen neben vielen Verehrern auch nicht an Gegnern. Anscheinend verhielten sich außer den Franziskanern, mit deren Richtung sie sich so vielfach berührten, die Orden ziemlich kühl gegen sie. Den Weltgeistlichen konnten sie kaum Anstoß erregen, da sie sich zum öffentlichen Gottesdienst hielten und von ihnen die Sacramente nahmen;


1) Mekl. Urk.=Buch Nr. 2217, n.
2) Das Kloster wird schon 1339 erwähnt (daselbst Nr. 5983), die platea beguinarum - intra muros 1346 (Nr. 6617).
3) Das. Nr. 4724, in der Wism. Kämmerei= Rechnung 1326-27: De festo sancti Johannis - dominabus de Godebutz I. mr. Hernach: de pascha - monialibus de Godebutz I. mr. Dagegen in der Wism. Kämmerei=Rechnung von 1327-28 (Nr. 4831): Bagginis de Godebutz vnam marcam; und in der Jahres=Rechnung von 1328-29 (Nr. 4922): sororibus de Godebutz vnam marcam reddituum.
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doch war die höhere Geistlichkeit schon den Franziskanern nicht gewogen, da diese sich nicht unter die Bischöfe stellen mochten und in die Thätigkeit der Weltgeistlichkeit eingriffen 1 ); über die frommen "Schwestern" als Convente aber bildeten die Bischöfe und ihre Archidiakonen keine allgemein anerkannte geistliche Obrigkeit.

Eben in dieser Freiheit, daß sie durch keine gemeinsame Regel, kein gemeinsames Band verknüpft waren, unter sich keinen Zusammenhang als den der gleichen Sitte und Lebensweise hatten und keinem höheren Vorstande gehorchten, lag aber für die Beghinen und die Begharden eine große Gefahr der Entartung. Schon auf dem Concil zu Lüttich 1287 2 ) ward beschlossen, daß alle Beghinen, welche des Vorrechts solcher sich erfreuen wollten, in einen Beghinenhof eintreten, andernfalls auch sich durch ihre Kleidung von den Conventen in den Beghinenhöfen unterscheiden sollten. Schlimmer war es für die Beghinen und Begharden, daß sie in den Rheinlanden nicht nur mit frommen, strengen Franziskanern, welche durch ihre Lehre von der absoluten Armuth dem begüterten Clerus sehr verhaßt waren, sondern andererseits auch mit Sekten von sehr bedenklichen Richtungen, namentlich mit den Brüdern und Schwestern des freien Geistes, zusammentrafen und vielfach den ärgsten Irrthümern der Letzteren zum Opfer fielen. Daher kam es, daß sich schon 1259 das Provincial=Concil zu Mainz gegen sie aussprach, daß auf den Concilien zu Köln 1306 und zu Trier 1310 Verbote gegen sie ergingen 3 ), ja "Beghard" allmählich eine Bezeichnung für einen Ketzer ward. Auf dem allgemeinen Concil zu Vienne im Jahre 1311 erließ der Papst Clemens V. mit Zustimmung des Concils zwei Bullen, die eine gegen die Beghinen allein, die andere gegen die Begharden und Beghinen gemeinschaftlich. In jener wird den Beghinen vorgeworfen, daß manche von ihnen, wie von Wahnsinn ergriffen, über die Dreieinigkeit und das Wesen Gottes disputirten und predigten und von den Glaubensartikeln und den kirchlichen Sacramenten anders lehrten als die katholische Kirche, dadurch aber unter einer gewissen Hülle der Frömmigkeit die Seelen Anderer in große Gefahren und Irrthümer stürzten; Papst und Concil verboten daher diesen "Stand" bei Strafe der Excommunication, die auch der Ordensgeistlichkeit, welche


1) S. Mekl. Urk.=Buch II, Nr. 1453; III, Nr. 1573; IV. A, Nr. 2552, 2567, 2569.
2) Mosheim a a. O. p. 132.
3) Gieseler II, 2. S. 308 flgd.
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das Beghinenwesen beförderte und schützte, also vornehmlich den Franziskanern, angedrohet ward 1 ). In der zweiten Bulle zählt Papst Clemens V. die vornehmsten Irrthümer der "abscheulichen Sekte böser Menschen, welche Begharden, und ungläubiger Frauen, welche insgemein Beghinen genannt werden, im Königreiche Deutschland," auf. Sie lehrten nach seiner Angabe, daß der Mensch schon in diesem Leben zu einer solchen Vollkommenheit zu gelangen vermöge, daß er nicht mehr sündigen und in der Gnade nicht mehr wachsen könne, und habe er diese Stufe erreicht, so dürfe er nicht mehr fasten und beten, weil dann die Sinnlichkeit dem Geiste vollkommen unterworfen sei, so daß dem Körper, was ihm gefiele, gestattet werden könne; die, welche in dem besagten Grade der Vollkommenheit stünden, seien keinem menschlichen Gehorsam, keinem kirchlichen Gebote unterworfen, weil da, wo der Geist des Herrn, Freiheit sei; mit dem höchsten Grade der Vollkommenheit könne der Mensch schon in diesem Leben die ewige Seligkeit erlangen; jedes intellectuelle Wesen sei in sich selig, die Seele bedürfe nicht erst des Lichtes der Herrlichkeit, welches sie zum Schauen und zum seligen Genusse Gottes erhebe; nur der unvollkommene Mensch übe sich noch in den einzelnen Tugenden, die vollendete Seele habe mit ihnen nichts mehr zu schaffen; der Kuß einer Frau sei eine Todsünde, der Beischlaf keine Sünde, weil nicht zu jenem, aber zu diesem die Natur hinneige u. s. w. Der Papst begnügt sich nicht damit diese Sekte mit ihren Irrthümern zu verdammen, sondern er entzieht ihr auch jeden Schutz und ermahnt die Bischöfe und Ketzermeister in Gegenden, wo solche Begharden und Beghinen wohnten, ihr Leben, ihren Verkehr, ihre Ansichten über die Glaubensartikel und die Sacramente fleißig zu untersuchen und sie, wenn sie nicht willig und reuig ihren Irrthümern entsagen, gebührend zu bestrafen 2 ).

Clemens V. bemerkt freilich am Schlusse der ersten Bulle, er wolle keineswegs damit verboten haben, daß fromme Frauen, möchten sie Enthaltsamkeit gelobt haben oder nicht, in ihren Herbergen ehrbar lebten, Bußübungen trieben und in Demuth, wie es ihnen Gott eingegeben, und in Tugenden dem Herrn dienten; und deren Zahl wird allerdings unter den Beghinen die bei weitem überwiegende gewesen sein. Aber es war doch durch die Bulle über die Ver=


1) Clementinarum lib. III, tit. XI, c. 1 (ed. Friedberg II, p. 1169).
2) Das. lib. V, tit. III. de haereticis, c. 3 (p. 1183).
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dammung dieses "Standes" der Anstoß zur Verdächtigung und zur Verfolgung dieser Frauen in Deutschland gegeben; und kaum hatte Papst Johann XXII. die Beschlüsse des Concils zu Vienne 1316 zur Nachachtung verkündigt, als auch schon die Verfolgungen begannen. Detmar berichtet zum Jahre 1316: "By der sulven tyd do hadde paves Johannes vorbannen de secten der bighart unde beghinen in Dudeschen landen, dat se mosten verlecghen (ablegen) dat cleyt des schines unde ghan in menen (gewöhnlichen) clederen also ander lude; wente (denn) vele arghes sculede (verbarg sich) mang en". Und desgleichen wird in der Magdeburger Schöffen=Chronik zum Jahre 1319 erzählt: "In dissem jare vorbannede men die beginen unde baggarde; des (darum) nemen orer (ihrer) vele knechte und man, de vor (zuvor) kuschheit hatten gelouet."

Ohne Zweifel hing es aber zumeist von den weltlichen Obrigkeiten ab, ob und wie weit sie geneigt waren die Inquisitoren zu unterstützen, und die Letzteren werden doch nur haben einschreiten können, wo die Beghinen sich zu ketzerischen Lehren bekannten und durch Lehre und Leben ein öffentliches Aergerniß gaben. Ob sich die vom Papste gerügten Ketzereien auch bis zu unsern meklenburgischen Beghinen=Couventen hin verbreiteten, und ob auch diese Untersuchungen und Verfolgungen zu erleiden gehabt haben, ist nicht mehr aufzuklären. Unsere Bischöfe waren sonst den Beghinen entschieden abhold. Denn auf dem Concil der Bremischen Kirchen=Provinz verkündigten am 4. Novbr. 1328 der Erzbischof Burchard von Bremen und seine drei Suffragan=Bischöfe Markward von Ratzeburg, Johann von Schwerin und Heinrich von Lübeck den Beschluß: "Da nicht nur die Kleidung der Beghinen, sondern auch ihre Conventikel unter bestimmten Strafen vom apostolischen Stuhl verworfen sind, so wollen wir, daß niemand sich unterstehe sie zu schützen und zu hegen (fovere), wenn nicht etwa der apostolische Stuhl ein Anderes hierüber zu verfügen oder auch zu verordnen für gut befinden sollte 1 ). -

In der That hat aber noch derselbe Papst Johann XXII. ein Anderes (durch die Bulle Ratio recta) verfügt: "Weil es," sagt er in dieser, "in vielen Gegenden der Welt gar viele Frauen giebt, welche gleicherweise gemeiniglich Beghinen genannt werden, manchmal gesondert im elterlichen oder im eigenen Hause, bisweilen aber in andern oder gemietheten


1) Mekl. Urk.=Buch X, Nr. 7314.
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gemeinschaftlichen Häusern beisammen wohnen, ein ehrbares Leben führen, die Kirchen bei Nacht besuchen, den Diöcesan=Bischöfen und Pfarrherrn ehrerbietigen Gehorsam leisten, sich auf keine Weise herausnehmen vorwitzig zu disputiren oder dreist zu predigen, sich und Andere nicht in die" (von Papst Clemens V.) "gerügten Irrthümer verstricken und sich keinen Tadel oder Verdacht zugezogen haben:" so sollen, damit solchen, die etwa dem Herrn beständige Keuschheit gelobt haben, keine Gelegenheit zum Falle gegeben werde, und sie nicht in Gefahren, Verluste und Aergernisse gerathen, diese nicht eingeschlossen sein in das Verbot Clemens V.; die kirchliche Obrigkeit soll sie schützen, ihnen etwa erlittene Einbußen wiederverschaffen. Uebrigens gewährt ihnen der Papst nur Duldung und empfiehlt sie der bischöflichen Aufsicht und vorkommenden Falles der geistlichen Bestrafung 1 ).

Um zu den meklenburgischen Beghinen zurückzukehren, so finden wir keine Spur davon, daß der Concilienbeschluß von 1311 auf die Beghinen in Wismar irgend welchen hemmenden Einfluß ausgeübt hätte. Zu den beiden oben erwähnten dortigen Conventen kam noch ein dritter, der Ploten=Convent 2 ), hinzu, und alle drei bestanden fort und erfreuten sich der Hochachtung und Mildthätigkeit der Mitbürger, für welche sie dagegen bei den Memorien der Wohlthäter in der Kirche oder in ihren Conventen Psalter beteten. Sie haben unangefochten ihr Dasein bis zur Kirchen=Reformation gefristet, und noch heute sind ihre Häuser bekannt und werden aus denselben noch Almosen gespendet.

Nicht so in Rostock. Es ist jedenfalls auffällig, daß gerade zu jener Zeit der Verfolgung, im August 1318, Hermann Belter und Bernd Witte, die "Vormünder der "Beghinen, die Schwester Adelheid von Rom und Christina von Anklam" (die uns schon oben S. 6 begegnete) "im Namen aller Schwestern, welche im Hause gewesen waren, der Frau Adelheid, Wasmods Wittwe, und ihrem Sohne Wasmod das ganze Erbe verkauften,


1) Extravag. commun. lib. III, tit. 9 (p. 1279).
2) Auch dieser hatte sein Haus bei dem Franciskaner=Kloster. Nach Dr. Crull's gefälliger Mittheilung ist der Klumpsilversche Convent identisch mit dem später sogenannten Schabbeltschen, in dem der vormaligen Franziskanerkirche gerade gegenüber belegenen Wittwenhause. Dieses Haus bezeichnet Bürgermeister Scheffel im Stadtbuche von 1077 als das "größere Beginenhaus", dagegen das andere, von jenem nur durch 4 Buden getrennte Haus als das "kleinere Beginenhaus oder Convent". Letzteres wird gegenwärtig "der blaue Convent" genannt, möglicherweise aber erst in neuerer Zeit von dem blauen Anstrich der Fenster und Thüren.
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welches und wie es den Beghinen gehört hatte" 1 ). Vielleicht geschah dieser Verkauf aus Furcht vor einer Verfolgung und Confiscation des Hauses. Ein Scheinhandel war derselbe übrigens nicht; wenigstens blieb dies vormalige Beghinenhaus bis 1339 im Besitz der Familie Wasmod und wurde dann von dieser an eine Nonne (sanctimonialis) Mechthild Buck veräußert 2 ).

Aufgehört haben aber damit die Beghinen in Rostock keineswegs, wie manche Nachrichten bezeugen. Z. B. 1325 verkaufte die "domina blawe Tale" (Adelheid) mit Genehmigung ihres Vormundes ihr Orterbe bei St. Katharinen an zwei Frauen und behielt sich für einen Rest des Kaufgeldes eine Kammer in dem Hause vor 3 ). Hier scheint sich jedoch kein Convent befunden zu haben.

Ferner: 1319 verkaufte Tiedemann v. Nore's Wittwe Adelheid und ihr Sohn Johann "der Beghine Mechthild von Vorneholte" ein neben Tiedemann Sure belegenes Erbe. Ob dieses ein neues Conventshaus geworden ist, vermögen wir nicht mit Sicherheit zu sagen. Gewiß ist aber, daß die Beghinen zu Rostock um 1370 zwei Conventshäuser besaßen. Das eine Erbe lag, wie sich hernach zeigen wird, vielleicht auf dem Beghinenberge; das zweite Erbe aber, ein Querhaus, lag zwischen den Buden des Andreas Lange und der Gertrud Bomgarden "gegenüber St. Johann". Der im letzteren wohnende Convent scheint sich hiernach in eine nähere Beziehung zu den Dominikanern gesetzt zu haben, deren Orden vornehmlich die Inquisition der Ketzer oblag.

Aber in Rostock haben die Beghinen doch wohl nie die Bedeutung erlangt wie in Wismar. Das mag zum Theil darin seinen Grund gehabt haben, daß die unverheiratheten Bürgertöchter Rostocks ziemlich leicht ein Unterkommen im Kloster zum Heil. Kreuz fanden 4 ), dieses darum bei den Bürgern sehr beliebt war und von denselben mit mancherlei Geschenken bedacht ward, während in Wismar ein entsprechendes Frauenkloster fehlte.

Verhängnißvoll wird den Beghinen in Rostock geworden sein, daß sich dort auch Begharden ansiedelten. Wann dies geschehen ist, vermögen wir nicht mehr zu ermitteln. Die erste Nachricht von ihrer Anwesenheit in der Stadt, und zwar eine


1) Mekl. Urk.=Buch VI, Nr. 3999.
2) Das. Bd. XI, Nr. 5991.
3) Das. Bd. VII, Nr. 4609.
4) 1353 ward im Kloster beschlossen, daß die Zahl der Nonnen in diesem Kloster nicht über 60 hinausgehen sollte!
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sehr üble, enthält, so viel dem Verfasser erinnerlich ist, das Rostocker Verfestungsbuch. Am 21. Januar 1353 ward zu Rostock nämlich "Nicolaus von Lübeck, ein Baggard", verfestet, weil er Thiedeke Oueltenbekker ermordet hatte und flüchtig geworden war. 1 ) Ueber ein Jahrzehnt vergeht dann, bis uns diese Secte wieder zu Gesichte kommt. Aber im Spätherbst 1368 (zwischen dem 22. November und dem 13. December) bezeugten Johann und Reimar Hoke (sonst unbekannte Persönlichkeiten) vor den Kämmereiherren, daß "alle Baggarden" dem Heinrich Grubenhagen Vollmacht ertheilt hätten, er könne ihr "Haus", "belegen auf dem Beghinenberge über der Mauer unter drei Schwibbögen", verkaufen; und so verkaufte es der Bevollmächtigte an Johann Pustekow und verhieß demselben die übliche Gewähr 2 ). Der Ausdruck Beghinenberg ist hier nicht in dem engeren Sinne genommen (denn die Straße, welche diesen Namen trägt, stößt nicht an die Stadtmauer), sondern im weiteren Sinne, in welchem dieser Name den ganzen Berg zwischen der Steinstraße und der Vierglindenbrücke umfaßt. Dies Haus, in welchem der Begharden=Convent ("alle Begharden") wohnte, lag auf dem Rammesberg an der Mauer; es waren nur drei kümmerliche, aneinander stoßende Buden.

Was die Begharden zu dem Verkaufe ihres Hauses in Rostock bewog, ist nicht hinzugefügt; wir erkennen ihr Motiv aber leicht. Denn eben damals war eine neue Verfolgung über sie und die Beghinen in Deutschland hereingebrochen. Die Ersteren hatten vielfach ihre längst von der Kirche verdammte Lehre von der völligen Armuth, die sie von der strengeren Classe der Franziskaner angenommen hatten, beibehalten, ihre mystisch=pantheistischen, der Kirchenlehre widerstreitenden Theorien nur noch weiter ausgebildete 3 ). Es erstand


1) Anno domini M ° CCC ° LIII. in die beate Agnetis virginis, proscriptus est Nicolaus de Lubeke, baggardus, pro eo, quod interfecit Tydekinum Oueltenbekker. Lib. proscr. Rozst. fol. 49 b.
2) Notandum, quod Johannes Hoke et Reymarus Hoke coram nobis protestbantur, quod omnes baggardi dederunt Hinrice Grubenhaghen potestatem, quod potuit vendere domum eorum sitam in monte bagghutarum supra murum sub tribus swichboghen; ita predictus Hartwicus (!) vendidit dictam domum, prout eorum fuerat, resignauit Johanni Pustecowe et sibi, Johanni, warandiam promittens. - Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 23 b., eingetragen fer. 4. ante Katherine - Lucie.
3) Vgl. zu den früher bekannten Quellen auch noch das 1859 von Potthast herausgegebene Chronicon Henrici de Hervordia, p. 247 und 248.
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nun aber gegen sie ein eifriger Ketzerrichter in der Person des zu solchem Amte bestellten Predigerbruders Walther Kerlinger.

Walter entstammte einer angesehenen Familie in Erfurt und gehörte dem dortigen Dominikanerkloster an. Seinen Eifer für die Rechtgläubigkeit hatte er schon früher bewährt, indem er, schon damals "ein wroger des orden in der cristenheit van des pawes macht", den Augustiner Johann Clenkok ermunterte, im Sachsenspiegel die Artikel aufzusuchen, welche gegen die Kirchenlehre und das Kirchenrecht verstießen, und bewirkte, daß Papst Innocenz VI. 1356 den Kaiser Karl IV. aufforderte, die verdammten Artikel abzustellen 1 ).

In Erfurt gab es Gelegenheit genug, gegen Ketzer einzuschreiten; dort ist 1350 ein Beghard Constantius verbrannt, weil er auch nach achtwöchiger Haft dabei blieb, er sei Gottes Sohn, und die Doctoren seien Teufel, ihre Lehre Teufelei 2 ). Dort zu Erfurt begann auch 1368 die neue Verfolgung der Beghinen und Begharden. "In dem iare Cristi 1368, na twelften", so lesen wir in Detmars Chronik nach dem Bericht eines Augenzeugen, "do wart verbannen dat levent der bigharde unde der beghinen in Dudeschen landen van kettermesteren, de dar weren to ghesettet van dem pavese. Se weren so sere gewokert (gewuchert) in den landen unde vormeret, dat in der stad to Erphorde weren mer dan veerhundert. Do se dat levent mosten vorlaten bi des paves bann, de do wolden in der stad bliven, de mosten openbare bote (Buße) untfan mit sunderlichen tekenen, de se droghen an erem kleide". 200 blieben in der Stadt, die andern entfernten sich aus derselben und blieben im Banne; 2 wurden verbrannt. "De lude", setzt Detmar hinzu, "helden mer von en dan (als) van aller geistliken achte; des wart men wol war, do men se vorhorde." Auch Hermann Körner 3 ) weiß davon, giebt aber zu 1368 nur an, daß ein Beghard, und zwar wegen einer unzüchtigen Handlung, zu Erfurt verbrannt sei. Dagegen berichtet er zum Jahre 1369, daß der Ketzermeister Predigermönch Kerlinger zu Nordhausen über mehr denn 40 Personen beiderlei Geschlechts richtete, sieben unbußfertige verbrennen ließ, den andern Bußen auferlegte.

Damit erschöpfte sich jedoch Walthers Thätigkeit nicht. "Zur selben Zeit", fährt Körner fort, "wurde auf Vorschrift


1) Vgl. über ihn die Jahrb. der Erfurter Akademie, neue Folge II, S. 24, 26, 122-124.
2) Das. S. 131.
3) Eccard II, p. 1113.
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des Herrn Papstes Urban (V.) und unter Mitwirkung Kaiser Karls (IV.) die Sekte der Begharden und Beghinen und swestriones verfolgt und verdammt und stark bekämpft allenthalben in Deutschland, von denen zwei zu Erfurt, die bei ihrem Starrsinne beharrten, von dem vorbesagten Inquisitor Mag. Walther Kerlinger verbrannt wurden; andere, männliche und weibliche, aber thaten in großer Anzahl öffentlich Buße, indem sie der Sekte mit ihren Irrthümern abschwuren."

Als Walther sich dann im Sommer 1369 nach Italien zum Kaiser Karl IV. begab, bezeugte dieser ihm, seinem Caplan, seine Freude darüber, daß auf Grund der früher von Papst und Kaiser an Walther und drei andere Inquisitoren von demselben Orden ertheilten Pönalmandate zur Ausrottung jener Sekten der Begharden und Beghinen, welche eine längst von der Kirche verdammte ketzerische Armuth in schlechter Kleidung zur Schau trügen und nichts, weder für sich noch in Gemeinschaft, besitzen zu wollen und zu dürfen behaupteten, durch Walther in den Kirchenprovinzen Magdeburg und Bremen, in den Ländern Thüringen und Sachsen schon die gänzliche Vernichtung jener Sekten herbeigeführt sei. Der Kaiser erneuerte jetzt zu Lucca am 9. Juni (1369) diesem Inquisitor Deutschlands die seinen Vorgängern zuständig gewesenen Rechte und ihre Pflichten 1 ), und ertheilte ihm am 10. das (unter I. abgedruckte) Mandat, zur gänzlichen Ausrottung jener Sekten ("die eine so verruchte Armuth für den vollkommensten Stand in der Welt hielten und fortwährend behaupteten") alle Häuser und Conventikel der Begharden und Beghinen zu schließen, damit sie nicht noch mehr Seelen in Gefahr brächten. Da dem Inquisitionsamte in Deutschland keine Häuser, Gebäude oder Festen zu Gebote stünden, um darin die wegen Verdachts der Ketzerei in Untersuchung des Glaubens zu nehmenden Persönlichkeiten, noch auch die (verurtheilten) Ketzer auf Zeit oder auf immer in Haft zu halten: so verfügte der Kaiser, daß die Häuser und Conventikel, in denen solche Begharden gewohnt hatten oder noch wohnten, dem Ketzeramte zugewiesen werden sollten, damit dieses daraus zu dem genannten Zwecke Gefängnisse herstellte. Dagegen schrieb der Kaiser rücksichtlich der Häuser und Conventikel der Beghinen vor, daß sie


1) S. Böhmer=Huber, Regesten K. Karls IV., Nr. 4756, wo nur, ebenso wie in Nr. 4761, unrichtig Krelinger statt Kerlinger gedruckt ist.
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verkauft und, wie vor ihm durch Päpste und Kaiser verordnet sei, der Erlös in drei gleiche Theile getheilt, das eine Drittheil durch den Inquisitor und die zwei von ihm zuzuziehenden wohl beleumdeten, eifrigen Gläubigen, einen Geistlichen und einen Laien, zu Almosen für die Armen, zur Besserung von Herbergen für Reisende, zum Gottesdienst und für reuige und eingekerkerte arme Ketzer verwandt werden sollte. Das zweite Drittheil aber sollte dem an dem bezüglichen Orte durch päpstliche Vollmacht bestimmten Inquisitor oder seinem Stellvertreter oder seinem sichern Boten eingehändigt werden, weil das heilige Inquisitionsamt ohne Mühen und Kosten und Einnahmen nicht ausgeübt werden könne. Endlich das letzte Drittheil des durch den Verkauf erzielten Geldes bestimmte der Kaiser zur Besserung der Befestigung des bezüglichen Ortes und zur Ausbesserung der öffentlichen Straßen.

In einer dritten Urkunde vom 17. Juni ertheilte Kaiser Karl dem Inquisitionsrichter Walther Kerlinger dann noch für seine Unternehmung gegen die norddeutschen Begharden die Vollmacht, bei dem Mangel geeigneter Notare und Protocollführer solche in des Kaisers Namen zu ernennen und zu beeidigen 1 ). -

Nach seiner Rückkehr aus Italien finden wir Walther anwesend auf dem Provincial=Capitel, welches die Prioren seines Ordens in der Provinz Sachsen am 8. Septbr. 1369 zu Ruppin abhielten, und welchem auch aus dem Wismarschen Dominikanerkloster der Lector Arnold Wittenborch, aus dem Rostocker Kloster zu St. Johann der "socius" Johann Lypmann beiwohnte. Es mußte das Ansehen und die Macht des Ketzerrichters nicht wenig erhöhen, daß er in diewem Provincial=Capitel zum prior provincialis der Provinz Sachsen einstimmig erwählt ward 2 ).

Am 7. Decbr. 1369 ließ Walther zu Erfurt von dem am 10. Juni ihm ertheilten kaiserlichen Mandat eine oder mehrere notarielle Abschriften nehmen; eine solche ist dem Rath zu Rostock präsentirt und auf Befehl desselben 1371 - leider nicht ganz correct - in das Rostocker Stadtbuch eingetragen, aus dem wir es, weil uns kein anderer Abdruck dieses merkwürdigen Actenstückes bekannt ist, weiterhin (als Urkunde I.) mittheilen.


1) S. Böhmer=Huber, Nr. 4761.
2) Das leider sehr defecte Protocoll steht gedruckt: Jahrb. der Kgl. Akademie zu Erfurt, neue Folge II, S. 121-124.
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Daß die Beghinen=Convente zu Wismar auch bei dieser neuen Verfolgung unangefochten geblieben sind, ist oben schon erwähnt; vermuthlich waren dieselben der Ketzerei nicht verdächtig geworden. Wahrscheinlich wären die Beghinen in Rostock ebenfalls verschont geblieben, wenn es dort nicht auch Begharden gegeben hätte. Wie die Inquisition gegen diese Männer und Frauen zu Rostock im Einzelnen verlief, ob dort etwa Ketzer verbrannt sind, ob sich die Begharden und auch die Beghinen geflüchtet, ob sie ihre Irrthümer abgeschworen und ihren "Stand" verlassen und Buße auf sich genommen haben, - das alles wird uns nicht berichtet, wohl aber das letzte Resultat, daß nämlich der Rath zu Rostock ihre Häuser confiscirte und verkaufte.

Der Rath ließ nämlich am 28. Novbr. 1371 hinter der erwähnten Copie der kaiserlichen Mandats vom 10. Juni 1369 ins Stadtbuch eintragen 1 ):

"Zu merken, daß gewisse Erben oder Häuser, in denen vorlängst Begharden und Beghinen wohnten, deren Sekten durch einen kraft Gewalt des apostolischen Stuhls bestellten Inquisitor ketzerischer Verderbtheit aus besagter apostolischer und auch kaiserlicher Vollmacht gänzlich verboten und vernichtet worden, zufolge obbeschriebenen kaiserlichen Mandats durch den Rath zu Rostock confiscirt und verkauft, und die drei Theile des Kaufgeldes für dieselben schließlich zu Nutz und Noth in der Weise, welche in dem obgeschriebenen Briefe ausgedrückt steht, verwandt worden sind."

"Von den genannten Häusern verkauften die Herren Rathmänner dem Hopfenmesser Joh. Sasse 2 ) das zwischen Wilken Mölenknecht und dem Glaser Heinrich, gegenüber dem Volrad Vorenholt belegene Erbe, welches sie ihm zu seinem Gebrauch zu verwenden aufgelassen haben. Die Herren Lud. Nyendorp und Eberhard Beseler saßen am Tisch [der Kämmereiherren]."

"Desgleichen verkauften die Herren Rathmänner der Frau Margarete, Ehefrau Bruns von Calmar, das Querhauserbe zwischen den Buden des Drewes Lange und der Gese Bomgarden, gegenüber St. Johann belegen 3 ), und ließen es zu ihrer Verfügung auf."


1) S. unten Urkunde II.
2) Wahrscheinlich lag dies Haus auf dem Beghinenberge; wenigstens wird 1377 ein Sassesches Erbe daselbst erwähnt (hereditas - in monte bagghinarum apud Hinricum Sassen sita).
3) 1358 ward vor den Bürgermeistern bezeugt, "quod domina Greta Bernestorp, dum vixit, racionabiliter vendidit domine Wyben et Ghesen filie sue Bomgarden hereditatem suam in opposito hostii ecclesie sancti Johannis sitam et eam sibi, nt sua fuerat, resignauit".
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Erst ein Jahr später (zwischen dem 19. Novbr. und dem 17. Decbr. 1372) verfügte die Stadt Rostock auch über das Beghardenhaus: "Mit Zustimmung Pustekows verkaufte die Stadt und ließ für Claus Bergmann eintragen die drei Buden in den Schwibbögen auf dem Rammesberg. Wie dieselben der Stadt nach Kaiserrecht und nach dem Wortlaute des kaiserlichen Briefes, der oben in diesem Buche geschrieben steht, heimgefallen sind: so hat sie dieselben jenem aufgelassen und ihm Gewähr gelobt, und wie sie den Begharden gehörten." 1 )

Die Uebereinstimmung in der Beschreibung und die Zustimmung Pustekows beweisen, daß dies dieselbe Wohnung der Begharden war, welche diese (nach S. 13) 1368 an Pustekow verkauft hatten. Es war also der erste Verkauf nur ein Scheinhandel gewesen, oder die Stadt cassirte denselben nachträglich. Warum die Veräußerung dieses Hauses noch auf ein Jahr verschoben war, wird nicht angegeben. Wahrscheinlich aber hatte es, wenn doch einmal dem kaiserlichen Befehl strenge nachgelebt ward, bis dahin als Gefängniß für inquirirte Ketzer gedient.

Damit schließen des Referenten Nachrichten über die Begharden und Beghinen in Rostock. Ob ihre Sekte im Stillen weiter bestanden hat, steht dahin; im Stadtbuche werden bis zum Ende des 14. Jahrhunderts wenigstens keine Convente derselben wieder erwähnt, und ebenso wenig einzelne Personen als jenem "Stande" angehörig bezeichnet. Die Kirche legte den rechtgläubigen Begharden und Beghinen sonst kein Hinderniß in den Weg. Im Gegentheil nahm schon Papst Gregor XI. in zwei Bullen, vom 7. April 1374 und vom 2. Decbr. 1377, welche er an die deutschen und niederländischen Bischöfe richtete, "die Armen beiderlei Geschlechts", - er vermeidet die mit dem Beigeschmack der Ketzerei versetzten Bezeichnungen "Beghinen" und "Begharden" - "welche demüthig und ehrbar in Glaubensreinheit, in anständiger Kleidung und Tracht, in Armuth und Keuschheit lebten und die Kirchen mit Andacht besuchten", dem Papst "und der römischen Kirche und ihren Prälaten und Pfarrern ehrerbietigen Gehorsam bewiesen, sich auch in keine Irrthümer verstrickten", gegen die Inquisitoren in Schutz und befahl den Bischöfen, sie nicht um ihrer Kleidung willen von jemand belästigen zu lassen 2 ).



1) S. unten Urkunde III.
2) S. die Auszüge aus den von Mosheim S. 390 und 404 ganz mitgetheilten Bullen bei Gieseler II, 3, 221.
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Urkunden.


I.

1369. Juni 10. Lucca.
Karl IV., Römischer Kaiser, beauftragt den Ketzer=Inquisitor Predigermönch Mag. Walther Kerlinger mit der Aufhebung und Confiscation der Begharden= und Beghinenhäuser in Deutschland und verordnet, wie die aufkommenden Kaufgelder zu verwenden sind.

In nomine Domini, amen. Nouerint vniuersi presens publicum instrumentum visuri et audituri, quod anno natiuitatis Domini M°CCC°LXIX°, indictione septima, sanctissimi in Cristo patris ac domini nostri domini Vrbani diuina prouidencia pape quinti anno octano, in opido Erfordia, Maguntin. diocesis, in estfalo *) magno in conuentu fratrum predicatorum, hora VI a uel quasi, in mei notarii publici ac testium subscriptorum presencia constitutus personaliter, honorabilis et religiosus vir frater Waltherus Ke[r]lingher 1 ), ordinis fratrum predicatorum, sacre theologie professor, inquisitor heretice prauitatis in prouinciis Magdeburgensi, Bremensi et in aliis Alemannie partibus auctoritate apostolica specialiter deputatus, exhibuit et ostendit michi htteras illustrissimi et inuictissimi princinis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris metuendissimi, regis Bohemie incliti, sigillo maiestatis imperialis impendenti in filis sericis ghilphis et nigris sigillatas, in cuius sigilli dorso de rubea cera fuit signum rotundum impressum, interius habens aquilam et circumscriptionem: "Juste iudicate filii hominum", sigilli vero magni circumscriptio erat talis: "Karolus quartus diuina fauente clemencia Romanorum imperator et Boemie rex"; in littera

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vero fuit insertum signum magnum quadrangulare oblonguin, et iuxta signum cum magnis litteris fuit scriptum: "Signum serenissimi principis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris inuictissimi et gloriosissimi Boemie regis", vt prima facie apparebat, sanas et integras ac omni vicio et suspicione carentes. Quas litteras idem magister Waltherus inquisitor a me notario fecit redigi in publicam formam et per me publicari et super hoc me requisiuit. Quarum litterarum tenor de verbo ad verbum talis est:

In nomine sancte et indiuidue Trinitatis feliciter amen. Karolus quartus, diuina fauente clemencia Romanorum imperator semper augustus et Boemie rex, ad perpetuam rei memoriam. l're cunctis nostre mentis desiderabilibus tota mente optantes fidei incrementa, (et) eam malignorum et prauorum hereticorum, necnon fautorum, defensatorum et receptatorum insorum dolosis insidiis et fraudulentis fallaciis, quibus vineam domini Sahaoth nequiter sathagunt demoliri, eo aniniosius 2 ) aspiramus, quo in animarum stragem huiusmodi pestilentes perniciosins agere dinoscuntur. Quocirca dominus noster suinmus pontifex, dominus noster [Urbanus] papa quintus, honorabilibus et religiosis fratribus Walthero [K]erlingher 3 ) ordinis predicatorum, magistro in theologia, capellano nostro, commensali familiari nostro deuoto, et aliis tribus fratribus eiusdem ordinis officium inquisicionis heretice prauitatis in partibus Alamannie auctoritate sedis apostolice ad destruenda quorumlibet hereticorum iniqua molimina dudum recommisit, et specialiter ad destruendas et eliminandas sectas illorum herecticorum, qui begardi et beggine vocantur, que secte nimis dispendiose et periculose m caulis fidelium dinoscuntur et eo, quo [d] exterius maiorem paupertatem simulant, vouent seu profitentur, quod nichil habere velint neque debeant in proprio nec communi, quam eciam vestibus vilibus mentita sibi iniquitate exterius pretendunt, intus autem vt wipecule vineam domini Sabaoth sathagunt demoliri, cum tamen eedem dudum per ecclesiam dampnate dinoscantur et talis paupertas hereticalis sit iudicata. Quocirca dudum litteras cesaree maiestatis eidem magistro Walthero et aliis inquisitoribus cum certis penis super exstirpacione earundem sectarum, ad vniuersos [a] 4 ) nobis et sacro Romano imperio directas, maiestatem cesaream dedisse recolimus et efficacius emisisse, sic quod, opitulante

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domino deo ac domino nostro summo pontifice mandante no[bi]sque penis temporalibus exterminacionem dictarum sectarum mandant[ibu]s et seriosius precipient[ibu]s 5 ) dictique inquisitoris magistri Waltheri ministerio mediante, de certis partibus, vt lete audiuimus, videlicet de prouinciis Magdeburgensi et Bremensi, terris Turingie et Saxonie et Hassie et aliis certis partibus Alamannie predicte secte maledicte bechardorum et begginarum penitus sint destructe. Quod vbique terrarum fieri affectamus, super quo mandata nostre imperialis maiestatis dirigimus penis plena. Et ne domus et conuenticula, quas et que dicti bechardi et beggine, qu[i] 6 ) tam sacrilegam paupertatem, videlicet nichil habere in proprio uel communi, et hunc esse statum in mundo perfectissimum asserentes, credentes et per plures annos et tempora tenentes, fouere dinoscuntur et fouent continue, prout ad nostre serenitatis noticiam v[e]ridice est deductum, inhabitauerunt, amp[lius] diucius in periculum suarum animarum commorantes, et ne in futurum per quemlibet, quamlibet uel quoslibet, qui uel que bechardi uel beggine fuerunt, in processu temporis neglectis minimis prolabantur in maiora, vt, si duabus personis uel tribus huiusmodi simul commorantibus conuenticula redirent et fieret error posterior peior priore: hoc presenti statuto et edicto ex certa nostra sciencia, non ex errore, sed de principum nostrorum consilio deliberato statuimus, ordina[ui]mus 7 ) et sanximus, cum officium inquisicionis Alamannie nullam domum, domicilium, fortalicium [habeat] 8 ) pro custodia et captiuitate suspectorum de heresi et examinandorum in fide, necnon pro immurandis perpetuis temporibus uel ad tempus, vt iuris [est] 9 ), quibusdam hereticis, qui ad gremium ecclesie abiurata heresi redierint uel redierunt, propter quod multi heretici in animarum suarum et aliorum fidelium graue periculum permanent inpuncti et semen in alios emittunt venenosum: quare omnes domos et conuenticula, in quibus huiusmodi bechardi habitauerunt seu adhuc habitare dinoscuntur in aliquibus locis, officio inquisicionis pro vsu predicto ibidem carceribus firmis faciendis imperiali maiestate damus, applicamus libere et assignamus. Domos autem seu conuenticula begginarum, (seu) in quibus huiusmodi beggine pr[o]hibite commorabantur uel adhuc commorantur, vendi precipimus et precium taliter decreuimus instar Romanorum pontificum et diuorum imperatorum, predecessorum nostrorum, diuidendum, quod vna tercia

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pars huiusmodi precii, cum vt pluribus 10 ) tales domus et bona per qquosdam bonos homines simphces pia intencione comparate fuerint per modum elemosinarum, volumus, vt huiusmodi tercia pars precii per inquisitorem, adiunctis sibi duobus viris discretis clare fame, zelatoribus fidei, vno clerico et alio laico, qui deum habent 11 ) pro oculis, in pios vsus, videlicet in elemosinas pauperum, reformaciones xenodochiorum seu ad cultum diuinum, uel eisdem personis, si que sunt miserabiles et ab errore suo sunt conuerse, aut sustentacionem aliorum, qui heresim abiurauerunt, et immuratorum, si aliunde non habent, vnde sustentantur, conuertatur, super quo inquisitoris et aliorum consciencias oneramus; alia vero inquisitori illius loci auctoritate apostolica instituto seu suo vicario uel instituendo auctoritate predicta aut certo nuncio debet integraliter sine omni excusacione uel contradictione presentari in vsus, vtilitates et necessitates eius pro suo libito conuertenda, attendentes, quod sanctum ofticium inquisicionis absque laboribus et expensis ac sumptibus nequit excerceri, et ob hoc ipsis inquisitoribus in premissis volentes temporali subucnire, ne tam pium laborem propter necessariorum defectum oporteat intermitti. Residuam vero terciam partem predicti precii et valoris pro refectionibus murorum cinitatis uel opidi, castri uel ville ac reparacionibus viarum publicarum, vbi predicte domus existunt, applicamus, vtpote, qui rei publice occulte uel fraudulenter nocebant, per terciam partem domorum precii et rerum, quas suis vsibus applicabant, ymmo mendaciter sibi vendicabant, nunc procedentibus teniporibus deinde respublica augeatur. Ne autem circa bona, possessiones, domos seu conuenticula et res, quas in vsu habebant uel habent huiusmodi bechardi et beggine, fraus fieri possit, talis prouisionis in hoc duximus remedinm ordinandum, quod duo antiquiores magistri consulum, qui actu erunt uel sunt pro tempore, vna cum schulteto uel iudice ciuitatis, opidi, castri vel vihe, si sint, uel duo alii viri approbati clare fame, habentes deum pro oculis, in locis, vbi magistri consulum non sunt, uel alter eorum, quos inquisi[tor] 12 ) de consilio discretorum et fidei zelatorum nominabit illius loci, in quo huiusmodi domus, conuenticula uel res existunt, vna cum certo nuncio inquisitoris sub testimonio trium aliorum virorum fidedignorum de premissis domibus se intromittant auctoritate nostra imperiali. Hoc ipsis inponimus et mandamus gracie nostre et Romani im-

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perii sub obtentu, [u]t 13 ), quantocins poterunt, vendant huisumodi bona et tradant, distribu[a]nt 14 ) et assignent, modo quo superius per nos est ordinatum, et hoc continue infra vnum mensem, postquam nostri edicti et statuti presentis tenor ibidem fuerit intimatus. De domibus autem seu conuenticulis locorum, in quibus adhuc bechardi huiusmodi commorantur, post expulsionem seu a(m)mocionem insorum et ipsarum infra tres dies immediate sequentes eodem modo decernimus agendum et prosequendum, prout superius de aliis domibus, conuenticulis et rebus bechardorum et begginarum per nostram cesaream maiestatem est san[c]itum, diffinitum et preordinatum. Nulli ergo omnino hominum liceat hanc nostre constitucionis, edicti, diffinicionis et applicacionis paginam infringere seu ei quouis ausu temerario quomodolibet contraire. Si quis autem harum constitucionum et edicti diffinicionibus et applicacionibus quouis modo contrarium attemptare presumpserit, indignacionem nostram grauissimam et penam C marcarum auri purissimi tociens, quociens contrafactum fuerit, se nouerit irremissibiliter incursurum, quarum medietatem imperiali nostro fisco erario, reliquam vero partem ipsi inquisitori pro loc[i] vsibus decernimus applicari. Si vero, quod absit, aliquis uel aliqui coniunctim uel diuisim, cuinscunque condicionis, status uel preeminencie extiterint, ausu temerario predictis nostirs statutis, diffinicionibus, applicacionibus ac edicto contraven[i]r[e]nt 15 ), seu quouis modo ipsos inquisitores uel inquisitorem molestarent, impedirent seu turbarent seu eorum officium aut dicte constitucionis nostre execucionem directe uel indirecte, occulte uel manifeste, per se uel per alium seu per alios impedirent quouis modo: (talem seu tales) elapso trium mensium termino exnunc prout extunc et extunc prout exnunc preter penam predictam omnia bona ipsius uel ipsorum imperiali fisco applicamus ac ipsum et ipsos omnibus graciis, prinilegiis, libertatibus, immunitatibus, dignitatibus et honoribus cesarea maiestate priuamus et spoliamus ac priuatos denunciamus ipso facto.

Signum serenissimi principis et domini domini Karoli quarti, Romanorum imperatoris inuictissimi et gloriosissimi Boemie regis.

Testes huius rei sunt: reuerendissimus in Cristo pater dominus Gwydo Portuensis episcopus, sancte Romane ecclesie cardinalis, pro maiestate cesarea in partibus Ytalie locum tenens et generalis vicarius, venerabilis Johannes Olmu-

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censis, imperialis nostre aule cancellarius, Lampertus Spirensis, Wilhelmus Lucanus et Johannes [S] poletanus ecclesiarum episcopi; illustres Rupertus Lignicensis et Hinricus Luwanie duces, Johannes dictus Sobeslaus Morauie marchio, spectabiles Matheus de [Brebir] 16 ), Petrus de Wartbergh imperialis nostre curie magister, Bouslaus de Wilbartitz imperialis nostre curie marscalcus, Andreas de Duba imperialis nostre camere magister, Bernhardus et Jhoraslaus fratres burggrauii de Donyn, necnon quamplures alii nostri et sacri imperii nobiles et fideles. Sub imperialis nostre maiestatis sigillo, testimonio litterarum. Datum Luce, anno domini M°CCC° sexagesimo nono, indictione VlI a , IIII. idus (idus) Junii, regnorum nostrorum anno XXIII°, imperii vero XV°.

Acta sunt hec et facta [est] exhibicio litterarum die septima mensis Decembris, anno, loco, hora, indictione, pontificatu quibus supra, presentibus honorabilibus et religiosis viris Johanne de Tutilstede pridem priore Erphordensi, Egkardo de Wacksleybin, Johanne Tuconis et Frederico de Kongessee ordinis predicatorum, necnon Conrado de Rynkeleybin vicario ecclesie omnium sanctorum Erfordie, ac Theoderico de Gotha plebano in Marcwipethe, diocesis Maguntin, testibus ad premissa vocatis et rogatis.

Et ego Witegho de Eckerspergh clericus Maguntinensis diocesis, publicus imperiali auctoritate notarius, quia exhibicioni, presentacioni, requisicioni ac omnibus singulis aliis premissis, dum (vt) sic agerentur et fierent, vna cum prenotatis testibus presens interfui eaque sic fieri vidi et audiui, ideoque hoc presens publicum instrumentum aliis arduis negociis prepeditus per alium scribi ex mandatoet requisicione [jussi] 17 ) meque subscripsi, signo meo solito et consueto signaui rogatus et requisitus in testimonium omnium premissorum.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch von 1307-87, fol. 62 und 63. Diese Abschrift giebt: 1) K elingher, 3) L erlingher, 5) nosque - mandantes - precipientes, 6) que, 7) ordinamus, 9) sed (statt est), [10) pluribus st. pluries?], 11) habentes, 12) inquisicione, 13) et (st. ut), 14) distribu e nt, 15) contrau e n e r i nt, 16) Ryberto; es fehlt: 2) eripere? 4) a, 8) habeat, 17) iussi. - *) estfalo st. estuario?


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II.

1371. Novbr. 28. Rostock.
Der Rath zu Rostock verkauft 2 Häuser, welche vormals von Beghinen bewohnt waren, nun aber auf Befehl Kaiser Karls IV. confiscirt sind.

Feria sexta proxima post Katherine. Notandum, quod quedam hereditates sine domus, in quibus dudum bechardi et beggine habitabant, quorum sect [e] 1 ) per inquisitorem heretic[e] prauitatis auctoritate sedis apostolice constitut[um] 2 ) dicta apostolica et eciam imperiali auctoritate penitus sunt prohibite et destructe, de mandato serenissimi principis Karoli quarti Romanorum imperatoris suprascripto 3 ) per consulatum Rozstoccensem prosequte sunt et vendite, et tres partes precii vendicionis ipsarum in vsus, vtilitates, necessitates et vias in litteris imperatoris antescriptis 3 ) expressatas (expressatas) finaliter sunt conuerse.

Domini consules de dictis domibus vendiderunt Johanni Sassen, humuli mensuratori, vnam hereditatem inter Willekinum Molenknecht et Hinricum vitrificem in opposito Volradi Vorenholte sitam, quam sibi ad disponend[u]m 4 ) suis vsibus resignauerunt. Domini Lud. Nygendorp et Euerhardus Bezeler tabule presidebant.

Item domini consules vendiderunt domine Margarete vxori Brunonis de Calmaria hereditatem transuersam inter bodas Andree Langhen et Ghesen Bomgarden in opposito sancti Johannis sitani, quam sibi ad disponendum suis vsibus resignauerunt.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 64a. (1) sect a , 2) constitut o , 4) ad disponend a m.) 3) Bezieht sich auf unsere dort voraufgehende Urkunde I. - Die Eintragung: Domini consules - presidebant, ist später (nachdem das Grundstück auf einen neuen Besitzer umgeschrieben war) getilgt.

III.

1372. (Novbr. 19-Decbr. 17.) Rostock.
Der Rath zu Rostock verkauft an Nicolaus Bergmann die auf kaiserlichen Befehl eingezogenen 3 Buden auf dem Rammesberg, welche den Begharden gehört hatten.

Ciuitas vendidit et inscribere 1 ) ex consensu Pu o stekowen Nicolao Berchman tres bodas in arcubus in Ram-

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mesbergh sitas prout ciuitati iure imperiali et secundum quod littera imperialis sonat prius in libro hoc conscripta 2 ), sunt deuolute, eidem resignauit, warandiani promittens, et ut backardis pertinebant.

 

Nach dem Rostocker Hausbuch 1367-87, fol. 76 b. - Eingetragen Elisabeth (Novbr. 19) - fer. 6a. p. Lucie (Decbr. 17). - (1) Es fehlt fecit oder jussit.) - 2) Unsere Urk. I. - Die Eintragung ist später (nachdem das Grundstück auf einen neuen Besitzer umgeschrieben war) getilgt.

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