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III.

Schwerin

bis zum Uebergang der Grafschaft Schwerin an das Haus Meklenburg.

Von

Friedrich Wilhelm Lisch,

Ministerial=Registrator zu Schwerin.



Mit zwei Steindrucktafeln.

Vorwort.

T rotz des hohen Alters der Stadt Schwerin, der Residenzstadt des Landes, ist die Literatur derselben eine sehr dürftige; wir besitzen als besondere Werke, die sich mit der Geschichte der Stadt beschäftigen, nur die beiden Chroniken von Hederich und Fromm aus dem 16. resp. 19. Jahrhundert. Beide erzählen in chronologischer Reihenfolge mehr oder weniger kurz, den Anforderungen einer Chronik entsprechend, die Geschicke, die die Stadt betroffen haben, bieten aber kein zusammenhangendes Bild der gesammten Verhältnisse. Ein solches konnte nur gegeben werden, wenn das vollständige Material der Forschung offen stand, eine Vorbedingung, die erst jetzt nach Vollendung der ersten zehn Bände des Meklenburgischen Urkundenbuches erfüllt ist. Lediglich auf diese stützt sich der in den folgenden Blättern enthaltene Versuch einer Darstellung der gesammten inneren und äußeren Verhältnisse der Stadt Schwerin innerhalb der ersten Periode ihrer Geschichte, während welcher die Stadt unter der Herrschaft der Grafen

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von Schwerin stand, vom Jahre 1161 bis zum Jahre 1359. Benutzt sind außerdem die Abhandlungen meines Vaters, des Geheimen Archivraths Dr. Lisch, in den Jahrbüchern für Meklenb. Geschichte und Alterthumskunde, besonders Band XIII, S. 143, XIX. 398, XXXVI. 147, und XL. 169 flgd., sowie die des Herrn Archivraths Dr. Wigger ebendaselbst, Band XXVIII. 1 und XXXIV. 55 flgd.


Lage und Name.

Schwerin, die Haupt= und Residenzstadt des Großherzogthums Meklenburg=Schwerin, bekannt durch die große landschaftliche Schönheit ihrer unmittelbaren Umgebung, ist ungefähr vier Meilen von der Ostsee entfernt, an der südwestlichen Ecke des "Großen Sees" gelegen, der sich in der Richtung von Norden nach Süden von Schwerin aus in einer Länge von ungefähr drei Meilen und in einer Breite von beinahe einer Meile ausdehnt. Die Ufer desselben bilden an der Süd= und dem südlichen Theile der Ost=Seite Hügelrücken, die theils unmittelbar, theils mit Bildung eines nur schmalen Vorlandes in den See abfallen. Derselbe ist durch den gegen Ende des Jahres 1841 vollendeten, von dem hochseligen Großherzoge Paul Friedrich im Jahre 1840 in Angriff genommenen sog. Paulsdamm in zwei ziemlich gleich große Hälften getheilt, deren nördliche die Inseln "Lieps", gegenüber dem Hofe Gallentin, und "Goldburg", gegenüber dem Erbpachthofe Seehof, enthält, während die südliche Hälfte die Inseln "Kaninchenwerder" und "Ziegelwerder" einschließt.

Um diesen See liegen zahlreiche Ortschaften und Feldmarken, von denen hier nur interessiren, am südlichen Ufer von Schwerin aus:

Ostorf, Zippendorf, Müeß mit dem Erbpachthof Fähre, wo der See durch einen Fluß, die Stör, seinen Ausfluß in die Elde hat;
am östlichen Ufer: Hof Rampe, wo der Paulsdamm endigt.

Bei Hohen Viecheln erreicht der See seinen nördlichsten Punkt. Unmittelbar östlich von ihm liegt hier ein kleineres Gewässer, die Döpe genannt, getrennt von dem Großen See durch einen nicht sehr breiten Landrücken, der an beiden Seiten sumpfig, in der Mitte eine langgestreckte Erhöhung zeigt, die alte Burg Niclots: Dobin.

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Am westlichen Ufer liegen unter anderen:
Kleinen, Hof Gallentin, Lübstorf, Hundorf, Wickendorf, wo der Paulsdamm beginnt.

Von hier ab bis nach Schwerin hin erstreckt sich der "Schelfwerder" oder "Werder", ein schönes Laubholz, und das Schelffeld.

Für die weitere Darstellung ist es von Wichtigkeit, die sonst noch in der Umgebung Schwerins befindlichen Gewässer kennen zu lernen. Zur leichteren Orientirung ist die anliegende Zeichnung, Tafel A, entworfen, die auf geographische Richtigkeit keinen Anspruch macht und einer sehr nachsichtigen Beurtheilung bedarf.

Von dem "Großen See" an liegen um Schwerin in der Richtung nach Westen und Süden folgende Seen:

  1. Der Ziegelsee, von Süden nach Norden sich erstreckend, parallel mit dem großen See, mit dem er bei dem westlichen Ende des Paulsdammes in Verbindung steht, während er unmittelbar bei Schwerin bei dem Spielthordamm beginnt. Dieser Damm scheidet den Pfaffenteich, ein kleines von drei Seiten von der Stadt umschlossenes Gewässer, das 5 1/2 Fuß im Niveau höher als der Ziegelsee liegt, von diesem.
    Das so östlich vom großen See, westlich und nördlich vom Ziegelsee, südlich von der Stadt begrenzte Land hieß die Schelfe, die durch einen kleinen See, den Heidensee, und zwei von diesem aus westlich in den Ziegelsee und östlich in den großen See geführte Canäle in zwei Theile getheilt wird, deren größerer, nördlich gelegener, unter fürstlicher Gerichtsbarkeit steht und jetzt allein den Namen Schelfwerder oder Werder führt, während der südliche zur Stadtfeldmark als Schelffeld gehört.
  2. Zunächst dem Ziegelsee, und westlich von ihm gelegen, befindet sich der Medeweger See, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt. Er erstreckt sich nach Nordwesten und steht durch seinen Ausfluß, den Au=Bach, mit dem Pfaffenteich in Verbindung.
  3. Noch weiter nach Nordwesten, ebenfalls eine halbe Stunde von der Stadt, liegt mit seiner Längenrichtung nach Nordwest der Lankower See.
  4. Westlich eine Stunde von Schwerin liegt der im Verhältniß zu seiner Länge sehr schmale Neumühler See,
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  1. dessen in dem Ostorfer See verlaufender Abfluß die Neumühle treibt, die am südlichen Ende dieses Sees gelegen ist.
  2. Südwestlich von Schwerin liegt der Ostorfer See, wie die unter 2-4 aufgeführten Gewässer seinen Namen von der an seinem Ufer liegenden Ortschaft tragend. Auch er erstreckt sich von Süden nach Norden und steht durch den Seekekanal und Fließgraben mit dem Burgsee und dem Pfaffenteich in Verbindung, außerdem noch durch einen schmalen Wasserlauf mit dem südlich von Schwerin liegenden
  3. Faulen See, der von Südwesten nach Nordosten sich ausdehnend und die Canäle des Schloßgartens speisend, in den Burgsee, eine Bucht des großen Sees, abfließt.

Nach der neuen im Bureau der Großherzoglich Meklenburgischen Landes=Vermessungs=Commission bearbeiteten Specialkarte der Umgegend von Schwerin liegt der große See mit dem Ziegelsee in gleichem Niveau, 116 Pariser Toisen Fuß über dem Nullpunkt des Ostseepegels zu Wismar, der Medeweger See 123, der Lankower See 132, der Neumühler See 137, der Ostorfer See 124, der Faule See 119, der Pfaffenteich 121,5. Bevor Menschenhand sie änderte, waren die Wasserverhältnisse um Schwerin anders, als wie sie eben geschildert sind, vor Allem war der Pfaffenteich kein besonderes Gewässer, sondern Theil des Ziegelsees, der durch eine sumpfige Niederung, nicht durch fließendes Wasser, mit dem Burgsee verbunden war, wie auch der Ostorfer See wohl mit diesem in Verbindung gestanden haben mag.

Die Stadt selbst am großen See und zwischen diesen sechs Seen gelegen, besteht jetzt aus vier Theilen, der Altstadt, der Neustadt, der Paulsstadt und der Vorstadt.

Die Altstadt, der älteste Theil, liegt auf dem Hügel, dessen höchsten Punkt der Dom mit dem Markt einnimmt und der von dem Burgsee, Fließgraben, Pfaffenteich, der Friedrichs= und Scharfrichter=Straße, dem Großen Moor und dem Großen See begrenzt wird. Der von der Altstadt nördlich gelegene Stadttheil heißt die Neustadt. Diese ist auf einem langgestreckten Höhenrücken, der in ziemlich steilem Winkel in den Pfaffenteich und in den großen See abfällt, erbaut; seinen höchsten Punkt krönt die Schelf= oder St. Nicolai=Kirche. Die Paulsstadt liegt auf dem Terrain westlich des Pfaffenteiches, die Vorstadt westlich des Fließgrabens.

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Der Name Schwerin wird in den ältesten Zeiten ungemein verschieden geschrieben und zwar: Suerin, Suuerin, Swerin, Szeuryn, Szwirin; Zuerin, Zuwerin, Zverin, Zwerin, Zweryn, Zwirin; Czverin, Czwerin, Cuwerin; Tzwerin. In Urkunden vom Jahre 1330 und 1333 findet sich noch die Schreibweise, Schuerin sogar Schwerin, indessen sind uns die bezüglichen Documente nur in Abschriften aus dem 16. Jahrhundert erhalten geblieben, und die alte Schreibweise wird der damals herrschenden haben Platz machen müssen.

Der Name Schwerin ist wendischen Ursprungs und bedeutet Thiergarten. W. Hanka schreibt 1 ): "Zuerin heißt Thiergarten, wir nennen Schwerin noch immer mit diesem alten Laute." Beyer will freilich in seiner hochinteressanten und gelehrten Abhandlung: Die Schwerine, Jahrbücher XXXII, S. 58 flgd., unter Schwerin den heiligen Hain verstanden wissen, in dem das heilige Roß verehrt wurde, und stützt sich dabei auf den Namen des bei Schwerin gelegenen Dorfes Ostorf. Dies Wort ist früher Osestorp geschrieben, und versucht Beyer nun nachzuweisen, daß dies ein Schreibfehler gewesen, daß es Orsestorp habe heißen müssen und daß Ors, englisch Horse gleich "Roß" zu nehmen sei. Ich kann dieser Ausführung nicht beistimmen, möchte vielmehr, soll eine Lautverschiebung einmal vorgenommen werden, auf die von Beyer S. 61 a. a. O. gegebene Bedeutung von Wustrow = Wostrow = Ostrow = "eine in das Wasser vorspringende Landspitze, Halbinsel, aber auch Insel" hinweisen und darauf aufmerksam machen, daß gerade die Feldmark Ostorf nur aus solchen Terrainformationen besteht. Im Uebrigen stimmen Hanka und Beyer darin überein, daß beide unter Schwerin einen eingehegten Wald verstehen.


Die Burg.

Die erste Kunde von der Burg Schwerin bringt Helmold in seiner Chronica Slavorum Lib. I. cap. 87:

"Post hec intravit dux Heinricus terram Sclavorum in manu valida et vastavit eam igne et gladio. Et videns Niclotus virtutem ducis succendit omnia castra sua, videlicet Ylowe, Mikilinburg, Zverin et Dobin precavens obsidionis periculum".


1) Jahrbücher II, 178.
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Es fanden diese Ereignisse in dem bekannten Kriegszug Herzog Heinrichs des Löwen statt, vor dem Niclot, Fürst der Obotriten, sich nach seiner Burg Werle bei Schwaan zurückzog und dort bei einem Ausfallsgefechte 1161 blieb. Nach seinem Tode befestigte Herzog Heinrich wieder die Burg Schwerin.

Dux (Heinricus) igitur demolitus omnem terram, cepit edificare Zverin et communire castrum -

(Helmold l. c.)                  

die von da ab mit wenigen Unterbrechungen die Residenz, zuerst der Grafen von Schwerin, dann, nach dem Uebergang der Grafschaft an das alte Fürstenhaus, der Herzoge von Meklenburg bis zu dem heutigen Tage blieb.

In Frage kann nur kommen, ob die alte vom Fürsten Niclot zerstörte Burg von Herzog Heinrich an derselben Stelle wieder errichtet und nicht vielmehr verlegt worden ist.

Gegen das letztere spricht jedoch der Umstand, daß es ungemein auffallend wäre, wenn Helmold in diesem Falle den Wiederaufbau der Burg berichtet hätte, ohne ihre Verlegung zu erwähnen, es kann daher der Sinn der Worte Helmolds nur der sein, daß der Herzog begonnen habe, nach der Verwüstung des Landes von neuem die Burg Schwerin zu befestigen. Dem entspricht auch ihre Lage, die vollständig derart ist, wie die Wenden sie zu wählen pflegten. Die Burg liegt nämlich auf einer ziemlich geräumigen Insel am westlichen Ufer des Seees, mehrere hundert Schritte von der Stadt entfernt und vom Lande durch eine hinreichend breite Wasserfläche getrennt. Der Platz zwischen der Burg und Stadt, der "Alte Garten", jetzt fester Grund und Boden, war früher Morast und Sumpf, der jetzige Schloßgarten bestand ebenfalls in ziemlicher Ausdehnung aus Sumpf und Bruch, so daß das Schloß an der Nord= und Ost=Seite durch die Weite Wasserfläche des großen Sees, an der Süd= und West=Seite zunächst durch Arme desselben Sees und den Burgsee, außerdem aber noch durch lang ausgestreckte tiefe Sumpf= und Wiesenflächen geschützt war und somit eine in Ansehung der damaligen Bewaffnung und Kriegsführung fast uneinnehmbare Befestigung bildete. Ferner stimmen hiermit die Beobachtungen überein, die bei dem Neubau des Schlosses und der sich dabei vernothwendigenden Aufgrabung des Bodens der Insel gemacht sind. Es fanden sich nämlich auf dem auf der natürlichen Oberfläche der Insel aufgeschütteten Walle 1 ) die bekannten Topfscherben aus der mit


1) Lisch, Jahrbücher XV, 159 flgd.
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Granitgrus durchkneteten Masse und ihren roh und flüchtig eingekratzten Verzierungen in zahlloser Menge, nach vielen Beobachtungen, z. B. in Werle, Meklenburg, Ilow, Dobin, Teterow ein sicheres Kennzeichen der Wendenzeit. Als zweifellos ist mithin anzusehen, daß die alte Grafenburg und das spätere Schloß Schwerin auf demselben Platz erbaut ist, wo die alte wendische Burg Niclots gestanden hat.

Was nun diese von Herzog Heinrich und Graf Gunzelin aufgeführte Befestigung betrifft, so ist wohl als sicher anzunehmen, daß sie ein solides Bauwerk von Backsteinen war, indessen ist von derselben gar nichts erhalten, und schweigen auch die Quellen sowohl über den Bau wie über die Burg in dieser Periode vollständig, nur daß ab und an das castrum Zverin, dat hus tu Zverin, erwähnt wird. 1 )

Es darf hier nicht unberührt bleiben, daß man bei der vorhin erwähnten Aufgrabung der Schloßinsel unmittelbar über der die wendischen Topfscherben enthaltenden untersten Erdschicht eine Lage horizontal aufgeschichteter, dünner Stämme, meist von Ellern oder Eichen, fand, auf denen an vielen Stellen zahlreiche hellblaue oder hellgelbe Topfscherben, wie solches Geschirr nachweislich im Mittelalter gebraucht wurde, lagen. Geschichtlich ist nun nachzuweisen 2 ), daß in jener Zeit solche horizontal aufgeschichtete Baumstämme als Fundament bei Bauten auf sumpfigem Terrain dienten, und ist es mehr als wahrscheinlich, daß wir in diesen Stämmen den untersten Grundbau der alten Grafenburg zu sehen haben, der der Restauration des Schlosses in diesem Jahrhundert nothgedrungen zum Opfer fallen mußte.

Mit einiger Sicherheit läßt sich aus der wiederholten Anwesenheit der einzelnen Grafen von Schwerin an einem Orte folgern, daß ihr Hoflager sich dort befand.

Aus Schwerin sind nun besonders viele Urkunden von Graf Gunzelin III. und Graf Helmold III. 3 ) datirt, so daß von diesen beiden, wie auch vom Grafen Heinrich III. behauptet werden kann, daß sie hier residirten. Für einige Zeit wird dies auch bei Graf Heinrich I. der Fall gewesen sein,


1) No. 242 M. U.=B. I. 1650, 1696 M. U.=B. III, 3145, 3193 M. U.=B. V, 4279 M. U.=B. VI, 4416 M. U.=B. VII. - Die in der Datirung der Urkunde vom 12. März 1350 - No. 7057 M. U.= B. X - angeführte Oertlichkeit "tu Zwerin oppe deme mushus" wird wohl am richtigsten als das Zeugbaus der alten Burg aufgefaßt.
2) Lisch, Jahrbücher XV. S. 161 no. 5.
3) Ich folge hier der vom Herrn Archivrath Dr. Wigger aufgestellten Stammtafel der Grafen von Schwerin. Jahrbücher XXXIV, 138.
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wir finden ihn besonders im Jahre 1217 und 1227-1228 hier.

Von Interesse ist es schließlich, festzustellen, welchen Geschlechtern die Bewachung der Burg anvertraut, welche Personen die Burgmänner des castrum Zuerin waren. Wir sind hierbei lediglich auf die Zeugenreihen in den aus Schwerin datirten Urkunden angewiesen und können aus dem Umstand, daß einzelne Personen Jahre hindurch wiederholt und unter der Regierung verschiedener Grafen sowohl in deren Gegenwart wie Abwesenheit hier als Zeugen aufgeführt werden, schließen, daß dieselben ständig als Burgmannen in Schwerin anwesend waren. Besonders ist Fridericus de Eueringe in der Zeit von 1220-1251 hier zu erwähnen, sowie Wernerus de Haluerstat 1267-1274, Wernerus de Haluerstat 1321 -1337, Johann von Haluerstad 1337-1347 und Henneke Haluerstad 1343-1358. Auch die von Driberg und zwar Reinboldus 1218-1227 und Bolte 1299-1321, die von Zickhusen, Hartwig 1313-1318, Ludolph 1318-1344, Otto 1358, endlich die von Raben sind hervorzuheben, von dem letzten Geschlecht besonders Gherardus Rauen 1299-1313 und vor allen Hinricus Rauen 1321-1343. Außer diesen kommen häufig vor: Bernardus de Masenthorp 1220-1228, Henricus de Insula 1251-1275, Viricus de Bluchere 1275 -1282, (Fridericus ?) Molzan 1281-1284, Johannes de Dambeke 1282-1318, aduocatus Ludolphus 1282-1300, Ludolphus Cwerin 1300-1318, Godscaicus Pren 1310- 1350 und endlich Hinricus Rosenhaghen 1332-1358. Die Burgmänner zur Zeit des Ueberganges der Stadt Schwerin an das Haus Meklenburg waren: Otto von Tzychusen, Hennyngh Haluerstad, Matthias Rauen, Ghotschalk van Tzůlowe vnde Hinrik Růsenhaghen. 1 )


Gründung der deutschen Stadt.

Wenn uns auch nicht die Stiftungsurkunde der Stadt Schwerin und damit deren Gründungsjahr urkundlich erhalten ist, so berichten doch Helmold und Saxo Grammaticus übereinstimmend, daß Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen das jetzige Schwerin gleich nach Niclots Tode erbaut habe.


1) Vgl. die in der Anlage abgedruckte Urkunde.
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Helmolds Erzählung, Chronik I cap. 87, ist auf S. 38 wiedergegeben, Saxo Grammaticus berichtet XIV (pag. 79 6/7 ed. Müller et Velschow) vom Jahre 1164, daß Schwerin vor Kurzem mit dem Stadtrecht bewidmet sei,

- praefectumque Swerini oppidi Guncellinum, quod nuper a Saxonibus in potestatem redactum, jus et formam civitatatis acceperat -

und ist somit zweifellos, daß die deutsche Stadt Schwerin schon vor 1164 von Herzog Heinrich selbst gegründet ist. 1 )

Daß dieser, und nicht Graf Gunzelin der Stifter war, folgt auch aus dem Stadtsiegel, welches das rechtsgekehrte Reiterbild des Herzogs mit dem Braunschweigschen Leoparden aus dem Schilde und der Umschrift:

"Dvx Henricvs et sigillvm civitatis Zverin"

zeigt.

Lisch giebt in Meklenburg in Bildern I S. 2 und in der Geschichte der Heiligen Blutskapelle 2 ) als Gründungsjahr der Stadt das Jahr 1166 an, ebenso Fromm in seiner Chronik von Schwerin, ohne hierfür Gründe anzuführen, da jedoch diese Annahme mit Saxo Grammaticus in Widerspruch steht, und es andererseits auch mit dem Zeugniß Helmolds übereinstimmt, wenn als Gründungsjahr 1161 angenommen wird, 3 ) möchte dieser Ansicht bis zur Beibringung neuen Materiales der Vorzug zu geben sein.

Daß vor der Zerstörung von Schwerin durch Niclot ein wendischer Ort gleichen Namens sich auf dem Platz befunden hat, wo später die deutsche Stadt gegründet wurde, folgt aus der Nachricht des Bischofs Thietmar zu Merseburg, daß der Stamm der Leutizen den Fürsten der Obotriten Mistizlav 1018 in Schwerin 4 ) eingeschlossen habe. Ferner wird die Existenz einer Stadt Schwerin vor 1161 durch die Dotationsurkunde des Bisthums Ratzeburg Seitens des Herzogs Heinrich von Bayern und Sachsen 5 ) wahrscheinlich gemacht, in welcher Berno Zverinensis episcopus als Zeuge aufgeführt wird. Daß mit diesem Zverin das castrum


1) Die Darstellung des der Stadt Schwerin eigenthümlichen Rechtes hat einer speciellen Abhandlung vorbehalten bleiben müssen, da eine Besprechung desselben nur bis zum Jahre 1359 unthunlich war, eine weiter gehende aber nicht in den Rahmen dieser Darstellung paßte.
2) Jahrb. XIII, S. 146.
3) Cfr. No. 71 M. U.=B. I, Anmerkung.
4) Infra Zwerinae ciuitatis munitionem.
5) No. 65 M. U.=B. I.
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Zverin gemeint sei, ist aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil die Verlegung des Bisthums von Meklenburg nach Schwerin nicht stattgefunden haben würde, wenn als solches lediglich die Burg und nicht auch eine Ortschaft existirt hätte. Hierzu kommt dann endlich, daß der alte, in den Bestätigungsurkunden des Bisthums angeführte Kirchhof, der sich in der Nähe des jetzigen Hotel de Paris befand, am richtigsten als der Kirchhof der alten Wendenstadt aufgefaßt wird.

Ueberreste dieser alten Wendischen Stadt sind nicht erhalten geblieben, und wissen wir über dieses Schwerin nicht das Geringste. Da aber die alte Burg auf der Stelle lag, wo jetzt das Schloß steht, wird das wendische Schwerin sich auf dem festen Lande vor der Burg, auf dem Platze befunden haben, den die jetzige Altstadt einnimmt. Der Verkehr von und nach der Burg, die durch Brücke und Damm mit dem festen Lande in Verbindung gestanden haben muß, wird durch eine Aufschüttung in dem "alten Garten", auf der wahrscheinlich der jetzige Straßenzug liegt, vermittelt sein.


Der Dom.

Das einzige Gebäude, das aus der ältesten Periode der Geschichte der deutschen Stadt Schwerin uns erhalten blieb, ist der Dom 1 ), das bedeutendste Bauwerk der Stadt. Jedoch auch dieses hat seine jetzige Gestalt nur zum Theile in der Zeit bis zum Jahre 1359 erhalten, zum Theil erst später, bis zum Jahre 1375, wenn man von dem Kreuzgang und der Wölbung des Mittelschiffes absehen will.

Urkundliche Nachrichten über die verschiedenen Bauten an der Domkirche giebt es nur sehr wenige, die schon aus diesem Grunde eine um so größere Beachtung verdienen, außerdem aber, weil sie Punkte betreffen, die für die räumliche Ausdehnung und damit für die Gestaltung des Domes von wesentlichstem Interesse sind.

Zunächst können urkundlich die beiden Endpunkte der Längsaxe der Kirche nachgewiesen werden.

In der Urkunde vom 3. Mai 1218 2 ) ordnet der Bischof Brunward die Verwendung der Einkünfte von dem Dorf


1) Benutzt sind die verschiedenen Aufsätze und Abhandlungen in den Jahrbüchern für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde VIII, 29 flgd. X, 306 flgd. XIII, 143 flgd. XIX, 398 flgd. XXXVI, 147 flgd. und XL, 169 flgd.
2) No. 241 M. U.=B. I.
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Medewege und erklärt, daß die Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin der Domkirche dieses Dorf unter der Bedingung 1 ) geschenkt hätten, daß täglich eine Seelenmesse gelesen werden solle in capella, in qua patris et fratrum ipsorum corpora sunt tumulata. Diese Kapelle, die später sogenannte Heilige Blutskapelle, hat also im Jahre 1218 sicher schon existirt, und mit größter Wahrscheinlichkeit steht anzunehmen, daß sie schon früher vollendet war, da dort 1218 mehr als eine Person ihre letzte Ruhestätte gefunden hatte. Die Grafen Gunzelin und Heinrich die Stifter dieser Seelenmessen, waren nämlich die Söhne des Grafen Gunzelin von Hagen, der von Herzog Heinrich von Sachsen und Bayern auf Schwerin eingesetzt war und 1185 starb. Sein Sohn, Graf Helmold I. von Schwerin folgte ihm 1195 und ein oder mehrere, namentlich uns nicht bekannte Söhne starben vor 1200 2 ), diese Personen werden es also sein, die in der Kapelle beigesetzt waren. Da nun die Urkunde kein Wort davon enthält, daß die Leichen erst längere Zeit nach ihrem Tode von einem anderen Orte dorthin gebracht sind, so ist anzunehmen, daß Graf Gunzelin I., der erste deutsche Graf in Meklenburg, nach seinem Ableben sofort in der Hauptkirche seines Landes und seiner Residenz beerdigt worden ist, im Jahre 1185 war also die Kapelle so weit fertig, daß solche Personen in ihr beigesetzt werden konnten, sie muß mithin schon damals, wenn nicht ganz, so doch nahezu vollendet gewesen sein; ihre Existenz im Jahre 1218 ist urkundlich nachgewiesen. Daß diese alte Begräbnisstätte an derselben Stelle wie die unseres jetzigen Fürstenhauses sich befunden hat, bedarf hier keiner Begründung mehr, da der Beweis schon durch Lisch in den Jahrbüchern XIII, 160 flgd. vollständig geführt ist.

Der andere Endpunkt, dessen Existenz urkundlich allerdings erst im Jahre 1305 nachgewiesen werden kann, ist das Thurmgebäude. In der Urkunde vom 31. October 1305, durch die der Verkauf eines Domherrenhofes seitens des Domherrn Philipp an den Cantor Gunzelin bezeugt wird, 3 ) heißt es von dieser Curie, sie sei gelegen in opposito contra hostium turris 4 ) iuxta cimiterium Zwerinense. Zu dieser


1) Am 2. Juli 1217 - No. 235 M. U.=B. I.
2) Wigger über die Stammtafel der alten Grafen von Schwerin, Jahrbücher XXXIV S. 61-68, 138/139.
3) No. 3032 M. U.=B. V.
4) Lisch versteht unter diesem turris das alte Schelfthor und unter dem Domherrnhof das jetzige Hotel de Paris. Ich kann diese Ansicht (  ...  )
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Zeit existirte also nachweislich von der Domkirche das Thurmgebäude, dessen Pforte nach dem jetzigen Posthof hin gelegen war, dieselbe Pforte, deren Conturen man noch theilweise zu beiden Seiten der erst in späterer Zeit durchgebrochenen Spitzbogenthür sieht. Indessen ist der Thurm bedeutend älter, wenn sich diese Behauptung auch nicht urkundlich, sondern - allerdings eben so sicher - durch den Baustil beweisen läßt. Während nämlich die übrige Kirche vollständig im Spitzbogenstil erbaut ist, herrschte zur Zeit der Errichtung des Thurmgebäudes noch der Rundbogen, der an der Westfront dieses Baues in den alten Thür= und Fensterwölbungen und dem über den Fenstern befindlichen Friese klar und offen zu Tage liegt. Da nun nach den datirten Kirchenbauten von Wittenburg, Parchim und Röbel der Spitzbogenstil in Meklenburg im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts durchdrang, kann ohne jede Uebertreibung gesagt werden, daß der Thurm mindestens bis zu dem Rundbogenfriese - der alte Giebel und das Dach ist vor ungefähr 20 Jahren abgebrochen und neu aufgeführt - vor Mitte des XIII. Jahrhunderts gestanden hat.

Ein weiterer urkundlich nachweisbarer Punkt ist die ehemalige östlichste Pforte der Südseite der Kirche. Eine auf die Stralsunder Streitigkeiten Bezug habende Urkunde ist nämlich datirt: "Actum Zwerin ante hostium novi chori" am 27. März 1327. 1 ) Zu dieser Zeit muß also der Chor noch nicht lange vollendet gewesen sein. Jetzt ist derselbe an jeder Seite mit Seitenschiffen versehen, die hinter dem Altar den polygonen Umgang bilden; nach der ersten Anlage und zu der Zeit der in Bezug genommenen urkundlichen Nachricht war dies nicht der Fall, da unschwer zu erkennen ist, daß die Seitenschiffe zu einer anderen Zeit wie der Chor erbaut


(  ...  ) nicht theilen, denn einmal wird das Schelfthor in den Urkunden niemals mit turris bezeichnet, dann paßt der Ausdruck "in opposito contra hostium" nicht auf ein Gebäude, das links neben dem Thor liegt, und endlich enthält die Urkunde nichts, was darauf hinweist, daß sie vom Schelfthor spricht. Daß das Thurmgebäude des Domes und der ihm gegenüber liegende Domherrnhof, das jetzige Postgebäude, gemeint ist, dafür spricht der hier vollständig passende Ausdruck "in opposito contra hostium turris" der Thür im Thurm gegenüber, sowie der Umstand, daß die Curie iuxta cimiterium Zwerinense lag, da der christliche Kirchhof sich um dem Dom erstreckte, und anzunehmen ist, daß eine Urkunde vom Jahre 1305 diese und nicht die alte heidnische Begräbnißstätte, die beim Hotel de Paris sich befand, im Auge hat, wenn sie vom cimiterium Zwerinense spricht.
1) M. U.=B. VII, S. 440, No. 11.
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sind und zwar zu einer jüngeren Zeit. Es beweisen dies die Fenster. Wenn beide Bauten zu derselben Zeit aufgeführt wären, so müßten bei beiden die Fenster gleichmäßig gearbeitet sein oder mindestens müßten diejenigen, die zuerst in Angriff genommen wären, einen einfacheren, strengeren Stil zeigen, als diejenigen, die zuletzt gebaut wurden, wenn während der Zeit, die über dem Bau verging, der Stil sich weiter und reicher entwickelt hätte, die Fenster der Seitenschiffe resp. des Umganges hätten also, wenn diese mit dem Chor zu gleicher Zeit gebaut wären, einfacher construirt sein müssen. Es tritt aber gerade das Umgekehrte zu Tage. Die Fenster des Chors sind die ganz gerade und glatt eingehenden, die der Seitenschiffe resp. des Chorumganges die künstlicheren. Mithin sind diese letzteren und der Chorumgang erst in späterer Zeit angebaut und zwar zu einer und derselben Zeit mit den Seitenschiffen des Langschiffes, was der übereinstimmende Stil und die von Bülowschen Wappenschilde über der westlichen und östlichen Pforte der Südseite des Domes beweisen. Es kann also die in Rede stehende Pforte, hostium novi chori, nicht die noch heute vorhandene östlichste Pforte der Südseite der Kirche sein, sondern dieselbe muß sich in der jetzt verschwundenen, zu Pfeilern durchgebrochenen Seitenwand des Chors befunden haben. Die Pforte der südlichen und nicht der nördlichen Seite dürfte um deswillen anzunehmen sein, weil an der nördlichen Seite noch 1 ) das Kalkhaus stand, dieser Platz auch, abgelegen vom Verkehr wie er war, sich gerade nicht sehr zur Vornahme eines Notariatsactes eignete, Umstände, die an der anderen, der südlichen, dem Markte zu gelegenen Seite nicht vorhanden waren.

Hervorzuheben ist hier noch die bei der jüngsten Restauration des Domes unter der alten Tünche entdeckte Malerei des Triumphbogens 2 ), die im Wesentlichen das Haupt Johannes des Täufers auf einer blutrothen Schüssel darstellt. Ihre Uebereinstimmung mit dem oberen Schilde in dem Siegel des Domthesaurarius, nachmaligen Bischofs Hermann Maltzan läßt ziemlich sicher schließen, daß die Malerei auf Anordnung dieses Hermann Maltzan ausgeführt ist. 3 ) Zu seinen Lebzeiten muß also der Triumphbogen, der Schluß des Chores nach Westen zu fertig gestellt sein. Da nun Hermann


1) No. 4939, M. U.=B. VII.
2) Lisch, Jahrbücher XXXVI, 174.
3) No. 3153 M. U.=B. V, (Note).
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Maltzan 1299 Domherr, 1300 Domthesaurarius, 1301 Präpositus, 1314-1322 Bischof von Schwerin war, so folgt, daß der Chor, wie wir ihn jetzt über den Seitenschiffen emporragen sehen, der 1327 als "der neue Chor" bezeichnet wird, in der Zeit von 1300-1322 erbaut wurde.

Hiermit stimmt auch die Regeste Clandrians 1 ) vom Jahre 1306, nach welcher Bischof Gottfried dem Capitel 3 Hufen auf der Schelfe, die ihm jährlich 12 Wispel Hafer trugen, 4 Jahre lang zum Kirchenbau überlassen hat, sowie ferner die Bestimmung des dritten Theils der Strafe, welche diejenigen, die sich gegen die Geistlichkeit vergehen, nach der Bestimmung der Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin vom 31. October 1307 erlegen müssen, es soll ihn nämlich erhalten structura ecclesie. 2 ) Am 7. December 1345 endlich stiftetete der Schweriner Domherr Johann von Campe einen Kronleuchter von 15 Flammen bei dem Ambo des Domes. 3 ) Der Ambo ist eine steinerne, bühnenartige Empore, zu kirchlichen Vorlesungen bestimmt (Kanzel), östlich und westlich mit einer Treppe zum Hinabsteigen versehen, die sich vor dem Chor der Kirche befindet, (Otte, Archäologisches Wörterbuch S. 4) mithin muß dieser zu jener Zeit längst fertig gewesen sein.

In der Urkunde, durch die Bischof Brunward die Einkünfte der Grabkapelle der Grafen von Schwerin 1218 ordnet, 4 ) heißt es, daß die Domherren eine passende Person als Genossen wählen sollen, qui cum eis in choro Zwerinensi deseruiret, und scheint es hiernach, als wenn der Chor schon zu jener Zeit vollendet gewesen wäre, außer den vorhergehenden Gründen spricht hiergegen jedoch der Umstand, daß der Bau der Kirche erst 1248 so weit vorgeschritten war, daß er zum gottesdienstlichen Gebrauch geweiht werden konnte, es muß deshalb die angeführte Bestimmung als eine in der Zukunft zu befolgende aufgefaßt werden, welcher Auslegung grammatikalische Hindernisse nicht entgegenstehen.

Nach Archivnachrichten 5 ) wurde das Capitelhaus, das zwischen dem südlichen Arm des Kreuzschiffes und dem Chor errichtete zweistöckige Gebäude, in der Zeit von 1365-1375 gebaut, es mußte mithin das Seitenschiff zu der Zeit schon gestanden haben oder gerade aufgeführt werden. Das letztere


1) No. 3055 M. U.=B. V.
2) No. 3193 M. U.=B. V.
3) No. 6586 M. U.=B. IX.
4) No. 241 M. U.=B. I.
5) Lisch, Jahrbücher XIII, 156, XXXVI, 149 und XL, 169.
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ist das Wahrscheinlichere, da das Capitelhaus mit dem Domgebäude in Mauerverband steht. Hiermit stimmt nur nicht ganz das Vorhandensein einer Sacristei, armarium, die in den Urkunden vom 23. November 1340 und 6. Mai 1343 1 ) erwähnt wird; von derselben ist nichts zu finden, wenn man nicht eben das dazu in hohem Maße paßliche Capitelhaus darunter verstehen will, was aber nicht möglich ist, da dasselbe nach den Archivnachrichten erst 1365-1375 erbaut ist und in seinem unteren Raum als Kapelle diente 2 ), mithin bleibt nur die Annahme übrig, daß ein Anbau am Dom, der als Sacristei benutzt ist, gelegentlich des Baues der Seitenschiffe und des Kreuzschiffes abgebrochen wurde und nicht mehr aufzufinden ist.

Für die Geschichte des Dombaues kommen schließlich an urkundlichen Nachrichten in Betracht die Urkunde No. 100 M. U.=B. I, S. 100:

Acta sunt hec V ° idus Septembris, in dedicatione eiusdem ecclesie, anno dominice incarnationis M. C. LXXI °.

und der Vermerk Hederichs in dem Index annalium ecclesie sive episcopatus Sverinensis - Lisch, Meklenburgische Urkunden III, 93:

Wilhelmus episcopus Suerinensis eligitur 1248, fol. 87, a. Templum Suerinense primus consecrat in die S. Viti, fol. 97, b., in memoriam primae dedicationis, ex mandato Henrici fundatoris.

      (15. Juni 1248.)

Dies ist Alles, was an urkundlichen Nachrichten über den Dom und dessen Bau auf unsere Zeit gekommen ist - der Vollständigkeit wegen ist hier noch zu erwähnen, daß der Vicar einer vom Probst Heinrich 1350 gestifteten Vicarei gehalten sein soll, jährlich 5 Mark zum Kirchenbau, insbesondere zur Ausbesserung der Fenster und des Daches herzugeben 3 ) - und man muß sagen, daß es außerordentlich wenig ist, indessen doch genug, um ein ungefähres, historisch begründetes Bild der Geschichte des Dombaues zu construiren.

Nach der Grundsteinlegung am 9. September 1171 wird der Bau kräftig in die Hand genommen sein, da er 14 Jahre später schon so weit gefördert war, daß an dem


1) No. 6082 und 6301 M. U.=B. IX.
2) Lisch, Jahrbücher XL, 172 flgd.
3) No. 7106 und 7126 M. U.=B. X.
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östlichen Endpunkt der Kirche, in der Heiligen Blutskapelle, Graf Gunzelin I. beigesetzt werden konnte. Von Anfang an muß die ganze Länge der jetzigen Kirche prospicirt sein, da das Thurmgebäude, der westlichste Punkt, noch den Rundbogenstil zeigt, der doch schon vor Mitte des 13. Jahrhunderts verschwunden war. Entgegen der Behauptung 1 ), daß der Bau der Kirche im Westen begonnen, bin ich der Ansicht, daß derselbe von Osten her in Angriff genommen ist, daß zunächst der Altarraum hergestellt und von da weiter, möglicherweise mit zeitweiliger Freilassung des Raumes für das jetzige Kreuzschiff nach Westen zu vorgeschritten und das Thurmgebäude mit dem Rundbogenfries noch vor 1222 vollendet ist. Diese im Rundbogenstil begonnene, aber keinenfalls vollendete Kirche 2 ) wurde am 15. Juni 1248 geweiht und damit dem gottesdienstlichen Gebrauch übergeben. Eine Zeitlang hat hierauf der Dombau geruht. Ende des XIII., Anfang des XIV. Jahrhunderts ist dann mit dem weiteren Ausbau resp. Umbau der Kirche im Spitzbogenstil begonnen, und der hohe Chor vor 1322 in Wölbungen und Allem vollendet, so wie wir ihn noch jetzt über die Seitenschiffe hervorragen sehen. In der folgenden Zeit wird zunächst der Thurm, so wie er vor seiner letzten Restauration war, 3 ) fertig gestellt, und das Schiff bis zum Ansatz der Fensterbögen und der Wölbungen, die erst durch die Stralsunder zur Lösung vom Bannfluch im Jahre 1416 4 ) ausgeführt wurde, erbaut sein, dem sich in der Zeit von 1365 - 1375 die Seitenschiffe und der polygone Chorumgang um den Altar anschlossen. Die Kreuzschiffe können erst nach Vollendung der Seitenschiffe, aber wohl noch vor dem Jahre 1400 errichtet sein, da anderenfalls das bischöfliche v. Bülowsche Bauzeichen auch über ihren Pforten nicht gefehlt haben würde. Mithin vergingen fast 250 Jahre, bevor der Dombau zu Ende geführt war, wobei man noch vom Kreuzgang, der in der Zeit von ungefähr 1328-1503 errichtet ist, absehen muß! Es ist allerdings hierbei in Betracht zu ziehen, daß die wenigstens zu einem Theile so weit vollendete Kirche, daß


1) Jahrbücher XIII, 149.
2) Es geht dies aus einer Regeste Clandrians hervor, nach welcher der Erzbischof Konrad von Cöln einen Ablaß denen giebt, die "vff gewisse Festtage die Kirche zu Zwerin besuchen oder zum gebew der Kircnen Miltiglich wass geben werden." 1249. No. 625 M. U.=B. I.
3) Lisch, Jahrbücher XIX, 399.
4) Lisch, Jahrbücher XXXVI, 187.
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in ihr, vor der Unbill der Witterung geschützt, Gottesdienst gehalten werden konnte, um= resp. neu gebaut wurde, sowie ferner, daß die Seitenschiffe erst spät, gegen Ende des Baues errichtet wurden, und dazu die erforderlichen Oeffnungen in die Seitenwände der Kirche gebrochen werden mußten, somit das Gebäude einem zweifachen gründlichen Umbau unterlag; indessen bleibt es doch wunderbar, daß das Bauwerk, bei dem doch keine zeitraubenden Steinhauerarbeiten u. a. m. zu beschaffen waren, nicht früher in einem Guß vollendet ist, zumal dem Dom doch durch das heilige Blut und auch durch den frommen Eifer der Gläubigen für die damalige Zeit die erheblichsten Beträge zuflossen. Der Umstand, daß der Bau nicht schnell gefördert, sondern länger als zwei Jahrhunderte hingeschleppt wurde, konnte für das Aeußere der Kirche von gerade nicht immer gutem Einfluß sein; besonders zwei Punkte sind es, die unschön das periodenweise Bauen illustriren. Es fällt beim ersten Anblick auf, daß der Chor und dessen Dach ein Erhebliches niedriger als der übrige Theil der Kirche ist, sowie ferner die überaus jammervolle Ausführung der Wölbung des Mittelschiffes. Man merkt dem Bau von Weitem an, daß er eine Strafarbeit ist. Zu bedauern ist, daß der alte Theil des Thurmgebäudes nicht in seinen alten Fenster= und Thürwölbungen erhalten bleiben konnte, dringende Gründe müssen deren Beseitigung erheischt haben.

Ein Punkt ist es, der zu starken Zweifeln Anlaß giebt: die Erbauung der Kreuzschiffe. Wie oben besprochen, können sie frühestens aus der Zeit von 1365-1375 stammen. Nun wäre es aber doch ein mit dem bei dem Dombau sonst bewiesenen guten Geschmack und Kunstsinn kaum zu vereinbarender Umstand, wenn dem Baumeister es entgangen wäre, wie wenig vortheilhaft ein Bau von der Länge und Höhe des Domes ohne Kreuzschiffe sich ausnimmt, projectirt müssen dieselben deshalb schon aus diesem Grunde von Anfang an gewesen sein, wenn auch ihre Errichtung, sei es aus welcher Veranlassung es wolle, so lange unterblieben ist. Einen gewissermaßen urkundlichen Anhalt für diese Behauptung gewährt das zu der Urkunde vom 11. September 1248 1 ) abgebildete große Siegel des Schweriner Capitels, das in seinem oberen Theile eine Kreuzkirche mit hoher Kuppel zeigt.


1) No. 609 M. U.=B. I.
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Im Urkundenbuch a. a. O. heißt es S. 577 Note 2 von diesem Siegel:

"Das Capitelsiegel, welches sehr häufig vorkommt, erscheint an dieser Urkunde zuerst, ist aber jedenfalls viel älter und stammt nach dem ganzen romanischen Stil vielleicht aus der Zeit der Stiftung des Bisthums."

Lisch sieht in dem Siegel eine Abbildung des Domes 1 ), wogegen Wigger 2 ) bezweifelt, "daß in diesem Capitelsiegel uns wirklich ein Bild der ältesten Schweriner Kirche enthalten ist"; da das Domcapitel erst später zu Stande gekommen, so möge dessen Siegel aus einer Zeit stammen, als man schon an einen großartigen Ausbau dachte. Auch ich bin nicht der Ansicht, daß das Siegel uns eine Abbildung der Kirche giebt, wenn man das Wort "Abbildung" in dem Sinne nimmt, daß das Bild etwas schon Bestehendes darstellen soll; denn wäre die Kirche schon soweit fertig gewesen, wie das Siegel zeigt, so wäre sie nicht mehr einem so durchgreifenden Umbau unterworfen, wie sie hat erleiden müssen. Meiner Ansicht nach zeigt das Siegel uns die Kirche, wie sie nach dem ersten Grundplan werden sollte, mit deren Bau schon begonnen war, der uns aber nur an der Westseite des Thurmgebäudes erhalten geblieben ist. Vergleicht man diesen alten Rest mit dem Siegelbild, so wird man auch die Dimensionen, die man sich nach letzterem allein weit bedeutender vorstellt, kleiner denken und wird damit ein Hauptgrund Wiggers - die Kostbarkeit des Baues, besonders des Kuppelbaues auf dem Kreuz im Verhältniß zu der Dürftigkeit des Stiftes im Jahre 1171 und der Einfachheit des ehemaligen Cisterciensermönches (Bischof Berno) - wegfallen. Für die Ansicht, daß das Siegel ein Bild giebt, wie die Kirche projectirt war, spricht der Umstand entscheidend, daß zu der Zeit, als dasselbe geschnitten wurde, schon ein Kirchenbau existirte, mithin es das Nächstliegende war, daß, sollte anders überhaupt eine Kirche in das Siegel aufgenommen werden, hierzu eine Skizze des Gebäudes, mit dessen Errichtung man gerade beschäftigt war, und nicht ein Phantasiebild gewählt wurde. Hiernach ist schon die ältere romanische Kirche als Kreuzkirche mit den abschließenden Thürmchen an den Ecken construirt gewesen.

Betreffs der inneren Einrichtung und Ausschmückung des alten Domes kann lediglich auf die Abhandlungen von Lisch


1) Jahrbücher XIII, 149.
2) Jahrbücher XXVIII, 188 Note 1.
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in den Jahrbüchern XXXVI, 147 flgd. und XL, 169 fl. d. verwiesen werden.

Als Baumeister der Kirche, magister operis, wird am 4. November 1272 Bruder Werner genannt 1 ), ferner geschieht eines solchen, aber ohne ihn namentlich anzuführen, am 6. Mai 1343 Erwähnung. 2 ) In dieser letzten Urkunde regeln Heinrich, Bischof von Schwerin, mit dem Capitel und Nicolaus, Graf von Schwerin, die Verwendung der Bede aus dem Dorfe Bandenitz, die 8 Mark Lüb. betrug. Von dieser Summe soll die achte Mark am Sonntage Exaudi zur Kirchenfabrik - Vermögen, das zur Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes und für den Unterhalt des Kirchengebäudes bestimmt ist, - abgeführt werden, doch soll der Baumeister, structurarius, dem Schatzmeister 1 sol. geben. Es ist aus dieser Bestimmung ersichtlich, daß zu jener Zeit und vermuthlich schon früher ein ständiger Baumeister fungirt hat. In Beihalt der Ausdrucksweise dieser Urkunde, sowie der No. 1260, wo der magister operis "Bruder" Werner genannt wird, drängt sich die Ansicht auf, daß auch hier in Schwerin ein kunst= und sachverständiger Domherr mit der Leitung des Baues und Verwaltung der betreffenden Gelder betraut war, unter dem dann der eigentliche Architect arbeitete.

Glocken hat der Dom schon ziemlich früh gehabt. Am 24. December 1250 werden in einer Regeste Clandrians über die Bewidmung der Cantorei an der Domkirche mit Zehnten zu Kossebade Seitens des Bischofes Rudolph von Schwerin Pulsanten erwähnt. 3 ) Am 10. März 1311 bestimmt Bischof Gottfried 4 ), daß der Inhaber der von ihm mit Gutem in Redentin gestifteten Vicarei dem Glöckner 2 sol. geben soll.

- dabit campanario duos solidos, ut ad uigilias et missam signa campanarum omnia compulsentur -

In der Urkunde vom 6. Mai 1343 5 ) endlich wird ebenfalls der campanarius angeführt.

Die jetzt vorhandenen Glocken sind mit Ausnahme der dritten jung, sie stammen aus dem vorigen resp. diesem Jahrhundert, die dritte ältere nach der auf ihr befindlichen


1) No. 1260 M. U.=B. II.
2) No. 6301 M. U.=B. IX.
3) No. 644 M. U.=B. I.
4) No. 3455 M. U.=B. V.
5) No. 6301 M. U.=B. IX.
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Umschrift aus dem Jahre 1470 1 ), mithin ist von den ältesten Glocken keine mehr vorhanden.

Eine Orgel besaß der Dom nachweislich im Jahre 1343. Die schon mehrfach erwähnte Urkunde vom 6. Mai 1343 2 ) enthält nämlich die Bestimmung, daß der structurarius - unum solidum - organiste presentabit. Da nun der Ausdruck "organista" nur auf jemanden bezogen werden kann, der einzelne gottesdienstliche Handlungen mit Musik begleitet, an Gesang aber hierbei nicht zu denken ist, weil außer dem organista der cantor und zwar schon 1250 vorkommt, in welchem Jahre Bischof Rudolph die Cantorei mit Zehnten zu Kossebade bewidmet 3 ), so muß der organista derjenige sein, der auf der Orgel, den organis, die musikalische Begleitung des Gottesdienstes auszuführen hat. Orgeln existirten seit längererer Zeit schon in Meklenburg; am 17. Juli 1282 bestimmt Bischof Ulrich von Ratzeburg, daß bei Abhaltung seiner Memorie das "Gloria in excelsis" mit Orgelbegleitung, "cum organis", gesungen werden solle 4 ), ferner vermacht Propst Gottfried zu Güstrow am 14. April 1293 5 ) die Schuld des Ritters Hermann von Langhevorde im Betrage von 7 Mark Brand., allerdings mit Hinzufügung der Clausel "si ouando poterunt extorqueri (marcae)", der Kirche zu Güstrow zur Beihülfe bei Anschaffung einer Orgel, in subsidium ad organa comparanda, endlich verpflichten sich am 8. November 1348 die Dominicaner vom St. Johannis=Kloster zu Rostock, die Messen für den St. Marien= und St. Johannis=Kaland mit Orgelbegleitung abzuhalten, "mit den orghelen" 6 ). Fraglich ist es, wo die Orgel hier im Dome stand. Die gegebene Stelle dafür ist immer dem Altar gegenüber an der inneren Thurmwand, und hier wird das wohl jedenfalls nicht so kunstreiche Werk wie das jetzige seinen Platz gefunden haben. Allerdings war das Schiff zu der Zeit noch nicht gewölbt, aber ein Dach wird den Gebrauch dieses großen, ja gerade für die Gemeinde bestimmten Theiles der Kirche ermöglicht haben. Die Kreuzschiffe sind für den Aufbau einer Orgel, wenn dieselbe nicht eigentlich für das Kreuzschiff selbst berechnet ist, ein Fall, an den bei den Dimensionen des Domes nicht gedacht werden kann, von


1) Lisch, Jahrbücher III. B. S. 192.
2) No. 6301 M. U.=B. IX.
3) No. 644 M. U.=B. I.
4) No. 1635 M. U.=B. III.
5) No. 2221 M. U.=B. III.
6) No. 6890 M. U.=B. X.
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selbst ausgeschlossen, und als Platz der Aufstellung den Chor anzunehmen, muß wegen der kirchlichen Bedeutung dieses Ortes Bedenken getragen werden. Die Geschmacklosigkeit, die Orgel unmittelbar über dem Altar anzubringen, wie man dies bei kleinen Landkirchen noch häufig Gelegenheit hat zu sehen, stammt erst aus neuerer Zeit und hat beim Dom keinenfalls stattgefunden.

Wenn auch aus einzelnen Urkunden ersichtlich ist, daß die Kirche mit Lampen versehen war, um die bei den Vigilien und einzelnen hohen kirchlichen Festen erforderliche Beleuchtung zu ermöglichen, so geht doch aus den uns erhaltenen Nachrichten nicht hervor, an welchen Stellen des Gebäudes die Lampen angebracht waren und zu welchen Zeiten sie angezündet wurden. Nur das wissen wir, daß besonders im Chor sich viele Lampen befunden haben müssen, denn es heißt in der Urkunde vom 1. Februar 1341 1 ), in welcher Bischof Heinrich mit Gütern zu Kleinen und Biendorf eine Vicarei errichtet, daß der Bischof auch eine ewige Lampe vor dem Altar der Vicarei gestiftet habe, die jede Nacht mit den übrigen Lampen des Chores angezündet und gelöscht werden solle. Schon in der Bestätigungsurkunde des Bisthums Schwerin durch Cölestin III. vom 24. October 1191 2 ) ist auf die Erleuchtung der Kirche Bedacht genommen, indem hierzu der Schiffszoll zu Plate und der dritte Theil der Einkünfte in Naulitz angewiesen wird. Ferner bestimmen am 26. Januar 1341 Bischof Heinrich und das Capitel von der durch den Vicar Hermann Meitmann gegründeten Vicarei 7 Mark 8 Sol. jährlich für ein ewiges Licht bei dem heiligen Blut 3 ). Endlich setzt der Schweriner Domherr Johann von Campe, Decan zu Hamburg, am 7. December 1345 für die Lampe vor dem Sacramentshäuschen, - ante locum eucharistie - das in der Nähe des Altars gestanden haben wird, eine Summe aus und stiftet bei dem Ambo einen Kronleuchter von 15 Lampen.

- ad clippeum quindecim lampadarum in ambone eiusdem ecclesie nostre 4 ).

Andere Lichter und Lampen, die mehrfach bei den Errichtungen von Vicareien erwähnt werden, sind als minder wichtig nicht mit aufgeführt.


1) No. 6110 M. U.=B. IX.
2) No. 151 M. U.=B. I.
3) No. 6109 M. U.=B. IX.
4) No. 6586 M. U.=B. IX.
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Daß die Schweriner Kirche der Zahl nach reich mit Reliquien bedacht gewesen wäre, läßt sich nicht behaupten, von um so bedeutenderem Werthe wurden aber diejenigen, die sich hier befanden, erachtet. Es gilt dies vor Allem von dem heiligen Blut.

Nach der Urkunde vom 31. März 1222 1 ) hat Graf Heinrich von Schwerin, der an dem Kreuzzug Kaisers Friedrich II. Theil nahm, das in einem Jaspis eingeschlossene heilige Blut von dem Cardinal Pelagius erhalten und der ihm bei der Schenkung gemachten Auflage gemäß nach seiner Rückkehr dem Dom hieselbst überwiesen, wo dasselbe von der ganzen Geistlichkeit und der zahlreich versammelten Bevölkerung mit Procession, Gesängen und großen Freuden empfangen wurde. In der angezogenen Urkunde regelt Bischof Brunward von Schwerin die Verehrung dieser kostbaren Reliquie und bestimmt als Tag hierfür den Schenkungstag, den Grünen Donnerstag; derselbe soll für die ganze Diöcese ein Festtag sein, und der an diesem Tage sonst stattfindende Markt soll am Tage vorher abgehalten werden. Auch sollen am Himmelfahrtstage sämmtliche Pfarrer des Landes (prouincie) Schwerin mit ihren Pfarrkindern und Reliquien zum Dom wallfahren, wo dann das heilige Blut, ebenso wie am Tage der Kreuzeserhöhung, dem gesammten Volk ausgestellt wurde. Bei der Jahresfeier am Grünen Donnerstag verpflichtete Bischof Brunward sich und seine Nachfolger zum persönlichen Dienste und ordnete für den Fall seiner Verhinderung - nur körperliche Schwäche oder dringende Noth - seine Vertretung. Von den an diesen drei Tagen gespendeten Opfergaben soll ein Drittel zum Bau eines Klosters, ein Drittel zum Besten der Domherren, ein Drittel für die ersten drei Jahre zur Anschaffung von Büchern, dann in der Bauverwaltung des Domes (custodie) verwendet werden.

Nur noch zwei Urkunden dieses Zeitabschnittes sprechen von dem heiligen Blut, eine vom 23. October 1274 und die andere vom 20. November 1322. 2 ) Die erste bezeugt die Schenkung des Eigenthumes von 10 Hufen zu Brötelin Seitens des Grafen Gunzelin von Schwerin zur Stiftung einer Vicarei in der Schweriner Domkirche zu Ehren des heiligen Blutes, die zweite den Verkauf einer Schneidelkuh in den zu dieser Vicarei gehörenden Hufen Seitens des Knappen Gerhard von


1) No. 280 M. U.=B. I.
2) No. 1344 M. U.=B. II, und No. 4390 M. U.=B. VII.
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Gartow an den Vicar Heinrich Friese und dessen Nachfolgern in der Vicarei der heiligen Blutskapelle.

Die Gläubigen müssen in ungeheurer Zahl bei dieser Reliquie zusammengeströmt sein und ihren frommen Eifer durch sehr reiche Gaben bethätigt haben, da das Kloster, zu dessen Erbauung das eine Drittel der gespendeten Opfergaben verwendet werden sollte, schon vierzehn Jahre später, 1236, gegründet war, wie auch zum nicht geringen Theil durch das letzte Drittel es ermöglicht wurde, den Dombau so zu fördern, daß im Jahre 1248 die Kirche geweiht werden konnte. Daß auch die Stadt Schwerin bei dem regen Fremdenverkehr bedeutenden Vortheil gehabt hat, möchte kaum bezweifelt werden können.

Als weitere Reliquien empfing der Dom um 1260 von König Ludwig IX. von Frankreich einen Dorn aus der Dornenkrone Christi und am 5. Mai 1296 ein Stück von der in Riga aufbewahrten Reliquie des heiligen Kreuzes von dem Erzbischof Johann von Riga. 1 )

Eine eigene Bewandniß hat es mit einer Jahrbücher XIII, 151/152 erwähnten Reliquie, dem Sacrament des Blutes Jesu Christi, die vor dem Jahre 1222 im Dom aufbewahrt und verehrt sein soll. Die Hauptquelle ihrer Kenntniß ist die Ablaßbulle des Papstes Honorius III. vom 29. Juni 1220 ), in der es heißt:

ecclesia Swerinensis - in qua Christi fidelibus sacramentum sanguinis domini nostri Jesu Christi pie creditur esse reconditum -

eine Stelle, die schon 1220 ganz klar und unzweideutig von einem heiligen Blut im Schweriner Dom spricht. Lisch hält, allerdings im Jahre 1848, die Urkunde für echt, glaubt jedoch auch nicht, daß schon vor dem echten, eigentlichen, ein anderes heiliges Blut hier verehrt worden sei, sondern erklärt dies Vorkommniß so, daß diese Urkunde im Voraus mit Bezug auf das heilige Blut, das Graf Heinrich vom Cardinal Pelagius in Palästina erhalten sollte, ausgestellt wurde. Diese Annahme, die alle Schwierigkeiten heben würde, widersprechen aber die Worte "esse reconditum" auf das entschiedenste; die Urkunde spricht von einem heiligen Blut, das schon in Schwerin vorhanden ist; daß die Bulle gefälscht ist, was sich besonders aus ihrer Datirung ergiebt,


1) No. 880 und 2394 M. U.=B. II und III.
) No. 267 M. U.=B. I.
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hat Potthaft, Reg. pontif. Rom., nachgewiesen, vgl. Wigger, Jahrbücher XL, S. 36 Note 1.

Diese falsche päpstliche Bulle ist indessen nicht die einzige Urkunde, die schon vor dem Jahre 1222 ein heiliges Blut erwähnt, auch die Urkunde vom 6. Mai 1218 1 ), durch die Graf Heinrich von Schwerin und seine Gemahlin Audacia ihre dem Benedictiner=Kloster vor Stade gemachte Schenkung von 3 Hufen in Vellahn documentiren, spricht von einem solchen. Nach dem gewöhnlichen Eingang fährt die Urkunde fort:

"Sciat ergo - posteritas, quod nos - presertim ob reuerenciam sacri cruoris dominici per nos ibidem oblati contulimus etc. Datum in castro nostro Swerin etc. 2 )

In der Urkunde vom 6. März 1327 3 ) bestätigt Graf Gunzelin von Schwerin diese Schenkung, ohne jedoch auch nur mit einer Silbe auf das Motiv hinzudeuten, das den Grafen Heinrich und dessen Gemahlin veranlaßte. Das einzige ist, daß die Schenkung einmal eine pia genannt wird, was Graf Gunzelin ja auch zugeben mußte.

Es fragt sich, wie diese Urkunden zu erklären sind, nach denen nun schon im Jahre 1218 ein heiliges Blut im Dom


1) No. 242 M. U.=B. I.
2) Ich werde von sehr competenter Seite darauf aufmerksam gemacht, daß diese Urkunde wie No. 4813 sich auf ein heiliges Blut im Benedictiner= Kloster vor Stade bezöge, jedoch kann ich diese Ansicht nicht theilen, bleibe vielmehr dabei, daß Graf Heinrich und seine Gemahlin Audacia das der Schweriner Kathedrale dargebrachte heilige Blut im Auge haben. Die betreffenden Worte lauten vollständig:
Sciat ergo tam presencium etas, quam futurorum posteritas, quod nos intuitu dei omnipotentis intemerateque virginis Marie, et presertim ob reuerenciam sacri cruoris dominici per nos ibidem oblati contulimus et donauimus et nichilominus conferimus in hiis scriptis et donamus religiesis viris et dominis abbati et conuentui monasterii sancte Marie virginis extra muros Stadenses ac ipsi monasterio ordinis sancti Benedicti, Bremensis diocesis, tres mansos etc. Datum in castro nostro Swerin.
Ich beziehe das "ibidem oblati" auf Schwerin, den Aufstellungsort der Urkunde, während die andere Ansicht diese Worte auf monasterii extra muros Stadenses beziehen muß, was, wenn auch grammatikalisch zulässig, deshalb meiner Ansicht nach unrichtig ist, weil Graf Heinrich dann zwei Reliquien des heiligen Blutes deutschen Kirchen dargebracht haben müßte: dem Dome hieselbst und dem Benedictiner=Kloster vor Stade, was nach Allem, was wir wissen, entschieden nicht der Fall war.
3) No. 4813 M. U.=B. VII.
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verehrt sein soll. Lisch hält im Jahre 1848 1 ) das Datum, 6. Mai 1218, für unrichtig wiedergegeben, weil einmal Graf Heinrich das heilige Blut dem Dom erst im Jahre 1222 darbrachte und weil, als seine Gemahlin bis 1227 Margarethe, seit 1228 aber erst Audacia aufgeführt wird; er weist schließlich auf das wirklich unerfindliche Motiv hin, weshalb Graf Heinrich dem Benedictiner=Kloster vor Stade gerade deshalb etwas schenkte, weil er das heilige Blut in Schwerin verehrte, und datirt daher die Urkunde vom 16. April 1228. Nach den neueren Forschungen ist indessen der zweite Grund hinfällig geworden, da festgestellt ist, daß Graf Heinrich nur einmal und zwar mit Audacia vermählt war 2 ), mithin bleibt nur der erste übrig: die Urkunde kann nicht aus dem Jahre 1218 stammen, weil das heilige Blut erst 1222 von Graf Heinrich dargebracht wurde. Fragt man aber, weshalb denn nicht schon vorher ein anderes heiliges Blut im Dom existirt haben soll, so kann als einziger Grund dagegen nur der angeführt werden, daß über eine solche kostbare Reliquie doch Nachrichten auf uns gekommen sein würden. Die einzigen Urkunden aber, die eine solche erwähnen, sind die beiden eben besprochenen von 1220 und 1218 3 ); die Unechtheit der ersten ist zweifellos, und die Echtheit der zweiten steht auf sehr schwachen Füßen.

Wir kennen den Inhalt dieser Urkunde nicht aus dem Original, sondern aus zwei gleichlautenden Abschriften aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts von verschiedenen Händen, die trotz der gegentheiligen Versicherung des Notars nicht mit dem Original collationirt sein können, da Graf Gunzelin die Bestätigungsurkunde vom 6. März 1327 deshalb ausgestellt hat, weil das Original vor Alter vergangen war. Die Abschriften müssen deshalb von einer Abschrift genommen oder es muß ein falsches Exemplar als Original untergeschoben sein. 4 ) Auch nicht gerade Zutrauen erweckend ist die mindestens merkwürdige Motivirung der Schenkung der Hufen an das Stader Kloster: die Verehrung des vom Grafen dem Dom zu Schwerin dargebrachten heiligen Blutes. Was hat mit dieser Verehrung das Kloster vor Stade zu schaffen, zu dem weder Graf Heinrich noch seine Gemahlin Audacia irgend eine Beziehung hatte? Wie kommt es ferner,


1) Jahrbücher XIII, 321.
2) Lisch, Jahrbücher XXVII, 131 flgd.; Usinger: Deutsch=dänische Geschichte 418 flgd.; Wigger, Jahrbücher XXXIV, 64 § 6.
3) No. 267 und 242 M. U.=B. I.
4) Note zu No. 242 M. U.=B. I, S. 229.
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daß die Bestätigungsurkunde von 1327 Seitens des Grafen Gunzelin alle Details der Schenkung, aber auch nicht die geringste Andeutung des Beweggrundes zu derselben enthält? Die beiden Urkunden endlich, die dem Wortlaut nach nicht übereinstimmen können, weil das Original der Schenkungsurkunde vergangen war, - priuilegia vetustate sunt consumpta - stimmen auch im Inhalt darin nicht vollständig überein, daß Graf Heinrich 3 Hufen schenkt, die 9 Scheffel Erbsen und 12 sol. Hamb. tragen, donauimus - tres mansos - soluentes neuem modios pisorum mensure Boytzenburgensis et duodecim solidos Hamborgensium denariorum, während Graf Gunzelin 1327 nur eine Schenkung bestätigt, die besteht aus redditus et proprietatem nouem modiorum pisorum mensure Boyceneburgensis et duodecim solidos Lubicensium denariorum - in tribus mansis ville Velan; nach der Originalurkunde waren drei Hufen, nach der Bestätigungsurkunde eine Rente aus drei Hufen geschenkt.

Lisch und Wigger tragen denn auch keine Bedenken, die Urkunde als sehr zweifelhaft zu signalisiren: ersterer ändert, wie wir sahen, das Datum, letzterer hält die Urkunde für eine, "deren Echtheit sehr bedenklich erscheint" 1 ), und müssen dies selbst die einräumen, welche dem allerdings leicht verleitenden Umstand, daß zwei Urkunden in übereinstimmender Weise auf der Existenz eines heiligen Blutes vor 1222 beruhen, trotz deren Verdächtigkeit Gewicht beilegen. Meiner Ansicht nach sind beide Urkunden gefälscht.


Bisthum und Capitel.

Das Bisthum wurde im Jahre 1158 von Meklenburg nach Schwerin verlegt, wofür die in der Note zu der Dotationsurkunde des Bisthums Ratzeburg vom Jahre 1158 2 ), sowie von Wigger Jahrbücher XXVIII, 80-98 geltend gemachten Gründe von entscheidender Bedeutung sind.

In Betreff seiner Dotirung mit den ihm zukommenden 300 Hufen kann lediglich auf Lisch, Meklenburgische Urkunden III, 1-17 und Wigger, Jahrbücher XXVIII, 197-222 verwiesen werden.


1) Jahrbücher XXXIV, 64.
2) No. 65 M. U.=B. I.
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Das Oberhaupt des Bisthums war der Bischof, dem das Domcapitel zur Seite stand, an dessen Spitze, wie aus sehr zahlreichen Urkunden hervorgeht, der praepositus gestellt war; es herrschte also die Aachener Regel, 1 ) Einen hervorragenden Platz nehmen ferner der decanus und der thesaurarius ein. Diese drei Personen der praepositus, decanus und thesaurarius scheinen ein für alle Male die Vertreter des Capitels gewesen zu sein, da sie, man könnte sagen, unzählige Male genannt werden, wenn in den Urkunden von demselben die Rede ist. Der cantor, der Dirigent des Kirchengesanges kommt nicht sehr häufig vor; für das Schweriner Capitel sind nur die oben besprochenen Urkunden 2 ) von Wichtigkeit. Einen cellerarius und portarius, die Richter noch kennt, finden wir in Schwerin nicht, den custos und scholasticus auch gerade nicht sehr oft.

Die Zahl der Domherren oder canonici war bis zum 26. Mai 1238 zehn, Friedrich, erwählter Bischof von Schwerin, brachte sie dann durch Errichtung zweier neuen Stellen 3 ) auf zwölf. In diese Zahl sind jedoch der praepositus und der decanus nicht mit eingerechnet, denn Graf Gunzelin von Schwerin trat dem Capitel vierzehn Stellen auf der Schelfe zu Domherrnhöfen in derselben Urkunde ab, in der Bischof Friedrich die zwei neuen Präbenden stiftet, so daß das Capitel aus dem praepositus, dem decanus, den zehn alten und zwei neuen Domherren bestanden haben wird, eine Vermuthung, die in der Fälschung der Dotationsurkunde des Bisthums Schwerin 4 ) ihre Bestätigung findet, in der es heißt:

"canonicorum numero, qui tunc erit, id est duodecim personis cum decano et preposito ."

Errichtungen weiterer Domherrenstellen sind uns nicht überliefert, es ist wenigstens unersichtlich, ob dem Befehle des Cardinal=Legaten Guido, die vom Grafen Gunzelin für das Seelenheil seines verstorbenen Sohnes Heinrich gestiftete und verbesserte Vicarei zu einer Dompräbende zu erheben,


1) Richter, Lehrbuch des katholischen und evangelischen Kirchenrechtes 1874 S. 364 flgd. unerwähnt darf jedoch nicht bleiben, daß, wenn auch nur sehr vereinzelt ein archidiaconus vorkommt: Sibodo prepositus Lubicensis et archidiaconus Zwerinensis ecclesie. 1248. No. 602 M. U.=B. I.
2) Vgl. S. 52.
3) No. 486 und 487 M. U.=B. I.
4) No. 100 M. U.=B. I. B, S. 98.
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nachgekommen ist. Sonderliche Eile hat der Bischof gerade nicht an den Tag gelegt, auch werden die alten Domherren diesen Beschluß des Cardinal=Legaten nicht zu seinen besseren gerechnet und den Bischof zur möglichsten Renitenz angestachelt haben, da Guido den unterm 31. März 1266 von Rostock aus gegebenen Befehl unterm 22. August 1267 von Lübek aus wiederholte, ob mit besserem Erfolg, steht dahin.

Neben diesen Domherren mit ihrem vollen Einkommen gab es noch andere, im Besitz kleinerer, geringfügigerer Präbenden, praebendae pueriles; über ihre Stellung, ob sie auch in anderen Beziehungen als nur den materiellen nicht die vollen Gerechtsame, dem entsprechend auch nicht die vollen Verpflichtungen hatten, konnten bedauerlichst keine Aufklärungen erbracht werden.

Was das Leben der Domherren betrifft, so sind darüber fast gar keine Nachrichten erhalten geblieben, nur das geht aus dem vorliegenden Material hervor, daß auch hier "das Wesen der bischöflichen oder Domcapitel, das Zusammenleben im Münster und das Zusammenwirken im Chor, wieder aufgehoben, aus den reichen Besitzthümern den Mitgliedern ständige Einkünfte zugewiesen wurden, deren sie sich in ihren eigenen Curien erfreuten" 1 ), wenn überhaupt hier ein derartiges Zusammenleben und =wirken jemals stattgefunden hat, da diese Curien beim Schweriner Capitel schon so früh vorkommen, daß ein derartiger Zweifel wohl gerechtfertigt ist. Da nun trotzdem am Dom nach dem Jahre 1328 ein dormitorium und 1392 ein refectorium gebaut wurde, und aus diesem Umstand ein in zwei Hauptabschnitten des Tages gemeinsames Leben mit Sicherheit sich folgern läßt, die Domherrnhöfe aber bis dahin sich noch vermehrt haben, so wird auch hier die Bemerkung Richters a. a. O. zutreffen, daß seit dem Aufhören des gemeinsamen Lebens der Domherren "nur noch die jüngeren Canoniker (domicillares) unter Aufsicht des Domscholasters in Gemeinschaft lebten, bis mit dem Aufblühen der Universitäten auch dieser letzte wesentliche Theil der ganzen Institution hinwegfiel". Als scholasticus ergiebt sich somit derjenige Domherr, unter dessen Aufsicht und Leitung das Unterrichtswesen stand, er ist nicht der eigentliche Schullehrer; über diesen, wie er uns in Wismar und Güstrow urkundlich überliefert ist, sind in Schwerin keine Nachrichten erhalten. Als scholasticus ist am 2. Juli 1217 2 ) zuerst


1) Richter a. a. O. S. 366.
2) No. 235 M. U.=B. I.
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Apollonius aufgeführt, dann Eustachius, Rudolph, Nicolaus, Hermann, ferner Moritz, Lüder, Henricus de Porsveldt u. a. m.

Die Nachrichten über diejenigen, die den Unterricht empfingen, die scholares, sind äußerst dürftig. In der Urkunde vom 6. Mai 1343 1 ) wird von der Bede des Dorfes Bandenitz den Schülern und Armen - scholaribus et pauperibus in choro existentibus - eine Summe für gewisse Feste ausgesetzt, und in den Urkunden vom 20. December 1329 und 26. Mai 1330 2 ) wird bezeugt, daß die von den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Vicars Markward Kale zu Schwerin errichtete Vicarei von 8 Hufen in Schmakentin, dem Markward, Sohn des Schweriner Rathsherrn Ulrich und dessen Frau Adelheid zugesichert sei. Hieraus läßt sich schließen, daß dieser scholaris Marquardus dem geistlichen Stande bereits angehört hat, daß somit auch hier die scholares nicht Laien, sondern Geistliche waren.

In Betreff der den Domherren obliegenden Pflichten fließen die Quellen auch nur spärlich und unendlich ist es zu beklagen, daß die einzige Nachricht, die wir haben, nicht die Urkunde selbst ist, die sehr eingehend über die Obliegenheiten und Einkommen gesprochen zu haben scheint, sondern nur ein Auszug Clandrian's aus ihr. Es ist dies die Urkunde vom 15. December 1312 3 ). Darnach hatten die Domherren den Gottesdienst zu verrichten, wie dies ja selbstverständlich ist, nach Hederich in choro canere et negotiis capituli equitare. Dies scheint nun den Herren doch mit der Zeit zu lästig geworden zu sein, weshalb sie sich gerne von Schwerin entfernten und anderswo aufhielten, zum Nachtheil der Zurückbleibenden, die nicht nur ihren Geschäften getreulich nachkommen, sondern auch die der Abwesenden mit erfüllen mußten. Besonders scheint es diese nun verdrossen zu haben, daß die Abwesenden, trotzdem sie ein bequemeres Leben führten, doch insofern besser standen, als sie ihr Einkommen ungeschmälert erhielten, jedoch die Lasten, besonders die Verpflegung fremder Gäste, eben wegen ihrer Abwesenheit nicht zu tragen hatten. Jeder Domherr trachtete in Folge dessen sich möglichst schöne Tage zu machen, und nahm das Verreisen mit der Zeit solchen Umfang an, daß alle sich lieber "absentireten als residernten", und dadurch der Gottesdienst über Gebühr vernachlässigt wurde. Das Capitel verschloß sich denn auch


1) No. 6301 M. U.=B. IX.
2) No. 5103 und No. 5147 M. U.=B. VIII.
3) No. 3578 M. U.=B. V.
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den möglichen Folgen einer solchen Handlungsweise nicht, trat zusammen und beschloß, daß "die Präbenden, die ein ieder ein Zeitlang besonders gehabt, in ein corpus geschlagen, wie es zuvor gewesen, dazu sie einen ihres mittelss zum collector geordnet, der sie einfurderen vnd vnter sie ausstheilen solle"; der abwesende Domherr soll jährlich 1 1/2 Last Roggen, 1 1/2 Last Gerste und 3 Last Hafer erhalten. Leider, leider ist nicht berichtet, wie viel auf jeden anwesenden Domherrn kam!

Die Verpflichtung, die fremden Gäste zu beherbergen, ohne die das doch unumgängliche Reisen bei dem in den damaligen Zeiten sehr im Argen liegenden Gasthofswesen fast zu den Unmöglichkeiten hätte gerechnet werden können, muß eine sehr drückende gewesen sein; die meisten Domherren werden, wie Magister Johann von Lütjenburg, eine besondere Wohnung für die Fremden, hospicium, gehabt haben 1 ).

Die Naturalverpflegung hier in Schwerin zeichnete sich schon in diesen grauen Zeiten durch ihre Gediegenheit aus, denn der Propst Heinrich zu Ratzeburg bestimmt, daß seine Domherren Brot und Bier in eben dem Maaße wie die Schweriner erhalten sollen, da seine große Anhänglichkeit und Liebe zu den Brüdern ihn dringend darauf hinführe, ihre tägliche Erquickung besser als bisher zu gestalten 2 ). Er bestimmt also, daß das Brot, panis prebendalis, aus reinem Waizen und in der Reinheit und Größe wie das Schweriner hergestellt werden soll und zwar aus einem Scheffel zwölf Brote; von diesen soll der Domherr an jedem Tage eines, der prior ebenfalls täglich eines, am Sonntag aber zwei erhalten, jeder subdiaconus und conversus bekommt täglich ein Brot von 24 auf den Scheffel. Was das Getränk betrifft, so wird bestimmt, daß das Bier so bekömmlich und vorzüglich gebraut werden soll, daß aus 4 talentis 3 ) Hafer, 2 talentis Gerste und 2 talentis Waizen nur so viel Bier hergestellt wird als 18 Travesche Tonnen gut fassen können, hiervon soll jeder Domherr an jedem Tage 3 Maaß erhalten und zwar in der Größe eines halben Stübchens, der Converse 3 große Becher, Morgens einen, Abends zwei, jeder subdiaconus 4 große Becher Morgens und Abends je 2; der prior aber bekommt an jedem Sonntage 4 Maaß und zwar große.


1) No. 3735 M. U.=B. VI.
2) No. 2759 M. U.=B. V.
3) talentum = 1/12 Last = 8 Scheffel. M. U.=B. IV., Abth. III. Wort=Sach=Register, S. 463, Verb. "punt" sub 3.
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Man wird kaum fehlgehen, wenn man die Bestimmung wegen des Getränkes ebenfalls mit dem Schweriner Gebrauch als übereinstimmend ansieht, wenn auch hier nicht wieder ausdrücklich auf diesen Bezug genommen ist.

Man sieht, Hunger und Durst litten die Domherren jedenfalls nicht, hatten sie doch an jedem Tage ein Faßbrod und 3 Maaß Bier zu bewältigen. Nehmen wir an, daß der Becher der Subdiaconen und Conversen, der ohne Zweifel kleiner als das Maaß der Domherren war, unserem jetzigen Seidel entspricht, das Maaß aber wohl das Doppelte des den Conversen zukommenden Quantums gehalten haben wird, so hatten die Domherren doch 6-7 Seidel täglich zu ihrer Verfügung.

Zur Beschaffung der hiernach erforderlichen Nahrungsmittel war das Capitel täglich einer großen Menge Getreides benöthigt; wenn dasselbe nun auch wohl etwas für den ersten Angriff in Schwerin wird aufgespeichert gehabt haben, so wissen wir doch hier von einem Kornboden, granarium, nichts, wohl aber existirte ein solcher in Hohen=Viecheln, das an der Nordspitze des Schweriner Seees liegt. Die Zehnten und Einkünfte wurden also aus der ganzen Gegend dort gesammelt und von da entweder verkauft und sonst umgesetzt oder zu Wasser nach Schwerin transportirt 1 ).

Ob Papst Innocenz IV. in seiner Bulle vom 8. Juli 1252 2 ) die eben besprochenen täglichen Gaben an Brot und Bier im Auge hat, als er dem Bischof von Camin aufgiebt, darüber zu wachen, daß nur der, der eine Pfründe hat, in der Schweriner Kirche etwas von den täglichen Gaben erhalten soll, oder ob er Geschenke, wie die bei der Verehrung des heiligen Blutes dargebrachten bezielt, deren eines Drittel ja speciell für die Domherren bestimmt war 3 ), muß in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte dahingestellt bleiben. Das sonstige Einkommen der Domherren wird in der Fälschung der Schweriner Dotationsurkunde 4 ) auf 12 Mark Silber außer der Schweriner Pfarre angegeben.

Auch für geistige Speise war im Capitel gesorgt, dasselbe befaß und zwar schon früh eine Bibliothek. Die Bücher des Bischofes Berno, so lautete der Vergleich vom 18. Juni 1195 5 ), sollen der Kirche wiedergegeben und auf die Gerbekammer


1) No. 625, 870 U.=B. I. und II.
2) No. 699 U.=B. II.
3) No. 280 U.=B. I.
4) No. 100 U.=B. S. 98.
5) No. 158 U.=B. I.
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gesetzt werden. Ferner bestimmt Bischof Brunward von Schwerin am 31. März 1222 1 ) den dritten Theil der Gaben, die bei Verehrung des heiligen Blutes dargebracht wurden, auf drei Jahre zur Anschaffung von Büchern. Endlich vermacht der Scholaster Lüder von Wittenburg dem Capitel seine Bücher und zwar nach Hederichs Angabe: libros juris canonici.

Erkrankte einer der Domherren und zwar so, daß er das Zimmer nicht verlassen konnte, so war er vom Chordienst befreit, und herrschte hier in Schwerin wie wohl überall die Sitte, daß ihn der nächstfolgende für die Dauer seiner Krankheit vertrat. Es wird dieser Gebrauch, der ja nur den Grundsätzen der Collegialität entspricht, für Schwerin durch einen Bescheid des Capitels an das Bützower Collegiatstift vom 8. Juni 1297 ausdrücklich mit dem Bemerken bestätigt, daß dies geschähe, quia afflictis non est addenda afflictio, sed pocius miserie miserendum, nee deus punit bis in id ipsum 2 ).

Ebenso sehr liegt es in der Natur der Sache, daß derjenige Geistliche, der im Genusse eines Beneficium ist und ein neues statt des alten erwirbt, so lange den Fruchtgenuß des alten behält, bis er wirklich in den des neuen eintritt. So selbstredend dieser Satz auch ist, so ist er doch durchaus nicht streitlos gewesen, vielmehr erst auf Antrag des Bützower Domherrn Johann Trost in einer Versammlung sämmtlicher Prälaten und Geistlichen der Schweriner Diöcese, die hier im Dom im Jahre 1317 zur Sommerzeit stattfand, beschlossen 3 ).

Daß die Domherren in Errichtung ihres letzten Willens nicht beschränkt waren, erhellt aus zahlreichen letztwilligen Verfügungen dieser Personen.

In Ansehung der erledigten Präbende bestimmte Papst Cölestin III. am 24. October 1191, daß nach dem Ableben eines Domherrn dessen Präbende während der Dauer eines Jahres nicht wieder besetzt werden solle ad exequias et ad tricesimum et ad anniuersarium et ad soluenda debita, ad seruientes remunerandos, eine Bestimmung, die bei der Schweriner Kirche von Alters her beobachtet sei, - sicut ecclesie uestre consuetudinis est. 4 ) Die erledigte Domherrnstelle besetzte das Domcapitel nach seiner freien Wahl, wie ihm solche auch in Bezug auf den Decan und Präpositus zustand.


1) No. 280 M. U.=B. I.
2) No. 2451 M. U.=B. IV.
3) No. 3930 M. U =B. VI.
4) No. 151 M. U.=B. I.
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In jeder Beziehung trifft hier in Schwerin schließlich auch das zu, was Richter von der Entwickelung des Domcapitels sagt 1 ):

"- Die Stifter traten aber -- den Bischöfen als selbstständige, durch eigene Beamten regierte Corporationen gegenüber. - In die Verwaltung der Diöcese griffen sie zuvörderst als bischöfliche Presbyterien, welche dem Bischof ihren Rath, bei wichtigeren Verhältnissen aber ihre Zustimmung zu ertheilen hatten, insbesondere aber durch das im 13. Jahrhundert ihnen nach dem Vorbilde des Collegiums der Cardinäle ausschließlich zugefallene Recht der Bischofswahl ein".

Was zunächst den ersten Punkt betrifft, die Ertheilung des Rathes resp. der Zustimmung des Capitels, so lassen die Urkunden vom 25. September 1299 und vom 11. März 1300 2 ) seine Stellung so deutlich erkennen, daß ein Zweifel nicht Platz greifen kann.

Die Verwaltung des Bisthumes durch Bischof Gottfried I. hatte jedenfalls bedeutende Mißstände zur Folge, die dem Wohlergehen und Gedeihen der Diöcese ernstlichen Schaden zuzufügen drohten. Dieser Umstand bewog das Capitel, am 25. September 1299 zusammenzutreten und, um dem Verfall des Bisthumes entgegenzuwirken, - attendentes Cwerinensem ecclesiam miserabiliter collapsam - vier Personen zu wählen, die zusammen innerhalb Jahresfrist berathen und Maßregeln. ausfindig machen sollten, wodurch das Verderben abgewendet werden könne. Die Beschlüsse dieser Commission versprachen die Domherren unweigerlich zu halten und auszuführen, demjenigen, der von einem Mächtigen Uebeles erfahren, sei es an Person oder an Vermögen, mit vereinten Kräften beizustehen, über Alles aber unverbrüchliches Schweigen zu bewahren. Man sieht, die Sache war ernst und wurde mit Beherzigung des "viribus unitis" angegriffen. Am 11. März 1300 hatte die Commission, deren Mitglieder jetzt genannt werden, nämlich Propst Johann, Decan Otto, Archidiaconus Bertram in Ware[Druckfehler: müßte WARIN heißen; Hinweis mit Bleistift]n und Thesaurarius Hermann, ihr Werk vollendet und publicirte ihr Gutachten, aus dem die Beschwerden des Capitels ersichtlich sind, in Form eines Statutes über die künftige Verwaltung des Vermögens des Bisthumes in einer solchen kategorischen Sprache und Stil, daß schon daraus deutlich und klar die Stellung ersichtlich


1) a. a. O. S. 367 flgd.
2) No. 2573 und 2601 M. U.=B. IV.
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ist, die das Capitel sich vindicirte, und die Macht, die es hatte oder zu haben glaubte. In nomine domini. Amen! so beginnt die Urkunde und fährt dann ohne Umstände und mit vollständiger Beiseitesetzung der sonst üblichen und so gern angewendeten Redewendungen fort:

"Nos p. p. auctoritate nobis commissa a capitulo Zwerinensi presentibus ordinamus, vt per capitulum predictum - moneatur dominus noster Godefridus episcopus" etc.

Der Bischof soll zunächst über sämmtliche Einnahmen und Aufkünfte der bischöflichen Tafel ein im Gewahrsam des Capitels verbleibendes Verzeichniß aufnehmen lassen, in das auch alle Güter, die er ohne Consens des Capitels zu Lehen gegeben, eingetragen werden sollen; Alles, was er ohne diesen ausdrücklichen Consens veräußert hat, auf welche Weise es auch geschehen sein mag, soll er wieder an das Bisthum bringen und allen Schaden, den er diesem und zwar "culpa sua" zugefügt hat, ersetzen, beides binnen einer bestimmten Frist, infra terminum, quem eidem duxerimus statuendum, in Zukunft aber soll er sich jeglicher Veräußerung ohne Zustimmung des Capitels enthalten. Ferner soll er dafür sorgen, daß die beiden Befestigungen, die von seinen Anverwandten mit seiner Zustimmung, aber ohne die des Capitels errichtet sind, aus deren einer die Schweriner Kirche sehr - enormiter - geschädigt ist, abgebrochen werden und endlich soll er die beiden Burgen des Bisthums, Bützow und Warin, in sichere Obhut nehmen. Zur getreuen Beobachtung aller dieser Vorschriften hat der Bischof sich binnen einer Frist bis acht Tage nach Pfingsten vor dem Erzbischof von Bremen zu verpflichten, widrigenfalls das Capitel sich an diesen wenden wird. Sehr vorsichtig und dem Charakter der Zeit entsprechend wird dann noch verordnet, daß der Propst und Decan oder wer von ihnen gerade anwesend ist, mit Zuziehung einiger Domherren, für jede Unbill, die einer von ihnen an Person oder Vermögen Seitens des Bischofes, seiner Verwandten oder anderer auch noch so mächtiger Personen erleidet, auf Kosten des Capitels die entsprechende Genugthuung beitreiben soll. Das Recht zu diesem Statut Zusätze, Veränderungen und Erläuterungen zu erlassen, reservirt sich schließlich die Commission.

Man sieht, das Capitel wollte unter allen Umständen bei jedem wichtigeren Act gefragt sein und insbesondere jede Veräußerung von seiner Zustimmung abhängig machen. Von

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einigem Erfolg werden seine Bestrebungen diesmal begleitet gewesen sein, was jedenfalls von den früheren, die in der Fälschung der Bewidmungsurkunde des Bisthumes Schwerin 1 ) hervortreten und die genau dieselbe Richtung hatten, so wenig gesagt werden kann, wie von der Bestimmung des Vergleiches zwischen den Wenden und dem Capitel wegen der Bischofswahl, nach der "der Bischof nichts von den Stifftsgutern vereussern soll ohne der Bruder und derer vom Adel gemeinen rhatt und Bewilligung". 2 ) Auch die Bestimmung des Kaisers Otto IV. in seiner Bestätigungsurkunde des Bisthumes:

statuimus, vt quicquid de dote ecclesie Zwerinensis aut de prediis auf aliis eius rebus [nisi] communi consilio et consensu capituli, fuerit ab episcopo distractum, datum auf alienatum auf concessum vel commutatum prorsus irritum habeatur 3 ) -

hatte, wie wir sahen, den gewünschten Erfolg nicht gehabt. Erzbischof Burchard von Bremen erkannte das Recht des Capitels, die Veräußerungen von Kirchengut von seiner Zustimmung abhängig zu machen, in vollstem Maße an, indem er am 13. October 1340 dem Bischof Heinrich gestattet, ungeachtet des geleisteten Eides, Verpfändungen vorzunehmen, und zwar exstante tempore et necessitate ingruente, aber nur unter zwei Bedingungen: bei sicherer Aussicht auf Wiedereinlösung und mit Zustimmung des Capitels. 4 )

Was den zweiten Punkt, die Bischofswahl betrifft, so ist zuerst von ihr in der Fälschung der Bewidmungsurkunde des Bisthums Schwerin 5 ) die Rede; es heißt dort:

Liberam electionem in episcopum -- canonicis in ecclesia Zuerinensi ivgiter seruientibus indulsimus.

Auf Grund dieser Fälschung, die in den damals so weit ausgebildeten hierarchischen Bestrebungen wurzelte, wird höchst wahrscheinlich nicht ganz 25 Jahre später der Streit zwischen den wendischen Fürsten und dem Capitel wegen der Bischofswahl durch die Unterhändler, den Bischof Isfried von Ratzeburg, Abt Arnold zu St. Johann in Lübek und Domherr Hermann von dort geschlichtet sein. Es war nach Bischof Berno's Tode von den Wenden


1) No. 100 M. U.=B. I. B. S. 99.
2) No. 158 M. U.=B. I.
3) No. 202 M. U.=B. I.
4) No. 6071 M. U.=B. IX.
5) No. 100 M. U.=B. I. B. S. 98.
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Brunward, von den Domherren Hermann zum Bischof gewählt; die gedachte Commission, die auffallender Weise nur aus Klerikern bestand, bestimmte nun am 18. Juni 1195, obgleich die Bestätigungsurkunde des Papstes Cölestin III. vom 24. October 1191 1 ) dem Capitel nur die Wahl des Präpositus, Decanes und der Domherren, aber nicht die des Bischofes gab, daß die Privilegien der Schweriner Kirche vom Bischof und den Wenden nicht geändert werden sollten, d. h. mit anderen Worten, daß die gefälschte Dotationsurkunde nicht mehr angezweifelt werden sollte, dem entsprechend denn auch festgesetzt wurde: "Die canonici sollen die freie Wall des Bischoffs, Decens vnd der Thumbhern haben;" unter 7 ward weiter bestimmt, daß die Canoniker, wenn sie die Wendischen von Adel dahin erfordert, den Bischof erwählen, welche Wahl die Wenden belieben und gut sein lassen sollen. 2 ) Hieraufhin trat der von den Domherren gewählte Bischof Hermann zurück. Ohne der vergleichsmäßigen Bestimmung zu gedenken, daß die Wenden gegebenen Falles das Capitel zur Bischofswahl zusammenrufen sollen, bestimmt Kaiser Otto IV. am 4. Januar 1211 in seiner Bestätigungsurkunde des Bisthumes:

Canonicos etiam eiusdem loci liberam electionem in episcopos, in prepositos, in decanos, in canonicos habere decernimus.

Hiermit übereinstimmend heißt es endlich im Vergleich des erwählten Bischofes Friedrich von Schwerin mit dem Grafen Gunzelin von Schwerin - die Urkunde ist uns nur in einer Inhaltsangabe Clandrians erhalten - vom 26. Mai 1238:

"An erwelung des Bischoffs soll vom Grauen hinfuro keine Verhinderung geschehen" 3 ),

und dabei blieb es.



1) No. 151, M. U.=B. I.
Preterea liberam electionem in eligendo decanos, prepositos et canonicos et liberam dispositionem in colligendis stipendiis, sicut hactenus habuistis, auctoritate nobis apostolica confirmamus.
2) No. 158 M. U.=B. I.
3) No. 486 M. U.=B. I.
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Das bischöfliche Gebiet in der Stadt Schwerin und die Schelfe.

Von der Bewidmungsurkunde des Bisthumes Schwerin durch Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen existiren 2 Exemplare, das echte, der Text A, und ein falsches, Text B, außerdem noch mehrerere Abschriften aus dem 16. Jahrhundert, Text C. 1 ) Diese Urkunden und die auf ihnen beruhenden Bestätigungen Seitens der Päpste und Kaiser sind für die Stadt Schwerin von höchster Wichtigkeit, da auf sie der Besitzstand des Bisthumes in und bei der Stadt sich gründete.

Nach der echten Urkunde des Herzoges Heinrich erhielt das Bisthum als Geschenk:

"insulam Zverin adiacentem usque ad riuulum et aliam insulam prope Dobin, que Libiz dicitur - nauale teloneum in Zverin - parrochiam in Zverin cum omni iure.

Die Fälschung setzte hinzu: locum et aquam molendinarem in aquilonari parte ciuitatis Zverin und gab - es ist in hohem Maße auffallend, daß in einer Urkunde, die für das Bisthum Privilegien einführt, auch die Einwohner der Stadt berücksichtigt werden - den Schweriner Bürgern das Recht, im Hafen von Wismar mit zwei großen Schiffen, "que koggen appellantur", und kleineren in beliebiger Zahl ohne jemandes Widerspruch zollfrei zu verkehren.

Das echte Exemplar kam nur noch einmal, aber entschieden aus Versehen, zum Vorschein; im Gebrauch war lediglich das falsche, das bald nach Ausstellung der Originalurkunde angefertigt sein muß.

Die etwas summarische Bestätigung des Bisthumes Schwerin durch Papst Alexander III. vom 13.-24. März 1178 2 ) führt als Geschenk des Herzoges an:

"partem insule Zverin secundum distinctionem ipsius ducis, molendinum unum et aliam insulam."

Wir sehen also, daß nach der eigentlichen Schenkung des Herzoges Heinrich das Bisthum von der Stadt Schwerin selbst gar nichts besaß, wobei man jedoch von dem Platz, auf dem das Kirchengebäude stand, und von diesem selbst


1) No. 100 M. U.=B. I.
2) No. 124 M. U.=B. I.
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absehen muß, da diese keinenfalls der Stadt zu irgend einer Zeit gehört haben, wenn sie auch nicht als dem Bisthum zugehörig ausdrücklich ausgeführt sind; es wird als selbstverständlich betrachtet sein, daß der Ort, auf dem die bischöfliche Cathedrale errichtet wurde, sowie diese selbst nur im Eigenthum der Kirche stehen konnte, und ein ausdrückliches Hervorheben dieses Umstandes wurde als überflüssig unterlassen. Zum Bisthum gehörte mithin, vom Dom abgesehen, nach der Schenkung des Herzoges Heinrich in der Stadt Schwerin: die Pfarre, außerhalb der Stadt: die Insel, die mit Schwerin grenzt, bis zum Bach, die Insel Lieps und der Schiffszoll; nach der Bestätigungsurkunde des Papstes Alexander III. ist hieraus geworden: ein Theil der Insel Schwerin nach der vom Herzog Heinrich getroffenen Grenzlinie, und außerhalb der Stadt eine Mühle und eine andere Insel.

Diese Abstimmigkeiten der päpstlichen Bestätigung können wohl als Product der Flüchtigkeit des Concipienten der Urkunde, die, wie schon bemerkt, sehr summarisch gehalten ist, aufgefaßt werden; die Pfarre und der Schiffszoll werden nicht absichtlich weggelassen, sondern lediglich vergessen sein, und bei der Stadt Schwerin hat nur eine, für die spätere Zeit allerdings verhängnißvolle Verwechselung stattgefunden, indem statt Herzogs Heinrich "insulam Zverin adiacentem usque ad riuulum" gesetzt ist "partem insulae Zverin secundum distinctionem ipsius ducis", nämlich usque ad riuulum. Dies Versehen wurde nun durch eine kleine Fälschung nutzbringend gemacht. Die Gelegenheit war so günstig, wie sie sich vielleicht nie wieder bot. Das Capitel besaß die unzweifelhafte, echte Urkunde des Papstes Alexander III., der erklärte, Herzog Heinrich habe dem Bisthum einen Theil der Insel Schwerin nach einer von ihm festgesetzten Grenze geschenkt, es handelte sich somit nur noch darum, diese möglichst passend aufzufinden. Sie ward gefunden. Denn nach der Confirmationsurkunde des Bisthumes durch Papst Urban III. vom 23. Februar 1186 1 ) besaß das Bisthum:

partem ciuitatis Zuerinensis a domo piscatoris cuiusdam, cui nomen erat Suk, ad uetus cimiterium directe tendentem et idem transeuntem usque in Scalam cuius medietatem includit et ultra paludem eidem Scale proximam totam insulam et molendinum a ciuitate in parte aquilonis situm et parrochiam


1) No. 141 M. U.=B. I.
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predicte ciuitatis cum omni iure, - insulam que dicitur Lypiz,

d. h. in der Stadt: die Pfarre und einen bedeutenden Theil der Stadt Schwerin (aus Papst Alexander's: partem insulae Zwerin ist hier geworden: partem ciuitatis Zverinensis), außerhalb der Stadt: einen Theil der Schelfe, die der Schelfe zunächst gelegene Insel, die Insel Lieps und die Mühle. Es sind also die Versehen, die in der Urkunde des Papstes Alexander zu Gunsten der Kirche sich deuten ließen, getreulich benutzt, während die, die zu Ungunsten der Kirche gemacht waren, bis auf den auch hier fehlenden Schiffszoll wieder gut gemacht sind. Die Grenzbestimmung "a domo piscatoris cuiusdam" bezeichnet Papst Urban als secundum distintionem ipsius (ducis Henrici)! Außer dieser Grenzlinie innerhalb der Stadt fällt noch auf, daß hier zum ersten Male die Schelfe aufgeführt wird.

Ebenso im Inhalt, soweit von Schwerin die Rede, lautet die Urkunde des Papstes Clemens III. vom 30. September 1189 1 ) wie auch die zweite Bestätigung von Cölestin III. vom 5. August 1197 2 ), anders dagegen, ganz anders, des letzteren erste Confirmation vom 24. October 1191 3 ); hier heißt es einfach:

insulam Zverin adiacentem usque ad riuulum et aliam insulam prope Dobin que Libiz dicitur - parrochiam cum omni iure - nauale teloneum in Plote;

es war somit dem Papste Cölestin das Original der Bewidmungsurkunde Herzogs Heinrich vorgelegt und auf diese Weise eine Bestätigung zu Wege gebracht, mit der dem Capitel nicht im Mindesten gedient war, auch in Berücksichtigung der Urkunden der Päpste Alexander, Urban, Clemens nicht gedient sein konnte, deshalb wurde Cölestin zur Ausstellung einer anderen Urkunde veranlaßt, so daß von demselben Papste zwei Bestätigungen desselben Bisthumes vorliegen, deren Inhalt durchaus nicht mit einander stimmt, trotzdem zwischen beider Ausstellung nur ein Zeitraum von noch nicht sechs Jahren liegt.

Die letzte Confirmationsurkunde ist die des Kaisers Otto IV. vom 4. Januar 1211. 4 ) Der Kaiser sagt in ihr, es sei ihm die Schenkungsurkunde des Herzoges Heinrich vor=


1) No. 149 M. U.=B. I.
2) No. 162 M. U.=B. I.
3) No. 151 M. U.=B. I.
4) No. 202 M. U.=B. I.
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gelegt, und habe er sich nach ihr gerichtet, dem Bisthum gehöre danach:

insulam Zwerin adiacentem vsque ad riuulum et aliam insulam probe Dobin, que Lipiz dicitur, molendinarem locum et aquam prope Zwerin versus aquilonem, - nauale telonium in Zwerin, parrochiam in Zwerin cum omni iure.

Hieraus ergiebt sich, daß dem Kaiser, der vermuthlich die Vorlegung der Bewidmungsurkunde verlangt und sich nicht mit der letzten päpstlichen Confirmation, die ja viel weiter ging, begnügt hatte, das falsche Exemplar der Bewidmungsurkunde unterbreitet war, wonach den Schweriner Bürgern der freie Verkehr im Hafen von Wismar zustand, ein Recht, das Kaiser Otto denn auch bestätigte.

Erst nach dieser Urkunde wird der den Abschriften der Bewidmungsurkunde vom 9. September 1171 aus dem XVI. Jahrhundert, Text C, 1 ) zu Grunde liegende Text angefertigt sein, da in ihm Alles das als Eigenthum des Bisthumes aufgeführt wird, was dieses auf Grund der Urkunden, die durch Fälschung und schlechte Redaction zu Stande gekommen waren, in Anspruch nahm, nämlich:

insulam Zverin adiacentem et aliam insulam prope Dobin que Liptz dicitur, ipsam civitatem Zuerin a domo piscatoris Suck super australe stagnum posita[m] usque ad antiquum cimiterium et inde protendit in directum usque ad minorem Scalam, cuius medietatem ad areas fratrum deputamus, maiorem uero Scalam usque ad predictam insulam et molendinum in aquilonari parte civitatis situm, - nauale teloneum in Suerin, parrochiam.

Und wie hatte es im Jahre 1171 geheißen?

Insulam Zverin adiacentem usque ad riuuluin et aliam insulam prope Dobin, que Libiz dicitur, nauale teloneum in Zverin, - parrochiam.

Welche Oertlichkeiten sind nun in den Urkunden in Bezug genommen? Das ist die nächste Frage, die interessirt.

Es vernothwendigt sich, hier ausdrücklich auf die Lage Schwerins, wie sie im Anfang der Abhandlung zu schildern versucht ist, besonders auf S. 34 flgd. zu verweisen. Darnach hängt die durch den Ziegelsee und großen See gebildete


1) No. 100 M. U.=B. I.
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Halbinsel Schwerin, die durch den Heidensee und seine Verbindungen mit dem Ziegelsee und dem großen See in zwei Theile, die Stadt mit dem Schelffeld und den Werder, getheilt wird, mit dem festen Lande nur durch die schmale, sumpfige, mit Wasserlauf versehene Strecke zwischen Burgsee und Pfaffenteich, die jetzige Kaiser Wilhelmsstraße, früher Poststraße und Fließgraben, zusammen.

Die Verbindung des Heidenseees mit dem Ziegelsee einerseits und dem großen See andererseits findet sich auch auf der großen Schmettau'schen Karte von Meklenburg vom Jahre 1788; nach dem großen See zu ist sie Natur, bei der Verbindung mit dem Ziegelsee ist dagegen ein Zweifel hieran gerechtfertigt; in Anbetracht des tiefen, sumpfigen Terrains zu beiden Seiten dieses Wasserlaufes bin ich jedoch der Ansicht, daß auch hier die Verbindung eine natürliche ist, der man durch Ausgrabung und Befestigung der Ufer nachgeholfen hat.

Ferner ist noch auf eine große sumpfige Niederung aufmerksam zu machen, die sich vom Ziegelsee und zwar ungefähr von der jetzigen Knaudtstraße zwischen der Schelf= und Bergstraße bis zum Schelfmarkt erstreckt, vor diesem aber noch sich theilt und rechts durch die Apothekerstraße nach dem Pfaffenteich, links durch die Gärten zwischen dem Schelfmarkt und der Bergstraße über den Ziegenmarkt zum großen See sich hinzieht.

Zu diesen durch die Natur gegebenen Scheiden kommt schließlich eine, die zugleich mit einer politischen zusammenfällt. Die Stadt Schwerin hatte in ihrer ältesten Zeit nicht die räumliche Ausdehnung wie jetzt, ihr Thor nach dem Werder zu stand vor der breiten Strecke der Königsstraße zwischen der Scharfrichter= und Friedrichsstraße vor einer Einsattelung des Bodens, von der noch jetzt die Königsstraße nach der Schelfkirche und nach dem Dome zu in die Höhe steigt.

Hiernach kann man sagen, daß das damalige Schwerin, von der Vorstadt und der Paulsstadt abgesehen, auf drei Inseln erbaut ist, wobei man dies Wort in etwas weiterer Bedeutung nehmen muß, nämlich die Insel, auf der das Schloß, die, auf der der Dom mit der Altstadt, und die, auf der die Schelfkirche mit der Neustadt sich befindet. An diese schließt sich der Raum bis zum Heidensee und folgt dann das Land, das jetzt "Werder" genannt wird.

Ueber die Lage der Insel Lieps ist nichts zu sagen, sie, wie ihr Name sind unverändert geblieben.

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Was war nun die "insula Zverin adiacens usque ad riuulum" ? Es können nur zwei Flächen in Betracht kommen, entweder ist es das Schelffeld bis zum Heidensee oder der jetzige Werder.

Die erste Alternative hat entschieden viel für sich, es paßt der Ausdruck "insula Zverin adiacens" auf sie ihrer Lage nach viel besser als auf den Werder, trotzdem aber ist die zweite Alternative vorzuziehen, denn einmal kann man den Ausdruck "adiacens" ohne Zwang auch auf sie anwenden, dann trifft bei ihr die Bezeichnung und Begrenzung "insula usque ad riuulum" in höherem Maße, als bei der anderen Fläche zu, die keine richtige Insel ist, während der Werder (Werder heißt Insel), der durch den Großen und Ziegel=See und durch den Heiden=See mit seinen Wasserläufen nach den beiden erstgenannten Gewässern hin rings vom Wasser umgeben ist, eine richtige Insel bildet. Schließlich läßt sich aus dem Umstand, daß Graf Gunzelin dem Capitel 1238 vierzehn Höfe auf der Schelfe überläßt 1 ) folgern, daß diese dem Capitel noch nicht gehört hat, das hätte aber der Fall sein müssen, wenn diese Räumlichkeit die gesuchte wäre, da Herzog Heinrich das Bisthum ohne jede Einschränkung mit dem Eigenthum der Insel bewidmet hatte, mithin muß als die insula Zverin adiacens Herzogs Heinrich nicht die Schelfe, sondern der Werder angesehen werden.

Unter dem riuulus kann nur die Verbindung des Heidenseees mit dem Ziegelsee und großen See verstanden sein, welcher Auffassung allerdings der Umstand entgegensieht, daß man für gewöhnlich als riuulus ein fließendes Wasser bezeichnet, von einem solchen hier aber, von einigen Strömungen abgesehen, deshalb die Rede nicht sein kann, weil der Ziegel=, Heiden= und große See in einem Niveau liegen. Ist dieses Bedenken auch gewiß geeignet, Zweifeln an der Richtigkeit der aufgestellten Behauptung Raum zu geben, so ist doch andererseits der Umstand von entscheidender Bedeutung, daß von Schwerin ab bis zum Werder und auf diesem selbst - und auf diesem Terrain muß sich doch der riuulus befunden haben - kein weiterer Wasserlauf angetroffen wird.

Zu diesen Besitzungen des Bisthumes, dem Werder - auf dem der Bischof einen Hof befaß 2 ) - und der Insel Lieps traten dann im Laufe der Jahre, wie wir sahen, und wie der Text C der Bewidmungsurkunde von 1171 ergiebt,


1) No. 486 M. U.=B. I.
2) No. 6909 M. U.=B. X.
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die Stadt Schwerin von dem Hause des Fischers Suk bis zu der kleinen Schelfe, deren eine Hälfte für das Capitel bestimmt war, und die große Schelfe, wie auch die Mühle hinzu. Es wird sich empfehlen, vorerst von der Stadt Schwerin und der Mühle abzusehen.

Im Text C tritt eine Unterscheidung auf, die zuerst hier beobachtet wird, die Eintheilung der Schelfe in die kleine und in die große Schelfe.

Was man darunter verstand, ist uns nicht urkundlich hinterlassen, da aber das aus dem ganzen Zusammenhang sich ergiebt, daß die beiden Flächen den Raum von dem nördlichen Thore der Stadt Schwerin bis zu dem eben besprochenen Werder einnehmen, und daß man von Schwerin aus gerechnet erst an die kleine, dann an die große Schelfe kam, so wird man gemäß der vorhin besprochenen Terrainverhältnisse wohl nicht fehl greifen, wenn man die sumpfige Niederung, die von dem Ziegelsee sich südwärts erstreckt und mit einem Arme in den großen See, mit dem andern in den Pfaffenteich mündet, für die Grenzlinie erklärt und danach als die kleine Schelfe den Höhenrücken, den die Schelfkirche krönt, bezeichnet, als die große Schelfe dagegen den daran grenzenden Stadtheil mit dem Schelffelde, welcher Bezeichnung das räumliche Verhältniß beider Flächen völlig entspricht.

Von der Stadt Schwerin selber besaß das Bisthum einen Theil, partem ciuitatis Zuerinensis a domo piscatoris Suk (super australe stagnum posita(m) nach Text C.) ad uetus cimiterium directe tendentem et idem transeuntem usque in Scalam, d. h. den Theil, der sich von dem Hause des Fischers Suk nach dem alten Kirchhof erstreckte, diesen überschritt und bis zur Schelfe hinzog.

Zur Bestimmung dieser Oertlichkeit kommt es darauf an, zwei punkte festzustellen, das Haus des Fischers Suk und den alten Kirchhof.

Der erste Punkt läßt sich mit Sicherheit nachweisen. Aus der Urkunde vom 6. December 1284 1 ) erhellt, daß das Heilige Geist=Hospital dort errichtet war, wo früher das Haus des Fischers Suk stand,

- a domo sancti spiritus, ubi olim fuerit domus cuiusdam piscatoris nomme Suk -.

dieses Heilige Geist=Hospital war nach dem Visitationsprotocolle, das gleich nach dem großen Brande im Jahre 1651


1) No. 1766 M. U.=B. III.
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ausgenommen ward, "in der Stadt an der faulen Gruben (jetzt Wladimir=Straße) bei einem, vndt der Stadt Mawern am andern Ende - gelegen" und hat noch bis in unser Jahrhundert hinein 1 ) zum Armenhause gedient, es steht jetzt an der nordöstlichen Ecke des Durchschnittes der Wladimir= und der Engen Straße. Früher lag die faule Grube östlich von diesem Haufe und wurde erst nach dem Brande von 1651 westlicher gelegt.

Der andere Punkt, vetus cimiterium, ist nicht mehr sicher zu ermitteln. Zunächst ist wohl darin Wigger 2 ) zuzustimmen, daß dieser alte Kirchhof der frühere heidnische gewesen sein wird, denn unmöglich kann bei der damals noch geringen Einwohnerzahl schon im Jahre 1186 von 1161 ab ein christlicher Kirchhof gefüllt gewesen sein. Dieser wird, wie überall sonst, so auch hier um den Dom herum gelegen haben; dort kann also der alte heidnische nicht gewesen sein, er muß, da nördlich und westlich vom Dom innerhalb des Gebietes der Stadt Schwerin das Terrain sumpfig und für einen Kirchhof nicht geeignet war, südlich oder östlich von diesem Bauwerk sich befunden haben. Der Marktplatz nun hat von frühester Zeit an schon auf seiner jetzigen Stelle gelegen und ist nicht anzunehmen, daß derselbe auf einem den damaligen Bewohnern noch bekannten Beerdigungsplatz, auch wenn es ein heidnischer war, angelegt ist, mithin bleibt nur übrig, den Kirchhof östlich vom Dom zu suchen. Geeignetes Terrain ist hier nicht viel, mit der Grünen Straße oder vielmehr schon zwischen dem Raum, den das jetzige Hotel de Paris einnimmt, und der Grünen Straße beginnt der Sumpf. Der alte Kirchhof kann als nur auf dem Raum zwischen der Scharfrichterstraße, der Grünen Straße, dem Marktplatz und dem Dom gelegen haben, bei welcher Folgerung der Umstand von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, daß nach den angeführten Worten der Urkunden, der alte Kirchhof in unmittelbarer Nähe der Schelfe sich befunden hat.

Die Linie also von der Ecke der Wladimir= und Engen Straße südöstlich am Dom vorüber nach dem Hotel de Paris zu war die Grenzlinie zwischen dem Gebiet des Bischofes und dem des Grafen. Ist nun auch nicht ausdrücklich gesagt, welcher Theil der Stadt dem Bisthum gehören soll,


1) Wigger, Jahrbücher XXVIII, S. 201.
2) Jahrbücher XXVIII, 107. Note 3.
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vom Hause des Fischers Suk aus gesehen der links oder rechts dieser Linie befindliche, so ist doch selbstredend, daß der links, nach Westen und Norden zu gelegene, gemeint ist, der den Dom einschloß.

Es konnte nicht fehlen, daß beim Vorhandensein der vorhin besprochenen Anzahl von Urkunden über die Bewidmung des Bisthumes Schwerin, von denen nicht eine mit der anderen genau übereinstimmt, große Streitigkeiten mit den Nachbaren, insbesondere mit dem Grafen, entstanden.

Urkundlich verbürgt finden wir dieselben zuerst am 26. Mai 1238 1 ). Es war ein Streit über die Stellung des Bischofes und seines Sprengels zu dem Landesherrn entstanden, und kam in dieser schon mehrfach angezogenen Urkunde ein Vergleich zu Stande, der der Geistlichkeit eine dem Landesherrn gegenüber fast unabhängige Stellung einräumte. Unter Vermittelung des Erzbischof es von Bremen verglich sich nämlich der erwählte Bischof Friedrich mit dem Grafen Gunzelin von Schwerin dahin, daß der Graf keine anderen Dienste von den Gütern des Bisthumes zu fordern haben solle als die ihm in der Bewidmungsurkunde vorbehalten seien, d. h. gar keine, da in der Bewidmungsurkunde keine derartige Vorbehalte enthalten sind, ferner daß die Geistlichkeit lediglich vor ihrem Richter, nicht vor dem Grafen oder dessen Amtmann Recht nehmen solle, endlich daß den Grafen die Bischofswahl nichts anginge. Das heißt mit anderen Worten, der Graf erkennt an, daß er auf geistlichem Gebiet nichts zu sagen hat.

War die Stellung des Bischofes dem Grafen gegenüber nun auch eine sehr unabhängige, so blieb dieser doch immer noch der Landesherr auch für den in seiner Grafschaft gelegenen Theil des Bisthumes, er muß diese Stellung den Bischof gegenüber zur Geltung zu bringen versucht haben, da neue Streitigkeiten an Stelle der ersten traten. Der Graf mußte danach streben, die schon so sehr gelockerte Herrschaft über das Bisthum nicht ganz zu verlieren, der Bischof, auch diesen letzten Rest abzuschütteln. Es kam hier wie überall in damaliger Zeit, der Bischof siegte, der Graf unterlag und schloß den Vergleich vom 6. December 1284 2 ), der für die Stadt Schwerin, besonders für die Schelfstadt von weittragendster Bedeutung war und bis in unser Jahrhundert hinein blieb.


1) No. 486 M. U.=B. I.
2) No. 1766 M. U.=B. III.
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Abgesehen von anderen nur die Stadt Schwerin interessirenden Abmachungen, die weiter unten erörtert werden, tritt in Betreff des Bischofes und seines Gebietes, sowie seiner bisherigen Stellung zum Landesherrn ein Punkt des Vergleiches hervor:

Et erunt termini episcopales -- cum pleno iure, cum iuditio sanguinis et mutilatione membrorum, que wlgariter nuncupantur iuditium colli et manus, ita quod tam Scala quam etiam ville predicte cum suis terminis et omnia supradicta ad episcopum Cwerinensem pertineant cum omni honore et districtu, quibus terra Butsowensis ad ipsum dinoscitur pertinere nec inhabitatores locorum et terminorum predictorum alicui ad exactiones aliquas uel ad onera seu labores, qui lantwere uel borchwere wlgariter vocantur, teneri debeant nisi soli episcopo Cwerinensi.

Durch diese Bestimmung sind Land und Leute des Bischofes von dem bisherigen Unterthanenverhältniß, so schwach es nur noch bestanden hatte, vollständig getrennt, und die Bischöfe für ihre Lande als Landesherren und Gleichberechtigte anerkannt, was auch dadurch bestätigt wird, daß der Graf Helmold in dieser Urkunde einen Theil der Stadt Schwerin vom Bischofe zu Lehen nimmt.

Es kann dieser Vergleich als das Resultat der Bestrebungen betrachtet und angesehen werden, die den gesammten Klerus der damaligen Zeit beseelten, der sich ebenso von der Hoheit der Landesherrschaften zu emancipiren strebte, wie diese von der Oberhoheit des Kaisers.

Was die damalige Stadt Schwerin angeht, so finden sich in dem Vergleiche zwei Bestimmungen, die den Antheil des Bischofes an der Stadt neu regeln. Die eine bestimmt, daß ab introitu ciuitatis a porta fabrorum in latere sinistro vsque ad fossam iuxta domum Johannis de Colonia omnes aree ad curias canonicorum libere ac expedite pertinebunt. Das Schmiedethor, die porta fabrorum, stand nun in der Schmiedestraße, dort, wo dieselbe in die Kaiser Wilhelmsstraße mündet, der Graben neben dem Hofe Johanns von Cöln ist die Grube, die jetzige Wladimir=Straße, mithin sollen zu den Domherrenhöfen alle Plätze gehören, die von einer am westlichen Ende der Schmiedestraße, dem Schmiedethor, beginnenden und bis zu der Grube, der ersten Querstraße, sich erstreckenden Linie linker Hand, vom Schmiedethor aus gerechnet, sich befanden.

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Weiter heißt es dann in dem Vergleich:

Item a domo Ade canonici, que prius decani fuerat, per oppositam plateam retro domum Johannis Frisonis per directum tendens ad curiam Radolfi vicarii dicti Galeri et eandem includens totum spatium, quod est inter eandem plateam et septa ciuitatatis, - ad ecclesiam pertinebit.

Die Deutung dieser Bestimmung ist leider unmöglich geblieben, da es unbekannt ist, wo die Höfe des Domherrn Adam und des Vicares Rudolph Galerus gelegen haben. Nur dafür scheint viel zu sprechen, daß dieser Gebietstheil der Kirche in der Nähe des eben besprochenen sich befunden hat, weil die Urkunde nicht einmal andeutet, daß jetzt von einer an einem ganz anderen Theil der Stadt befindlichen Oertlichkeit gesprochen wird. Hierzu kommt noch ein anderer Grund: Es ist von einem Raume die Rede, der zwischen einer Straße und der septa ciuitatis sich befunden hat. Eine solche Verpallisadirung hat sich sicher vom Schmiedethore bis zum Schelfthore hingezogen, wahrscheinlich aber vom Mühlenthor, dem westlichen Ende der Schloßstraße, bis in das Moor bei der Scharfrichterstraße, mithin kann der Raum, von dem die Urkunde spricht, auch nur an dieser Linie (Kaiser Wilhelms=, Friedrichs=, Scharfrichter=Straße) gelegen haben; die andere Bedingung, die opposita platea, und zwar opposita der Schmiedestraße, war auch bei dem an der Kaiser Wilhelmsstraße gelegenen Stadttheil vorhanden, nämlich die die Schmiedestraße kreuzende jetzige Wladimirstraße, und so würde sich als Resultat ergeben, falls diese Conjectur Zustimmung fände, daß in dem Vergleich von dem Raum gesprochen wird, der zwischen Wladimir=, Kaiser Wilhelms= und Schmiede=Straße gelegen ist. Es wird hierdurch die frühere auf den Fälschungen der Bewidmungsurkunde beruhende Grenzlinie, die von der Ecke der Wladimir= und der Engen Straße begann, ergänzt. Diese Grenzbestimmung kehrt übrigens, wenn auch in veränderter Gestalt, in diesem Vergleich wieder. Der Bischof giebt nämlich, wie vorhin schon erwähnt, dem Grafen Helmold einen Theil der Stadt Schwerin zu Lehen und zwar:

contulimus in feudum partem ciuitatis Cwerin, que distinguitur a domo sancti spiritus, ubi olim fuerat domus cuiusdam piscatoris nomine Suk, ascendendo sursum per oppositam plateam, et procedendo per medium fori usque ad uetus cimiterium, includendo totum, quicquid est a latere sinistro.

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Dies ist in ihrer Hauptrichtung dieselbe Grenze wie die oben besprochene (vergl. S. 75 flgd.), nur die opposita platea ist neu. Ich verstehe darunter nicht die der Wladimirstraße jetzt parallel laufende Schusterstraße, sondern die von der Wladimirstraße ausgehende, sie durchschneidende Enge Straße, mit deren Aufsteigen nach der bedeutend höher gelegenen Schuster= und dann Königsstraße der Ausdruck "ascendendo" stimmt; von der Engen Straße läuft die Grenzlinie dann durch die Schusterstraße und quer über den Markt nach dem alten Kirchhof zu. Mit Allem, was links dieser Linie lag, vom Heiligen Geist=Hospital aus gesehen, belehnte der Bischof den Grafen Helmold von Schwerin, doch ist anzunehmen, daß der Graf nicht den ganzen der Geistlichkeit gehörenden Theil der Stadt zu Lehen erhielt, sondern nur den Terrainabschnitt, der zwischen dieser letzten Grenzlinie und der ersten im Vergleich aufgestellten sich befand.

Innerhalb der damaligen Stadt Schwerin stellt sich das Verhältniß zwischen Bischof und Grafen also folgendermaßen. Das geistliche Gebiet liegt links einer Linie, die von der Engen Straße, ungefähr wohl wo dieselbe in die Kaiser Wilhelmsstraße mündet, ausgeht, sich durch die engen Straßen in die Schusterstraße hinzieht, diese entlang nach dem Markt zu und über diesen hinüber nach dem alten Kirchhof läuft; der andere Theil der Stadt gehört dem Grafen, der vom Bischof aber noch den eben besprochenen Abschnitt des bischöflichen Gebietes zu Lehen hatte.

Interessant ist es, daß der Bischof im Jahre 1238 noch keine besondere Wohnung in Schwerin hatte, im Vertrag vom 26. Mai 1238 1 wird dieserhalb bestimmt, daß der erwählte Bischof Friedrich sich mit dem Grafen Gunzelin innerhalb eines Jahres zu vergleichen habe, "wo der Bischof seine Wohnung haben solle". Es ist ja nun mögliche daß dies geschehen, und daß schon damals der Domherrenhof, der dort lag, wo jetzt das Postgebäude sich befindet, (vgl. S. 43, Note 1), ein für alle Male zum Bischofssitz bestimmt wurde, indessen haben wir urkundliche Nachrichten hierüber nicht, wenn wir nicht die Urkunde vom 18. October 1331 2 ) als solche nehmen wollen, in der Bischof Ludolph eine kleine Präbende von Hebungen aus seinem Hofe stiftet, "darauff er gewohnet, eh er Bischof geworden". Möglicherweise bezieht sich auf ein Bischofshaus auch die Urkunde vom


1) No. 486 M. U.=B. I.
2) No. 5279 M. U.=B. VIII.
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8. September 1343 1 ), durch die Bischof Heinrich von Schwerin über die Einführung des Pfarrers in Dreveskirchen Bestimmungen trifft: "Datum et actum Zwerin in curia nostra".

Von größter Wichtigkeit ist, wie schon hervorgehoben, der Vergleich von 1284 für die Schelfe, Scala, Schelme, Schilmo.

In Bezug auf sie wird zunächst bestimmt, daß außerhalb des Schelfthores von dem Stadtgraben an die ganze Schelfe, eingeschlossen 9 Höfe, die Graf Helmold zurückkaufen mußte, vollständig und ohne irgend eine Einschränkung zur bischöflichen Tafel gehört. Ihre Bewohner sind von der Stadt Schwerin vollständig, auch in Beziehung der Hölzungen und Weiden, unabhängig, haben jedoch das Recht, da sie keinen Markt für sich allein halten, an dem der Stadt Schwerin Theil zu nehmen, ohne aber zu irgend welchen Lasten und Abgaben herangezogen werden zu dürfen, sonst können sie kaufen und verkaufen in ihren Häusern und vor ihren Thüren wie sie schon bisher dies Recht hatten. Ihren Weg nach dem festen Lande sollen sie immer durch die Stadt nehmen und nicht den neuen Weg durch das Wasser, - uiam nouam ad terras per aquam - den jetzigen Spielthordamm, dazu benutzen. Schließlich wird bestimmt, daß die Schelfleute ihren eigenen Gerichtsstand und zwar vor dem Bischof haben, wie alle die auf bischöflichem Gebiet wohnen; begehen sie außerhalb dieses Gebietes ein Delict und werden sofort ergriffen und eingekerkert, so urtheilt sie das Gericht ab, in dessen Jurisdictionsgebiet das Verbrechen begangen worden ist, sei es das der Stadt oder das des Grafen, anderenfalls aber nimmt der Delinquent vor dem Bischof Recht; umgekehrt hat dieser auch die Jurisdiction über Verbrecher, die auf seinem Gebiete delinquiren und sofort ergriffen und in Gewahrsam gebracht werden. Abgesehen von den Gegenleistungen des Bischofes, die hier nicht so sehr interessiren, - unter anderem zahlte er 1250 Mark und verpflichtete sich, auf der Schelfe wie auf dem Werder keine Befestigung irgend welcher Art anzulegen, - und weiter von Bestimmungen wegen der Bischofsmühle, die später zur Sprache kommen, enthält diese Urkunde den culturhistorischen Nachweis, daß zu dieser Zeit ein Weinberg, vinea, bei Schwerin existirte; er soll sich auf dem jetzigen Stephansberge an dessen südlicher Abdachung befunden haben.


1) No. 6336 M. U.=B. IX.
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Spätere Erwerbungen des Bisthumes auf der Schelfe finden sich ungemein, selten, ein Beweis, daß dieser Vergleich in volle Kraft getreten ist.

Eine Nicolai= Kirche, die nicht mit der jetzigen identisch ist, stand schon sicher 1217 auf der Schelfe. Ueber ihre Gründung und Dotirung sind uns Nachrichten nicht erhalten, das einzige, was wir haben, sind die unter No. 346 und 486 M. U.=B. I. zusammengestellten spärlichen Bemerkungen, nach denen Graf Heinrich von Schwerin der Nicolai= Kirche ein Bild vom Haupte Johannes des Täufers schenkte. Von diesem Grafen Heinrich nimmt man an, daß er die Kirche zum Dank für den Sieg bei Bornhöved am 22. Juli 1227 gegründet habe, indessen ist dieser Sage nicht beizupflichten, vielmehr auf die Urkunde vom 2. Juli 1217 1 ) hinzuweisen. Unter den dort aufgeführten Zeugen geistlichen Standes, die sämmtlich als Schweriner Domherren bezeichnet werden, kommt auch ein Arnoldus sacerdos sancti Nicolai vor, woraus sich ergiebt, daß schon 1217, also 10 Jahre vor der Schlacht bei Bornhöved, hier eine Nicolai=Kirche existirt hat, mithin die Erzählung von der Entstehung der Kirche jedes geschichtlichen Hintergrundes entbehrt. Beyer, Jahrbücher XXXII, S. 84, sagt, daß auf der Stelle der protestantischen (Nicolai=Kirche) die schon vor 1211 erbaute Kapelle dieses Heiligen gestanden habe, und es ist immerhin möglich, falls hier nicht ein Druckfehler vorliegt, daß dies der Fall gewesen, ein urkundlicher Nachweis läßt sich für diese Behauptung indessen nicht erbringen.

Auf der Schelfe wohnte hauptsächlich die Domgeistlichkeit 2 ), die sonst auch auf der Strecke vom Schmiedethor bis zum Schelfthor ihre Wohnungen hatte 3 ), jedoch auch Ritter und andere, denen die enge, alte Stadt und deren zünftiges Wesen nicht zusagen mochte, hatten dort ihren Wohnsitz aufgeschlagen, wo es, vielleicht abgesehen von der Verlängerung der Königsstraße über das Schelfthor hinaus bis zur Schelfkirche und der Fischer= und Münz=Straße, wo die Wenden gewohnt haben Sollen, feste, regelmäßige Straßenzüge nicht gegeben haben wird.

Was den dem Bisthum von Herzog Heinrich verliehenen Schiffszoll in Schwerin anbetrifft, so ist uns von ihm, abgesehen davon, daß statt desselben in der Bestätigung des


1) No. 235 M. U.=B. I.
2) No. 486 M. U.=B. I.
3) No. 3582 M. U.=B. VI.
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Papstes Cölestin III. von 1191 ein nauale theloneum in Plote aufgeführt wird, der dann in der Bestätigung Kaisers Otto IV. dem nauale telonium in Zwerin Platz macht, und von da an nicht wieder erwähnt wird, nichts bekannt. Der große See hat niemals dem Bisthum gehört, das so wenig wie die Stadt Rechte an denselben hatte.

Auch die Pfarre von Schwerin verlieh Herzog Heinrich dem neu bewidmeten Bisthum. Ebenso wie der Schiffszoll wird sie in mehreren der späteren Bestätigungsurkunden noch aufgeführt, dann aber nicht wieder erwähnt, und wissen wir nicht, welche Bewandniß es mit derselben hatte. Das kann man wohl als sicher annehmen, daß dies die Pfarre ist, welcher bis zu der Verlegung des Bisthumes nach hier die Seelsorge in Schwerin obgelegen hat, und daß Herzog Heinrich mit der Pfarre das Patronat derselben übertragen haben wollte, welche nach der Verlegung des Bisthumes in der Art besetzt sein mag, daß einer der Domherren oder Vicare ein für alle Male mit der Besorgung der einschlagenden Obliegenheiten betraut wurde. Hierfür haben wir allerdings keine Nachrichten, nur beweist ein im Anfang des 14. Jahrhunderts geschnittenes Siegel 1 ) eines Pfarrers zu Schwerin, daß zu der Zeit die Pfarre noch als Pfarre existirte.

Vor der Grundsteinlegung des Domes und bis zu seiner Weihe im Jahre 1248 wird der Gottesdienst in einer Capelle stattgefunden haben, die südöstlich vom Dom nach dem Markt zu errichtet war und erst 1693 abgebrochen und als Baumaterial benutzt wurde. 2 ) Ob dies die Capelle ist, in der Graf Heinrich von Schwerin die Urkunde vom 23. Juni 1227 3 ) ausstellte,

- Acta sunt hec - in capella Zwerin -

oder ob diese schon früher untergegangen ist, und von ihr die alten Säulencapitäler und Fundamente stammen, die öfter in der Nähe des Domes gefunden sind, und ob die Heilige Blutscapelle unter dieser capella zu verstehen ist, wird wohl eine offene Frage bleiben.


Straßen, Thore. Befestigung.

Um beurtheilen zu können, welche Ausdehnung die Stadt Schwerin in der ältesten Zeit hatte resp. haben konnte, ist


1) No. 71 M. U.=B. I. S. 67.
2) Lisch, Jahrbücher XIII, S. 148, Note 1.
3) No. 340 M. U.=B. I.
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kurz daran zu erinnern, daß die Stadt östlich und südlich vom großen See resp. Burgsee begrenzt war, ferner floß westlich der Fließgraben vom Pfaffenteich in den Burgsee und nördlich ein anderer Graben, der Stadtgraben, ebenfalls aus dem Pfaffenteich in den großen See. Der erste Wasserlauf ist jetzt noch unter der Kaiser Wilhelmsstraße vorhanden, der letztere ist vor nicht sehr langer Zeit verschüttet resp. überwölbt, er lief nicht ganz parallel mit der Friedrichsstraße und schnitt die Schul= und Königs=Straße, letztere zwischen der Scharfrichter= und Fischer=Straße. Ueber diese beiden Gräben hinaus dehnte sich die Stadt Schwerin nicht aus, denn jenseits des Stadtgrabens begann die bischöfliche Schelfe und jenseits des Fließgrabens waren Gärten. Das erste ist oben auseinandergesetzt, das zweite folgt aus der Urkunde vom 24. November 1338 1 ), in welcher der Ratsherr Radolph Kardorf dem Domcapitel hieselbst seinen Garten verkauft, rechts des Weges, wenn man vom Schmiedethor nach dem "Weddelop" geht, zwischen anderen Gärten gelegen. Bestätigt wird dies durch eine Abbildung Caspar Merians von Schwerin vom Jahre 1640 in Zeiller's Topographie von Niedersachsen, reproducirt in Westphalen monumenta Tom. III., au welcher die Stadt ebenfalls mit dem Schmiedethor und Mühlenthor und dem Fließgraben abschließt, jenseits des letzteren befinden sich nur einige wenige Gebäude, anscheinend Scheunen, sonst freies Feld.

Mithin konnte das damalige Schwerin sich nur über den Raum erstrecken, der von der jetzigen Friedrichsstraße und Scharfrichterstraße bis zum Burgsee sich ausdehnte und rechts vom Fließgraben, links vom großen See begrenzt wurde.

In den frühesten Zeiten nahm aber die Stadt auch diesen Raum noch nicht einmal ein, denn es ist schon am 9. Juni 1266 von einer Neustadt die Rede; Graf Gunzelin und sein Sohn Helmold versprechen hier dem Grafen Adolph von Danneberg, der mit ihnen einen Heiraths= und Freundschaftsvertrag abschloß, als Leibgedinge unter anderen unam curiam Zwerin apud fratres aut in nova ciuitate 2 ), also einen Hof in der Stadt Schwerin und zwar entweder beim Kloster oder auf der Neustadt. Weiter wird in der Urkunde vom 2. April 1326 3 ) dem Kloster Reinfeld von der Stadt Schwerin verkauft


1) No. 5905 M. U.=B. IX.
2) No. 1089 M. U.=B. II.
3) No. 4712 M. U.=B. VII.
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dat rum vppe der nigenstat, also iit begrepen is mit schunen vnde mit spikere vnde mit alleme rume, also it broder Ghert begrepen heft,

es waren diese Speicher und Scheunen aber, wie sicher überliefert ist - vgl. Anmerkung zu No. 4712 -, auf dem Glaisin gelegen, dem Platz, den jetzt die Glaisinstraßen einnehmen. Endlich ist unterm 20. December 1330 von dem verstorbenen Domherrn Marquard Kale die Rede, der zu Testamentsexecutoren den Domherrn Johann von Schwan zu Schwerin und seine Schwester Alheidis, Gemahlin eines Henrici in noua ciuitate, einsetzt, die aus dem Nachlaßvermögen eine Vicarei gründen, welche zunächst Marquardus filius Vlrici consulis in Suerin in noua ciuitate erhalten soll. 1 )

Hiernach ist die Existenz einer Neustadt Schwerin innerhalb der angegebenen Grenzen unzweifelhaft, dieselbe hat auf dem Großen und Kleinen Moor und den Glaisinstraßen gelegen, und ergiebt sich also, daß ursprünglich die alte Stadt Schwerin innerhalb eines Raumes lag, der ungefähr durch den Burgsee, Fließgraben, Friedrichs=, Scharfrichter=, Grüne=, Bader=, Ritter=Straße und durch eine von da wieder zum Burgsee führende Linie begrenzt war.

Diesen Raum bedecken jetzt folgende Straßen:

1) Die Friedrichsstraße.

Dieselbe existirte in dem hier zu besprechenden Zeitraum noch nicht, ist im Gegentheil ganz jungen Ursprunges und datirt aus dem Ende des vorigen, Anfang dieses Jahrhunderts. Sie führt über die früheren Domherrenhöfe.

2) Die Scharfrichterstraße.

Auch diese gab es in der damaligen Zeit noch nicht, vielmehr wird der schon erwähnte Abflußgraben vom Pfaffenteich wenigstens theilweise diese Straße entlang seinen Lauf genommen haben, da sie das beste Gefäll nach dem großen See zu bietet, und die Stadtmauer, soweit eine solche existirte, die jetzige Südseite der Straße bildete, wie die noch vorhandenen Mauerreste an dem Hotel de Paris beweisen, die aus dieser Zeit allerdings wohl nicht mehr stammen. Stadtmauer und Stadtgraben lagen stets dicht bei einander.

3) Die Königsstraße und der Marktplatz.

Die Königs= oder früher Filter=Straße mußte der Lage der Sache nach schon in der allerältesten Zeit existiren, sowohl


1) No. 5191 M. U.=B. B. VIII.
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der Theil von der Schloßstraße zum Markt, wie der vom Markt bis zum Schelfthor. Denn was die letztere Strecke betrifft, so bot er den Schelfbewohnern die einzige ihnen im Vergleich vom 6. December 1284 1 ) garantirte Möglichkeit freien Einganges und Ausganges in und durch die Stadt, da das Schelfthor, in der Königsstraße gelegen, das einzige Thor nach dieser Seite und die Königsstraße der einzige Weg nach dem Schelfthor und der Schelfe war. Ist somit ein Zweifel an der Existenz dieser Straße auch in den ältesten Zeiten schon durch die Lage der Verhältnisse ausgeschlossen, so haben wir doch im vorliegenden Fall eine beruhigende Gewißheit durch urkundliche Bestätigung. In der Schenkungsacte des alten bischöflichen Obstgartens Seitens des Bischofes Hermann an das Domcapitel vom 2. September 1267 2 ) heißt es:

- episcopale pomerium - cuius longitudo protenditur de platea, qua itur versus Schilmonem. -

Daß dieser Ausdruck lediglich auf die Königsstraße, wenn auch möglicherweise nur auf den damaligen nördlichsten Theil vom Markt bis zum Schelfthor paßt, bedarf keiner weiteren Begründung. Die angeschlossene Zeichnung, Tafel B, läßt die Situation klar erkennen. 3 )

Der Marktplatz wird öfter erwähnt, zuerst 1284 im Vergleich des Bischofes Hermann mit dem Grafen Helmold über die Stiftsgüter in der Grafschaft gelegentlich der oben 4 ) besprochenen Grenze zwischen weltlichem und geistlichem Gebiet in der Stadt Schwerin. Nach dem Plan zu Johann Wedel's Memorial, betreffend den Wiederaufbau der abgebrannten Stadt Schwerin von 1651 5 ), hatte er bei Weitem nicht den jetzigen Umfang; die Schusterstraße hatte eine andere Richtung und mündete ungefähr in der Mitte der jetzt zwischen der Ecke des Marktes und der Königsstraße und der anderen Ecke des Marktes und der Schusterstraße gelegenen Häuserreihe, und die Schmiedestraße erstreckte sich bis zur Mitte des jetzigen Platzes.


1) No. 1766 M. U =B. III.
2) No. 1131 M. U.=B. II.
3) Diese Zeichnung ist in der Art entworfen, daß die jetzt vorhandenen Straßenzüge auch als die alten angenommen, dabei aber die Veränderungen, die geschichtlich bekannt geworden sind, beachtet wurden. Im Übrigen ist die Zeichnung, so gut es gehen wollte, nach der Merianschen Abbildung in Westphalen monumenta III. angefertigt und hat nur den Zweck, zur Orientirung zu dienen.
4) Vgl. S. 79.
5) Vgl. Wigger, Jahrbücher XXVIII. 202, Note 1.
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Für die Existenz des südlichen Theiles der Königsstraße, vom Markt bis zur Schloßstraße, liegen urkundliche Nachrichten nicht vor, wenn man nicht die vorhin citirte Stelle "platea qua itur versus Schilmonem" auch auf diese Strecke der Straße beziehen will. Es ist indessen der Lage der Sache nach mehr als wahrscheinlich, daß der Marktplatz mit der Schloßstraße und damit mit der Burg in Verbindung gestanden hat.

4) Die Schloßstraße, früher Mühlenstraße.

Auch für deren Vorhandensein in dieser ersten Zeit liegen direct sprechende urkundliche Nachrichten nicht vor, ebenfalls bedingen hier aber die örtlichen Verhältnisse ihre Existenz mit Sicherheit, da diese Straße für die Bewohner der Burg den nächsten Weg durch die Stadt nach dem festen Lande bildete. Einen indirecten Beweis haben wir in dem Vergleich des Grafen Heinrich sowie des Rathes von Schwerin mit dem Kloster Reinfeld vom Jahre 1339 1 ), in welchem dem Kloster das Vorschütt

- vorescutte iuxta pontem in loco qui dicitur "tho des greuen molen" in fine fossati -

für immer überlassen wird. Es hat also über den Fließgraben bei der Grafenmühle, dort wo die Schloßstraße endigt, eine Brücke zum festen Lande geführt, und ist damit indirect die damalige Existenz der Schloßstraße nachgewiesen, da Brücken bekanntlich nur da errichtet werden, wo Straßen sind. Ein weiterer Beweis für das Dasein der Schloßstraße in dieser Periode liegt darin, daß vor der Brücke ein Thor, das alte Mühlenthor, stand, das den Zugang zu der Stadt zu decken hatte.

Die Schloßstraße erstreckte sich auch in früherer Zeit vom Fließgraben an nur bis zum Alten Garten; dieser gehörte nicht mehr zur Stadt, sondern zur Burg. Nachweisbar ist dies zwar in dieser Periode nicht, indessen wird es zu der Zeit nicht anders gewesen sein als später.

5) Die Klosterstraße.

Die Klosterstraße, früher "hinterm Klosterhof", hat als Straßenzug in der ältesten Zeit wohl noch nicht existirt, doch wird der Raum in der Nähe des Franciskaner=Klosters, das dort, wo jetzt das Regierungsgebäude sich befindet, lag, schon damals bebaut und bewohnt gewesen sein, da in dem Freund=


1) No. 5950 U.=B. IX.
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schafts= und Heirathsvertrag des Grafen Adolph von Danneberg und Gunzelin und Helmold von Schwerin vom Jahre l266 1 ) der Gräfin als Leibgedinge unter anderem ein Hof in Schwerin apud fratres = beim Kloster zugesichert wird.

6) Die Schmiedestraße.

Ihr Vorhandensein in dieser Zeit folgt schon aus der Existenz des Schmiedethores, porta fabrorum, das in dem oft citirten Vergleich des Bischofes Hermann und Grafen Helmold von 1284 2 ) aufgeführt ist, in welchem Vergleich auch von der Straße selber und zwar von der Strecke vom Thore bis zur Grube gesprochen wird, es heißt nämlich:

Ab introitu ciuitatis a porta fabrorum in latere sinistro vsque ad fossam iuxta domum Johannis de Colonia.

Keinem Zweifel unterliegt es, daß die Straße noch weiter bis zum Markt geführt hat.

7) Die Wladimirstraße, früher die Faule Grube.

Ihre Existenz ist urkundlich verbürgt und kann auf die vorhergegangene Erörterung 3 ) hier verwiesen werden. An ihr lag, dort, wo die Enge Straße sie durchschneidet, das Heilige=Geist=Hospital, bei welchem sich die in dem Vertrag zwischen der Stadt und dem Kloster Reinfeld vom 22. August 1331, sowie im Vergleich des Grafen Heinrich und des Magistrates von Schwerin mit demselben Kloster vom 7. Mai 1339 4 ) besprochene neue Schleuse befand:

- nouum gurgustium iuxta pontem Sancti Spiritus intra ciuitatem nostram constitutum. -

Die Grube hatte ihren Namen davon, daß sie das zu den mancherlei Gewerben nothwendige Wasser in die Stadt führte. Ihre äußere Gestalt mag so gewesen sein, wie sie jetzt noch Rostock und andere alte Städte in der Grube und dem Gerberbruch zeigen: in der Mitte das Wasser, an beiden Seiten die Straße und dann die Häuser. Eine Einrichtung, daß das alte durch mannigfachen Gebrauch und die Abflüsse aus den Häusern unbrauchbar und gesundheitsgefährlich gewordene Wasser ab= und frisches zufließen konnte, bestand in der ältesten Zeit nicht, denn die hierzu dienende Schleuse


1) No. 1089 M. U.=B. II.
2) No. 1766 M. U.=B. III.
3) S. 75.
4) No. 5264 M. U.=B. VIII, und No. 5956 M. U.=B. IX.
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wird in dem Vergleich von 1331 noch nouum gurgustium genannt, muß also erst kurz vor jener Zeit errichtet sein. Ueber diese für die Stadt in hohem Maße wichtigen Verhältnisse heißt es in dem Vergleich von 1339, daß das Kloster Reinfeld auf Requisition des Rathes im Bedürfnißfall, das stinkende, schmutzige Wasser ab= und frisches einlassen soll, wogegen ihm die Schleuse, vorescutte, bei der Brücke "tho des greuen molen" überlassen wird, jedoch mit der Beschränkung, daß das Kloster diese Schleuse nur zur Reinigung des Grabens schließen darf.

Vergegenwärtigt man sich nun den Umstand, daß zur Regulirung der Wasserläufe zwei Schleusen dienten, die eine, das Vorschütt, unten im Fließgraben bei der Mühle, die andere in der Grube oben bei der Heil. Geist=Brücke, ferner daß zur Reinigung der Grube reines Wasser durch die letzte einströmen, dagegen die erstere geschlossen werden sollte, so ergiebt sich, daß der Fließgraben mit der Grube durch einen Canal in Verbindung gestanden haben muß, der ziemlich kurz vor, wenn nicht an Stelle der jetzt die Kaiser Wilhelms= und Wladimir=Straße verbindenden Engen Straße gelegen haben wird, da die Schleuse, die dazu dienen sollte, das frische Wasser in die Grube einzulassen, sich an der beim Heiligen Geist=Hospital befindlichen Brücke befand; daraus aber, daß bei der Reinigung der Grube das Vorschütt geschlossen wurde, folgt, daß die Grube nicht noch vor diesem Vorschütt in den Fließgraben wieder eingemündet haben kann, da Fließgraben und Grube dann gleiches Niveau gehabt haben würden und der zur Reinigung erforderliche Strom nicht zu beschaffen gewesen wäre; es muß die Grube entweder hinter dem Vorschütt noch in den Fließgraben oder aber, und das halte ich für das Wahrscheinlichere, in den Burgsee gemündet und so tief gelegen haben resp. ausgegraben gewesen sein, daß das Wasser, das sie für gewöhnlich enthielt, in einem Niveau mit dem Burgsee oder dem Theil des Fließgrabens, der unterhalb der Grafenmühle lag, sich befand. Erwähnung verdient es, daß im Herbst des vorigen Jahres Brunnenmacher beim Bohren der sog. Röhren=Brunnen auf mehreren Höfen der an der Schusterstraße gelegenen Grundstücke in der Tiefe von 18 Fuß auf dicke eichene Balken und auf Steinpflaster stießen, das der alten Grube angehört haben wird, da diese früher näher nach der Schusterstraße hin lag, wie schon oben 1 ) bemerkt ist.


1) S. 70.
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8) Die Schusterstraße.

Die Schusterstraße ist ebenso wie

9) die Enge Straße,

zwischen Grube und Schusterstraße urkundlich nachgewiesen, 1 )

Die Existenz der

10) Engen Straße

von der Schuster= bis zur Königsstraße, ferner

11) der Salzstraße,
12) der Baderstraße,
13) der Ritterstraße,
14) der Schlachterstraße,
15) des großen Moores von der Königsstraße bis zur Grünen Straße, sowie
16) der Gassen beim Rathhause

ist in dieser Periode der Geschichte Schwerins nicht urkundlich verbürgt, doch in hohem Grade wahrscheinlich.

Das war die alte Stadt Schwerin! Hinzu kam noch die Neustadt auf dem Glaisin und den Mooren, von der wir weiter nichts wissen, als daß sie schon in dieser Zeit existirt hat. Die jetzige Neustadt auf der Schelfe gehörte nicht zur Stadt Schwerin.

Die Zeitläufte des 13. und 14. Jahrhunderts waren danach angethan, auf Sicherung seiner selbst und seines Hauses möglichst Bedacht zu nehmen; Krieg und Fehden endigten nicht und das Rathsamste war, bis an die Zähne bewaffnet einherzugehen, wollte man unangefochten bleiben. Die Städte suchten denn auch ihre Lage möglichst fest und uneinnehmbar zu machen. Für Schwerin hatte in dieser Beziehung die Natur das Meiste gethan. Oestlich und südlich war es durch den Großen= resp. Burg=See, westlich durch ein weites sumpfiges Thal und den Fließgraben vor Angriffen geschützt und wohl sicherer als an den beiden Wasserseiten; der schwache Punkt, von dem aus denn auch am Abschluß dieser Periode eine Eroberung der Stadt, allerdings vergeblich, versucht wurde, war die nördliche Seite, wo Schwerin mit dem festen Lande zusammenhing und nicht durch natürliche Hindernisse geschützt war. Wenn irgendwo, so war es hier nöthig, daß die menschliche Tätigkeit der Natur zu Hülfe kam.


1) Vgl. S. 80.
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Von künstlichen Befestigungen in dieser Zeit wissen wir auf der Westseite und Nordseite. Hier waren zunächst die drei Eingänge durch Thore geschützt und zwar durch das Mühlenthor bei der Grafenmühle an dem Westlichen Ende der Schloßstraße, das Schmiedethor an der Einmündung der Schmiedestraße in die jetzige Kaiser Wilhelmsstraße und das Schelfthor, in der jetzigen Königsstraße zwischen der Friedrichs= und der Scharfrichterstraße gelegen. Von dem Mühlenthor und dem Schmiedethor führten Brücken über den Fließgraben, beim Schelfthor ebenso über den dort fließenden Stadtgraben. Die Meriansche Abbildung von Schwerin zeigt außerdem noch Vorwerke und Befestigungen, die jedoch aus dieser Zeit nicht stammen, vielmehr erst nach Entdeckung des Schießpulvers, frühestens im 16. Jahrhundert angelegt sein werden, da im 13. und 14. Jahrhundert noch das weite, eine Annäherung an die Stadt erschwerende sumpfige, tiefe Terrain jenseits des Fließgrabens, der breite fließende Graben und der dahinter liegende Wall mit seinem festen Thurm eine hinreichende Schutzwehr geboten haben. Das Schelfthor mit dem davor liegenden Graben ist durch den schon oft erwähnten Vergleich des Bischofes Hermann und Grafen Helmold über die Stiftsgüter zuerst verbürgt:

Item extra portam ciuitatis ibidem a fossato ciuitatis tota Scala - ad - ecclesiam pertinebit.

Später kommt dieser Graben noch öfter vor gelegentlich der Streitigkeiten des Klosters Reinfeld mit dem Schweriner Capitel wegen der bei dem Thore gelegenen Schleuse.

Die Befestigung bestand in der ersten Zeit nicht aus Mauern, denn Graf Heinrich von Schwerin schenkt in der Urkunde vom 24. August 1340 1 ) der Stadt die innerhalb ihrer Feldmark gelegene "Bollbrück", um die Stadt ,"mit Mawr und anderen bequemen Festungen zu befesten". Hiermit stimmt auch die Urkunde vom 2. September 1267 2 ), wo gesagt ist, daß der frühere bischöfliche Obstgarten sich in der Breite von den Planken (de planctis ciuitatis) bis zum Kirchhof erstrecke, auch 1313 3 ) ist noch von einem Plankenwerk die Rede, während der Vergleich von 1284 4 ) nur allgemein von der "septa ciuitatis" spricht; dagegen erwähnen die Ur=


1) No. 6065 M. U.=B. IX.
2) No. 1131 M. U.=B. II.
3) No. 3582 M. U.=B. VI.
4) No. 1760 M. U.=B. III.
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kunden vom 22. August 1331 und vom 7. Mai 1339 1 ) einer Stadtmauer, es heißt hier von der Grafenmühle: "molendinorum sitorum apud muros ciuitatis", nicht zu verwechseln mit der diese Mühle umgebenden und zu ihr gehörenden, am 3. Mai 1337 2 ) angeführten, zu der Mühle gehörenden Mauer, murus molendini.

Man wird annehmen können, daß die Befestigung der Stadt, für deren Erhaltung die Grafen Gunzelin und Heinrich 1307 dadurch sorgten, daß ein Drittel der wegen Vergehen wider die Geistlichkeit aufgekommenen Bruchgelder zu den Befestigungsarbeiten verwendet werden sollte 3 ), vor 1340 zum großen Theil aus Plankenwerk, an einzelnen, vielleicht besonders gefährdeten Stellen, jedoch aus Mauerwerk bestand. Dies letzte war der Fall bei der Grafenmühle und wohl deshalb, weil dieselbe zwar mit der Stadt auf derselben Seite des Fließgrabens, aber doch nicht innerhalb des städtischen Gebietes lag, von ihr also ein Handstreich immerhin leichter auszuführen war, als von der anderen Seite des Grabens. Auch die Thore und der daran stoßende Theil der Stadtumwallung werden Steinbauten gewesen sein; allerdings ist uns hierüber urkundlich nichts erhalten geblieben. Im Jahre 1344 4 ) ist aber schon die Rede von dem Graben, sito inter Scelmonem Zwerinensem et murum ciuitatis Zwerinensis, es war also hier an Stelle der Plankenbefestigung eine Mauer getreten.

In Betreff des Plankenwerkes ist uns eine Urkunde 5 ) aufbewahrt geblieben, die die einschlagenden Verhältnisse klar darlegt. Es handelt sich um die Errichtung eines Weges bei den Planken van dem Smededore wente tů dem Schiluendore. Auf dieser Strecke, die jetzt ungefähr von der Kaiser Wilhelms= und Friedrichs=Straße eingenommen wird, befanden sich Domherrenhöfe, die an dem sich um die Kirche erstreckenden Domkirchhof lagen und sich von da bis zu dem Plankenwerk erstreckten. Es ward nun zwischen der Stadt und der Geistlichkeit vereinbart, daß hinter den Planken, die so stehen bleiben sollten wie sie standen, ein breiter, mit einem vierrädrigen Wagen bequem zu passirender Weg und zwar in solcher Höhe von vorspringenden Stockwerken frei bleiben sollte, daß ein Reiter mit festgebundenem Helm ihn


1) No. 5204 und 5956 M. U.=B. VIII. resp. IX.
2) No. 5763 M. U.=B. IX.
3) No. 3193 M. U.=B. V.
4) No. 6432 M. U.=B. IX.
5) No. 3582 M. U.=B. VI.
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passiren konnte. Die Planken hatten hinter einer Brustwehr einen Laufgang, der nach dem eben erwähnten Weg und der Stadt zu mit Ricken versehen war, die das Hinunterfallen der Vertheidiger verhüten sollten. Dem Plankenwerk sowohl wie dem Laufgang als Stütze dienten Kreuzbäume, "crucebome", in Kreuzform gelegte Balken. Vermuthlich damit bei einem Angriff die Vertheidiger leicht auf den Laufgang kommen konnten, sollte auf jedem Domhof eine Leiter sich befinden. Dieser Weg bei den Planken war aber nur ein Weg zu Kriegs= und Vertheidigungszwecken, und blieb seine Benutzung in Friedenszeiten ausschließlich durch die betreffenden Domherren, auf dessen Gebiet er lag, ungeschmälert, da die Passage für gewöhnlich durch schloßfeste Thore gesperrt war, die je an der Grenze zwischen zwei Höfen so angebracht waren, daß sie, indem sie den Fahrweg abschlossen, die Grenze über den Weg bildeten; in unruhigen Zeiten wurden diese Thore geöffnet und damit der Weg, zur Benutzung für die Vertheidiger freigelassen, dagegen schloß man dann mit den Thoren den Ausgang aus der Curie auf den Weg, und bildete so hinter den Planken und dem dazu gehörigen Wege durch die geschlossene Reihe von Gebäuden eine zweite Vertheidigungslinie. Um möglichst schnell bei einem Ueberfall an die Befestigung kommen zu können, blieb queer über den Kirchhof ein Weg frei, der möglicherweise den ersten Anfang der Bischofsstraße bildet. Der Schlußpassus der Urkunde, der über die Weiterführung dieses Plankenwerkes spricht, ist nicht klar. Man sieht, daß die alte Befestigung Schwerins hinreichend war, die Stadt gegen einen Handstreich zu schützen, dagegen nicht wohl derart, daß sie eine längere, ernste Belagerung hätte aushalten können, weshalb denn auch das Plankenwerk dem Mauerwerk weichen mußte.


Die Verfassung.

In Betreff der Verfassung, die Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen der Stadt Schwerin bei ihrer Gründung gegeben hat und auch urkundlich hinterlassen haben wird, sind wir, da die Stiftungsurkunde selbst verloren gegangen ist, lediglich auf die gerade nicht zahlreichen Urkunden angewiesen, in denen Schweriner Magistratspersonen als Zeugen angeführt sind oder die die Stadt Schwerin ausgestellt hat.

Als Zeugen kommen vor:

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1178:

Bernardus dictus aduocatus in Zuerin, - de ciuibus: Walwanus, Reingerus, Willelmus, Weszelinus, Ruszelinus. 1 )

1227.

aduocatus Reinboldus (de Driberge oder de Gulitz?) 2 )

1244:

Luderus, Thitmarus frater suus et Ludolfus amborum frater, Hermannus de fossa, Alexander de foro, Conradus Roberti filius, ciues de Zwerin ac fideles. 3 )

1255:

Luderus, A. de foro, C. de Vigle et B. frater suus, C. dictus Vundengot, C. filius Retberti. 4 )

1271:

Jordanus dictus Carnifex, consul Zuerinensis. 5 )

1274:

Johannes aduocatus et Alexander ciuis Zwerinensis. 6 )

1282:

Ludolphus (Hazenkop?) tunc temporis aduocatus, miles, consules autem predicte ciuitatis: Johannes Fischer, Henricus filius Marquardi, Johannes de Lemego, Vhegendardus institor, Wernerus filius Jordani, Wernerus de Lune, Otto magister coquine nostre, Borchardus de Bodenstede, Eggelbertus institor, Bernardus de Sukow, Henricus de Lubbike, Gerding de Stenfeld. 7 )

1291:

Ludolphus, miles, advocatus in Zwerin. 8 ).

1298

Ludolphus de Zwerin, aduocatus, miles. 9 )

1299:

Ludolphus aduocatus, miles. 10 )


1) No. 125 M. U.=B. I.
Dafür, daß diese Personen, die nicht als consules, sondern nur als cives bezeichnet sind, doch ratmannen waren, beziehe ich mich auf Crull, Rathslinie der Stadt Wismar, S. X flgd.
2) No. 340 M. U.=B. I.
3) No. 565 M. U.=B. I.
4) No. 759 M. U.=B. II.
5) No. 1213 M. U.=B. II.
6) No. 1344 M. U.=B. II.
7) No. 1650 M. U.=B. III.
8) No. 2128 M. U.=B. III.
9) No. 2525 M. U.=B. IV
10) No. 2571 M. U.=B. IV.
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1300:

Ludolphus aduocatus, miles. 1 )

1324:

Thidericus de Indagine. 2 )

1328:

HinricusRosenhaghen, aduocatus ciuitatis Zweryn. 3 )

1330:

Viricus consul in Suuerin. 4 )

1331:

Lambert Lorf. 2 )

1332:

Hinricus Rosenhaghen, aduocatus. 5 )

1336:

Hinrik Ro v senhaghen, vnse vo v ghet tů Zwerin. 6 )

1337:

Rosenlhaghen, de vo v ghet. 7 )

Vor 1338:

Ludbertus de Stuke, consul Zwerinensis.

1338:

Radolph.us K.ercdorpp, consul. 8 )

1340:

Hinricus Rosenhaghen, aduocatus nobilis domini nostri comitis Zwerinensis, Hermannus Munther, Jacobus Pywerstorpe et Jacobus Wendelstorpe, nobiscum in consulatu sedentes. 9 )

1343:

Hinricus Rosenhagen, aduocatus. 10 )


1) No. 2611 M. U.=B. IV.
2) Ich verdanke diese Namen der gütigen Mittheilung des Herrn Dr. Crull in Wismar; wegen des Dietrich von Hagen vgl. No. 5153 M. U.=B. VIII, wegen des Lambert Lorf No. 5363 M. U.=B. VIII.
3) No. 4962 M. U.=B. VII.
4) No. 5147 M. U =B. VIII.
2) Ich verdanke diese Namen der gütigen Mittheilung des Herrn Dr. Crull in Wismar; wegen des Dietrich von Hagen vgl. No. 5153 M. U.=B. VIII, wegen des Lambert Lorf No. 5363 M. U.=B. VIII.
5) No. 5354 und 5363 M. U.=B. VIII.
6) No. 5691 M. U.=B. VIII.
7) No. 5736 M. U.=B. IX.
8) No. 5905 M. U.=B. IX.
9) No. 6031 M. U.=B. IX.
10) No. 6309 und 6354 M. U.=B. IX.
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1344:

Hynricus Rosenhaghen, aduocatus in Zweryn. 1 )

1358:

Hermann Wickendorp, borghermestere, vnde Hinrik Teyleman, Cůpeke Wendelstorp, Arnoldus Roghan, Johan Zwerin, Herman Stralendorp, Johannes Pape, ratman.

Vgl. die Anlage.

Die Urkunden, die die Stadt Schwerin ausgestellt hat, sind die No. 759, 2528, 3582, 4712, 4962, 5763, 5905, 5956, 6031, 6065, 6526 und die in der Anlage abgedruckte Erbhuldigung. Je nach den Personen, die in ihnen als Aussteller genannt werden, kann man sie in drei Classen theilen, einmal in solche, bei denen drei Factoren mitwirken, der Graf oder statt seiner der aduocatus, die consules = ratmannen und die uniuersitas burgensium = menheit der borghere. 2 ) Die zweite Classe ist diejenige, bei der zwei Gruppen von Personen handelnd auftreten, dies sind einmal der aduocatus und die consules, dann die consules und die uniuersitas burgensium 3 ), in der dritten Classe kommen die consules allein vor. 4 ) Nach den Rechtsgeschäften, die durch sie uns überliefert werden, zerfallen diese Urkunden in solche, bei denen es sich um städtische Rechte, insbesondere um Veräußerungen handelt, und in andere, die den Vermögensstand der Stadt nicht berühren, welche beiden Abtheilungen sich indessen nicht mit einer der zuerst aufgestellten drei Classen decken, denn wie ganz gleichgültige Urkunden von den consules und der uniuersitas burgensium ausgestellt sind, so documentiren andererseits über wichtige Rechtsgeschäfte, z. B. Veräußerungen, die consules allein, sie allein haben also auch das betreffende Rechtsgeschäft für die Stadt abgeschlossen.

Aus diesen Urkunden, so wenig zahlreich sie sind, folgt doch mit Sicherheit, daß die Stadt durch den Grafen selber und durch dessen aduocatus verwaltet worden ist, sowie durch den borghermestere, die consules und die uniuersitas burgensium, und man kann ohne Bedenken sagen, daß die


1) No. 6409 M. U.=B. IX.
2) No. 2528 und 3582 M. U.=B. IV
Hierher kann man auch die Erbhuldigung rechnen, bei der von Stadtwegen der borghermestere, die ratmannen und die menheit der horghere fungiren.
3) No. 4962, 6031, 759, 6065, 6526 M. U.=B. II. - IX.
4) No. 4712, 5763, 5905 M. U.=B. VII. und IX.
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Personen vom Bürgermeister ab die eigentliche städtische Verwaltung bildeten, während das landesherrliche Aufsichtsrecht durch den Landesherrn selber und statt seiner durch seinen Commissar, den aduocatus, ausgeübt wurde.

Ueber den Grafen ist hier weiter nichts zu sagen.

Der aduocatus oder Vogt wurde vom Landesherrn, wie es scheint, ein für alle Mal auf Lebenszeit zu seinem Amte bestellt, wir finden wenigstens den Ritter Ludolph im Jahre 1282 als Vogt aufgeführt und auch noch im Jahre 1300 fungirend, ferner verwaltet Heinrich Rosenhagen im Jahre 1328 und auch noch im Jahre 1344 dies Amt. Der aduocatus tritt in der Geschichte Schwerins sehr zeitig, schon 1178 auf. Er scheint aus den Straf= und Bruchgeldern eine Art Besoldung erhalten zu haben, 1 )

Der Bürgermeister kommt im Gegensatz zum aduocatus erst sehr spät vor, zuerst in der Person des Hermann Wickendorf im Jahre 1358.

Die consules oder ratmannen finden wir in der ältesten Zeit; im Jahre 1178 werden sie zuerst, fünf an der Zahl, aufgeführt, 1244 und 1255 sind es sechs, und bei dieser Zahl scheint es bis zum Ende der in dieser Abhandlung besprochenen Periode geblieben zu sein, da in der Erbhuldigung für die Stadt der Bürgermeister mit sechs Rathmännern auftritt, und bei dieser für Schwerin und das ganze Land so überaus wichtigen Handlung der Rath in allen seinen Gliedern thätig gewesen sein wird. Freilich steht dem entgegen, daß in der Schenkungsurkunde über die drei Stadtgüter von 1282 1 ) 12 Personen aufgeführt sind und zwar so, daß das ihrem Namen insgesammt vorgestellte "consules autem predicte ciuitatis" auf alle zwölf bezogen werden kann; indessen glaube ich nicht, daß alle diese wirklich Rathmänner gewesen sind, glaube es besonders nicht von Otto, dem Küchenmeister des Grafen, eben wegen dieses seines Amtes, ich bin vielmehr der Ansicht, daß es auch im Jahre 1282 nur sechs Rathmänner gab, und daß Otto, magister coquinae, und die folgenden Personen, die bei der Schenkung mit zugegen gewesen sind, gewissermaßen zu den "et alii quam plures clerici et laici fide digni" gehört haben. Ein ähnliches Beispiel, daß die vor einer Reihe von Personen gestellte Bezeichnung nicht auf alle zu beziehen ist, giebt die Urkunde


1) No. 1650 M. U.=B. III.
1) No. 1650 M. U.=B. III.
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vom 20. October 1332. 1 ) Es heißt dort: "Testes huius rei sunt: - et milites nostri: Wernerus de Haluerstat, Hinricus Rauen, Gerhardus de Zulowe, Hinricus Rosenhagen aduocatus, Lambertus Lorf. Nun folgt aber aus den Urkunden vom 8. September 1336, vom 16. Januar 1337 und Vom 4. Juni 1343 2 ), daß Henricus Rosenhagen, der nach der Urkunde vom 20. October 1332 Ritter sein mußte, kein Ritter sondern nur Knappe war, denn in der Urkunde vom 4. Juni 1343 heißt es:

Presentibus strennuis viris, Hinrico Rauen, milite, Hinrico Rosenhaghen, aduocato Zwerinensi et Arnoldo Rosenhaghen armigeris.

Ebenso war Lambert Lorf civis et consul in Schwerin, aber nie Ritter.

Die Rathmänner wurden nicht für ihre Lebensdauer, sondern nur für eine gewisse Zeitperiode wie in anderen Städten gewählt, denn im Jahre 1326 und 1345 3 ) heißt es:

"Wi ratman van Zwerin olt vnde nige."

Es mag auch hier so gewesen sein wie in den Städten lübischen Rechtes, daß die Hauptlast der Geschäfte den in den Rath neu eingetretenen Personen zufiel, während diejenigen, die schon eine Zeitlang im Rathe gesessen hatten, sich mehr der Ruhe erfreuen konnten 4 ); bestimmte Nachrichten hierüber haben wir nicht, so wenig wie darüber, auf wie lange die Rathmänner gewählt wurden. Nach Crull a. a. O. S. XII Note 4 fand eine alljährliche Erneuerung des Rathes statt, wodurch allerdings eine Wahl der Rathmänner für mehrere Jahre nicht ausgeschlossen ist.

Die vniuersitas burgensium, menheit der borghere, war, was die Worte sagen, die Plenarversammlung der Bürger. Daß diese aber bei den Rechtsgeschäften, die der Rath abschloß, nicht mitzuwirken hatte, folgt daraus, daß sie bei keiner einzigen Veräußerung angeführt wird, sie kommt nur dicis causa vor, denn daß sie nicht bei Erlaß des Schreibens an den Magistrat zu Lübek über die Beendigung des Zwistes mit dem Ritter Dietrich von Eixen gefragt ist, - eine Sache, die, soweit wir wissen, für Schwerin ganz unwichtig war, - liegt auf der Hand, gleichwohl aber heißt


1) No. 5363 M. U.=B. VIII.
2) No. 5691, 5736 und 6309 M. U.=B. VIII. resp. IX.
3) No. 4712 und 6520 M. U.=B. VII. resp. IX.
4) Crull, Rathslinie der Stadt Wismar, Seite XXV.
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es in der betreffenden Urkunde 1 ) "consules cum vniuersitate burgensium".

Es bleibt noch die Frage, welches das Verhältniß des aduocatus zu dem Bürgermeister und den Rathmännern war. Wie schon erwähnt, kommt der Bürgermeister vor 1358 nicht vor, bis dahin fungiren der aduocatus und die consules allein, und zwar wird stets der aduocatus, der einmal als aduocatus nobilis domini nostri comitis Zwerinensis bezeichnet wird 2 ), vor den consules angeführt, bei denen sich noch nicht die Stellung eines städtischen Vorsitzenden, des späteren Bürgermeisters herausgebildet hatte. Der Vorsitzende war der Graf, statt seiner der landesherrliche Vogt, der aduocatus. In hohem Maße ist nun auffallend, daß in der ersten Urkunde, in der ein Bürgermeister erwähnt wird, die Erbhuldigung von 1358, der landesherrliche Vogt nicht mehr vorkommt, sondern Hinrik Růsenhaghen unter den Burgleuten ohne weiteren bezeichnenden Zusatz wie schon 1350 3 ) aufgeführt wird. Seine Identität mit dem früheren Vogt folgt außer aus dem gleichen Namen aus dem Umstand, daß Hinrik Růsenhaghen in der Erbhuldigung genau dasselbe Siegel wie Hinricus Rosenhagen, aduocatus, in der Urkunde vom 10. August 1328 4 ) führt. Es liegt daher die Vermuthung nahe, daß das Amt des aduocatus mit dem Auftreten des Bürgermeisters eingegangen ist; Hinricus Rosenhagen wäre dann der letzte uns bekannte aduocatus gewesen, der erste Bürgermeister war Hermann Wickendorp.


Geld.

Wenn auch nicht gerade häufig, so ist doch öfter von einer moneta Zwerinensis oder von denarii Zwerinenses die Rede. Wir wissen indessen von dieser Münze nur, daß eine Schweriner Mark zur Lübschen Mark sich verhielt wie 14 zu 9

- neuem marcarum denariorum Lubecensium redditus vel quatuordecim marcas denariorum Schuerinensium 5 ) -

sowie daß 18 Pfennige Schweriner Geld gleich einem Sol. Lüb. sind. 6 )


1) No. 759 M. U.=B. II.
2) No. 6031 M. U.=B. IX.
3) No. 7057 M. U.=B. X.
4) No. 4962 M. U.=B. VII.
5) No. 5599 M. U.=B. VIII.
6) No. 6977 M. U.=B. X.
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Darüber, daß der Stadt Schwerin die Münzgerechtigkeit zugestanden habe, ist nichts bekannt und ist auch von der Stadt in der Folgezeit niemals dieselbe ausgeübt, es kann also nur fraglich sein, ob die moneta Zwerinensis vom Grafen oder vom Bischof geprägt wurde. Der erstere konnte sich die Münzgerechtigkeit als Landesherr vindiciren, dem letzteren ist sie im Jahre 1246 vom König Konrad 1 ) verliehen, beiden war mithin die rechtliche Möglichkeit gegeben, Münzen prägen zu lassen. Von Bedeutung für die vorliegende Frage ist die Urkunde vom 27. Juli 1279 2 ), in welcher die Grafen Helmold und Nicolaus von Schwerin den Vasallen der Länder Wittenburg und Boizenburg ihre Rechte und Freiheiten bestimmen; es heißt hier:

Preterea in terra nostra monetarios ad faciendos denarios ammodo non habebimus, sei denarii Lubicenses vel Hammenburgenses erunt in districtu dominii nostri perpetuo usuales,

mithin verzichten beide Grafen für ihre Gebiete - zu dem des Grafen Helmold gehörte bekanntlich auch Schwerin - für die Zukunft auf ihr Recht, Münzen schlagen zu lassen, und bestimmen als Münzfuß lediglich den Lübischen oder Hamburgischen als den in der Grafschaft normirenden. Schweriner Geld ist also Seitens des Grafen nach dem Jahre 1279 nicht mehr geprägt und deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß die in den Urkunden nach 1279 erwähnten denarii Zwerinenses nicht gräflichen sondern bischöflichen Gepräges waren. In der Zeit vor 1279 werden die Grafen geprägt haben, denn in der Urkunde vom 24. Juli 1267 3 ), durch welche die Grafen Gunzelin und Helmold von Schwerin der Stadt Boizenburg das Lübische Recht verleihen, wird von der Stadtgerichtsbarkeit eximirt der Münzmeister in Boizenburg,

- vthgenamen, dat nen vnnser amptlude, he sy munter, tolner edder Jode, wanende in vnser stad Boyssenborch -

dessen Thätigkeit jedoch nicht hervorragend gewesen sein wird, da nicht eine nachweisbar gräfliche Münze auf uns gekommen ist.


1) No. 576 M. U.=B. I.
2) No. 1504 M. U.=B. II.
3) No. 1127 M. U.=B. II.
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Ob wir Münzen bischöflichen Gepräges aus dieser Zeit besitzen, ist mindestens zweifelhaft. Es giebt allerdings Bracteaten mit zwei in Form eines Andreaskreuzes übereinandergelegten, oben gebogenen Stäben, dem Wappenzeichen des Bisthumes Schwerin ähnlich, so daß Evers in seiner Münzverfassung kein Bedenken trägt, dieselben als Münzen des Bisthumes Schwerin zu bezeichnen 1 ), indessen nimmt andererseits die Stadt Colberg dieselben als die ihrigen in Anspruch und sieht in den zwei übereinander gelegten Stäben nicht Bischofsstäbe, sondern Salzhaken. Der Streit muß bis auf Beibringung weiteren Materiales auf sich beruhen bleiben, jedoch darf zu Gunsten Colbergs der Umstand nicht mit Stillschweigen übergangen werden, daß diese Bracteaten nicht in der Nähe von Schwerin, sondern weit mehr in der von Colberg gefunden werden.

Resultat ist also: es hat Schweriner Geld gegeben, das bis zum Jahre 1279 sowohl vom Bischof wie vom Grafen, nach diesem Jahre und dem Verzicht des Grafen auf sein Münzregal, vom Bischof allein ausgeprägt ist; eine unzweifelhafte bischöfliche oder gräfliche Münze aus dieser Zeit existirt nicht, wenigstens ist sie uns nicht bekannt.


Polizei. Armenpflege. Abgaben und Lasten. Gewerbe. Märkte.

Die Ruhe der Stadt scheint nicht immer eine ungetrübte gewesen zu sein, Uebermuth und Gewaltthätigkeit waren an der Tagesordnung, worunter auch die Geistlichkeit schwer zu leiden hatte; theils um hiergegen einzuschreiten, theils um sichere Normen bei etwaigen Competenzstreitigkeiten zu gewinnen, die bei der unmittelbaren Berührung des geistlichen und gräflichen Jurisdictionsbezirkes nicht ausbleiben konnten, bestimmten die Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin in der Verordnung vom 31. October 1307 3 ), daß wenn eine Person, die sich in Schwerin aufhält, sei sie Bürger oder nicht, irgendwie sich gegen das Kirchengebäude, den Kirchhof, die Domherrenhöfe und Wohnungen der Vicarien vergeht,

- aliquam violentiam quocunque modo fecerint vel in frangendo curias vel aliquam personam ex eis vel de ecclesia vel de cimiterio violenter trahendo -


1) Evers, Münzverfassung II, Seite 14 und Seite 29.
3) No. 3193 M. U.=B. V.
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sie zur Strafe 30 Mark reinen Silbers zu zahlen hat und zwar binnen vier Wochen von der Begangenschaft ab, bei Strafe der Execution. Zahlte der Frevler diese Summe, so war die Sache gut, zahlte er nicht und zwar einmal weil er nicht wollte, dann wurde er in den Thurm - in castelli nostri Suerin carcerem, qui turris dicitur, - gesetzt, bis sein Gemüth zur besseren Einsicht kam, zahlte er aber nicht, weil er nicht und zwar ganz oder theilweise konnte, dann wurde er ebenfalls bis zur Zahlung des Theiles, den er im Vermögen hatte, in Gewahrsam gehalten, für den andern aber blieb er so lange im Gefängniß, bis die Grafen, das Domcapitel und der Magistrat einstimmig erachteten, daß es nun genug sei. Im Uebrigen aber bestimmte diese Verordnung ausdrücklich, daß durch dies Verfahren keine andere Klage des Verletzten ausgeschlossen sei. Von den aufgekommenen Strafgeldern erhielt der Graf, das Kirchenärar, und die Stadt, letztere zu ihren Befestigungsarbeiten, je ein Drittel.

Den ersten Spuren der Armenpflege begegnen wir in den Urkunden betreffend die Dotirung und Gründung der drei Bisthümer im Wendenlande, durch die Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen einmal bestimmt, daß von den Einkünften der zwei aus seinem Allodialvermögen dem Bisthum geschenkten Gütern Virichim und Borist und der beiden Höfe zu Todendorf ein Drittel den Armen zu gut kommen solle, wie auch weiter, daß der Nachlaß der Bischöfe nicht auf ihre Leibeserben verstammen, sondern unter die Armen, die Kirche und den Nachfolger zu gleichen Theilen vertheilt werden solle und zwar dies "secundum sanctionem canonum". 1 ) Die Vorschriften des canonischen Rechtes enthalten diese Norm jedoch nicht, sie bestimmen nur, daß der Bischof dasjenige zu veräußern keine Befugniß haben solle, was er als Bischof erworben, wohingegen sie ihm rücksichtlich des vorher erworbenen Gutes eine solche Beschränkung nicht auferlegten. 2 ) Die Bestimmung des Herzogs Heinrich weicht also einmal darin vom canonischen Recht ab, daß sie ganz allgemein von der Verlassenschaft des Bischofes spricht und dann diese auf eine Weise getheilt wissen will, von der auch nicht eine leise Andeutung im corpus juris canonici gefunden wird. Als Zeuge der Urkunde vom 7. November 1169 3 )


1) No. 90, 96, 100 B M. U.=B. I.
2) C. 1, 2, C. XII. quaest. 5, und Richter, Kirchenrecht §. 316, besonders Note 10 a. E.
3) No. 90 M. U.=B. I.
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wird mit aufgeführt: Berno Szwirinensis episcopus, und nimmt hier ein Berufen auf das canonische Recht um so mehr Wunder, als Bischof Berno ein literarisch gebildeter Mann, Besitzer einer Bibliothek im Jahre 1169 war, also auch die Kenntniß des canonischen Rechtes ihm nicht fern gelegen haben wird. Die vier päpstlichen Bestätigungsurkunden des Bisthumes Schwerin haben denn auch den Abschnitt über die Vertheilung des bischöflichen Nachlasses nicht, wohl aber tritt er in der Bestätigung des Kaisers Otto IV. 1 ) wieder auf. In der Theorie wird dieser Satz hier in Schwerin denn auch wohl unbestritten geherrscht haben, das practische Resultat wird dagegen, jedenfalls in der späteren Zeit, ein außerordentlich geringes gewesen sein; Schätze, die Motten und Rost verzehren, haben die Armen der Stadt auf diese Weise nicht erworben.

Ueber die den Bürgern von Schwerin obliegenden Verpflichtungen giebt die Erklärung der Stadt vom 21. December 1298 2 ) etwas Auskunft; es heißt in ihr, daß das Kloster Reinfeld als Eigenthümer der Mühlen der Stadt zu keinen Leistungen verpflichtet sei, namentlich nicht zum nächtlichen Wachdienst, zu Schoß und Steuer - collectas et tallia -, zur Ausbesserung und zum Bau der Mauern und Brücken und zum Eisen in Winterszeit - hyemis tempore ad glaciem aperiendum-. Die Urkunde vom 21. December 1298 3 ) führt außer diesen Leistungen noch an: das Stellen von Wagen und die Hergabe von Lebensmitteln bei Belagerungen Zwecks gleicher Vertheilung unter alle Bewohner.

An Zollprivilegien besaß die Stadt Schwerin nachweislich nur das der Stadt Lübek,

- nullus civis de Zwerin theloneat Lubeke 4 ) -

das wohl auf der Interpolation der gefälschten Bewidmungsurkunde des Bisthumes Schwerin

- Ciues Zuerinensis ciuitatis in omnibus locis per ducatum nostrum a teloneo liberi similiter erunt et exemti 5 ) -

beruht, dem im Uebrigen aber dasselbe Verhältniß zu Gunsten der Lübeker in der Grafschaft entsprach. 6 ) Ein


1) No. 202 M. U.=B. I.
2) No. 2528 M. U.=B. IV.
3) No. 2525 M. U.=B. IV.
4) No. 273 M. U.=B. I.
5) No. 100 M. U.=B. I. S. 99 B.
6) No. 345 M. U.=B. I.
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= 104 = weiteres Privilegium war das gleichfalls in dieser Fälschung zuerst erwähnte, dann aber von Kaiser Otto IV. in seiner Bestätigung aufgeführte Recht, im Wismarschen Hafen mit zwei großen Schiffen und mit kleinen in beliebiger Anzahl frei und ungehindert zu verkehren. Mit diesem Privilegium wird die Bestimmung in Verbindung gestanden haben, die Fürst Heinrich von Meklenburg mit dem Rath von Wismar über den Zoll daselbst am 14. September 1328 vereinbart hat 1 ), wonach die Schweriner für die Last Hering 2 Schilling Zoll geben sollen, wenn die Stadt an Wismar jährlich zwei Mark zahlt, anderen Falles sollen sie 29 Pfennige Zoll bezahlen.

Eine Handelsstadt war Schwerin nicht, seine Bewohner trieben zum großen Theil Ackerbau, zum anderen Theil Handwerk. Im letzter Beziehung ist das Kostenverzeichniß der Aussteuer für die an den Grafen Johann von Holstein vermählte Merislava, Tochter des Grafen Nicolaus von Schwerin, vom November 1327 2 ) von Interesse, da aus dem Umstand, daß nach demselben einzelne Sachen hier gekauft wurden, zu folgern ist, daß die betreffenden Gewerbe in Schwerin mit Erfolg betrieben wurden. Es wurde gekauft und ausgegeben:

Für einen Kessel 2 Mark - Sol.
an die Kürchner 2 " 4 "
für die Brautschuhe 1 " - "
für ein Paar Schuhe - " 6 "
an den Schneider Nicolaus Kippen 1 " - "
an denSchmied für Wagengeräth 7 " 2 "
für den Wagen an Ludolph Janoitor - " 17 "
für 2 watsacke (Leinwandsäcke) - " 10 "
an die Stellmacher, die am Wagen arbeiteten - " 4 "
für die Sielen (selen) - " 10 "
für Seidenzeug (pro serico) und andere (leider nicht specialisierte) Sachen 12 " - "

Das Schuhmacher= und Schmiede=Handwerk muß demnach in damaliger Zeit hier besonders in Blüthe gestanden haben, womit der Umstand zusammenhängen mag, daß es eine Schuster= und eine Schmiedestraße, aber auch Filter= und Baderstraße gab.


1) No. 4973 M. U.=B. VII. S. 612 und S. 614. Anm. a. E.
2) No. 4870 M. U.=B. VII.
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Abgesehen von dem Viehmarkt im Frühjahr finden in Schwerin am Donnerstage vor dem Grünen Donnerstag, am Mittwoch nach Johannis und Ende October Jahrmärkte statt, die vor dem 4. December 1846 am Tage vor dem Grünen Donnerstag, am 15. Juni und am 9. September abgehalten wurden 1 ) und in dieser Zeitfolge in der engsten Verbindung mit der Geschichte des Domes standen, indem am Grünen Donnerstag 1222 Graf Heinrich dem Bischof und Capitel das aus Palästina mitgebrachte heilige Blut übergab, und Bischof Brunward in seinem zur Verehrung dieser Reliquie entworfenen Regulativ 2 ) bestimmte, daß der Markt, der sonst am Grünen Donnerstag selbst abgehalten wurde, von da an am Tage vorher statthaben solle; am 15. Juni 1248 wurde der Dom geweiht; am 9. September 1171 wurde der Grundstein zum Dom gelegt.

Von Interesse ist es schließlich, zu erfahren, daß die Stadt Schwerin einen "Weddelopp" hatte. Der Rath von Schwerin bezeugt am 24. November 1338 3 ), den Verkauf eines Gartens gelegen rechts des Weges, der vom Schmiedethor zum "Weddelopp" führt. Dieser Platz wird auf dem festen Lande, vermuthlich dem Schmiedethor gegenüber, also in der Gegend der Wismarschen= resp. Lübekerstraße gelegen haben und mag zu Wettläufen, Pferderennen und Volksbelustigungen gedient haben.


Die Stiftungen.

Außer dem Dom, der bischöflichen Cathedrale, gab es in Schwerin, von der nicht zur Stadt gehörenden St. Nicolai=Kirche abgesehen, noch die Kirche des Franciskaner=Klosters, das dort stand, wo jetzt das Regierungsgebäude sich befindet. Dasselbe wurde bald nach 1222 in Angriff genommen und zum großen Theil, wenn nicht ausschließlich, aus den bei Verehrung des heil. Blutes im Dom dargebrachten Opfergaben erbaut, deren erstes Drittel nach der Bestimmung des Bischofes Brunward zur Errichtung eines Klosters verwendet werden sollte. 4 ) Bereits am 24. April 1236 5 ) ge=


1) Lisch, Jahrbücher XIII, S. 153, Note 1, S. 150, Note 3 und S. 147, Note 3.
2) No. 280 M. U.=B. I.
3) No. 5905 M. U.=B. IX.
4) No. 280 M. U.=B. I.
5) No. 450 M. U.=B. I.
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stattet der Minister des Franciskaner=Ordens in Deutschland, Johann, der Gräfin Audacia von Schwerin mit ihren vier Töchtern auf ihre Bitten Beichte, Abendmahl, letzte Oelung und Begräbniß im Kloster zu Schwerin, das also schon damals vollendet gewesen sein muß; von seinen Schicksalen, inneren und äußeren Verhältnissen, insbesondere Vermögensverhältnissen, ist uns aus dieser Zeit nichts überliefert; erwähnt wird dasselbe in den Jahren 1271, 1283, 1289, 1292, 1332 und 1349 1 ) in Urkunden, meistens nur geringfügige letztwillige Zuwendungen an den Orden und das Kloster enthalten. Als Begräbnißort scheint es einen gewissen Vorzug genossen zu haben, da ihm durch die letztwillige Zuwendung vom 15. April 1349. 2 ) Seitens der Wittwe Margarethe Hůreley aus Lübek 5 Mark hinterlassen sind, weil sie dort ihre letzte Ruhestätte sich erwählt habe. Vielleicht im Vergleich zu der Klosterkirche nennt Bischof Hermann von Schwerin unterm 2. September 1267 3 ) den Dom die major ecclesiae.

An Hospitälern waren in Schwerin das Heilige Geist=Hospital und das St. Georgen=Hospital. Ueber beide fließen die Nachrichten in dieser Zeit eben so spärlich wie über das Franciskaner=Kloster.

Die Lage des Heiligen Geist=Hospitales ist oben 4 ) besprochen und erhellt aus dem Vergleich von 1284. 5 ) Zuwendungen, die dem Hospital gemacht sind, betreffen die Urkunden No. 1672, 1829, 2045 und 6952 M. U.=B. III-X.

Das St. Georgen=Hospital, hospitale, domus leprosorum, kommt zuerst am 3. März 1283 vor. Ueber seine Lage sind aus dieser Periode Nachrichten uns nicht erhalten, dasselbe hat jedoch in späterer Zeit in der Rostockerstraße, dort wo die sog. Barca'schen Häuser stehen, gelegen, also außerhalb der alten Stadt, und muß dies in früheren Zeiten ebenso gewesen sein, da alle Anstalten dieser Art, die Hospitäler für ansteckende Krankheiten, stets vor der Stadt gelegen haben. Von ihm, dem Siechenhause, leitet sich möglicherweise der Name des Seeke=Canales her, der in der Nähe dieser Anstalt floß. Die No. 1672, 2045 und 6952 M. U.=B. III-X führen das St. Georgen=Hospital lediglich bei letztwilligen Zuwendungen an.


1) No. 1221, 1672, 2017, 2179, 5338 und 6952 M. U.=B. II-X.
2) No. 6952 M. U.=B. X.
3) No. 1131 M. U.=B. II.
4) Vgl. S. 75.
5) No. 1766 M. U.=B. III.
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Schließlich mag hier Platz finden, daß nach der Urkunde vom 26. Januar 1341 1 ) in Schwerin auch ein Kaland existirte, dem der Vicar Hermann Meitmann 2 Mark 8 Sol. jährlich zuwandte,

in vsus fratrum kalendarum in Zwerin.


Die Stadtfeldmark.

Der Stadtfeldmark von Schwerin geschieht in den Urkunden wenig Erwähnung, einmal gelegentlich des durch die Urkunde vom 22. April 1237 2 ) documentirten Tauschgeschäftes, dann unterm 24. August 1340 3 ). Graf Heinrich von Schwerin schenkt hier der Stadt das in der Stadtfeldmark gelegene "Bollbrück", früher ein gräflicher Pachthof, mit der Befugniß, den Platz vollständig auszuroden. Das Bedürfniß nach einer solchen Zuwendung war ein außerordentlich großes, denn die Feldmark war ungemein klein.

Aus der örtlichen Lage folgt schon, daß dieselbe sich nicht über den großen See auf das östliche Ufer hinüber erstreckt haben konnte, sie mußte mithin nördlich, westlich und südlich von der Stadt sich befunden haben. Nördlich liegt nun zunächst der Raum zwischen dem Großen See und dem Ziegelsee, der Werder und die Schelfe, die, wie wir sahen, dem Bischof gehörten, hier war also für die Stadtfeldmark kein Raum.

Ebenso verhielt es sich mit dem Land zwischen dem Medeweger See und dem Ziegelsee. Der mehrfach besprochene Vergleich von 1284 zwischen Graf Helmold von Schwerin und Bischof Hermann enthält die Grenze:

et erunt termini episcopales deultra molendinum nostrum uersus ciuitatem ab orto ipsius molendini ascendentes versus Leuenberch et comprehendentes ipsum locum Leuenberch, ac deinde procedentes et per gyrum includentes has villas, scilicet Magnum Medewede, Kloteken, Wikkendorp, Hondorp, Lubestorp, Trispete, Galentin et Rambowe.

Von diesen Ortschaften existiren Lewenberch und Kloteke nicht mehr, und ist die Stätte, wo sie einstens standen, mit


1) No. 6109 M. U.=B. IX.
2) No. 465 M. U.=B. I.
3) No. 6065 M. U.=B. IX.
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Sicherheit nicht mehr nachzuweisen. Das geht wohl aus den citirten Worten des Vergleiches von 1284 hervor, daß Lewenberch noch zwischen Schwerin und Gr.=Medewege gelegen hat, da die Grenze vom Mühlgarten, der sich dicht bei der Bischofsmühle befunden haben wird, zunächst nach Lewenberch und von dort nach Gr.=Medewege sich hinzieht; da man weiter von dem Mühlengarten nach Lewenberch zu hinaufgehen soll, - ascendentes - wird man nicht fehlgreifen, wenn man die zwischen der Bahn nach Kleinen und der Chaussee nach Wismar befindliche, auf der neuen Karte von Schwerin und Umgegend mit den Zahlen 170. 180. bezeichnete Kuppe, die auf der Schmettau'schen Karte und noch jetzt im Volksmund "Lehmberg" genannt wird, als die Dorfstätte von Lewenberg auffaßt. Schwieriger liegt die Sache mit Kloteke, es läßt sich nur aus dem Vergleich entnehmen, daß die Ortschaft zwischen Gr.=Medewege und Wickendorf lag, und stimmt hiemit die in der Note zu der Urkunde vom 6. Mai 1291 1 ) referirte Bezeichnung der Nordwestspitze des Schelfwerders auf einer Karte von 1735 mit "Kläter=Horn". Die übrigen Ortschaften existiren noch alle. Medewege wurde früher stets Medewede geschrieben, die jetzt häufiger gehörte Ansicht, daß die Ortschaft in der Mitte eines Weges gelegen sei und hievon ihren Namen habe, ist also unzutreffend; Hondorp ist das jetzige Hundorf, vor 1171 hieß es Lyzcowe, wurde dann aber in Alta Villa=Hohendorf umgetauft.

- Lyzcowe, que mutato nomine Alta Uilla uocatur. 2 ) -

Diese sämmtlich dem Bischof gehörigen Ortschaften nebst Kerkstuke, Paruum Tribbowe, Runse, Metle et Tsikhusen = Kirchstück, Kl.=Trebbow, Rugensee, Meteln und Zickhusen, welche Ortschaften der Graf vom Bischof zu Lehen erhielt, nahmen den ganzen Raum zwischen dem Au=Bach, der durch den Trebbower=, Barnerstücker= und Medeweger See fließt, und dem Ziegelsee resp. Großen See ein, für das Schweriner Stadtfeld bleibt somit hier kein Raum übrig.

Zwischen dem Medeweger= und dem Lankower=See lag die Sache etwas günstiger, denn die Feldmark des Dorfes Lankow, das dem Bisthum, wenn auch nicht ganz, so doch zum großen Theil gehörte, erstreckt sich gegen die Stadt nur in sehr geringer Ausdehnung.


1) No. 2116 M. U.=B. III.
2) No. 100 M. U.=B. I. S. 97.
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Das Dorf Turow, westlich von Schwerin, das mit der Zeit in die Stadtfeldmark aufgegangen ist, wurde von Graf Heinrich von Schwerin am 17. Mai 1330 1 ) der Stadt für eine nicht genannte Summe verkauft; dasselbe wird zwischen dem Lankower=, Neumühler= und Ostorfer=See und zwar an der Stelle gelegen haben, die auf der Schmettau'schen Karte von 1788 mit "Dorfstätte" bezeichnet ist, mithin ging die Stadtfeldmark nach Westen zu in der älteren Zeit bis zu dem Dorfe Turow, also ungefähr bis zu der zwischen dem Lankower= und Ostorfer=See befindlichen Niederung.

Ebenso ungünstig wie im Norden lagen die Verhältnisse im Süden, wo an die Stadt unmittelbar bis an den Burgsee die Feldmark des Dorfes Ostorf und der sog. Hals stieß, der Landrücken zwischen dem Faulen und dem Großen See, der jetzt zu Ostorf gehört. Hier konnte also die Stadtfeldmark sich ebenfalls nicht befunden haben, denn Ostorf wurde, wenn es auch durch die Schenkung des Grafen Helmold von Schwerin an die Stadt Schwerin kam, nicht gelegt, sondern blieb auch im Eigenthum der Stadt eine von ihr vollständig getrennte, selbstständige Gemeinde, den Hals aber reservirte sich Graf Helmold als unbeschränktes Eigenthum.

Hiernach erstreckte sich die Stadtfeldmark von einer Linie, die sich von dem nordöstlichen Ende des Ostorfer Sees durch den Burgsee und Fließgraben in den Pfaffenteich bis zum Einfluß der Au, diesen Bach hinauf bis zu seinem Ausfluß aus dem Medeweger See hinzog, in westlicher Richtung bis an den Lankower See und die Niederung zwischen diesem und dem südlich von ihm liegenden Ostorfer See, und wurde südlich durch dieses Gewässer, nördlich durch die Dorffeldmark Lankow begrenzt; nach dem Jahre 1330 kam noch das Dorf Turow hinzu. Auch dieser so begrenzte Raum stand nicht einmal ganz im Eigenthum der Stadt, da diese am 8. Mai 1345 bezeugt, daß dem Grafen das "Kobelendalen", ein Feld innerhalb der Stadtfeldmark gehöre. 2 ) Außerdem lagen jenseits des Fließgrabens, der Stadt zunächst, Gärten, wie aus dem Verkauf des Gartens des Rathsherrn Radolph Kardorf 3 ) hervorgeht,

- ortum situatum a dextro latere vie, cum itur a valua fabrorum nostre ciuitatis ad locum, qui dicitur Weddelopp. -


1) No. 5142 M. U.=B. VIII.
2) No. 6526 M. U. =B. IX.
3) No. 5905 M. U.=B. IX.
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Dieser Garten lag zwischen anderen und war in 7 Parzelen getheilt, die mit Ausnahme der ersten, deren Pachtgeld sich auf 5 sol. stellte, für je 6 sol. Zwer. verpachtet waren, so daß sich der jährliche Ertrag auf 41 sol. Zweryn. belief, für damalige Zeiten ein Betrag, der auf eine respectabele Größe des Grundstückes einen Rückschluß erlaubt.


Die Stadtgüter.

Daß die Hauptstadt des Landes mit irdischem Gut gesegnet ist, läßt sich gerade nicht behaupten. Wie ihre Feldmark unbedeutend, sind sonstige Besitzungen, deren Erwerb aus verhältnißmäßig später Zeit datirt, auch nur in recht geringer Zahl vorhanden.

Am 8. December 1282 schenkte Graf Helmold von Schwerin der Stadt das Eigenthum der Dörfer Zippendorf, Göhren und Ostorf - Zuppucendorp, Gorne, Osestorp -, und zwar als Dank für die unveränderte Treue, mit der die Stadt zu ihm und seinem Hause gehalten habe. 1 ) Dies sind die einzigen Güter, die Schwerin erworben hat, denn daß nicht auch das Dorf Mueß in diese Schenkung eingeschlossen gewesen, diese Ortschaft der Stadt vielmehr nie gehört hat, bedarf keiner Ausführung mehr; diese Ansicht beruht lediglich auf einem Versehen Hederichs. 2 )

Eigenthümlich müssen die Rechte gewesen sein, die die Stadt an dem südlich von ihr gelegenen großen Holz, dem Buchholz,

- in nemore, quod Bocholt (Buchholt) vulgariter appellatur -

gehabt hat. Es ist leider die Urkunde vom 8. December 1282 die einzige, die von dem Buchholz spricht, und ist aus ihr nicht recht ersichtlich, welcher Natur und wie beschaffen das Recht war, das den in der Urkunde festgestellten Befugnissen als Grundlage diente. Die betreffenden Worte lauten:

Coloni vero dictarum villarum ad omnia iura nostra sicut aliorum vasallorum nostrorum homines tenebuntur; hoc tamen addito et adiecto: si nos in nemore, quod Bocholt vulgariter appellatur, pro lignis illicite deuastatis aliquem impignorare contigerit,


1) No. 1650 M. U.=B. III.
2) Vgl. Note zu No. 1650 M. U.=B. III.
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mulctam siue emendam illius excessus nostris vsibus speciahter reseruamus; item si aduocatus noster aliquem impignoraret ibidem, due partes cedent eidem et tertia ciuitati; si uero predicti consules siue ipsorum nuncius in nemore prenotato pro deuastatione lignorum quempiam racione pignoris innodarent, duas partes in usus ciuitatis conuertent, aduocato, qui tunc pro tempore fuerit, partem terciam presentabunt. Ville vero nemori sepedicte ciuitatis circumquaque adiacentes nihil in eodem iurisdictionis in lignis siue pascuis obtinebunt siue hactenus habuerunt, nisi de nostra et consulum speciali gratia amicabiliter consequantur, exemptis tamen villis ciuitatis superius recitatis. Insulam vero, oue in vulgo Hals dicitur, castro nostro adiacentem, uobis ac nostris heredibus vel successoribus integram ascribimus, et ciuitas sepius dicta nihil iuris obtineat in eadem. Item ligna infructifera in nemore superius expresso, quod Bachholt nuncupatur, mediante nostro consilio inter burgenses prelibatos portione debita equanimiter diuidentur.

Wie man sieht, ist dies hauptsächlich eine Bestimmung über die Vertheilung der aufkommenden Bruchgelder; pfändet der Graf den Forstfrevler selbst, so hat er allein den Bezug der Strafe, pfändet der Vogt der Stadt, so fällt zwei Drittel der Strafe an ihn, ein Drittel an die Stadt, pfändet die Stadt, so kommt zwei Drittel ihr, ein Drittel dem Vogt zu. Die umliegenden Ortschaften haben keine Jurisdictionsbefugniß, ausgenommen die drei der Stadt geschenkten Güter; den Ostorfer Hals reservirt der Graf sich vollständig und allein, und soll unter Erbittung seines Rathes das keine Mast bringende Holz unter die Schweriner Bürger vertheilt werden. Dies ist kurz der Inhalt, und aus ihm folgt jedenfalls das, daß das Buchholz nicht der Stadt allein gehörte, daß es also in diesem Sinne falsch ist, wenn die Urkunde von einem "nemus sepedicte ciuitatis" spricht, vielmehr deutet die Vertheilung der aufkommenden Bruchgelder sowie der Umstand, daß der Graf so gut wie die Stadt das Pfändungsrecht im Betretungsfalle ausüben konnten, darauf hin, daß die Stadt Schwerin an dem Buchholz ein umfassendes Nutzungsrecht hatte, wenn es nicht im gemeinsamen Eigenthume des Grafen und der Stadt stand. Hederich giebt in Westphalen monumenta den Inhalt der Urkunde dahin an, daß der Graf Helmold der Stadt die drei Dörfer und die Hälfte des Buchholzes

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schenke, es ist aber diese Inhaltsangabe entschieden falsch, die Urkunde spricht mit keiner Silbe von einer Schenkung des Buchholzes, sondern lediglich von der Art der Vertheilung der für Forstfrevel aufgekommenen Bruchgelder.

Das Dorf Ostorf ist nicht lange im Besitze der Stadt Schwerin gewesen; wann es in andere Hände gekommen ist, wissen wir nicht. Beyer 1 ) giebt an, daß es "bald nach der Zeit von 1282 wahrscheinlich tauschweise gegen andere der Stadt bequemer gelegene Ländereien auf der Westseite in das ursprüngliche Verhältniß wird zurückgekehrt sein", leider ohne die Gründe für diese seine Ansicht anzuführen; jedenfalls ist am 15. August 1357 Ostorf wieder im Besitz der Grafen, da an diesem Tage Graf Nicolaus unter anderen auch den Hof Ostorf den Gebrüdern von Tzule verpfändet.


Die Mühlen.

Bei den schlechten Wegen der damaligen Zeit, dem ungenügenden Transportwesen und den mißlichen Zeitverhältnissen war es für jede Ortschaft von bedeutendem Interesse, bei den größeren, den Städten, aber Existenzfrage, in unmittelbarster Nähe der Stadt, womöglich innerhalb der Mauern, diejenigen Anstalten zu besitzen, die zur Bereitung des wichtigsten Lebensbedürfnisses, des Mehles, dienten, die Mühlen. Theils dieser ihrer großen Wichtigkeit halber, theils wegen der so mannigfache Interessen berührenden Wasserverhältnisse, welche ebenso wie in jetziger Zeit die größten, nie endenden Streitigkeiten hervorriefen, finden sich über die Mühlen Urkunden in einer Zahl wie bei keiner anderen gewerblichen Anlage.

Für die Bedürfnisse der Stadt Schwerin sorgten zwei Mühlen, die Bischofsmühle und die Grafenmühle, erstere nördlich in der Nähe der Stadt, letztere unmittelbar bei der Stadt, an deren südlichem Ende gelegen.

Bevor die hier einschlagenden und interessirenden Verhältnissen erörtert werden können, müssen wir noch einmal uns kurz die Lage der die Stadt umschließenden Seeen, deren Ab= und Zuflüsse vergegenwärtigen. Vgl. Tafel A.

Das Hauptwasserbecken ist der im Osten der Stadt gelegene Große oder Schweriner See, dessen Spiegel nach der neuen amtlichen Specialkarte der Umgegend von Schwerin 116 Toisenfuß über den Nullpunkt des Ostseepegels der


1) Jahrbücher XXXII, S. 77.
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Stadt Wismar sich befindet. Mit ihm paralell laufend und in Verbindung stehend liegt in demselben Niveau nördlich von der Stadt der Ziegelsee, dessen südliches Ende durch einen Damm, den Spielthordamm, abgetrennt ist und den Namen Pfaffenteich führt; des letzteren Spiegel befindet sich 121,5 Toisenfuß über der Ostsee. Von ihm nordwestlich, von dem Ziegelsee westlich, sehen wir den Medeweger See 123 Toisenfuß hoch, der durch einen Bach, die Au, mit dem Pfaffenteich in Verbindung steht. Der Ostorfer See ist südlich der Stadt 124 Toisenfuß hoch im Niveau gelegen und hat einen Abfluß durch den Seeke=Canal in die Bucht des Großen Sees, die den Namen Burgsee führt und unmittelbar südlich bei Schwerin gelegen ist und wie der ganze Große See 116 Toisenfuß über den Nullpunkt des Ostseepegels liegt. Dieser Seeke=Canal läuft in grader Richtung zuerst nördlich hinter der jetzigen Rostocker Straße, biegt sich dort, wo die Helenenstraße in den Marienplatz mündet, und fließt erst östlich hinter der Helenenstraße, dann in südlicher Richtung unter der Kaiser Wilhelmsstaße in den Burgsee. Dort wo diese Biegung nach Süden stattfindet, steht er mit dem jetzt in seiner ganzen Ausdehnung überwölbten, unter der Kaiser Wilhelmsstraße befindlichen Fließgraben in Verbindung, der vom Pfaffenteich kommt. Es fließt also das Wasser des Medeweger Seees durch die Au in den 1,5 Toisenfuß tiefer gelegenen Pfaffenteich, das des Ostorfer Seees durch den Seeke=Canal in den 8 Toisenfuß tiefer gelegenen Burgsee, das Wasser des Pfaffenteiches durch den Fließgraben und die Seeke in den 5,5 Toisenfuß tiefer gelegenen Burgsee. Der Umstand, daß augenscheinlich jetzt Wasser aus dem Fließgraben in den Pfaffenteich strömt, ist kein Beweis dafür, daß die Niveauverhältnisse, wie sie angegeben, unrichtig sind, da durch bauliche Anlagen der Abfluß des Wassers aus dem Pfaffenteich in den Burgsee gehindert sein kann und wird, so daß die Seeke jetzt einen Theil ihres Wassers rechts hinunter in den Burgsee, den anderen links in den Pfaffenteich sendet. Auf dem Plane der Stadt Schwerin von 1812 sind noch die alten Wasserläufe mit dem Ausfluß des Pfaffenteiches in den Burgsee angegeben. Der Pfaffenteich hatte früher noch einen Abfluß in östlicher Richtung bei dem Schelfthore vorbei in den Großen See, derselbe ist indessen jetzt verschüttet; der mit einer Schleuse versehene nördliche Abfluß durch den Spielthordamm in den Ziegelsee kommt nicht in den Urkunden vor und wird jüngeren Datums sein. Diese Verhältnisse lassen als zu Mühlenanlagen geeignet einmal

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den Platz erscheinen, wo der Fließgraben und die Seeke in den Burgsee abfließen, und dann den am westlichen Ende des Spielthordammes gelegenen Einfluß der Au in den Pfaffenteich. Diese beiden Plätze sind denn auch benutzt und zwar der letztere zu der zunächst zu erörternden Bischofsmühle, der erste zu der Grafenmühle.


Die Bischofsmühle.

Die Bischofsmühle lag nordwestlich der Stadt, dort wo das noch so genannte Mühlengehöft sich befindet, jedoch war das Werk in dem seitwärts an dem Mühlenteiche belegenen jetzigen Wohnhause aufgestellt. Dieser Teich war von dem Au=Bach, um dessen Stauung zu ermöglichen, durch einen starken Damm getrennt. In dem Original der oft citirten Bewidmungsurkunde Herzogs Heinrich von Bayern und Sachsen wird diese Mühle noch nicht erwähnt, die Geistlichkeit mit ihrem practischen Blick erkannte indeß bald die Bedeutung dieser Anlage, und führte in dem falschen Exemplare B. aus dem 12. Jahrhundert unter den dem Bisthum verliehenen Gütern die Mühle mit auf:

- locum et aquam molendinarem in aquilonari parte ciuitatis Zverin. -

In den Exemplaren C dieser Urkunde heißt es nur molendinum in aquilonari parte civitatis situm. In den Bestätigungsurkunden und zwar

1) des Papstes Alexander III. von 1178 wird gesagt: "molendinum unum,"

2) des Papstes Urban III. und Clemens III. von 1186 und 1189: "molendinum a ciuitate in parte aquilonis situm,

3) Papst Cölestin III. spricht 1191 nur von 2 "wichskepel," die von molendino in aquilonari parte Zverinensis ciuitatis posito an das Decanat gegeben werden sollen, und läßt es ungewiß, ob die Mühle bischöfliches Eigenthum ist oder nicht, während er

4) in der Bestätigungsurkunde von 1197 ganz unzweideutig molendinum a ciuitate in parte aquilonis situm unter den Besitzungen des Bisthumes aufführt.

Sie alle sprechen also im Gegensatz zu dem doch sonst gebrauchten gefälschten Exemplar B. der Bewidmungsurkunde

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nur von der Mühle allein, während dieses auch die aqua molendinaris mit enthält.

Ihm folgte:

5) Kaiser Otto IV. in seiner Bestätigungsurkunde von 1211, indem er als Besitzungen des Bischofes anführt molendinarem locum et aquam prope Zwerin versus aquilonem.

Was kann man nun unter molendinaris aqua = Mühlwasser verstehen? Nach gewöhnlichem Sprachgebrauch ist dies der Mühlenteich, möglicher Weise auch das für den Mühlenbetrieb aufgestaute Wasser. Diese Auslegung fand indessen das Bisthum zu eng und in dem oben besprochenen Vergleich zwischen Bischof Hermann von Schwerin und dem Grafen von Schwerin vom Jahre 1284 1 ) wurde bestimmt, daß der Ziegelsee vom Mühlendamme, d. i. dem Spielthordamm ab - stagnum quod Tegelse wlgariter dicitur, ab aggere molendini nostri - bis zu seiner Verbindung mit dem Großen See zur bischöflichen Tafel gehören soll. Weiter heißt es dann:

Similiter stagnum, quod molendino nostro affluit, ascendendo sursum vsque in stagnum de Magno Medewede et ipsum stagnum vsque ad lacum in utraque parte litoris nostrum erit.

In dieser Bestimmung sind drei Gewässer aufgeführt, einmal dasjenige, das die Mühle zunächst treibt, dann ein Wasser, das in dieses mündet, und von dem Medeweger See, dies ist das dritte, namentlich aufgeführte, Gewässer, abfließt. Dieser Abfluß kann nur der Au=Bach sein und dessen teichartige Erweiterung vor und bei der Bischofsmühle ist der stagnum, quod molendino nostro affluit.

Der Spielthordamm ist der alte agger molendini nostri des Vergleiches, denn es giebt weiter keine andere ähnliche Vorrichtung bei dem Ziegelsee, der doch dem Bischof vom Mühlendamm ab gehören soll. Dieser Damm wird im Vergleich von 1284 auch als uia noua ad terras per aquam aufgeführt und in Betreff seiner bestimmt, daß die Schelfbewohner ihn nicht benutzen, sondern ihren Weg durch die Stadt nehmen sollen. Die Erhaltungspflicht des Dammes lag dem Grafen ob, denn nachdem im Vergleich die Grenze des geistlichen Gebietes in der Stadt festgesetzt und betreffs der Schelfe


1) No. 1766 M. U.=B. III.
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bestimmt wird, daß diese dem Bischof gehöre, wird sogleich hinzugefügt, daß jedoch der Graf und seine Erben von dem schon erwähnten Weinberg die zu der Ausbesserung des Dammes erforderliche Erde solle nehmen können. Diese Bestimmung ist in hohem Maße auffallend. Wie kam es, daß der Graf diese lästige Verpflichtung übernahm, von der er wenigstens nach den Urkunden gar keinen Nutzen hatte? Wir sind hier lediglich auf die Conjectur angewiesen. Um Licht in die Sache zu bringen, muß man sich klar machen, wem der Mühlendamm nützte. Zunächst wird jeder hierbei an den Bischof denken, da der Damm in der Urkunde als der zu der Bischofsmühle gehörige Mühlendamm aufgeführt wird; betrachtet man aber die Verhältnisse näher, so wird man zu einem anderen Resultat gelangen. Die Bischofsmühle wurde durch das Wasser getrieben, das durch den Au=Bach aus dem Medeweger See strömte, dasselbe konnte durch einen Damm, der vor der Mühle in der Verlängerung des Spielthordammes lag, gestauet werden und floß, nachdem seine Kraft ausgenutzt war, in den tiefer gelegenen Pfaffenteich, mithin war das Wasser dieses Teiches für die bischöfliche Mühle nicht mehr nutzbar zu machen, und hätte die Einschüttung des Spielthordammes für den Bischof keinen anderen Zweck haben können als den, für die Schelfbewohner einen bequemeren und näheren Zugang zu ihrer Mühle und zum festen Lande herzustellen als der durch die Stadt war. Gerade diesem Zweck aber, dem einzigen, der für den Bischof ein Interesse darbot, sollte der Damm nicht dienen,

- homines de Scala uiam nouam ad terras per aquam non habebunt, sed - habebunt introitum et exitum ciuitatis et transitum per eandem.

Dagegen wissen wir, daß der 5,5 Toisen=Fuß höher als der Burgsee gelegene Pfaffenteich durch den Fließgraben in den Burgsee abfließt; dieser Fließgraben bildete aber die westliche Grenze der Stadt, und ein für die damalige Zeit bedeutendes Vertheidigungsmittel und Bollwerk, ferner trieb das Wasser des Pfaffenteiches durch den Fließgraben die Grafenmühle, ferner speiste der Pfaffenteich den Stadtgraben zwischen Schwerin und der Schelfe, der Stadt Schwerin also und durch sie den Grafen von Schwerin kam der ganze große Nutzen des Spielthordammes zu Gute. Wenn dieser Damm, der noch im 13. Jahrhundert errichtet sein wird, da er im Vergleich "uia noua" genannt wird, nicht existirt hätte, so wäre der Pfaffenteich ein Theil des Ziegelseees und

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mit diesem im gleichen Niveau geblieben, und wären damit alle eben aufgeführten Vortheile des höheren Wasserstandes des Pfaffenteiches nicht möglich gewesen. Der Mühlendamm, der jetzige Spielthordamm, war also, obgleich er agger molendini nostri, d. i. der Mühle des Bischofes, genannt wird, doch nicht der Damm für diese sondern für die Grafenmühle, die ohne ihn unmöglich war; nicht mehr als billig war es daher, daß der Graf die Verpflichtung, diese für ihn so wichtige Anlage zu unterhalten, übernahm, um so mehr als der Pfaffenteich nach dem Vergleich nicht dem Bischof, sondern ihm gehörte, denn der Bischof sollte haben:

stagnum, quod Tegelse wlgariter dicitur, ab aggere molendini nostri ex vtraque parte litoris usque ad lacum (!) ubi lacus magnum stagnum influit, ad mensam episcopalem libere pertinebit.

Also der Ziegelsee soll dem Bischof gehören und zwar nur vom Mühlendamm ab, nicht auch der durch den Damm abgetrennte Theil dieses Seees, der Pfaffenteich, der blieb dem Grafen. Man könnte auf den ersten Blick hierüber zweifelhaft sein und die Worte "ab aggere - ex utraque parte litoris" so verstehen, daß damit gesagt sein sollte, vom Mühlendamm ab nach dessen beiden Seiten hin, indessen kommt die Redewendung "in utraque parte litoris" auch gleich nachher bei dem Medeweger See, der keinen Damm hat, vor, bedeutet also nichts weiter, als daß der See bis zu seinen beiden Ufern dem Bischof gehören soll.


Die Grafenmühle.

Am südwestlichen Ende der Stadt, am Fließgraben, dicht vor dessen Austritt in den Burgsee, war die Grafenmühle gelegen, und geht aus den urkundlichen Nachrichten, wenn auch nicht genau der Platz, auf dem sie gestanden hat, so doch das hervor, daß sie in der Gegend von früh her sich befunden hat, wo die Merian'sche Abbildung sie zeigt und wo sie noch in unserer Zeit zu sehen war, beim Eintritt in die Stadt hart rechts vom Mühlenthor, dort wo jetzt das erste Haus in der Schloßstraße rechter Hand, von der Kaiser=Wilhelmsstraße aus gerechnet, liegt.

Aus der vorhergehenden Darstellung ergiebt sich, daß diese Mühle erst nach Vollendung des Spielthordammes errichtet sein kann, mithin im 13. Jahrhundert. In den

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Urkunden kommt sie zuerst unterm 2. Juli 1217 1 ) vor, wo Graf Gunzelin aus ihr eine Rente von 8 sol., de molendino prope Zuerin, anweist.

Im Jahre 1298 am 21. December wurde die ganze Anlage von den Grafen Gunzelin und Heinrich von Schwerin (letzterer war noch minderjährig, weshalb sein Oheim, Graf Nicolaus von Schwerins Wittenburg, sich für die Genehmigung dieses Verkaufes nach erreichter Volljährigkeit verbürgte 2 ), an das Kloster Reinfeld für die Summe von 1624 Mark Lüb. verkauft, welchen Preis das Kloster den Grafen sofort baar auszahlte 3 ). Die Mühle gehörte lediglich den Grafen von Schwerin, die Stadt hatte nicht das kleinste Recht an ihr, - nichil iuris uel proprii haheamus in molendinis adiacentibus nostre ciuitati, - so, daß sie dieselbe auch nicht zu irgend welchen städtischen Abgaben oder Diensten heranziehen konnte. Auch verhieß die Stadt, das Kloster weder beim Stauen, noch beim Ablassen des Wassers, noch irgendwie an den Wasserläufen in oder außerhalb der Stadt zu stören, und versprach, den Damm der Mühle - es ist hier nicht an den vorhin besprochenen Spielthordamm, sondern an einen Damm, ein Wehr, im Fließgraben zu denken - nicht mit Vieh oder Wagen zu passiren und, wenn an dem Mühlenwasser noch eine Mühle gebaut werden sollte, wie dies in dem Kaufcontracte vorgesehen, dieselbe gegen feindliche Angriffe als eine Vormauer der Stadt zu vertheidigen 4 ).

- nos tarn illud, quod foris esset, quam quod intus est, sicut propugnacula, ciuitatis defendere teneremur.

Durch diese Wendung könnte möglicherweise die Ansicht hervorgerufen werden, daß die Grafenmühle auf städtischem Grund und Boden und innerhalb der Stadtmauer gelegen gewesen wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Die Mühle lag allerdings mit der Stadt auf derselben Seite des Fließgrabens und unmittelbar bei dem Mühlenthore, aber doch nicht innerhalb der Stadtmauern, denn die Stadt spricht in der Urkunde vom 21. December 1298 5 ) von molendinis adiacentibus nostre ciuitati, und in der Urkunde vom 2. April 1326 6 ) wird von der Stadt verkauft


1) No. 235 M. U.=B. I.
2) No. 2526 M. U.=B. IV.
3) No. 2527 M. U.=B. IV.
4) No. 2528 M. U.=B. IV.
5) No. 2528 M. U.=B. IV.
6) No. 4712 M. U.=B. VII.
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"dat rum buten der stat, dar de mole vppe steyt"; es sollen die Worte "tam illud quod foris esset quam quod intus est," nur bedeuten, daß die Mühlenanlage, die möglicherweise jenseits des Fließgrabens errichtet würde, ebenso wie die mit der Stadt diesseits gelegene vertheidigt werden sollte.

Dem Kloster Reinfeld wurde von den Grafen verkauft der Grund und Boden, die Häuser, die Schleuse und alle Einkünfte der Mühle, nämlich 15 Last harten und 8 2/3 Last weichen Getreides, mit dem vollen Gericht zu "manrecht," so daß weder sie, die Verkäufer und ihre Nachfolger, noch die Stadt irgend welche Dienste von der Mühle zu fordern berechtigt sin sollten; auch wurde dem Kloster das Recht eingeräumt, frei kaufen und verkaufen zu können und ihr Getreide und den Zins von ihren Besitzungen ungehindert und frei von Zoll zu verschicken. Ferner verpflichteten sich die Grafen, dem Kloster das zum Bau und zur Ausbesserung der Gebäude wie des Dammes nöthige Material an Holz und Erde an bequem gelegenen Ortschaften anzuweisen und die Anlage einer anderen Mühle, Wasser= oder Windmühle innerhalb des Raumes einer halben Meile von der Stadt nicht zu genehmigen. Das Recht des Fischfanges unterhalb oder oberhalb der Mühle auf Steinwurfweite erhielt das Kloster gleichfalls.

Was nun die Mühleneinrichtungen selbst angeht, so erhellt aus der Urkunde, daß die Mühle vier Räder hatte, daß die Wasserstandshöhe sich nach dem vom Grafen selbst gesetzten und gezeichneten Pfahle richten, und daß das Kloster das Recht haben sollte, wenn es noch weitere Mühlenanlagen machen wollte, dieselben an der Stelle, wo sie früher gewesen waren, zu errichten und die Schleuse anzulegen.

- addicientes, ut, si preter illas quatuor rotas, que nunc sunt, alias facere uoluerint in eodem loco ubi prius fuerant, gurgitis eiusdem liberam habeant facultatem. -

Die Mühle hat also früher an einem andern Ort gestanden, den wir nicht mehr kennen.

Erst am 2. April 1326 ist wieder von ihr die Rede; der Rath der Stadt Schwerin bekennt, daß er dem Kloster Reinfeld dat rum vppe der nigenstat, also iit begrepen is mit schunen vnde mit spikere vnde mit alleme rume, also it broder Ghert begrepen heft - vnde dat rum buten der stat, der de mole vppe steyt, binnen deme tune bi beyden

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sit des grauen eweliken tů beholdende na bůrrechte 1 ) überlassen habe. Hiernach scheint das Kloster Reinfeld von der Befugniß, die Mühlenanlage auf der alten Stelle wieder zu errichten, Gebrauch gemacht zu haben, da die Urkunde von einen Raum spricht, der zu beiden Seiten des Grabens gelegen und mit einem Zaun abgegrenzt ist. Auffallend und im Widerspruch mit der Urkunde vom 21. December 1298 2 ) ist der Umstand, daß die Stadt jetzt rechte an der Mühle veräußert, während ihr doch früher ihrer eigenen Angabe nach gar kein Recht an derselben zustand, ferner daß der Klosterbruder, der jedesmal in der Schweriner Mühle ist, dem Rath von Schwerin am Michaelistage jeden Jahres 12 Schilling geben soll, was ganz wie eine Recognition aussieht. Es bleibt nur die Möglichkeit, anzunehmen, daß die Stadt inzwischen doch gewisse Rechte an der Mühle erworben hat, eine Annahme, die bei den guten Verhältnissen des Klosters Reinfeld allerdings nicht recht wahrscheinlich ist.

Auf eine neue Anlage des Klosters bei der Grafenmühle möchte auch das Zeugniß des gräflichen Vogtes Heinrich Rosenhagen vom 10. August 1328 3 ) zu beziehen sein, nach welchem der Schweriner Bürger Hermann Wend seinen Ansprüchen auf eine Schleuse bei der Grafenmühle - quoddam gurgustrium situatum loco, qui wlgo dicitur des Greuen molen - entsagt hat, womit sein Streit mit dem Kloster Reinfeld beigelegt ist.

Der Mühlen= oder Fließgraben diente, wie wir sahen 4 ), auch dazu, die Grube mit frischem Wasser zu versehen und zu reinigen, zu welchem Zweck dieselbe mit dem Fließgraben in Verbindung stand, die mit einer Schleuse bei der Heiligen Geist=Brücke abgesperrt werden konnte. Damit nun das Wasser der Grube nicht in Fäulniß überging, verpflichtete sich das Kloster, frisches Wasser zur Reinigung und zum Besten der Stadt durch die Grube strömen zu lassen, wenn dasselbe ohne Schaden und Nachtheil für den Mühlenbetrieb entbehrt werden könnte. 5 ) Das letztere scheint nun nicht gerade häufig der Fall gewesen zu sein, denn am 7. Mai 1339 6 ) ist abgemacht, daß das Kloster die neue Schleuse bei der Heiligen Geist=Brücke auf Requisition des Rathes


1) No. 4712 M. U.=B. VII.
2) No. 2528 M. U.=B. IV.
3) No. 4962 M. U. = B. VII.
4) Vgl. S. 88.
5) No. 5264 M. U.=B. B. VIII.
6) No. 5956 U.=B. B. IX.
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"sobald es nöthig" - cum necesse fuerit - öffnen und das alte, faulige Wasser ab= und neues zulaufen lassen soll, dafür aber sich eine Schleuse an der Brücke bei der Grafenmühle am Ende des Fließgrabens anlegen kann,

- gurgustium, quod communiter vorescutte dicitur, iuxta pontem in loco, qui dicitur "tho des greuen molen" -

die es nur schließen darf, wenn die Reinigung der Grube dies erforderlich macht.

Schließlich bedarf es noch der Erwähnung, daß die Mühle durch eine zu ihr gehörige, zum Theil auf städtischem Gebiet errichtete Mauer von der Stadt getrennt war; der Rath von Schwerin verkauft nämlich unterm 3. Mai 1337 dem Kloster Reinfeld einen Theil des Badstüberplatzes, partem aree stupe, mit der Befugniß resp. Verpflichtung, die Mauer, murus molendini, wegen der Feuersgefahr noch höher aufzuführen, 1 )

Die letzten Nachrichten über die Mühlen= und Wasserverhältnisse in dem hier behandelten Zeitabschnitte beziehen sich auf die Schleuse des Grabens inter Schelmonem Zwerinensem et murum ciuitatis Zwerinensis. Dieser Graben floß aus dem Pfaffenteich, an dem Schelfthore vorbei, in den Großen See. Im Jahre 1344 wollte das Kloster Reinfeld nun die Schleuse neu bauen, wurde aber durch das Schweriner Domcapitel daran verhindert, das über die Construction und den Wiederaufbau derselben verbriefte Rechte zu haben behauptete, trotzdem das Kloster dem Capitel mit der "scrotwaghe" vormaß, daß die neu zu erbauende Schleuse weder höher noch tiefer liegen würde als die alte. Das Capitel konnte allerdings durch die durch einen Neubau möglicherweise bewirkte größere Ausstauung des Wassers - der Streit wird in dem schließlichen Vergleich des Bischofes und des Klosters vom 30. Juli 1344 und sonst "questio super instagnacione aque molendina - pellentis" genannt - an den am Pfaffenteich belegenen Theil der Schelfe geschädigt werden, und wird auch die Sache wohl ihren Haken gehabt haben, denn das Kloster versprach schließlich, die neue Schleuse in derselben Höhe zu bauen wie die alte und dem Capitel den Betrag von 100 Mark zu zahlen. Die desfallsige Quittung datirt vom 4. April 1345. 2 )


1) No. 5703 M. U.=B. IX.
2) No. 6432, 6438, 6439 und 6513 M. U.=B. IX.
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Dies sind die Nachrichten, die uns über die Grafenmühle aus dieser Periode ihrer Geschichte erhalten geblieben sind. Es fällt auf, daß des Seeke=Canales dabei mit keiner Silbe Erwähnung geschieht, und steht deshalb zu vermuthen, daß er zu der Zeit noch nicht erbaut war, denn wenn dieser Canal schon damals existirt hätte, so würde er unbedingt in der Verkaufsurkunde Erwähnung, gefunden haben, sei es, daß er als mit verkauft oder als vom Verkauf ausgenommen aufgeführt wäre. Auf der Merian'schen Abbildung von Schwerin ist der Seeke=Canal angegeben, er mündet in den Festungsgraben.


Aeußere Schicksale.

Ueber die äußeren Schicksale der Stadt Schwerin in dieser unruhigen Periode sind urkundliche Nachrichten nicht erhalten geblieben. Jedenfalls aber wird die Stadt in den kriegerischen Zeitläuften gegen Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts, in jenen Zeiten, wo Dänemark sich in Norddeutschland zeitweilig mit Erfolg festzusetzen versuchte, und seine Bestrebungen erst durch die bekannte mannhafte, kühne That des Grafen Heinrich von Schwerin in der Nacht vom 6./7. Mai 1223, die Gefangennahme Königs Waldemar von Dänemark, und durch die Schlacht bei Bornhövede am 22. Juli 1227 ihr Ende erreichten, jedenfalls wird die Stadt in diesen Zeiten auch manche Drangsal erlitten haben.

Ob Graf Heinrich den König Waldemar hier in Schwerin gefangen hielt, ist eine Frage, die urkundlich sich nicht entscheiden läßt; Eike von Repgow berichtet, Graf Heinrich habe den König zuerst nach Lenzen, dem Brandenburgischen Lehen Heinrichs, gebracht, was durch die Bulle vom 4. November 1223 1 ) bewahrheitet wird, zuletzt nach Schwerin. Hier wird auch der in der Schlacht bei Bornhövede gefangene Herzog Otto von Braunschweig in Gewahrsam gehalten sein, den Graf Gunzelin nach seines Vaters, des Grafen Heinrich, im Jahre 1228 erfolgten Tode seiner Haft entließ. 2 )

Eine Belagerung, die resultatlos verlief, hatte Schwerin im Jahre 1322 auszuhalten, als Graf Heinrich von Schwerin dem Fürsten Heinrich den Löwen von Meklenburg, in dessen Händeln wider seine zahlreichen Gegner zur Seite stand,


1) No. 297 M. U.=B. I.
2) No. 364 M. U.=B. I.
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dann aber 1358 die Belagerung durch Herzog Albrecht von Meklenburg. Auch er konnte Schwerin nicht zwingen, das vom April bis zum December seinen Bemühungen widerstand, trotzdem der Herzog die Belagerung so ernsthaft wie möglich trieb und vor Schwerin auf der Schelfe eine Burg "castrum nouum Schwerin" errichtete. Die Belagerung war eine Episode in den Kämpfen zwischen den Herzogen von Meklenburg und der Wittenburgischen Linie der Grafen von Schwerin um die Grafschaft. Zum besseren Verständniß dieser für das ganze Land Meklenburg, insbesondere aber die Stadt Schwerin so wichtigen Ereignisse vernothwendigt sich ein kurzer Blick auf die Landesgeschichte.

Graf Gunzelin III. 1 ) von Schwerin, ein Enkel des Grafen Gunzelin, den Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen mit der Grafschaft Schwerin belehnte, ein Sohn des Grafen Heinrich, der den König Waldemar fing, vereinigte in seiner Hand die ganze Grafschaft und hinterließ bei seinem 1274 erfolgten Tode zwei Söhne 2 ), Helmold III.


1) Es ist bei der folgenden Darstellung die Stammtafel der Grafen von Schwerin nach der Abhandlung des Herrn Archivrathes Dr. Wigger, Jahrbücher XXXIV, S. 82 flgd. zu Grunde gelegt.
2) Zur leichteren Uebersicht folgt hierunter der Stammbaum der Grafen, bei dem, wie schon ja aus der Darstellung ersichtlich, alle nicht zum Verständniß nothwendigen Personen fortgelassen sind.
Stammbaum
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und Nicolaus I., die sich in die Grafschaft so theilten, daß der ältere, Graf Helmold III., (1295) Schwerin, Neustadt, Marnitz, der jüngere Nicolaus I., († 1323) Wittenburg, Boizenburg, Selesen mit der Stadt Crivitz erhielt. Schon mit Graf Helmolds Sohn, Heinrich III., starb 1344 der ältere Zweig des Grafengeschlechtes aus. Graf Nicolaus I. hinterließ zwei Söhne, Gunzelin VI. († 1327) und Nicolaus II. († 17. Mai 1349), die sich nach ihres Vaters Tode in seine Lande so theilten, daß Graf Gunzelin Wittenburg, Graf Nicolaus Boizenburg und Selesen übernahm. Graf Gunzelin VI., vermählt mit der Gräfin Richardis von Tecklenburg, starb im Jahre 1327 und hinterließ die Söhne Nicolaus III. und Otto I., die sich über die väterliche Erbschaft so verständigten, daß der ältere, Nicolaus III., die Grafschaft Tecklenburg, der jüngere Otto I., Wittenburg erhielt, es war also die alte Grafschaft Schwerin 1344, vor dem Tode des Grafen Heinrich III., in 3 Händen: Graf Heinrich III. besaß Schwerin, Neustadt und Marnitz, sein Vetter Graf Nicolaus II. Boizenburg und Selesen, sein Großneffe Otto I. Wittenburg. Dessen Bruder Nicolaus III. hatte von der Grafschaft Schwerin nichts, sondern war mit der mütterlichen Erbschaft, der Grafschaft Tecklenburg, abgefunden. Nun erlosch 1344 mit dem Tode Heinrichs III. die Schweriner Linie der Grafen, und verständigte sich die nachbleibende Wittenburger Linie, Otto I. und Nicolaus II., so über die Lande Heinrichs III., daß Graf Otto I. dessen Besitzungen übernahm, dagegen sein Land Wittenburg seinem Oheim Nicolaus II. übergab. So weit war Alles klar und bestand kein Streit, der begann, als Gras Nicolaus II. am 17. Mai 1349 kinderlos das zeitliche segnete, nachdem er Boizenburg und Crivitz einmal am 19. April 1326 seinem Vetter Heinrich III. zur Erbhuldigung überlassen, dann am 7. März 1343 mit den damaligen Fürsten, späteren Herzogen, Albrecht und Johann von Meklenburg einen Successionsvertrag geschlossen hatte. Hierauf gestützt, erhoben die Herzoge von Meklenburg nach dem Ableben des Grafen Nicolaus II. Ansprüche auf die Grafschaft, die die Grafen von Schwerin bestritten, es kam zum Kampf, in welchen nach dem im Jahre 1356 erfolgten Tode des Grafen Otto I., der ebenfalls ohne Hinterlassung männlicher Erben verstorben war, dessen Bruder Graf Nicolaus III. von Tecklenburg mit seinem Sohne, Graf Otto II., eintrat. Dies war der Kampf, in dessen Verlauf die Stadt Schwerin die lange Belagerung auszuhalten hatte, und der damit endete, daß die Grafen Nicolaus III. und Otto II.

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die ganze Grafschaft Schwerin dem Herzog Albrecht von Meklenburg nach dem vor dem 1. December 1358 erfolgten Friedensschluß am 7. December 1358 zu Plüschow für 20000 Mark Silbers verkauften. Damit war die Stadt Schwerin wieder unter die Hoheit des angestammten meklenburgischen Fürstenhauses gekommen, sie öffnete ihre Thore ihrem neuen Landesherrn, Herzog Albrecht I. von Meklenburg, der den queer getheilten Schild der Grafen von Schwerin seinem Wappen zufügte und seinen Einzug in die Stadt hielt, die ihm bereits am 1. December 1358 auf Geheiß der Grafen Nicolaus III. und Otto II. von Tecklenburg Erbhuldigung geleistet hatte 1 ), und die von da ab stets die Haupt= und Residenzstadt des Hauses und Landes Meklenburg blieb.



1) Die betreffende Urkunde hat mir in einer vom Herrn Geh. Archivrath Dr. Lisch schon vor vielen Jahren für die Jahrbücher angefertigten Abschrift vorgelegen und ist in der Anlage abgedruckt, da ihre Veröffentlichung im Urkundenbuch wohl noch einige Zeit ausstehen wird.
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Anlage.


Die Burgmänner des Schlosses, die Vasallen des Landes und die Stadt Schwerin leisten dem Herzog Albrecht von Meklenburg und dessen Söhnen Heinrich, Albrecht und Magnus auf Geheiß der Grafen Nicolaus III. und Otto II. von Tecklenburg und Schwerin Erbhuldigung

Schwerin d. 1. December 1358.

Wy Otto van Tzychusen, Hennyngh Haluerstad, Matthias Rauen, Ghotschalk van Tzůlowe vnde Hinrik Růsenhaghen, borchlude des hůses tů Zwerin, Vlrich van Dryberghe ridder, Hennyngh Knop, Antonius van Schonenuelde vnde Johan Bercheteheyle, knapen, vnde de menen man des landes tů Zwerin vnde wi borghermestere Herman Wickendorp vnde Hinrik Teyleman, Cůpeke Wendelstorp, Arnoldus Roghan, Johan Zwerin, Herman Stralendorp vnde Johannes Pape, ratman vnde de ganze menheyt der stad tů Zwerin bekennen vnde betůghen openbar in dessem ieghenwardighen breue vor allen luden, de en seen odder høren, dat wi van hete vnde van bode vser heren, hern Nicolaweses vnde iuncheren Otten sines sønes, greuen tů Zwerin vnde Tekeneborch, vnde na vůlbort erer neghesten vnde erer rathgheuen, hebben ghehuldighet vnde ghesworen, huldighen vnde sweren in desme breue den dorluchtighen vorsten her Alberte, Hinrike, Alberte vnde Magnus, sinen sønen, hertoghen tů Mekelenborgh, tů Stargarde vnde Rostok heren, vnde eren sone eruen ene rechte eruehůuldinghe in desser wis: were dat vse vorbenomeden heren vorstoruen sunder sone eruen, dat got vorbede, dat wi ghenzliken den vs scolen holden vnde bliuen bi den vorbenomeden hertoghen vnde eren sone erven vnde bi en důn also trůwe borchman, man, borchermestere, ratman vnde menheyt bi eren heren; were ok dat vse vorbenomeden heren oder ere sone eruen dit vorscreuen hus, stad, man vnde land tů Zwerin bi creme leuende vorkopen vnde vorlaten wolden, deme kope vnde vorlatende scolen de vorbenomeden hertoghe vnde ere sone eruen neghest wesen, deste se vnde ere sone eruen vsen vorbenomenden heren vnde eren sone eruen dar vmme důn also vele, also se van

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enem anderen dar vmme hebben moghen edder also vele, dat en ghenôghe, vnde were dat dat wanner scheghe so scole wi vnde willen vns ok an de vorbenomeden hertoghen vnde ere eruen holden vnde ghenzliken bi en bliuen vnde bi en důn also trůwe borchman, man, borchermestere, ratman vnde menheyt tů rechte bi eren heren důn scolen. Vnde dat wi al desse dink stede vnde vast holden willen, dat lowe wi, reden vnde sweren dat in den hilghen vor vns vnde vse nakomehnge den vorbenomeden hertoghen vnde eren sone eruen mid hande vnde mit můnde vnde mit vprichteden vingheren vnde hebben tu ener merer bekantnisse vnde tůghinghe desser dink wi borchmam vnde man vorscreuen vse ingesegele vnde wi ratman vser stad ingeseghel vor dessen ieghenwardighen breef laten vnde heten henghen, de ghegheuen vnde screuen is tů Zwerin na godes bort důsent iar drehůndert iar in dem achte vnde veftighesten iare, des sůnauendes na sunte Andreas daghe des aposteles.

Auf Pergament in cursivischer Minuskel. An Pergamentstreifen hangen folgende Siegel:

1) Siegel

Helm mit beblümten Römern im Schilde.

2) ist zerbrochen.

3) Siegel

links gekehrter Rabe im Schilde, klar und bestimmt.

4) Siegel

schraffirter Querbalken im Schilde.

5) Siegel

zwei ins Kreuz gelegte Rosenbüsche im Schilde.

6) ist abgefallen.

7) Siegel

schräggevierteter Schild im Dreipaß.

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8) Siegel

schraffirter Queerbalken im Schilde.

9) Siegel

aufgerichteter Löwe im Schilde im Dreipaß.

10) Das große alte Siegel der Stadt Schwerin.

 

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