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bei Neu=Bukow ist zwar in den Jahrb. X, 1845, S. 313, aufgeführt, jedoch nur so kurz, daß sich der eigentliche Charakter nicht erkennen läßt. Es ist mir durch Beförderung des Herrn v. Oertzen auf Roggow, des Patrons der Kirche, im J. 1865 noch ein Mal vergönnt gewesen, eine Untersuchung anstellen zu können.
Die Kirche, welche seit uralter Zeit unter dem Patronat der Familie v. Oertzen auf Roggow steht, ist eine der bedeutenderen Landkirchen der Gegend. Sie bildet ein langes Oblongum von 4 Gewölben Länge, an welches sich im Westen ein kleines Thurmgebäude lehnt. Der Baustyl ist gothisch, jedoch in den zwei Abtheilungen sehr verschieden.
Der Chor, von 2 Gewölben Länge, ist frühgothisch, (etwa von 1275). Ein Pfarrer Gerhard kommt schon 1306 in einer Doberaner Urkunde vor ("Gerhardus plebanus in "Russowe"). Der Chor ist aus Feldsteinen und aus Ziegeln gemischt aufgeführt, jedoch so, daß das Hauptgerippe der Kirche ganz aus Ziegeln besteht und nur die Hauptmassen der Wände in regelmäßigen Tafeln aus Feldsteinen bestehen. Der Chor hat keine Strebepfeiler. Die gut construirten Fenster sind spitzbogig gewölbt und weit, jedoch ohne Schmuck, vielmehr ganz einfach mit rechtwinklig eingehenden Laibungen eingehend. Das Altarfenster, welches dreitheilig gewesen ist, ist bedeutend größer, als die Seitenfenster, welche auch dreitheilig gewesen zu sein scheinen. Sonst hat die ganze Kirche im Aeußern keinen architektonischen Schmuck. Der Gurtbogen der beiden Gewölbe ruht auf zwei dünnen Wandpfeilern, welche noch an die alte Zeit erinnern und sehr schön construirt sind; die Gewölberippen sind eben so gut und regelmäßig darauf gesetzt. Die Wände des Chors sind im Innern gelblich grau geputzt und mit rothen Rankenmalereien verziert, wie sich aus einigen Spuren sicher ergeben hat.
Das Schiff der Kirche ist auch gothisch, jedoch um etwa 100 Jahre jünger. Wahrscheinlich ist dies der Bau, welcher unter Hermann II. auf Roggow 1369 im Gange war; am 26. Juni 1369 liehen nämlich Werner Lischow und seine Frau Christine 50 Mark lüb. Pf. (ungefähr 400 Thaler) zum Bau der Kirche zu Russow ("ad structuram ecclesie ville Russow"); vgl. Lisch Gesch. des Geschl. v. Oertzen II, B, S. 14, und A, S. 3. Wenn auch bei größeren Kirchen unter "Structur" ("structura") oft nur die ununterbrochen fortge=
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führte Bauverwaltung zu verstehen ist, so kann
man dies hier bei einem so großen Capital für
eine kleine Landkirche doch nicht annehmen. Man
kann daher hier nur an einen Neubau denken. Er
ist zwei Gewölbe lang und von Strebepfeilern
gestützt. Die Fenster haben zwar die Grundform
der Chorfenster, sind aber nur verkümmerte
Nachahmungen derselben. Der Gurtbogen zwischen
den beiden Gewölben ruht auf starken achteckigen
Pfeilern, welche aus den Seitenwänden
hervorragen; die Gewölberippen sind ziemlich roh
auf diese Pfeiler gesetzt. An das östliche
Schiffgewölbe ist ein Kreuzschiff von einem
Gewölbe angesetzt, welches ebenfalls die
Chorfenster nachahmt; das südliche Hauptfenster
desselben, welches ebenfalls dreitheilig ist,
ist mit einem Rundstabe von abwechselnd rothen
und glasurten Ziegeln eingefaßt. Gegenüber an
der äußeren Nordwand fand man die Verzahnung zur
Ansetzung eines Kreuzschiffes, welches jedoch
nicht zur Ausführung gekommen ist.
An altem
Mobiliar ist in der Kirche nur noch Folgendes:
Ein guter, verzierter Taufstein aus Kalkstein, wohl aus der Zeit der Erbauung des Chores, ist jetzt zurückgesetzt, aber der Wiederaufstellung werth.
Ein eben so altes, frei stehendes Weihwasserbecken ist nicht mehr vollständig vorhanden; das Becken fehlt.
Die Glocken sind bemerkenswerth.
Die Große Glocke. Unter der Inschrift ist auf dem Mantel eine große Darstellung in Relief. In der Mitte ist ein rundes Medaillon. In der Mitte desselben ist eine sitzende Maria mit dem Christkinde, sehr schön entworfen; zur rechten Seite derselben in kleinerem Maaßstabe, wie in Entfernung, ist Christus am Kreuz mit Maria und Johannes zur Seite, zur linken Seite ein anbetender männlicher Heiliger mit einem Stabe im Arme, etwas unklar (der H. Antonius?). Auf diesem Medaillon ist ein gothischer Baldachin aufgebaut, in welchem ein Hemd, der heilige Rock, hängt, an dessen jeder Seite eine Figur steht. Zur rechten Seite des Medaillons steht ein Schild mit dem lübischen Adler, zur linken Seite ein Gießerzeichen, zwei Winkel in einander gestellt. Im Anfange der Unterschrift steht zuerst ein gewöhnliches großes Inschrifts=Kreuz dann folgt ein großes, sauber modellirtes Antoniuskreuz in der Gestalt eines T, in dessen Querbalken das Wort S'. in Majuskelschrift steht; darauf folgt ein Schild mit dem oben beschriebenen Gießerzeichen. Auf dem Helme steht folgende Inschrift:
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Von demselben Glockengießer ist auch die große Glocke zu Dambek, Präp. Meteln, aus demselben Jahre; vgl. Jahrb. XXVII, S. 211 flgd.
Die kleine Glocke, welche gesprungen ist, hat folgende Inschrift:
nicht 1404, wie in Jahrb. X a. a. O. angegeben ist ( iiii ).
Darunter ein Gießerzeichen und eine Hausmarke.
Vor dem Altare liegt ein Leichenstein auf Jaspar v. Oertzen † 1728, Joachims Sohn, aus schwedischem Kalkstein, 7 Fuß lang und gegen 4 Fuß breit. Wappen und Inschriften sind erhaben auf vertieftem Grunde gearbeitet. Oben stehen unter einer Krone mit zwei fliegenden Bändern 3 Wappen in einer Reihe:
v. Lützow | v. Oertzen. | v. Plessen. |
S. C. V. L. | I. V. O. | A E. V. P. |
Darunter steht eine Inschrift:
H. IASPER. V. OERTZEN AVF
ROGGOW UND WACKENDORF
ERBH. I. K. M. ZV
DENM, VND
NORW. BESTAL
TER OBRIST. L
ZV.
ROS. NATVS 1670 DEN
30 AVGVS.
DENATVS
1728 DEN 10 XBER.
AETATIS. 58
IAHR 3 M:
11 TAGE
Auf dem Rande umher stehen die Bibelverse Psalm 116, V. 7-8, mit dem Anfange:
LEICHTEXT PSALM CXVI.
SEI
NVN WIEDER ZVFRIDEN
u. s. w.
Auf dem Altartische liegt eine große rothe Marmorplatte. Der Herr v. Oertzen auf Roggow, der jetzige Besitzer, berichtet 1865 folgenden interessanten Hergang: "Mein Vater ließ einmal diese Platte aufnehmen. Unter derselben
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fand sich eine hölzerne Schachtel, welche einen mit Blut getränkten Leinwandlappen und eine Urkunde enthielt. Die Urkunde sagte ungefähr Folgendes. Otto Dietrich v. Oertzen, Sohn des Landraths Helmuth Friedrich, sei 1737 in den Türkenkriegen bei Griechisch Weissenburg (Belgrad) gefallen und in Ungarn zu Hassan Bapan Palanka begraben. Sein Diener Heinrich Burmeister aus Roggow habe die Nachricht von seinem Tode und ein Stück von seinem Hemde, in sein Blut getaucht, nach Roggow zurückgebracht, welches in der Kirche zu Russow unter der Altarplatte beigesetzt worden sei. Für dieses Zeichen der Treue und Anhänglichkeit habe Burmeister für sich und seine Nachkommen auf ewige Zeiten 20 Quadratruthen Gartenland bekommen und das Amt in der Kirche die Orgelbälge zu treten." Noch heute, fügt Herr v. Oertzen hinzu, haben seine Nachkommen dieses Amt und diesen größern Besitz und sind sich dessen sehr wohl bewußt.
G. C. F. Lisch.