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IV. Nachtrag.
Römergräber in Meklenburg.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.

Fortsetzung von Jahrb. XXXV, S. 99, und XXXVII, S. 209.

 

Römische Alterthümer von Häven.

E. Vierte Ausgrabung.

Im Frühling des Jahres 1875 wurden auf dem Domanial=Pachthofe Häven bei Brüel nahe vor dem Hofe in demselben Sandhügel, in welchem seit 8 Jahren viele römische Gräber gefunden sind, beim Sandgraben zur Dämmung des Hofes wieder römische Alterthümer entdeckt. Dies veranlaßte den jetzigen (Gutspächter Herrn Bastian, die Grabungen mit Vorsicht und Ruhe zu betreiben, und so entdeckte derselbe 5 Fuß tief im Sande und ungefähr 10 Fuß von einander zwei Gräber mit Skeleten, deren Schädel im Norden, die Füße im Süden lagen, so daß die Leichen nach Süden schauend begraben waren, wie auch in den früher entdeckten Gräbern beobachtet war. (Vgl. Jahrb. XXXV, S. 123-124, und XXXVII, S. 208. Neben den Skeleten wurden die im Folgenden beschriebenen römischen Alterthümer gefunden, welche Herr Bastian mit großer Sorgfalt so gut es möglich war, sammelte und hob und unter Beförderung des zuständigen großherzoglichen Amtes Warin an die großherzoglichen Sammlungen einsandte.

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Grab Nr. 8.

Im Mai 1875 fand Herr Bastian ein Grab, welches von dem menschlichen Skelet nur noch einen zerbrochenen Schädel und einige Alterthümer enthielt. Die übrigen Knochen und vielleicht auch Alterthümer sind wahrscheinlich schon in früheren Jahren beim Sandgraben ausgegraben und verloren gegangen.

Der Schädel ist ein gut erhaltenes Bruchstück, welches das volle Stirnbein mit den Augenhöhlen und der vordern Hälfte des Oberschädels zeigt, also die volle Hälfte des Oberkopfes. Die Bildung mit hoher, senkrechter Stirn ist sehr schön. Die Maaße sind ungewöhnlich klein und die Knochen sehr dünn und fein. Fast könnte man glauben und man hat es wohl geglaubt, der Schädel habe einem kleinen Kinde angehört; aber der Schädel ist schon vollkommen und schön ausgebildet und die Schädelnäthe sind schon vollständig verwachsen, so daß keine Spur von einer Schädelnath zu sehen ist. Der Schädel 1 ) wird also einem schon ziemlich erwachsenen jungen Menschen oder einer zarten weib lichen Person angehört haben.

Der Schädel zeigt eine besondere Eigenthümlichkeit. Quer über der Stirn ist ein langer, schmaler, tiefer Spalt, wie von einem durchdringenden Schwerthieb. Manche Beurtheiler haben darin einen Spatenstich von der Aufgrabung erkennen wollen. Andere, denen auch ich mich anschließe, sehen darin eine Verwundung bei Lebezeiten der begrabenen Person. Der Schädelknochen ist nämlich nach innen nicht zu einem Loche durchbrochen oder zertrümmert, sondern die Wände sind nur regelmäßig und scharf durchgedrängt und stehen im Innern noch fest und angewachsen in pyramidalen Richtungen neben dem feinen durchgehenden Spalt. - Würde der Hieb von einer Verwundung einer lebenden Person herrühren, so würde auf grade nicht erfreuliche Zustände in der Zeit des Begräbnisses zu schließen sein.

In der Nähe dieses Schädels fanden sich folgende Alterthümer:

1) Ein kleines thönernes Gefäß, nach heimischer heidnischer Weise mit Sand durchknetet, hellbraun an Farbe, von einfacher cylindrischer Form, ohne alle Ausbauchungen und ohne alle Verzierung. Das Innere ist bis auf den Rand


1) Die Beurteilung der menschlichen Gebeine verdanke ich dem Herrn Dr. med. Döhn zu Schwerin.
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schwärzlich gefärbt und auch der äußere Rand hat an mehrern Stellen unregelmäßig kurze schwarze Flecke, als wenn etwas, z. B. Fett, übergeflossen und daran getrocknet wäre.

2) Eine kleine thönerne Urne, schwarz von Farbe und glänzend, fein gearbeitet. Um die obere Hälfte des Bauches laufen zur Verzierung 3 mal 3 fein eingeritzte horizontale Parallellinien in nahen Abständen. Die Urne hat an Gestalt und Verzierung etwas Fremdländisches. Ueber thönerne Urnen in Römergräbern vgl. Jahrb. XXXV, S. 122.

3) Zwei Eimer von Holz, mit Bronze=Beschlag. Die Bänder, die Randeinfassung und die Henkel sind von Bronze. Das Holz ist etwas dickfaserig und zerbrochen und größten Theils verloren gegangen; jedoch sind zur Erkenntniß und Beurtheilung noch Reste genug vorhanden. Die Eimer sind den früher zu Häven gefundenen hölzernen Eimern gleich; vgl. Jahrb. XXXV, S. 118 und 130 und Abbildung Taf. II, Figur 16. Die Henkel sind schmal, dünne und glatt, wie die früher gefundenen Eimerhenkel. Der eine Henkel hat gar keine Verzierungen, der andere gravirte leichte Randverzierungen von Halbkreisen. Die kleinen Nägel zur Befestigung der Bänder auf dem Holze sind sehr geschickt gearbeitet und wie modern.

4) Drei schmale und enge runde Beschläge von Bronzeblech, deren Gebrauch nicht zu errathen ist.

Grab Nr. 9.

Am 1. Juni 1875 fand Herr Bastian ein zweites Grab mit einem vollständigen großen Skelet. Der Schädel, von guter Stirnbildung, mit Unterkiefer, ist groß und sehr stark, wie es scheint ein Kurzschädel (Brachycephale). Die Zähne sind fein und schmal, vollzählig und gesund, aber schon ziemlich stark abgeschliffen. Nach dieser Beschaffenheit scheint der Schädel einem Menschen von wenigstens 50 Jahren angehört zu haben. Die Bein= und Armknochen sind grade nicht sehr stark, aber lang; das Oberschenkelbein (femur) ist 20 Zoll oder 48 Centimeter lang. Das Skelet deutet also auf einen altern, groß gewachsenen Menschen.

Neben dem Skelet fanden sich folgende Alterthümer:

5) Ein thönernes Gefäß, welches aber trotz der sorgfältigsten Vorsicht bei der Ausgrabung sogleich zerfiel.

6) Ein großer glockenförmiger Krater von Bronze, mit einem kleinen, starken Fuß und einem massiven, runden Henkel, wie die früher zu Häven gefundenen Krateren, welche

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in Jahrb. XXXV, S. 110 und S. 129 und XXXVII, S. 210, beschrieben und dazu Taf. I, Fig. 1 und Taf. II, Fig. 17 abgebildet sind. Der Krater, in der Oeffnung 9 1/2 Zoll weit, hat einen dicken, schweren Rand und Fuß, aber sehr dünne Wände, welche wie gewöhnlich durch den Erddruck fast alle in kleine Bruchstücke zerbrochen und beim Sandgraben verloren gegangen sind. Der obere Rand hat auf der Außenfläche 3 eingedrehete feine Linien zur Verzierung. Eben so sind auf der Unterseite des Fußes feine Kreise eingedrehet, wie auf den früher gefundenen Gefäßen dieser Art. Auf dem dicken Rande sitzen zwei Henkellappen mit einem Loche zum Einhängen eines Henkels. Der Henkel ist dick und rund und schön verziert, jedoch nicht in der Art, wie die früher gefundenen, auf Taf. II, Fig. 17 abgebildeten Henkel, sondern durch schräge gewundene erhabene Linien, wie ein Seil.

7) Eine größere Heftel oder "Gewandnadel" mit Spiralfeder, von Silber, ähnlich den früher zu Häven gefundenen, zu Jahrb. XXXV, Taf. II, Fig. 22-24 abgebildeten Hefteln (vgl. Jahrb. S. 103 und 116 . Das untere Ende des Bügels läuft in Trapezform aus, ungefähr wie Worsaae Nord. Olds. Taf. 88 Fig. 384, und ist hier mit einer dünnen goldenen oder vergoldeten punctirten Platte belegt, wie die runde Heftel Nr. 8 im Grabe Nr. 7 (Jahrb. XXXVII, S. 211). In der Mitte ist der Bügel mit einer runden Verzierungsplatte belegt gewesen, welche zwar abgebrochen, aber noch vollständig vorhanden ist. Die runde Platte hat ungefähr 2 Cent. im Durchmesser, ist von einem feinen silbernen Perlenringe eingefaßt und mit einer Halbkugel von dunkelblauem Glase belegt. Der Kitt ist noch vorhanden. Die Bestimmung der Verzierungsplatten wird also hiedurch klar.

8) Eine kleinere Heftel oder "Gewandnadel" mit Spiralfeder, von Silber, ähnlich der in Jahrb. XXXV, Taf. II, Fig. 22 abgebildeten Heftel, jedoch kleiner. Der Bügel läuft nach unten in eine runde Verzierungsplatte aus, welche ebenfalls mit grünem Glase in einem dünnen silbernen Perlenringe belegt gewesen ist, wovon noch Bruchstücke bei der Heftel gefunden und vorhanden sind.

9) Sieben birnenförmige oder beutelförmige Bommeln von Bernstein, von Gestalt und Arbeit ganz wie die früher gefundenen und in Jahrb. XXXV, S. 128, und XXXVII, S. 215 beschriebenen und zu Jahrb. XXXV, Taf. I, Fig. 14 abgebildeten Bommeln. Die jetzt gefundenen sind aber nur halb so groß, etwa 15 Millim. lang.

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10) Vier kleine Bernsteinknöpfe, Halbkugeln oder flach gewölbte Scheiben von 8 bis 10 Millim. Durchmesser, mit einem kleinen Loche in der Mitte, vielleicht Verzierungen zum Aufnähen oder Aufnieten.

11) Ein Kamm von Knochen, 12 Cent. lang und 6 Cent. hoch, ziemlich gut erhalten. Der Kamm besteht aus starkem Knochen und ist am Griff an jeder Seite mit dünnen Elfenbeinplatten belegt, welche mit Bronzestiften vernietet sind. Um die Niete laufen zur Verzierung wellenförmige Punctlinien. Dieser Kamm gleicht also an Größe und Arbeit ganz dem in der zweiten Aufgrabung gefundenen Bruchstück; vgl. Jahrb. XXXV, S. 126, und Abbildung Taf. II, Fig. 25. Größe und Gestalt sind ungefähr dem in Worsaae Nordiske Oldsager Taf. 84, Nr. 365 abgebildeten Kamm gleich.

12) Drei kleine Thierknochen, wahrscheinlich von einem Schaf. Die Knochen sind fester, glatter und heller, als die Menschenknochen, und wahrscheinlich gekochte Thierknochen von dem Leichenmahle und der Mitgift. Aehnliche Thierknochen wurden auch in dem ähnlichen Grabe Nr. 7 gefunden; vgl. Jahrb. XXXVII, S. 216.

Schlußbetrachtung.

Dieses Grab Nr. 9 gleicht also in Skelet und Beigaben ganz dem wahrscheinlich in der Nähe zuletzt im J. 1872 aufgegrabenen und in Jahrb. XXXVII, S. 209-216 beschriebenen Grabe Nr. 7, welches damals als ein Frauengrab erkannt ward. Die Leiche im Grabe Nr. 9 wird nach den Knochen und Zähnen, so wie manchen Beigaben auch eine weibliche gewesen sein.

Ornament

 

Verbesserungen.

Zu S. 157 muß es in der Ueberschrift heißen; außereuropäischer Völker, statt: anderer europäischer Völker.
Zu S. 163. Die Pfarre zu Lohmen ist nicht am 3., sondern am 4. November 1874 abgebrannt.