zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 161 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

Burgwälle im Osten Meklenburgs.


Der Burgwall von Neu=Nieköhr.

Eine Meile westlich von Gnoien und etwa 1/10 Meile in südwestlicher Richtung von dem Gute Neu=Nieköhr entfernt liegt ein nach Ausdehnung und Höhe bedeutender Burgwall, der bisher in den Jahrb. des Vereins noch keine Erwähnung gefunden hat, dessen Beschreibung wir aber um so weniger unterlassen wollen, als mit Recht bemerkt worden ist (Jahrb. XXVI, 181): "Besonders erwecken die Burgen im östlichen Theile des Landes lebhafte Theilnahme, um so mehr, da bisher nur wenige bekannt geworden sind". Der Burgwall von Neu=Nieköhr ist auf allen Seiten von großen Wiesenflächen eingeschlossen. Nach der im Volksmunde lebenden Tradition soll früher der ganze umliegende Wiesengrund ein großer See gewesen sein, dessen Fluthen den Burgwall umspült haben. Diese Ueberlieferung hat jedoch bei Berücksichtigung der Terrainverhältnisse wenig Anspruch auf Glaubhaftigkeit und wird mutmaßlich auf dem Umstande beruhen, daß der etwa 200 Schritt östlich von S.W. nach N.O. an dem Burgwalle vorüberfließende Bach noch jetzt mitunter einen Theil der umliegenden Wiesen überschwemmt und früher in Folge von Aufstauung bisweilen die ganze Niederung unter Wasser gesetzt hat.

Die Form des Burgwalles erscheint abgerundet; doch ist die ursprüngliche Gestalt jetzt nicht mehr mit voller Bestimmtheit erkennbar, da der Wall nicht unversehrt geblieben ist. An der nordöstlichen Seite ist seit einer Reihe von Jahren Erde abgegraben und zur Verbesserung der umliegenden Aecker und Wiesenflächen verwandt worden. Indeß hat der Burgwall dadurch bis jetzt nur etwa ein Zehntel seines cubischen Inhaltes verloren, so daß derselbe sich noch immer so ziemlich in seiner früheren Mächtigkeit dem Auge darstellt. Die Höhe des Walles über dem Wiesengrunde beträgt durchschnittlich 24 Fuß. Mitten über den Burgwall

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 162 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

läuft von S. nach N. die Grenzscheide der Güter Walkendorf und Neu=Nieköhr, so daß die westliche Hälfte nach Walkendorf und die östliche nach Neu=Nieköhr gehört. Nach den betreffenden Gutskarten enthält der Walkendorfer Antheil 288 Ruthen und der Neu=Nieköhrsche 260 □Ruthen, so daß der Burgwall bei der Vermessung mit einem Flächeninhalte von 548 Ruthen berechnet worden ist. Die innere Oberfläche des Walles liegt Stellenweise etwas tiefer als der Rand derselben. An der südwestlichen Seite scheint ein Einschnitt erkennbar zu sein, und da hier der Seitenabhang weit weniger steil abfällt, als in seiner übrigen Ausdehnung, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß auf dieser Seite der Aufgang zum Walle gewesen ist. Dafür spricht nicht nur, daß von dieser Seite aus in kürzester Entfernung der Wiesengrund durchschritten und fester Boden erreicht werden kann, sondern auch daß man auf dieser Seite des Walles, wie mir glaubwürdig berichtet worden ist, im Wiesengrunde Reste eines alten Pfahlwerkes gefunden hat, das allem Anscheine nach zu einer Verbindungsbrücke zwischen dem Burgwall und dem festen Boden gedient haben muß. Rings um den Burgwall läuft ein Wallgraben, der theilweise zwar verschüttet und überwachsen ist, aber doch noch an allen Stellen erkannt werden kann. Die Breite des Grabens beträgt durchschnittlich 20 - 30 Fuß. Die Seitenabhänge des Walles sind größtentheils mit Dorngestrüpp bedeckt. Die Oberfläche trägt einige wenige aber hohe Buchen, ziemlich viele, theilweise sehr alte Ahornbäume und außerdem Hollunder in reicher Menge. Der wilde Hopfen wuchert überall in üppigster Fülle und verwandelt während der Sommermonate die Oberfläche des Burgwalles zum großen Theil in ein undurchdringliches Dickicht.

Beim Abgraben an der Nordostseite stieß man in der unteren Erdschicht auf ein Pfahlwerk von Eichenholz, das nach der Meinung von Augenzeugen zu einem verdeckten Gange gedient haben muß. Die Lage des etwa 25 Fuß langen Pfahlwerkes näherte sich der Bogenform. Die beiden Reihen der einst aufrecht stehenden, nun aber seitwärts gedrückten Seitenpfähle trugen noch die über je zwei derselben gelegten Querhölzer, deren Bestimmung es war, die Deckwandung des Ganges zu tragen. Außerdem fand man, so viel ich habe erfahren können, eine Urne, ein buckelartig geformtes Stück Kupfer, und ein kleines, an den beiden Enden fast geschlossenes Hufeisen, letzteres etwa 10 Fuß tief unter der Oberfläche. Leider ist von diesen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 163 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Gegenständen nichts erhalten worden. Hier, und nicht in Gr.=Nieköhr, ist auch, wie wir berichtigend bemerken wollen, das jetzt in der Sammlung des Vereins befindliche "fossile Hirschgeweih" gefunden worden, wovon in Jahrb. XXXIII, p. 207, berichtet wird. - Nach Aussage der beim Abgraben beschäftigten Arbeiter fand man mehrfach Feuerstellen, bestehend aus zusammengesetzten, abgeplatteten Feldsteinen, und in deren Nähe Kohlen, Knochen und Gefäßscherben. Die Auffindung dieser Feuerstellen, die nach näherer Beschreibung ganz denjenigen Feuerstellen gleichen, welche man bei der Aufdeckung von alten wendischen Dorfplätzen zu finden pflegt, spricht entschieden dafür, daß der Burgwall wendischen Ursprungs; die Lage desselben mitten im Wiesengrunde weist vor allem darauf hin, und die Ergebnisse genauerer Nachforschung erheben diese Annahme zur Gewißheit. Ich untersuchte vor allem die an der Nordostseite durch Abgrabung entstandene Erdwand und stieß hier überall gleich unter der Oberfläche auf eine Erdschicht, in der sich Thierknochen, Kohlen, gebrannte Lehmstücke und vorzugsweise Gefäßscherben in großer Menge vorfanden. Die Gefäßscherben waren mit Granitgrus durchmengt und trugen jene, meist wellenförmigen Verzierungen, die als sichere Zeichen wendischen Ursprungs gelten. Der Herr Geh. Archivrath Dr. Lisch, dem ich einen Theil dieser Scherben zur Prüfung vorlegte, erklärte 0den wendischen Ursprung derselben für unzweifelhaft. Nimmt man hinzu, daß die Erdschicht mit den Gefäßscherben etc . schon in einer Tiefe von 1 - 2 Fuß unter der Oberfläche des Walles beginnt, und daß die bei der Abgrabung gefundenen Feuerstellen ihre Lage in einer Tiefe von höchstens 5 - 6 Fuß unter der Oberfläche hatten, so berechtigt dies zu der Folgerung, daß der Burgwall seine jetzige Höhe von seinen wendischen Bewohnern erhalten hat.

Historische Anhaltspunkte über die Bedeutung, die Bewohner und die Schicksale dieser wendischen Burg haben sich bis jetzt nicht ergeben, und es muß der Forschung vorbehalten bleiben, weiteres Licht darüber zu verbreiten. Es gewinnt dieser Burgwall aber für die historische Forschung um so größeres Interesse, als sehr wahrscheinlich ist, daß derselbe seit der Wendenzeit nicht wüste gelegen hat, sondern noch im christlichen Mittelalter bewohnt gewesen ist. Auf dem östlichen Theile der Oberfläche des Walles, der Mitte ziemlich nahe, findet sich nämlich eine Höhlung von etwa 10 Fuß und einem Durchmesser von 25 Fuß. Allem Anscheine

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 164 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

nach ist hier ein längst eingestürztes kellerartiges Gewölbe gewesen. Nachgrabungen, die man früher hier anstellte, förderten Mauersteine von einer Dicke und Stärke zu Tage, wie man sie bei den mittelalterlichen Gebäuden zu finden pflegt. Muthmaßlich gehört auch das auf dem Walle gefundene Hufeisen der Zeit des christlichen Mittelalters an. Hierdurch würde die Volkstradition eine Bestätigung erhalten: daß auf diesem Burgwalle in früherer Zeit eine Ritterburg gestanden habe. Es fehlt nicht an anderen Stützpunkten für diese Annahme. Dahin gehört folgender Umstand. Etwa eine halbe Stunde von diesem Burgwall in nordwestlicher Richtung entfernt liegt Strietfeld, wo sich ebenfalls die Ueberreste eines alten Burgwalles finden. Nun ist es gewiß, daß hier in Strietfeld im christlichen Mittelalter eine Ritterburg gestanden hat (vgl. Jahrb. XIII, 388. Der Burgwall von Strietfeld ist mit dem von Neu=Nieköhr früher durch einen Weg verbunden gewesen. Alte Leute versichern in zuverlässigster Weise, daß das Terrain zwischen den beiden Burgwällen vor etwas mehr als hundert Jahren ganz mit Wald bestanden gewesen sei, und daß durch diesen Wald in grader Richtung ein Weg von dem Burgwall bei Neu=Nieköhr nach Strietfeld geführt habe. Dieser Weg kann kaum einen anderen Zweck als die Verbindung beider Burgwälle gehabt haben, wie er denn auch mit Abräumung jenes Waldes verschwunden ist. Heutzutage kann man zu dem Burgwall von Neu=Nieköhr nur gelangen, wenn man sich über Felder und Wiesen einen Weg sucht.

Boddin.

Dr. Krüger, Pastor.