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Inhalt:

 

 

 

B.

Jahrbücher


für

Alterthumskunde.

 


 

 

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.

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Hünengrab von Kronskamp.

A uf dem Domanialgute Kronskamp bei Lage stand in der Wiese im Reknitz=Thale ein Steingrab der Steinzeit von großen Granitblöcken aufgebauet und bedeckt. Das Grab mußte aus wirtschaftlichen Rücksichten abgetragen werden. Der Herr Pächter Witt beaufsichtigte selbst die Abtragung. Man fand in der Grabkammer außer Erde und Steinen nur unverbrannte Menschenknochen und einen Keil aus Feuerstein. Jedoch ist zu bemerken, daß man nicht bis auf den Boden grub, da das Grundwasser der Wiese zu sehr andrängte, als daß eine ruhige Untersuchung thunlich gewesen wäre. Dieses Grab ist ein seltenes Beispiel von dem Vorkommen eines Steingrabes (Dolmen) in einer tiefen, feuchten Wiese, da Gräber dieser Art gewöhnlich auf trockenem und oft auch auf etwas erhöhetem Boden stehen.

G. C. F. Lisch.


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Wohnstätten der ersten Steinzeit

bei Neukloster.

Der frühere Seminarlehrer Herr Dr. Krüger zu Neukloster, jetzt Prediger zu Boddin bei Gnoien, machte im Jahre 1867, außer den unten bei den Bauwerken der heidnischen Vorzeit dargestellten Forschungen über die Lage von Kussin bei Neukloster, noch eine andere Entdeckung, welche sehr merkwürdig ist. Auf der Oberfläche einer nordöstlich vom Neuklosterschen See gelegenen Anhöhe, nicht weit von der Klâs=Bek, fand er mehrere feuersteinerne Geräthe, welche bisher außerordentlich selten in Meklenburg beobachtet sind, und sandte dieselben zum Geschenk an den Verein. Diese Geräthe sind:

   1) Ein spanförmiges Messer von weißgrauem Feuerstein, außerordentlich roh und plump, 4 Zoll lang und ungefähr 1 Zoll dick. Es ist künstlich geschlagen und hat, wie gewöhnlich, auf der einen Seite eine und auf der andere Seite drei Spaltflächen. Es ist an allen Kanten stark abgenutzt und ausgebrochen und offenbar viel gebraucht. Dieses ungewöhnliche Stück gleicht ganz den Feuersteinmessern aus dem Diluvium von Abbeville und würde für gleichzeitig mit diesen gehalten werden können, wenn es nicht auf der Erdoberfläche gefunden wäre und nicht noch die unveränderte Feuersteinfarbe und speckartigen Glanz hätte.

   2) Ein Messer aus dunkelgrauem Feuerstein. Dies ist ein abgeschlagener und an einem Ende durch Abschlagen zugespitzter, dreieckiger Span, 5 1/2 Zoll lang und 1 Zoll dick, wie ein roher Dolch, auf zwei Seiten mit den natürlichen gewölbten Oberflächen des Feuersteins, auf der dritten Seite mit einer glatten Spaltfläche. Es ist an den beiden scharfen Kanten an der Spaltfläche und an der künstlich zugehauenen Spitze stark abgenutzt und ist ein offenbar viel gebrauchtes Geräth (zum Stechen?) gewesen, dem oben aufgeführten Messer sehr ähnlich.

   3) Ein hammerförmiger Block von grauem Feuerstein, 4 1/2 Zoll lang und am dicken, viereckigen Ende überall 2 Zoll dick. Die hammerförmige Gestalt kommt aber wohl nicht von der Zubereitung zu einem Hammer, sondern die Hauptsache ist die hohl und spitz überall zugeschlagene Spitze, welche allerdings als Hammergriff erscheint, und der viereckige Hammer ist vielmehr der Griff des Werkzeuges. Die

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Spitze ist durch vielfaches Abschlagen künstlich geformt und an den Kanten auch vielfach abgenutzt.

   4) Vier natürliche Feuersteinspitzen oder Zapfen von 2 bis 2 1/2 Zoll Länge und ungefähr 1 Zoll Dicke, natürliche Bildungen, auf der runden und zugespitzten Oberfläche ganz mit der natürlichen Oberfläche des Steins, ohne alle künstliche Bearbeitung. Nur das dicke Ende ist von größern Blöcken an allen vier Stücken in einer graden Fläche abgeschlagen. Die Stücke sehen fast aus, wie Kuheuterzitzen oder kleine Kegel. Die Stücke sind sicher mit Vorbedacht gesammelt und gebraucht, da sich so viele Stücke dieser Art wohl nur selten nahe beisammen finden. Vielleicht haben sie zu Geschoßbolzen dienen oder auch Pfeilspitzen aus denselben verfertigt werden sollen.

Diese kleine Sammlung von Einer Stelle ist sicher sehr merkwürdig. Da keine Anzeichen vorhanden sind, daß diese Stücke dem Diluvium angehören, auch die Bearbeitung für die ausgebildete Steinzeit zu roh ist, so werden sie der "ersten Steinzeit" angehören, welche in Dänemark häufig vertreten, in Meklenburg aber bis jetzt fast noch gar nicht bemerkt ist.

Herr Dr. Krüger hat vor seinem Abgange von Neukloster nach Boddin die Fundstelle an der Klâs=Bek noch ein Mal forschend abgegangen und noch 17 Stücke feuersteinerne Geräthe gesammelt, welche den oben beschriebenen ganz gleich sind, und dieselben im Jahre 1869 dem Vereine übergeben. Diese Stücke sind:

   5) Ein spanförmiges Messer, an einer Seite dreiseitig, an der andern Seite eben, 3" lang und 1 1/2" breit, an der ebenen Seite mit einem stark ausgeprägten muschelförmigen Schlagansatz und an den Rändern abgenutzt, also gebraucht.

   6) Vier keilförmig roh zugehauene und stumpf zugespitzte Feuersteinknollen, 4 bis 5" lang, und an den Enden sichtbar abgenutzt.

   7) Vier dreieckige, zugespitzte Feuersteine, ungefähr 2 Zoll lang, an den Rändern abgenutzt, ohne Zweifel Stechwerkzeuge.

   8) Drei hammerförmige, lange Knollen, 2 bis 4" lang, zum Theil mit rauher, natürlicher Oberfläche, an den Enden abgenutzt, sicher Schlagwerkzeuge.

   9) Fünf von den merkwürdigen, oben beschriebenen runden Feuerstein=Spitzen oder Bolzen, mit natürlicher Oberfläche, an einem Ende aber abgeschlagen, 1 1/2 bis 3"

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lang und 1" dick, vielleicht Bohrer zum letzten Ausbohren oder Ausschleifen von Löchern, an dem abgeschlagenen Ende mit starken Spuren der Abnutzung.

Alle diese Steine haben deutliche und häufige Spuren der Abnutzung und des Gebrauchs durch Menschen, sind also sicher menschliche Geräthe der ersten Steinzeit. Spuren von geschliffenem Feuerstein haben sich an dieser Stelle nicht gefunden.

G. C. F. Lisch.


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Moorfund von Redentin.

Der Herr Dr. med. Techen zu Wismar schenkte ein altes menschliches Kreuzbein (os sacrum), welches in einem Torfmoor zu Redentin bei Wismar gefunden ist, nach der Untersuchung des Herrn Dr. med. Döhn zu Schwerin von einer männlichen Leiche stammend. Vielleicht gehört dieser Knochen zu dem in dem Müllermoor zu Redentin gefundenen zerbrochenen menschlichen Oberschenkelknochen (femur), welcher in den Jahrb. XXXVIII, S. 126 flgd., vom Professor Dr. Virchow ausführlich besprochen ist.

G. C. F. Lisch.


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Höhlenwohnung von Roggow Nr. 5.

Fortsetzung von Jahrb. XXXI, S. 53 flgd.

Im Frühling 1869 hat der Herr v. Oertzen auf Roggow bei Neu=Bukow beim Drainiren wieder mehrere sogenannte "Höhlenwohnungen" gefunden, welche mitten durchschnitten wurden, und die Ergebnisse aus einer derselben und die Nachrichten darüber an den Verein eingesandt. Es wurden wieder Scherben von großen, dickwandigen Vorraths= und Kochtöpfen ohne Verzierungen, zerschlagene Thierknochen und Zähne, Kohlen, schwärzlicher (Küchen=) Moder gefunden, und in diesem dies Mal auch Reste von feinen, dünnen Muschelschalen. Herr v. Oertzen berichtet über diese Spuren alter menschlicher Ansiedelungen unterhalb der Erdoberfläche noch Folgendes. In Roggow sind im Laufe weniger Jahre wohl über hundert solcher Stellen zu=

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fällig aufgedeckt, welche oft 1/4 bis 1/2 Meile entfernt von der hohen Ostseeküste lagen, also nicht Strandküchen sein konnten. Es fanden sich immer Topfscherben und Küchenmoder, seltener Knochen, nie bearbeitete Geräthe, außer einigen Reibsteinen ein Mal. Diese Stellen liegen auch nicht immer an Anhöhen und in der Nähe von Mooren, wo man auch Pfahlbauten vermuthen könnte, wie früher wohl beobachtet ist, sondern sie werden auch in bestimmt ausgeprägten Niederungen gefunden und entfernt von Stellen, wo Pfahlbauten hätten möglich sein können. Wahrscheinlich gab es bei starker Bevölkerung viele solcher halbunterirdischer Arbeits= und Wohnungsräume, auch ohne Pfahlbau=Burgen in der Nähe.

G. C. F. Lisch.


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Wohnplatz von Schwerin.

(Höhlenwohnung.)

Es ist für die Geschichte der Stadt Schwerin gewiß von Interesse, auch die zur Heidenzeit bewohnt gewesenen Stellen kennen zu lernen, und daher Alles zu sammeln, woraus man auf solche Stellen vermuthen kann. Es sind schon früher wiederholt Entdeckungen mitgetheilt, und zuletzt noch in Jahrb. XXXI, 1866, S. 63 und 60, über Wohnplätze aus der Bronzezeit bei der Leimsiederei und zu Zippendorf. Im Sommer 1867 haben sich wieder Spuren von Ansiedelungen aus der Steinzeit gezeigt, welche früher auch auf der Schloßinsel unter den Schloßfundamenten beim Bau beobachtet ward. Der "Ostorfer Berg", auf welchem die Artillerie=Kaserne steht, fällt gegen Norden hin ziemlich rasch, jedoch noch sanft in die Tiefe ab, wo der Ostorfer See in die sogenannte "Seke" (Sieche) am ehemaligen "Sekenbom" (Siechenhausbaum), jetzt Berliner Thor, oder den "Fließgraben" gegen Schwerin hin abfließt. Hier, unmittelbar rechts vor dem Berliner Thor, dicht beim Großherzoglichen Jägerhofe, an der Seke und dem Ostorfer See, wo der Berg in einer sanften Abdachung endigt, hat sich der Herr Maler Suhrland im Jahre 1867 bis 1868 ein Haus mit großem Atelier bauen lassen, welches an einem sehr schön und günstig gelegenen Punkte steht. Der Boden ist noch fest, Lehm und Sand, und hat nur an der "Seke" etwas schmales Gartenland von schwarzer Erde.

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Beim Ausgraben der Erde zu den Fundamenten wurden hier im festen Boden einige steinerne Alterthümer gefunden, welche Herr Suhrland dem Verein schenkte:

ein spanförmiges Feuersteinmesser, 4 1/2 Zoll lang, außerordentlich regelmäßig geschlagen, zweischneidig mit dem Schlagansatz, und

ein Feuersteinspan, eben so lang, auch mit einer Spur von Schlagansatz, zu einem einschneidigen Messer zu gebrauchen, beide von Menschenhand geformt. Leider ward der Fund zu spät bekannt, um genauere Forschungen anstellen zu können.

Die Stelle, welche bisher unbeachtet gewesen ist, ist für eine menschliche Ansiedelung außerordentlich günstig gelegen, und erst jetzt nach Jahrtausenden wieder zur Geltung gekommen. Es wird hier in der Steinzeit eine Höhlenwohnung gewesen sein. Pfahlbauten können hier nicht gestanden haben, da der Boden aus fester Erde besteht; jedoch können diese in den Niederungen an oder in dem nahen Ostorfer See oder dem ebenfalls nahen Burgsee oder dessen Moorufern Stelle gefunden haben.

Im April 1868.

G. C. F. Lisch.


Hierdurch aufmerksam gemacht, hat Herr Suhrland im Frühling 1868 während der Vollendung des Baues und des Gartens schärfere Beobachtungen angestellt und in der Erde noch 4 größere und 12 kleinere Feuersteinspäne, dreiseitig und vierseitig, gefunden, welche theils zu Schneidewerkzeugen, theils zu Pfeilspitzen gebraucht werden können. Alle sind regelrecht von Menschenhand geschlagen und zeigen größtentheils den muschelförmigen Schlagansatz, einige auch Spuren von Gebrauch. Es ist daher wohl ohne Zweifel, daß an dieser Stelle in uralter Zeit Feuersteingeräthe von Menschen gemacht wurden. Herr Suhrland hat auch diesen Fund dem Vereine geschenkt.

Im Juni 1868.

G. C. F. Lisch.


Im Herbst 1868 entdeckte Herr Suhrland während des Grabens beim Einärnten von Gemüse im Garten wieder 40 Feuersteinspäne, welche er gleichfalls dem Vereine schenkte. Alle sind ebenfalls sichtlich durch Menschenhand geschlagen,

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meistentheils Abfall, jedoch fast alle zu Messern oder Pfeilspitzen brauchbar, einige Stücke besonders gut gestaltet. Manche scheinen auch gebraucht zu sein, andere sind Bruchstücke von zerbrochenen regelmäßigen Messern.

Im November 1868.

G. C. F. Lisch.


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Streitaxt von Blüssen.

Zu Blüssen bei Schönberg ward eine kleine, seltene Streitaxt auf dem Felde beim Pflügen gefunden und von dem Herrn Lehrer Splitter zu Lübsee bei Rehna erworben und dem Vereine geschenkt. Die sonst wohl geformte und erhaltene Streitaxt ist aus jungem, grauem Sandstein, ein sehr seltener Fall. Das Schaftloch ist noch nicht ganz fertig; es ist von beiden Seiten kegelförmig angebohrt und schon mit einer kleinen Oeffnung durchgebohrt, jedoch noch nicht ganz ausgebohrt und ausgeschliffen.

G. C. F. Lisch.


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Steinhammer von Zarrentin.

Bei Zarrentin am Ufer des "Zarrentiner Sees" ward im Gerölle ein merkwürdiger Stein gefunden. Der Stein ist von feinkörnigem festen Granit, auf der Oberfläche ganz glatt abgerieben, ganz regelmäßig eiförmig, ein wenig abgeplattet, 11 Centim. lang und 5 1/2 Centim. dick und 1 1/3 Pfund schwer. An beiden breiten Flächen ist der Stein trichterförmig oder kegelförmig angebohrt. Auf den beiden obern Enden hat das Bohrloch 4 Centim. im Durchmesser und verjüngt sich nach der Mitte hin bis zu 1 1/2 Centim. im Durchmesser, wo noch ein enger, durchbohrter Ring stehen geblieben ist. Die Bohrung ist also augenscheinlich noch nicht vollendet. Die zweiseitige Anbohrung ist wahrscheinlich die Vorbereitung zu einem regelmäßigen Schaftloch für eine durchbohrte Streitaxt. Es giebt allerdings Fälle, welche dafür zeugen, daß zur Steinzeit zur Bereitung der Streitäxte die Schaftlöcher zuerst in die gewählten, rohen Steine eingetrieben und darauf erst dem Steine die herkömmlichen Formen der Aexte gegeben wurden. Es ist aber

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auch möglich, daß man diesem Steine seine rohe Form hat lassen und denselben so zu einem Hammer oder einer Art hat gebrauchen wollen, da der Stein sehr regelmäßig gestaltet ist. Auch zeigen die beiden spitzigen Enden schon Spuren von harten Schlägen. Daß der Stein zu einem "Senkstein" sollte bestimmt gewesen sein, ist nicht gut anzunehmen, da der Stein dazu zu gut und die Arbeit zu mühselig ist. Gefunden und geschenkt ist dieser Stein von dem Herrn Amts=Registrator Röhlcke zu Zarrentin (durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Daniel zu Rehna).

G. C. F. Lisch.


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Feuersteindolch von Prützen.

Im Jahre 1846 ward zu Prützen bei Güstrow im Torfmoor ein schön gearbeiteter Dolch aus gelbem Feuerstein, mit viereckigem Griff, 7 1/4 Zoll lang, gefunden und von dem wailand Herrn Friedrich Seidel, unserm vieljährigen, thätigen und aufopfernden Mitgliede, erworben. Nachdem er seine ganze Sammlung bis auf Kleinigkeiten nach und nach an die Vereinssammlung geschenkt hatte, blieb ihm zuletzt nur dieser Dolch übrig, den er zum Andenken an seine Sammlung mit Liebe aufbewahrte, nach seinem Ableben aber sein Bruder Christoph Seidel zu Bützow dem Vereine bereitwillig schenkte.

G. C. F. Lisch.


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Streitaxt von Zippendorf.

Die in den Jahrbüchern XXXVI, S. 132, beschriebene sehr seltene Streitaxt von Zippendorf, welche mit einem Ringbohrer erst angebohrt ist und den Dorn noch im Bohrloche stehen hat, wie die Streitaxt von Eldenburg (vgl. Jahrb. XXXVIII, S. 105,) ist durch Geschenk Eigenthum des Fräuleins Am. Buchheim zu Schwerin, Custodin der Schweriner Sammlungen, geworden und von derselben in der Generalversammlung am 11. Juli 1874 dem Vereine geschenkt.

G. C. F. Lisch.

Vignette
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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Neu=Zapel Nr. 1.

Im Jahre 1866 trug der Herr Erbzinspächter Ripcke zu Neu=Zapel bei Crivitz auf seinem Felde (Erbzinsstelle Nr. 8) einen "Steinhügel" ab, welcher sich hinterher als ein Kegelgrab der Bronzezeit erwies. Er fand darin viele Kohlen und zerbrannte Menschengebeine und dabei folgende, hellgrün gerostete, bronzene Alterthümer, welche derselbe dem Verein zum Geschenk übergab:

1 Dolch= oder Speer=Klinge, mit kurzer, rundlicher Griffzunge, 6 1/2" lang;

1 kleines, dünnes Messer, sichelförmig gebogen, in der Klinge gegen 3" lang, mit Bronzegriff;

1 dünnen Armring, Bruchstück.

Bei Zapel sollen noch mehr Kegelgräber dieser Art sein, wie sich überhaupt in der Gegend südlich von Crivitz noch viele Gräber finden.

G. C. F. Lisch.


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Kegelgrab von Neu=Zapel Nr. 2.

Im Jahre 1873 wurden auf dem Felde des Herrn Erbzinspächters Ripcke zu Neu=Zapel bei Crivitz (Erbzinsstelle Nr. 8) beim Ackern unter einer niedrigen Erhöhung, welche ohne Zweifel ein Kegelgrab gewesen war, folgende Bronzen gefunden und von dem Herrn Ripcke zum Geschenke überreicht:

ein paar sogenannte Handbergen aus Bronze, zerbrochen, jedoch noch ziemlich vollständig vorhanden, tief gerostet,

ein Paar massiver, breiter Armringe, wie es scheint, zerbrochen, von Bronze.

G. C. F. Lisch.


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Kegelgrab von Gädebehn.

In dem Forst=Revier von Gädebehn bei Crivitz stand ein ziemlich hoher kegelförmiger, runder Hügel, welcher von größern Feldsteinen eingefaßt war. Da man 1873/74 Steine suchte, so fand man, daß im Innern des Hügels viele kleinere Steine lagen, welche man auszubrechen anfing. Dabei wurden folgende Alterthümer von Bronze, zum Theil mit edlem Rost, auch einige Bruchstücke von größern Menschenknochen gefunden:

zwei Armringe, quer und schräge gestreift verziert, fein aber voll gegossen;

zwei Hütchen ("tutuli"), von denen eines verloren gegangen ist, das erhaltene Spuren von blauem Rost hat;

ein "Stecken" (große Nadel), in 4 Enden zerbrochen, 72 Centim. oder 30 Zoll lang, ungefähr 1/2 Centim. dick, spitz auslaufend, im Anfange mit einer kreisrunden Scheibe von 4 Centim. Durchmesser, unter der Scheibe mit einem 6 Centim. langen und 1 1/4 Centim. dicken gewundenen Griff verziert; über diese oft besprochenen langen "Nadeln" oder von mir sogenannten "Stecken" von Bronze, vgl. Jahrb. XXXIII, S. 125 flgd. und XXXVIII, S. 138;

12 kleine hohle Kegel von dünnem Bronzeblech, ungefähr 1 1/2 Centim. hoch und eben so weit im Durchmesser an der Grundfläche, unten mit zwei umgebogenen Spitzen zum Einheften, offenbar Verzierungs=Besatz; drei derselben waren noch mit dünnem Leder oder Fell von dem verzierten Gewandstücke gefüttert.

Der Herr Förster Kolbow zu Gädebehn, unter dessen Aufsicht die Aufgrabung geschah, hat diese Gegenstände zur großherzoglichen Sammlung eingereicht und verheißen, bei der völligen Abtragung des Hügels auf fernere Funde aufmerksam zu sein.

Ohne Zweifel gehört dieses Grab zur der Gruppe der zahlreichen Kegelgräber aus der alten Bronzezeit, welche bei dem Bau der Chausseen zwischen Parchim und Sternberg, also nicht weit entfernt, abgetragen sind (vgl. Jahrb. XXXVIII, S. 137-144), da alle in diesen Gräbern gefundenen Alterthümer gleich sind.

G. C. F. Lisch.


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Gräber von Barendorf.

Nach der Vererbpachtung der Bauerhufen zu Barendorf bei Grevesmühlen haben die Erbpächter mit dem Jahre 1874 angefangen, ihre früheren Buschkoppeln auszuroden, um sie zu Acker zu machen. Die Buschkoppel des Erbpächters Ruge, der sogenannte Boizbusch, bildete zum größten Theile einen lang gestreckten Steinhügel. Beim Ausbrechen der Steine wurden mehrere Aschenurnen gefunden, welche jedoch zerbrachen und verloren gingen. Bis jetzt ist ungefähr die Hälfte des Hügels aufgebrochen. Bei genauer Untersuchung ergab sich, daß der ganze Kamm des Hügelrückens ein großer Begräbnißplatz war. Der in der Nähe wohnende Herr Förster Regenstein zu Jamel hat die Freundlichkeit und Theilnahme gehabt, die Abtragung zu überwachen und darüber Folgendes zu berichten. Die Gräber liegen auf dem Kamm des Hügelrückens nahe neben einander. Im Anfange der Ausrodung sind schon 15 bis 20 Gräber zerstört, welche nach Aussage der Arbeiter in Reihen neben einander standen, jedoch in unregelmäßigen Entfernungen. Auf der Oberfläche sind die Gräber durch Erhöhungen nicht zu erkennen. Im Februar 1874 zeigten sich wieder mehrere Gräber. Die Gräber hatten eine rundliche, mit Steinen umsetzte Gestalt, von ungefähr 1 Meter Durchmesser. Innerhalb des Grabes stand eine kleine Steinkiste aus flachen rothen Granitplatten, in welcher die Aschenurnen auf einem flachen Steine standen; zugedeckt war die Kiste mit einem flachen Deckstein, welcher nur wenige Centimeter tief unter der Oberfläche lag. Ausgesetzt im Innern schienen die Kisten mit Lehm zu sein, welcher sich außerhalb der Begräbnisse nicht befand.

Das erste, im Februar 1874, aufgebrochene Grab enthielt nach dem Berichte des Herrn Regenstein nur eine Urne, welche jedoch zerbrach. Nach den zusammen eingesandten Ueberresten enthielt das Grab aber zwei Urnen: eine große, rauhe, dunkelbraune mit sehr dicken Wänden, und eine ganz kleine, glatte hellbraune mit dünnen Wänden. Diese kleine Urne, von welcher fast eine senkrechte Hälfte vorhanden ist, hat eine eigenthümliche, noch nicht beobachtete Verzierung, indem um den obern Bauchrand zwei Reihen von Zickzacklinien mit nach unten gekehrten Spitzen laufen. Diese Verzierung scheint auf die Bronzezeit zu deuten. Wahrscheinlich ist diese kleine Urne eine Kinderurne gewesen,

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welche in der größern gestanden hat; hiefür scheinen auch einige von den zerbrannten Knochen zu sprechen, welche sehr fein und dünne sind.

In einem zweiten Grabe standen 4 Urnen, von denen Herr Förster Regenstein 2 ganz retten konnte, welche er noch zum Trocknen aufbewahrt.

Nach den Urnenscherben scheinen diese Gräber der Bronzezeit anzugehören. Hierzu stimmen auch die Aussagen der Arbeiter. Bei frühern Ausrodungen haben die Leute in einem besonders großen Grabe in einer Urne auch ein Stück Metall, das sie für eine "Helmspitze" gehalten, gefunden, welches hübsch "gravirt" und mit grünem Rost überzogen war; auch ein Stück "Kupferdrath" ward dabei gefunden; beide Stücke sind durch Achtlosigkeit leider verloren gegangen.

Die größere, noch unberührte Hälfte des Hügelrückens wird wahrscheinlich noch eine ziemliche Anzahl von Gräbern enthalten. Auch befinden sich auf demselben noch mehrere Hügel in Gestalt von Kegelgräbern, welche noch nicht berührt sind.

Der Fundort ist also ohne Zweifel eine größere Begräbnißstelle der Bronzezeit, wie sich solche in frühern Zeiten im Lande öfter fanden.

Schwerin, im Mai 1874.

G. C. F. Lisch.


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Bronzener Arbeitsmeißel von Zidderich.

Zu Zidderich bei Goldberg ward ein kleiner Arbeitsmeißel aus Bronze gefunden, welcher sehr merkwürdig ist. Der Meißel, von alter Bronze, ist nur 5 Cent. lang und 1 Cent. breit, und hat ein Schaftloch zum Einstecken eines Griffes. Das Werkzeug hat offenbar zu feinen Arbeiten gedient und ist sowohl überhaupt, als besonders wegen seiner Kleinheit äußerst selten. Leider ist in neuern Zeiten die Schneide etwas stumpf geschlagen. Der Herr Pensionair Reichwald zu Zidderich schenkte diesen Meißel den Schweriner Sammlungen.

G. C. F. Lisch.


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Gießstätte von Ruthen.

Von
Dr. G. C. F. Lisch.

Im Frühling des Jahres 1874 wurden auf dem Domanialpachtgute Ruthen bei Lübz in einem sehr kleinen Torfmoor beim Torfgraben auf dem Grunde des Moors von den Arbeitern viele alterthümliche Gegenstände aus Bronze neben einander gefunden und von dem Herrn Domanialpächter Seeler zu Ruthen mit anerkennenswerther Sorgfalt gerettet und sofort an die großherzoglichen Alterthümersammlungen eingeliefert. Das Gewicht dieses merkwürdigen und seltenen Fundes beträgt 4 Pfund Zollgewicht (2 Kilogramm) und die Anzahl der Gegenstände beläuft sich auf ungefähr 100 Stücke. Die Gegenstände allerlei Art sind fast alle zerbrochene, verworfene und verunglückte Stücke. Das Vorhandensein von Gießzapfen und Gießknollen spricht lebhaft dafür, daß hier eine Gießstätte für Bronzen und der Fund der zum Einschmelzen bestimmte Erzvorrath eines Bronzegießers war, wenn auch keine Gußform dabei gefunden ist. Alle Stücke sind, wie alle in Torfmooren gefundenen Bronzen, ohne Rost und nur von dem Torf etwas bräunlich gefärbt.

Der Fund gleicht also ganz dem Funde von Holzendorf, welcher in den Jahrbüchern XXXIV, S. 220 flgd., beschrieben und ausführlich besprochen ist.

Wie der Holzendorfer Fund gehört dieser Fund von Ruthen der jüngern Bronzezeit an und dürfte den Beweis liefern, daß die jüngern Bronzen an Ort und Stelle im Lande verfertigt wurden. Die Bronzen sind viel hohl gegossen und blechartig und überhaupt kleiner und kümmerlicher, als die kräftigern und in der Regel voll gegossenen und in Kegelgräbern mit schönem, edlem Rost überzogenen Bronzen der altern Bronzezeit, welche immerhin eingeführt sein mögen.

Die einzelnen Gegenstände dieses Fundes sind folgende:

1 Framea mit Schaftloch und Oehr (Celt), wie die in Jahrb. XXXIV, S. 224, abgebildete; der Rand des Schaftloches ist ausgebrochen und die Beilschneide abgebrochen.

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2 Bruchstücke von einer voll gegossenen Framea (Paalstab).

1 abgebrochene Beilschneide von einer Framea.

Gußknollen mit zwei Gußzapfen

1 Gußknollen mit zwei Gußzapfen, welcher ohne Zweifel beim Guß einer Framea (Celt) abgebrochen ist. Dieser Gußknollen gleicht genau dem zu Holzendorf gefundenen und in Jahrb. XXXIV, S. 224 und 225 und hier wieder abgebildeten. Diese Gußknollen und Gußzapfen sind bekanntlich die sichersten Zeugen für eine Gießstätte.

1 dünner, offener, wahrscheinlich ausgebrochener Ring von gegossenem Drath, ungefähr 3 Millim. dick, 5 Centim. weit. Dieser Ring ist noch so, wie er aus der Gußform gekommen ist. In der Mitte sitzt noch der noch nicht abgebrochene, 3 Centim. lange Gußzapfen aus der Gießrinne mit dem Gußknollen am Ende. An diesem Stück ist klar die Methode des Gießens zu sehen.

1 kurzes Bruchstück von einem gleichen Ringe, an welchem noch der Gußzapfen mit der Gußknolle, ganz wie der vorige, sitzt; wahrscheinlich ist der Ring bei dem Versuche, den Gußzapfen abzubrechen, zerbrochen.

2 geschlossene Ringe von gleicher Größe und Dicke; es sind noch die Stellen zu sehen, wo die Gußzapfen abgebrochen sind.

2 geschlossene Ringe von ungefähr 3 1/2 Centim. Weite, ebenfalls mit den Gußmarken.

2 offene ähnliche Ringe.

15 Bruchstücke von ähnlichen Ringen, einige mit Gußmarke.

1 Ende zusammen gebogenen Draths von gleicher Dicke.

3 Enden von etwas dickerm Drath mit Gußmarken.

1 kurze Lanzenspitze mit Schaftloch, verbogen und ohne Spitze, welche offensichtlich abgebrochen ist.

5 Bruchstücke von einem kurzen, sehr schmalen Schwerte mit abgebrochener Griffzunge, wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher, zusammen gehörend, zusammen 40 Centim. lang, ähnlich einem Schwerte von Neuhof, Quartalbericht XXXVIII, 2, S. 3. Diese schmalen und graden Bronzeschwerter sind sehr selten und ohne Zweifel jüngern Alters.

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4 kleine und schmale Sicheln, mit senkrecht stehendem Knopf am Griffende, 2 mit halbmondförmiger Klinge, wie Frid. Franc. Taf. XVII, Fig. 9, und 2 mit geschweifter Klinge; von einem Stück ist die Spitze abgebrochen. Gußformen zu solchen Sicheln sind schon früher in Deutschland gefunden.

4 Bruchstücke von einer Hängeurne mit Drachenverzierungen, wie Jahrb. XXXVII, S. 205. Diese Hängeurnen gehören sicher einer jüngern Zeit an und sind nicht "hetrurisch".

1 Zange (Pincette), in zwei Hälften zerbrochen; auf einer Hälfte sitzt noch ein Schieber aus Bronzeblech.

1 zerbrochene Scheibe von einer Heftel mit zwei großen flachen Scheiben, ungefähr wie Worsaae Nordiske Oldsager, 1859, Taf. 51, Nr. 231.

1 kleines Bruchstück von einer ähnlichen Scheibe.

1 kleiner abgebrochener Nadelknopf in Gestalt einer flachen Scheibe, mit concentrischen Ringen verziert.

1 nicht zu deutendes Schmuckstück.

11 Bruchstücke von gewundenen Hals= und Kopfringen von verschiedener Dicke.

2 dünne viereckige Bronzestangen von 6 Centim. Länge.

7 Bruchstücke von glatten blechartigen Armringen; 4 daran haben am Ende ein dreieckiges Loch wie häufig jüngere Armringe dieser Art. Vgl. eine Abbildung in Jahrb. XXXIV, S. 227. Auch zu Holzendorf ward ein solcher Armring gefunden. Ein Bruchstück von Ruthen hat dieselben Linienverzierungen, wie der abgebildete Holzendorfer Armring.

10 Bruchstücke von dünnen, schmalen Armringen mit offenen halbkugeligen Enden, ähnlich wie bei Worsaae a. a. O. Taf. 56, Fig. 260.

4 Gehänge. Drei dünne kreisförmige Platten von ungefähr 3 Centim. Durchmesser mit einem Drathbügel hangen in einem geschlossenen Drathringe von 3 Centim. Durchmesser, welcher wieder in einem geschlossenen kleinern Ringe hängt. Die Ringe zeigen Gußmarken und sind an einer Seite (vom Tragen) etwas ausgescheuert. Einige Stellen der Platten sind im Guß nicht gekommen. Wahrscheinlich dienten diese Gehänge zum Schmuck; ein bestimmter Gebrauch läßt sich aber noch nicht errathen.


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Ueber Hausurnen.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Seitdem schon im Jahre 1837 in Meklenburg, zu Kiekindemark bei Parchim, in einem Kegelgrabe eine ,,Hausurne" entdeckt und erkannt ist, haben die heidnischen Grabgefäße dieser Art eine Weite und große Theilnahme gefunden. "Hausurnen" sind die "bienenkorbförmigen" Grabgefäße der Bronzezeit genannt, deren Oeffnung, am häufigsten in Kuppelform, zugedeckt ist und deren Seitenwand eine viereckige Oeffnung hat mit einer einzusetzenden Platte als Thür. Man hat sie daher für eine Nachbildung eines Wohnhauses der Bronzezeit erklärt, in welchem die zerbrannten Gebeine des verstorbenen Bewohners beigesetzt sind. Diese Urnen sind in diesen Jahrbüchern, von Abbildungen begleitet, 1856, Jahrgang XXI, S. 243 flgd. (vgl. XXIV, S. 290 flgd.) besprochen. Die oben erwähnte Hausurne von Kiekindemark, welche in den Jahrbüchern XXI, S. 247 und hier wieder

Hausurne von Kiekindemark
1/4 Größe.

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abgebildet ist, hat eine sehr ausgebildete und bestimmte Form in der muthmaßlichen Gestalt eines Hauses.

Schon früher, im Jahre 1817, ward in Italien am Albanergebirge bei Castel Gandolfo 1 ) ein ganzes Lager von solchen Urnen entdeckt, welches zu seiner Zeit viel Aufsehen erregte (vgl. Jahrb. XXI, S. 251 flgd.).

Es giebt aber außer diesen Urnen in Gestalt eines runden Hauses oder einer Hütte auch Nachahmungen solcher Grabgefäße, welche ganz die Gestalt einer Urne oder eines cylindrischen Topfes haben, welche jedoch mit einem festen kuppelförmigen Dache oder mit einem losen Deckel bedeckt sind und ein viereckiges Thürloch in der Seitenwand oder in dem Dache haben.

Bei Alba Longa sind 1817 auch mehrere Urnen gefunden, deren Gestalt der Meklenburgischen von Kiekindemark gleich ist.

In den neuesten Zeiten ist aber in Norddeutschland wieder eine Hausurne gefunden, welche der oben abgebildeten Meklenburgischen von Kiekindemark ganz gleich ist. Im Jahre 1872 ward sie auf dem Felde des Gutes Luggendorf in der Mark Brandenburg, 1 1/2 Meilen von Pritzwalk, zwischen Pritzwalk und Perleberg, also ungefähr 5 Meilen südlich von Kiekindemark, beim Drainiren 1 bis 2 Fuß tief unter der jetzt ebenen Erdoberfläche zwischen Steinen ziemlich unverletzt gefunden; leider ist die viereckige Thonplatte zu der Thüröffnung verloren gegangen. Unter lebhafter Theilnahme des Herrn Pastors Ragotzky zu Triglitz bei Pritzwalk, unsers vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, welcher den seltenen Fund gleich erkannte, kam die Urne mit ihrem Inhalte bald in die Hände des Besitzers des Gutes, Herrn von Wartenberg, welcher den Fund sorgfältig bewahrte, bis er ihn im Frühling 1873 dem Museum zu Berlin übergab. Der Herr Pastor Ragotzky hat unserm Vereine eine ganz getreue, schöne colorirte Abbildung dieser Urne in halber Größe mit einem vollständigen Fundbericht geschenkt. Die Urne von Luggendorf ist in der Form ganz der von Kiekindemark gleich.


1) Die in Jahrb. a. a. O. S. 254 erwähnte, höchst seltene Schrift von Alessandro Visconti über diese Albaner Hausurnen, welche früher nirgends zu finden war, habe ich vor wenig Jahren durch die Güte des Herrn Directors, Professors L. Pigorini zu Parma geschenkt erhalten. Die Schrift führt den Titel: Lettera del signor dottore Alessandro Visconti al signor Giuseppe Carnevale Di Albano sopra alcuni vasi sepolcrali rinvenuti nelle vicinanze della antica Alba-Longa. Roma 1817. Mit Abbildungen.
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Beide unterscheiden sich von einander nur dadurch, daß die Urne von Kiekindemark ein glattes Kuppeldach hat, die Urne von Luggendorf ein scharf gestreiftes Kuppeldach, als Nachbildung einer Rohr= oder Schilfbedachung. Uebrigens ist das Material der Urne eine grobe, dunkelbraune Thonmasse, wie diejenige aller Grabgefäße der alten heidnischen Vorzeit.

In der Urne befanden sich Knochenreste, Asche und Erde. Dazwischen fanden sich mehrere Gegenstände von Bronze, welche von den Arbeitern bei Seite geschafft und leider nicht sämmtlich wieder zusammen gebracht sind. Jedoch gelang es dem Herrn Pastor Ragotzky bei seinen Nachforschungen in Luggendorf noch folgende Gegenstände wieder zu erlangen: eine stark oxydirte, etwa 5 Zoll lange Nadel und einige kleine zierliche Schnallen von etwa 2 Zoll Durchmesser, mit sehr schöner, glatter, dunkler Patina überzogen. Dieser Fund beweiset also wieder, daß die runden Hausurnen der Bronzezeit angehören, wie ich schon früher zu beweisen gesucht habe.


Ungefähr um dieselbe Zeit ward noch eine Urne dieser Classe entdeckt. Der Herr Dr. Hostmann zu Celle fand nämlich im Winter 1871-72 in der Sammlung des Herrn Dompropstes Thiele zu Braunschweig eine sogenannte "Hausurne", welche in einem großen Urnenfriedhofe bei Nienhagen unweit Halberstadt gefunden ist. Diese Urne hat nun keine Aehnlichkeit mit einem Hause, sondern ist nur eine "Nachahmung", wie oben bemerkt ist: sie ist ein Topf in Becherform und mit einem losen, flachen Deckel zugedeckt. Aber sie hat im obern Theile einer Seitenwand eine viereckige Oeffnung, zu welcher noch die viereckige Thür aus Thon vorhanden ist; die Urne war mit Knochen gefüllt, die Thür mit einem "metallenen" Stift verschlossen. Daß diese Urne nicht ein Haus vorstellen soll, versteht sich von selbst; aber der Topf hat charakteristische Merkmale der Hausurnen. Eben so fanden sich auch am Albaner Gebirge neben vollständig ausgebildeten Hausurnen auch solche Töpfe von derselben Form wie die Urne von Nienhagen, welche auch eine Thüröffnung in der Seitenwand und einen losen Deckel jedoch in der Form eines Hausdaches, mit Sparren, First und Hahnebalken, hatten. Herr Dr. Hostmann hat die Güte gehabt, an den Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde und an den Herrn Professor Dr. Virchow zu Berlin eine Photographie der Urne von Nienhagen zu

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übersenden, und Herr Professor Dr. Virchow hat dieselbe in der Zeitschrift der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Sitzung vom 15. Juni 1872, S. 16, in Holzschnitt abbilden lassen. Herr Dr. Hostmann setzt das Urnenlager von Nienhagen in das 3-4 Jahrhundert nach Chr. G., "wie er, nach seinen Worten, aus den Beigaben erweisen kann".


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Beitrag zur Geschichte der Kesselwagen.

In den Jahrbüchern XXV, S. 215 flgd., bei Besprechung des bronzenen Kesselwagens von Peccatel und anderer verwandter Funde macht Lisch auf die Aehnlichkeit desselben mit den sogenannten "Gestühlen" aufmerksam, die Salomo, nach 1. Kön. 7, 27 flgd., durch den Tyrer Hiram für den Tempel zu Jerusalem anfertigen ließ und theilt daselbst einen darauf bezüglichen Aufsatz Ewald's mit, der eben daraus eine nähere Verwandtschaft zwischen althebräischen und alteuropäischen Gebräuchen aufzuweisen sucht. Auf den Zusammenhang unserer nordischen und der orientalischen Bronzecultur, genauer der Aegyptens, dessen Kunst in inniger Beziehung zu der Phönizischen stand, von der Nilsson so scharfsinnig und mit so viel Gelehrsamkeit die nordeuropäische herleitet, weis't auch eine in dem ägyptischen Museum zu Bulaq aufbewahrte kleine goldene Barke auf vier bronzenen vierspeichigen Rädern ruhend, welche neben andern Kostbarkeiten, Schmucksachen und Waffen im Grabe der ägyptischen Königin Aah-hotep zu Drah-abou'l-neggah (Theben) gefunden ist. Nach der Vergleichung dieses Kunstwerkes, das in einer von Ralph in Cairo nach dem Originale genommenen Photographie mir vorliegt, und der Abbildung des Peccatelschen Kesselwagens in den Jahrbüchern a. a. O. sind die Räder an beiden einander durchaus gleich; doch während an diesem die Achsen und Langbäume glockenförmig nach oben ausgebogen, sind sie an jenem ls Träger zweier vierkantigen Hölzer, worauf die Barke ruht, grade gestreckt. Die nähere Beschreibung des ägyptischen Alterthums lasse ich am besten mit den Worten Mariette's in seiner Notice des principaux monuments du Musée d'antiquités égyptiennes à Boulaq, Paris 1872, No. 839 folgen, nur bemerkend, daß, während hier die

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Größenangabe fehlt, er die Länge einer ähnlichen goldenen Barke, aber ohne Bronzewagen, die auch bei der Mumie der Aah-hotep gefunden ward, unter Nr. 532 auf 0,39 m. bezeichnet.

"Une barque garnie de son equipage et montée sur un chariot à quatre roues. La barque ,est d'or massif, le train qui la supporte est de bois, les roues sont de bronze à quatre rayons. Par ses formes gracieuses et légères notre monument rappelle les barques célèbres du Nil faites, selon Pline, de papyrus, de jenes et de roseaux. L'avant et l'arriere sont releves et termines par des bouquets de papyrus recourbés. Les rameurs, au nombre de douze, sont d'argent massif. Au centre de la barque est assis un petit personnage tenant d'une main la hachette et le bâten recourbé. A l'avant un second personnage est debout dans une sorte de petite cabine decorée à l'exterieur de plusieurs des emblèmes nommés boucle de ceinture. Le timonier est à l'arrière. Il se sert du seul gouvernail connu alors, c'est à dire d'une rame à large palette. Une seconde petite cabine ou plutôt une sorte de large siège est derrière lui. Un lion passant, avec le cartouche - prénom de Kamés, - est gravé sur la paroi extérieure de cette seconde cabine. Ces trois personnages sont en or".

Die Aah-hotep, in deren Grabe dieses Kunstwerk gefunden, sieht Mariette für eine Königin der 18. Dynastie an, weil an unserer Barke und an einigen Waffen der Name des Königs Kames und an andern Schmucksachen dieses Fundes der des Ahmes zu lesen. Diesen letzteren erklärt er für identisch mit dem bekannten Besieger der Hyksos und Gründer des genannten Regentenhauses um 1700 v. Chr. Aber Mariette gesteht selbst, a. a. O. pag. 263, daß unlösliche Schwierigkeiten bei dieser Annahme entstehen, will man die Stellung beider Fürsten zu einander und der Aah-hotep zu ihnen näher bestimmen. Daher dürfte es sich empfehlen, Ahmes für einen noch unbekannten König der XI. Dynastie der Entefs zu nehmen, wie Mariette selbst bei Besprechung eines Amulets unter Nr. 579 genöthigt ist, einen Fürsten dieses Namens als "un roi inconnu de la XI e dynastie"

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zu statuiren und so auch die Königin Aah-hotep und die bei ihrer Mumie gefundenen Kostbarkeiten in diese Periode von 3060 vor Chr. hinabzurücken. Diese Annahme empfiehlt sich auch dadurch, daß der Name und Titel der Verstorbenen wie die ganze Begräbnißweise durchaus die der Zeit der Entefs sind. Darnach wären über 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung Bronzewagen mit vierspeichigen Rädern wenigstens in Aegypten gebräuchlich gewesen.

Rövershagen.                                                              L. Dolberg.

 

 

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c. Eisenzeit.

Begräbnißplatz von Zarnekow.

Der Herr Drost v. Pressentin zu Dargun berichtet im Mai 1868 Folgendes:

Zu Zarnekow (bei Dargun) sind vor Kurzem Gräber aufgedeckt, die in einer flachen Bodenerhebung mitten im Acker lagen. Die Urnen standen 1 bis 2 Fuß tief und waren theils aus Thon mit Glimmerfünkchen, theils aus Thon mit Grand, und dem Anschein nach nicht auf der Töpferscheibe gefertigt. Sie hatten weiter keinen Inhalt, als Asche und zerbrannte Knochen. Nur in einer oder zwei Urnen wurden zwei eiserne Hefteln gefunden.


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Wendischer Wohnplatz von Raben=Steinfeld.

Auf dem reizend gelegenen großherzoglichen Hausgute Raben=Steinfeld am großen Schweriner See, werden südwestlich nahe vor dem großherzoglichen Palais, dort wo der Küchengarten beginnt, bei Thierknochen viele Topfscherben gefunden, von denen der Herr Secretair Fromm zu Schwerin mehrere überreicht hat. Diese Scherben sind nach heidnischer Weise mit Durchknetung von Sand bereitet und mit denselben Verzierungen geschmückt, welche die Topfscherben auf den fürstlichen Burgwällen der letzten Heidenzeit tragen, einige derselben sind so bezeichnend, daß man nicht daran zweifeln darf, daß sie der letzten Heidenzeit angehören.

G. C. F. Lisch.


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Begräbnißplatz von Cremmin

Vor einigen Jahren stieß der Herr Förster Feldten zu Cremmin bei Grabow beim Rajolen des Gartens des Forsthofes auf einen heidnischen Begräbnißplatz, auf welchem sich große Massen von Urnenscherben fanden. Er förderte auch eine wohl erhaltene Urne zu Tage, welche mit Asche und Knochenresten gefüllt war; leider ward dieselbe aber bald darauf zertrümmert. Andere Alterthümer wurden nicht gefunden. Nach den Scherben zu urtheilen gehört der Begräbnißplatz in die letzte Zeit des Heidenthums.

Beckentin, 1871.                                                                 H. Rönnberg, Cand.

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Spindelstein von Schwerin.

Der Herr Kammer=Secretair Meyer zu Schwerin fand 1873 in seinem Garten hinter seinem Hause an der Poststraße, dem Posthause gegenüber, einen Spindelstein, den er dem Verein schenkte. Dieser Spindelstein, aus grauem Thon, mit Parallelkreisen umher verziert, ist der kleinste, den die Schweriner Sammlungen besitzen: er hat 2 Centim. im Durchmesser und 1 1/2 Centimeter Höhe.

G. C. F. Lisch.


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Spindelstein von Nieder=Rövershagen.

Auf dem Felde zu Nieder=Rövershagen bei Rostock fand der Gutspächter Herr Pätow einen seltenen Spindelstein und schenkte denselben durch Vermittelung des Herrn Pastors Dolberg zu Rövershagen dem Vereine.

Der Spindelstein ist von dunkelgrünem Glase. Die eine, etwas gewölbte Oberfläche ist mit eingelegten gelben Zickzacklinien oder Spitzen verziert; der Rand ist hellgrün oder gelblich.

Die Masse ist keine Paste, da eine kleine beschädigte Stelle am Rande einen glänzenden Glasbruch zeigt. Die Arbeit ist ohne Zweifel römisch.

G. C. F. Lisch.


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Wendischer Wohnplatz von Hinter=Wendorf.

Auf dem Felde von Hinter=Wendorf bei Wismar wurden im Herbste 1864 auf einer kleinen Anhöhe zwischen dem Hofe Hinter=Wendorf, der Grenze des Gutes Hoben und der Ostsee, beim Abräumen eines Mergellagers mehrere Alterthümer gefunden, welche für eine ehemalige wendische Wohnstelle reden. Es wurden sehr viele Gefäßscherben gefunden, welche meistentheils roh und rauh gearbeitet und dickwandig sind; unter diesen ist auch die Scherbe eines Gefäßes, welches in den Seitenwänden von kleinen Löchern durchbohrt ist, also eines thönernen Trichters, wie dergleichen schon früher im Lande gefunden sind. Ferner wurden daneben unverbrannte Thierknochen und Rinderzähne gefunden, endlich auch eine vollkommen erhaltene eiserne Schere, in Form einer Schafschere, und ein eisernes Messer. Alle diese Alterthümer sammelte der Herr Rentier Mann zu Wismar und schenkte sie dem Vereine. Aus der Gestalt der Topfscherben und aus den Thierknochen muß man annehmen, daß hier ein Wohnplatz war, aber kein Begräbnißplatz.

G. C. F. Lisch.


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Burgwall Gotebant bei Mölln (Stavenhagen).

Vgl Jahrb. XXV, S 275.

Der Herr Hauptmann a. D. Baron v. Nettelbladt zu Güstrow fand auf dem Burgwalle Gotebant bei Mölln (Bahnhof, bei Stavenhagen) außer vielen verzierten Topfscherben auch einen Pfriemen aus Knochen, aus einem ziemlich starken Röhrenknochen, den er dem Vereine schenkte. Knöcherne Pfriemen werden in Meklenburg selten gefunden.

G. C. F. Lisch.

 

 

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d. Alterthümer anderer europäischer Völker.

Römische Alterthümer im nördlichen Norwegen.

Herr Ingvald Undset, Studiosus der Philologie zu Christiania, hat im J. 1873 im nördlichen Norwegen einen (auch für Meklenburg) höchst merkwürdigen Fund von römischen Alterthümern gemacht und denselben in den norwegischen Vereinsschriften beschrieben, mir auch in freundlicher Theilnahme außer der Beschreibung, einer sehr verdienstlichen und einflußreichen Arbeit, eine Photographie der gefundenen Alterthümer gesandt.

Der Fund ward auf der Lines=Insel (Linaesöe) an der Küste von Norwegen nördlich von Drontheim, nördlich vom 64. Grad nördlicher Breite (64 ° 1') gemacht, also nicht sehr weit vom nördlichen Polarkreise.

Die Lines=Insel wird so genannt nach den auf ihrem nördlichen Ende liegenden Höfen dieses Namens; im Volksmunde heißt sie allgemein Voks=Insel, und dies mag wohl der ursprüngliche Name sein. Auf der nördlichen Spitze der Insel findet sich eine Anzahl langer und runder Sandhügel. Höher hinauf liegen mehrere Steinhaufen. Auf dem Hofe Sörgård finden sich mehrere Steinhaufen. In einem derselben, welcher vor einigen Jahren beim Urbarmachen eines Ackerstückes ausgebrochen ward, fand der Besitzer des Gutes Nils Hansen auf dem Grunde eine Lage von Kohlen und Asche und ziemlich in der Mitte unter einigen großen Steinen folgende römische Alterthümer: einen "Krater" (Kessel oder Eimer mit Fuß), eine Kelle und ein Sieb, alle von Bronze. Glücklicherweise waren diese Sachen in einem Bootschuppen verwahrt, wo sie Herr Undset fand und erwarb.

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Auf die Erkenntniß und Bestimmung dieser Alterthümer hat die Entdeckung der Römergräber von Häven in Meklenburg, dargestellt in unseren Jahrbüchern XXXV, S. 100 flgd., welche Herr Undset kannte, entscheidenden Einfluß gehabt.

Der "Krater" ohne Henkel, war, wie häufig, zerbrochen; fast der ganze Rand und der Fuß sind jedoch erhalten, so daß die ursprüngliche Größe und Form zu erkennen sind. Die Mündung hat 14 1/2" im Durchmesser. Der Rand hat eine nach innen vorspringende Kante; inwendig unter der Kante sind einige Linien eingedreht. Auf dem Fuße sind mehrere Kreise abgedrehet. Dieser Krater stimmt also an Größe, Form und Bearbeitung völlig über ein mit dem zu Häven in Meklenburg in einem Römergrabe gefundenen und in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 2, abgebildeten Krater, und mit dem Krater in Worsaae Nordiske Oldsager, Tab. 74, Nr. 302.

Die Kelle hat unter dem Rande und auf dem Boden eingedrehete Kreise. Sie gleicht der bei Häven gefundenen, abgebildet in Meklenb. Jahrb. XXXV, Tafel I, Fig. 4.

Das Sieb paßt genau in die Kelle, so daß die Ränder sich decken. Der Griff ist abgebrochen. Die Löcher im Boden bilden eine Rosette, an den Seiten zwei paar Kreise, durch Schrägestriche verbunden.

Bei der Auffindung lag das Sieb in der Kelle, und beide zusammen lagen umgestülpt in dem Krater. Die Fundgegenstände gleichen also ganz den bei Häven entdeckten.

Dieser Fund ist dadurch außerordentlich wichtig, daß er der nördlichste Fund römischer Alterhümer 1 ) in den drei nordischen Reichen ist, und wieder einen Beweis liefert, wie stark der vom Römischen Reiche ausgehende "Kulturstrom" gewesen ist.

Wenn Herr Undset in seinem Briefe meint, es sei nicht unwahrscheinlich, zu vermuthen, daß der Fund von der Lines=Insel auf eine römische Handelsfactorei in Meklenburg hinweise, so möchte ich, obwohl voll Eifer für die Sache, so kühn nicht sein.

Schwerin.                                                                                           G. C. F. Lisch.


1) Ueber die nicht selten in Norwegen gefundenen Römischen Alterthümer vgl. A. Lorange: Om Spor af romersk Kultur i Norges aeldre Jernalder, in: Christiania Videnskabs-Selsk. Forhandlinger for 1873, auch im Separat=Abdruck.
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Höhlenwohnungen in Thüringen.

Der Herr Kaufmann Lilliendahl zu Neu=Dietendorf bei Gotha hat dem Vereine aus Theilnahme zur Vergleichung einen Fund zum Geschenk gemacht, der allerdings geeignet, ist, Aufmerksamkeit zu erregen, wenn der Fund auch grade keine glänzende Außenseite hat. Er ward beim Grundausgraben zu einem neuen Hause in Neu=Dietendorf gemacht. Der Boden bestand aus Lehm; doch bemerkte Herr Lilliendahl, daß sich darin Gruben befanden, welche mit Humus gefüllt waren. In diesen Gruben fand derselbe in einer Tiefe von 3-6 Fuß nun folgende Sachen:

   1) Zahlreiche Scherben von Töpfen und Schalen, alle nach heidnischer Weise bereitet, theils ganz roh, theils von feiner Arbeit, mitunter auch geglättet und schwarz von Farbe, alle von ziemlich großen Gefäßen. Alle Gefäße scheinen nach Gestalt und Größe zum häuslichen Gebrauche, nicht zur Leichenbestattung bestimmt gewesen zu sein. Unter diesen Scherben befindet sich

   2) ein Randstück von einem sehr großen Gefäß, dessen Wandung 14 Millimeter dick ist; das Gefäß hat offenbar zu einem großen Vorrathstopfe oder Wasserkübel gedient.

   3) Stücke von einem dicken, auf der Oberfläche geebneten, roth gebrannten Lehmschlag, über 7 Centim. dick, welcher offenbar die Oberfläche eines Feuerheerdes gebildet hat.

   4) Stücke von Lehmschlag, welche auf der untern Seite Eindrücke von (hölzernen) Stangen haben, also wohl Wand= oder Dachbekleidungen gewesen sind.

   5) Schlacken und mürbe gebrannte Steine.

   6) Ein kleiner, 4 Centimeter langer, künstlich zugespitzter und geglätteter Pfriemen aus einem Vogelknochen.

   7) Viele Thierknochen, namentlich Kinnladen und Zähne vom Rind, Schaf und Schwein.

Aus der Lage und Beschaffenheit der Fundstücke und durch Vergleichung mit ähnlichen Vorkommenheiten gelangt man bald zu der Ansicht, daß hier menschliche Ansiedelungen vorliegen, und zwar Höhlenwohnungen oder Grubenwohnungen, welche sich in Meklenburg mit ähnlichen Ueberresten auch immer 4-5 Fuß tief unter der Erdoberfläche zu finden pflegen. Es dürften also hiernach heidnische Höhlenwohnungen auch in Thüringen gefunden sein. - Aehnliche Beobachtungen scheint auch Dr. Klopfleisch zu Jena

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nach seinen Berichten auf der General=Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Schwerin, Septbr. 187l, in Thüringen gemacht zu haben.

Das Alter dürfte schwer zu ermitteln sein. Die Gefäßscherben sind gut und sorgsam gearbeitet und deuten auf eine alte Zeit. Die Knochen sind aber noch ziemlich frisch und fest.

Ein Zeugniß könnten vielleicht

   8) einige verzierte schwarze Gefäßscherben geben. Es sind Scherben von schwarzen Gefäßen vorhanden, welche mit eingeschnittenen Parallellinien verziert sind. Solche Gefäße gehören in Meklenburg der altern Eisenzeit an. Es ist aber auch eine feine schwarze Scherbe vorhanden, welche reiche Verzierungen von Punktlinien hat, welche offenbar mit einem Werkzeug eingedrückt sind. Solche Urnen kommen bekanntlich in Meklenburg häufig vor und fallen in die Zeit der Römergräber oder römischen Alterthümer in Meklenburg, also ungefähr in das 2.-3. Jahrhundert n. Chr. Ich würde daher aus allen diesen Gründen kein Bedenken tragen, diesen Fund von Neu=Dietendorf eben dieser Zeit anzuweisen. Bemerkenswerth ist jedoch die Eigenthümlichkeit, daß die "Punkte" in den "Punktlinien" nicht, wie in Meklenburg, aus kleinen Vierecken, sondern aus Dreiecken wie kleine Pfeilspitzen bestehen.

G. C. F. Lisch.


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Streitaxt von Gerolstein.

Der Herr Dr. L. Schultze zu Gotha, Mitglied des Vereins, schenkte demselben eine große steinerne Streitaxt, welche zu Gerolstein in der Eifel gefunden; er erhielt dieselbe mit einer Sendung von Petrefacten von Gerolstein. Diese Streitaxt, welche aus braunem vulkanischen Gestein besteht und 3 Pfund schwer ist, hat genau die Gestalt der ältesten Streitäxte der baltischen Länder mit roh abgerundeter Bahn; das Stielloch ist etwas Schräge, oben nach hinten zu, durchgebohrt. - Diese Streitaxt kann also als ein Zeichen gleicher Cultur des Westens mit dem Nordosten gelten.

G. C. F. Lisch.


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Kjökkenmödding von Sölager.

Bekanntlich gehört die Entdeckung der ,,Kjökkenmödding" (Küchenabfälle) an den Küsten des Kattegat und deren Bearbeitung zu den großartigsten wissenschaftlichen Eroberungen der neuesten Zeit, deren Mittelpunct die großen wissenschaftlichen Anstalten Kopenhagens bilden. Ohne hier tiefer auf das Wesen dieser merkwürdigen Erscheinungen eingehen zu können, sei nur bemerkt, daß die Kjökkenmödding ungeheure Hügel oder Bänke von weggeworfenen Speiseresten bilden, welche zum größten Theil aus Muschelschalen (eßbaren Meermuscheln), Thierknochen, Fischgräten und Feuersteingeräthen bestehen: die Muschelschalen gehören größtentheils den Austern und Herzmuscheln an; die Thierknochen stammen von wilden Säugethieren und zahlreichen Vögeln (von Hausthieren ist nur der Hund vertreten); die Feuersteingeräthe sind roh geschlagen und nicht polirt. Diese Ueberreste menschlicher Ansiedelungen gehören einer sehr fernen Zeit an, der Zeit des nicht polirten Feuersteins.

Während des glänzenden internationalen Congresses für vorhistorische Archäologie zu Kopenhagen (27. August bis 3. Septbr. 1869), aus welchem Männer der Wissenschaft aus ganz Europa versammelt waren und an welchem auch der Geh. Archivrath Dr. Lisch aus Schwerin Theil nahm und zu einem der Vicepräsidenten erwählt ward, war am 30. Aug. auch eine Fahrt nach dem zunächst liegenden Kjökkenmödding=Haufen bei Sölager veranstaltet. Sölager liegt am Ausgange der Roeskilde= und Ise=Fjords in das Kattegat, bei Lynaes, 6 Meilen nördlich von Roeskilde. Die glänzend ausgerüstete Expedition ging zuerst auf der Eisenbahn durch Extrazug bis Roeskilde, von Roeskilde auf einem großen Dampfschiffe 6 Meilen durch den Fjord nach Sölager und von hier auf vielen von den Landleuten der Umgegend gestellten Wagen zu den gegen 1/2 Meile von Sölager an der Küste liegenden Kjökkenmödding. Hier waren unter der Leitung der Herren Professor Steenstrup und Kammerrath Herbst einige Tage vorher geeignete Anstalten zur Untersuchung des innern, auf der Oberfläche schon bewachsenen, lang gestreckten und hohen Hügels getroffen, indem weite und tiefe Gräben auf und ab durch den Hügel gezogen waren, so daß das Innere des Hügels in den Seitenwänden der Gräben von der großen Gesellschaft genau durchwühlt und durchforscht werden konnte, was denn auch von Allen mit der größten Begier ausgeführt ward. Das ganze Innere

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des Hügels oder Berges stellte sich als eine ungeheure Masse von Millionen von uralten Muschelschalen dar, welche reichlich mit Thierknochen, Fischgräten, Feuersteingeräthen gemischt war. Die zahlreichen Funde bei der Ziehung der Gräben waren bei der Ankunft der Congreßmitglieder unter einem Zelte geordnet ausgestellt. Jeder der Anwesenden arbeitete, forschte und suchte selbst in wissenschaftlichem Verkehr. Bei der Rückkehr am Abend in Roeskilde ward die Gesellschaft durch Erleuchtung des eben restaurirten prachtvollen Domes und vollendetes Orgelspiel überrascht. Der ganze Tag war ein wahrer Festtag bei günstigem Wetter. Die Ausbeute, welche der Geh. Archivrath Dr. Lisch gewonnen und dem Vereine als Geschenk mitgebracht hat, besteht aus folgenden Stücken:

35  Austerschalen (Ostrea edulis);
48  Herzmuscheln (Cardium edule);
7  Miesmuscheln (Mytilus edulis);
4  Strandschnecken (Litorina (Turbo) littorea);
5  Säugethierknochen;
12  Vogelknochen;
2  polirte knöcherne Pfriemen, davon 1 von dem Herrn Jägermeister Bruun auf Humlebek bei Helsingör gefunden und geschenkt;
12  von Menschenhand scharfkantig geschlagene, unregelmäßige Feuersteinstücke;
1  Austernbrecher von Feuerstein;
1  "Schraper" von Feuerstein;
10  Messer und Pfeilspitzen von Feuerstein;
3  geschlagene Steine von andern Arten;
1  kleiner cubischer Granitstein, mit darüber gebogener Muschelschale beklebt.

 

 

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e. Alterthümer außereuropäischer Völker.

Steinzeit in Aegypten.

Seit mehreren Jahren ist oft von zerschlagenen und gespaltenen Feuersteinen (silex) die Rede gewesen, welche in Aegypten häufig gefunden sind 1 ), namentlich durch französische Reisende und Gelehrte in Ober=Aegypten, und man ist durch diese Funde veranlaßt worden, auf eine "vorhistorische Steinzeit" auch in Aegypten zu schließen. Gegen diese Ansicht erhob sich Lepsius 2 ), "indem er alle diese Funde für zufällige Ergebnisse der Zersplitterung des Gesteins durch solare und atmosphärische Einflüsse erklärte". Diese Ansicht erregte überall großes Aussehen.

Herr Dr. Reil zu Cairo, "der Begründer des frühern Clinicums in der Abbasieh und jetzt des Schwefelbades Hélwan (oder Hélouan) bei Cairo", hat aber bei Hélouan nicht sehr weit von Cairo, eine Menge von feuersteinernen Werkzeugen gefunden, welche die Ueberzeugung aufdrängen, daß wir es "hier nicht mit angeblichen Naturspielen, sondern mit Werkzeugen von menschlicher Thätigkeit zu thun haben". Herr Dr. Reil, welcher die Funde mit Aufmerksamkeit durchforscht hat, hat darauf im Sommer 1873 photographische Abbildungen mit Beschreibungen an die anthropologische Gesellschaft zu Berlin geschickt 3 ), ohne hier jedoch ein bestimmtes Ergebniß zu erzielen.

Jetzt (im Mai 1874) hat Herr Dr. Reil Sr. K. H. dem Großherzoge Friedrich Franz von Meklenburg= Schwerin,


1) Vgl. die übersichtliche Darstellung von Dr. Lauth zu Alexandria im Correspondenz=Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie etc. . 1873, Mai, Nr. 5, S. 30 flgd.
2) Vgl. daselbst.
3) Vgl. Correspondenz=Blatt etc. . 1873, Juni, Nr. 6, S 41, und August, Nr. 8, S. 57.
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welcher im Anfange des Jahres 1872 Aegypten bereiste und im Januar und Februar auch in Cairo war, für die Sammlungen zu Schwerin über 100 Stück Feuersteingeräthe geschenkt, welche er selbst bei Hélouan gesammelt hat und dieselben mit einem Fundberichte begleitet.

Diese Fundgegenstände von Feuerstein sind folgende:

1) "6 sägeförmig bearbeitete Silexsplitter."
Dies sind sehr regelmäßig und geschickt geschlagene Feuersteinspäne oder sogenannte Messer von 1 Centim. Breite und 3 bis 4 Centim. Länge, mit einer glatten Unterseite und drei bis vier Oberseiten, von trapezoidischem Durchschnitt, genau so gearbeitet wie die nordischen Spanmesser; die Zahnung der scharfen Seiten zu Sägen ist äußerst fein, regelmäßig und geschickt.

2) "25 gut charakterisirte Pfeilspitzen."
Dies sind sehr geschickt, sicher und regelrecht geschlagene dreiseitige glatte Spitzen mit einer glatten Unterseite und zwei glatten Oberseiten, meistens 3 Centim. lang, auch etwas länger und kürzer. Diese Pfeilspitzen sind auf den Oberflächen und Schneiden nicht gekröselt oder muschelig gedrückt, wie die bessern nordischen gewöhnlich zu sein pflegen, sondern einfach und sicher geschlagen. An vielen Exemplaren ist die Schlagmarke sehr deutlich ausgeprägt.

3) "28 untaugliche Pfeilspitzen."
Dies sind unvollkommene Exemplare von verschiedener Länge, aber alle geschlagen, theils von dreiseitigem, theils von trapezoidischem Durchschnitt. Einige zeigen auch die Schlagmarke.

4) "20 Kratzer, Schaber, größere unvollkommene Pfeilspitzen",
meistentheils Späne, ähnlich den Sägen, größtentheils von trapezoidischem Durchschnitt, zum Theil auch mit der Schlagmarke, vielleicht theils Messer, theils Pfeilspitzen.

5) "6 größere Schaber oder Messer",
wie die Messer und Sägen, aber stärker, größer und unvollkommener, einige auch mit der Schlagmarke.

6) "18 bei Bearbeitung des "Silex abgefallene Splitter ohne Deutung",
offenbar unregelmäßiger Abfall bei der Arbeit, einige Exemplare auch mit einer Schlagmarke.

7) "6 Kerne (nuclei) von "Silex, an welchen die Arbeit des Abschlagens der Splitter ersichtlich",

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derbe Knollen von ungefähr 3 Centim. Durchschnitt und Länge, mit vielseitiger Oberfläche durch das Abschlagen der Späne gebildet.

8) "4 natürliche Kieselsplitter und abgewetzte Kiesel" (Feuersteinbrocken) "aus einem zwischen zwei Thonschichten vorkommenden Kieselgeschiebe vom Plateau von Hélouan über dem tertiären Kalk."

Alle diese hier aufgeführten Gegenstände haben ihre Form ohne Zweifel durch Menschenhand erhalten.

Herr Dr. Reil giebt zu dieser Sendung und Aufzählung folgende handschriftliche Erläuterung.

"Ueber die in Hélouan bei Cairo (Aegypten) gemachten Funde an Silexinstrumenten.

Locales und Geologisches.

Vier Stunden (26 Kilometer) von Cairo südlich, zwischen den Bergzügen der arabischen Wüste und dem Nil, liegt in einer Ausdehnung von ungefähr 4 Kilometer ein sandiges und felsiges Plateau, das nicht nur 8 lauwarme Schwefelquellen (dem Bad=Etablissement Hélouan dienstbar) enthält, sondern auch sonst wie ein Schwamm mehrere Wasseradern in seinem Boden zwischen thonigen Sandschichten birgt, die dem tertiären Kalk aufgelagert sind. Dieser Umstand reichlicher Wassermenge, wenn auch salzigen Wassers, ist um so auffallender, als das Plateau von Hélouan 40 Meter über dem mittleren Wasserspiegel des Nil und 1-4 Kilometer vom Nil östlich liegt, auch kein nennenswert hoher Gebirgszug vorhanden ist, der als Druckwerk wirken könnte. Es bleibt nur die Annahme, daß dieselben vulkanischen Kräfte, welche die Schwefelquellen aus einer, der Temperatur von 32 ° Cels. nach, nicht unbedeutenden Tiefe heraufbefördern und in Masse von über 1000 Cubikmeter täglich frei abfließen lassen, durch Durchsickerung in die umgebenden Bodenschichten letztere fortwährend durchtränken. - Die Oberfläche des Plateaus von Hélouan besteht theils aus von den Bergen herabgewaschenem Kalksteingeröll, theils aus Sand, thonigem Sande, halbverwittertem Gyps, dünnen Kochsalz= und Magnesia=Lagern und compact gewordenem Sande, einer Art Sandstein jüngster Formation, in welchem große

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Stücke versteinerten Holzes und Kieselknollen an einzelnen Stellen gefunden werden. (Miocen=Bildung.)

Geschichtliches.

Wenngleich es bisher nicht gelungen ist, den geschichtlichen Beweis dafür zu liefern, daß die Schwefelquellen von Hélouan früher als zur ersten arabischen Zeit ausgedehnter Benutzung übergeben wurden, so läßt sich doch bei den bekannten und allen Völkern zu allen Zeiten inwohnenden Vorliebe für Quellen, besonders warme und sonst ausgezeichnete, annehmen, daß auch die Schwefelquellen von Hélouan in frühester Zeit wenigstens bekannt waren und von den damaligen Einwohnern Aegyptens besucht und benutzt wurden. Die älteste historische Quelle findet sich bei dem arabischen Compilator Macrisi, welcher erzählt, daß der ägyptische Herrscher Abdul Assis ibn Maruan beim Ausbruche der Pest 1 ) Fostad (erste Ansiedelung der Araber vor Gründung Cairos) verließ, sich gegen Osten in die Wüste an einen Ort zurückzog, wo er die Quellen fassen, Bäder, Palläste und Moscheen bauen ließ, Datteln und Weinreben pflanzte und lange mit seinem Hofstaat und Soldaten residirte. Fassung und Badebassin der großen Hauptquelle ist auch vom Unterzeichneten wieder aufgefunden worden, sowie auch zahlreiche Trümmerfelder auf dem ganzen Plateau alte arabische Bauten nachweisen lassen. Eine halbe Stunde östlich im Gebirge befindet sich auch ein kegelförmiger Berg, der an seiner Spitze durch einen 4 m. Durchmesser haltenden behauenen Schacht 21 m. tief durchbohrt ist und - aus den Trümmern eines Sarkophags aus schwarzem Granit zu schließen - wahrscheinlich einem alten ägyptischen Könige, vielleicht vor dem Pyramidenbau, zur Grabstätte diente. Inschriften fehlen.

Fundstelle der Silexgeräthe.

Seit December 1871, wo Unterzeichneter die ersten Silexsplitter von Menschenhand geschlagen auffand, hat derselbe gegen 10 Fundstellen entdeckt, die alle das gemeinschaftlich haben, daß sie sich in fast unmittelbarer Nähe der neu aufgefundenen Schwefelquellen und anderer wasserreichen Orte finden. Die Silexsplitter liegen hier lose auf dem Sande, manch=


1) Um 722 n. Chr.
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mal viele zusammen, manchmal über einen großen Raum durch Wind und Regengüsse zerstreut. Nie finden sich in unmittelbarer Nähe der Fundstellen Lager von Silexknollen der Wüste, entgegen den sogenannten Fundstellen von Hamy, Lenormant und Arcelin, die ihre angeblichen Silexwaffen grade inmitten unzählbarer Knollen der Kieselgeschiebe auf den Bergen auflasen.

Material und Bearbeitung.

Das Material, aus welchem die Silexsplitter herausgeschlagen sind, ist so verschiedenartig an Farbe, daß Unterzeichneter der Ueberzeugung ist, nur zum geringen Theile seien die in den Wüsten um Hélouan herum und in der gegenüberliegenden lybischen Wüste vorkommenden Silexknollen benutzt worden, sondern man habe das Material aus anderen Gegenden, zum Theil wenigstens, bezogen. Während nämlich schwarze und braune, auch graue Silexknollen in den beiden Wüsten nahe Hélouan genug vorkommen, fehlt die reine gelbe oder rosenrothe Feuersteinsorte daselbst gänzlich. Unterzeichneter hat letztere aber zahlreich in den Kalkfelsen, z. B. Miniéh gegenüber, gefunden.

Was die Methode der Bearbeitung anbetrifft, so übergeht der Unterzeichnete etwaige hierauf bezügliche Versuche und Hypothesen. Die Merkmale menschlicher Bearbeitung stehen bei den Kennern von Silexwaffen fest. Täuschungen sind bei den in Hélouan gefundenen Gegenständen nicht möglich, wohl aber bei den oberägyptischen Funden der oben angeführten Gelehrten. Einige der beigeschlossenen Sammlung angefügte Stücke (Nr. 8) von Kieselsplittern, die in einer zwischen Thonlagern eingeschlossenen miocenen Schicht Kieselgerölle gefunden wurden, wo ähnliche nach vielen Tausenden aufzulesen wären, mögen als Beispiel dienen, daß lackartiger Ueberzug und ausgebrochene Facetten nicht untrügliche Merkmale von durch Menschenhand hergestellten Silexgeräthen sind. Weit wichtiger ist die immer unwandelbar wiederkehrende Form der Silexsplitter -, hervorgebracht theils durch die Spaltungsgesetze der Silexknollen - muschelig -, theils durch die Intention des Schlagenden, der einen Gegenstand von bestimmter Form zu einem bestimmten Ge=

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brauch herstellen wollte: z. B. Pfeilspitzen, Messer, Schaber und Kratzer in Form von Meißel oder Säge. Letztere Form vor Allem, sowie die beigelegten nuclei, an deren Facetten man die menschliche Bearbeitung am deutlichsten sieht, möchte wohl den hartnäckigsten Zweifler überzeugen, daß dergleichen Formen nicht ein Spiel des Zufalls sein können.

Die Frage, ob die in Hélouan gemachten Funde einer sogenannten prähistorischen Zeit von Aegypten anzupassen sind, wagt Unterzeichneter nicht zu bejahen, da er die Behauptung aufzustellen wagt, man könne in Aegypten vielleicht selbst noch im ersten Zeitraum arabischer Herrschaft Pfeilspitzen aus Silex statt eiserner gebraucht haben, so gut als die jetzigen Beduinen noch Luntenflinten führen, trotzdem daß sie Percussionsgewehre à 2 Rth. in allen Läden Cairos kaufen können. Prähistorisch ist eben ein sehr relativer und elastischer Begriff."

Hélouan bei Cairo, 1873.

Dr. W. Reil."

 

Aus dem Vorgetragenen wird hervorgehen, daß diese bei Hélouan gefundenen Gegenstände ohne Zweifel von Menschenhand absichtlich hergestellt find, gleich denen im nördlichen Europa gearbeiteten, und nicht durch ein Spiel von Naturkräften gebildet sein können; die Bildung durch Menschenhand ist dem Kenner auf den ersten Blick klar. Ob aber diese Geräthe Zeugnisse für eine "prähistorische Cultur", d. h. für eine Steinzeit, in Aegypten sind, das mag noch unentschieden bleiben, bis man dort Gräber aus der Steinzeit (Dolmen) mit gleichen oder ähnlichen Geräthen oder kunstreicher bearbeitete Geräthe aus Feuerstein findet. Lepsius 1 ) glaubt, daß man aus diesen Geräthen nicht auf eine "prähistorische Zeit" schließen könne. Ich möchte es aber doch glauben, da man in allen anderen Gegenden aus solchen Geräthen auf das Vorhandensein einer vorgeschichtlichen Steinzeit schließen kann und zu schließen das Recht hat, und nicht einzusehen ist, warum Aegypten nicht auch eine Steinzeit, welche sicher immer sehr alt ist, gehabt haben sollte. Freilich ist es wohl möglich, daß manche Geräthe aus


1) Vgl. Correspondenz=Blatt a. a. O., 1873, Nr. 8, S. 57.
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dem wohlfeilen und nutzbaren Feuerstein, wie Pfeilspitzen und Messer, aus der prähistorischen in die historische Zeit übergegangen sind. Aber deshalb braucht man die Steinzeit nicht gerade ganz zu leugnen.

Schwerin, im Mai 1874.

Dr. G. C. F. Lisch.


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Mexikanische Alterthümer.

Frau Doctorin Lehmann zu Rostock schenkte, durch Vermittelung des Herrn Baumeisters Luckow zu Schwerin, folgende in Mexico gesammelte altmexikanische Alterthümer:

1 flache menschliche Büste (Brustbild) aus rothem Thon, eine Frau mit einem kleinen Kinde auf dem Arme darstellend, 9 Centim. hoch;

1 kleinen menschlichen Kopf mit Kappe, aus gelbem Thon, 4 Centim. hoch;
Bruchstücke von 3 1/2 Centim. Länge, den Meklenburgischen

4 Spanmesser aus Obsidian, mit den Schlagmarken, Feuersteinspänen oder Messern ähnlich;

1 Bruchstück von einem starken Dolch aus Obsidian, an Bearbeitung den Meklenburgischen aus Feuerstein ähnlich, 4 1/2 Centim. breit und 4 Centim. lang.

Dr. G. C. F. Lisch.

 

Vignette

 

 

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2. Christliches Mittelalter.


Alterthümer von Schwaan.

I m Jahre 1870 wurden bei der Stadt Schwaan bei dem Bau der neuen Brücke über den Warnow=Fluß durch Ausbaggerung des Flußbettes mehrere aus dem christlichen Mittelalter stammende Alterthümer gefunden und von dem Magistrat der Stadt, vorzüglich auf Betrieb des Herrn Burgemeisters Burmeister, dem Vereine geschenkt. Unter diesen Alterthümern sind vorzüglich die Waffen, welche alle wahrscheinlich aus einer und derselben Zeit stammen, von alterthümlichem Werth, da sie außerordentlich gut geformt und gearbeitet und verhältnißmäßig gut erhalten sind, indem sie nicht vom Rost gelitten haben. Nach den Formen stammen sie wahrscheinlich aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts; in dieser Zeit ward auch die Burg und Stadt Schwaan von den kriegerischen Bewegungen in den Ländern Werle und Rostock, an deren Grenze die Stadt lag, oft berührt.

Die Alterthümer sind folgende:

   1) Ein Schwert aus Eisen, gut erhalten, jedoch in der Mitte der Klinge quer gerade durchbrochen, und die Spitze fehlt etwa 2 Zoll lang. Das Schwert hat noch manche Eigenthümlichkeit der Schwerter des 12. Jahrhunderts, jedoch auch schon Kennzeichen des 14. Jahrhunderts. Das ganze Schwert ist ungefähr 52 Zoll oder 4 Fuß 4 Zoll lang und reicht mit dem Knopfe bis an die Schulter. Die zweischneidige Klinge ist ungefähr etwas über 40 Zoll lang, oben 2 1/2 Zoll und unten vor der (abgebrochenen) Spitze 1 Zoll breit. Die Klinge ist noch sehr breit, dünne ausgearbeitet und hat in der Mitte eine breite, tiefe sogenannte Blutrinne. Der Griff ist 9 Zoll lang. Der schwere, runde, scheibenförmige Knopf hat 2 1/2 Zoll im Durchmesser. Die grade Parierstange ist 9 Zoll lang und an beiden Enden beilförmig

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verbreitert. Auf beiden Seiten ist in der Klinge oben unter der Parierstange ein kleines Kreuz, 1/2 Zoll hoch, etwas weiter abwärts sind 3 in einander hangende Doppelkreise, 1 Zoll im Durchmesser, ungefähr gegen die Mitte ist ein kleiner Kreis mit abwärts stehender Stange, etwa wie ein Pfriemen, im Ganzen ungefähr 1 1/4 Zoll lang, von Bronze eingelegt. Solche eingelegte Verzierungen, auch Sprüche kommen auf alten Schwertern öfter vor.

   2) Eine Lanzenspitze aus Eisen, sehr ausgezeichnet gearbeitet, 24 Zoll im Ganzen und 15 Zoll in der Klinge lang, mit achteckiger Schaftröhre.

   3) Eine Lanzen Spitze aus Eisen, ebenfalls sehr gut gearbeitet, 15 Zoll im Ganzen und ungefähr gegen 10 Zoll in der Klinge lang, mit sechseckiger Schaftröhre.

   4) Ein Dolchmesser ("Rüting") oder Faschinenmesser aus Eisen, eine große, schön gearbeitete, breite Messerklinge, 10 Zoll lang.

   5) Ein Dolchmesser aus Eisen, etwas schmaler, 9 Zoll in der Klinge lang, mit 8 dünnen oblongen Scheiben aus dem Hefte, zur Haltung und Bildung einer Griffbekleidung.

   6) Ein Sporn aus Eisen, mit einem kurzen Stachel statt des Rades.

   7) Ein Sporn aus Eisen, eben so, auf den Bügeln verziert.

   8) Ein Sporn aus Eisen, mit einem kleinen runden Knopf statt Stachel oder Rad.

   9) Ein kleiner Becher oder Topf aus blaugrauem Thon, 3 Zoll hoch.

   10) Ein Deckelkrug ("Seidel") aus Zinn, ohne Hausmarke und Fabrikzeichen. Jedoch sitzt im Innern auf dem Boden eine große, schöne, mittelalterliche, flache Rosette, welche für ein höheres Alter zu zeugen scheint.

Alle diese Sachen scheinen aus derselben alten Zeit zu stammen.

Jüngern Zeiten werden folgende Sachen angehören:

   11) und 12) Zwei kugelförmige Vorlegeschlösser aus Eisen und

   13) ein cylinderförmiges Vorlegeschloß aus Eisen, vielleicht vor Fischbehältern ("Hüdefässern").

   14) Drei Eberhauer, ohne Werth.

G. C. F. Lisch.


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Alterthümer von dem abgebrochenen Universitätshause ("Weißen Collegium") zu Rostock.

(Vgl. Jahrb. XXXI, S. 96 flgd.)

Beim letzten Ausgraben der Fundamente des Universitätsgebäudes zu Rostock im Herbst 1866 wurden noch folgende Alterthümer gefunden und von dem Herrn Hofbaurath Willebrand eingeliefert.

Ein kleines Säulenkapitäl aus Kalkstein in dem Charakter der frühen Zeit des 14. Jahrhunderts. Das Kapitäl ist von kleinen, schlanken Formen, 7" hoch, 7 1/2" im Quadrat in der Deckplatte und 4 1/2" im Durchmesser in der Fläche des Säulenschaftes. Es ist an der Deckplatte und sonst stark verstümmelt; alle Knäufe sind abgebrochen. Das Kapitäl stammt wenigstens von dem ehemaligen bischöflichen Bau (1370), wenn es nicht noch älter ist, und mag zu einem Fensterpfeiler oder dergl. gedient haben.

Eine viereckige Ofenkachel oder "Topfkachel" in Form eines viereckig gebogenen Topfes oder Schmelztiegels, der ältesten Form der Ofenkacheln, ohne Zweifel aus dem bischöflichen Bau stammend, in welchem also auch Oefen neben der Luftheizung (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 99) waren. Die Kachel ist inwendig, also an der ehemaligen Außenseite des Ofens, von Ruß geschwärzt, der Ofen also wohl in dem Brande von 1565 zerstört.

Ein Leuchter aus weißem Thon, ganz roh und architektonisch modellirt, wie sich solche von Ziegeln gemachte Leuchter öfter finden. Er ist zerbrochen und hat wahrscheinlich einen Doppelleuchter gebildet. Er stammt (schon nach dem Thon) höchst wahrscheinlich aus der Zeit des bischöflichen Gebäudes (1370).

Ein kugeliger thönerner Topf, mit 2 Henkeln und 2 Gußdillen (thönernes "Lechel"), hochgrün glasurt, mit der bekannten, schönen, grünen Glasur aus der Mitte des 16. Jahrhunderts;

der Fuß eines grünlichen Glaspokals und

ein messingener Zapfhahn mit einem Hahn als Griff:

alle drei Stücke wahrscheinlich aus der Zeit des neuen Baues nach 1565 stammend.

G. C. F. Lisch.


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Siegelringstein vom Weinberg bei Güstrow.

Bei Aussieben von Grand, welcher von dem Gehöfte "Weinberg" bei Güstrow, der "Schöninsel" gegenüber, zum Bau angefahren war, ward ein ganz kleiner Siegelringstein gefunden, welcher im Jahre 1870 von dem Herrn Hauptmann a. D. Baron v. Nettelbladt zu Güstrow dem Vereine geschenkt ist. Der Stein, aus Bergkrystall, hat eine linsenförmige Gestalt und hat nur 3/8 Zoll oder 1/2 Centim. im Durchmesser; die eine Seite ist eben, die andere flach gewölbt. Auf der ebenen Seite ist ein ganz kleiner Frauenkopf in bloßen Haaren eingravirt. Die Haarfrisur erinnert an Frauenbilder aus dem Ende des 17. Jahrhunderts und so mag der Stein einer Dame des güstrowschen Hofes des Herzogs Gustav Adolph gehört haben, welcher viel auf der "Schöninsel" verkehrte. (Vgl. das Medaillon der Herzogin Margarethe Elisabeth, Jahrb. XXXI, S. 108.) Zu einer genauem Bestimmung ist der Stein und das Bild wohl zu klein; es ist überhaupt auffallend, daß der kleine Stein hat bemerkt werden können.

G. C. F. Lisch.


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Würfel von Wessentin.

Zu Wessentin bei Lübz ward im Frühling 1862 beim Graben eines Gartens ein seltener Würfel gefunden, welcher in den Besitz des Herrn Erbpächters Haupt zu Tressow gelangt und von demselben dem Vereine geschenkt ist. Der Würfel, von Serpentinstein, ist ein Cubus von 1 Zoll hamburg. Maaß, mit abgestumpften Kanten und Ecken, also mit 6 quadratischen Hauptflächen, 12 oblongen Kantenflächen und 8 triangulairen Eckenflächen, also mit 26 Flächen. Die 6 quadratischen Hauptflächen sind jede mit zwei großen lateinischen Buchstaben, die 12 oblongen Kantenflächen mit kleinen "Augen" (Kreisen) auf etwas vertieftem Grunde bezeichnet, die 8 kleinen triangulairen Eckenflächen sind leer. Legt man den Würfel so, daß von den Buchstabenpaaren 4 Paare in der Mitte umherlaufend aufrecht stehend und lesbar erscheinen, so bleiben oben und unten 2 Paare übrig, welche von 4 Feldern mit Augen umgeben sind, welche oben mit 1 Auge anfangen. In der Mitte umher wechseln Buchstaben= und Augenfelder. Es steht also, wenn man oben mit 1 Auge anfängt:

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oben:      Würfel oben      unten:      Würfel unten
in der Mitte: Würfel in der Mitte

Der Würfel geht also bis zu 12 Augen. Wahrscheinlich sind diese Würfel neuern Ursprungs. (Geschrieben zu Schwerin im April 1862.)

Genau dieselben Würfel aus Serpentin sind oft auch im Nassauischen gefunden und wiederholt beschrieben, auch abgebildet; vgl. Inscriptiones ducatus Nassoviensis latinae, 1855, und Annalen des Nassauischen Geschichtsvereins, 1850, S. 565 und 566. Diese Würfel sollen hier in "römischen Ruinen" gefunden sein. Im Museum zu Wiesbaden werden dergleichen von "unbekanntem Fundorte" und aus einem "tumulus bei Mainz" aufbewahrt. Im Nassauischen hat man sie daher lange für römisch gehalten. Sie haben aber ein ganz neues Ansehen und die Buchstaben sind sicher nicht römisch, namentlich A und Z nicht. Die Buchstaben T A haben die Formen des 13. oder 14. Jahrhunderts, namentlich das A , dessen mittlerer Querbalken nach unten hin zugespitzt ist. Ich halte dies aber für Nachahmung älterer Schrift. Die Würfel werden ganz jungen Ursprunges sein, da sie alle wie neu erscheinen. Zu dem angeführten Bande der Nassauischen Annalen in der Stadtbibliothek zu Homburg v. d. H. sind dieselben Würfel, "gefunden im Burggarten "des Mylius", welche "nicht römisch, sondern Producte neuerer "Zeit sind", handschriftlich abgebildet und die Buchstaben nach der "Conjectur des Herrn C. Bernbeck zu Gießen" in den "Periodischen Blättern", 1855, S. 230, folgendermaßen gedeutet:

N G  =  Nimm Ganz
N H  =  Nimm Halb
N D  =  Nimm Drittel
L S  =  Laß Sitzen
S Z  =  Setze Zu
T A  =  Todt Alles

Wenn diese Bedeutung der Buchstaben vielleicht auch nicht ganz zutreffend ist, so mag sie doch annähernd richtig sein. (Geschrieben zu Homburg v. d. H. im Mai 1869.)

G. C. F. Lisch.


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Ofenkachel von Wismar.

Der Herr Koch auf Dreveskirchen schenkte dem Vereine eine alte Ofenkachel, welche förmlich eine Geschichte hat und in mancher Beziehung für Meklenburg selten ist. Die Ofenkachel ist 12 Zoll hoch und 11 Zoll breit, also größer, als gewöhnlich die Kacheln in Meklenburg, und schwarz glasurt. Unter einem reichen Renaissancebogen steht vor einem Gitter mit Docken ein ritterlicher Mann in ganzer Figur, mit dem Federhute in der Hand, in der Tracht aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Neben der linken Hand der Figur über dem Gitter steht die Inschrift: aVGVSTus. Der erste und die letzten Buchstaben sind nicht deutlich. Der Ofen, zu welchem die Kachel gehörte, soll vom Fürstenhofe in Wismar stammen, und von hier in das Pfarrhaus zu S. Nicolai daselbst gekommen sein. Im Jahre 1753 schenkte der Pastor Behrens einer frühern Dienerin den Ofen, welcher vor ungefähr 30 Jahren umgesetzt ist. Bei Abbruch waren die meisten Kacheln des Ofens schadhaft und wurden verwerfen. Nur diese eine Kachel war unversehrt, und der damalige Hausbesitzer, Schneider Gühlstorf, ließ sie in den Fuß des Ofens einmauern. Nach einem wiederholten Abbruch in neuern Zeiten erwarb der Herr Koch diese eine übrig gebliebene Kachel.

G. C. F. Lisch.

 

 

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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Die Burg und das Dorf Kussin, jetzt Neukloster.

Nachdem meine Abhandlung über Neukloster in den Jahrb. XXXIII, für 1868, S. 3 flgd., im Herbst 1867 gedruckt war, sandte ich sogleich einige Aushängebogen an das Schullehrer=Seminar zu Neukloster zur Kenntnißnahme der Herren Seminarlehrer. In Folge dessen sandte der damalige Herr Seminarlehrer Dr. Krüger, seit 1868 Paster zu Boddin, seine frühern und darauf fortgesetzten Forschungen über die Oertlichkeit an mich ein, und sind dieselben zur Mittheilung im Folgenden wichtig genug. (Vgl. auch oben S. 116.)

1. Die Burg Kussin.

In den Jahrb. a. a. O. S. 9 habe ich die Ansicht aufgestellt, daß die Burg Kussin auf der in einiger Entfernung vom Hofe im See liegenden Insel "Werder", welche durch ein Ellernbruch und einen durch dasselbe gezogenen Graben früher zur Insel gemacht gewesen ist, gestanden habe, obwohl der "Werder" etwas groß ist und sich auf demselben bis jetzt nur sehr wenige Spuren von heidnischen Alterthümern gefunden haben. Herr Dr. Krüger berichtet nun hiezu Folgendes: "Ich möchte Ihrer Annahme, "daß die Halbinsel unsers Sees, der Werder, einst die alte Feste Kussin getragen habe, zweifellose Wahrheit beimessen. Der tiefe und breite Graben, der sich durch das Erlenbruch zieht und die eine Bucht des hufeisenförmigen Sees mit der andern verbindet, kann keinen andern Zweck gehabt haben, als die Vervollständigung der Befestigung des Werders. Wiederholt suchte ich nun den Werder nach Alterthümern ab, aber umsonst. Da kam mir der Gedanke, daß, wenn hier, woran ich nicht zweifelte, eine Feste gelegen, diese auf der dem Erlenbruche zunächst gelegenen, nicht unbedeutenden Anhöhe gestanden habe. Mit besonderer Sorgfalt suchte ich darauf den Berg ab und fand hier einige Alterthümer von Feuerstein."

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Diese Alterthümer zeugen zwar dafür, daß diese Stelle einst bewohnt gewesen ist, aber in der sehr fernen Zeit der Steinperiode. Für die Feste Kussin können sie kein Zeugniß ablegen, da dieselbe bis in die erste christliche Zeit hineinreicht und ganz andere Alterthümer zeigen müßte.

2. Das Dorf Kussin.

Von größerm Einfluß sind die Forschungen, welche Herr Dr. Krüger an einer andern Stelle von Neukloster gemacht hat. In den Jahrb. a. a. O. S. 10 habe ich die Vermuthung aufgestellt, daß das wendische Dorf Kussin für die größere Masse der Bewohner des Ortes auf der Stelle des ehemaligen Klosters und jetzigen Hofes Neukloster zunächst vor dem Werder gestanden habe, obgleich hier nie Alterthümer gefunden sind, welche dafür zeugen könnten. Der Herr Dr. Krüger macht es aber mehr als wahrscheinlich, daß das Dorf an der Stelle gelegen habe, wo am See jetzt das Schullehrer=Seminar steht, eine weite Strecke, ungefähr 550 Schritte, vom Hofe entfernt. Herr Dr. Krüger berichtet: "Im October und November 1867 ward die südöstliche Ecke des Seminargartens, die, ziemlich niedrig gelegen, auf der einen Seite vom See und auf der andern Seite von der bis zu dem Erlenbruche sich hinziehenden Wiese begrenzt wird, rajolt. Etwa einen Fuß rief unter der jetzigen Erdoberfläche fanden sich öfter eine große Menge von Kohlen. Inmitten der Stellen, wo diese mit Erde gemischten Kohlen gefunden wurden, wären Steine mit ebenen Flächen zu kleinen Feuerherden zusammengestellt; die Steine waren schwarz gebrannt und meistens so mürbe, daß sie sich leicht zerschlagen ließen. In der mit Kohlen versetzten Erde fanden sich Topfscherben in großer Menge, Thierknochen, auch Schalen von Haselnüssen. Nirgends aber stieß man trotz der behutsamsten Aufgrabung auf ein noch vollständig erhaltenes Gefäß. Es konnte nicht zweifelhaft sein, daß hier wendische Feuerstellen aufgedeckt waren. - Aehnliche Stellen, an denen ebenfalls Topfscherben, Knochen u. s. w. in reicher Menge zu Tage gefördert wurden, fanden sich bald darauf auch in dem nordöstlichen Theile des Gartens, etwa 600 Schritte von der ersteren Stelle entfernt. - Auch schon früher hat man beim Graben im Garten häufig Scherben von heidnischen Töpfen angetroffen. - Es sind also bis jetzt in allen Theilen des ausgedehnten Seminar=Gartens solche wendische Kochstellen

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"aufgedeckt, und es ist zu vermuthen, daß am Ufer des Sees, da, wo sich der Acker an den Garten anschließt, deren noch eine nicht geringe Anzahl verborgen liegt."

Zur Belegung dieser Beschreibung hat Herr Dr. Krüger viele hier gefundene Alterthümer eingesandt, namentlich:

   1) Eine Auswahl von bezeichnenden Topfscherben, welche nach heidnischer Weise zubereitet sind, meist hellbraun. Alle sind mit wellenförmigen und parallelen Horizontal=Linien, oft mit Mischung von beiden am Rande verziert, Kennzeichen der letzten Heidenzeit. Ein Bodenstück zeigt ein gleicharmiges Kreuz in schwachem Relief.

   2) Ein fester dunkelgrauer Erdklumpen, der sich als Bodensatz eines Topfes vorfand.

   3) Thierknochen, von Rind und Schwein.

   4) Ein Stück von hellbraun gebranntem Lehmschlag ("Klehmstaken") mit ausgebrannten Stroheindrücken.

   5) Ein Spindelstein aus leicht gebranntem Thon.

Alle diese Sachen gehören ohne Zweifel der letzten Wendenzeit an und sind zusammengehörig.

Es dürfte also wohl keinem Zweifel unterliegen, daß da, wo jetzt das Seminar mit seinen Nebengebäuden und seinem Garten liegt, und zwar längs des Sees, das alte Wendendorf Kussin gestanden habe. Unmöglich dürfte es aber auch nicht sein, daß diese Ansiedelung einen andern Namen geführt habe, da die Seminarstelle eine gute Strecke von dem Hofe entfernt ist und die wendischen Dörfer oft sehr nahe bei einander lagen.

Im Jahre 1871 ist Herr Pastor Krüger noch ein Mal auf die Beschaffenheit des Seminargebietes zurückgekommen und hat einen von ihm noch in Neukloster aufgenommenen Situationsplan mit den Maaßen eingesandt. Derselbe bestätigt seine frühern Berichte über die in dem Seminargarten gemachten Funde und äußert dabei folgende Ansichten: "Aus den Funden scheint unwiderleglich hervorzugehen, daß dort, wo jetzt das Seminar mit seinem Garten liegt, einst ein großes Wendendorf gelegen haben muß. Ob dies nun Kussin oder Marutin oder Zurislavsdorf gewesen ist, mag dahin gestellt bleiben." Die Dörfer Marutin und Zurislavsdorf kommen allerdings nur bei der Stiftung des Klosters vor und scheinen zur Vergrößerung des Klostergebiets früh gelegt worden zu sein.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.


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Burgwälle im Osten Meklenburgs.


Der Burgwall von Neu=Nieköhr.

Eine Meile westlich von Gnoien und etwa 1/10 Meile in südwestlicher Richtung von dem Gute Neu=Nieköhr entfernt liegt ein nach Ausdehnung und Höhe bedeutender Burgwall, der bisher in den Jahrb. des Vereins noch keine Erwähnung gefunden hat, dessen Beschreibung wir aber um so weniger unterlassen wollen, als mit Recht bemerkt worden ist (Jahrb. XXVI, 181): "Besonders erwecken die Burgen im östlichen Theile des Landes lebhafte Theilnahme, um so mehr, da bisher nur wenige bekannt geworden sind". Der Burgwall von Neu=Nieköhr ist auf allen Seiten von großen Wiesenflächen eingeschlossen. Nach der im Volksmunde lebenden Tradition soll früher der ganze umliegende Wiesengrund ein großer See gewesen sein, dessen Fluthen den Burgwall umspült haben. Diese Ueberlieferung hat jedoch bei Berücksichtigung der Terrainverhältnisse wenig Anspruch auf Glaubhaftigkeit und wird mutmaßlich auf dem Umstande beruhen, daß der etwa 200 Schritt östlich von S.W. nach N.O. an dem Burgwalle vorüberfließende Bach noch jetzt mitunter einen Theil der umliegenden Wiesen überschwemmt und früher in Folge von Aufstauung bisweilen die ganze Niederung unter Wasser gesetzt hat.

Die Form des Burgwalles erscheint abgerundet; doch ist die ursprüngliche Gestalt jetzt nicht mehr mit voller Bestimmtheit erkennbar, da der Wall nicht unversehrt geblieben ist. An der nordöstlichen Seite ist seit einer Reihe von Jahren Erde abgegraben und zur Verbesserung der umliegenden Aecker und Wiesenflächen verwandt worden. Indeß hat der Burgwall dadurch bis jetzt nur etwa ein Zehntel seines cubischen Inhaltes verloren, so daß derselbe sich noch immer so ziemlich in seiner früheren Mächtigkeit dem Auge darstellt. Die Höhe des Walles über dem Wiesengrunde beträgt durchschnittlich 24 Fuß. Mitten über den Burgwall

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läuft von S. nach N. die Grenzscheide der Güter Walkendorf und Neu=Nieköhr, so daß die westliche Hälfte nach Walkendorf und die östliche nach Neu=Nieköhr gehört. Nach den betreffenden Gutskarten enthält der Walkendorfer Antheil 288 Ruthen und der Neu=Nieköhrsche 260 □Ruthen, so daß der Burgwall bei der Vermessung mit einem Flächeninhalte von 548 Ruthen berechnet worden ist. Die innere Oberfläche des Walles liegt Stellenweise etwas tiefer als der Rand derselben. An der südwestlichen Seite scheint ein Einschnitt erkennbar zu sein, und da hier der Seitenabhang weit weniger steil abfällt, als in seiner übrigen Ausdehnung, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß auf dieser Seite der Aufgang zum Walle gewesen ist. Dafür spricht nicht nur, daß von dieser Seite aus in kürzester Entfernung der Wiesengrund durchschritten und fester Boden erreicht werden kann, sondern auch daß man auf dieser Seite des Walles, wie mir glaubwürdig berichtet worden ist, im Wiesengrunde Reste eines alten Pfahlwerkes gefunden hat, das allem Anscheine nach zu einer Verbindungsbrücke zwischen dem Burgwall und dem festen Boden gedient haben muß. Rings um den Burgwall läuft ein Wallgraben, der theilweise zwar verschüttet und überwachsen ist, aber doch noch an allen Stellen erkannt werden kann. Die Breite des Grabens beträgt durchschnittlich 20 - 30 Fuß. Die Seitenabhänge des Walles sind größtentheils mit Dorngestrüpp bedeckt. Die Oberfläche trägt einige wenige aber hohe Buchen, ziemlich viele, theilweise sehr alte Ahornbäume und außerdem Hollunder in reicher Menge. Der wilde Hopfen wuchert überall in üppigster Fülle und verwandelt während der Sommermonate die Oberfläche des Burgwalles zum großen Theil in ein undurchdringliches Dickicht.

Beim Abgraben an der Nordostseite stieß man in der unteren Erdschicht auf ein Pfahlwerk von Eichenholz, das nach der Meinung von Augenzeugen zu einem verdeckten Gange gedient haben muß. Die Lage des etwa 25 Fuß langen Pfahlwerkes näherte sich der Bogenform. Die beiden Reihen der einst aufrecht stehenden, nun aber seitwärts gedrückten Seitenpfähle trugen noch die über je zwei derselben gelegten Querhölzer, deren Bestimmung es war, die Deckwandung des Ganges zu tragen. Außerdem fand man, so viel ich habe erfahren können, eine Urne, ein buckelartig geformtes Stück Kupfer, und ein kleines, an den beiden Enden fast geschlossenes Hufeisen, letzteres etwa 10 Fuß tief unter der Oberfläche. Leider ist von diesen

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Gegenständen nichts erhalten worden. Hier, und nicht in Gr.=Nieköhr, ist auch, wie wir berichtigend bemerken wollen, das jetzt in der Sammlung des Vereins befindliche "fossile Hirschgeweih" gefunden worden, wovon in Jahrb. XXXIII, p. 207, berichtet wird. - Nach Aussage der beim Abgraben beschäftigten Arbeiter fand man mehrfach Feuerstellen, bestehend aus zusammengesetzten, abgeplatteten Feldsteinen, und in deren Nähe Kohlen, Knochen und Gefäßscherben. Die Auffindung dieser Feuerstellen, die nach näherer Beschreibung ganz denjenigen Feuerstellen gleichen, welche man bei der Aufdeckung von alten wendischen Dorfplätzen zu finden pflegt, spricht entschieden dafür, daß der Burgwall wendischen Ursprungs; die Lage desselben mitten im Wiesengrunde weist vor allem darauf hin, und die Ergebnisse genauerer Nachforschung erheben diese Annahme zur Gewißheit. Ich untersuchte vor allem die an der Nordostseite durch Abgrabung entstandene Erdwand und stieß hier überall gleich unter der Oberfläche auf eine Erdschicht, in der sich Thierknochen, Kohlen, gebrannte Lehmstücke und vorzugsweise Gefäßscherben in großer Menge vorfanden. Die Gefäßscherben waren mit Granitgrus durchmengt und trugen jene, meist wellenförmigen Verzierungen, die als sichere Zeichen wendischen Ursprungs gelten. Der Herr Geh. Archivrath Dr. Lisch, dem ich einen Theil dieser Scherben zur Prüfung vorlegte, erklärte 0den wendischen Ursprung derselben für unzweifelhaft. Nimmt man hinzu, daß die Erdschicht mit den Gefäßscherben etc . schon in einer Tiefe von 1 - 2 Fuß unter der Oberfläche des Walles beginnt, und daß die bei der Abgrabung gefundenen Feuerstellen ihre Lage in einer Tiefe von höchstens 5 - 6 Fuß unter der Oberfläche hatten, so berechtigt dies zu der Folgerung, daß der Burgwall seine jetzige Höhe von seinen wendischen Bewohnern erhalten hat.

Historische Anhaltspunkte über die Bedeutung, die Bewohner und die Schicksale dieser wendischen Burg haben sich bis jetzt nicht ergeben, und es muß der Forschung vorbehalten bleiben, weiteres Licht darüber zu verbreiten. Es gewinnt dieser Burgwall aber für die historische Forschung um so größeres Interesse, als sehr wahrscheinlich ist, daß derselbe seit der Wendenzeit nicht wüste gelegen hat, sondern noch im christlichen Mittelalter bewohnt gewesen ist. Auf dem östlichen Theile der Oberfläche des Walles, der Mitte ziemlich nahe, findet sich nämlich eine Höhlung von etwa 10 Fuß und einem Durchmesser von 25 Fuß. Allem Anscheine

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nach ist hier ein längst eingestürztes kellerartiges Gewölbe gewesen. Nachgrabungen, die man früher hier anstellte, förderten Mauersteine von einer Dicke und Stärke zu Tage, wie man sie bei den mittelalterlichen Gebäuden zu finden pflegt. Muthmaßlich gehört auch das auf dem Walle gefundene Hufeisen der Zeit des christlichen Mittelalters an. Hierdurch würde die Volkstradition eine Bestätigung erhalten: daß auf diesem Burgwalle in früherer Zeit eine Ritterburg gestanden habe. Es fehlt nicht an anderen Stützpunkten für diese Annahme. Dahin gehört folgender Umstand. Etwa eine halbe Stunde von diesem Burgwall in nordwestlicher Richtung entfernt liegt Strietfeld, wo sich ebenfalls die Ueberreste eines alten Burgwalles finden. Nun ist es gewiß, daß hier in Strietfeld im christlichen Mittelalter eine Ritterburg gestanden hat (vgl. Jahrb. XIII, 388. Der Burgwall von Strietfeld ist mit dem von Neu=Nieköhr früher durch einen Weg verbunden gewesen. Alte Leute versichern in zuverlässigster Weise, daß das Terrain zwischen den beiden Burgwällen vor etwas mehr als hundert Jahren ganz mit Wald bestanden gewesen sei, und daß durch diesen Wald in grader Richtung ein Weg von dem Burgwall bei Neu=Nieköhr nach Strietfeld geführt habe. Dieser Weg kann kaum einen anderen Zweck als die Verbindung beider Burgwälle gehabt haben, wie er denn auch mit Abräumung jenes Waldes verschwunden ist. Heutzutage kann man zu dem Burgwall von Neu=Nieköhr nur gelangen, wenn man sich über Felder und Wiesen einen Weg sucht.

Boddin.

Dr. Krüger, Pastor.


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1. Nachtrag zum "Burgwall von Neu=Nieköhr".

Die Verbindungsstraße zwischen dem Burgwall von Neu=Nieköhr und dem von Strietfeld gestattet vielleicht den Schluß, daß die Besitzer dieser Burgen in sehr naher Beziehung zu einander gestanden haben, und, wenn man einen Schritt weiter gehen will, daß es Glieder eines und desselben Geschlechtes gewesen sind. Sehr bedeutungsvoll ist es auch, daß die Gebietsgrenze von Neu=Nieköhr und Walkendorf mitten über den Burgwall läuft. Diese merkwürdige, aus ältester Zeit stammende Grenztheilung des Burgwalles läßt kaum eine andere Erklärung zu als die,

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daß die beiden Besitzungen Walkendorf und Nieköhr einst das Eigenthum einer und derselben Familie gewesen sind, die ihren Sitz auf der jetzt in der Grenzscheide liegenden Burg gehabt hat.

In überraschender Weise führen nun auch die historischen Ueberlieferungen über die Besitzer dieser drei genannten Ortschaften zu eben dieser Anschauung hin. So weit unsere urkundlichen Nachweise reichen, sind die drei Güter Strietfeld, Nieköhr und Walkendorf früher Jahrhunderte hindurch in den Händen eines altadeligen Geschlechtes vereinigt gewesen, und zwar ist dieses Geschlecht das Moltke'sche. Aus Urkunden, die in den Jahrb. des Vereins abgedruckt sind, erhellt, daß Strietfeld schon 1359 im Besitz der Moltke war und bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, also mindestens 350 Jahre, in ihrem Besitze geblieben ist. Walkendorf ist wenige Jahre später eine Moltke'sche Besitzung geworden und zwar kam es an die zu Strietfeld seßhafte Linie des schon damals ausgebreiteten Geschlechts. Herzog Albrecht gab nämlich im Jahre 1374 die Dörfer Walkendorf und Baß zum Lehn an Vicke und Johann von Moltke (vgl. Franck, A. und N. Meckl. VI, 291; Jahrb. XIII, 330; XI, 288). Walkendorf war noch 1734 ein Moltke'sches Gut (Franck, XVIII, 128), und ist erst 1827 in andere Hände übergegangen. Ueber Nieköhr geben die Urkunden der Jahrb. keine Auskunft. Das (Jahrb. VI, 93) als im Besitze des Ratke v. Kardorff erwähnte Nikör ist Klein=Niekohr, das Jahrhunderte lang ein Besitzthum der v. Kardorff war und anscheinend nie der Moltke'schen Familie gehört hat. Neu=Nieköhr kommt nicht in Betracht, da es früher eine Meierei von Gr.=Niekohr war und erst Ende vorigen Jahrhunderts ein selbstständiges Gut geworden zu sein scheint, da es von dieser Zeit an erst im Boddiner Kirchenbuche genannt wird und von da an auch einen Theil der Pfarrabgaben von Gr.=Nieköhr übernommen hat. Es kann sich einzig um Gr.=Nieköhr handeln. Nach Franck (XI, 142) war etwa um das Jahr 1590 Jochim Moltke Besitzer von Gr.=Nieköhr 1 ). In einer zu den Boddiner Pfarr=Acten aufbewahrten Urkunde d. d. 8. Jan. 1589 (betreffend die Abtretung von Wiesengrundstücken derer v. Moltke an die


1) Das Gut Gr.=Nieköhr war ein altes Lehn der Moltke. Nach den Archivurkunden und Acten war Gr.=Nieköhr sicher seit 1404 bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts im Besitze der Familie.
Dr. G. C. F. Lisch.
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Boddiner Pfarre) wird Claus Moltke als zum Strietfelde erbgesessen und Detloff Moltke als zu Gr.=Nieköhr erbgesessen aufgeführt. Gr.=Nieköhr ist sicher bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Moltke'sches Gut geblieben.

Boddin.

Dr. Krüger, Pastor.


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2. Nachtrag zum "Burgwall von Neu=Nieköhr".

Aus der voraufgehenden Schilderung und Untersuchung des Herrn Pastors Dr. Krüger geht wohl unzweifelhaft hervor, daß der Burgwall von Neu=Nieköhr eine große Burganlage der Eisenzeit und besonders der Wendenzeit ist. Wie es mir aber scheint, so haben wiederholte Erhöhungen und verschiedene Benutzungen stattgefunden.

Das "Pfahlwerk", welches in der untern Erdschicht gefunden ward und aus Seitenpfählen und darübergelegten Querhölzern zur Deckwandung bestand, weiset auf eine ältere Zeit zurück. Es ist kein Beispiel bekannt, daß die letzten Wenden so tief sollten gegraben haben; von unterirdischen "Gängen" ist auch nie eine Spur gefunden. Wahrscheinlich sind diese Holzbauten Wohn= und Lagerungs=Räume, oder "Casematten" nach heutiger Bezeichnung gewesen, welche in die Brustwehren oder Ringwälle der ersten Burganlage hineingebauet waren. Dergleichen Casematten sind in den Ringwällen der Conowburg und in dem gewaltigen Schutzwall der berühmten Tempelfeste Arcona auf Rügen entdeckt. Auf dieser alten Unterlage wird in der letzten Wendischen Zeit der Burgwall bis zur jetzigen Höhe erhöhet worden sein, wie die vielen verzierten Gefäßscherben, Klehmstakenstücke, Thierknochen etc . nicht tief unter der Oberfläche beweisen. Wahrscheinlich wird die Burg im 12. Jahrhundert, zur Zeit der Züge der Dänen nach Wenden, zerstört sein. Ein geschichtlicher Anhaltspunkt läßt sich aber noch nicht finden.

Es läßt sich auch annehmen, daß diese große Wallanlage im christlichen Mittelalter zu einer mittelalterlichen Ritterburg benutzt worden ist, vielleicht durch die adeligen Familien v. Moltke oder Behr, wie die gefundenen großen Ziegel und der Wallgraben zu beweisen scheinen, da Wendische Burgwälle keine "Wallgräben" zu haben pflegen.

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Bemerkenswerth ist, daß auf der im Schweriner Archive aufbewahrten Original=Zeichnung der großen Schmettau'schen Karte von Meklenburg ungefähr an der Stelle des Burgwalles von Neu=Nieköhr, gegen Klein=Nieköhr hin, Erhebungen mit den Namen: ,,Behren=Borck", Dehn=Horst" und "Dier=Horst" verzeichnet stehen. Auf dieser in Kupfer gestochenen Karte steht nur noch die "Behren=Borck" verzeichnet.

In den neuesten Zeiten ist für den Burgwall von Neu=Nieköhr der Name "Moltkenburg" oder ,,Moltkenberg" verbreitet worden. Um einen sichern Anhaltspunkt für die Zukunft zu geben, theile ich hier mit, was mir darüber brieflich bekannt geworden ist. Im Juni 1873 theilte mir der Herr Landrath v. Plüskow auf Kowalz zum Zweck weiterer Forschung mit, daß auf der Grenze von Walkendorf und Neu=Nieköhr in einer Niederung ein mit Gesträuch und Bäumen bewachsener Hügel liege, in Form eines Burgwalls, an 20-30 Fuß hoch, welcher der Moltkenberg genannt werde.

Ich wandte mich daher wegen dieses Namens in Verfolgung meines frühern Briefwechsels an den kundigen Herrn Pastor Dr. Krüger zu Boddin. Dieser gab mir am 11. August 1873 den Aufschluß, den ich hier wörtlich mittheile.

"Der "Burgwall von Neu=Nieköhr" ist allerdings identisch mit demjenigen, auf den der Herr Landrath v. Plüskow hingewiesen hat. Der Name "Moltkenburg" ist aber erst einige Jahre alt. Erst seitdem ich den Burgwall mehrfach untersucht habe und gelegentlich von mir die Muthmaßung geäußert worden ist, es habe hier im christlichen Mittelalter eine Burg der Moltke gestanden, hat sich der Name "Moltkenburg" in überraschend schneller Weise an den Burgwall geheftet. Bis dahin ist er im Volksmunde nicht vorhanden gewesen und die Leute kennen ihn auch jetzt noch nicht, wie ich in positiver Weise versichern kann. Es würde von hohem Interesse sein, wenn dies nicht täuschende Spuren wären, sondern der Moltkesche Besitz jenes Burgwalles als der eines Wohnsitzes sich historisch erwiese."

Schwerin.

Dr. G. C. F. Lisch.


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Der Tempelwall von Wustrow auf Fischland.

Nachtrag zu Jahrb. XXVII, S. 187.

In den Jahrb. XXVII, S. 187, ist berichtet, daß die Kirche zu Wustrow auf Fischland auf einem in einer Wiese künstlich aufgeschütteten heidnischen Burgwalle erbauet ist und vermuthet, daß hier zur heidnischen Zeit ein Tempel des wendischen Götzen Swantewit gestanden habe. Die alte Kirche, deren Beschreibung in Jahrb. a. a. O. S. 200 und 190 steht, ist im Jahre 1869 abgebrochen, und sogleich der Bau einer neuen Kirche begonnen, welche im Jahre 1873 fertig geworden ist. Es ließ sich vermuthen, daß beim Ausgraben der Fundamentgräben alterthümliche Reste aus der wendischen Zeit gefunden würden; aber trotz aller Aufmerksamkeit hat sich durchaus nichts finden lassen.

Die Meklenburgischen Anzeigen berichten jedoch 1870, Nr. 106, ohne Zweifel durch kundige Feder, Folgendes, das der Aufbewahrung werth ist.

"Wie richtig und zutreffend Lisch den Hügel, auf welchem die nunmehr abgebrochene Kirche stand, beurtheilt hat, ergiebt sich aus den Bodenarten, aus welchen derselbe zusammengesetzt ist. Wie in der Lischschen Beschreibung gesagt ist, liegt der Kirchberg in einer sumpfigen Niederung. Der Boden umher, den Hügel scharf begrenzend, ist schwarze morastige Erde, während der Wall selbst aus verschiedenen, von der Umgebung wesentlich abweichenden Erdarten besteht. Der östliche und nordöstliche Theil enthält schönes, fruchtbares Gartenland in einer Mächtigkeit von 7 Fuß, während der übrige Theil unterschiedliche Sandarten zeigt. Letztere lagen keineswegs horizontal, sondern sehr unregelmäßig in und durch einander geordnet. Es erhellt hieraus mit Gewißheit, daß der Berg nicht, wie vielfach, doch irrthümlich, behauptet wird, angewehet sei, zumal er ganz außer der Richtung der von Barnstorf zum Rönnbaum sich hinziehenden Linie des alten Landesufers liegt. Eben so wenig wird derselbe nach der Meinung der alten Volkssage aus der sogenannten Steinsbek angefahren sein, da die Bodenarten der Steinsbek von denen des Kirchberges deutlich abweichen. Jedenfalls aber ist derselbe, wie Lisch ganz richtig behauptet, ein in Veranlassung der Rugianischen Swantewit=Priester (?) aufgetragener, zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmter Burgwall, wenngleich sich bis daher Alterthümer aus der Wendenzeit

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trotz sorgfältiger Nachforschungen nicht gefunden haben."
(Mecklb. Anzeigen.)

Auch in der alten Kirche ist beim Abbruch nichts Bemerkenswerthes gefunden worden. Nur im Thurmknopfe fanden sich folgende junge Münzen: 1 preußischer Gulden 1763, 1 meklenburgischer Courant=Groschen 1764, 1 Schilling 1763, 1 Sechsling 1763, 1 Dreiling 1810, welche auch keine nennenswerthe Bedeutung haben.

Dr. G. C. F. Lisch.


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Wendenfeste bei Bützow.

Der Herr Realschullehrer Arndt zu Bützow entdeckte im Frühling 1873 bei Bützow eine Umwallung, welche er wegen der Aehnlichkeit mit der sogenannten Ravensburg bei Neu=Brandenburg (vgl. Jahrb. V, B, S. 110 flgd. mit Grundplan) für eine Wendenfeste ansprach. Er durchforschte daher diesen Platz weiter und sandte darauf für den Verein folgende Berichte mit antiquarischen Zeugnissen ein.

Unmittelbar an der Warnow oberhalb der Stadt Bützow in einer der städtischen Weiden lehnt sich eine halbkreisförmige Umwallung von etwa 70 Meter Weite an die Warnow, gegen die Warnow geöffnet. Landeinwärts lehnt sich an diesen Wall, als Vorplatz, ein kleinerer halbkreisförmiger Wall, mit der innern Seite gegen den größern Wall geöffnet, so daß zwischen beiden keine bedeutende Erhöhung besteht.

Im Monat Mai 1873 untersuchte Herr Arndt diese Umwallung und nahm auch Nachgrabungen vor. Dabei fand er ausreichend viele Topfscherben und Thierknochen. Die Topfscherben sind alle noch nach heidnischer Weise bereitet und zum Theil mit Wellenlinien und Parallellinien verziert und gehören daher nach ausreichenden Vergleichungen ohne Zweifel der letzten Wendenzeit an. Die Knochen stammen von Hausthieren, namentlich von Schaf und Rind, auch von einem Fisch. Die Knochen sind alle zerschlagen; ein Röhrenknochen ist der Länge nach gespalten.

Die Topfscherben gleichen den auf der alten, großen Gauburg (jetzt "Hopfenwall") neben der Stadt Bützow gefundenen heidnischen Topfscherben (vgl. Jahrb. IX, S. 403). Dieser "Hopfenwall" ist freilich auch in der ersten christlichen Zeit bebauet gewesen, wovon noch Ziegel und Kalkmörtel zeugen.

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Möglich ist, daß die oben beschriebene "Wendenfeste" eine ältere Ansiedelung ist.

Unterhalb der Stadt Bützow, in der Ecke, wo die Nebel in die Warnow mündet, liegt eine andere Umwallung (Kattenburg genannt), welche kreisrund und von einem breiten, jetzt versumpften Graben umgeben ist, und einen Durchmesser von etwa 250 Schritten hat. Hier sind noch keine Nachforschungen angestellt. Vielleicht ist diese Stelle eine mittelalterliche Umwallung, wie sich bei Wolken an der Nebel eine solche fand, da die zu Bützow residirenden Bischöfe von Schwerin viele Burgmänner hatten.

G. C. F. Lisch.


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Wendischer Burgwall von Pinnow.

Der Herr Candidat Rönnberg zu Beckentin hat im Jahre 1871 auf dem an Beckentin grenzenden preußischen Gute Pinnow, südlich von Grabow, einen wohl erhaltenen wendischen Burgwall entdeckt. Wenn dieser Burgwall jetzt auch auf preußischem Gebiete steht, so hat die Kenntniß doch für Meklenburg Werth, da derselbe hart an der Meklenburgischen Grenze liegt und die Meklenburgische Herrschaft in alten Zeiten bekanntlich bis über Pinnow hinaus in die Prignitz hineinreichte, auch die Besitzer des Gutes, die Herren "von Pinnow", früher Meklenburgische Vasallen waren.

Der Herr Candidat Rönnberg berichtet wörtlich Folgendes.

"Im Folgenden erlaube ich mir, Mittheilung über die Entdeckung eines wendischen Burgwalles zu machen, der, wenn er auch gerade nicht auf meklenburgischem Boden gelegen, doch, wie ich glaube, für die Geschichte Meklenburgs von großer Wichtigkeit ist. Der genannte Burgwall liegt nahe dem preußischen Gute Pinnow, in westlicher Richtung von demselben, in dem weit ausgedehnten sumpfigen Wiesenthale, durch welches sich das kleine Flüßchen Moin als Grenze zwischen Meklenburg und der Prignitz hindurchwindet. Der Burgwall ist also in den Pinnower Wiesen auf der linken Seite des Moin angelegt; auf der rechten Seite des Moin erstrecken sich die Beckentiner Wiesen, welche sehr beachtenswerthe Namen tragen. Die dem Burgwall gegenüber liegende Wiese z. B. heißt die Kriegwiese, die daran stoßende die Taterwiese; daran schließt sich die

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Wiese "In Bahren Kolk" u. s. w. Der Burgwall selbst ist ausgezeichnet schön erhalten. Er bildet eine Ellipse. Der innere, ebene Burgraum ist von S.W. gegen N.O. 75 Schritte lang und von N.W. nach S.O. 48 Schritte breit. Der mächtige, breite Ringwall oder Schutzwall erhebt sich wohl an 8 Fuß über den inneren Burgraum und gegen 14 Fuß über den Wiesengrund. Im O., nach Pinnow zu, ist in dem Schutzwall ein Einschnitt, wie es scheint für den Eingang; doch ist auch möglich, daß hier eine Nachgrabung nach dem angeblich im Burgwall vergrabenen Schatz stattgefunden hat. Eine eigentliche Nachgrabung ist von mir noch nicht angestellt worden.

Pinnow war im Mittelalter Sitz der ritterlichen Familie Pinnow. Nach einer Urkunde vom 11. Juli 1399 (gedruckt bei Goß Geschichte von Ludwigslust) wurden die Knappen Heino, Hermann und Arend Pinnow vom Herzoge Albrecht mit Beckentin und Klenow belehnt. Man darf den beschriebenen Burgwall nicht etwa für einen mittelalterlichen christlichen halten; nach seiner ganzen Anlage kann er nur ein heidnischer sein."

Beckentin, den 4. September 1871.

H. Rönnberg, Candidat.


In den ersten Monaten des Jahres 1872 hat Herr Rönnberg die Oberfläche des Burgwalles nach Alterthümern abgesucht und auch Topfscherben gefunden, welche nach heidnischer Weise bereitet und zwar nach wendischer Weise mit Wellenlinien und andern charakteristischen Strichen verziert sind, welche ganz den Topfscherben der bekannten Meklenburgischen und Rügenschen Burgwälle aus der letzten Wendenzeit gleichen. Es ist also keinem Zweifel unterworfen, daß der Burgwall von Pinnow ein wendischer Burgwall ist.

"Nach zuverlässigen Nachrichten soll bei dem preußischen Dorfe Mankmus, südlich von Pinnow, bei Stavenow und Lenzen, auch ein wendischer Burgwall stehen, welcher aber nicht so groß ist, als der Pinnower."

Zu bemerken ist, daß im Jahre 1849 der Herr Candidat Kossel, als Pastor zu Tarnow verstorben, zu Muchow, westlich bei Grabow, auch eine große Burgwallanlage, den "Rumsegen", entdeckte (vgl. Jahrb. XX, S. 304 flgd.).

G. C. F. Lisch.

 

 

Vignette

 

 

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2) Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


a. Weltliche Bauwerke.


Ofenkacheln des 16. Jahrhunderts.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


B ekannt und schon viel besprochen sind die farbigen Ofenkacheln des 16. Jahrhunderts, welche oft wahre Kunstwerke und von denen noch ganze Oefen vorhanden sind, z. B. die bekannten schönen Oefen auf der Burg zu Nürnberg.

Die ältesten Ofenkacheln 1 ) waren Töpfe, nämlich unglasurte Töpfe, welche viereckig gedrückt und ganz den heutigen Schmelztiegeln gleich waren 2 ). Diese "Töpfe" wurden liegend zum Ofen in Lehm aufgebauet, so daß die obere offene Seite nach dem Gemach, der Boden nach dem Heizraum gekehrt war. Daher hießen die Ofenkacheln: Kacheltöpfe, plattdeutsch: Kachelpötte. So werden im Jahre 1551: "Kachelpotte thom Kachelofen" und "Potte thom Kachel="ouen" genannt 3 ).

Im 16. Jahrhundert, also im Anfange der neuern Geschichte und während des Renaissancestyls gingen aber große Veränderungen mit den Ofenkacheln vor. Die Oeffnung der Kacheltöpfe ward durch eine Platte, welche mehr oder minder reich und meist mit figürlichen Darstellungen verziert war, geschlossen und der Boden geöffnet, und so entstand nach und nach die heutige flache, tafelförmige Ofenkachel.


1) Vor und neben den Oefen aus Kacheln bauete man auch Oefen aus Ziegelsteinen ("Mauersteinen"), Wie noch in neuern Zeiten, ja wohl noch heute. Die "Kachelöfen" sind jungem Ursprungs.
2) Die Vereinssammlung besitzt mehrere von diesen ältesten Kacheltöpfen.
3) Vgl. Jahrb. XIV, S. 349.
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Im 16. Jahrhundert wandte man aber großen Fleiß auf die Herstellung der Ofenkacheln 1 ), namentlich durch Reliefbilder aller Art. Die Hauptkacheln enthielten gewöhnlich Portraits, meist in Profil, ganze Figuren, Gruppen und erst später, wie es scheint, flaches Ornament. Diese Kacheln waren immer glasurt, in der bessern Zeit um die Mitte des 16. Jahrhunderts am häufigsten grün , im südlichen Deutschland mitunter auch wohl mit Vergoldung einzelner Theile, dann aber auch gelb, und weiß und blau, auch wohl gelb, weiß und blau. Oefen von solchen Kacheln, namentlich grünen, sind außerordentlich schön 2 ). - Mit dem 17. Jahrhundert bürgert sich nach und nach die schwarze Farbe ein, welche stellenweise noch jetzt an alten Oefen zu sehen ist.

Auch in Meklenburg waren solche glasurte, farbige Kachelöfen 3 ), namentlich die grünen, ziemlich verbreitet. Beim Bau des Schlosses zu Schwerin wurden in der Tiefe neben den Fundamenten sehr viele schöne grüne Kacheln gefunden, größtentheils zerbrochen, die ohne Zweifel zu Oefen gehörten, welche bei einem Brande in die Tiefe gestürzt waren. Sie enthalten meistentheils die Reliefbilder gleichzeitiger fürstlicher Personen. Am häufigsten sind aber solche Kacheln in Wismar 4 ) bei dem Ausgraben von Fundamenten oder dem Ausräumen verschütteter Keller in der Tiefe gefunden 5 ), sind also auch früher bei Bränden versunken.

Nähere Kenntniß giebt die hier folgende Töpferrechnung vom Jahre 1565, welche im Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin bei den Rechnungen des Amtes Neu=Buckow gefunden ist.



1) Ueber die Kachelfabrication des 16. Jahrhunderts in Meklenburg etc . vgl. Jahrb. XV, S. 278 flgd.
2) Zu Lübek in dem Hause der Kaufleute=Compagnie, in welchem das bekannte Fredenhagen'sche Zimmer sich befindet, steht in dem vordern Versammlungszimmer noch ein reich verzierter, schöner grüner Kachelofen.
3) Die alten Meklenburgischen Kacheln sind immer nur klein, die süddeutschen sind häufig viel größer, wie noch heute.
4) Auch an andern Orten in Meklenburg waren grüne Kachelöfen, z. B. in dem ehemaligen Franziskaner=Kloster zu Güstrow, welches am Ende des 16. Jahrhunderts zur fürstlichen Wohnung eingerichtet war, stand nach einem Inventarium von 1592 in der "Hofstube" ein großer "grüner Kachelofen".
5) Alle diese alten Kacheln werden in den Alterthumssammlungen zu Schwerin aufbewahrt.
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Töpferrechnung vom Jahre 1565.

Geldt vor Kagelauwen thor Wismar geuenn vor die potte 1 ) vnd arbeidt vp m. g. frouwen gemack.

4 fl. 8 ß.  vor 52 Bildepotte 2 ), dat stugk 2 ß.
Am 10. Decembris.
1 fl. --   vor 12 ordepotte 3 ), dat stugk 2 ß.
1 fl. 20 ß.   vor 22 Semsenpotte 4 ), dat stugke 2 ß.
1 fl.  --   vor 4 lowordepotte 5 ), dat stugke 6 ß.
3 fl. 13 ß.   6 Pfennig (Meckl.) vor 52 Bildepotte 2 ), dat stugk 1 ß. 6 Pfennig (Meckl.) .
2 fl. --   vor 26 auerkronenpotte 6 ), dat stugk 2 ß.
1 fl. 4 ß.   vor 29 graue potte 7 ) in die helle 8 ), dat stugke 6 Pfennig (Meckl.) .
2 fl. --   Mackelonn vor denn kagelauen Valentin dem potter geuenn.
 Summa lateris 16 fl. 21 ß. 6 Pfennig (Meckl.) .

Neu=Bukow'sche Amts=Rechnungen
Trin. 1565-1566.


Erläuterung.

   1) Potte, d. h. Töpfe oder Kacheln.

   2) Bildepotte, d. h. Kacheln mit Bildern oder Relief =Portraits zu den äußern Hauptwänden des Ofens, sonst auch Bildkacheln genannt.

   3) Ordepotte, d. h. Eckkacheln, von dem plattdeutschen Ort = Ecke oder Spitze.

   4) Semsepotte, d. h. Gesimskacheln, schmale und längliche Kacheln mit kleinen Ornamenten verziert.

   5) Lowordepotte. Ich übersetze diesen Ausdruck durch Löweneckkacheln. Die Vereinssammlung besitzt noch eine vollständige Kachel aus Wismar, welche diesen Ausdruck erklärt. Es ist eine Eckgesimskachel, welche auf der langen Seite einen Schild mit einem Reichsadler zwischen zwei Greifen enthält, auf der kurzen Seite auch einen Greifen. Auf diesem Gesimse liegt ein Löwe in runder Figur mit aufgesperrtem Rachen, der Ecke zugewendet. Gleiche Gesimskacheln ohne einen Löwen sind auch noch vorhanden. Die

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Länge und Höhe der Kachel, mit dem Löwen, mißt 26 Centimeter (gegen 11 Zoll).

Diese Löwenkacheln waren dazu bestimmt, die obern Ecken des Ofens zu verzieren; daher wurden für einen Ofen 4 Stück verwandt. Die Kachel ist gelb glasurt mit weißen und blauen Einzelnheiten. Die Vereinssammlung besitzt noch eine zweite, zerbrochene Löwenkachel aus Wismar, welche grün glasurt ist, aber aus dem Gesimse andere, rein architektonische Verzierungen hat, also zu einer andern Ofenart gehört.

   6) Auerkronenpotte werden kleine Kacheln sein zur Verzierung der Krönung zwischen den Löwen.

   7) Graue Potte, d. h. grobe, ordinaire, unglasurte Kacheln oder Töpfe.

   8) Helle (auch "Hölle") ist der Raum zwischen dem Ofen und der Wand (vgl. Heyse Deutsches Wörterbuch). Zu der Hinterseite des Ofens wurden also unglasurte, nicht verzierte, daher wohlfeilere Kacheln, vielleicht altmodische Kacheltöpfe, verwandt. "Helle" 1 ) heißt auch überhaupt; Abseite, z. B. auf dem Schiffe auf dem Verdeck zur Aufbewahrung von Geräthen. "Hill" ist in den alten Meklenburgischen Bauerhäusern der Raum über den Abseiten neben der Diele zur Aufbewahrung von allerlei Gegenständen.


Aus dieser Rechnung vom Jahre 1565 erfahren wir auch, daß die Kacheln zu Wismar gemacht wurden und daß der Töpfer Valentin hieß, d. i. Valentin Möller 2 ), nach Jahrb. XVIII, S. 271.

Für Meklenburg ist also Wismar 3 ) als Fabrikort für die Kacheln zur Renaissancezeit anzusehen, wo vielleicht auch die Kacheln für Schwerin gemacht wurden, da die Herzoge


1) Daher auch wohl plattdeutsch: Hellbessen = Höllenbesen, ein Schimpfwort.
2) Der Töpfer Valentin Möller zu Wismar lieferte im Jahre 1576 auf Bestellung des herzoglichen Baumeisters auch Oefen mit "Bildkacheln" für das fürstliche Haus zu Wismar. Vgl. Jahrb. XVIII, S. 271.
3) Andere Töpfer in Wismar aus dieser Zeit sind: Simon Rümelink 1552, Hinr. Ratsack 1559, Drewes Borchwart 1568, Hinr. Giffende 1509, Hans Postelin 1564. Daß diese Leute auf die künstlerische Ausstattung der Oefen Einfluß hatten, ist aber wohl zu bezweifeln. (Mittheilung des Herrn Dr. Crull zu Wismar.)
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in damaliger Zeit bekanntlich auch in Wismar eine Residenz (den "Fürstenhof") besaßen.


Große Theilnahme muß es erwecken, wenn man hört, daß gegenwärtig in Wismar die Kachelfabrication nach alter Weise wieder aufgelebt ist. Der Herr Töpfermeister Carl Schindler jun. zu Wismar hat für das neu erbauete Haus des Herrn Malermeisters Michaelsen zwei Oefen dieser Art, einen grünen und einen gelben, ausgeführt, welche nach zuverlässigem Urtheil den alten an Farbe, Glasur und Tüchtigkeit auf das Beste nachkommen, jedoch noch kein Bildwerk tragen. Auch die Hornemannsche Kachelfabrik hat dergleichen ins Auge gefaßt.

 

Vignette

 

 

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b. Kirchliche Bauwerke.

Die Kirche zu Warnemünde.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


D a die alte Kirche zu Warnemünde für die in jüngern Zeiten bedeutend vergrößerte Einwohnerzahl zu klein und der ganze Bau zu unbedeutend und sehr baufällig und restaurationsbedürftig war, so ward der Abbruch derselben und der Bau einer neuen angemessenen Kirche beschlossen.

Die Kirche war nicht sehr alt. Warnemünde hat auch in alten Zeiten wohl nie eine steinerne Kirche gehabt. Noch am 15. Decbr. 1312 mußte in einem Friedensschluß der Rath der Stadt Rostock versprechen, in Warnemünde eine "schöne hölzerne Kirche" neu zu bauen ("in opido Werneminden reedificare debemus pulcram ecclesiam ligneam". Schröter Beiträge, Specimen Nr. XVI, p. XVIII. Meklenb. Urk.=Buch, V, Nr. 3577), nachdem die Rostocker die frühere Kirche abgebrochen hatten (vgl. Schröter Rostockische Chronik, S. 23). Die alte Kirche war ein einschiffiges, sehr niedriges Ziegelgebäude im Spitzbogenstyle; die zwischen den stark hervortretenden Strebepfeilern liegenden Fenster waren sehr kurz und sehr weit. Das ist der ganze Styl der Kirche. Der Altarraum am Ostende scheint ein wenig früher gebauet zu sein, als das Schiff. Der Altarraum war mit einem Gewölbe, das Schiff mit einer sehr morschen Bretterdecke bedeckt. Die Kirche stammte jedenfalls aus dem 15. Jahrhundert, wahrscheinlich aus der Mitte des Jahrhunderts, vielleicht aus dem Jahre 1433, in welchem die große Glocke gegossen ist.

Die Wände haben in alten Zeiten bunte Rankenmalereien gehabt, welche später mit Kalktünche bedeckt sind.

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Wahrscheinlich ist auch das Gewölbe bemalt gewesen. Der Schlußstein des Gewölbes war mit einem runden hölzernen Schilde verziert, auf welchem das geschnitzte und bemalte Bild des Heil. Nicolaus, des Patrons der Schiffer, steht (jetzt im Antiquarium zu Schwerin).

Am 1. Octbr. 1871 ward die durch den Landbaumeister Wachenhusen zu Rostock seit 1866 neu erbauete Kirche eingeweihet und am 12. April 1872 in einer Conferenz zu Warnemünde der Beginn des Abbruches der alten Kirche und die Conservirung des werthvollern alten Mobiliars zum Andenken beschlossen.

Rechts neben dem Altar steht ein mit einem Baldachin bedeckter Chorstuhl mit 7 Sitzen, aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Die sehr schadhafte, durchbrochene Schnitzerei an dem Baldachin ist zwar etwas jung, aber doch gut.

An jeder Seite des Schiffes steht eine Reihe von Kirchenstühlen, welche sehr beachtenswerth, tüchtig und selten sind. Die Wangen dieser Stühle sind aus Eichenholz und in einfachem, gutem Renaissancestyl geschnitzt. Sie stammen zum größten Theil aus der Zeit von 1585 bis 1590, vorherrschend von 1588 bis 1590. Unter den halbrunden Köpfen der Seitenwangen stehen in sehr guter Reliefschnitzerei die Namen und Hausmarken der ehemaligen Besitzer, die Jahreszahlen und sonstige Nachrichten, welche für die Geschichte der alten Warnemünder Familien von Werth sind. Eine Auswahl dieser Hausmarken ist in "Homeyer's Haus= und Hofmarken", Taf. XIX, vgl. S. 63 und S. 394, nach Mittheilungen des Landbaumeisters Wachenhusen, des Baumeisters der neuen Kirche, dargestellt. Diese älteren Stuhlwangen find für die ganze Kirche beim Bau neuer Stühle immer zum Muster genommen; die Arbeit wird aber immer schlechter, je jünger sie wird.

Diese Kirchenstühle mit den Namen und Hausmarken der Besitzer haben für die Geschichte des Ortes und dessen Einwohner eine gewisse Wichtigkeit.

Das großherzogliche Geheime und Haupt=Archiv zu Schwerin bewahrt die beiden hier angeführten Proceß=Vollmachten der Warnemünder "Schiffer" 1 ) (d. h. Schiffs=


1) "Schiffer" werden noch jetzt oft die Schiffsführer genannt, welcher seit langern Zeiten gewöhnlich "Schiffs=Capitaine" genannt werden. Es ist zuverlässig, daß noch im 16. Jahrhundert die Warnemünder "Schiffer" auch über See fuhren.
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Capitaine) aus den Jahren 1586 und 1593, welche die vollen Namensunterschriften und daneben die Hausmarken tragen. Diese Hausmarken sind neben die Namen theils mit kleinen Ringsiegeln (Petschaften) gedruckt, theils mit Dinte gezeichnet. Es sind dieselben Hausmarken, welche von Homeyer a. a. O. mit den Anfangsbuchstaben der Namen abgebildet sind.

Diese Vollmachten stammen also aus der Zeit der Erbauung der Kirchenstühle in der alten Kirche mit den geschnitzten Namen, Hausmarken und Jahreszahlen aus den Wangen.

Vollmacht vom Jahre 1586.

"Wir vntergeschriebene Schiffer zu Wernemunde wanhafttigk"

bestellen in ihrem Rechtsstreite mit den Schiffern zu Rostock wegen der "Segelatien mit den vorbauten Boten" zur Eidesleistung malitiae vor dem Hofgerichte wegen Appellation an das kaiserliche Cammergericht ihre

"Nachbaren Hans Karstens und Michel Kaffmeister"

zu Bevollmächtigten.

"Actum Wernemunde denn 30. Decembris Anno dni. 1586".

Folgen die Namensunterschriften von der Hand des Schreibers der Vollmacht aus 2 Seiten mit beigefügten Hausmarken, theils in Petschaften, theils mit Dinte gezeichnet, auf 2 daneben befestigten Papierstreifen.

Jacob Rikentroch. Jacob Michelß.
Hans Symens. Hinrick Kaffmeister.
Wilken Schonewolt. Jochim Meyer.
Clawes Kaffmeister. Hans Mechelß.
Peter Randow. Jochim Eggebrecht.
Hinrick Kale. Joems Schmidt.
Michel Hase. Clawes Holste.
Jacob Muß. Peter Eggebrecht.
Hans Grothe. Berendt Stegemann.
Symon Hagemeister. Titke Kale.
Jacob Schmidt. Thomas Hase.
Hinrick Stolte. Hans Joemßen.
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Clawes Maeß. Hinrick Tewes.
Hans Karstens. Jochim Brinckman.
Michel Kaffmeister. Hinrick Meyer.
Hans Langehinrikes.
Hans Randow.
Hans Hagemeister.

Die beiden großen bei Homeyer abgebildeten Hausmarken gehören den hier genannten Schiffern Hans Joemßen und Peter Randow. Vollmacht vom Jahre 1593.

Vollmacht vom Jahre 1593.
Wir
Jacob Rekentroch,
Hans Simens,
Michel Hase,
Jacob Müß,
Hanß Grote,
Simen Hagemeister,
Jacob Schmidt,
Heinrich Stolte,
Clawes Maeß,
Hanß Kerstens,
Michaell Kaffmeister,
Jacob Michelsen,
Jochim Meyer,
Jochim Eggebrecht,
Clawes Holste,
Tidke Kale,
Hanß Hagemeister,
Heinrich Eggebrecht,
Hanß Degener,
Frentz Schroder,
Frentz Hase,
Jochim Hase,
Jacob Reimschneider,
[D]ethman Reutze,
Hanß Schmidt,
Jochim Rampe, und
Peter Hagemeister,

"einwohner vnd Schiffer zu Warnemunde

bestellen in ihrem Rechtsstreite gegen die Schiffer zu Rostock zur Eidesleistung malitiae für sich und

etliche vnsere abwesende Consorten", --- zween vnseres mittelß alß die Ersamen Peter Randowen vnd Heinrich

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Vlenbruchen, da vnserer gescheffte vnnd ehehafft sachen halbenn wir alle itzt nicht erschienen konnen,

zu Bevollmächtigten.

"Actum Warnemunde den 6. octobris Ao. p. 1593.

Folgen die Hausmarken auf einem darunter befestigten Viertelbogen Papier in 6 Zeilen, theils in Petschaften, theils mit Dinte gezeichnet.

Die ersten 17 Schiffer kommen auch 30. Dec. 1586 vor; die darauf folgenden 10 kommen hier neu hinzu. - Von den am 30. Dec. 1586 aufgeführten fehlen hier 16, welche entweder gestorben oder auf Seereisen waren.


Nach den Erkundigungen und Mittheilungen des Herrn Dr. med. C. Uterhart zu Warnemünde sind von Familien der vorstehenden Namen gegenwärtig in Warnemünde noch vorhanden: 9 Familien Hagemeister, 8 Familien Schmidt, 7 Familien Holtz, 7 Familien Michelsen. Alle übrigen Namen sind erloschen. Die Hausmarken sind in Warnemünde im Gebrauch auch gänzlich verschwunden.


Eine alte bei der Kirche aufbewahrte Nachricht von dem Pastor Joachimus Mancelius (Mantzel) (1588 † 1628) sagt über diese Stühle Folgendes: "Dieser Kirchen Pastor vnd "Prediger ist zu diesem mal gewesen Herr Joachimus Mancelius Rigensis, der nicht allein die reine Euangelische lehre - - in dieser Kirchen nach den gaben, die ihm Gott gegeben, rein vnd lauter gelehrt - - hat, sondern auch mit fleisse befoddert, das diese Kirche mochte ordentlich gezieret vnd reinlich gehalten worden, wie denn auch zu seinen Zeiten der Predigstul sampt allen Mans= vnd Frawenstuelen, desgleichen alle Fenstern in der Kirchen, daneben auch die Wedem oder das Pfarrhaus nebenst der Schulen ist gebawet und verfertiget worden. Der Schnitzcher, der die Tauffe, wie denn auch den Predigstuel, sampt allen Mans= vnd Frawenstulen für die gebuer gemachet, hat in diesem Flecken gewohnet vnd hat geheissen Hans Wegener. Dis ist zur gedechtnis geschrieben Ao. 1598 den 29. Martij."


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Vor der südlichen Stuhlreihe vor der Kanzel stand der Rostocker Rathsstuhl aus dem 15. Jahrhundert im gothischen Styl, vielleicht aus der Zeit der Erbauung der Kirche, mit zwei geschnitzten und bemalten Wangen, die eine mit dem Rostocker Greifen (Rathswappen), die andere mit dem dreifarbigen Rostocker Stadtwappen.


Besonders beachtenswerth als seltenes Werk ist der Altar der alten Kirche. Der Altarschrein, ein einfache=Flügelaltar, ist ein ziemlich großes Werk, auf der Vorderseite mit vergoldeten, aus Eichenholz geschnitzten Figuren, auf der Rückseite der Flügel mit gemalten Figuren geschmückt. Die Figuren sind ungewöhnlich groß und schlank und gut gebildet. Die Arbeit an Schnitzwerk und Malerei ist ausgezeichnet gut und das Ganze recht gut erhalten. Die Arbeit hat einen eigenthümlichen Styl, welcher von dem noch häufig in Meklenburg vorkommenden merklich abweicht. Dazu stimmt eine alte Nachricht (in Schröder's Papistischem Meklenburg, Bd. II, S. 2278), daß dieser "Altar im Jahre "1475 und zwar zu Danzig gemacht" sei. Die Jahreszahl 1475 steht noch jetzt in der Krönung gemalt, jedoch ist dabei zu bemerken, daß die Ziffern nicht alt, wenigstens nicht gleichzeitig sind.

Die Anordnung ist eigenthümlich und von der sonst in Meklenburg vorkommenden Weise abweichend. Die Mitteltafel, also die Haupttafel, hat kein hervorragendes Mittelbild, sondern alle Figuren stehen ohne Trennungspfeiler dicht gedrängt neben und hinter einander. Nur in der Mitte trennt ein schmaler Pfeiler die männlichen Figuren zur Rechten und die weiblichen Figuren zur Linken. Die Figuren der Mitteltafel stehen in zwei Reihen hinter einander, so daß an jeder Seite des Mittelpfeilers 4 Figuren im Vordergrunde stehen und 3 Figuren im Hintergrunde zwischen denen der Vorderreihe hervorragen.

Die Figuren sind folgende:

Mitteltafel:

zur Rechten:

      Vorderreihe:

   1) Christus, stehend, einfach, etwas größer als die übrigen Figuren, segnend.

   2) S. Georg, Nothhelfer.

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   3) (S. Nicolaus), ein segnender Bischof mit Bischofsmütze, Patron des Wassers, der Schiffer und der Fischer, in Meklenburg gewöhnlich ohne besonderes Attribut dargestellt.

   4) Johannes der Täufer.

      Hinterreihe:

   5) S. Mauritius, mit einem Mohrengesicht.

   6) S. Gregor, mit der päpstlichen Krone.

   7) (S. Erasmus, Nothhelfer, ein Bischof mit Bischofsmütze; der h. Erasmus kommt in Meklenburg sehr viel vor. Die Attribute haben in der Hinterreihe nicht zur Darstellung kommen können.

zur Linken:

      Vorderreihe:

   1) Maria, die Mutter Jesu, eine gekrönte Jungfrau mit einem Buche unter dem Arme, sonst ohne alle andern Kennzeichen; jedoch ist diese Figur größer, als die übrigen weiblichen Heiligenfiguren. Diese Figur kann keine andere Person darstellen, als die Jungfrau Maria, da sie neben Christus steht, erhabener als die übrigen Figuren ist und wohl nicht fehlen kann und darf.

   2) S. Maria Magdalena, in einer Haube, mit der Salbenbüchse.

   3) S. Katharina, gekrönte Jungfrau, die Braut Christi, mit Rad und Schwert.

   4) (S. Dorothea), Jungfrau mit einem Rosenkranz auf dem Haupte und einem Becher oder Kelche in der Hand. Es scheint hier eine Verwechselung stattgefunden zu haben, da die h. Dorothea sonst nicht mit einem Becher erscheint; der Kelch erscheint sonst in der Hand der h. Barbara.

   Hinterreihe:

   5) (S. Barbara), Nothhelferin, gekrönte Jungfrau.

   6) S. Agnes, gekrönte Jungfrau, mit einem Lamm im Arme.

   7) S. Margaretha, Nothhelferin, gekrönte Jungfrau.

Die Flügel sind quer getheilt und enthalten in zwei Reihen zusammen 16 Figuren, nämlich die 12 Apostel und 4 Heilige. Von den Aposteln sind viele nicht sogleich zu erkennen, da die meisten die Attribute verloren haben.

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Die Figuren sind folgende:

   zur Rechten:

      oben:

 1) S. Petrus, Apostel.

 2) S. Andreas, Apostel, mit Kreuz.

 3) S. Johannes, Apostel, mit Kelch.

 4) S. Bartholomäus, Apostel, mit Messer.

      unten:

 5) Apostel.

 6) Apostel.

 7) Apostel.

 8) S. Stephan, als Diakon, mit drei Steinen im Arme.

   zur Linken:

      oben:

 9) S. Paulus.

10) S. Jacobus d. ä., Apostel, mit Pilgerhut.

11) (S. Christina), weibliche Heilige, mit einem offenen Buche.

12) S. Elisabeth, weibliche Heilige, mit Heringteller und Krug.

      unten:

13) Judas Thaddäus, Apostel, mit Keule.

14) Apostel.

15) Apostel.

16) (S. Cyriakus), Nothhelfer, als Diakon.

Die Gemälde der Rückseite der Flügel und der Predelle enthalten Heilige der Hauptseite, so daß beide Theile sich gegenseitig erklären.

Jeder Flügel ist auf der Rückfeite mit 3 großen Figuren neben einander, ohne Theilungslinien, bemalt, welche ohne Zweifel die Localheiligen darstellen.

Auf dem Flügel zur Rechten steht:

      in der Mitte:

 1) S. Katharina, mit dem Schwerte;

      ihr zur Rechten:

 2) S. Paulus, mit dem Schwerte;

      ihr zur Linken:

 3) S. Nikolaus, segnender Bischof.

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Auf dem Flügel zur Linken steht:

      in der Mitte:

 4) S. Dorothea, mit Korb und Rosenzweig;

      ihr zur Rechten:

 5) S. Georg;

      ihr zur Linken:

 6) S. Eduard der Bekenner, König von England, gekrönter König, einen Deckelbecher und eine Hellebarde in den Händen haltend.

Die Predelle ist mit halben Figuren bemalt. Auf derselben sind dargestellt:

      in der Mitte:

 1) Christus in der Dornenkrone (Ecce homo);

      zur Rechten:

 2) S. Maria Magdalena, in einer Haube, mit der Salbenbüchse;

 3) S. Elisabeth, mit Krug und Heringteller.

      zur Linken:

 4) S. Agnes, Jungfrau mit Lamm;

 5) S. Barbara, Jungfrau mit Kelch.


Der alte aus Ziegeln aufgemauerte Altartisch ward bei der Ausräumung der alten Kirche am 21. März 1874 unter einsichtiger Aufsicht aufgenommen. In demselben ward aber durchaus nichts gefunden 1 ). Dem Anschein nach war der steinerne Tisch in protestantischer Zeit reparirt oder erneuert.

An der nördlichen Chorwand, am Triumphbogen, stand, gegen den westlichen Eingang in die Kirche gewendet, die riesenmäßige Bildsäule des Heil. Christoph mit dem Christkinde auf der Schulter, ein fast als Wahrzeichen nah und fern bekanntes Bildwerk. Die gute Bildsäule aus Eichenholz war vergoldet und bemalt gewesen und ist während des Baues der neuen Kirche wieder restaurirt und vergoldet und in der neuen Kirche, am Eingange in das nördliche Kreuzschiff, aufgestellt.


1) Nach den Berichten des Herrn Pastors Gundlach zu Warnemünde und des Herrn Amtsverwalters Burchard zu Rostock.
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Mehrere alte Leichensteine, welche wahrscheinlich bei dem Bau der Stühle in die Gänge gelegt waren, sind so sehr abgetreten, daß die Inschriften nicht mehr mit Sicherheit zu lesen waren. Auf einigen war gothische Minuskelschrift zu erkennen. Nur ein einziger Leichenstein hatte wegen seines Alters einige Bedeutung: grade dicht vor dem Altar lag ein sehr abgetretener Leichenstein aus hellem Gestein; mit großer Wahrscheinlichkeit, aber mit Schwierigkeit läßt sich noch der Anfang der Inschrift entziffern:

Inschrift

Der hier Begrabene ist also wahrscheinlich ein Pfarrer Heinrich, welcher im Jahre 1350 starb; es ist nämlich sicher 1350 zu lesen, da über dem Ī deutlich der Abbreviaturstrich - steht, also der Buchstabe durch: in, und nicht 1 aufzulösen ist. Dieser Stein war der einzige, der Majuskelschrift hatte, welche hiernach noch im Jahre 1350 gebraucht ward. Da die Kirche nach dem Bau sicher jünger ist, so läßt sich wohl schließen, daß dieselbe genau auf den Fundamenten einer altern Kirche erbauet ist, deren Ausführung vielleicht unter dem Pfarrer Heinrich geschah, da derselbe dicht vor dem Altare begraben ward.


Prediger=Bilder aus jüngerer Zeit, welche in die neue Kirche versetzt sind, waren (nach Clemann) noch vorhanden: von Joachim Albinus († 1670), von Nicolaus Bims († 1724), von Johann Friedrich Tolle († 1751). Vgl. unten.


Die große Glocke zu Warnemünde hat die Inschrift:

Inschrift
(= O rex gloriae Christe veni cum pace.
     Amen. 1433.)

In der Jahreszahl steht ein Medaillon mit einem Greifen; die Glocke ist also in Rostock gegossen. Darüber steht das Gießerzeichen in der Gestalt zweier in einander gestellten Winkelhaken.


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Nachdem der Bau einer neuen Kirche und der Abbruch der alten Kirche beschlossen war, ward nach Vollendung der neuen Kirche der Abbruch der alten Kirche vorgenommen. Im Winter 1873-1874 ward die alte Kirche ausgeräumt. Dabei sind zum Andenken die geschnitzten Wangen der Warnemünder Kirchenstühle in das Thurmgebäude und der alte Altar in die neue Kirche, dem Beichtstuhl gegenüber, versetzt, die beiden geschnitzten Wangen der Rostocker Rathsstühle und das Gewölbeschild in das großherzogliche Antiquarium zu Schwerin gekommen.

Der Abbruch des alten Kirchengebäudes, dessen Material von dem Flecken Warnemünde erworben ist, wird im Jahre 1874 zu gelegener Zeit beginnen.


Pfarrer zu Warnemünde.

Auf der Rückwand der Mitteltafel des Altars stand früher das Verzeichniß der evangelischen Pfarrer zu Warnemünde gemalt. In der Zeit von 1861-1870 ist aber aus Unachtsamkeit dieses Verzeichniß abgewaschen und dabei ganz zerstört. Glücklicher Weise konnte mir der Herr Pastor Fritzsche im Jahre 1870 ein bei den Kirchen=Acten aufbewahrtes, zum größten Theile jedesmal gleichzeitiges Verzeichniß mittheilen, welches hier bearbeitet mitgetheilt ist (als Warnemünder Verzeichniß bezeichnet).

Verzeichniß
der Pfarrer und Prädicanten zu Warnemünde

seit der Reformation.

     Pfarrherren.      Lutherische Prädicanten.
(1519) - 1542 Dr. Johann Katte 1 ). 1529 -- Heinrich Schmidt 2 ).
1542 - (1550) Mag. Sim. Leupold 3 ). 1548 -- Michael Speier 4 ).

Evangelische Pfarrer.

1) (1522) † 1562 Paschen Gruwel von Lenzen 5 ).
2) 1563 † 1565 Mag. Bernhard Caloander von Braunschweig 6 ).
3) 1566 † 1587 Jacob Böhmer von Magdeburg 7 ).
4) 1588 † 1628 Joachim Mancelius von Riga 8 ).
5) 1629 † 1670 Mag. Joachim Albinus von Parchim 9 ).
6) 1671 † 1724 Mag. Nicolaus Bims von Rostock 10 ).

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7) 1724 - 1729 Johann Hermann Wolmar Gercke aus der Gegend von Grevesmühlen 11 ).
8) 1729 †1751 Johann Friedrich Tolle aus dem Meklenburgischen 12 ).
9) 1751 †1770 Jacob Lorenz Mussehl aus dem Meklenburgischen 13 ).
10) 1771 †1819 Johann Heinrich Schmiedekampf aus Crivitz 14 ).
11) 1819 †1856 Georg August Friedrich Quittenbaum aus Goslar 15 ).
12) 1857 bis 1869 Georg Friedrich Ludwig Avé=Lallemant 16 ).
13) 1869 bis 1873 Hugo Conrad Fritzsche aus Rostock 17 ).
14) 1873 - Carl Gustav August Gundlach aus Wismar 18 ).

Anmerkungen und Erläuterungen.

1) In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war lange Zeit Pfarrer oder "Kerkhere" von Warnemünde der Dr. Johann Katte, ein bekannter, heftiger Papist. Er war Domherr und Scholaster des Domstiftes zu Rostock und Besitzer der damit verbundenen Pfarre zu St. Nicolai und der dieser incorporirten Pfarre zu Warnemünde (vgl. Jahrbücher des Vereins für Meklenb. Geschichte, V, S. 146 flgd.). Der Dr. Katte war im Jahre 1542 gestorben. Natürlich besaß er die Pfarre zu Warnemünde nur als Geldpfründe und hielt hier höchstens einen Vicar.

2) In dem Warnemünder Verzeichniß der evangelischen Prediger wird als der erste "Herr Hinrich Schmidt Anno 1529" aufgeführt. Dieser kann aber nur ein dürftig besoldeter "Prädicant" zu Katte's Zeiten gewesen sein, wie es deren zu Anfang der Reformation im Lande sehr viele gab.

3) Nach des Dr. Katte Tode erhielt 1542 dessen geistliche Lehne der bekannte herzogliche Secretair, auch Kirchenvisitations= und Landes=Secretair Mag. Simon Leupold (vgl. Jahrb. V, S. 117 und nach den Acten), dessen Leben in den Jahrbüchern V, S. 135-168, geschildert ist. Im Jahre 1543 ward er in die Pfarre Warnemünde eingewiesen. Wie lange dieses sonderbare, nicht protestantische Verhältniß gedauert hat, hat sich noch nicht erforschen lassen, vielleicht ungefähr bis zum Jahre 1550 oder 1552 unter des Herzogs Johann Albrecht I. Regierung, da Leupold selbst entschieden protestantisch war.

4) Als der zweite evangelische Prediger wird in dem Warnemünder Verzeichnisse "Herr Michael Speier" auf=

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geführt. Dieser kann aber auch nur ein "Prädicant" zu Leupold's Zeiten gewesen sein.

5) Als der erste wirkliche evangelische Prediger ist Paschen Gruwel zu betrachten. Das Warnemünder Verzeichniß berichtet: "Anno 1562 nach den hilligen Ostern ist der Ehrwerdige H. Pasken Gruwel van Lentzen bördig, nach dem he gantzer veertich iar an desseme orde gades wort geleret, in dem Herrn salichlick entslapen." Man kann nicht zweifeln, daß dies richtig sei, da dies schon im Jahre 1566 von der Hand des Pfarrers Jacob Böhmer niedergeschrieben ist, welcher mit Sicherheit noch zuverlässige Nachrichten haben konnte. Dies wird denn auch durch die Archiv=Acten bestätigt. In einem undatirten eigenhändigen Briefe an den Herzog Johann Albrecht I., welcher von " Paschen Gruwel kerkhere to Warnemunde" unterzeichnet ist, schreibt derselbe über sich: "De wile denne her Johan Katte, der kyrchen leste besitter, in godt den hern verstoruen und ick von J. f. g. heren vader neuen hern hertzog Hinrich, hochlofflicher gedechtnis, mit gemelter parrekercken tho Warnemunde guetlich wedder bedent." Der Brief muß also nach dem Tode des Herzogs Heinrich 1552 und vor dem Tode des Pfarrers Paschen Gruwel 1562 geschrieben sein. Nach dem Warnemünder Verzeichniß muß also Paschen Gruwel seit 1522 in Warnemünde gepredigt haben, zuerst lange Zeit wohl nur als "Prädicant". Im Jahre 1555 wird der Pfarrer zu Warnemünde aber nur mit Vornamen "Pasca" genannt (vgl. Jahrbücher, V, S. 152). - Diesen klaren Nachrichten gegenüber tritt eine Nachricht, welche auf keine Weise mit Sicherheit zu lösen ist. Im Jahre 1551 nennt in den Archiv=Acten Simon Leupold eigenhändig und ein anderer Secretair 3 Male "den kerckhern zu Warnemünde Ern Pasken Schulten." In diesen Schriften wird gesagt, daß "Pasken Schulte, itziger kercher zu Warnemünde sei, eyn alter selsorger, der gots wort lange iar darselbst gepredigt" habe und umb seiner langen getrewen dienste willen" Berücksichtigung verdiene. Unter Paschen Schulte kann doch nach allen Umständen nur Paschen Gruwel, zumal der Vorname Paschen derselbe ist, verstanden werden. Und doch kann man kaum annehmen, daß grade Simon Leupold sich in dem Namen sollte geirrt haben können, wie auch kaum zu glauben ist, daß der "Kirchherr Paschen" zwei Zunamen sollte gehabt haben.

6) Der zweite evangelische Pfarrer war Bernhard Caloander (deutsch = Schönemann). Das Warnemünder

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Verzeichniß berichtet von Böhmer's Hand: "An dessensuluigen (Gruwel's) stede is wedderumb gefördert vnd angenamen worden M. Berhardus Caloander Brunsuicensis, welcker balde hernach Anno 1565 an dem gemeinen pestilenzischen steruen ock salichlich entslapen is." Am Rande steht von jüngerer Hand: Ist erwehlet Anno 1563. Ist gestorben "1565." (Vgl. auch Clemann Lexicon S. 127). Die Archiv=Acten enthalten nichts über diesen Mann. - Im Jahre 1565 lebte noch eine Prediger=Wittwe in Warnemünde.

7) Ueber Jacob Böhmer enthält das Warnemünder Verzeichniß folgende Nachricht, welche derselbe nach dem ganzen Tone sicher selbst geschrieben hat. "Darup balde dat folgende nie Jar 1566 H. Jacob Böhmer Magdeburgensis gefordert vnde dat Göttlike wort to predigen angenamen is worden, dem Gott de here langes leuendt, gude gefundheit vnde sines hilligen geistes gauen to sinem ampt gnediglichen vorlenen wölle. Amen." Nach den Archiv=Acten ward er 17. Novbr. 1566 introducirt. Von derselben Hand sind auch die beiden vorhergehenden Nachrichten über Gruwel und Caloander geschrieben, welche dadurch als glaubwürdig erscheinen, daß sie nur kurze Zeiträume umfassen. Ueber Böhmer's Tod schreibt sein Nachfolger in dem Warnemünder Verzeichniß: "Anno 1587 den 20. Augusti, war der zehende Sontag nach Trinitatis, ist der Erwirdiger Herr Jacob Böhmer, nach dem ehr des morgens in der kirchen gepredigt vnd das Sacramente vorreicht, des Abends vmb 9 Vhr selich im Herrn entschlafen, des Sele Gott gnedich sey. Amen." Auch nach den Archiv=Acten erscheint er 1587 als gestorben.

8) Das Warnemünder Verzeichniß berichtet von derselben Hand: "An desselben Stelle ist das folgende Jar Ao. 1588 Herr Joachimus Mancelius (Mantzel) Rigensis beruffen vnd nach dem Seligen Herrn Jacobs nachgelassene witwe das gnaden Jaer gehabt, ist ehr vom Herrn Doctore Simone Pauli, damals Superintendenten des Rostkerschen Kreißes in vnser lieben Frauwen Kirche zu Rostogk ordinieret vnd den 9. Sontagk nach Trinitatis in dieser Kirchen introduciret vnd eingewiesen worden. Gott gebe Ihm gnade vnd seinen werden heiligen Geist, sein Ambt trewlich zu uorrichten. Amen." Am Rande steht von jüngerer Hand beigeschrieben: "Anno 1588 ist H. Joachimus Mancelius erwehtet, ist gestorben Anno 1628." Auch die Archiv=Acten sagen am 14. Aug. 1629, daß er "kurtz verrückter Zeit in der Pestzeit gestorben" sei.

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9) Das Warnemünder Verzeichniß sagt: "Anno 1629 ist an des Seel. H. Joachimi Manzelii stelle gekommen H. M. Joachimus Albinus Parchimensis vnd ist in die 40 Jahr treufleißiger Pastor dieser Gemeine gewesen, welchem Gott gnädig sey." Nach den Archiv=Acten ward er 2. Aug. 1629 von Wallenstein vocirt und starb 8. März 1670.

10) Ueber Nicolaus "Bims", wie er sich selbst unterzeichnet, berichtet übereinstimmend mit den Archivnachrichten das Warnemünder Verzeichniß: "Anno 1670 d. 23. Novemb. ist M. Nicolaus Bimsius Rostochiensis wieder an des Seel. H. M. Joachimi Albini stelle erwehlet; den 4. Martii aber des Ao. 1671 Jahrs vom H. Doct. Hermanno Schuckmann eingesetzt, J. F. D. zu Güstrow wolverorneten Superint. Güstrowschen Kreyses, weil der H. Super. Samuel Vossius J. F. D. zu Gustrau Rostockischen Kreyses Superint. eben damals mit leibes Schwachheit von Gott veterlich ist heimgesucht gewesen, deme es sonst nach J. F. D. gnedigsts befehl wehre zugekommen. In wehrendem gnaden Jahr haben auffgewartet der H. Pastor zu Bystau Nicolaus Nemtzow vnd der H. Pastor von Hansdorf H. Joachimus Müller. Dieser ist gestorben Anno 1724 d. 1. Septbr., ist also 53 Jahr Pastor zu Warnemünde gewesen. Nachdem er aber Alters halber dieses mühsame Amt nicht mehr hat verwalten können, hat er einen Substitutum genommen, der aber wegen entstandener Zwistigkeiten Anno 1729 nach Lambrechtshagen translociret worden. Nach den Archiv=Acten bat "Bims" im Jahre 1722 um einen Substituten, da er bald 80 Jahre alt und über 52jähriger Prediger in Warnemünde gewesen sei", auch um die Tochter bei der Pfarre zu "conserviren." Im Jahre 1723 ward ihm denn auch der von ihm erbetene "Studiosus" Johann Hermann Weimar Gercke, eines "alten Predigers Sohn bei Grevesmühlen, von herrlichen Gaben, ein sittsamer Mensch", substituirt, mit dem Versprechen, ihn gleich nach dem Hintritt des alten Pastors zum Pastor der Gemeinde zu vociren.

11) Dieser Johann Hermann Wolmar Gercke folgte unmittelbar seinem Vorgänger als Pfarrer im Jahre 1724. Aber schon im Jahre 1726 war er wegen anstößigen, unzüchtigen Lebenswandels in Consistorial=Untersuchung und ward 1727 vom Amte suspendirt. In den Untersuchungs=Acten kommt oft eine Pastorin vor. Er wird immer "Pastor" genannt und ist daher als Pfarrinhaber auch als Pfarrer aufzuführen. Am 21. Septbr. 1729 ward er als Pastor nach Lambrechtshagen versetzt, wo er aber sogleich wieder

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wegen kirchenordnungswidrigen Copulirens eines Fremden in Untersuchung kam und zur Strafe ein Jahr vom Amte suspendirt ward. Der Pastor Tollius von Lambrechtshagen kam wieder nach Warnemünde. Gercke starb im Jan. 1748 als Pastor zu Lambrechtshagen und hinterließ aus erster Ehe zwei Kinder und aus zweiter Ehe eine junge Wittwe von 24 Jahren; seine zweite Frau, welche nur 11 1/2 Jahre mit ihm verheirathet gewesen war, hatte "wegen seiner unordentlichen Lebensart sich aus dem Pfarrhause wegbegeben."

12) Nach dem Warnemünder Verzeichniß "Selbiges Jahr nemlich Anno 1729 ist von Lambrechtshagen hieher berufen worden Johann Friedrich Tollius von Großen=Hell im Amte Stavenhagen bürtig, welcher den 23. Octbr., Dom. XIX p. Trinit. von dem Hochehrwürdigen Herrn Superintendente zu Güstrow H. Doct. Schaper, nachdem die vocation von Sr. Hochfürstl. Durchl. Herzog Carolo Leopoldo aus Dantzig anhero gesandt, introduciret worden." Nach des Herrn Pastors Fritzsche Mittheilung starb Tolle im Jahre 1751.

13) Herr Pastor Fritzsche zu Warnemünde theilt mit: "Jacob Lorenz Mussehl Megapol. ist von Sr. Herzogl. Durchlaucht solitarie präsentiret und sogleich auch ordiniret und introduciret worden Anno 1751. Ist gestorben 1770 d. 23. März. Ist Pastor gewesen 19 Jahr."

Von hier an hören das Warnemünder Verzeichniß und die Archiv=Acten auf. Das hier gegebene Verzeichniß ist nach den Mittheilungen des Herrn Pastors Fritzsche im Jahre 1870 vervollständigt worden.

14) Dem Pastor Schmiedekampf, welcher im Jahre 1816 der älteste Prediger der Doberaner Präpositur war, war vom Mai 1816 bis April 1819 der Collaborator J. C. D. Schertling adjungirt, später vicarirten die Pastoren der Umgegend. Schmiedekampf starb 6. Jan. 1819.

15) Georg August Friedrich Quittenbaum, geb. zu Goslar 9. Mai 1777, ward 14. Novbr. 1819 solitair präsentirt und starb am 1. Mai 1856.

16) Avé=Lallemand ward (April?) 1857 vocirt und ging am 31. März 1869 ab.

17) Hugo Conrad Fritzsche aus Rostock ward am 11. April 1869 vocirt und im Septbr. 1873 nach Ludwigslust versetzt.

18) Carl Gustav August Gundlach, geb. zu Wismar 13. Octbr. 1843, ward Neujahr 1872 Pfarrvicar zu Groß=Giewitz und am 19. Octbr. 1873 in Warnemünde zum Pastor erwäht und eingeführt.

 

Vignette

 

 

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Die Kirche zu Leussow.

Die Kirchen nordwestlich und nördlich von Ludwigslust haben eine gewisse Bedeutung für die Erkenntniß der Culturgeschichte Meklenburgs. Der Landstrich zwischen der Walerow (oder Rögnitz) und der Sude nach der Elbe hin war das Land Jabel, die bekannte Jabelhaide, ein tief sandiger, unfruchtbarer Landstrich, mit weiten Kieferwäldern, in welchen in Meklenburg bis zuletzt, noch im Anfange des 16. Jahrhunderts, Wenden wohnten. In diesem Lande ward wohl erst spät deutsche und christliche Bildung verbreitet. Es sind hier vornämlich die Kirchen und Pfarren zu Leussow und Picher, welche auch erst spät genannt werden. Es mag das Cistercienser=Nonnenkloster Eldena gewesen sein, welches in dieser Gegend einigen Einfluß auf die Bildung hatte. Das Kloster war um 1235 gegründet und der zuständige Bischof von Ratzeburg verlieh dem Propste des Klosters am 19. Mai 1291 das Archidiaconat über die Ortschaften des Landes und die schon gegründeten und noch zu gründenden Kirchen zwischen der Sude und Eldena. Unter den Orten werden zuerst auch Jabel, Loysowe und Pychere aufgeführt. Vgl. Meklenb. Urkunden=Buch III, Nr. 2118, S. 421. Die Kirche zu Eldena ist mit dem Kloster wiederholt abgebrannt und bei den Restaurationen vielfach verändert, so daß sich schwerlich noch ein Vorbild oder eine Bauschule herauserkennen läßt. Vgl. Jahrbücher X, S. 307. - Von einer andern Seite in der Nähe läßt sich gar keine Culturströmung nachweisen. Im Jahre 1246 stiftete die Gräfin Audacia von Schwerin in der Grafschaft und im Bisthum Schwerin ein Nonnenkloster zu (Alt=) Lüblow nördlich von Picher. Aber das Kloster kam hier gar nicht zu Stande und ward nach einigen Jahren ganz nach Zarrentin verlegt, wo es geblieben ist und die Gebäude noch heute stehen. Vgl. Jahrb. XXXIV, S. 3 flgd. Die alte Kirche zu Lüblow ist längst verschwunden und an ihrer Stelle im Jahre 1738 ein ärmliches Holzfachwerkgebäude aufgeführt; jedoch giebt ein alter, aber sehr einfacher geschnitzter Flügelaltar Zeugniß von dem frühern Vorhandensein einer gothischen Kirche.

Die Kirche zu Leussow ist wohl die älteste Dorfkirche in dieser Gegend. Die Kirche, ein alter Ziegel=

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bau 1 ), bildet ein schmales, sehr niedriges Oblongum mit flacher dreiseitiger Altarwand, welche an den Seitenecken etwas abgeschrägt ist und daher sich der Kreisform zu nähern scheint, ohne eine eigne Apsis zu bilden. Die Wände haben keinen Granitsockel, sondern wachsen mit Ziegeln aus der Erde. Die Kirche, welche eine Balkendecke hat, hat an jeder Langseite 6 Fenster und in der dreiseitigen Altarwand 4 Fenster. Alle Fenster sind sehr niedrig, mit schräger, glatter Laibung und mit Wölbung in altem Rundbogen; die Wölbungen der Fensteröffnungen sind mit Kalk geputzt. Der Styl der Kirche ist also noch der romanische. Eigenthümlich ist, da zwischen je zwei Fenstern eine kreisrunde Scheibe von etwa 1 Fuß Durchmesser vertieft gemauert und mit Kalk geputzt und getüncht ist. Unter jedem alten Fenster ist in jüngern Zeiten ein kleines viereckiges Fensterloch durchgehauen um Licht unter die Chöre der äußerst niedrigen Kirche einzulassen. In jeder Seitenwand ist eine spitzbogige Thür aus jüngerer Zeit. An jeder Altarseite ist ein Strebepfeiler angesetzt, während die Kirche sonst keine Strebepfeiler hat. Außerdem ist die ganze Kirche im Innern stark verdickt, ohne Zweifel in jungem Zeiten. Auf diese jungern Veränderungen mag sich eine Inschrift auf einem braunrothen Feldstein vielleicht Jaspis, beziehen, welcher in der Außenwand neben der Südpforte eingemauert ist. Die Inschrift ist sehr flach eingehauen, jedoch ist davon

Inschrift

zu erkennen; sie stammt also wohl aus der letzten Zeit des Katholicismus.

Der ursprüngliche Hauptbau stammt also aus der Zeit des romanischen Baustyls und mag um die Mitte oder im dritten Viertheil des 13. Jahrhunderts aufgeführt sein, ist also ohne Zweifel das älteste Kirchengebäude dieser Gegend.

Da die Kirche für die große Gemeinde viel zu klein und niedrig, auch etwas baufällig war, so ist die Abbrechung beschlossen und bereits eine sehr große, stattliche Kirche aufgeführt, welche im Herbst 1872 im Mauerwerk vollständig fertig geworden ist. Nach Vollendung der innern Ausrüstung wird die alte Kirche, welche ich noch am 16. October 1873 untersucht habe, abgebrochen werden.


1) Im Ganzen und Großen ist die niedrige Kirche von Ziegeln erbauet jedoch sind hin und wieder in die Wände größere Feldsteine (Granitfindlinge) vermauert, welche sonst in der sandigen Haideebene selten sind, vielleicht weil hier auch die Ziegel selten waren.
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An Mobiliar besitzt die alte Kirche gar nichts, was irgend der Rede werth wäre, auch an Kunstwerken nichts; im Innern stammt Alles ohne Ausnahme aus den schlechtesten Zeiten des 17. und 18. Jahrhunderts. Nach dem Visitations=Protocoll vom Jahre 1706 hatte die Kirche damals noch einen mittelalterlichen Altar. "Der altar ist von altem schnitzwerck, vermahlet und vergüldet, doch schon alt."

Der Thurm ist ein dem Verfall nahes, ganz hölzernes Gebäude.

Schwerin, im October 1873.

G. C. F. Lisch.


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Die Kirche zu Picher.

Die Kirche zu Picher bei Ludwigslust ist ohne Zweifel in derselben Landschaft und unter denselben Verhältnissen entstanden, wie die Kirche zu Leussow. Die Kirche, ein schlichter Ziegelbau, bildet ein Oblongum, welches ebenfalls schmal und sehr niedrig ist und eine Balkendecke hat.

Die Kirche besteht offenbar aus zwei verschiedenen Theilen, deren Zusammenfügung sich klar erkennen läßt.

Die westliche Hälfte ist die ältere und hat ohne Zweifel allein die älteste Kirche gebildet. Die Ziegel sind sehr groß. In jeder Seitenwand dieser Hälfte sind 5 sehr kleine Fenster, welche mit rechteckig modellirten Laibungen eingehen und im spitzbogigen Uebergangsstyl leise gewölbt sind. Wie in Leussow steht zwischen je zwei Fenstern eine kreisrunde Scheibe von etwa 1 Fuß Durchmesser vertieft eingemauert und mit Kalk geputzt und getüncht, offenbar aus derselben Bauschule, wie an der Kirche zu Leussow. Unter jedem Fenster ist ein kleines viereckiges Fensterloch, welches ursprünglich ist und allem Anscheine nach den kleinen durchgebrochenen Fenstern der Kirche zu Leussow zum Vorbilde gedient hat.

Dieser westliche Theil der Kirche ist offenbar der ältere, die alte Kirche, und flammt nach dem Uebergangsstyl wohl aus dem Ende des 13. Jahrhunderts.

An diese Kirche ist in jüngern Zeiten in gleicher Richtung gegen Osten hin ein Chor angebauet, dessen Ziegel kleiner und schlechter sind. Diese östliche Hälfte hat in jeder Seitenwand 3 und in der Chorwand 2 weite, große Fenster im junggothischen Baustyle, jedes mit einem starken Pfeiler in

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der Mitte. Nach dem ganzen Baustyle ist dieser Theil der jüngere und stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Die Pforten sind aus jüngerer neugothischer Zeit.

Im Innern hat die Kirche gar keine Kunstarbeit und kein Mobiliar, das irgend der Rede werth wäre. Alles Mobiliar ist aus schlechter, junger Zeit.

Nur in den Fenstern sitzen noch einige Reste von Glasmalereien aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Wappen mit Namen, jedoch fehlen die Wappen schon zum größern Theile. Die Malereien sind folgende.



1) CHRISTOFF . KETENBORCH .

Wappen: Eine rothe Burg mit einer Kette davor. Christoph von der Kettenburg lebte um das Jahr 1640.

2) CH[ristine?] GROENING .

Wappen: Gespaltener Schild, rechts mit einem halben goldenen Stern, links mit 3 goldenen Eicheln in schwarzer Hülse.



3) [Moritz von der] MARVITZ . MARSCHALK .

Wappen fehlt. Moritz von der Marwitz war 1622-1634 Meklenburgischer Hofmarschall.

4) DOROTH ---

Zuname und Wappen fehlen.



5) - V . RABENSTEIN . HOFIVNCKER .

Wappen: Drei gepanzerte und gespornte Ritterbeine, mit den Oberschenkeln zusammenstoßend.



6) HANS . [v. Graev]ENITZ
HEVPTMA[n zu Sch]WERIN
V . BVTZOW .

Wappen: Ein silberner geasteter Zweig mit drei grünen Blättern. Hans von Grävenitz kommt 1633-1637 vor.


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7) IACOB . ERNST . V . PENTZE .

pen: Ein rother gekrönter Löwe mit goldenen Pfennigen belegt. Jacob Ernst v. Pentz saß um 1620 auf Raguth und Scharbow.


Da alle diese rittermäßigen Personen nicht in Picher eingepfarrt waren, so werden sie Wohlthäter zur neuen innern Ausrüstung der Kirche zur Zeit des dreißigjährigen Krieges gewesen sein.


Nach dem Kirchen=Visitations=Protocoll vom Januar 1706 hatte damals die Kirche noch einen alten geschnitzten und vergoldeten Altar mit Doppelflügeln:

"Der Altar ist mit einem geschnitzten Marien=Bilde und andern vergüldeten Snitzwerck geziehret, doch schon alt. Vor demselben sind 4 Flügell von seinem Mahlwerck, deren von jeder Seite zwey zuschlagen, daß also selbiger dreymahl verendert werden kann."

Vor dem Altare liegt ein großer Leichenstein mit folgender Inschrift 1 ):

HIER RUHEN
DIE GEBEINE EINES TREUEN KNECHTS
GOTTES,
JOHANN HERMANN ZUR NEDDEN,
GEBOHREN DEN 8. JUN. 1686,
GESTORBEN DEN 9. MART. 1759,
SEIT ANNO 1717 DEN 31. JANUAR:
PREDIGERS ZU PICHER, UND
SEIT ANNO 1746 DEN 20. SEPTEMB.:
ZUGLEICH PRAEPOSITI
DES HAGENOWSCHEN KIRCHEN CRAISES.
SEIN AMT FUEHRTE ER IM SEEGEN,
SEIN WANDEL WAR ERBAULICH
SEINE LEHRE REIN, SEIN GLAUBE STARK,
SEIN ENDE SEELIG.
DER HERR, DEM ER DIENTE, GEWAEHRTE IHM
DIE ERFUELLUNG
SEINES OEFTEREN FLEHENS AUS Ps. LXXI, V. 17, 18.

1) Die Abschrift verdanke ich dem Herrn Präpositus Köhler zu Picher.
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GOTT; DU HAST MICH VON JUGEND AUF GELEHRET,
DARUM VERKUENDIGE ICH DEINE WUNDER.
AUCH VERLASS MICH NICHT, GOTT, IM ALTER, WENN
ICH GRAU WERDE, BIS ICH DEINEN
ARM VERKUENDIGE KINDES-KINDERN
UND DEINE KRAFT ALLEN, DIE NOCH
KOMMEN SOLLEN.

Der Ostgiebel der Kirche ist von Fachwerk. In die Ostwand ist eine große rothbraune Kachel eingemauert, welche den Bethlehemitischen Kindermord darstellt, im Style des 16. Jahrhunderts.


Der schon baufällige Thurm ward im Jahre 1868 vom Blitze beschädigt und mußte deshalb abgetragen werden.


Da die alte Kirche für die große Gemeinde zu klein und zu niedrig, auch baufällig ist, so ist der Abbruch derselben und der Bau einer neuen Kirche beschlossen, welcher demnächst bald beginnen soll. Am 17. Octbr. 1873 habe ich die alte Kirche noch untersucht.

Schwerin, im October 1873.

G. C. F. Lisch.


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Die Kirche zu Jabel.

Die Kirche des Dorfes Jabel, von welchem ohne Zweifel das Land Jabel den Namen hat, ist die Westlichste der Kirchen in der "Jabelhaide", gegen die Elbe hin. Wegen der großen Entfernung von Schwerin habe ich die Kirche nicht selbst untersuchen können, sondern mich auf die gefälligen Mittheilungen des Herrn Pastors Wüstney zu Jabel stützen müssen, welche in den folgenden Zeilen benutzt sind. Auch ist vor vielen Jahren die Kirche durch einen Blitzschlag in Feuer gerathen und in Folge dessen durch die Restauration wohl stark verändert. Dies wird im Jahre 1725 geschehen sein, da diese Jahreszahl über der einen Pforte steht. Spätere Restaurationen haben noch mehr verändert.

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Die Kirche, welche ein schmales, niedriges Oblongum von ungefähr 130 Fuß Länge und 30-40 Fuß Breite bildet, ist von Feldsteinen erbauet und hat eine Balkendecke. Die Altarwand, mit zwei Fenstern, ist dreiseitig flach ausgebauet, mit abgeschrägten Ecken, an denen 3 Pfeiler von Ziegeln stehen.

Die Kirche gleicht also im Styl ganz der Kirche zu Leussow. Auch Herr Pastor Wüstney ist der Ansicht, daß die Altarseite am meisten mit Leussow zu vergleichen sei. Sie wird also wohl am Ende des 13. Jahrhunderts erbauet sein. Jabel wird zuerst 1291 genannt; vgl. oben bei Leussow S. 193.

Die Kirche hat in der Nordwand 3 große und 2 ganz kleine und in der Südwand 4 große und 2 ganz kleine Fenster. In jungern Zeites sind schmale, rundbogige Fensterlaibungen eingesetzt und deshalb ist der ursprüngliche Styl nicht zu erkennen.

In der Nordwand sind 2 Pforten, welche stach gewölbt, aber mit einer spitzbogigen Nische überdeckt sind.

In der innern Ausrüstung besitzt die Kirche gar nichts, was der Beachtung werth wäre. Die ganze Ausrüstung stammt aus jüngerer, schlechter Zeit.

Erwähnenswerth sind nur zwei Chöre oder Emporen an der Nordseite, welche jetzt dem Herrn von Treuenfels auf Benz gehören. Früher gehörte das eine nach Volzrade der Familie v. Penz. In der Mitte sieht in Oelmalerei das Wappen der v. Penz mit der Jahreszahl 1680 und zu beiden Seiten die 4 Evangelisten. An dem andern Chor stehen 2 Wappen der v. Treuenfels 1 ) mit der Jahreszahl 1736.

Im Westen ist ein hölzerner Glockenthurm angebauet, der nur wenig über das Dach der Kirche hinausragt.

G. C F. Lisch.



1) Johann Camolt ward 1094 unter dem Namen v. Treuenfels in den schwedischen Adelsstand erhoben. Im Jahre 1694 kaufte er auf 10 Jahre das Gut Golchen und einige Pertinentien in Nutteln. Seine Wittwe hatte diesen Besitz noch 1709-1727. Das Gut Benz besaß die Familie nach v. Lehsten seit dem Jahre 1730. Vgl. auch v. Lehsten Adel Mecklenburgs, S. 270 flgd.
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Die alte Kirche von Klenow (Ludwigslust).

Die schon vor hundert Jahren abgebrochene Kirche zu Klenow oder Kleinow (jetzt Ludwigslust) gehört mit zu der Gruppe der alten Kirchen des Landes Jabel und verdient wohl eine Besprechung, soweit sich diese nach Ueberlieferungen verschiedener Art jetzt noch möglich machen läßt.

Klenow, an der südöstlichen Grenze des Landes Jabel, war in alter Zeit ein Lehngut mit einem großen Bauerdorfe. Im 14. Jahrhundert erscheint das Gut im Besitze oder Mitbesitze der Herren von Pinnow, denen auch Beckentin bei Grabow gehörte. Seit dem 15. Jahrhundert kommen die Herren von Klenow im Besitze von Klenow vor. Ein Ritter Hermann von Clenow erscheint 1294 und 1295 bei den Fürsten von Werle zu Parchim und 1300 bei den Grafen von Schwerin zu Neustadt zugleich mit dem Ritter Ulrich von Pinnow (vgl. Meklenburg. Urk.=Buch).

Die Herren von Klenow blieben lange im Besitze des Gutes, bis sie es aus Geldbedrängniß 1616 an den Herzog Johann Albrecht H. verkauften, welcher es 1621 an seinen Bruder Herzog Adolph Friedrich wieder verkaufte.

Die Herren von Klenow verschwinden am Ende des 17. Jahrhunderts aus Meklenburg und sollen im 18. Jahrhundert ausgestorben sein.

Der adelige Hof stand an der Stelle des jetzigen Schlosses und Schloßplatzes von Ludwigslust. Das Bauerdorf erstreckte sich von dem Hofe ungefähr längs der jetzigen Schloßstraße bis vor das jetzige Schweriner Thor, vor welchem dem Stifte Bethlehem gegenüber noch jetzt die letzten Ueberreste des Dorfes stehen.

Nachdem das Gut in fürstlichen Besitz übergegangen war, ward der frühere adelige Hof ein Domanial=Pachthof mit einem Domanialdorfe. Später bauete hier an der Stelle des Pachthofes der Herzog Christian Ludwig ein Jagdschloß, welches den Namen Ludwigslust erhielt und 1735 fertig ward 1 ).

Nach dem Tode des Herzogs erhob der Herzog Friedrich durch viele und große Bauten nach und nach den Ort zu der bekannten anmuthigen Residenz. Von größern Gebäuden bauete er zuerst die Kirche, welche 1765 angefangen und 20. Octbr. 1770 eingeweihet ward, und in der Zeit 1772 bis 1776 das große Schloß an der Stelle des Jagdschlosses,


1) Vgl. auch "Goß Geschichte Von Ludwigslust in den "Ludwigsluster Blättern" 1845.
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dessen niedrige Flügel von Fachwerk erst in dem gegenwärtigen Jahrhundert abgebrochen sind.

Die alte Kirche des Ortes, welche ein Filial der Kirche des nahen Dorfes Gr.=Laasch war, stand vor dem Hofe im Anfange des Dorfes hinter den ersten Häusern der jetzigen Schloßstraße rechts vom Schlosse her und neben dem jetzigen Prinzengarten, wo noch in den neuesten Zeiten viel Menschengebeine von dem Kirchhofe ausgegraben sind.

Bald nach dem Anfange des Baues der neuen Kirche (1765) ward die alte Kirche von Klenow abgebrochen. Nugent 1 ) schreibt am 21. Novbr. 1766: "Die alte Kirche war so äußerst baufällig, daß es kaum schicklich gewesen wäre, sie länger stehen zu lassen. Von der neuen Kirche, die erst kürzlich angefangen ist, sind bis jetzt erst die Mauern fertig."

Von der alten Kirche zu Klenow ist noch ein gleichzeitiges gutes Oelgemälde von dem berühmten Maler Findorf 2 ) vorhanden, welches jetzt im großherzoglichen Antiquarium zu Schwerin aufbewahrt wird. Dieses Oelgemälde hat in Verbindung mit Archivnachrichten den Stoff zu der folgenden Beschreibung geliefert.

Die Kirche war ein kleines, niedriges Oblongum, im Aeußern von Ziegeln aufgemauert, und hatte in der von Findorf dargestellten Südwand eine Thür und zwei niedrige Fenster, alle im Rundbogen, in der Nordwand wahrscheinlich drei Fenster. Der Thurm war von Holz. Die Kirche war also im Style der alten Kirche zu Leussow (vgl. oben S. 193) gebauet, jedoch kürzer. Sie wird wahrscheinlich noch im 13. Jahrhundert gebauet sein.

Der Ziegelbau war jedoch nur Schein. Die Kirche war nach den folgenden Archivnachrichten nur auswendig von Ziegeln; inwendig war sie von Holzfachwerk und geklehmt. Diese Bauart ist bis jetzt nur an der vor längerer Zeit abgebrochenen alten Kirche zu Wittenförden bei Schwerin beobachtet.

Eine mit dem Gemälde übereinstimmende Beschreibung der Kirche giebt das Kirchen=Visitations=Protocoll von Groß=Laasch vom Jahre 1706:

"Anno 1706 den 7. May ward in der Kirchen zu Kleinow, weil die Kirche größer ist, mit der Visitation zu Großen Lasche der Anfang gemacht."


1) Nugent Reisen durch Meklenburg II, S. 237.
2) Von diesem Oelgemälde ist eine kleine lithographirte Copie in Lisch Meklenburg in Bildern Heft I, zu S. 42 wiedergegeben.
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Die Kirche zu Kleinow. Ist inwendig von von Holtz und zwar von 14 kleine Fach und die Wände gekleimet. Außwendig aber gemauret und mit eisern vielen anckern an dem Holtze gezogen. Das Mauerwerck ist etwas gesuncken und insonderheit an der Süd=Seite geborsten."

"Der giebel nach Osten ist in Holtz gemauret, der andere stehet an dem tuhrm."

"Das Dach ist von Zungensteinen, etwas alt, doch noch in zimblichem stande."

"Der tuhrm ist in gutem stande, außer daß ein par bände oberwertz verfaulet sein sollen."

"Die Bekleidung ist von eichen brettern, die kleine spitze mit Spohn gedecket."

"In dem tuhrm sind 2 gute Klocken mit gutem zubehör."

"In der Kirchen ist nur eine kleine tühre von eichen holtze."

"Der boden ist von gestrichenen eichen brettern, doch zimblich alt."

"Der Fluhr von gebrandten steinen, unter die stühle aber ist nichts als Sand und etliche lose Feldsteine. DieMauersteine aber sind schon vorhanden, damit auch solche plätze können gepflastert werden."

"In der Kirchen sind überall 38 taffel Fenster."

"Die Cantzel ist sehr eng und schlecht, von dischler arbeit, mit einer kleinen treppen."

"Die tauffe ist aus einem eichenen Klotz gehauen, mit einem deckel von tischler arbeit, inwendig ein messingen Becken. Hiebey ein Handrolle."

"Der altar ist von alten schlechten Snitzwerck, der tisch gemauret und vor demselben ein gitter."

"An der Nord=Seite des altars ist ein stuhl drey stuffen von der erden mit einem gesims, dazu man sowoll von außen als inwendig kommen kan. Gehöret zum Hofe."

"Darnegest ist in der Mauer ein von Stein gemachtes adel. Epitaphium derer v. Kleinowen 1 )."

G. C. F. Lisch.



1) Dieses Epitaphium vom Jahre 1582 auf Gottschalk v. Klenow († 1549) und seine Gemahlin Alheid, geb. v. Bassewitz († 1553), wird noch jetzt in der Kirche zu Ludwigslust aufbewahrt. Vgl. Goß a. a. O. Nr. 7, S. 26.
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Kirche und Pfarre zu Beckentin bei Grabow.

Der Sage nach soll bis in das 17. Jahrhundert auf dem noch jetzt zu Beckentin (jetzt zur Pfarre Grabow) bestehenden Begräbnißplatze eine Kirche gestanden haben und hier auch eine eigene Pfarre gewesen sein. Diese Sage wird in sofern bestätigt, als noch jetzt Fundamente auf dem Begräbnißplatze liegen und bei Anlegung von Grabstätten oft viel Schutt ausgegraben wird. Ich habe bei einer solchen Gelegenheit auch Scherben von bemaltem Fensterglas gefunden, auf denen sich aber eine bestimmte Malerei nicht mehr erkennen läßt.

An die Pfarre erinnert die Benennung eines Ackerstücks auf der Ostseite des herrschaftlichen Gartens, es heißt "Predigerkoppel."

Außerdem erinnern an das frühere Vorhandensein einer Kirche und Pfarre noch manche Benennungen von Ackerstücken. Südwestlich von dem erwähnten Begräbnißplatze giebt es noch eine Küsterei, Küsterei'sche Stücke und eine Kirchenkoppel. Oestlich vom herrschaftlichen Garten, d. i. nordöstlich vom Begräbnißplatze, liegt die Predigerkoppel. Auch eine einsame Klause muß bei Beckentin gestanden haben; es erinnert daran die Benennung eines Ackerstückes "de Klûs", ungefähr 8-10 Minuten nordwärts vom Hofe, in dem Winkel, der gebildet wird von dem Wege, der nach Grabow führt, und dem Kremminer Forstwege.

Beckentin, den 28. Novbr. 1872.

H. Rönnberg, Candidat.

Allerdings bestand früher nach den Archivnachrichten eine Kirche mit einer eigenen Pfarre zu Beckentin. Im Jahre 1580 ward Simon Wilken zum Pastor zu Beckentin "commendirt." Im Jahre 1628, unter der Wallensteinschen Herrschaft, ward Daniel Göde, auch Godenius, zum Pastor zu Beckentin berufen, weil der dortige Pastor alt und "auch im Kopfe unrichtig" war. Göde war vorher 6 Jahre Pastor zu Müsselmow. Aber am "Neujahrsabend" 1627 brannte die dortige Pfarre ganz ab. In Beckentin fand er eine "sehr baufällige Pfarre", welche in der Kriegszeit auch Feuersbrunst und Plünderung erlitt, so daß er mit seinen wenigen noch lebenden Beichtkindern nach Parchim floh. Am 22. Juni 1637 schrieb er noch einen langen Bericht von Beckentin. Gleich darauf im Jahre 1637 ward er als Diaconus an

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die Marienkirche zu Parchim versetzt, wo er ein Jahr lang wirkte. Er starb am 4. Juni 1638 zu Parchim an der Pest und hinterließ eine Wittwe, welche sich wieder verheirathete, und 5 kleine Kinder. Schon am 26. Juni 1637 erließ zwar der Herzog einen Befehl, den "nach Beckentin vocirten Pastor" Erhard Rathmann, einen "vertriebenen" Pastor aus Böhmen und darauf in Sachsen, welcher auch zum Diaconat zu Parchim vorgeschlagen war, zu introduciren. Die Sache stieß aber auf Weiterungen und zerschlug sich wahrscheinlich in den schrecklichen Kriegsjahren. Von Rathmann ist weiter nicht die Rede. Daniel Göde wird später der letzte Pastor zu Beckentin genannt.

Hiermit schließen die Kirchen= und Pfarr=Acten von Beckentin.

Das Visitations=Protocoll vom Jahre 1656 berichtet noch Folgendes.

"Beckentin. Diese Kirche hat fast in 20 Jahren keinen eigenen Pastoren gehabt, dieweile in der gemeinen Kriegsruin vndt Landtverwüstung die christliche Gemeine daselbst ao. 1637 vndt 1638 sonderlich fast gar dissipirt, also das keine leute haben bey solchen elenden Zu[stenden] bleiben können vndt ist der letzter Pastor Er Daniel Gode mit weib vnd kindt auch vielen seiner Pfarkinder nach Parchim geflohen, daselbst er auch ao. 1639 durch J. F. g. ertheilete Vocation Pastor Marianus auf der Neuwstadt constituiret worden vndt in dem elende mit den Seinigen todes verblichen."

"Wen auch endlich vor wenich Jahren etzliche, doch gahr weinich Kirchspiehlleute sich wieder eingefunden haben, so hat doch bey so geringer Gemeine in der Zeit kein eigener Pastor können constituiret werden, sondern es seindt diese leute im Nahmen vndt auf Befehl J. F. g. wegen ihres Gottesdienstes an die Pastores der Stadt vndt Gemeine in Grabow --- interimsweisen worden."

"Das Kirchgebeuwde ist gemauwret vndt mit Zungentache beleget, in ziemblichen stande."

Die Pfarre ist aber nicht wieder aufgerichtet und die Kirche in Folge der Kriegsverwüstung wahrscheinlich verfallen und nach und nach ganz verschwunden. So wüthete der dreißigjährige Krieg, daß, namentlich in den schrecklichen Jahren 1637-39 nichts übrig blieb.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.


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Leichenstein des Pfarrers Nicolaus Breide zu Malchin.

Bei der Restauration der Kirche zu Malchin ward im Jahre 1871 vor dem Altare unter dem jungem Pflaster ein großer Leichenstein von Kalkstein gefunden und an der Nordwand des Chores neben dem Altare aufgerichtet. Derselbe enthält unter einem Baldachin das fast lebensgroße Bild eines Priesters, welcher dickes, langes, lockiges Haar hat (wie eine große "Allonge =Perruque") und über die Schultern mit einem Mäntelchen bekleidet ist, welches nach heraldischer Weise mit "Pelz" besetzt ist. Mit der linken Hand hält er einen Kelch mit Hostie, welche er mit der rechten Hand segnet. Zu seinen Füßen steht ein Wappenschild mit einem aufsteigenden, rechts gekehrten Löwen. Die etwas schwer leserliche Umschrift am Rande, in welchem an den 4 Ecken die 4 Evangelisten=Symbole stehen, lautet:

Umschrift

d. i. Anno domini MCCCCLXXI' (Lücke) obiit dominus Nicolaus Breyde, canonicus Gustrowensis, h[ujus ecc]lesiae plebanus.

Ueber dem Haupte der Figur unter dem Baldachin steht:

Inschrift

d. i. orate deum pro eo.

Es steht wirklich da: Inschrift statt Inschrift und Inschrift statt Inschrift . Am Ende sind Stücke ausgesprungen; im Anfange und am Ende sind Stücke ausgesprungen, jedoch noch zu erkennen Inschrift Diese Lücke läßt sich mit Sicherheit ergänzen durch Inschrift

In der zweiten Zeile ist eine große Lücke, welche nicht bearbeitet ist und in der ursprünglichen glatten Oberfläche des Steins liegt. Diese Stelle ist zur Aufnahme des Sterbetages bestimmt gewesen. Auch das Sterbejahr ist noch nicht vollendet. Der ursprüngliche Besitzer hat also ohne Zweifel den Stein zur Zeit seines Lebens machen lassen; die Vervollständigung der Inschrift ist aber nach seinem Tode vernachlässigt und vergessen, wie Fälle dieser Art öfter vorkommen.

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Statt dessen hat ein jüngeres Geschlecht, welches den Stein wohl von der Kirche angekauft gehabt hat, denselben zum Grabstein für sich benutzt und in diese Lücke einhauen lassen:

HR . APOTHEKER . KRÜGER . 1758.
FR . KRÜGERN . NAT . LÜDERS . 1763.

Die Bedeutung des Steines ist also:

Im Jahre des Herrn MCCCCLXX -----
starb Herr Nicolaus Breyde, Domherr zu Güstrow,
dieser Kirche Pfarrer.

Seit dem Jahre 1301 war die Pfarre zu Malchin einer Domherrenstelle des Collegiatstiftes zu Güstrow einverleibt, so daß der Pfarrer zu Malchin immer zugleich Güstrowscher Domherr war. Im Jahre 1489 ward dazu noch die Pfarre zu Teterow dieser Stelle einverleibt; vgl. Jahrb. XXXI, S. 84 flgd.

Der Pfarrer und Domherr, welchem der Leichenstein angehörte, war also Nicolaus Breyde, aus dem ausgestorbenen altadeligen Geschlechte der Breyde auf Kittendorf, wie sein Name und sein Wappen zeigen, da die Familie Breyde einen Löwen im Schilde führte.

Es giebt aber auch noch urkundliche Nachrichten über den Pfarrer Breyde, aus denen zu entnehmen ist, daß er wohl ein reicher, kunstsinniger und um die Kirchen verdienter Mann war.

Zuerst kommt er um das Jahr 1464 vor, als der Ausbau der Klosterkirche zu Dargun begann. Ueber die milden Beiträge zu den Kosten legte der Ritter Lüdeke Hahn auf Basedow im Jahre 1479 Rechnung ab. In dem Verzeichniß der Beiträge, welches in der Kirche noch heute auf einer Gedächtnißtafel aufbewahrt wird (vgl. Jahrb. XXVI, S. 217 flgd.) sind auch aufgeführt:

Her Nicolaus Breide, kerckhere to Malchin, XXX marck.
Henninck Breide XV marck sundesche.

Alle die Wohlthäter der Kirche hatten ihre Wappen in Glasmalerei in der Kirche; diese Wappen, unter denen auch ein Wappen der Breide, sind bei der neuesten Restauration der Kirche restaurirt und erneuert worden. - Nicolaus Breide war also sicher zwischen 1464 und 1479 Pfarrer zu Malchin.

Genauere Nachricht giebt eine Urkunde vom Jahre 1474, welche im Original im gräflich Hahn'schen Archive zu Basedow aufbewahrt wird und in Lisch Geschichte und Ur=

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kunden des Geschlechts Hahn, Bd. 2, B, S. 154, gedruckt ist. Nach dieser Urkunde war der Pfarrer Nicolaus Breide ein Sohn des verstorbenen Claus Breide und hatte sich mit seines Bruders Tochter auseinander "getheilt"; diese war wahrscheinlich die Tochter des Henning Breide, welcher auch zu den Kosten des Darguner Kirchenbaues beigetragen hatte. Da die Familien Breide im 15. Jahrhundert ausgestorben sein sollen und werden, so ist es sehr wahrscheinlich, daß der Pfarrer Nicolaus Breide der letzte seines Geschlechts in Meklenburg war, da in der Urkunde, mit Ausnahme der Brudertochter, kein anderer Breide als Theilhaber mehr genannt wird. Der Inhalt der Urkunde ist folgender:

1474, am 16. Junii, zu Basedow, verpfändet Nicolaus Breyde, Domherr zu Güstrow und Kirchherr zu Malchin, dem Ritter Lüdeke Hahn zu Basedow einen Hof und 5 Hufen zu Hungerstorf, welche den Breyden von der Familie v. Gotebende verpfändet waren.

Diese Hufen sind nicht wieder eingelöset, sondern bei der Familie Hahn geblieben; sie bildeten eine Hauptgrundlage zu dem Hahn'schen Besitze von Hungerstorf.

Nicolaus Breyde muß mit dem kunstsinnigen Ritter Lüdeke Hahn auf Basedow sehr befreundet gewesen sein. Die gleichzeitigen Hahn'schen Leichensteine in der Kirche zu Dargun zeigen gleiche Arbeit, wie der Breyde'sche Leichenstein.

Fernere Urkunden über Nicolaus Breyde sind folgende:

1485 überließ Jungher Drewes Flotow zum Stuhr wiederlöslich an Nicolaus Breyden, Canonicus zu Güstrow und Kirchherrn zu Malchin, seinen dritten Theil am Felde zu Krase.

Nach einer "v. Pentz Notiz" in G. v. Flotow Beiträge zur Gesch. der Familie von Flotow, 1844, S. 29.

1488 am 13. August. Ein Brieff des Capittels zu Gustrow, darin sie vormelden, das Nicolaus Breide, auch Canonicus daselbst und plebanus zu Malchin, der Thumbkirchen gegeben hat seinen hoff oder den wehrdt desselben an gelde. Datum Güstrow 1488 ipso die Hypoliti et sociorum ejus.

Nach Dan. Clandrian's Registratur der Brieffe der Thumkirchen zu Güstrow, 1580. Vgl. darnach Thiele Cäcilien=Kirche zu Güstrow, S. 48, und Schröder Pap. Mekl. II, S. 2423.

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Nicolaus Breyde, Domherr zu Güstrow und Pfarrherr zu Malchin, war also 1464-1488 am Leben. Die Jahreszahl Jahreszahl - auf seinem Leichensteine kann also auch nicht maaßgebend sein. Er wird den Stein über 10 Jahre vor seinem Tode haben machen lassen und die Ausführung nach seinem Tode erwartet haben. Er wird aber zur Zeit der Verfertigung des Leichensteins schon alt oder schwächlich gewesen sein, da er seinen Tod noch vor Ablauf des 15. Jahrhunderts erwartete.

Vor Nicolaus Breyde war 1433, 1438 und 1443 "Hennyng Schomaker kerkhere tho Malchin und domhere tho Gustrowe."

Nach ihm war z. B. 1494 Dr. Liborius Meyer († vor Febr. 1503), "canonicus, Pfarrer zu Malchin und Teterow."

G. C. F. Lisch.


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Leichenstein in der Kirche zu Bützow.

Inschrift

Vor der Restauration der Kirche copirt.

Wismar.                                                      Dr. Crull.


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Leichenstein.

Im Jahre 1867 war auf dem Hofe des Antiquars Gundlach zu Rostock ein Leichenstein vom Jahre 1420 oder 1423 aufgestellt, dessen Inschrift, abweichend von dem damaligen Gebrauch, noch in ausgesparten Unzialen dargestellt war.

Inschrift

d. i. Anno domini MCCCC ║ XX (III oder I N ?) die Andreae apostoli obiit Wolterus (dictus) Hoppener.

G. C. F. Lisch.

 

Vignette

 

 

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Bronze=Gußwerke der Kirche zu Gadebusch.

Auf dem Altare der Kirche zu Gadebusch stehen zwei Altarleuchter in Bronze= oder Rothguß mit folgender Inschrift in Minuskelschrift:

Inschrift
(Nach der Mittheilung des Herrn Dr. Crull zu Wismar.)

Heinrich Hannemann erscheint zuerst als Vicar an der Pfarrkirche zu Klütz. Darauf ward er Pfarrer zu Seelmerstorp (Selmstorf im Fürstenthum Ratzeburg). Im Jahre 1442 trat er die Klützer Vicarei ab, welche der Bischof Johann von Ratzeburg am 11. Novbr. 1442 dem Lübeker Geistlichen Johann von Northeim verlieh; vgl. Schröder Pap. Mecklb. II, S. 2002. In welchen Beziehungen Hannemann zu der Gadebuscher Kirche stand, ist nicht bekannt.

Die Kirche zu Gadebusch besitzt noch ein anderes seltenes Gußwerk aus derselben Zeit, nämlich ein bronzenes Tauffaß (Fünte) vom Jahre 1450, deren Stifter (fundator) Heinrich Koppelmann war; vgl. Jahrb. III, B, S. 129 flgd. Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, daß dieser der Stifter (fundator) oder Besorger des Werkes, nicht der Gießer war. Denn am 6. Aug. 1458 war in einer Urkunde von demselben Tage im Schweriner Archive Zeuge: Heinrich Koppelmann Vicar an der Kirche zu Gadebusch ("Hinricus Koppelmann presbyter, in ecclesia Godebusse perpetuus vicarius").

G. C. F. Lisch.


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Das bronzene Tauffaß der Kirche zu Kröpelin.

In den Jahrb. XXII, S. 319, ist die Kirche der Stadt Kröpelin beschrieben und dabei eines in der Sacristei stehenden bronzenen Tauffasses (Fünte) gedacht. Da aber eine Beschreibung desselben noch nicht gegeben ist, so mag eine solche hier folgen. Das Tauffaß, in Glockenform gegossen, ist gegen 2 1/2 Fuß hoch und ruht auf 3 bronzenen Bündelsäulen, welche eine Höhe von 1 Fuß haben.

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Um den obern Rand des Fasses läuft folgende Inschrift in Minuskelschrift:

Inschrift

etc Dominus Nicolaus Quast. O rex glorie Jesu Christe veni cum pace. Amen. Anno domini MV c VIII in die passio domini fuit opus eximium per me fecit (!) Andreas Riwen.)

Das Tauffaß ist also am Stillen Freitag den 21. März des Jahres 1508 gegossen.

Unter dem Kreuze im Anfange ist ein stehender Schild mit dem landesherrlichen Wappen des Stierkopfes. Vielleicht war das Faß das Geschenk einer fürstlichen Person.

Der Name Nicolaus Quast, vielleicht der Rostocker Patricierfamilie Quast angehörend, ist wohl der Name des damaligen Pfarrers, wofür auch das d(dommus = Herr) zu sprechen scheint.

Die dann folgende Anrufung: O rex glorie etc. ist eine gewöhnliche Glockeninschrift.

Unter den Worten passio domini (Leiden des Herrn, Stiller Freitag) steht ein Crucifix.

Unter den Worten Andreas Riwen ist ein rechts gelehnter Schild mit einem rechtshin schreitenden Greifen, das Wappen der Stadt Rostock. Unmittelbar unter diesem Schilde steht das Gießerzeichen. Andreas Riwe war ein Rostocker Gießer, welcher im Jahre 1512 auch das Tauffaß der Petri=Kirche zu Rostock goß; vgl. Crull in Jahrb. XXIX, S. 63.

Etwas unterhalb dieser bildlichen Darstellungen laufen zunächst drei Hohlkehlen um das Faß, an welche sich eine kleeblattartige Verzierung schließt. Um den untern Rand wiederholt sich diese Verzierung noch ein Mal.

Beckentin, 1872.

H. Rönnberg, Candidat.


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Die Glocken der Kirche zu Kröpelin.

Im Thurm der Kirche zu Kröpelin hangen 4 Glocken, von denen eine älteren Ursprunges ist. Sie hat um den

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Helm in doppelter Reihe folgende Inschrift in gothischer Minuskel.

Die erste Reihe lautet:

Inschrift, erste Reihe

Die zweite Reihe, unter anno beginnend:

Inschrift, zweite Reihe

(= Anno domini millesimo quadringentesimo decimonono (1419) in octava ascensionis domini (1. Junii) completum est praesens opus. O rex gloriae Christe veni cum pace. Amen.)

Unter den Wörtern completum und rex steht das Gießerzeichen.

Die kleinste Glocke hat keine Inschrift.

Die beiden andern Glocken sind: die eine vom Jahre 1758 von Johann Valentin Schultz zu Rostock, die andere ohne Jahr unter der Regierung des Herzogs Friedrich Franz von Schultz zu Rostock.

Beckentin, 1872.                                                               H. Rönnberg, Cand.

 

Vignette

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III. Zur Münzkunde.


Münzfund von Blowatz.

Zu Blowatz in der Pfarre Dreveskirchen bei Wismar, nicht weit von der Ostsee, ward, nahe bei Dreveskirchen und Friedrichsdorf, von Arbeitern ein Topf mit alten Münzen gefunden. Der Topf ward leider zerschlagen und ein Theil der Münzen zerstreute sich unter die Finder. Der größere Theil der Münzen ward aber von denselben an einen Goldschmied in Wismar verkauft, welcher dem Herrn Dr. Crull zu Wismar und mir diesen Rest noch freundlichst zur Ansicht gestellt hat.

Dieser Rest besteht aus 275 Stück kleinen Silbermünzen, welche bis auf wenige Stücke alle gleich, stark gerostet, schlecht gezeichnet und noch schlechter geprägt sind. Die 271 gleichen Münzen sind Nachahmungen der Münzen von Köln für die Wendenländer aus dem 11. und 12. Jahrhundert. Sie haben auf der Vorderseite das entstellte Monogramm von Köln: S . COLONI A , auf der Rückseite das vielfach in jener Zeit und früher vorkommende sogenannte "Tempelgebäude." Diese Nachahmungen kommen oft vor. Sie sind besprochen in Grote's Blättern für Münzkunde Bd. III, 1837, S. 267 flgd. und abgebildet dazu Taf. X, Nr. 189. Da der Fund kein Gepräge enthält, welches einen erkennbaren geschichtlichen Anhalt bieten könnte, so hat er nur geringen oder gar keinen andern wissenschaftlichen Werth, als durch die gegenwärtige Nachricht. Der Fund wird also wohl an Privat=Liebhaber, Münzhändler oder in den Schmelztiegel wandern.

Außer diesen 271 gleichen, schlechten Nachahmungen enthielt der Fund noch folgende Münzen:

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1 kleinen sogenannten Wendenpfennig, Nachahmung von Magdeburg, ein Gepräge, welches sehr bekannt ist und häufig vorkommt;

1 Münze, an Größe und Gepräge ungefähr den Nachahmungen von Magdeburg gleich, auf der Vorderseite mit einem Bischofskopf, wie es scheint, auf der Rückseite mit den Buchstaben

BRVN

zwischen zwei Linien, sonst unkenntlich;

1 ganz unkenntliche Münze;

1 Nachahmung einer bekannten Münze: Otto und Adelheid.

Diese 4 Münzen und 4 Stück von den 271 Nachahmungen von den Münzen von Cöln hat der Herr Dr. Crull zu Wismar dem Vereine geschenkt. Die übrigen Kölnischen Nachahmungen sind in den Münzhandel gegangen.

Merkwürdig für diesen Fund ist es, daß schon früher ein Mal in derselben Gegend ein ähnlicher Fund gemacht ist. In den oben angeführten Grote'schen Blättern für Münzkunde a. a. O. S. 268 wird Folgendes mitgeteilt. "In dem geöffneten Ritterplatze" "Hamburg 1706", "einer Art Encyklopädie von allerlei Wissenschaften, in dem Abschnitte Historia numismatum novorum wird S. 51 erzählt, im Jahre 1678 sei bei Oederkirchen" (oder vielmehr Oedeskirchen), "einem Dorfe in Meckelnburg in einer Urne eine ziemliche Quantität alter Münzen gefunden. Den beigedruckten Holzschnitten nach waren sie von unserer Art" (mit Monogramm und Tempel).

Oedeskirchen ist bekanntlich der alte Name für Dreveskirchen, welches aus der Form "to der Oedeskirchen" zusammengezogen und verdorben ist (vgl. Jahrb. XVII, S. 370).

G. C. F. Lisch.


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Verbot der Meklenburgischen Dreilinge von 1537 in Hamburg.

Der verstorbene Oberlehrer Dr. Schiller zu Schwerin theilte folgende Stelle aus der Hamburger Chronik, S. 147, mit:

"Ao. (15)37 d. 16. Novembris do let ein erbar radt dusser Stadt scrifte vpslan vp alle karkdoren

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vnd warneden enen jderen, dat sik de genne, de der drelink welke bi sik hadden mit den vustken, de im lande to Mekelenborch geslagen weren, sik dersuluigen scolde quit maken vnd vordan nickt mer boren, den ein erbar radt dachte se vp Thome "aftostellende."

Die Bezeichnung "Drelinge mit den Vustken" habe ich nur durch: "Fäustchen" erklären können und als solche Münzen nur die Dreilinge oder "Sechslinge" des Herzogs Albrecht von Meklenburg mit dem Stargardischen Arm auf der Rückseite, von 1528-1537 (vgl. Evers Meklenb. Münz=Verfassung, II, S. 68 - 69), erkennen können.

Zur weitern Erklärung sagt die Hamburger Chronik a. a. O. weiter:

"Ao. 37 vp Thome Apostoli do worden van der bursprake vorbaden de nigen Mekelnborger Drelink mit den Armen."

Diese Dreilinge oder Sechslinge wurden 1542 in Meklenburg selbst "reducirt"; vgl. Evers a. a. O. I, S. 55.

G. C. F. Lisch.


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Gnaden=Pfennige des Herzogs Johann Albrecht I.

Im 16. bis in das 17. Jahrhundert ließen viele Fürsten ihr Bildniß in größerm Format modelliren und in Gold abgießen, um sie verdienten und geliebten Personen zur Belohnung und Ehre und aus Gnaden zu schenken, welche sie dann häufig an goldenen Ketten an Stelle der heutigen Orden um den Hals trugen. Solche sogenannte "Gnaden=Pfennige" oder "Contrafeis" sind aus Portraits verdienter Männer sehr bekannt. Originale sind schon seltener. Die Originale waren ungefähr von Thaler= oder Doppelthaler=Größe, gut modellirt, in Gold abgegossen und gewöhnlich mit einer geschmackvollen Einfassung umgeben, mitunter auch in Farben auf Gold emaillirt. In Meklenburg sind nur die zwei schönen ,,Gnaden=Pfennige" des Herzogs Ulrich von Meklenburg=Güstrow bekannt geworden, welche noch in der großherzoglichen Münzen= und Medaillen=Sammlung zu

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Schwerin aufbewahrt werden und von dem Geh. Archivrath Evers in den Gelehrten=Beiträgen zu den Meklenburg=Schwerinschen Nachrichten, 1786, Stück 23 und 24, S. 96 flgd. (Darstellung einiger seltenen Meklenburgischen Münzen) und in dessen Meklenburgischen Münz=Verfassung, II, 1799, S. 219 flgd. beschrieben sind.

Auch von dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen ist in neuern Zeiten nicht nur ein Abguß, sondern auch sogar das Wachs=Modell zu einem solchen Medaillon aufgefunden und in den Jahrb. XXIX, S. 257 flgd. beschrieben und abgebildet.

Von dem Herzoge Johann Albrecht I. war bisher keine Gnaden=Medaille bekannt geworden, obgleich es sich fast mit Sicherheit voraussetzen lassen mußte, daß es solche gegeben habe. In neuern Zeiten ward zwar für die großherzoglichen Sammlungen eine kleine, dicke, gegossene goldene Medaille dieses Herzogs erworben; diese ist aber, da sie nur ungefähr die Größe eines Ducatens hat, zu klein, um für ein Gnadenzeichen zum Tragen gelten zu können, hat auch keine Einfassung und keinen Henkel. Es ist aber sicher, daß auch dieser Herzog goldene Gnaden=Medaillen gehabt und verschenkt hat, wie aus der nachfolgenden neu entdeckten Nachricht hervorgeht. Der (erste Meklenburgische) Archivar, Secretair Samuel Fabricius, Sohn des Schweriner Reformators Egidius Faber, einer der Schützlinge des Herzogs, schreibt im Jahre 1574 an denselben:

"Als ich auch Ewer f. g. gewesenem bawmeister Johan Baptista Parr, als ehr anno 72 in Schweden verraisen wolte, ewer f. g. güldin Contrafei, damit E. f. g. mich zu Praga gnedig verehret, auf E. f. g. begeren zugestellet habe, da dan E. f. g. mir gnedig zusagten, das sie mihr in dreien tagen hernach ein anders wolte geben, welchs aber bisher verblieben, so bitte ich auch vnterthenigst, E. f. g. wolle mich derselben ihrer gnedigen verehrung nicht verlustig machen."

G. C. F. Lisch.


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Münzwerthe im Jahre 1600.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Vorzeichnus der gelde,
so im Thurmb zu Gadebusch befunden worden
in einer grossen eisern Laden
den 27. Augusti 1600.



Im ersten Linenbeutell:

1000   Reichsthaller, zu 33 ß. 1375 fl. - ß. - Pfennig (Meckl.) .

Im andern Linenbeutell:

1000 1/2   Thaller, zu 33 ß. 1375 = 16 = 6 =

In vorgemelter Laden ist noch
ein klein weiß Lade vnd dar in
ein beutell mit dreien schueren
befunden worden.

Im ersten beutell gewesen:

340   Rosenobel, das stuck zu 7 mk. 4 ß. 1629 = 4 = - =
2   Dobbelte Rosenobel, zu 7 mk. 4 ß. 19 = 8 = - =
9   gebogte Portugaloser, zu 18 Thlr. 222 = 18 = - =
20   ungebogte Portugaloser, zu 18 Thlr. 643 = 12 = - =
5   Dobbelte Ducaten . . . . . . . . . 20 = 20 = - =
1   Goldfl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 = 12 = - =

Im andern beutell:

360   Engelotten, darunter eine geboget und 2 halbe 1110 = - = - =

Im dritten beutell:

953   halbe Milresen, zu 2 fl. 2 ß. . 1985 = 10 = - =
8   halbe gebogte Milresen . . . . 16 = 16 = - =
82   Dobbelte Milresen, so geboget 341 = 16 = - =
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4   Dobbelte Milresen, so geboget 33 fl. 8 ß. - Pfennig (Meckl.) .
82   Crusaten, zu 2 fl. . . . . . . . . . 164 = - = - =
1   Vngerisch gulde . . . . . . . . . . 2 = - = - =

In der Laden bloß:

1   Engellotte . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 = 2 = - =
1   Witte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . - = - = 3 =
-------------------------------------
Summa 8944 fl. - ß. 3 Pfennig (Meckl.) .

Gleichzeitige Schrift im Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin.

 

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IV. Zur Siegel= und Wappenkunde.


 

Ueber ein altes Meklenburgisches Wappen in Stralsund.

In den pommerschen Geschichtsdenkmälern Bd. IV, 1874, S. 81 flgd., giebt Herr Dr. Pyl zu Greifswald über mehrere in Stralsund aufgefundene alte Wappen der Fürsten von Meklenburg und Werle Nachricht.

"Die Wappen wurden in Stralsund im Hintergebäude eines früher vom Burgemeister D. L. Kühl bewohnten Hauses (Heiligengeiststraße Nr. 86) entdeckt 1 ), dessen Bestimmung sich nicht mehr ermitteln läßt. Der Styl der heraldischen Embleme, welche in Leimfarben aus einem dünnen Temperagrunde ausgeführt sind, ist wie ihn die berühmte Zürcher Wappenrolle zeigt, welche in die Zeit des Kaisers Ludwig des Baiern um das J. 1336 gesetzt wird." Die Wappen 1 ), welche über der Darstellung eines Mahles stehen, sind folgende: 1) Sachsen, 2) Brandenburg, 3) Meklenburg, 4) wahrscheinlich Lindow, 5) Werle, 6) Gützkow, 7) wahrscheinlich Pommern oder Rügen.

Ueber die Wappen von Meklenburg und Werle berichtet Herr Dr. Pyl Folgendes:

"Wappen 3 und 5, welche im Schilde ein schwarzes Stierhaupt mit goldener Krone und silbernen Hörnern zeigen, weichen in der Weise von einander ab, daß das schwarze Stierhaupt bei Nr. 3 kürzer, gedrungener und mit offenem Maule, dagegen bei Nr. 5 mehr lang gestreckt und ruhiger, mit geschlossenem Maule, erscheint, ein Unterschied, wie Lisch ihn für die Wappen von Meklenburg und Werle nachgewiesen hat. Daß diese Wappen den genannten Meklenburgischen Fürstenhäusern zuzuschreiben sind,


1) Leider sind die Wappen auf's neue durch Uebertünchung dem Auge entzogen.
1) Leider sind die Wappen auf's neue durch Uebertünchung dem Auge entzogen.
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wird durch die silbernen Helme mit goldenem Visir bestätigt, welche bei Nr. 3 den gewöhnlichen Pfauenwedel der Herren von Meklenburg, bei Nr. 5 dagegen die abweichende Form des Helmes der Herren von Werle mit den zwei gekreuzten Pfauenrosen zeigen, wie er auf den Siegeln der Städte Teterow und Waren vorkommt, welche im Gebiete der Herren von Werle lagen."

Herr Dr. Pyl ist geneigt, diese Wappen in die Zeit der Schlacht am Hainholze vor Stralsund im Jahre 1316 zu setzen, und meint, die Gemälde könnten auf die zweite Heirath des Fürsten Wizlaw von Rügen mit Agnes von Lindow, welche ungefähr um dieselbe Zeit, sei es vor oder nach dem Kriege, fällt, Bezug haben.

Durch die Entdeckung dieser alten Wappen werden auf's neue durch alte Darstellungen die Forschungen bestätigt, welche ich über die allein richtige Darstellung der Meklenburgischen Wappen in den Jahrbüchern XXV, S. 101 flgd., vorgetragen habe.

G. C. F. Lisch.


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Altes Siegel der Stadt Bützow.

Die Stadt Bützow führt, als bischöfliche Stadt, im Siegel zwei gekreuzte Bischofsstäbe, über welchen im obem Winkel eine Bischofsmütze steht. Dieses Siegelbild ist alt und kommt schon seit dem Jahre 1376 im Stadtsiegel und im Rathssiegel vor, wie diese in Milde Siegeln des Mittelalters, Heft 4, Taf. 20, Nr. 57 und 58, abgebildet sind (vgl. das. S. 42).

Es gab aber ein Stadtsiegel, welches ohne Zweifel viel älter ist. Im Jahre 1874 ward im Lübeker Archive an einem Leumundszeugniß des Raths zu Bützow für Hermann Trechow vom 11. Febr. 1468 ein klar ausgedrücktes Siegel entdeckt und von dem Herrn Geschichtsmaler Milde im Gypsabguß mitgetheilt, welches von den beschriebenen Siegeln ganz abweichend ist.

Dieses runde Siegel, von fast 5 Centimeter Durchmesser, enthält eine dreibogige Nische mit drei dreieckigen Giebeln, unter denen drei Heiligenbilder stehen, in der Mitte die Jungfrau Maria mit dem Christuskinde auf dem Arme und in jeder der beiden andern Nischen ein männlicher Heiliger, etwas unklar, wahr=

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scheinlich Apostel, vielleicht Petrus und Matthäus; an jeder Seite der Nischenreihe steht auf einer Console ein kleines Figürchen, vielleicht ein Engel. Die Umschrift lautet:

Umschrift

Von demselben Siegelstempel befindet sich auch im Schweriner Archive ein Abdruck an einer Urkunde vom 22. Octbr. (am Tage Severi) 1441, wie schon zu Milde a. a. O. 1860, S. 42, Note, mitgetheilt ist. Dieser Abdruck zeigt, obgleich derselbe vielfach zerdrückt ist, sicher auch die oben mitgetheilte Umschrift und nicht die Umschrift: Sigillum consulatus opidi Butzow, wie an Milde irrthümlich mitgeteilt ist.

Das Siegel mit den drei Heiligenbildern ist aber offenbar viel älter. Die beiden gekreuzten Bischofsstäbe als bischöflich Schwerinsches Wappen kommen auf bischöflichen Siegeln erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in Gebrauch (vgl. Jahrb. VIII, S. 15 flgd.), also wird das Bützowsche Stadtsiegel mit den zwei gekreuzten Bischofsstäben auch nicht älter sein.

Das Stadtsiegel mit den drei Heiligenfiguren, welches neben dem jungem Siegel noch lange fortgeführt ward, ist ohne Zweifel sehr alt und sicher das älteste Stadtsiegel. Nach dem Styl der Darstellungen und der Buchstaben der Umschrift möchte ich es mit Bestimmtheit in den Anfang des 14. oder das Ende des 13. Jahrhunderts setzen. Am meisten Aehnlichkeit im Styl hat es mit dem am 30. Jan. 1337 zuerst vorkommenden und im Meklenb. Urk.=Buch IX, zu Nr. 5742, S. 11, abgebildeten Siegel des Klosters Dargun, welches ein Marienbild in einer Nische in einem ebenfalls rein dreieckigen Giebel zeigt.

Die drei Heiligen im alten Siegel lassen nur schwer auf den Ursprung des Siegels schließen. Ich glaube nicht fehl zu greifen, wenn ich annehme, daß diese Heiligen, namentlich die Jungfrau Maria, auf die Schutzheiligen der Stadt oder eine alte Stadtkirche hindeuten. Die noch heute stehende Hauptkirche in der Stadt war die Kirche des im Jahre 1248 zu Bützow gegründeten Collegiatstiftes (vgl. M. Urk.=B. I, Nr. 610) und der heiligen Elisabeth geweihet, welche 1235 canonisirt ward (vgl. Jahrb. VIII, S. 5). Diese Kirche wird schon im Jahre 1246 die Elisabeth=Kirche genannt (vgl. M. Urk.=Buch I, Nr. 583).

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Es wird aber in Bützow noch eine ältere Kloster= oder Stadtkirche gestanden haben, welche wahrscheinlich der Jungfrau Maria gewidmet war. Im Jahre 1269 wird in einem Testamente neben der Elisabeth=Kirche auch noch eine Marien=Kirche zu Bützow genannt ("sancta Elisabeth in "Butzow et beata Maria ibidem" Meklenb. Urk.=Buch II, Nr. 1153).

Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß das alte Stadtsiegel seine Darstellungen dieser Kirche entnommen hat.

G. C. F. Lisch.


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Siegel des Marguard Goldberg.

Zu Parchim ward im Jahre 1874 bei der Vertiefung des Brunnens auf einer unbenutzten Stelle, welche bis 1853 Acker gewesen war, über 13 Fuß tief ein seltener Siegelstempel gefunden, welcher wahrscheinlich bei der Grabung des Brunnens von der Oberfläche in die Tiefe gesunken ist, und von dem Herrn Advocaten Kahle dem Vereine geschenkt. Der stempel ist rund, nach mittelalterlicher Weise gebildet, mit einem durchbohrten Henkel auf der Rückseite und von weichem, weißem Metall, wahrscheinlich Zinn oder auch Blei 1 ), oder einer Mischung von beiden.

Im runden Siegelfelde steht ein sehr großes mittelalterliches M mit einer offenen Krone darüber, eine Art von Hausmarke. Die Umschrift lautet:

Umschrift
(sigillum Marquardi Goldberg.)

Ohne Zweifel gehörte das Siegel einem Gliede einer Parchimschen Bürgerfamilie Goldberg. Nach den reinen Schriftzügen fällt das Siegel in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts; es kann aber vielleicht auch in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts fallen; jünger wird es nicht sein.

In der Zeit 1382 - 1402 lebte in Parchim ein Priester Thomas Goldberg, mit Schwestern, welcher sehr thätig war und unter Anderm auch 1399 in der Marien=Kirche


1) Ein aus Blei gefertigter Siegelstempel des Schöppenstuhls von Friedland (Meklenburg=Strelitz) aus dem 14. Jahrhundert wird noch im Archive der Stadt Friedland aufbewahrt. Vgl. Milde Siegel des Mittelalters, Heft 4 S. 46.
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daselbst eine Vicarei stiftete und mit Hebungen aus Landgütem und mit einem ihm gehörenden Hause in Parchim begabte; im Jahre 1402 verbesserte er eine andere Vicarei in derselben Kirche.

G. C. F. Lisch.


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Siegel des Bernhard v. Falkenberg.

Nachtrag zu Jahrb. XXXVIII, S. 221.

Ueber dieses bei Neu=Brandenburg gefundene Siegel giebt Herr Rector Römer zu Grabow folgenden willkommenen Aufschluß. "Der in Jahrb. XXXVIII, S. 221, beschriebene "Siegelstempel gehörte ohne Zweifel dem Bernhard von Falkenberg, welcher 1355 (11. April) und 1356 als "Altarist, Priester der Pfarrkirche, in Neu=Brandenburg vorkommt. Dieser Falkenberg dürfte vielleicht Stadt=Schreiber "oder Secretair (secretarius) der Stadt Neu=Brandenburg gewesen sein, da die Stadt=Secretaire gewöhnlich Geistliche waren und Vicareien (Commenden) inne hatten. Die in Jahrb. a. a. O. angegebene Zeitbestimmung des Siegelstempels (Mitte des 14. Jahrhunderts) trifft also genau zu."

G. C. F. Lisch.


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Siegel des Hermann Stihk.

Nachtrag zu Jahrb. XXXVIII, S. 224.

Ueber das Siegel des Hermann Stihk (Stich) giebt der Herr Rector Römer zu Grabow urkundliche Nachweisung. Der bei Stargard in Meklenburg=Strelitz gefundene Siegelstempel gehört dem Bürger Hermann Stich in Neu=Brandenburg, welcher in Urkunden vom 1. Juli 1320 und 17.Decbr. 1326 als Zeuge auftritt:

1320, d. d. Nova Brandenborch: Hermannus Stich etc., nostri cives, (Meklenb. Urk.=Buch VI, Nr. 4204).
1326, d. d. Brandenborch: Herman Stich etc., unse borgere (Meklenb. Urk.=Buch VII, Nr. 4793).

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Die Zeitbestimmung dieses Siegels ist also in den Jahrbüchern a. a. O. auch annähernd richtig getroffen.

G. C. F. Lisch.


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Siegel des Schill'schen Freicorps.

Die Schweriner Sammlungen bewahren aus dem Nachlasse des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz I. ein kleines merkwürdiges Denkmal einer bewegten Zeit, das Siegel des Schill'schen Freicorps, welches in manchen Punkten geschichtliche Bedeutsamkeit hat. Das Siegel ist ein sonst gewöhnliches, aber gut gezeichnetes und geschnittenes ovales Siegel von Messing, 3 1/2 Centim. hoch. Es zeigt im Felde den gekrönten königlich preußischen Adler (!), in der rechten Klaue ein Schwert, in der linken Klaue ein Scepter haltend, über Trophäen (Fahnen und Kanonen), wie der preußische Adler oft dargestellt ist.

Oben steht im Halbkreise umher:

SIEGEL DES V: SCHILLSCHEN

unten im Abschnitt:

ARMEECORPS (!)

Ohne Zweifel ist dieses Siegel während des Rückzuges des Majors v. Schill mit seinem Freicorps durch Meklenburg von Dömitz nach Stralsund im Mai 1809 verloren gegangen oder nach Schill's Untergang in fremde Hände gekommen und von dem hochseligen Großherzoge Friedrich Franz I. erworben, welcher bekanntlich ein großer Freund und Kenner der Heraldik war.

G. C. F. Lisch.


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Siegel des Nicolaus von Oertzen.

Herr Pastor Ragotzky zu Triglitz schenkte dem Vereine ein abgefallenes altes Wachssiegel, welches er vor mehreren Jahren mit einer großen Wappensammlung gekauft hat. Das Siegel ist rund und hat eine weiße Wachsschale mit eingelegter grüner Platte. Es zeigt einen Schild mit Einem Arme, welcher einen Ring mit den Fingern hält, und die Umschrift:

Umschrift
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Das Siegel ist dadurch merkwürdig, daß es nur einen einzigen ringhaltenden Arm im Schilde enthält, während die zahlreichen alten v. Oertzen'schen Siegel und Wappen alle zwei Arme enthalten; es ist nur ein Siegel des Mathias v. Oertzen auf Helpte, 1514, mit Einem Arm bekannt geworden (vgl. Lisch Gesch. des Geschl. von Oertzen, Th. I, Taf. III, Nr. 5). Das vorliegende Siegel, welches ohne Zweifel in das 15. Jahrhundert fällt, gehört wahrscheinlich einem Nicolaus v. Oertzen aus der Stargardischen Familie des Geschlechts, da sonst der Vorname Nicolaus nicht vorkommt. Wahrscheinlich gehört es dem Knappen Nicolaus IV. v. Oertzen aus dem Stargardischen Hause, 1411-1434, von welchem noch kein Siegel bekannt ist (vgl. Lisch a. a. O. Th. II, S. 126), da die Siegel der übrigen Nicolaus v. Oertzen aus dem Stargardischen Hause alle bekannt sind und zwei Arme zeigen (vgl. Lisch a. a. O. Th. I, Taf. V, Nr. 6, 9, 12).

G. C. F. Lisch.


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Wappen der v. Wackerbart.

Die wailand Frau Oberschenk v. Lützow zu Schwerin schenkte einen auf dem Felde des Dorfes Lankow bei Schwerin gefundenen, merkwürdigen, wenn auch nicht alten Siegelring mit dem Wappen des (ausgestorbenen) Geschlechtes v. Wackerbart, welches in frühern Zeiten aus dem Lauenburgischen oft nach Meklenburg hineinreichte. Der Ring, aus einem schönen und schön geschliffenen, dunklen Jaspis, bildet einen Würfel, durch den das Fingerloch durchgeschliffen ist; auf einer Fläche steht das Wappen der v. Wackerbart unter einer Krone, auf der entgegengesetzten Seite ein W unter derselben Krone; die beiden andern Flächen sind leer. Auf jeder der 8 abgefaßten Ecken ist ein kleines Dreiblatt kunstreich eingeschliffen. Dieses sonderbare Petschaft gehörte nach dem Styl ohne Zweifel dem August Joseph Ludwig v. Wackerbart auf Kogel, mit dem um das Jahr 1845 das uralte Geschlecht ausstarb, welches seit Beginn der urkundlichen Geschichte das Gut Kogel im Lauenburgischen besaß. Er war ein begabter Mann, aber ein Sonderling, und erhob sich selbst 1810 zum Raugrafen.

G. C. F. Lisch.

 

 

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