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XI.

Die Rostocker Bauerntracht

und

das Land Drenow.

Von

Dr. G. C. F. Lisch.


Allgemein bekannt im Lande ist oder war die eigenthümliche, reiche Bauerntracht in der Gegend von Rostock 1 ). Wer hat sich nicht oft gefreut, diese kräftigen Bauerngestalten in der kleidsamen Tracht durch die Straßen der Stadt Rostock gehen oder mit stattlichen Viergespannen fahren zu sehen! Herrschend war die Tracht im ehemaligen Lande Rostock und daher außer hier auf dem Lande am häufigsten in der bedeutenden Handelsstadt Rostock zu sehen. Gewöhnlich ward diese Tracht die Biestower genannt, von dem südwestlich nahe bei Rostock gelegenen Bauerndorfe Biestow. Die Tracht ist aber auch auf dem Lande im Westen von Rostock und der Unter=Warnow bis nach Doberan hin herrschend, also in der Gegend, wo die "Hagendörfer" dicht liegen. Im Allgemeinen wird die Tracht die schwarze genannt 2 , weil alle Kleidungsstücke der Männer und Frauen von schwarzer Farbe sind; die Frauen tragen oft auch scharlachrothe Strümpfe. Gegenwärtig ist diese Tracht stark im Verschwinden begriffen und


1) Abgebildet ist diese Tracht in Lisch Meklenburg in Bildern, Heft I, 1842, zu S. 14 flgd.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Pastors a. D. Ritter auf Friedrichshöhe in der Nähe von Biestow.
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es macht einen nicht befriedigenden Eindruck, wenn man neben der alten Mutter in der schwarzen Tracht die junge Tochter in der bunten, d. h. modernen, Tracht gehen oder fahren sieht. Man unterscheidet die Biestowsche Tracht 1 ), die fast ausgestorben ist, von der "Hägerörtschen", welche noch ziemlich viel getragen wird; im Ganzen ist es dieselbe Tracht mit einigen Abweichungen, besonders an den Hüten der Männer und Frauen. Die Hüte der Männer und Frauen in den "Hägerörtern" sind größer. Die Hüte der Biestowschen Männer sind von einer aus weißen Fäden bestehenden Schnur mit Quast umschlungen, während die "Hägerörtschen" ein schwarzes Band tragen. Außerdem sind die Kleidungsstücke der Biestower Frauen mehr mit farbigem Seidenzeug eingefaßt.

Da die schwarze Tracht am meisten in der Gegend westlich von Rostock, zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan herrschend ist, so lag es nahe, diese Tracht vorzüglich dem in den Jahrbüchern XXXVIII, S. 25 flgd., entdeckten "Lande Drenow" zuzuweisen. Dieses "Land Drenow", deutsch Wald= oder Hagenland, ist die Gegend zwischen der Unter=Warnow und der Abtei Doberan, vom Meere bis gegen die Vogtei Schwaan. Hier liegen die "Hagendörfer" oder Dörfer mit der deutschen Bezeichnung - hagen, vorzüglich in den Pfarren Lichtenhagen und Lambrechtshagen. Daher wird die Gegend auch der ,,Hägerort" genannt und die Bewohner die "Hägerörtschen". Das Land Drenow war, wie der wendische Name andeutet, zur heidnischen Zeit Waldland und ward nach der Einführung des Christenthums ohne Zweifel deutschen Anbauern hingegeben, welche den Wald oder Hagen ausrodeten und hier die Hagendörfer gründeten. Daher hatten die Bauern hier zum Ersatz für die Urbarmachung des Bodens auch die "Hägerhufen" (von 60 Morgen) nach "Hagerschem Recht 2 ), welche noch ein Mal so groß, als die deutschen Hufen, und vier Mal so groß, als die wendischen Hufen waren.

Man hat früher die schwarze Tracht wohl für eine alte wendische Tracht gehalten. Dies wird aber nicht richtig sein, da sie vorherrschend in dem Hagenlande Drenow verbreitet ist und


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Pastors a. D. Ritter auf Friedrichshöhe in der Nähe von Btestow.
2) Schröter Spec. Dipl. Rostoch., 1820, p. III, "wünscht noch Aufklärung über dies für die vaterländ. Rechtsgeschichte merkwürdige Institut."
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auch noch in der Gegend der Abtei Doberan, welche wohl dieselben Ansiedler in ihr Gebiet zog.

Ich bin daher geneigt, die schwarze Bauerntracht für eine uralte deutsche Bauerntracht zu halten und sie wesentlich den Hagenbauern des Landes Drenow zuzuschreiben 1 ).

Und hiemit stimmen auch die folgenden Ortsforschungen des Herrn Pastors a. D. Ritter auf Friedrichshöhe bei Rostock überein, unsers alten bewährten Mitarbeiters, welcher bei oder in der Drenow wohnt und bei seinem Sinn für volkstümliche Forschungen die Gegend genau kennen gelernt hat.

Die "Hägerörtsche" schwarze Tracht ist herrschend in den ganzen Gemeinden von Lichtenhagen, Lambrechtshagen und Rethwisch, also auf der Drenow, sodann in den zum Kirchspiel Parkentin gehörenden (Doberaner) Dörfern Parkentin, Bartenshagen und Allershagen.

Die Biestower Tracht herrschte in den Gemeinden Biestow, Buchholz und Hansdorf, sodann in den zum Kirchspiel Parkentin gehörenden (Doberaner) Ortschaften: Hohenfelde, Ivendorf, Wilsen und Stäbelow. In Hansdorf herrschte eine kleine Abweichung vor.

Eben so hatte in den Dörfern Diedrichshagen, Großen= und Lütten=Klein die Nachbarschaft von Warnemünde 2 ) auf die Kleidertracht eingewirkt, so daß sie fast der Warnemünder gleich war.

Ritter schließt nach der Tracht: das Land Drenow wird die Gemeinden Lichtenhagen, Lambrechtshagen und Rethwisch, ferner einen Theil von Parkentin im Norden und die Gemeinden Biestow, Buchholz und Hansdorf, sowie einen Theil von Parkentin im Süden umfaßt haben.

Ritter berichtet endlich, daß die Hagendörfer nach deutscher Weise der Länge nach bebauet sind, während in dem nach dem Namen ehemals wendischen Parkentin bei Doberan die Häuser nach wendischer Art in der Runde (oder in Hufeisenform) liegen.

Woher bei der Einführung des Christenthums die deutschen Anbauer nach Meklenburg gekommen sind, ist noch nicht vollständig und sicher urkundlich nachgewiesen. Nach der noch heute lebendigen Volkssprache waren es Nieder=


1) Ich habe diese Tracht in Deutschland sonst nirgends gesehen. Nur ein Mal ist mir im Schwarzwalde eine Bauerfrau begegnet, welche fast dieselbe Tracht, auch mit rothen Strümpfen, trug.
2) Warnemünde ist vielleicht eine dänische Colonie. Vgl. Lisch Meklenburg in Bildern, Heft II, S. 61.
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sachsen, theils aus dem jetzigen Hannoverschen, theils aus Westphalen. Der älteste und bedeutendste Hauptstock wird aus Westphalen gekommen sein. Ich habe viel, auch in Westphalen, darnach geforscht und endlich das Stammland im Bisthum Münster und in der Grafschaft Mark, also in den Gegenden nördlich von der Lippe und der Minden=Kölner Eisenbahn zu finden geglaubt. Hier ist auf dem Lande noch Alles so 1 ), wie in den alten Meklenburgischen Bauerdörfern: der Körperbau und Gesichtsausdruck, die niederdeutsche Sprache (auch in alten Schriftdenkmälern), das Bauerhaus, die Nahrung (Schwarzbrot und Schinken), dann alle häuslichen und Ackergeräthe, wie die Pferdesielen, das Ochsenjoch, die Hakensense, die "Wassertracht", die Schiebkarre, die Kerbhölzer und vieles andere mehr. Nur die Hägerörtsche schwarze Bauerntracht habe ich noch nicht finden können, wohl aber den grauen Leinwandkittel, welcher auch in vielen Gegenden Meklenburgs herrscht. Alles ist hier ganz so, wie in Meklenburg. Südlich von der Lippe 2 ) und im Rheinlande wird plötzlich Alles anders. Dies Alles bedarf noch einer gründlichem ausführlichem Forschung und Darstellung.

 

 

Vignette

 

 


1) Im Jahre 1854 untersuchte ich in kundiger Begleitung im Münsterlande mehrere alt eingerichtete Bauerhöfe.
2) Schon in Soest ist Alles Anders. Ich habe mich 1854 einen Tag lang in Soest auf einem Jahrmarkt unter den Landleuten der dortigen Gegend bewegt, aber von ihrer Sprache nicht ein Wort verstehen können, während man mich im Bisthum Münster auf meinen plattdeutschen Gruß als Landsmann begrüßte.