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II.

Die

Landwehren und die Grenzheiligthümer

des

Landes der Redarier.

Vom

Archivrath Dr. Beyer zu Schwerin.

Mit drei Steindrucktafeln.


Vorbemerkungen über die Gauverfassung und die Landwehren der Wenden überhaupt.

D as kleine, aber tapfere und Freiheit liebende Volk der Redarier spielt in der Geschichte der Ostsee=Slaven eine eigenthümliche und hervorragende Rolle, die wir besser verstehen würden, wenn wir überhaupt genauer über die Verfassung der wendischen Völkerschaften dieser Gegend unterrichtet wären. In den ältesten Zeiten scheinen dieselben in kleinen Gruppen, mit einem von natürlichen Grenzen umschlossenen Gebiete von etwa 25-30 Quadratmeilen, oder je nach den topographischen Verhältnissen mehr oder weniger, in unbeschränkter Selbstständigkeit nach Außen und republikanischer Freiheit im Innern unter selbst gewählten Oberhäuptern gelebt zu haben. Ein solches Oberhaupt führte den einheimischen Titel kneze, kniaze, d.h. Herr (dominus), und das von ihm beherrschte Gebiet etwa knezewice oder knezota 1 ), deutsch Herrschaft (dominium, provincia, auch


1) Die kleinen Fürstenthümer in Rußland hießen knüschenaja. In Pommern scheint knezycze eine Herrnsteuer in diesem Sinne gewesen zu sein. S. Lisch Maltzan. Urk. II. Nr. 223 vom Jahre 1338.
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terra im weitern Sinne). Diesen Titel Herr, z. B. zu Meklenburg und Werle oder Wenden (dominus de Mikilinborg, und de Werle oder Slavia), führten bekanntlich unsere einheimischen erblichen Fürsten auch noch nach der Germanisirung des Landes, bis erstere 1348 zu Herzogen des deutschen Reiches erhoben wurden, während die Herren zu Werle denselben erst kurz vor dem Erlöschen des Hauses gegen den ihnen vom Kaiser verliehenen Titel Fürst (princeps) vertauschten. Ja, in dem vollen Titel unserer Großherzoge hat sich bekanntlich auch der eines Herrn von Rostock und Stargard (terrarum Rostock et Stargard dominus) bis heute erhalten. Daß aber der dem deutschen "Herr" entsprechende wendische Titel kneze lautete, wird z. B. durch die Parchimsche Genealogie bezeugt, wonach der Herr Johann von Meklenburg, Borwins Sohn, vom Volke noch im 13. Jahrhundert kneze Yaneke genannt ward 1 ).

Eine jede solcher Herrschaften, bei den Schriftstellern des Mittelalters häufig auch regio genannt, hatte ihr besonderes National=Heiligthum 2 ), d. h. einen von Holz erbaueten, durch kunstreiche Schnitzereien verzierten und von einem heiligen Haine umgebenen Tempel, eine Art Pantheon, in welchem außer der kolossalen hölzernen oder ehernen Statue der Hauptgottheit desselben auch die kleinen Bilder der übrigen Götter aufgestellt waren. Diese Tempel waren, wenn nicht immer, doch in der Regel befestigt, und mit bedeutendem Grundbesitze dotirt, wie wir beispielsweise aus der Geschichte Arkonas und Rethras mit Sicherheit erfahren. Auch scheint der nicht blos moralische, sondern auch politische Einstuß der Priester dieser Tempel, mit welchen z. B. in Arkona, wie mit unabhängigen Fürsten verhandelt und Verträge geschlossen wurden, und deren Ansehen das des Königs übertraf, einen unabhängigen Territorialbesitz, wie bei den christlichen Bischöfen nothwendig vorauszusetzen.

In politischer Beziehung war die Herrschaft in mehrere kleine Gaue oder Länder (terrae im engern Sinne) getheilt,


1) Meklb. Jahrb. XI, 15.
2) Quot regiones, tot templa habentur et simulacra demonum singula ab infidelibus coluntur. Thietm. Mers. VI, 18. Es ist zunächst von den Liutizen die Rede, doch wird dasselbe auch von den übrigen Wendenvölkern gelten. Regio ist kein bloßer Gau in dem gleich zu besprechendem Sinne, sondern eine größere selbstständige Provinz, wenn der Begriff sonst auch etwas schwankend ist, vgl. z B. Thietm. I. 6. Has Regiones: Boiemorum, Deleminciam, Obetritos, Wilci, Hevellos et Redarios. Ferner die Descript. regionum et civitatum u. s. w.
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die spätem Vogteien (advocatiae), welche großenteils in den heutigen Aemtern, oft selbst noch genau in den alten Grenzen fort bestehen, und von den Schriftstellern des Mittelalters pagi oder im Gegensatze zu den Regionen auch civitates genannt wurden 1 ). In jedem Gaue lag eine fürstliche Burg, Gauburg (urbes cum suis territoriis), deren z. B. die Zircipanier nur drei 2 ), andere Herrschaften bedeutend mehr hatten, wie aus der gedachten Descriptio hervorgeht, welche namentlich den Wilzen nicht weniger als 95 auf die 4 unter ihrem Fürsten vereinigten Regionen vertheilte Gauburgen, den Obotriten dagegen nur 53 zuschreibt. In diesen Burgen saß später ein Vogt (advocatus) oder Amtmann, als Administrator der Vogtei, welcher früher in Abwesenheit des Fürsten auch den Kriegsbann geführt, und das Vogteigericht gehegt haben wird. Der wendische Titel des Vogtes scheint wenigstens in Pommern zupa (zupanus) gewesen zu sein, wie der Gau selbst zupy hieß 3 ). Hier scheint aber die Würde der Zupane schon früh hin und wieder erblich geworden zu sein, wenn anders die, oft freilich sehr kleinen, Castellaneien mit den Zupaneien zusammenfallen sollten. In Ungarn und Böhmen heißt zupy: Kreis. Aus zupan ist in Ungarn durch Lautverschiebung ispan geworden, und daraus deutsch: Gespan. In Polen scheint dem Zupan der Titel Starost zu entsprechen. Das Gebiet des Zupan scheint sich also hier überall erweitert zu haben.

In Kriegszeiten scheinen sich dann mehrere Herrschaften durch Wahl eines gemeinschaftlichen Heerführers zu einem größern Verbande vereinigt, und dadurch den Grund zu einer dauernden, wenn auch lockern Bundesverfassung gelegt zu haben. Ein solcher gemeinschaftlicher Kriegsfürst wird von Anfang an den Namen woywode: Kriegsführer (von woy: Krieg und wodec, wodceck, führen, leiten), also dem deutschen Herzog entsprechend, geführt haben. Dies erhellt namentlich auch daraus, daß unsere Wenden nach ihrer Unterwerfung unter die sächsischen Herzoge jenen einheimischen Namen auf diese übertrugen, weßhalb der von ihnen zu


1) S. namentlich die Descriptio regionum et civitatum des 9. Jahrh. Wigger, Mekl. Ann. S. 21. ad a. 890-900. Ebenso auch bei Thietmar.
2) Ann. Corbej ad a. 1114. Mon. G. H. V. p. 8.
3) Vgl. z. B. die Urk. des Michael=Kl. zu Bamberg um 1189. Cod. diplom. Pom. No. 64.
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zahlende Tribut urkundlich woiwodnizha, Herzogssteuer, genannt wird 1 ).

Bei dem Beginn unserer Geschichte mit dem Erscheinen Karls des Gr. in Sachsen bildeten sich diese Woiwodschaften zunächst längs der deutschen Grenze zu dauernden, erblichen Reichen aus, deren Oberhaupt von den Deutschen mit dem Titel König (rex, regulus) beehrt ward. So namentlich das Reich der Wilzen an der Mittelelbe, das aber in Folge seiner feindlichen Stellung gegen die Franken bald wieder zerstört ward, und das obotritische Reich an der Unterelbe, zu beiden Seiten des Schweriner Sees, wozu sich wohl erst später in Folge der Kriege mit Pommern und Polen von der Insel Rügen aus das theokratisch=monarchische Reich der Ruyaner bildete, das sich zur Zeit seiner größten Blüthe östlich bis an die Oder ausgedehnt zu haben scheint.

Zu der obotritischen Woiwodschaft gehörten ursprünglich vielleicht nur die Herrschaften Kussin, Warnow und Müritz, östlich vom Schweriner See und der Stör, mit der Grenzburg Mikilinburg (Wiligard, oder Wiligrod?), während westlich von dieser Grenze eine eigne Woiwodschaft der Reregen bestand. Nachdem diese jedoch schon zu Anfang des 9. Jahrhunderts durch den Dänen=König Gottfried gesprengt war, wird Zwerin und Brezen den Obotriten zugefallen sein, wogegen die Smeldinger in dem Winkel zwischen Elde und Elbe kurze Zeit hindurch im Bunde mit den wilzischen Lingonen oder Linonen ziemlich unabhängig erscheinen, dann aber, durch die Fränkischen Waffen bezwungen, gleichfalls den Obotriten unterworfen wurden. Später breiteten sich die Polaben von Ratzeburg her bis zur Elbe aus, wie ihr Name (po Labe: an der Elbe) beweist, wogegen die Smeldinger verschwinden. Bald aber wurden auch jene nebst den Wagriern nicht ohne Kampf dem Obotritenreiche einverleibt, in welchem sich eben um diese Zeit die erbliche königliche Macht entwickelt haben dürfte. Zugleich ward die Grenze gegen Nordsachsen durch den limes Saxonicus, von der Delbende bei Boitzenburg ausgehend, bestimmt, aber später, vielleicht


1) Daß alle diese Titel im Laufe der Zeit ihren Werth veränderten, auch wohl von Anfang an nicht in allen slavischen Provinzen dieselbe Bedeutung gehabt haben mögen, versteht sich von selbst. Der polnische Woiwode und sein Gebiet, Woiwodschaft, mag dem altwendischen am nächsten stehen. In Ungarn scheint Zupan und Woiwode nicht wesentlich unterschieden zu sein. Dreger Cod. Pomer. No. LVI. v. J. 1222.
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erst unter Krutos Herrschaft, gleichfalls überschritten, und auf sächsischem Boden eine neue slavische Provinz Zadelbandia (trans Delbende) gegründet.

Der neuere Ursprung dieser königlichen Macht folgt schon daraus, daß es der slavischen Sprache an einem einheimischen Worte für den Begriff König fehlt, denn das Wort Krol oder Kral, ist lediglich dem deutschen Karol, Karl, dem Namen des großen Königs der Franken nachgebildet.

Mitten unter diesen größern Woiwodschaften mit erblichem, königlichem Oberhaupte, behaupteten sich die 4 kleinen Liutizischen Stämme der Kissiner, Zircipaner, Tholenzer und Redarier Jahrhunderte hindurch in alter Unabhängigkeit und nationaler Freiheit. Die Vorherrschaft unter ihnen aber, d. h. nicht bloß die factische Uebermacht, sondern auch die rechtlich anerkannte Woiwodschaft über die 4 verbündeten Herrschaften führten offenbar die Redarier, wenn ihnen dieselbe auch zu Zeiten von den Tholenzern streitig gemacht ward. Adam von Bremen bezeichnet sie sogar, offenbar mit Rücksicht auf diese ihre verfassungsmäßige Stellung zu ihren Stammesgenossen, als die mächtigsten (potentissimi) aller slavischen Völker zwischen der Oder und Elbe. In der That finden wir fast in allen, beinahe ununterbrochenen Kriegen der Wenden für ihre Unabhängigkeit und die Religion ihrer Väter die Redarier an der Spitze. Von ihnen ging der Kampf aus, sie waren die letzten auf dem Platze. Ihr dem Gotte des Krieges geweihetes Heiligthum zu Rethra bildete den Mittelpunkt aller Empörungen gegen das fremde, christliche Joch. Dorthin führte man von der äußersten Grenze durch alle verbündeten Völker die christlichen Märtyrer als wohlgefällige Opfer der heimischen Gottheit.

Zu diesen Erfolgen der 4 verbündeten Völker wird die geschützte Lage des Gebietes der 3 erstern allerdings wesentlich beigetragen haben. Zwischen der schiffbaren Warnow, dem Krakower See und den großen Wasserbecken an der obern Elde auf der einen, und der Recknitz, Trebel und Tollense mit ihren tiefen, sumpfigen Ufern auf der andern Seite eingeschlossen, und auch unter sich durch natürliche Grenzen geschieden, mochte ein Angriff bei der damaligen Kriegskunst in der That schwierig und ihre Unabhängigkeit bei tapferer Gegenwehr als ziemlich gesichert erscheinen. Nur die Redarier in dem heutigen Meklenburg=Strelitz erfreuten sich dieses Vortheils nicht, vielmehr lagen ihre Grenzen fast ringsum offen, oder waren doch bei weitem

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weniger geschützt, als die ihrer Stammesgenossen, und doch waren gerade sie den feindlichen Angriffen von der Elbe her zuerst und am meisten ausgesetzt. In diesem Mißverhältnisse lag gewiß ein starker Antrieb, durch Kunst zu ersetzen, was die Natur versagte. In der That finden wir denn auch das heutige Land Stargard mit seinen Nebenländern, d. h. die ehemalige Herrschaft der Redarier, fast ringsum von künstlichen Grenzgräben und zum Theil sehr bedeutenden Wällen umschlossen, die gewiß in hohem Grade die Aufmerksamkeit des Geschichtsforschers verdienen. Gleichwohl sind diese merkwürdigen Werke noch niemals Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen, ja es ist ihrer, so viel ich weiß, noch niemals öffentlich gedacht worden. Auch mir war es, meines Alters und sonstiger Verhältnisse wegen, nicht vergönnt, nachdem ich bei Gelegenheit meiner Untersuchungen über die wendischen Schwerine darauf aufmerksam geworden war, dieselben persönlich in Augenschein zu nehmen. Ich kenne sie nur aus den Acten des 15. und 16. Jahrhunderts, in welchen sich jedoch sehr umfängliche, genaue und durchaus zuverlässige Beschreibungen derselben finden, auf deren Mittheilung ich mich hier im Wesentlichen beschränken, und die künftige Localuntersuchung Anderen überlassen muß.

Vor allem wird es sich darum handeln, das Alter dieser Werke, soweit das überhaupt möglich ist, zu bestimmen. Stammen dieselben wirklich aus heidnisch=wendischer Zeit, wie ich oben anzunehmen geneigt war, oder sind sie erst im christlichen Mittelalter angelegt? Wir lernen dieselben in ihrer zusammenhängenden Kette erst bei Gelegenheit der vielseitigen Grenzstreitigkeiten Meklenburgs bald mit Pommern, bald mit Brandenburg seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kennen. Damals aber war der Ursprung dieser Werke längst unbekannt, und die bei den wiederholten Grenzcommissionen vernommenen alten Zeugen sagen wenigstens in Bezug auf einzelne Theile ausdrücklich aus, daß dieselben seit uralten Zeiten eine rechte Landwehre gewesen seien. In der That treten diese Werke in ihrem ganzen Zusammenhange so großartig hervor, daß ihre Anlage innerhalb der urkundlichen Zeit kaum denkbar erscheint, ohne daß irgend eine Kunde davon auf uns gekommen wäre. Auch dürfte seit Gründung des Christenthums in dieser Gegend und der Einwanderung deutscher Kolonisten schwer ein Zeitraum zu finden sein, wo für die Anlage so umfassender Grenzbefestigungen hinreichende Veranlassung, und zugleich die nöthige Ruhe zu ihrer Ausführung nachzuweisen wäre.

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Der einzige, hier möglicher Weise in Betracht kommende Zeitpunkt dürften die nächst folgenden Jahre nach dem Abschlusse des Vertrags zu Kremmen zwischen Pommern und Brandenburg im Jahre 1236 sein, indem die damals festgestellten Grenzen beider Länder wirklich dem Zuge unserer Befestigungswerke von der westlichen Spitze des Tollenser Sees um die Ländchen Wustrow und Beseritz herum längs der Pommerschen Grenze bis zum Galenbecker See und weiter an der Grenze der Ukermark bis zu der östlichen Spitze der Feldberger Gewässer so ziemlich entsprechen, nachdem durch jenen Vertrag das Land Stargard nebst den gedachten Nebenländern an Brandenburg abgetreten war, die Ukermark aber noch bis zum Jahre 1250 im Pommerschen Besitze verblieb.

Allein dieser Annahme widerspricht schon der Umstand, daß das Land Wustrow niemals wirklich in Brandenburgischen Besitz kam, vielmehr sich schon vor dem Vertrage von Kremmen in den Händen der Herrn von Werle befand und auch darin verblieb, wenn nicht gar ein Theil desselben, wie Boll vermuthet, an Pommern zurück fiel, gleichwohl aber von unserm Grenzzuge umschlossen ist, während gerade die alte Grenze Brandenburgs gegen die Ukermark, zwischen Havel und Oder, wo eine scharfe Naturgrenze fehlt, offen liegt. Ueberdies ist in Bezug auf mehrere einzelne Punkte unserer Werke urkundlich nachzuweisen, daß sie bereits vor dem Kremmener Vertrage existirten, ja, es befinden sich, wie wir im Fortgange dieser Untersuchung sehen werden, auf 3 verschiedenen Seiten, gegen Norden, Süden und Westen (nur gegen Osten ist Aehnliches bis jetzt nicht nachgewiesen), genau mit jenem Grenzzuge zusammen fallend und von demselben mit umschlossen, heidnische Heiligthümer, die nicht unwahrscheinlich schon bei Besetzung des Landes durch die Slaven vorhanden waren, und deren Gründung mithin in das höchste Alterthum zurück reicht, wie denn auch der Bau einzelner Grenzwälle ganz mit dem der bekannten heidnischen Burgwälle übereinstimmt.

Diese Auffassung wird ferner durch die alterthümlichen Namen einzelner besonders wichtiger Grenzpunkte bestätigt, wohin namentlich die Eisernen Pforten gehören, welche sowohl an der nordwestlichen, als an der südöstlichen Grenze in die dort befindlichen Heiligthümer führen. Mit diesem Namen wurden schon im Alterthum mehrere feste Grenzpässe bezeichnet, die zum Theil noch heute so heißen. Der bekannteste dieser Pässe ist wohl das Eiserne Thor in der Stromschnelle der Donau bei Orsowa, wo der mächtige Strom

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sich durch den Felsenspalt zwischen dem Banater und dem Serbischen Haiducken=Gebirge hindurch zwängt, also in einer von Slaven bewohnten Gegend. Dieser Paß ward von den Römern Porta Trajani genannt. Ein anderer Paß desselben Namens findet sich gleichfalls hart an der Grenze des Banates in dem Comitate Vayda an dem Flüßchen Biztra in Siebenbürgen. Er hieß im Alterthum Pons Augusta, und ward im Mittelalter Porta Vaczil genannt. Ein drittes eisernes Thor, das schon von den Byzantinern Sideras, oder Sidero castrum genannt ward, wohl nach einem einheimischen Namen, liegt im Balkan, auf der Straße von Adrianopel nach Schistowa an der Donau, nördlich von der Stadt Islemia. Einer von diesen 7 Pässen, türkisch Demir kapi genannt, wird derjenige sein, welcher nach der vita d. Eugendi (um 540) "gallica lingua isarno dort i. e. ferreum ostium" hieß. Es stand dort ein berühmter heidnischer Tempel, in dessen Nachbarschaft der Heilige geboren ward 1 ). Andere Pässe dieses Namens liegen weiter entfernt, namentlich ein Küstenpaß am Ostende des Kaukafus gegen das Kaspische Meer, bei der Stadt Derbend in Dagisthan, der früher die porta Albanica genannt ward, ein Gebirgspaß in der großen Bucharei, auf der Straße von Balkh über das Gebirge Karadagh, endlich bei dem Küstenorte La Calle, nördlich von Konstantineh in Algier.

Im Innern Deutschlands dagegen ist mir keine eiserne Pforte bekannt, wenngleich die nahe liegende Bezeichnung eines Engpasses als Thor oder Pforte natürlich auch hier gebräuchlich war, wie z. B. die Porta Westphalica im Wesergebirge beweiset. Auch in Meklenburg kommt der Ausdruck Pforte zur Bezeichnung eines Passes öfters vor. So führte namentlich bei dem Samoter Krug eine Pforte in den Schwerin am Plauer See. Dieser Krug, welcher erst um 1780 erbauet ward, wird nämlich noch von dem Pastor Uhlig zu Groß=Poserin und Carow, der sein Amt 1784 antrat, in einem Schreiben von 1805 genauer der Krug zur Samoter Pforte genannt. Diese Pforte schließt den schmalen Paß zwischen dem Samoter und dem Dreier See und hat ihren Namen von dem früh untergegangenen Dorfe Zarmoth A. Plau erhalten 2 ). Ja, nicht unwahrscheinlich sind durch die an den Innern Gaugrenzen des Landes Stargard und ebenso in den westlichen Gauen Meklenburgs, den ehemaligen Graf=


1) Mabillon act. ordin. Benedicti I. 553.
2) Vgl. Jahrb. XXXII, 85.
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schaften Schwerin und Ratzeburg wiederholt vorkommenden, mit Furt (Fuhrt), hochdeutsch Fort oder Förde, zusammengesetzte Ortsnamen, wie Düsternfurt, Steinfurt u. s. w. auf solche Grenzpforten zu beziehen, da das einfache Wort Furt auch in den spätem Grenzbeschreibungen häufig offenbar nichts anders als Paß, Grenzpaß bedeutet. Wenigstens ist sicher, daß sich an den so bezeichneten Orten nicht immer eine eigentliche Furt, d. h. ein durch die Untiefe eines Gewässers führender Weg, findet. In der Mitte des Landes findet sich auffallender Weise kein einziges Beispiel solcher Ortsnamen.

Daß auch noch nach der Germanisirung des Landes im 13. und 14. Jahrhundert ausgedehnt Grenzbefestigungen unter den Namen Landwehren, (propugnacula), abgesehen von der um eben diese Zeit, wahrscheinlich nach dem Muster der altern eigentlichen Landwehren unter eben diesen Namen angelegten Umwallungen der Stadtfeldmarken, an verschiedenen Orten bestanden und sorgfältig erhalten wurden, läßt sich aus den Urkunden vollständig beweisen. Auch der, wie es scheint, durch eine Art Blockhäuser geschützten Pässe, die den Namen Borg= oder Bergfrieden führten, wird in den Urkunden namentlich gedacht. Die Vertheidigung solcher Landwehren gehörte zu den allgemeinen Unterthanenpflichten, weßhalb auch das zu diesem Zwecke erlassene kriegerische Aufgebot selbst Landwehr genannt ward, von welcher auch die meist begünstigten Lehnleute und Städte für sich und ihre Hintersassen nur selten befreiet wurden. Nur der Geistlichkeit ward auch diese Exemtion für ihre Güter öfter ertheilt, aber auch eben so häufig in späteren Zeiten nicht geachtet. Dieser Verpflichtung zur Landwehr in dem letztern Sinne wird der Sache nach schon im 12. Jahrhundert gedacht 1 ), das deutsche Wort dagegen kommt zuerst 1217 und von da ab in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts öfter vor 2 ). Die Bezeichnung der Grenzbefestigung selbst durch das Wort Landwehr findet sich in unsern Gegenden freilich erst 1298, und zwar gerade in einer stargardischen Urkunde, worin der Markgraf Albrecht die Unterthanen der Comthurei von der Pflicht zur Vertheidigung der Landwehren befreit 3 ). Daß


1) Meklb. U.=B. No. 152 u. 167 aus den Jahren 1192 und 1200.
2) Meklb. U=B. No. 233. 252. 323. 340. 348. 582.
3) - - numquam curruum vel alia servicia requirentur, et ad custodienda propugnacula, vel viarum transitus, qui wlgariter lantwere dicuntur, numquam de cetero tenebuntur. M. U.=B. IV, 2499. Vgl. auch Boll a. a. O. I. 65-66.
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aber die Anlage dieser Werke selbst in die heidnische Zeit fällt, scheint mir nach diesem ganzen Zusammenhange nicht zweifelhaft zu sein. Welch großes Gewicht grade die Wenden von jeher auf den Schutz ihrer Grenzen gelegt haben, geht überdies schon daraus hervor, daß die sämmtlichen wendischen Gauburgen, selbst die Hauptsitze ihrer Fürsten, soweit ich mich entsinne, ohne alle Ausnahme hart an der Grenze lagen. Ebenso die befestigten Tempel des höchsten Gottes, der zugleich Kriegsgott war. Auffallend ist es allerdings, daß sich ungeachtet jener urkundlichen Zeugnisse außerhalb Stargards im Ganzen nur geringe Spuren solcher alter Grenzwehren in den ehemaligen wendischen Ländern an der Ostsee erhalten zu haben scheinen. Was in dieser Art bisher bekannt geworden, ist wenigstens nur unbedeutend.

Innerhalb Meklenburgs erinnern daran vielleicht schon in alter Zeit die Verhaue, durch welche die Wenden im Jahre 955 dem Heere des Kaisers Otto vor der Schlacht an der Raxa, wie ich darzuthun gesucht habe, im Lande der Muritzen 1 ), den Rückzug abzuschneiden suchten. Nach den Worten des Chronisten handelte es sich hier freilich nicht um schon vorhandene dauernde Befestigungen, sondern nur um neue Werke, welche durch die augenblickliche Stellung der Heere veranlaßt wurden. Aber der beabsichtigte Zweck, die allerdings durch die Natur gebildeten Pässe dieser Landschaft vollständig abzuschließen, erscheint in der gegebenen kurzen Zeit kaum erreichbar, wenn nicht schon ältere Grenzwehren vorhanden gewesen wären, an welche sich die neuen Werke anlehnten. Wirklich scheinen auch noch heute Spuren dieser alten ausgedehnten Befestigungswerke der Grenzen der Herrschaft Müritz erhalten zu sein. Vor etwa 50 Jahren fand ich in einem Walde auf der Höhe bei dem Dorfe Stuer eine solche alte Landwehr, aus einem nicht unbedeutenden Walle zwischen zwei breiten verfallenen Gräben bestehend, welche sich südwärts von der Straße nach Röbel in die sumpfigen Niederungen am Ufer der Dosse hinzuziehen schien, woselbst ich dieselbe späterhin in Acten des 18. Jahrhunderts wieder aufgefunden habe. In einem Grenzstreite über die wüste Feldmark Loitz bei Dannenwalde und Tönnichow in den Jahren 1706-8 weisen nämlich die vernommenen Zeugen auf eine "Mauer oder aufgeworfenen Graben" neben einem Erlenbruch, die Beeke genannt, als die alte Grenzscheide dieser Gegend hin. Offenbar haben wir hier die


1) Jahrb. XXXVII, 89.
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Reste der alten Grenzwehr zwischen der Herrschaft Müritz und der Thure vor uns, an welche sich im Süden der erstgenannten Herrschaft die aus der uralten Waldung Bezunt am Gaue Vepro von Osten nach Westen fließende sumpfige Dosse anschloß.

Auch am Ostufer der Müritz in der Umgegend der Bolter Mühle zwischen dem Klopzower und dem Karp=See wird in Acten des 16. Jahrhunderts einer alten "Landwehr" gedacht, welche hiernach genau auf der Grenze des Tholenzer Gaues Zlone (Vogtei Waren) gegen den wahrscheinlich Rezenischen Gau Turne (Mirow) lag.

Ebenso scheint die vor mehreren Jahren von dem Pastor Ritter nur unvollständig untersuchte und beschriebene 1 ), seit dem aber unbeachtet gebliebene, sogenannte Riesenmauer auf den Feldern Gresse, Granzin, Gallin und Vallun in den Aemtern Boitzenburg und Zarrentin, welche längs des Flüßchens Boitze hinläuft, an dessen gegenüberliegendem rechten Ufer das zu Gresse gehörige Vorwerk Leisterförde liegt, ein wirklicher alter Grenzwall zu sein, wenn man annimmt, daß derselbe sich früher bis zum Schaalsee fortgesetzt habe. In diesem Falle würde hier mit großer Wahrscheinlichkeit die uralte Slavengrenze gegen Altsachsen anzunehmen sein, welche später bei Anlage des berühmten limes Saxoniae durch Karl den Gr. zu Gunsten der Slaven bis an den heutigen Augraben westlich von Boitzenburg und die Delbende hinaus gerückt ward, bis letztere, auch diese Kaisergrenze überschreitend, jenseit derselben in dem alten Sachsenwalde die neue Mark Sadelbandia gründeten.

Desgleichen kann auch die in einer Urkunde vom Jahre 1407 genannte "landwere" zwischen Picher und Krenzlin im Amte Hagenow wirklich eine alte wendische Gaugrenze gewesen sein, da sie ziemlich genau mit der spätem Diöcesangrenze der Bisthümer Ratzeburg und Schwerin zusammen trifft 2 ).

Dagegen ist die sogenannte Heiden= oder Kunkel=Mauer bei Brüsewitz im Amte Schwerin, die in der gedachten Urkunde von 1407 gleichfalls als eine Landwehr bezeichnet wird 3 ), wenigstens in ihrer spätem Beschaffenheit sicher jüngeren Ursprungs. Diese bei Gelegenheit des Chausseebaues von Schwerin nach Gadebusch fast ganz abgetragene Mauer


1) Jahrb. IV, B. 26 ff.
2) Jahrb. V, B. 117.
3) Jahrb. IV, B. 78 u. 79. und V, B. 117.
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bestand nämlich nach den noch vorhandenen Ueberresten in dem alten, prächtigen Buchenwalde an dem hohen, steilen Ufer des Wandrumschen oder Neumühlschen Sees, wie ich nach wiederholter, sorgfältiger Localuntersuchung im Jahre 1865 bestätigen kann, aus Felsen, welche in Kalk gelegt waren, eine Bauart, welche im Heidenthume unbekannt war. Das Werk ist nicht unwahrscheinlich von dem Grafen Heinrich von Schwerin, oder dessen Gemahlin Audacia 1 ), zum Schutze der Hauptstadt gegen die Dänen aufgeführt worden, für welchen Zweck es in hohem Grade geeignet war. Die Mauer erstreckte sich nämlich von dem Ufer des tiefliegenden Wandrumschen Sees die steile Höhe hinauf über den schmalen, bewaldeten Bergrücken bei der einsamen Waldhütte Wahrholz auf der Feldmark Gottmannsförde zu dem ebenso tiefliegenden Thale hinab, in welchem das genannte Dorf liegt, und sperrte somit den ziemlich engen Paß, über welchen die Hauptstraße von Schwerin über Lübeck nach Holstein führt, vollständig ab, während sich zu beiden Seiten starke natürliche Grenzen befanden, die nur an wenigen, leicht zu vertheidigenden Punkten überschritten werden konnten.

In dem gedachten Gottmannsförder Thale liegen nämlich, nur eine kurze Strecke von dem Wandrumschen See entfernt, die Quellen der Stepnitz, welche durch sumpfige, auf beiden Seiten von Höhen eingeschlossene Wiesen nordöstlich zu der Maurin und mit dieser in den Meerbusen bei Dassow abfließt. Auf der andern Seite des Passes dagegen, in dem tiefen Kessel des obern Sees von Wandrum, entspringt ein bedeutender Bach, welcher jetzt durch den Damm bei Neumühlen seeartig aufgestaut, ehemals ohne Zweifel durch ein dem Stepnitzer ähnliches Wiesenthal fließend, in den Ostorfer und weiter den großen Schweriner See ausmündet.

Diese natürliche Beschaffenheit des Terrains läßt aber zugleich vermuthen, daß jene Flußthäler die ursprüngliche Grenze des Gaues Schwerin bildeten, und daß also auch die Gottmannsförder Heidenmauer, wenn auch in christlicher Zeit erneuert und in Kalk aufgeführt, gleichwohl wirklich schon zur Heidenzeit als alte Landwehr bestanden habe. Dafür scheinen die Namen der an den natürlichen Uebergangspunkten über jene Grenze liegenden Dörfer zu sprechen, welche sämmtlich mit dem Worte Förde zusammen gesetzt sind.


1) Darauf könnte sich der Name Kunkelmauer, d. i. Weibermauer, beziehen, vielleicht nicht ohne Spott, weil sie die Dänen nicht abhielt, Schwerin zu nehmen.
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Von dem schon besprochenen Gottmannsförde trifft die Grenze in südöstlicher Richtung zunächst auf Wittenförde, dessen Feldmark sich bis nach Neumühlen erstreckt, wo der Weg von Wittenburg nach Schwerin den Grenzbach durchschneidet, indem er sich von beiden Seiten her durch tiefe Hohlwege ins Thal hinab zieht. Dann folgt Krebsförden am Ostorfer See, dessen Feldmark vor Gründung der Stadt Schwerin mit der Feldmark Ostorf gegrenzt haben wird, wo jener Grenzbach aus dem Ostorfer in die Schweriner Seen fließt, auf welcher Strecke er von mehreren Straßen durchschnitten wird. Ebenso liegen an den Ufern der Stepnitz nordöstlich von Gottmannsförde die Dörfer Fräulein=Steinfort und Rüting=Steinfort bei Wüstmark, und noch weiter hinab Tesdorfer=Steinfort. In Mitbetracht der Localverhältnisse darf man sicher annehmen, daß alle diese Dörfer ihren Namen von alten Grenzpässen haben, welche die deutschen Einwanderer bei der Gründung derselben bereits vorfanden. Diese Thatsache hat um so größeres Interesse, als der Krebsförder Paß bei Ostorf, dem alten Orsesthorp, direct in den von mir vermutheten heiligen Hain der Tempelburg von Schwerin führte, dem also gleichfalls seine feste Pforte nicht gefehlt hätte 1 ).

Alle diese Werke reichen aber an Umfang und Bedeutung nicht an die Grenzbefestigungen des Landes Stargard hinan, was sich eben aus der Sonderstellung der Redarier erklärt. Außerhalb Meklenburgs bieten sich zunächst zwei alte größere Werke zur Vergleichung dar, der schon beiläufig erwähnte limes Saxonicus aus der Zeit Karls des Großen und das sogenannte Danewirk an der dänisch=sächsischen Grenze aus der Zeit der Ottonen. Beide sind aber nicht slavischen Ursprungs. In slavischen Ländern finden sich nur in Böhmen analoge Erscheinungen, soweit zwischen diesem rings von Gebirgen eingeschlossenen Königreiche und der kleinen, in einem an Sümpfen und Seen reichen Flachlande gelegenen Herrschaft der Redarier eine Vergleichung zulässig ist. Die Verkehrswege Böhmens mit den Nachbarländern führten nämlich sämmtlich durch feste Grenzpässe, welche oft durch erbliche privilegirte Grenzwächter vertheidigt wurden, und noch heute Pforten, Landespforten genannt werden. So führte z. B. der "Egerpfad", d. h. die Straße in das nicht zu Böhmen, sondern zur Nordmark gehörige Egerland, durch die Landespforte von Tepel, der Tauserpfad von Taus nach


1) Jahrb. XXXIII. 76.
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Plan des Landes Raduir oder Wustrow.
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Regensburg durch den Paß oder die Pforte von Taus, der Böhmensteg nach Niederösterreich durch die Landespforte von Zagor in der Nähe von Gratzin, der polnische Steg in die polnisch=schlesische Ebene durch die Landespforte von Nachod bei Glatz vorbei u. s w. 1 ). Leider sind die slavischen Namen der Pforten nicht bemerkt.


Die Grenzen der Redarier.

Nach diesen einleitenden Bemerkungen wende ich mich nunmehr zu der genauem Beschreibung der Redarischen Grenzwerke, und zwar in 4 Abschnitten, die Grenzstrecken gegen die Herrschaften der Tholenzer, Pommern, Ukrer und Rezener behandelnd.

1) Die nordwestliche Grenze des Gaues Wustrow gegen die Herrschaft Tholenze und das Heiligthum Rethra. 2 ).

In meiner Abhandlung über die Wendischen Schwerine habe ich gelegentlich bereits den an der Grenze der Herrschaft Tholenze gelegenen Redarischen Gau Raduir, später Wustrow und dann Penzlin genannt, besprochen und darzuthun gesucht, daß innerhalb dieses Gebiets, also am Westufer des Tollenser Sees, das berühmte Heiligthum Rethra gelegen habe 3 ). Die gegenwärtige Untersuchung schließt sich hieran unmittelbar an, weßhalb ich mich im Allgemeinen zur Vermeidung von Wiederholungen auf das dort ermittelte Resultat beziehen darf. Doch habe ich gegenwärtig noch mehrfache, inzwischen neu aufgefundene Nachrichten mitzutheilen, wodurch namentlich die Grenze dieses Gaues gegen die Tholenzer in ihrer scharf ausgeprägten Eigenthümlichkeit genauer bestimmt, überhaupt aber meine ganze Auffassung der hohen Bedeutung dieses Gebietes wesentlich bestätigt wird.

Der wichtigste Punkt in dieser Grenze ist die Eiserne Pforte, welche schon in der Urkunde des Herrn Nicolaus zu Werle vom 28. Februar 1263, worin derselbe der Stadt Penzlin das ihr von seinem Vater, Herrn Heinrich, verliehene Schwerinsche Recht bestätigte, unter dem Namen "Hiserne


1) Vgl. Ludw. Schlesinger Geschichte Böhmens. Innere und Kulturgeschichte (768-1190) S. 69.
2) Hierzu gehört der beigegebene Plan des Landes Wustrow nach den Acten des 16. Jahrhunderts mit Beifügung der ältesten Namensformen.
3) Jahrb. XXXII, 134 ff.
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porte" genannt wird 1 ). Die Versicherung, daß schon sein Vater Heinrich Borwin II. die Stadt gegründet habe, welche in einer ähnlichen Urkunde vom 21. Januar 1261 in Bezug auf die Stadt Röbel wiederholt wird 2 ), führt uns aber noch weiter in die Zeit vor 1226, dem Todesjahre Borwins, zurück, und es ist mindestens in hohem Grade wahrscheinlich, daß die hier gegebenen Grenzbestimmungen sich gleichfalls schon in den ersten Stiftungsurkunden dieser Städte befunden haben werden. Die Ausdehnung der Herrschaft der Herren zu Werle bis in diese Gegend zu so früher Zeit, wird auch durch die Bestätigung der Güter des Klosters Broda durch eben diesen Herrn Nicolaus vom 24. April 1230 bestätigt 3 ), denn wenngleich die betreffende Urkunde erwiesen falsch ist, so trifft das doch nur einen Theil des Inhalts, da solchen gefälschten Urkunden erfahrungsmäßig in der Regel ächte Urkunden ähnlichen, aber beschränktem Inhalts zu Grunde liegen. Sind aber diese Zeugnisse richtig, so wäre damit mindestens die Existenz unserer Eisernen Pforte vor dem Vertrage von Kremmen 1236 gesichert.

Ueber diesen uralten Paß geben uns nun die Acten, betreffend die Grenzstreitigkciten zwischen der Bauerschaft zu Hohen=Zieritz und der Lucie v. Rohr, Georg Maltzans Wittwe auf Penzlin, vom Jahre 1575 höchst willkommenen nähern Aufschluß, da die hier streitige Feldgrenze mit der alten Grenze des Landes Wustrow zusammen fällt, welche jetzt ein wenig nach Norden verschoben ist, so daß die ursprünglich zu Wustrow gehörige Zipplower Waldung, die heutige Feldmark Zipplow, jetzt zu Strelitz gehört. Nach den von den Klägern übergebenen Beweisartikeln begannen dieselben ihren Grenzzug bei dem "Eichsehe", welcher noch heute der Eichsoll heißt, aus welchem der in südöstlicher Richtung durch ein breites Wiesenthal mit starkem Gefälle in den Lieps=See bei Prillwitz hinabströmende Zipplower Bach entspringt. Bis dahin war also die Grenze, eben dieser Bach, nicht streitig. Von dem Eichsee ab zogen dann die Bauern ihre Grenze weiter nach Nordwesten längs eines "alten Grenzgrabens" auf den Rhunsee oder das Rhaunseken und die Rhun= oder Rhaun=Wiese, dem heutigen, durch einen breiten Graben durchschnittenen Raumbruche. Von hier führte der gedachte Graben auf die Malstätten, der Müggenborn und die


1) Meklb. Urk.=B. II, 987. Slavisch etwa zelezny wrat?
2) Meklb. Urk.=B. II, 911.
3) Meklb. Urk.=B. I, 377.
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Kesselkule genannt, und von dort ununterbrochen bis an den "Lütken=Stadtsehe" und weiter "vor dem Burgkwhall her" bis an das "Teufelsbrock" oder "Teufelsbruck", wo die Grenze auf die Scheide zwischen Hohen=Zieritz und Peccatel stieß. - Die von Seiten der Maltzane gezogene Grenze scheint im Ganzen nicht sehr bedeutend von der ihrer Gegner abzuweichen. Sie ziehen dieselbe zunächst von dem Rhunbruche bis an den nahen Hohen=Zieritzer Weg, der als ein fester Grenzpunkt und Haupt=Eingang in unsern Gaubezirk erscheint. Hier stoßen auch sie an einen Graben, der aber mit dem oben bezeichneten Grenzgraben der Bauern nicht identisch zu sein scheint. Derselbe lief von dem gedachten Wege zwar gleichfalls in die Teufelsbrüche, deren hier 3 unterschieden werden, welche aber alle 3 vor dem kleinen Stadtsee genannt werden, während der von den Bauern in Bezug genommene auf den See folgt. Der Maltzansche Graben setzte sich jedoch gleichfalls jenseit des Sees fort und scheint hier mit dem der Bauern zusammen zu fallen. Dabei wird gelegentlich zwischen dem 2. Auf der nordöstlichen, d. h. der Wustrower Seite dieser von den Maltzanen gezogenen Grenzlinie dehnten sich nun vom Ufer des Lieps= und Tollenser=Sees bis zu dem Penzliner See hinauf große Waldungen aus, welche sich wahrscheinlich auch auf einen Theil der Hohen=Zieritzer Feldmark hinüber erstreckt haben werden. In den Acten werden namentlich 3 Theile dieser Waldung unterschieden: das Zippelower Holz, die Eisern pfort und der Borgwall. Ersteres, vom Liepssee bis zum Eichsee und dem Rhunsee, wird anderswo als Pertinenz von Wustrow bezeichnet, die Eisen pfort, noch heute als Eisen Pfort, Euserfort oder Euser=Forst auf unsern Karten verzeichnet, erstreckt sich von dem Wege Hohen=Zieritz nach Penzlin in der Nähe des Raumbruches nordwestlich bis zu dem kleinen Stadtsee, wo er mit dem Borgwall zusammengestoßen sein wird. Letzterer scheint sich nach oben angeführter Aussage der Bauern zwischen dem kleinen und großen Stadtsee hindurch längs des aus dem Klein=Vielener Bache etwa bis zu dem kleinen Wodensee ausgedehnt zu haben, wenngleich es sonst nahe liegt, den Namen auf den später zu besprechenden Burgwall auf einer Halbinsel im großen Stadtsee zu beziehen. In eben jener Gegend, zu beiden Seiten des kleinen Stadtsees und an dem gedachten Bache neben der

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Schwanheide bis zu dem Wodensee hinauf, werden dann auch die Teufelsbrüche zu suchen sein, woraus sich zugleich die abweichenden Angaben der beiden streitenden Theile über die Lage dieser Brüche erklären würden, wenn man annimmt, daß die von den Bauern behauptete Grenze den Stadtsee an der südöstlichen Spitze berührte, und sich dann nördlich um denselben herumzog, die Grenze der Maltzane dagegen sich südlich des Sees hielt und, denselben einschließend, sein Ufer erst an der Westspitze berührte. Darnach würde der kleine Stadtsee, mitten zwischen den Teufelsbrüchen gelegen, selbst als Teufels=, d. h. als ein zweiter, wenn nicht als der eigentliche Woden=See aufzufassen sein, während der große Stadtsee in der Urkunde von 1263 stagnum Domini, d. i. Gottessee, genannt wird, was nach heidnischer Auffassung wiederum dasselbe ist.

Die von den Bauern producirten Zeugen bestätigen im Allgemeinen den Grenzzug ihrer Producenten. Sie geben demnach zwar das ausschließliche Recht der Maltzane auf den Borgwall und das Teufelsbruch zu, nehmen aber für Hohen=Zieritz das Holzungsrecht in einem Theile der Eisernen Pforte und den Besitz der bereits abgeholzten "Isernen Port=Stücke" in Anspruch. Auf eine genauere Beschreibung des Grenzgrabens zwischen der Rhunwiese und dem kleinen Stadtsee lassen sie sich nicht ein. In Bezug auf die Strecke jenseit des Sees, d. h. zwischen dem Kl. und dem Gr. Stadtsee, dagegen setzt ein Zeuge hinzu: "Das der articulirter Graben ein rechter Alter Landgrabe where, vnd quehme von Treptow herab, vnd ginge bis an den Lütken Pentzliner Stadtsehe." Die Maltzane dagegen beschreiben in ihren Zeugenartikeln den von ihnen bezeichneten Grenzgraben schon auf der ersten Strecke von dem Zierzower Wege bis zum kleinen Stadtsee als einen "von beiden seitten vffgeworfenen und mit vielen Eichenen beumen bewachsenen Graben," und behaupten, daß derselbe einer alten "Landwehren" gleiche, welche "durch und an vielen Morassen her gegraben" worden, und sich auch jenseit des Stadtsees bis an das alte Penzliner Stadtfeld erstrecke. Auch diese Angaben werden durch die von ihnen producirten Zeugen bestätigt, wobei dieselben den Graben wiederholt als einen dreifachen bezeichnen, und theilweise gleichfalls ausdrücklich für eine alte Landwehr erklären.

Nach diesen Angaben kann kein Zweifel bleiben, daß es sich hier wirklich um die uralte Grenzwehre des Landes

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Wustrow handelt, dessen ehemalige Ausdehnung bis zu der Stadt Treptow hinab, in Uebereinstimmung mit den früher besprochenen Urkunden, noch im Bewußtsein des Volkes lebte. Auch ist klar, daß die Waldungen Eiserne Pforte und Borgwall, welche noch in Acten des 18. Jahrhunderts genannt werden, ihren Namen nur von bestimmten festen Pässen in dieser Grenzwehre trugen, wenn gleich diese letztere ihrer Lage und Beschaffenheit nach nicht näher angegeben werden. Hier greift nun die ausführliche Grenzbeschreibung der Stadtfeldmark Penzlin in der Urkunde von 1263 ergänzend ein. Diese Feldmark liegt außerhalb des Landes Wustrow an der Westseite des großen Stadtsees, welcher sie von Wustrow scheidet. Wenn daher dieser Grenzzug, bei der Eisernen Pforte beginnend, zunächst in der Richtung auf Kl. Vielen, sodann in einem Bogen den von Gr. Vielen kommenden Bach durchschneidend in den Schmorter=See und weiter um die Stadt herum durch den großen Stadtsee zu seinem Anfangspunkte zurück geführt wird, so ist klar, daß dieser letztere, d. h. die Eiserne Pforte, in dem Engpaß zwischen dem kleinen und großen Stadtsee gelegen haben muß 1 ). Dieser Paß, durch den beide Seen verbindenden, aus dem See von Kl. Vielen kommenden Bach quer durchschnitten, nordwestlich durch einen Sumpf, das Teufelsbruch, östlich aber durch eine Höhe geschlossen, auf welcher nach dem Namen des angrenzenden Waldes ein Burgwall gelegen haben wird, verdient wegen dieser festen Lage jenen bezeichnenden Namen vollkommen. Die große, zu beiden Seiten der sich an diesen festen Paß anlehnenden Landwehre liegende Waldung wird daher in ältern Zeiten in ihrer ganzen Ausdehnung der Eiserne Pforten=Wald genannt sein, bis man später den zunächst an den Burgwall grenzenden Theil unter dem von ihm entlehnten besondern Namen davon abtheilte, wenn anders die Lage dieses letztern oben richtig bestimmt ist.


1) Mekl. U.=B. II, No. 987. A Hiserenporten (dem Vielenschen Bach aufwärts folgend), vsque in Slavicum Vilem, vltra (nordwärts) vsque in fluvium Teuchtonici Vilem, fluvium in descensu vsque in pontem Vilem, agrum sursum vsque ad salicem, de salice viterius vsque in Ridam (zwischen Molmesdorp und dem Rathssee), vlterius de Rida in stagnum Scomort (der Schmorter= oder Rathssee), vsque in molendinum (vor Penzlin), de molendino per rivulum deorsum vsque in Wosten (Wötz=See), de Wosten in magnum stagnum domini (nordöstlich um die Stadt herum und dann grade nach Osten in den großen Stadtsee, und durch diesen, wie sich von selbst versteht, wieder zur Eisernen Pforte).
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Von der Südspitze des großen Stadtsees weiter hinab wird die Grenze des Landes dann entweder direct dem an Penzlin vorbei durch den kleinen Wötzsee in den Krukower oder Malliner See fließenden Bache gefolgt sein, oder sich etwa östlich in einem Bogen, die "alte Burg" mit einschließend, durch den Rathssee, den Ziesekensee, und den Rahnenfelder See in den gedachten Malliner See herumgezogen haben. Jedenfalls war Penzlin mit seiner ungewöhnlich festen Lage ein Haupteingangspaß.

An dem nördlichen Ende des Malliner Sees liegt das Dorf Passentin am Ausflusse des wiederholt erwähnten, hier schon sehr ansehnlichen Baches, welcher in den Acten des 16. Jahrhunderts der Fischstrom, jetzt gewöhnlich der Malliner Bach genannt wird, und sich 1/2 Meile unterhalb der Stadt Neubrandenburg mit der Tollense vereinigt. Der Ort, welcher in der gefälschten Urkunde des Herzogs Kasimir von Pommern von 1170 und deren Confirmation von 1244 Patsutin, später auch Patsentin genannt wird, soll nach diesen Urkunden schon damals dem Kloster Broda geschenkt sein, fehlt jedoch in der echten Bestätigungsurkunde der Klostergüter durch den Herzog Bugislav von 1182, und ebenso in der wiederum untergeschobenen Urkunde des Herrn Nicolaus zu Werle von 1230. Dagegen ist urkundlich sicher, daß hier früher eine alte Burg stand, welche in einem Kriege in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zerstört ward. In einer Urkunde der Herren Claus und Christopher zu Werle vom Jahre 1395 bestätigen dieselben dem Gerde Barenfleth die große Stadtmühle bei Penzlin nebst dem Stadtsee, welche der Herr Claus zu Werle seinen Vorfahren, den Rittern Johann und Gerke Barenfleth 1291 verkauft habe, mit der Bemerkung, daß das Original der darüber ausgestellten Urkunde bei Gelegenheit der Zerstörung der Burg Passentin verloren gegangen sei 1 ). Die Burg scheint hiernach gleichfalls im Besitz des Gerke Barenfleth gewesen zu sein. Vielleicht aber war derselbe nur fürstlicher Vogt auf derselben. Später trugen die zuerst im Jahre 1402 auftretenden v. Passentin den Ort, von welchem sie den Namen führten, zu Lehn, bis das Geschlecht im Jahre 1520 erlosch, worauf das heimgefallene Lehn, welches jedoch theilweise an die v. Holstein verpfänden war, dem Freiherrn Bernd Maltzan


1) Nach einer beglaubigten Abschrift des verlorenen Originals mit dem Transfumte der Urkunde von 1291 im Geh.= und Haupt=Archive. (Noch ungedruckt.)
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auf Penzlin verliehen ward. Die Maltzane behaupteten aber, daß Passentin ein altes Penzliner Afterlehn sei, und rechneten es also ohne Zweifel zu dem ihnen 1501 verpfändeten Lande Penzlin, oder zu den ihnen ausdrücklich mit verliehenen Penzliner Burglehen. In der That zwang auch Georg Maltzan im Jahre 1549 den Hans v. Holstein, seinen Antheil an dem Dorfe von ihm zu Lehn zu empfangen, was auch später z. B. 1610 erneuert ward. Passentin scheint also wirklich im Alterthume in einem nähern Verhältnisse zu der Burg Penzlin gestanden zu haben, was dann der Vermuthung festern Halt geben würde, daß die alte Burg Passentin zu den befestigten Eingangspunkten oder Pforten des Landes Raduir gehört habe. Die Burg lag an dem Südrande des Dorfes in dem umfänglichen Wiesngrunde an den Ufern des Malliner Sees und des Fischstroms, welcher hier noch einen kleinen von Norden herabkommenden Bach in sich aufnimmt. Die Wiebekingsche Original=Karte im Archive hat hier hart neben einander den "großen" und "kleinen Burgwall", beide viereckig, und etwas weiter nordöstlich neben dem Dorfe den runden "Möllerwall". Dorf= und Burgwälle liegen jetzt auf der linken, Meklenburg=Schwerinschen, Seite des Stromes, welcher aber vielleicht seinen Lauf in den letzten Jahrhunderten geändert und früher Dorf und Burg getrennt, oder letztere auf beiden Seiten umflossen haben mag, da die Grenze zwischen Passentin und Mallin schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts streitig war. Das Strelitzer Amt Sponholz nahm noch bedeutende Wiesenflächen auf der jetzt Passentiner Seite des Stromes für Mallin in Anspruch, und drang damit theilweise auch durch.

Weiter hinab von Passentin bis zu dem Flusse Tollense bildet der mehr gedachte Fischstrom mit seinen breiten Wiesenrändern zwischen theilweise erheblichen Höhen eine natürliche Grenze, welche denn auch von altersher den Havelberger und Camminer Bischofsprengel und damit zugleich die Redarier, die zu Havelberg gehörten, von den unter Cammin stehenden Tholenzern trennte 1 ). Auch in dem Kremmener Vertrage von 1236 werden die Grenzen des Ländchens Wustrow bis an den Fluß Tollense, also längs des ganzen Fischbachs bis zu dessen Mündung ausgedehnt 2 ). Nicht unwahrscheinlich befanden sich auf dieser Strecke zwei weitere feste Grenzpforten, die schon von der Natur dazu geschaffen scheinen, nämlich an den beiden Straßen, welche aus den Tholenzer


1) Wigger Meklb. Annal. S. 113.
2) Die Zweifel Boll's in Betreff dieser völlig klaren Vertragsbestimmung in seiner Geschichte des Landes Stargard I, 54 sind nach meiner An= (  ...  )
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Gauen Gotebant und Trebetow durch den Raduir nach Stargard führen. Erstere überschreitet den Grenzstrom in der Richtung von Chemnitz (Caminitz: Steinort) nach Weitin (wojutin: Kriegshagen) bei der Chemnitzer Mühle, wo sie sich zwischen bedeutenden Höhen in das bewaldete Flußthal hinabzieht, letztere bei der Zierzower Mühle, gleichfalls durch eine enge Bergschlucht zu Thal führend. Aus älterer Zeit weiß ich indeß über die Beschaffenheit dieser Pässe nichts beizubringen.

Die innere Grenze des Landes Wustrow gegen den gleichfalls Redarischen Gau Stargard (Oldenburg) endlich ward durch den Fluß Tollense aufwärts bis in den gleichnamigen See, und weiter durch diesen selbst und den damit zusammenhangenden Liepssee bis zu unserm Anfangspunkte, d. h. der Mündung des Zippelower Baches in die Lieps gebildet. Auf dieser Strecke finden wir an dem Ausflusse der Tollense aus dem See den Ort Broda, den Sitz eines ehemaligen Klosters, als alten Grenzpaß an der Straße nach Stargard, denn das slavische brod bedeutet Fähre, auch Eingang, Durchgang überhaupt, und entspricht in dieser allgemeinern Bedeutung dem deutschen Furt (Ford), sowie dem lateinischen porta, die zu derselben Wurzel gehören. Höchst wahrscheinlich wird aber an dem entgegengesetzten Ende dieses Abschnitts an der Mündung des Zippelower Baches von dem in älterer Zeit bedeutenden Burgflecken Prillwitz her ein ähnlicher Eingangspaß gewesen sein. Demnach scheint unser Gau im Ganzen 8 Grenzpforten gehabt zu haben, nämlich auf dem Wege von Hohen=Zieritz aus dem Gaue Chotibanz bei dem Rhunbruche, wo die großen Waldungen Eiserne Pforte und Zippelow zusammen stießen, bei der eigentlichen Eisernen Pforte zwischen dem kleinen und großen Stadtsee, bei den Burgen Penzlin und Passentin an den Hauptstraßen aus der Herrschaft Tholenze, bei den Chemnitzer und Zierzower Mühlen an den Straßen aus dem Gaue Gotebant und endlich bei Broda und Hohen=Zieritz zu beiden Seiten des Hauptortes Wustrow.


(  ...  ) sicht durchaus unbegründet. Daß die Herzoge von Pommern noch 1244 die Güter des in diesem südöstlichen Theile des hier beschriebenen Gebietes liegenden Klosters Broda bestätigten, beweist nicht, daß das Kloster damals noch zu Pommern gehörte. Anderer Seits spricht aber die Bestätigungsurkunde des Herrn Nicolaus zu Werle Von 1230 trotz ihrer Unechtheit dafür, daß seine Herrschaft sich schon damals über das ganze Land Wustrow einschließlich des Klosters erstreckt habe. Seine Nachkommen beider Linien hatten dies Gebiet urkundlich unter sich getheilt, ohne daß wir über den spätern Erwerb des nordöstlichen Theiles irgend Kunde hätten.
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Vergleichen wir nun die vielfach besprochenen Schilderungen, welche uns Thietmar von Merseburg (1012) und Adam von Bremen (1075) von dem Rhedarischen Heiligthum geben 1 ), theils unter sich, theils mit den urkundlichen Nachrichten über die betreffenden Ortsverhältnisse im Lande Wustrow in jüngerer historischer Zeit, so kommen wir zu Ergebnissen, die nach meiner Ueberzeugung so zuverlässig sind, als in solchen Forschungen überhaupt erwartet werden darf. Zunächst springt in die Augen, daß die Burg (urbs) bei Thietmar dem Tempel (templum) Adams entspricht, da es sich eben um eine Tempelburg handelt. Daraus folgt, daß unter der angeblichen Stadt Rethra (civitas), worin nach Adam der Tempel lag, dem in den einleitenden Bemerkungen nachgewiesenen Sprachgebrauch vollkommen gemäß, nichts anderes zu verstehen ist, als der Gau (pagus) Riederun Thietmars, dessen Identität mit dem Gaue Raduir unserer Urkunde von 1170, d. h. dem spätem Lande Wustrow in dem Kremmener Vertrage von 1236, man nach meinen frühern Ausführungen hoffentlich nicht weiter bezweifeln wird. Daraus aber folgt wiederum unwidersprechlich, daß die in dem letztgenannten Vertrage als Hauptort genannte Burg (castrum Wustrow) am Tollenser See, die dem Gaue den Namen gab, und der Bedeutung dieses Namens nach (wustrow oder ostrow: Insel) ursprünglich auf dem dortigen kleinen Werder gelegen haben muß, eben jene Tempelburg Thietmars und Adams sei, welcher sie auch, wie ich ausgeführt habe, der genau geschilderten Lage nach vollkommen entspricht.

Dieser Tempel war nun nach Thietmar dreieckig (tricornis), und hatte 3 Thore, vermuthlich also auf jeder Seite eins, wovon die beiden landwärts gehenden allem Volke zugänglich waren, das dritte, engere also, aus welchem ein schmaler Pfad nach Osten an das schaurige Ufer des waldumkränzten Sees führte, nur dem Priester oder den Opfernden geöffnet ward. Von allen diesen Eigenthümlichkeiten des Tempelbaues weiß Adam nichts, dagegen führten nach ihm 9 Pforten in die vermeintliche Stadt (in ciuitatem), d. h. in den Gau Raduir. Diese 9 Gaupforten haben also mit jenen 3 eigentlichen Tempelpforten des Thietmar nichts gemein, entsprechen dagegen offenbar den oben geschilderten 8 festen Grenzpässen des Landes Wustrow, zu


1) Thietm. Mers. VI, 16-18. Adam. Brem. VI, 2. Daß beide Schriftsteller trotz ihrer anscheinenden Widersprüche von demselben Heiligthum reden, halte ich für ausgemacht. Die folgende Erklärung löst diese Widersprüche, wie mir scheint, ungezwungen.
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welchen der ohne Zweifel noch besonders befestigte, über eine Brücke führende Weg zu der Tempelinsel selbst als neunte hinzukommt 1 ).

Als Namen der Tempelburg giebt Thietmar zu Eingang seiner Schilderung Redigast an, wofür es genauer heißen müßte: Der Tempel des Redigast, den wir aus andern Quellen mit Sicherheit als eine wendische Gottheit kennen, deren Verehrung nach ihrem eigenthümlichen Wesen gerade in diesem Heiligthum erwartet werden durfte, und welche Adam - und nach ihm Helmold - auch ausdrücklich als Hauptgottheit des Tempels zu Rethra, wie derselbe hier genannt wird, bezeichnet. Thietmar ließ sich aber anscheinend dadurch irre führen, daß ihm neben Redigast noch ein anderer Name des Gottes, Zuarasici, genannt ward, den schon der Erzbischof Brun im Jahre 1008, vermuthlich gerade in Bezug auf unser Heiligthum, gehört hatte. So nahm er Redigast als Tempelnamen, Zuarasici aber als Namen des höchsten der daselbst verehrten Götter, während in Wahrheit beide dieselbe Gottheit bezeichneten.

Noch ein Einwurf, den man mir gegen meine Auffassung gemacht hat, bedarf hier einer besonderen Besprechung. Man meint, das Gebiet, welches ich der Tempelburg zugewiesen habe, d. h. der ganze, etwa eine Quadratmeile umfassende Gau Raduir, sei denn doch zu unverhältnißmäßig groß für ein bloßes Heiligthum, und man hat Recht, wenn man lediglich an den eigentlichen, den Tempel zunächst umgebenden heiligen Hain denkt. Es ist schon oben in den einleitenden Bemerkungen darauf hingewiesen worden, daß die großen National=Tempel der wendischen Völkerschaften mit bedeutendem Grundbesitze dotirt gewesen seien. Dies ergiebt sich namentlich aus dem durch Saxo ausführlich mitgetheilten Friedensvertrage zwischen dem Dänen=Könige Waldemar und


1) Hiernach muß ich meine frühere Hypothese über das Verhältniß der 3 Pforten Thietmars zu den 9 Adams ausdrücklich widerrufen. Ganz eben so wird es mit der Stadt Lebus (civitas Liubusua) in der Herrschaft der Lusizi zusammenhangen. Sie hatte nach Thietmar 12 Thore und Raum für eine Besatzung von 1200 Mann und umschloß zugleich die eigentliche Burg (urbs). Thietmar sah sie selbst um das Jahr 1010, wo sie aber seit der Zerstörung von 932 wüst und unbewohnt gelegen hatte. Thietmar I, 9 u. VI, 39. Ganz klar sind sich übrigens beide Schriftsteller über die Beschaffenheit unseres Heiligthums nicht. Nach dem strengen Wortlaute Adams hätte die ganze civitas auf einer Insel gelegen, was doch der Angabe über die nur für die Opfernden bestimmte Brücke und die 9 Thore widerspricht. Nach Thietmar dagegen scheint selbst die Burg nur am Ufer des Sees zu liegen.
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der Priesterschaft von Arkona nach der Zerstörung dieses Tempels im Jahre 1168. Hiernach verpflichteten sich die Priester, nach geschehener Taufe nicht nur die Aecker und Landgüter der Götter (agros et latifundia Deorum) zum Besten christlicher Stiftungen abzutreten, sondern von jedem Joch Ochsen einen jährlichen Tribut von 40 Silberdenarien an die Krone Dänemark zu zahlen, und dem Könige die Heerfolge zu leisten. Der Tempel besaß also, außer den selbstbebaueten Gütern, offenbar auch bewohnte Dörfer, welche unmittelbar unter der Herrschaft des Oberpriesters standen 1 ). Für die Größe dieses Gebietes fehlte uns bisher jeder Maaßstab. Nach weiterer Forschung glaube ich aber nicht mehr zweifeln zu dürfen, daß die ganze ungefähr 1 1/4 Quadratmeile umfassende Halbinsel Wittow unabhängiges Tempelgebiet von Arkona war, wie ich an einem andern Orte auszuführen beabsichtige.

Daß nicht alle Nationalheiligthümer so reichlich bedacht waren als Arkona, versteht sich von selber, denn mit diesem Haupttempel des gesammten von Wenden bewohnten Gebietes längs der Ostseeküste, von der Mündung der Oder bis zur nordsächsischen Grenze, dem die gesammten Völker dieser Gegend regelmäßig Tribut zahlten, kann sich kein anderer messen. Der Umfang des Tempelgaues wird nach der Macht und dem Ansehen des Volkes, dem er angehörte, und aus andern zufälligen Gründen sehr verschieden gewesen sein. Aber auch Rethra erfreute sich, weit über die engen Grenzen der Redarier hinaus, eines hohen Ansehens, so daß wir eine nicht allzukärglich bemessene Dotation mit Sicherheit voraussetzen dürfen. Nun erscheint aber das Ländchen Wustrow nach der obigen Beschreibung durchaus als ein durch scharf hervortretende natürliche und künstliche Grenzen umschlossenes, selbstständiges und untheilbares Gebiet, das den Namen der Tempelburg führte, und schon zu einer Zeit, wo das Heidenthum kaum überwunden war, urkundlich wirklich als Zubehör dieser, nun freilich bereits weltlichen, Burg betrachtet ward. War diese Burg daher wirklich der gesuchte heidnische Tempel Rethra, so ist damit zugleich der Beweis geführt, daß das ganze dazu gehörige Gebiet den unter der unmittelbaren Priesterherrschaft stehenden Tempelgau Riederun bildete. Dies wird auch dadurch bestätigt, daß nach Einführung des Christenthums fast das ganze Ländchen zur Ehre Gottes dem in seinen Grenzen errichteten Kloster Broda


1) Saxo Gr. XIV, 834 (Ed. Velschow).
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überwiesen ward, denn abgesehen von der gefälschten Urkunde von 1170, werden doch auch in der echten Confirmation der verlorenen ersten Dotation bereits sämmtliche Dörfer des jetzt zu Strelitz gehörigen südöstlichen Antheils von Wustrow aufgeführt, wogegen der nordwestliche Theil fast ganz zu dem eigentlichen heiligen Haine gehört haben wird, also unbebaut war. Vielleicht betrachtete das Kloster aus diesem Grunde den allmählich angebaueten Urwald als Zuwachs seines Gebietes, und ließ sich eben dadurch zu jener Fälschung verleiten.

Auch in dem Innern dieses Haines in der nähern Umgebung der Tempelburg sind neuerdings noch einige Oertlichkeiten bekannt geworden, die ich nicht übergehen darf, da meine ganze Auffassung dadurch wesentlich gestützt wird. Die erste dieser Oertlichkeiten befindet sich auf der Feldmark Werder bei Penzlin, am Ostufer des großen Stadtsees (stagnum domini). Die Feldmark kommt anscheinend schon in einer Urkunde von 1309 unter dem Namen Grapenwerder vor 1 ). Sie wird diesen Namen von dem in der Vogtei Penzlin angesessenen Geschlechte Grope erhalten haben, war aber damals noch unbebauet. Daß hier aber nicht von einer wirklichen kleinen Insel, etwa im Stadtsee, die Rede ist, folgt daraus, daß auf dem Werder selbst nicht nur eines Sees, sondern auch eines Baches gedacht wird, welcher erstere ganz zum Werder gehören soll, vermuthlich der kleine Lödsee, welcher durch den Lübkower Bach gebildet wird, und auf der Grenze zwischen Werder und Lübkow liegt. Später ward der Ort Hohen=Werder genannt, ich kann nicht sagen, ob nur das höher gelegene Dorf im Gegensätze zu dem Hofe unmittelbar am Seeufer, oder zu dem Dorfe Wustrow am Tollenser See, also mit dem Bewußtsein, daß das wendische Wustrow dem deutschen Werder entspreche. Jedenfalls ist Werder eine spätere deutsche Gründung in dem ehemaligen zu Wustrow gehörigen heiligen Haine. Noch im 16. Jahrhundert war der größere Theil der Feldmark gleich der von Zipplow mit altem Wald bestanden, wozu namentlich der uns schon bekannte Eiserne=Pforten=Wald gehörte. Auf dieser Feldmark nun, südlich von dem gedachten Hofe, erstreckt sich eine niedere Halbinsel in den See, auf welcher nach der officiellen sogenannten Directorialkarte aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts (sub No. 87) ein von Wiesen umgebener runder Burgwall von 425 □ Flächeninhalt liegt. Es ist möglich, daß


1) Insula dicta Grapenwerder. Meklb. U.=B. V, No. 3345.
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die oben S. 57 besprochene Waldung "der Burgwall" sich bis hierher erstreckte, und ihren Namen eben von diesem Walle empfangen hat, obwohl die dort angeführten Grenzbestimmungen auf die Gegend der Eisernen Pforte und des Teufelsbruches hinzuweisen scheinen. Gegenwärtig heißt der hier gemeinte Wall, dessen Rand durch eine Brustwehr erhöht ist, und der überhaupt ganz das Ansehen unserer heidnischen Burgwälle hat, der "Radegast", ist auch nach Aussage alter Zeugen, namentlich einer 93 jährigen Frau, seit Menschengedenken so genannt worden. Vor dieser Zeit aber, wo es Niemandem einfiel, die Riedegost= oder Radegast=Burg in der Herrschaft Penzlin zu suchen, wenn auch hin und wieder schon lange Zeit zuvor an die Burg Prillwitz gedacht ward, fehlte es an jeder Veranlassung zur Erfindung dieses Namens, der mithin sicher alt und echt ist. Auf der Karte ist kein Name angegeben; der unmittelbar vor der Halbinsel liegende Ackerschlag aber heißt hier die Pferdekoppel, vielleicht zufällig, vielleicht aber auch mit Bezug auf eine nun wohl verschollene Sage. Könnte auf diesem Walle etwa gar die Kontine 1 ) des heiligen Rosses gestanden haben? Aber welchen Zweck die Anlage auch gehabt haben möge, der Name Radegast für eine Oertlichkeit innerhalb des Bezirks, in welchem ich schon vor Jahren das Heiligthum der Gottheit dieses Namens suchen zu müssen glaubte, ist unter allen Umständen von hoher Bedeutung 2 ).

Eine zweite aus derselben Quelle stammende Nachricht über eine neuere wichtige Entdeckung auf der Feldmark Wustrow selbst scheint dagegen auf Irrthum zu beruhen. Darnach sollte nämlich eine Höhe in der Nähe des Tollenser Sees noch heute den Namen Tempelburg führen. Nach eingezogener weiterer Erkundigung ist hiervon jedoch in der Gemeinde von Alt=Rehse, dem Pfarrdorf von Wustrow, nichts bekannt, da auf der ganzen Feldmark vielmehr nur 2 namhafte Höhen existiren, der "spitze Hügel" und der "Patterietenberg", beide vermutlich heidnische Grabhügel. In dem erstern, welcher in der Nähe der Wustrower Forst, unfern der Tollense liegt, und neuerdings mit 7 Friedenslinden bepflanzt ist, ward früher eine Aschenurne gefunden. In dem zweiten Hügel


1) Vgl. unten über das Heiligthum Konow.
2) Die erste Kunde von dieser Entdeckung verdanke ich meinem Collegen, Herrn Archivar Dr. Wigger, nach mündlicher Mittheilung des Herrn Reichsfreiherrn v. Maltzan auf Schloß Penzlin, welche später durch den Herrn Staatsminister Freiherrn von Hammerstein zu Neu=Strelitz aus eigener Anschauung bestätigt ward.
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nahe an der Feldmark Zipplow, auf welchem große Feldsteine regellos durch einander liegen, ward zwar bei einer neuern Nachgrabung nichts gefunden, doch ist derselbe anscheinend schon früher durch Schatzgräber, welche hier schon im 16. Jahrhundert hausten, ausgebeutet worden 1 ).

Die Acten dieser Zeit berichten nämlich über eine Sage von der Bergung eines Schatzes in eben dieser Gegend hart neben dem ehemaligen Bauhof Wustrow am Ufer des Sees, der Tempelburg gegenüber. In einem erbitterten Prozesse des Claus Barenfleth zu Hohen=Werder - er wohnte auf einem Hofe am Ufer des Stadtsees, dessen Ueberschwemmungen ausgesetzt, - wider Jürgen Maltzan vom Jahre 1530 ff. behauptet Kläger, daß der Vater seines Gegners, der verstorbene Bernd Maltzan, ihn unter andern Vergewaltigungen auch eigenmächtig aus dem Besitze seiner Hälfte der Feldmark Wustrow gesetzt habe. Die Feldmark wird hier zugleich wiederholt als wüst und mit Wald bewachsen (also als ein sogenanntes "Holzgut") geschildert. In den Klageartikeln 14 u. 15 heißt es dann: "Ed hefft sick begeven, dat etlike Lude sint gekomen vp die wuste Veltmark Wustrow, wo vormelt, hebben dar gegraven nha etliken verdecketen Schatze, welks vp dem meynen geschehen." Bernd Maltzan, wird dann weiter behauptet, habe die Schatzgräber greifen lassen und ihnen die nach damaligem Geldwerte bedeutende Summe von 140 Gulden abgepreßt, auch später 3 Mal selbst nach dem Schatze graben lassen, wie Kläger vermuthet, nicht ohne Erfolg. Beklagter giebt die Thatsache des Schatzgrabens zu, behauptet aber, daß dasselbe auf dem Maltzanschen Antheile an Wustrow, hart am Thorwege seines Bauhofes, geschehen sei, und hätten die Bauern die Schatzgräber gefangen und abgeliefert. Was weiter geschehen, will er nicht wissen, da er selbst zu der Zeit im Auslande gewesen sei. Diese Geschichte beweist jedenfalls, daß mindestens schon im Anfange des 16. Jahrhunderts Sagen über einen bedeutenden Schatz in Wustrow allgemein verbreitet waren, so daß fremde Schatzgräber angelockt wurden, denselben zu heben, was uns einen gewiß interessanten Blick auf die Meinung des Volkes über die frühere Bedeutung dieser Oertlichkeit thun läßt.

Von ganz besonderem Interesse aber scheint mir diese Entdeckung mit Rücksicht auf die angeblichen Prillwitzer


1) Mein gefälliger Berichterstatter ist der Herr Pastor Hilbenz zu Alt=Rehse, dem ich für seine freundliche Mittheilung hiemit nochmals meinen besten Dank sage.
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Götzenbilder in der großherzoglichen Alterthumssammlung zu Neustrelitz zu sein. Aus der ausführlichen Geschichte dieser Bilder von dem stets besonnenen Forscher Fr. Boll zu Neubrandenburg ergiebt sich nämlich, daß noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die Sage von einem großen an den Ufern des Tollenser Sees verborgenen Schatze ging und namentlich von einem in dem See selbst versenkten goldenen Götzenbilde 1 ). Die Vermuthung eines Zusammenhanges dieser letztern Sage, welche ganz ohne Zweifel die Veranlassung jener großartigen Fälschung geworden ist, mit derjenigen über den Wustrower Schatz aus dem 16. Jahrhundert liegt aber so überaus nahe, daß sie kaum abzuweisen sein dürfte. Nur die Stätte, wo dieser Schatz verborgen sei, war in der Zwischenzeit nach Prillwitz verlegt worden, nachdem man sich gewöhnt hatte, die dortige mittelalterliche Burgruine als die Trümmer des berühmten Tempels zu Rethra zu betrachten. Demnach würde uns diese neuere Sage zugleich eine willkommene Aufklärung über die eigentliche Beschaffenheit des bei Wustrow gesuchten Schatzes geben.

Ueber die Beschaffenheit der kleinen Tempelinsel selbst, welche in älterer Zeit vor Aufstauung des Wassers durch die Brandenburger Mühlenanlagen größer gewesen sein dürfte, habe ich auch jetzt bei fortgesetzter Forschung keine entscheidende Nachrichten aufgefunden. Im 17. Jahrhundert hieß sie schlechthin der Tollenser Werder, und ward von den Brandenburger Fischern als Stationsort auf der Fahrt nach der Lieps benutzt, welche z. B. 1604 verabredungsmäßig dort während der Nacht zusammentrafen, um am Morgen gemeinschaftlich in die Lieps zu fahren, wo sie Streit mit den Bauern hatten. Der Tollenser See nebst der Lieps mit allen darin befindlichen Inseln und dem flachen Vorlande an beiden Ufern, "soweit die Schölung reicht", oder "soweit die Bulgen schlagen", wie es in einem Zeugenverhöre von 1616 heißt, war nämlich der Stadt Brandenburg bald nach ihrer Gründung von dem Kloster Broda abgetreten, welche sehr eifersüchtig über ihre Rechte wachte. Auch der Lehnbesitzer von Wustrow war daher nach den Acten nicht berechtigt, an dem Ufer fischen oder Rohr schneiden zu lassen, ohne des Rathes sonderbare Erlaubniß, welche dieser nicht ohne Gegenleistung zu ertheilen pflegte. So wird z. B. über einen Fall aus dem Jahre 1613, der für uns nicht ohne Interesse ist, durch einen Zeugen berichtet, daß Lütke Maltzan


1) Jahrb. XIX, 168 ff., besonders S. 174, 179 a. E. und 182 a. E.
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zu Wustrow für die Erlaubniß des Rohrschneidens an seinem Ufer dem Rathe gestattet habe, "etliche Erde vom Reseschen Felde (an der Grenze von Wustrow), woselbst er (Maltzan) seine Bauern gehabt, zu nehmen, um den Werderschen Doen (!) damit auszubessern." Das Wort "Doen" ist aber unsicher und scheint Spuren einer Correctur zu haben. Wahrscheinlich soll es Dam heißen, was auf die Existenz künstlicher Erdarbeiten auf der Insel hinweisen würde, welche der Rath zu Gunsten der Stadtfischer, welche hier wenigstens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auch ein Häuschen besitzen, zu erhalten wünschte.

Eine besondere kurze Hervorhebung scheinen noch die Schlußworte in der Rethra betreffenden Stelle Thietmars über eine alte heidnische Sage zu verdienen, die ich früher ganz übersehen habe. Darnach herrschte nämlich bei dem wendischen Volke der Aberglaube, daß bei dem drohenden Ausbruche eines bedeutenden kriegerischen Aufstandes mit seinen wilden Schrecken ein mächtiger Eber mit glänzenden Hauern aus den schäumenden Wellen des den Tempel umgebenden Sees emportauche, und sich vor den Augen der Menge, die furchtbaren Glieder schüttelnd, in dem benachharten Wale ergötze 1 ). Diese Erzählung erinnert an die Eberbilder, als kriegerische Insignien der Aestyer, eines höchst wahrscheinlich lettischen Volkes an der Bernsteinküste des heutigen Preußens und Esthlands, welche nach Tacitus die Mutter der Götter (matrem Deum) verehrten, wofür aber eine Wiener Handschrift den Gott Mars (Martem Deum) substituirt 2 ). Wäre dies die richtige Lesart, so hätten wir hier bei der nahen Verwandtschaft der lettischen und slavischen Mythologie die älteste Nachricht über die Gottheit Arkonas und Rethras. Auch bei den Römern ward dem Heere in älterer Zeit unter den Kriegsinsignien das Bild des Ebers vorgetragen, vielleicht wegen der schwert=


1) Testatur idem antiquitas errore delusa vario, si quando bis seva longae rebellionis asperitas immineat, ut e mari predicto aper magnus et candido dente e spumis lucescente exeat, seque in volutabro delectatum terribili quassatione multis ostendat. Die Versuchung ist zu groß, als daß ich ihr Widerstehen könnte, auf die überraschende Aehnlichkeit dieser Erzählung Thietmars mit meiner Erklärung des von Boll erwähnten Bacherwalls durch volutabrum apri beiläufig hinzuweisen, ohne aber im Ernste den Namen dieser Oertlichkeit auf die Sage Thietmars zurückführen zu wollen. Grimm kennt übrigens nur Bache, masc. u. fem., nicht Bacher, was ich z. B. bei Evers deutsch=engl. W. B. finde, vermuthlich niederdeutsch.
2) Tacit. Germ. c. 45.
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ähnlichen Hauer dieses kräftigen Thieres 1 ). In der nordischen Mythologie dagegen erscheint der Eber als das schnelle Roß Freiers, des Gottes des Friedens und der Fruchtbarkeit, und die Goldborsten dieses Rosses erhellen die Nacht gleich dem Tage. Doch scheint das Eberbild auch in der Julnacht, dem Feste Othins, eine Rolle zu spielen.


2) Die Grenze des Gaues Beseritz und eines Theiles von Stargard gegen Tolenze und Pommern bis zum Galenbecker See.

An die nordöstliche Spitze des Redarischen Tempelgaues Wustrow bei der Mündung des Fischstromes in die Tollense schließt sich der jenseits, d. h am rechten Ufer des letztern Flusses, gelegene kleine Gau Beseritz unmittelbar an. Derselbe gehörte, gleich Wustrow, im Mittelalter zum Bisthum Havelberg und wird in dem Vertrage von Kremmen von 1236 gleichfalls als Nebenländchen von Stargard durch Pommern an Brandenburg abgetreten, war also in älterer Zeit ohne Zweifel ein Redarischer Gau. Er wird ringsum von sumpfigen Niederungen eingeschlossen, weßhalb er seit dem 15. und 16. Jahrhundert der Werder genannt wird, und umfaßt wenig mehr als 3 Quadratmeilen mit 21 Hauptdörfern. Hier interessirt uns nur die äußere Grenze.

Diese folgte zunächst noch gegen die alten tholenzischen Gaue Gotebant und Treptow dem Flusse Tollense. Gleich zu Anfang dieser Linie, jedoch nicht hart an der Grenze, sondern etwa eine halbe Meile davon entfernt, finden wir ein merkwürdiges alterthümliches Werk, die sogenannte Ravensburg. Sie liegt auf dem Wege von Neubrandenburg nach Ihlenfeld, jenseits des Datzebaches, also schon auf Beseritzer Gebiet, in einem uralten Walde auf einer Horst in tiefem Bruche und besteht aus 3 Wallgräben, von welchen der innere ringförmig ist, und 294 Schritt im Umfange hat, die beiden äußern aber sich halbkreisförmig an jenen ansetzen, und nur zur Verstärkung desselben, namentlich zum bessern Schutze des Einganges, dienen. Die Umwallung verdankt ihren Namen der früher herrschenden Ansicht, daß die Burg des Ritters Albrecht v. Raven, des Erbauers der Stadt Neubrandenburg 1248, auf ihr gestanden habe, stammt


1) Plin. H. N. X, 4.
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aber nach den neuesten Untersuchungen sicher aus der heidnischen Zeit, und war entweder zu religiösen Zwecken bestimmt, also eine Tempelstätte oder Opferplatz des Gaues Beseritz, oder sie war ein sogenanntes receptaculum, eine Zufluchtsstätte der Umwohner in Zeiten der Kriegsnoth. Für diese letztere Annahme entscheidet sich unser Boll, da selbst der innere Hauptwall alte heidnische Grabhügel durchschneide und somit der jüngern Wendenzeit angehöre. Nach Boll's Fundbericht scheint es indeß nicht ganz sicher zu sein, ob die aufgefundenen zahlreichen Urnenscherben und Kohlen wirklich von Graburnen und Leichenbränden herrühren. Die vielen Thierknochen, welche sich zwischen den Kohlen fanden, und die Großartigkeit der ganzen Anlage scheinen wenigstens den Wunsch einer nochmaligen Untersuchung mit Benutzung der inzwischen gesammelten Erfahrungen zu rechtfertigen 1 ).

Jenseits des meklenburgischen Dorfes Neddemin (Nieder=Min, im Gegensatz zu Hohen=Min), bei dem sogenannten "Stad", oder "Stadt zu Neddemin", der Feldmark der pommerschen Stadt Treptow gegenüber, verläßt die Grenze den Tollensefluß und wendet sich nordöstlich einem tiefen, breiten Wiesenthale zu. Von hier ab folge ich dem überaus sorgfältig ausgearbeiteten Berichte des einer herzoglichen Commission zur Untersuchung der Landesgrenzen als Sachverständiger beigeordneten herzoglichen Mathematikers Tilemann Stella vom Jahre 1578, womit auch der ältere, aber nicht so ausführliche Bericht des Licenciaten Erasmus Behm und des Secretairs Johann Koch von 1553 in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt. Darnach mündete bei der genannten Malstätte ein das Thai herabkommender Bach, die "Halebeke" genannt, in die Tollense, war aber künstlich zu einem breiten und tiefen Graben erweitert, welcher von jeher den Namen eines Landgrabens geführt hatte und die anerkannte Landesgrenze bildete. Dieser Landgraben reichte indeß nur etwa bis zu der Feldmark Dalen hinauf, weiterhin, wo das Grenzbruch weiter und tiefer ward, hatte man den Graben, der hier zur Landesvertheidigung allerdings weniger nothwendig schien, fast ganz zuwachsen lassen, in Folge dessen es nicht an Grenzstreitigkeiten der beiderseitigen Dörfer fehlte.

Auf der Feldmark des Dorfes Beseritz selbst, welches dem Gau den Namen gegeben, sind die Wälle der alten Gauburg in dem erwähnten tiefen Sumpfe noch heute er=


1) Jahrb. V, 110 ff. (mit einer Steindrucktafel) und VI, 78.
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kennbar, und unter dem Namen Mühlenberg bekannt 1 ). Diese Burg, deren unsere commissarischen Berichte nicht gedenken, wird hier die Hauptschutzwehr der Grenze gebildet haben. Später ward statt dessen zu Schwanebek ein festes Schloß erbaut, welches aber nach den Bestimmungen des Templiner Friedens zwischen dem Herrn Heinrich von Meklenburg und dem Markgrafen Waldemar am 25. Novbr. 1317 wieder abgebrochen werden mußte 2 ). Oberhalb Beseritz, ungefähr an der Scheide mit Schwanebek, beginnt in der mehrgedachten sumpfigen Niederung, die hier in dem Berichte des Erasmus Behm die Mudelwisch heißt, ein neuer Landgraben, der durch einen kleinen in der Nähe von Bresewitz entspringenden Bach gespeist wird, den Tilemann Stella gleichfalls die Modell nennt, aber irrig mit der gleich zu erwähnenden kleinen Tollense identificirt 3 ). Die gedachte Modell oder der Landgraben vereinigt sich nämlich nach kurzem Laufe gegen Nordwest mit einem ziemlich bedeutenden Bache, welcher in der Nähe von Neubrandenburg in der Niederung bei Warlin und Glieneke, in der auch der Datzebach seinen Ursprung hat, entspringt 4 ), nordöstlich nach Friedland strömt, dann aber, in einem ziemlich scharfen Winkel sich nach Nordwesten wendend, bei dem Schlosse Klempenow und dem Dorfe Golchen in die Tollense mündet, und nach unsern Berichterstattern in seinem untern Laufe längs der Grenze gleichfalls die (kleine) Tollense genannt ward. Unmittelbar vor dem Zusammenflusse dieser kleinen Tollense mit dem Modellbach befindet sich, auf der ganzen bisher beschriebenen Linie von etwa 3 Meilen, der erste Grenzpaß des Landes Beseritz, und zwar an der Straße von Friedland über die Modell in den alten Tholenzergau Treptow (Treptower Werder). An dieser "Modell=Furt" lag nach Erasmus Behm "ein doppelt begrabener Wall", der "Priester=Thorn" (Thurm) genannt, wo vor Zeiten ein Meklenburgischer Zoll gewesen sein solle. Nach Tilem. Stellas nicht ganz klarer Schilderung war die Furt etwa 30 Ruthen lang,


1) Boll, Gesch. von Stargard I, 49.
2) Boll a. a. O. I, S. 243-244.
3) Erasm. Behm und Tilem. Stella stehen in Bezug auf die Benennung und den Lauf dieser kleinen Gewässer mehrfach in Widerspruch, letzterer aber auch zugleich mit sich selbst. Behm war aus Neubrandenburg und scheint genauere Localkenntniß besessen zu haben.
4) Die Datze heißt in einem Zeugenverhör von 1552 die Dartze, oder Dassebeck. Andere Zeugen nennen das ganze Wiesenthal von Friedland nach Neubrandenburg "die alte Rahne".
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auf welcher Strecke der Grenzbach durch sie hindurch stoß, indem auf jeder Seite ein Berg aufgegraben war, worauf vor Zeiten diesseits eine Meklenburgische, jenseits eine Pommersche Zollbude gestanden haben solle, doch sei die letztere erst später von den Schwerinen, nicht dem Landesherrn, willkürlich errichtet worden. Nach diesen Schilderungen glaube ich dem Modell=Paß mit dem Priesterthurm ein hohes Alter zuschreiben zu müssen, wenn es auch zu gewagt erscheinen sollte, den Namen Modell auf das Slavische: modla, Götze, Götzenbild zurückzuführen und an irgend einen Zusammenhang mit dem Priesterthurm zu denken. Zu erwähnen ist noch eines "großen und ansehnlichen Waldes", welcher sich auf pommerscher Seite vor dem Passe ausbreitete, und sich zugleich ziemlich weit an der kleinen Tollense hinauf zog. Er hieß der Ropenack, welchen wahrscheinlich gleichfalls wendischen Namen man damals im Volke daher ableitete, "weil in dieser Gegend weit und breit kein Paß existire, sonderlich zu Roß, habe man sich an dieser Furt einander auf den Dienst gepasset und sich die Köpfe zerschlagen, was man zu der Zeit den Nacken ropen genannt."

Von diesem Passe wendete sich die Grenze südöstlich an der kleinen Tollense hinauf, an deren jenseitigem Ufer im 12. Jahrhundert die kleinen Gaue Plothe, Mizerez, Grozwin (Cithne), Wanzlow und Wostrozne als Nachbaren der Tholenzer und Redarier genannt werden, offenbar Trümmer einer zerfallenen größern Herrschaft, die früher mit den Ukrern und Wulinen zusammen eine besondere Woiwodschaft gebildet, dann unter der Herrschaft Krutos zu Rügen geschlagen sein mögen, nach dem Auftreten Bolezlaws von Polen an der Oder aber zu Pommern gerechnet wurden, und noch jetzt zu der Provinz Vorpommern gehören. In kirchlicher Beziehung ward diese Landschaft zuerst zum Havelberger Sprengel gelegt, 1170 ward Plothe, 1186, 89 und 97 auch Mizerez und Wolgast zu Schwerin gerechnet, bis später die ganze Landschaft an Camin überging.

In den Wiesen an dem gedachten Flusse, der von Til. Stella auch als Landgraben bezeichnet wird, in der Nähe des Stargardschen Dorfes Ramelow lag ein alter, stattlicher und sehr hoher und steiler Burgwall, rings von einem Wassergraben umschlossen, anscheinend der auf den neuern Karten als ein kreisförmiger Graben gezeichnete Rohrteich, welcher früher das Haus Ramelow geheißen und meklenburgisch gewesen sein solle, damals aber als zu Robelow in Pommern gehörig, im Besitze des Ulrich Schwerin

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zu Spantekow und Putzar war. Von diesem Hause ging die Sage, daß es den Bertekowen gehöret, und während einer Belagerung von dem "Schlüter Stoffregen" den Feinden verrathen sei, weil er seine Besoldung nicht erhalten habe. Diese Feinde sind ohne Zweifel die Brandenburger unter dem Markgrafen Waldemar, während der sogenannten Markgrafenfehde 1315-17, denn unter den festen Schlössern, welche nach dem Templiner Frieden gebrochen werden sollten, befand sich neben Schwanebeck auch Ramelow. Ein eigentlicher Paß nach Pommern befand sich hier nicht, doch führte ein Steindamm von Ramelow durch die Wiese zur Burg und weiter nach Robelow hinüber. Die Bauern zu Ramelow hatten auch ein wüstes Feld Wendorf unterm Pfluge, vermuthlich das alte wendische Dorf Ramelow. Ob auch der Burgwall schon zur Wendenzeit existirte, und später zu der Erbauung des Schlosses benutzt ward, könnte nur etwa durch Localuntersuchung entschieden werden.

Der nächste Grenzpaß, und zwar der erste und Hauptpaß auf der ganzen Linie gegen Pommern, befindet sich dort, wo die kleine Tollense unter dem Namen der Friedländer Bek zwischen den Ländern Stargard und Beseritz von der Stadt Friedland herabkommend, gegen Nordwesten umwendend, zuerst die Landesgrenze berührt. Hier befindet sich nämlich der Friedländer Kavel=Paß, nach Erasm. Behms Angabe ein Damm vor der Brücke über den Grenzgraben, also eine Art Brückenkopf, wo die Stadt zugleich einen Zoll erheben ließ. Auch Til. Stella nennt denselben ein mit einem Wassergraben umgebenes Zollhaus, und erwähnt zugleich auf der Pommerschen Seite, etwa einen Morgen von der Brücke entfernt, links von der Landstraße eines "kleinen Bergleins oder Walles, worauf in alten Jahren auch eine Zollbude gestanden." Diese moderne Erklärung der alten Borgfrieden für bloße Zollbuden im 16. Jahrhundert, der wir schon öfter begegnet sind, scheint aber in diesem Falle urkundlich widerlegt zu werden. Am 19. Apr. 1306 verglichen sich nämlich Herzog Otto von Pommern und Herr Heinrich von Meklenburg über das anscheinend von dem letztern auf der Grenze erbauete Schloß Kogel (stede vnde hus to der Koghelen), welches derselbe bedingungsweise zu brechen und keine andere Feste auf der Grenze wieder zu bauen verspricht, wogegen auch die von Schwerin auf Putzar den von ihnen begonnenen Bau nicht fortsetzen sollten. Doch sollte es ihnen verstattet sein, einen Bergfrieden von 4 Ruthen ohne Graben auf schlichter Erde anzulegen. Es ist nicht

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zu bezweifeln, daß sich dieser Streit auf den Friedländischen Kavelpaß bezieht, dessen ursprüngliche Bedeutung dadurch vollkommen klar wird 1 ).

Von dem Friedländer Kavelpaß ab wird die Grenze zwischen Pommern und dem eigentlichen Stargard, dem Kern des Redarierlandes, das aber im Alterthum wohl in mehre kleinere Gaue getheilt sein mochte, weiter durch einen Bach gebildet, welcher unter dem Namen Augbeke oder Augang in der Fortsetzung desselben Wiesenthales zu dem See bei Putzar abfloß. Dieser Bach war aber durch Kunst zu einem breiten Landgraben erweitert, auf dessen beiden Seiten "ein stattlicher, ansehnlicher Wall" aufgeschüttet war. An jenem See lag auf pommersche Seite das feste Schloß Putzar des Ulrich Schwerin, diesseits aber auf der Feldmark des Friedländer Stadtdorfes Schwichtenberg lag im Wiesengrunde ein hoher, jetzt mit Holz bewachsener Burgwall, der Ritterstab genannt, unter welchem sich ein Keller befand, und von welchem ein alter Graben in den See führte, der früher zur Hälfte zu dieser Burg gehörte. Auf diesem Walle sollten vor Alters die Dollen gewohnt haben, nach anderer Angabe aber wäre Schwichtenberg vor Erwerb durch die Stadt im 13. Jahrhundert ein v. Borksches Lehn gewesen 2 ).

Jenseits des Putzarschen Sees setzte sich dieser Landgraben weiter gegen Osten fort, indem das Wasser seit alten Zeiten durch die Friedländer Große Wiese in den Galenbeker See lief. Vor einigen Jahren hatte aber nach Til. Stella (Erasm. Behm weiß davon noch nichts) Ulrich v. Schwerin den Graben, der hier wohl eine Ruthe, und wenn er ordentlich geräumt würde, wohl zwei Ruthen breit war, auf einer Strecke von 3 Ruthen durch Versenkung großer Steine und Aufschüttung von Sand, 19 Ruthen weiter hinunter aber nochmals durch ein Pfahlwerk 1 Ruthe weit verstopfen lassen. Dadurch war der Spiegel des Sees um 2 Fuß aufgestauet, und das Wasser gezwungen, seinen Lauf durch eine neu angelegte Mühle über Schwiggerow, Doggerow und Buggewitz in das frische Haff zu nehmen. Vor dieser Neuerung zog sich die


1) Mekl. U.=B. V, Nr. 3084. - Die Buchstaben v und g gehen gerade in diesem oft vorkommenden Namen wiederholt in einander über. Kawat wird im Böhmischen eine besondere Art von Befestigungen genannt.
2) Beide Angaben werden übrigens durch die Kaufbriefe von 1288 und 1296 nicht bestätigt. Mekl. U.=B. III, 1288 und 2413.
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Grenze längs des Grabens zunächst zu dem kleinen, noch zu Schwichtenberg gehörigen, jetzt bereits größten Theils versumpften See Lubichow, neben welchem ein "Furtt" und eine Landstraße durch die Loitzer (Lowitzower) Horst nach Pommern führte. Ueber einen Bergfrieden zur Vertheidigung dieses zweiten unbedeutendern pommerschen Passes ist nichts bekannt.

Von dem Lubichower See ab breitet sich die sumpfige Niederung, welche jetzt die Friedländer Große Wiese heißt, östlich um den Galenbeker See herum mehr und mehr aus und ist fast eine Meile breit. Auf dem pommerschen Antheil dieser Niederung befand sich ein 10 Morgen großes Buchholz, das Loch oder mit einem wendischen Namen Ozernemutz genannt. Der friedländer Antheil scheint zwar durch den Fleiß der Bürger größtentheils ausgerodet gewesen zu sein, doch wird die Gegend zu beiden Seiten der Grenze als eine ungeheure, unzugängliche Wildniß und "Bärenlager" geschildert. Durch diese Wildniß zog sich nun nach Angabe der Friedländer der alte Landgraben durch 2 kleine Werder, den Hopfenhorst, über welchen der Ketzersteig nach Demmenitz führte, und den Kohlhof, ferner an den Lindsteter Ort und die Jägereiche, wo vor Zeiten ein meklenburger Herzog gestorben sein soll. In der Nähe des Brandenburgischen Dorfes Zarow, 1 Meile nordöstlich vom Galenbeker See, stieß derselbe im spitzen Winkel auf den gleichnamigen Fluß, der hier die Grenze gegen die Ukermark bildet. Diese Grenze scheint der noch heute geltenden so ziemlich zu entsprechen, der Bericht Til. Stellas giebt aber zu, daß auf dieser Strecke von dem alten Landgraben, der angeblich in Folge der gewaltsamen Zustopfung durch Ulrich v. Schwerin sehr versumpft und fast zugewachsen sein soll, nur noch an wenig Orten eine Spur zu entdecken sei. Allein schon Erasm. Behm weiß hier überall nichts von einem Graben, sondern giebt nur Grenzmale an und Til. Stella selbst sagt schon in einem Specialbericht von 1572, daß der Graben nunmehr zugewachsen sei, obgleich die Friedländer 2 Jahre früher längs der von ihnen behaupteten Grenze eine Schnese durch den Bruch gehauen hatten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der Landgraben nur bis zum Lubichow=See gegangen sei, von wo aus der ihn speisende Bach vielleicht direct in den Galenbeker See lief. In der beschriebenen großen und unzugänglichen Wildniß aber wird man in älterer Zeit keine bestimmte Grenzlinie für nöthig erachtet haben. Sie bildete eben selbst die Grenze.

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Galenbek selbst, am Südufer des gleichnamigen Sees in einer Wiese erbauet, war in älterer Zeit vielleicht gleich Schwanebek, Ramelow und Schwichtenberg eine fürstliche Burg. Es wird zuerst 1277 genannt, wo die Markgrafen von Brandenburg und Fürst Witzlav von Rügen eine Zusammenkunft daselbst hielten, und 1298 schenkte Markgraf Albrecht dem Kloster Wantzka 36 1/2 Schillinge aus seiner verhältnißmäßig sehr geringen Hebung daselbst von 18 1/2 Pfund. Seit dem Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag ist es urkundlich ein Lehn des aus Lüneburg, Lauenburg und Danneberg nach Stargard eingewanderten alten Geschlechtes der v. Rieben, hatte aber noch im 16. Jahrhundert insofern eine privilegirte Stellung, als es von der Bede und sonstigen fürstlichen Hebungen befreiet war. Die mittelalterliche Burg Galenbek ward im Jahre 1440 von den Brandenburgern erobert, aber bald darauf zurückgegeben, und 1453 von den Stralsundern zerstört. Sie muß nach den noch vorhandenen romantischen Trümmern sehr fest gewesen sein, und ist nach der Beschaffenheit der sie umgebenden Wälle und Gräben wohl sicher auf schon vorhandener heidnischer Grundlage gebauet 1 ). Der Ort spielte auch schon seit alter Zeit eine hervorragende Rolle, da sich selbst heidnische Sagen daran knüpfen. Vom diesseitigen Ufer, in der Nähe der Burg, ragt nämlich unter dem Namen der Teufelsbrücke ein nicht vollendeter Damm bis über die Mitte hinaus in den See, in der Richtung auf eine gegenüberliegende Halbinsel, auf der einst eine Kapelle gestanden haben soll. Diesen Damm soll nach der Sage der Teufel in Folge eines Bündnisses mit dem wilden Bauern Petzow in einer Nacht aufgeschüttet haben, indem er im Sturme uralte Bäume entwurzelte und gewaltige Steinblöcke in die Tiefe schleuderte, aber durch die List der frommen Geliebten des Bauern, Noinewskow, welche vor Anbruch des Tages die Hähne des Dorfes weckte, das Werk unvollendet lassen mußte 2 ). Ein Paß nach Pommern befindet sich in dieser Gegend nicht. Die erwähnte Halbinsel mit der Kapelle am jenseitigen Ufer des Sees hinter dem


1) Jahrb. XIX, 340.
2) Meklb. Sagen von Studemund III, No. 6, S. 45. Diese Teufelssage, den vielfachen heidnischen Riesensagen entsprechend, ist echt und wird noch jetzt im Volke erzählt. Die slavischen Bauernnamen gehören aber natürlich zu den Ausschmückungen, wodurch der poetische Verfasser seine Erzählungen interessanter zu machen glaubte.
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dichten Urwalde und die daran haftende Teufelssage ist aber sehr geeignet, dort ein pommersches Heiligthum vermuthen zu lassen.


3) Die Grenze gegen die Ukermark von Zarow an der Friedländischen Wiese bis zur Havel mit dem Heiligthum Konow.

Das schon im vorhergehenden Abschnitte genannte Flüßchen Zarow, Zerow oder Zerue, welche Namen während des 16 Jahrhunderts selbst in gleichzeitigen Acten wechseln, entspringt im Lande Stargard theils aus dem Zarowbruche südöstlich von dem Dorfe Golm, theils aus dem nahegelegenen Netze=See, und mündet bei dem Dorfe Galenbek in den Galenbeker See, an dessen Westende dasselbe wiederum ausfließt, und in südwestlicher Richtung seinem Mündung in das kleine Haff nahe bei Ukermünde zuströmt. Der Fluß bildete seit alten Zeiten 1 ) von seiner Mündung aufwärts bis zu dem Dorfe Zarow die Grenze zwischen der Ukermark und Pommern, von Zarow ab aber, wo die beschriebene Pommersch=Stargardische Grenze ihn im spitzen Winkel berührt, bildet er weiter aufwärts in der genannten Wiese durch den kleinen Bladensee und den Gießing oder Geseken bis nahe vor seiner Ausmündung aus dem Galenbeker See die Grenze zwischen Stargard und der Ukermark. Diese letztere kennen wir von dem genannten See ab bis zu dem Dorfe Wolfshagen nur aus einer kurzen "artikulirten Grenzbeschreibung" des uns schon bekannten Erasm. Behm von 1564 und einzelnen zerstreuten Nachrichten. Darnach verlor sich der kleine bei Neuensund entspringende Grenzbach, die Knüppelbeke, bevor er den Galenbeker See oder die Zarow erreichte, in dem sumpfigen Seeufer und der tiefen Waldung Schwarze Horst, so daß die Grenze hier schon früh streitig ward. Zwischen den Dörfern Neuensund in der Ukermark und Gehren oder Gören in Stargard, beide im Besitze der von Rieben, führte die Straße von Friedland in die Mark bei Bollbrücke in einer wüsten Haide über den Bach. Näheres ist über diesen ersten Paß in die Ukermark nicht bekannt.

An diesem Passe begann wiederum ein großer Landgraben, der von Jedermann als solcher anerkannt ward,


1) Wigger Mekl. Ann. 126, Not. 4.
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und sich ununterbrochen fast genau in der Richtung nach Süden bis zu dem See bei Schönhausen fortsetzte, an welchem Joachim Riebe ein neues, am Ufer des Sees gelegenes und von Höhen eingeschlossenes festes Haus gebaut hatte, wahrscheinlich auf alter Grundlage. An der Südspitze des Sees setzte sich der Landgraben weiter fort, über welchen hier hart am See der zweite Paß in die Mark führte, und der sodann durch das Hagerbruch und eine große Waldung, wo er ein "besonders vornehmes Ansehen" hatte, weiter durch den See oder Teich Oldenfliet und die Grepelkule in den See bei dem wüsten Dorfe Lawenhagen bei Straßburg floß. In diesem rund von Wald umgebenen See befand sich ein Werder, der Lange Wall genannt, welcher die Grenze bildete, so daß die wüste Feldmark zur Hälfte zu Stargard, zur andern Hälfte zur Ukermark gehörte, letztere aber wieder zwischen der genannten Stadt und den Rieben, welche auch die stargardsche Hälfte besaßen, getheilt war. Von dem See selbst gehörte nur etwa ein Drittel zu Meklenburg, welches am 24. Jun. 1569 durch Georg Glowen mit dem Schütt vor dem Grenzgraben, welcher hier ausdrücklich als eine Landwehr bezeichnet wird, an die Stadt Straßburg verkauft ward 1 ). Jenseits des Sees zog sich die Grenze durch eine große Wiese längs der Daberkower Waldung bis zu dem Rubenberge, an dessen Fuße der dritte Paß in die Mark durch die Langhägener Haide auf die Stadt Straßburg führte. Auf der andern Seite des Berges begann von Neuem ein großer aufgeworfener Landgraben und zog sich durch das große Langebruch und die Mildenitzer Haide unter dem Namen der Kerne in den Wulfshagener Haussee.


1) - - dat Schütt thom Lauenhagen, tho samt dem dritten dele des waters mydden im dyke bei an den groten Sten nach der Landwehr am dyke vnd von den grotten stene twer ewer an den Daberkow so wyt als dat water schleit, ock den Bomgarden vnd wat dar to belegen ysz, - - -, ock dat Schütte so hoch tho holdende, als wenn ein guth Mann vor dei Schüttes grundt up einen Parthe (perde, Pferd) sete und hefte einen glewinger stacken up den voth stehende.
Riedel Cod. Brand. A, 21, S. 504, No. LIV.
Schon 1502 Oct. 9 hatte die Stadt ein anderes Drittel des Sees nach der Kabelow hin von Hans v. Schwecheln erkauft, worüber der Markgraf Joachim am 20. Octbr. 1517 weinen Willbrief ertheilte. Riedel a. a. O. No. LII. u. LIII. Daß das oben beschriebene Drittel nach Meklenburg gehörte, folgt daraus, daß es von dem Daberkow, d. h. dem Walde dieses Namens, begrenzt ward. Der Willbrief der Herzoge von Meklenburg fehlt, und wird auch niemals ertheilt sein, da wir diesen Antheil bald darauf im Besitze der v. Rieben finden.
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Von hier ab sind wir wieder durch einen ausführlichem Bericht Tielemann Stella's von 1578, neben welchem die bisherigen Quellen fortlaufen, genauer unterrichtet. Seit 17 Jahren, also etwa seit 1560, war nämlich der Wasserstand der großen Feldberger Seen, welche nach diesem und andern älteren Berichten insgesammt nur einen einzigen höchst merkwürdigen unterirdischen Abfluß hatten, auf den ich noch zurückkommen muß, nach und nach so hoch gestiegen, daß bereits mehrere Gebäude zu Feldberg, Carwitz, Hanow und Fürstenhagen bedeutend gelitten hatten, und eine allgemeine Ueberschwemmung der Gegend zu fürchten war. Der Grund dieser Erscheinung lag theils in der Zuleitung neuer Quellen, z. B. durch die Warburge, welche zur Speisung einer neu angelegten Mühle am kleinen Luzin einen Canal in denselben gegraben hatten, theils und hauptsächlich in der Verstopfung jenes Abflusses, da die Beseitigung der künstlichen Zuflüsse ohne Erfolg blieb. Herzog Ulrich hatte daher Unterhandlungen mit dem Markgrafen Joachim angeknüpft, um dessen Einwilligung zur Ziehung eines Canales aus dem Zantes oder dem Dees=See in die nach dem Prenzlauer See oder der Havel abfließenden Gewässer zu erlangen. Da diese Verhandlungen sich aber immer wieder zerschlugen, so verlor Ulrich die Geduld und ließ den nur 45 Fuß betragenden Zwischenraum zwischen dem ganz zu Meklenburg gehörigen großen Zantes=See und dem gemeinschaftlichen Grenzsee Mellen, welcher 6 Fuß tiefer lag, am 24. Sept. 1578 durch ein Aufgebot von 400 Bauern eigenmächtig über theilweise brandenburgisches Gebiet in der Gegend von Funkenhagen durchstechen, um das Wasser in den Boitzenburger Haussee abzuleiten. Aber das Werk war noch nicht ganz vollendet, als die Brandenburger die Meklenburger Bauern durch ein noch stärkeres Aufgebot aus der Ritterschaft, den Städten und dem Domanium vertrieben, und den Canal in 12 bis 14 Tagen wieder zuwarfen. Diese merkwürdigen Vorgänge veranlaßten den Herzog unterm 12. Novbr. 1578, den Professor Dr. Laurentius Niebur, seinen Mathematicus Tilemann Stella und den Visitations=Secretair Dan. Clandrian schleunigst nach dem Schauplatz der Ereignisse zu senden, um die ganze Grenze gegen die Ukermark von Wolfshagen bis zur Havel hinunter genau zu untersuchen. Der hierüber nach genommenem Augenschein und Abhörung zahlreicher Zeugen aus allen Ständen unter Vergleichung mit den betreffenden Urkunden erstattete, von Til. Stella abgefaßte Bericht giebt uns denn über diese interessante Gegend höchst willkommene

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und vollständige Auskunft. Den betreffenden Acten ist zugleich ein für unsere Forschung überaus werthvoller Abriß der ganzen Grenze in einer sehr saubern Handzeichnung des Berichterstatters angefügt, der aber offenbar nicht auf einer vollständigen geometrischen Vermessung der Gegend beruht.

Kehren wir also jetzt zu dem verlassenen Grenzpunkte bei Wolfshagen zurück. Das alte feste Haus dieses Namens, im 14. Jahrhundert ein von Blankenburgisches Lehn, war ringsum von dem nicht unbedeutenden, auf der Grenze liegenden Haussee umgeben, über welchen von der stargardischen Seite her eine Brücke führte, vielleicht schon die noch jetzt stehende sehr alte Steinbrücke, früher aber gewiß nur eine Zugbrücke. Diese starke Grenzburg gehörte also sicher von altersher zu Stargard, während der größere Theil des damals wüsten Dorfes jenseit der Grenze lag. Zu beiden Seiten dieses Sees liegen wiederum 2, von der Burg aus leicht zu vertheidigende, durch das Dorf in die Mark führende Pässe, nämlich oberhalb des Sees das "Wasserfordt" über die erwähnte Kerne, unterhalb über einen Bach "Königsow", auch Königsstopp oder Königstopp genannt. Von hieraus folgt die Grenze dem letztern Bache aufwärts bis zu einem zweiten, wie der Bach selbst Königsow genannten Furt, durch welchen die Landstraße von Woldegk über Damerow nach Prenzlau führte, und weiter in den Damm=See, an welchem das jetzt preußische, damals noch stargardische, den von Blankenburg gehörige Dorf Hildebrandtshagen liegt. Auch die folgende, theilweise allerdings schon damals streitige Grenzlinie weist sehr bedeutende Abweichungen von der heutigen Landesgrenze zum Nachtheile Meklenburgs auf. An der entgegengesetzten, südwestlichen Spitze des Damm=Sees mündete die aus dem großen Warden kommende Möllenbek, über welche zwischen beiden Seen hindurch ein enger Grenzpaß zu dem nahe gelegenen märkischen Städtchen Fürstenwerder am Wardensee führte. Auf der Meklenburgischen Seite dieses Grenzsees lag eine ausgedehnte Waldung, welche auf der gedachten Karte als die Wüstenei bezeichnet, und von der Südwestspitze des Sees bis zu der Schmeere, einem den großen und kleinen Parmsee mit dem Wrechener See verbindenden Bache, durch einen "ansehnlichen großen und geduppelten Landgraben" gegen Brandenburg hin abgeschlossen ist. Es scheint, daß diese Wüstenei, welche in geringerem Umfange noch heute diesen Namen führt, sich damals nordöstlich bis nach Göhren hinauf zog, und die Feldmarken der sämmtlich

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Plan des Konower Werders.
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wüst liegenden Dörfer Lichtenberg, Naugarten, Grauenhagen (die Graue Kirche, anscheinend von der nahegelegenen Rothen=Kirche, beide mitten im Walde, verschieden) und Vogelsang einschloß.

Von dem Punkte ab, wo der gedachte Landgraben in den Schmeerbach mit seinen breiten sumpfigen Ufern ausmündet, gehen dann die Weisthümer der vernommenen Zeugen plötzlich in gerade entgegengesetzten Richtungen weit auseinander, so daß beide Grenzlinien, die sich erst in der Gegend von Carwitz wieder vereinigen, einen Flächenraum von etwa 2/3 Quadratmeilen umschließen, welcher sowohl nach der Beschaffenheit seiner durch Kunst und Natur sehr festen Grenzen, als nach den im Innern desselben erhaltenen eigenthümlichen Oertlichkeiten und Alterthümern alle charakteristischen Merkmale eines Wendischen Heiligthums an sich trägt, wie wir dieselben durch meine frühern Forschungen kennen gelernt haben 1 ). Der erste Zeuge Oswald v. Dören auf Wrechen zog nämlich die Grenze, in Uebereinstimmung mit den brandenburgischen Ansprüchen, von der Schmeerbrücke, einem "tiefen Furt" (auch Erasmus Behm setzt bei Erwähnung dieses Passes hinzu: "ist ein Fordt"), den Bach aufwärts nach Nord=Westen durch das kleine Schmeerbruch in einen großen, stattlichen Graben, durch Bruch und Wald, zuletzt aber über einen Berg an den von hohen Bergen umgebenen Wrechener See. Die Burg Wrechen (böhm. wrch, poln. wierzch: Berg) lag damals auf einer Insel oder landwärts durch eine Wiese vom festen Lande getrennten Halbinsel am Nordufer des Sees, welche in den Acten die Wieck genannt wird, und gegenwärtig unter dem Namen Schloßwerder in einen Park verwandelt ist. Am östlichen Ufer lag damals der "alte Hof", etwa das heutige Schönhof, neben dem jetzt wieder untergegangenen Neu=Wrechen der Schmettauschen Karte. Von dem heutigen Hofe Wrechen, bei Schmettau Alt=Wrechen, war im 16.


1) Man vergleiche bei der folgenden Beschreibung den beigegebenen Plan dieses Heiligthums, oder des Konower Werders. Derselbe ist eine Autographie aus der erwähnten Karte des Stella vom Jahre 1578 (nicht 1575) im verkleinerten Maaßstabe. Ich bemerke dabei, daß ein Morgen als Längenmaaß 30 Ruthen betrug. Ein Morgen Acker war nämlich 30 R. lang und 10 R. breit, hatte mithin 300 □ R. Flächeninhalt. - Die auffallenden Namensformen auf diesem Plane, z. B. Lötcher See, d. i. kleiner See, und Loezin (wie statt Loczin, Woezen statt Woczen zu lesen ist), d. i. Luzin sind auf Rechnung des Dialectes des Zeichners, Tilemann Stella van Siegen, wie er gewöhnlich schreibt, zu setzen.
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Jahrhundert noch keine Spur. Diese feste stargardische Grenzburg war schon im 15. Jahrhundert im Besitze der v. Dören. Im Jahre 1446 steckte Martin v. Dören dieselbe selbst in Brand, um sich der Belagerung durch das vereinigte Heer der Pommerschen Herzoge und ihrer Städte zu entziehen, worauf die Pommern sie vollends dem Erdboden gleich machten.

Von diesem See aus führte Zeuge seine Grenze wiederum durch einen großen und gedoppelten Graben oder vielmehr Wall fast gegen Süden neben der wüsten Feldmark Schaue hin, in das 3-4 Morgen lange und 1 Morgen breite Postmoor, zwischen welchem und einem kleinen See bei Werbende hindurch ein Paß über den Graben führte. Aus dem Postmoor floß sodann ein kleiner Bach durch einen gleichfalls gedoppelten Graben, welcher der Wendelstein genannt ward, in das Brandbruch und weiter in den kleinen Luzin=See. Zwischen jenem Bruch und diesem See befand sich der zweite Paß auf dieser Strecke, welcher die Landwehr oder der Landgraben genannt ward.

Nach diesem Weisthume wären also das Südufer des Wrechener Sees und die, gleich der ganzen Umgegend, wüsten Feldmarken Werbende und Fürstenau brandenburgisch gewesen. Erstere wollte v. Dören selbst vom Kurfürsten zu Lehn empfangen haben, letztere aber gehörte dem brandenburgischen Vasallen v. Arnim auf Boitzenburg. Dieser Behauptung widersprach aber nicht nur die herzogliche Commission auf Grund noch vorhandener Urkunden, sondern auch die ganze Bauerschaft der Umgegend. Letztere erklärte die freilich nicht wegzuleugnenden mächtigen Grenzwehren theils für bloße Feldscheiden, theils in Erinnerung der furchtbaren Raubfehden des verwilderten Adels im 15. Jahrhundert, welche die ganze Gegend in eine Wüste verwandelt hatten, für "Raubgräben" oder "Wehrgräben" zum Schutze gegen die Räuber. Die v. Dörensche Behauptung ward aber auch dadurch völlig hinfällig, daß sein Grenzzug am kleinen Luzin=See plötzlich abbrach, da von niemandem bestritten werden konnte, daß die nächst angrenzenden Dörfer Wittenhagen und Fürstenhagen, deren Feldmarken völlig offen und unbewehrt lagen, von jeher zu Meklenburg gehört hätten. In Wahrheit aber setzte sich der nicht zu verkennende uralte Grenzzug, welcher diesen Streit veranlaßt hatte, und dessen Bedeutung oben bereits angedeutet ward, augenscheinlich durch den kleinen und den flußartig sich windenden großen Luzinsee bis in den Carwitzer See fort, wo er mit der wirklichen Landesgrenze zusammen traf.

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Das Weisthum der meklenburgischen Bürger und Bauern (die Brandenburger entzogen sich dem Verhör) führte die Grenze nämlich von dem oben genannten Paß bei der Schmeerbrücke ab östlich durch das große Schmeerbruch bis an den kleinen Parmensee und von dort fast südlich, der Scheide zwischen Werbende und Parm, einer geknickten Landwehr, und dem mit Birken und Erlen bestandenen Hühnerbruch folgend, in einen doppelten großen Landgraben, der "gar tief, wohl 2 Ruthen breit, in der Mitte einen ansehnlichen Wahl" hatte. Dieser Graben reichte bis an den Kuhwerder, wo die Grenze von dem zweiten Paß, der Land= und Kreuz=Straße von Fürstenwerder nach Fürstenhagen und von Wrechen nach Boitzenburg, durchschnitten ward. Gleich jenseits dieses Passes begann ein anderer großer, aber einfacher und kurzer Graben mit aufgeworfenem Wall auf der märkischen Seite, durch welchen sich die Grenze in das nahe große Wehrwinkelbruch und weiter durch dasselbe hindurch in einem andern "großen und abermals doppelten, stattlichen Landgraben" an die Weggunsche Hege hinzog, zwischen welchen beiden Brüchen sich der dritte Paß befand. Hinter der Wegguner Hege begann abermals "ein geduppelter vnd ansehnlicher großer Landgraben", welcher der Schwarze Graben hieß und durch etliche kleine Lue hindurch in das Kinbruch führte. Von dem Kinbruch ging die Grenze weiter, immer durch einen doppelten Landgraben, in das Seebruch, in welchem ein kleiner See lag, die Kuhblesse genannt, und von dort durch ein langes schmales Moor, in welchem der vierte Paß lag, in den Krevitz=See und den langen Mellen. Beide Gewässer waren nur durch ein 30 Ellen langes Erlenbruch, durch welches der Krevitz=Bach floß, getrennt, auf welcher Stelle sich der fünfte Paß befand. Zwischen dem Mellen und dem nahen 6 Fuß höher liegenden Xantes, oder Zantes, oder Santes, jetzt der Carwitzer=See genannt, bestand keine Wasserverbindung. Doch nahm ein kleines Bruch den größten Theil des Zwischenraumes ein, welches an beiden Enden durch bedeutende Gräben mit den genannten Seen verbunden war. Der von dem Mellen=See bei dem Dorfe Funkenhagen ausgehende Graben war 2 Ruthen breit und "woll 2 Mann tief", aber einfach; der am Zantes=See dagegen wird als ein duppelter und großer Landgraben bezeichnet, an dessen Ende am Zantes sich ein "Furt" befand, "die Iserne Porte genannt." Durch beide Furte bei Funkenhagen und der Eisernen Pforte führten Straßen in das Innere unserer

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Landschaft, welche sich aber gleich darauf an der schmalsten Stelle zwischen dem Mellen und dem Zantes vereinigten. Dies ist die Landenge, welche Herzog Ulrich 1578 durchstechen ließ. Der darüber entstandene Streit mit dem Kurfürsten Joachim muß aber später gütlich beigelegt sein, denn der damals von den Brandenburgern wieder verschüttete Canal besteht gegenwärtig wirklich und ist mit einer Schleuse versehen, deren Wasserstand durch die Behörden beider Länder gemeinschaftlich regulirt wird 1 ). Auf diese Schleuse ist nunmehr der alte Name des Passes, Eiserne Pforte, übertragen. Vielleicht führte aber auch schon im Alterthume der ganze Engpaß zwischen beiden Seen, in welchen die durch die beiden Furte führenden Straßen zusammenliefen, diesen Namen, der um so merkwürdiger ist, als wir ihm schon oben bei der Hauptpforte in das Land Raduir begegneten. Uebrigens beschreibt schon Erasmus Behm 1564 diesen Grenzwall ganz ebenso, wie Tielemann Stella; doch hat er den Namen Iserne Porte nicht. Dagegen wiederholt ersterer seine Beschreibung desselben in einem nochmaligen umfassenden Grenzbericht von 1582 fast wörtlich, auch mit Angabe jenes Namens. Auch sind die sämmtlichen Zeugen über das hohe Alter dieses und der übrigen künstlichen Werke dieses Grenzzuges vollkommen einverstanden, und selbst Oswald v. Dören räumte ein, daß sie zum Theil wohl 100 oder 1000 Jahre gestanden haben könnten.

Von der Eisernen Pforte bis nahe vor Carwitz bildete der Zantes unbestritten die Landesgrenze und zwar so, daß der ganze See bis an das Thomasdorfer Ufer zu Meklenburg gehörte. Bei dem Kirchdorfe Carwitz (von charwa: Vertheidigung), wo dieser Grenzzug mit der oben beschriebenen Westgrenze zusammentrifft, führt wiederum ein Paß über den Carwitzer Bach in das Innere unsers Werders. Wir zählen daher immerhin auffallender, wenn auch zufälliger Weise im Ganzen wiederum 9 solcher Pässe, wie bei dem Raduir, nämlich Carwitz, Eiserne Pforte, Krevitzbach, Krevitzer Moor, Weggunsche Hege, Werwinkelbruch, Schmeerbrücke, Werbende und die Landwehr am kleinen Luzin.

Bevor wir nun das Innere des Heiligthums selbst betreten, muß ich hier noch einer in dem Flachlande Norddeutschlands gewiß seltenen, in Meklenburg aber einzig dastehenden Naturerscheinung erwähnen, die zwar nicht un=


1) Diese Nachricht verdanke ich dem Herrn Amtsverwalter Seyberlich in Feldberg.
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mittelbar hierher gehört, aber doch auf die eigenthümliche Beschaffenheit dieser Landschaft nicht ohne Einfluß gewesen ist. Es ist schon oben erwähnt, daß die gesammten, zum Theil sehr bedeutenden Feldberger Gewässer, namentlich der große und kleine Luzin, der Zantes mit Einschluß des heutigen Carwitzer Sees, des Wutzen=, des kleinen und großen Karpensees und des durch den sogenannten Hals bei Carwitz mit dem Zantes zusammenhängenden beutelförmigen Drees, jetzt Dräz=Sees im 16. Jahrhunderte keinen sichtbaren Abfluß hatten, obwohl sie an verschiedenen Stellen kleine Bäche in sich aufnahmen. Dies Räthsel löset uns zuerst eine kurze Beschreibung der Grenze gegen Brandenburg von Carwitz bis zur Havel durch Erasmus Behm vom Jahre 1556. Nachdem bemerkt ist, daß die Grenze über den Berg zwischen dem Drees= und dem Kruseliner=See durch einen zu beiden Seiten aufgeworfenen Graben bezeichnet sei, in welchem alte bekreuzte Eichen ständen, fügt er hinzu: "Durch diesen Berg dringet die Beke, so von Veltberg in den Dreßer Sehe leufft, und springet im Kruselinschen Sehe zu endest dem Graben gewaltig herfür, gleich wie ein kochendes Wasser". Aehnlich schildert er diese Erscheinung in einem umfänglichern Grenzprotocolle vom Jahre 1564, wo es heißt: "Der Drescher See hat ein Fluß durch den Berg. Auf dem Berge gehet ein duppelter Graben (Wall), welcher Landgraben heißt. Jenseit des Berges liegt der Kruselinsche See, in welchem der Bach aus dem Drescher See unter den Berg hindurch quillt, und als ein siedendes Wasser in die Höhe springet". Ungefähr um diese Zeit (17 Jahre vor 1578) begannen nun nach Tilemann Stella die Feldbergschen Gewässer allmählig zu steigen und die ganze Gegend mit Ueberschwemmung zu bedrohen, unverkennbar in Folge einer Verstopfung dieses unterirdischen Abflusses, dessen Stella denn auch nicht mehr gedenkt, obwohl er von seiner frühern Existenz Kenntniß gehabt haben wird, da er seine Wiederherstellung versuchte. Bei den zu diesem Zwecke vorgenommenen Messungen fand er, daß die Basis des zwischen beiden Seen liegenden Bergrückens ungefähr 100 Ruthen und die Höhe (über dem Kruselin?) höchstens 30 Ellen betrage, der Wasserspiegel des Kruselin aber 16 Ellen tiefer liege, als der des Dreessee. Er ließ nun einen 84 Ruthen langen "Stollen" durch den Bergrücken graben und eine dreifache Röhre in denselben legen, deren Mündung oben im Dreessee 5 Ellen unter dem Wasser, der Ausfluß aber 12 Ellen über dem Kruselin lag. Während früher der Ausfluß nach Erasmus Behms

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Beschreibung unterhalb des Wasserspiegels aufbrodelte, legte man also jetzt einen 12 Ellen hohen Wasserfall an, durch welchen denn auch zwar viel Wasser ablief, gleichwohl aber kein Sinken des Sees zu spüren war. Man gab also den Plan wieder auf und kam auf den erwähnten Canalbau zwischen dem Zantes und dem Mellen zurück. - Gegenwärtig ist von diesem unterirdischen Abflusse nichts weiter mehr bemerkbar, als zahlreiche starke Quellen, welche am Fuße des gedachten Bergrückens auf der Kruseliner Seite hervorsprudeln. Auch hat der Kruseliner See keinen andern Zufluß, wohl aber nach der Havel hin einen starken, nicht unbedeutende Mühlenwerke treibenden Abfluß, den der dortige Müller durch fleißige Aufräumung des Carwitzer Baches zu verstärken sucht 1 ).

War nun jener unterirdische Bach ein Werk der Natur oder der Kunst? Die Frage mag vielen müssig scheinen; aber sollte es möglich sein, daß ein bachartiger Wasserlauf durch einen Berg aus loser, angeschwemmter Erde hindurch wühlt, ohne immer sofort wieder verschüttet zu werden? Der uralte, über den Bergrücken hinüberführende tiefe Einschnitt mit dem Aufwurf nach beiden Seiten, welcher nach der Beschreibung genau die Richtung des unterirdischen Canals hält, scheint in der That nur der Rest eines alten Durchstichs zur Entwässerung des Heiligthums zu sein, welcher nach Legung eines festen Gewölbes aus Felsblöcken wieder zugeschüttet ward. Sicher irrig ist wenigstens die Ansicht Behm's und Stella's, daß der Einschnitt über die Höhe ein alter Grenzwall sei. Diese Oertlichkeit ward im Alterthum, wie wir noch sehen werden, niemals von der Grenzlinie berührt, und auch im 16. Jahrhunderte war dies factisch nicht der Fall. Die Führung eines Canales unter den Berg hindurch wäre freilich eine wahre Hünenarbeit, von der wir aber in dieser Gegend mehrere Spuren finden werden. Jedenfalls wird der Canal ein hohes Alter haben, da schon der Name des Sees Krüselin (wie er stets genannt wird, nicht der Krüselinsche See) seinen Ursprung der geschilderten kräuselnden Wasserbewegung zu verdanken scheint. Der Ort


1) Diese Bemerkung, so wie alle folgenden Schilderungen der gegenwärtigen Beschaffenheit der hervorragendsten Oertlichkeiten unsers Heiligthums, entnehme ich einem höchst interessanten Berichte des Herrn Pastors Schönbeck zu Feldberg, wofür ich demselben hiedurch öffentlich meinen freundlichen Dank wiederhole. Auch die Stargard betreffende Ortskunde in der Vaterlandskunde von Rabe, Band.1, habe ich fleißig benutzt.
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Krüselin kommt urkundlich zuerst im Jahre 1393 vor, 1420 bis 21 wird nur noch der Mühle gedacht, das Dorf aber war wüst 1 ).

Dem Dorfe Carwitz gegenüber führt ein schmaler Arm des Zantes, jetzt Zanzen=See, schlangenförmig gegen Nordosten bis zu seinen Quellen gerade in der Mitte des Heiligthums hinauf, wo er sich ein wenig erweitert. Hier in der oberen Spitze, jedoch am Ostufer desselben, liegt nach unserm Plane eine kleine Insel, das Heilige Werder genannt, wo wir die alte Tempelstätte zu suchen haben werden, wenn meine Deutung des kleinen, abgesonderten Gaues die richtige ist. Der Ort wird noch heute "dat hilge Wierdel" genannt, ist aber keine eigentliche Insel mehr, sondern eine runde, auf einer Halbinsel gelegene Erhöhung, welche durch eine mit Erlen und Weiden bestandene Niederung von dem Festlande getrennt ist, und gegenwärtig beackert wird, weßhalb keine Spuren von künstlichen Anlagen auf derselben zu bemerken sind. Früher sollen eine Menge großer Felsen auf dem Werder gelegen haben, welche aber später in den See geschafft sind, wo sie noch jetzt rings am Ufer aus dem Wasser hervorragen. Der Werder gewährt eine reizende Aussicht über die klare Wasserfläche auf den gegenüberliegenden Hügelzug und auf die schönen Laubwaldungen, theils nach Südwest in dem großen Hurlebusche, theils nach Nordwest auf der jetzt freilich größentheils abgeholzten Feldmark Wittenhagen. Der Name des den Werder umgebenen Sees ist vielleicht, mit Bezug auf die auffallende Gestalt desselben, von böhm. san: Schlange, Drache, sanice: kleiner Drache, abzuleiten, wozu auch sanice, poln. sanika: Schlittenbahn, gehören mag, oder von poln. zonc, zaniec, böhm. ssanc: Schanze, also Burgsee? Auch ein See bei Lichen führte 1299 den Namen Zantis, jetzt Zanzen=See, ein ähnliches langgestrecktes Gewässer, welches den Platekow (Placht) und den Lichener See verbindet. Der Heilige Werder gehört zu der Feldmark Konow, welche das ganze hügelige und fruchtbare Gebiet zwischen dem Zanzen=See und dem großen und kleinen Karpen einnimmt und südlich bis zu dem Carwitzer See hinabreicht. Dies Verhältniß ist bedeutungsvoll, da der Name Konow von dem slavischen kon, kun: Roß, abzuleiten ist und Roßort bedeutet, die wendischen Heiligthümer dieser Gattung aber nach unsern bisherigen Erfahrungen nicht nur ein heiliges, weissagendes Roß hegten, sondern auch eine Stuterei zu besitzen pflegten, eine Einrichtung, die wir


1) Riedel, Cod. dipl. Brand. A. XIII, 337 u. 345. XXI, 59.
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auch bei den Germanen wiederfinden. Schon Tacitus berichtet, daß die Germanen in den heiligen Hainen der Götter weiße, durch keine irdische Arbeit entweihete Rosse, die man für weissagend hielt, auf öffentliche Kosten hegten, welche nur von den Priestern vor den heiligen Wagen der Gottheit gespannt, sowie von den Königen und Fürsten bestiegen werden durften 1 ). Auch Othin ritt nach der Edda und den deutschen Sagen auf einem weißen Rosse, das Sleipnir hieß. Es ist also kein Zweifel, daß jene Haine dem Othin geweiht waren. Aber auch in den Hainen anderer Götter, namentlich des Freyr, wurden im Norden wirkliche Stutereien gehalten 2 ), die hier gezüchteten Pferde werden aber keine weiße Priester= und Schlachtrosse gewesen sein, sondern etwa schwarze oder braune Arbeitspferde für das Volk, wie das Wesen dieses Gottes der Fruchtbarkeit und des Ackerbaues erwarten läßt, während die rothen vielleicht unter dem Schutze Thors stehen mochten. Gleichwohl war auch in dem Haine Freyrs ein Orakel, in welchem doch das Roß wohl auch eine Rolle gespielt haben wird. Ueber die Pferdezucht in den wendischen Schwerinen, so wie in den Heiligthümern zu Rethra und Arkona habe ich früher gesprochen, und habe hier nur noch eine Bemerkung hinzuzufügen. Meine Erklärung des Namens Zwerin ist vielen anstößig gewesen, und auch Kenner der slavischen Sprache haben mir bemerkt, derselbe brauche nicht gerade als Aufenthalt wilder Thiere, Tiergarten, aufgefaßt zu werden, sondern könne direct Wildniß bedeuten, also synonym mit puczta sein. Das könnte ich annehmen, ohne daß dadurch in meiner ganzen Auffassung etwas Wesentliches geändert würde. Allein es steht einmal fest, daß mit dem Worte zwerina, zwerinice und ähnlichen Formen in allen slavischen Dialecten wirklich der Aufenthaltsort von Thieren: zwer, zwjre, poln. zwirze bezeichnet werden, und daß unter diesem letzteren Worte nicht bloß eigentlich wilde, sondern überhaupt große, starke Thiere zu verstehen sind, unter letzteren aber, kann ich jetzt hinzufügen, vor allen das mutige, starke Roß. In den alten böhmischen Glossarien wird nämlich das davon abgeleitete Wort swerepice, swerzepice, swrzepicze oder swerzyepyczye durch equirea, equiria, equaricia: Stuterei, übersetzt. Der letzte Theil des Wortes: pice, picze bedeutet pabulum, Futter, Weide, woraus hervorgeht, daß swere, swerze: Vieh, hier geradezu für Pferd genommen ist, also


1) Tacit. Germ. 9, 10.
2) Vgl. Grimm, Myth. S. 622.
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Pferdeweide, Pferdezucht 1 ). Hierdurch wird also meine Auffassung direct und entschieden bestätigt. - Bekannt ist, daß auch in einem Heiligthum zu Stettin ein weissagendes Roß gehalten ward, welches von schwarzer Farbe gewesen sein soll. Vielleicht ist hierauf auch der viel besprochene, aber immer noch nicht genügend erklärte, wendische Ausdruck kontina zu beziehen, der angeblich Tempel überhaupt bedeuten soll, aber nach seiner Bildung von kon: Roß und tyn: Gehäge, Hagen, Roßhagen bedeutet, also ganz unserm Dierhagen bei Ribnitz zu entsprechen scheint 2 ). Noch einen andern Ausdruck für dieselbe Sache werden wir unten kennen lernen.

Auch das Dorf Konow auf dem Wanzenberge im Amte Dömitz, das alte Connoburg, Hauptort der Smeldinger, welche 809 durch den Obotriten=Herzog Thrasiko mit sächsischer Hülfe zerstört ward 3 ), war sicher ein solches Heiligthum. Schon die dort befindlichen Salzquellen, die bei allen Völkern den Göttern geheiligt waren, läßt dies vermuthen. Es fehlt aber auch in der Umgegend nicht an Spuren dieser ehemaligen Bedeutung der Oertlichkeit, die ich indeß hier nicht weiter verfolgen kann. Merkwürdiger Weise hat sich gerade in dieser Gegend auch das wendische Wort kun, in der Bedeutung Stute, mit einem verächtlichen Nebenbegriff, im Munde des Volkes erhalten. - Von Kunow, Konow im A. Doberan weiß ich nichts hierher gehöriges zu bemerken. Ebenso wenig von Kanow im A. Fürstenberg, welches 1319 gleichfalls Kunow genannt wird.

Unser Konow war im Alterthum eine selbstständige Pfarre, welche später mit Carwitz combinirt ward. Im 15. Jahrhundert war der Ort ein Lehen der v. Feldberg auf Feldberg, welches mit dem Erlöschen dieses Geschlechtes im Stargardschen mit Heinrich und Henning Feldberg nach 1427 eines Theils auf die von Kerckow, ändern Theils auf die von Dalme überging. Letzterer Antheil ward 1464 auf die v. Manteufel übertragen, und 1505 von den Herzogen Balthasar und


1) Hanka, vetustiss. vocabularia latina-bohemica S. 5 (s. v. equa), 31 (v. 172), 67, 125 u. 180.
2) Hanka, 1. 1. p. 94, Vgl. mit Georg Palkowitsch, Böhm.=Deutsch. W.=B. s. v. tynjm: sepelire. Das Wort contina wird uns nur von Herbord, Vita Ottonis episc. Babenb. überliefert, welcher zugleich der einzige ist, der des heiligen Rosses erwähnt und den in Bezug hierauf gehörten Ausdruck vielleicht irrig für Heiligthum überhaupt nahm. Herbord selbst war nie in Pommern, hat auch den Bischof Otto nicht gekannt.
3) Chron. Moiss. 809 (Wigger, Ann. p. 9).
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Heinrich erkauft. Den Kerckowschen Antheil mit dem Schlosse Feldberg selbst erwarben 1471 flgd. nach und nach die Rieben auf Galenbek, welche ihn aber 1516 gleichfalls an die Herzoge Heinrich und Albrecht verkauften. Seitdem ist der Ort stets Domanium geblieben. Bei allen diesen Verhandlungen ist aber immer nur von dem Felde zu Konow und von den dazu gehörigen Holzungen die Rede. Das Dorf muß also früh untergegangen sein. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die ganze Feldmark mit altem Walde bedeckt, in welchem jedoch noch Trümmer des Dorfes vorhanden waren. Namentlich wird der Kirche erwähnt, welche noch heute steht, ein uraltes Bauwerk aus unbehauenen Felsen. Statt des alten Dorfes ist jetzt etwas weiter südlich auf wieder urbar gemachtem Waldboden ein Pachthof errichtet, bei welchem 1831 auch eine neue massive Kirche erbauet ward. Die früheren Kirchen= und Pfarrgrundstücke, namentlich sehr schöne Wiesenflächen am Zanzensee, find jetzt zu dem Hofe gelegt, aber auch die Pfarre und die Bauern zu Carwitz besitzen hier beträchtliche Wiesen.

Nur die ziemlich bedeutenden Höhen in dem südlichen Theile der Feldmark am Ufer des Carwitzer Sees sind noch mit schönem Laubholz bestanden. Hier liegt namentlich der sogenannte Siegesberg, an welchem sich die Sage von einer blutigen Schlacht knüpfen soll, die aber lediglich ein Product gelehrter Forschung ist. Es handelt sich um die Schlacht am Carrenberg bei Neuensund im Jahre 1399, welcher in Folge einer falschen Lesart bei Carwitz gesucht ward, wo sich denn auch glücklich ein Siegesberg fand, nämlich der Ziegenberg, niederdeutsch Zegenberg, wie er auf unserm Plane heißt und noch heute vom Volke genannt wird, während die Gebildeten noch immer von einem Siege träumen, den man aber jetzt dem Tilly, dem Zerstörer Neu=Brandenburgs, zuschreibt 1 ).

An die beiden Karpen, den kleinen Schwarzen See und den noch kleinern Bibel=See (Bibel ist eine Fischart), an welche ein alter Weg aus der Eisernen Pforte zu dem Heiligen Werder vorüber führte, knüpfen sich weiter keine Erinnerungen. Das östlich derselben gelegene Gebiet bis zu der alten Landesgrenze ist die Feldmark des untergegangenen Dorfes Bisterfeld, die aber im 16. Jahrhundert theilweise zu dem gleichfalls zerstörten Funkenhagen gerechnet ward. Auch diese Fläche war vollständig bewaldet und bildete mit der Feldmark Konow zusammen den eigentlichen Konower Werder, der oft Gegenstand


1) Vgl. Meklb. Jahrb. XI. 226 ff.
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von Jagdstreitigkeiten ist. Der Name wird aber auch auf unsern ganzen Gau, oder wenigstens den größern Theil desselben ausgedehnt, wogegen er jetzt auf die kleine Halbinsel im Carwitzer See beschränkt ist, welche auf unserm Plane das Lötche Werder genannt wird. Die gedachten Dörfer waren ehemals Pertinenzien von Werbende und im Lehnbesitze des Geschlechtes Kratz, aber gleich Konow schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wüst. Im Jahre 1435 ertheilte Herzog Heinrich dem Marten von Dören auf Rehberge und Wrechen die Antwartschaft auf die gesammten Lehen seines Stiefsohnes Gerke Kratz, Ludekens Sohne, und nach dessen unbeerbtem Absterben ward von Dören 1452 in den wirklichen Besitz dieser Güter gesetzt. Aber schon im nächsten Jahre nahm der uns schon bekannte Oswald von Dören, Martens Sohn, eben diese Güter, namentlich die Feldmarken Werbende, Funkenhagen und halb Bisterfeld von dem Kurfürsten Joachim von Brandenburg zu Lehn, und seitdem sind dieselben, des meklenburgischen Widerspruchs ungeachtet, bei Brandenburg geblieben. In dem commissarischen Berichte von 1578 wird jedoch von der Feldmark Funkenhagen nur der kleine Theil zwischen der "Landwehr von Zantes zum Mellen" und dem kleinen Fließ, welches aus dem Bibelsee durch das Widbraker Luh in den Mellen floß, und bei welchen die Feldmarken Konow, Bisterfeld und Funkenhagen zusammenstießen, also das Innere der Eisernen Pforte für Meklenburg in Anspruch genommen.

Nördlich von diesen Feldmarken liegen die Dörfer Fürstenhagen und Fürstenau innerhalb unsers Gaues. Fürstenau besaßen 1326 anscheinend die von Blankenburg als meklenburgisches Lehn. Später gehörte es der Linie von Dewitz zu Templin, welche im 16. Jahrhundert ausstarb, worauf die Wittwe des letzten Besitzers nach dem Berichte der Bauern zu Fürstenhagen zu ihrer Schwester, der Aebtissin des Klosters Boitzenburg, zog und von dort aus die geringen Aufkünfte des bereits wüsten Dorfes als Erbjungfrau bezog. Nach ihrem Tode hätten dann die von Arnim als Inhaber des Klosters das Dorf eingezogen und von Brandenburg zu Lehn genommen, da die von Dewitz zu Pripert, als die nächsten Agnaten, versäumt hätten, sich zu melden. Ein Theil der Feldmark war im Besitze der Bauern von Fürstenhagen, welche ihre Pächte an die von Arnim entrichteten. Das große wüste Dorf hatte am Klantz=See gelegen, wo die Ruinen desselben, namentlich die alte Kirchhofsmauer, noch zu sehen war. - Fürstenhagen, neben

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Wittenhagen der einzige im 16. Jahrhundert noch bewohnte Ort des ganzen Gaues, stand noch unter Meklenburgischer Hoheit, und ist auch in unserm Besitze geblieben, obwohl die von Arnim auf Boitzenburg schon 1535 Ansprüche darauf machten, und wirklich die Pacht der Bauern erhoben und später selbst die Jurisdiction daselbst ausübten, was denn den Hebel zu immer neuen Streitigkeiten gab. Die Bauern wußten darüber eine ganz ähnliche Geschichte zu erzählen, wie von Fürstenau. Vor langen Jahren sei Vincent Kule, der letzte seines Geschlechtes 1 ), Inhaber des Dorfes gewesen, dessen Tochter und Erbjungfrau im Kloster zu Boitzenburg gelebt und die Pächte erhoben hätte, welche dann nach ihrem Tode aus Nachlässigkeit der Beamten zu Feldberg bei dem Kloster geblieben seien, obwohl das Lehn den Herzogen heimgefallen. Man möchte glauben, daß Vincent Kule beide Güter besessen, und seine Tochter mit der Wittwe von Dewitz identisch gewesen sei. Der Ort liegt an dem kleinen Wutzen, aus welchem ein kleiner Bach, der früher eine Mühle trieb, in den Zanzensee abstießt, und hatte früher ein festes, auf einer Insel des Sees liegendes Schloß, welches in Folge des Templiner Friedens mit Brandenburg vom Jahre 1315 gebrochen werden mußte. Der alte Burgwall, auf welchem im 16. Jahrhundert die Kulen noch gewohnt haben sollen, und welcher 1565 der Hanenweder (st. Werder) genannt wird, ist noch gegenwärtig vorhanden. Die Kirche ist jetzt in Folge eines Vertrages mit Preußen nach dem ukermärkischen Dorfe Weggun eingepfarrt.

In der nördlichsten Spitze unseres Gaues vor dem nordwestlichen Passe am Postmoor liegt das schon erwähnte ehemals Krazische, seit 1435 von Dörensche Gut Werbende, welches nach den Angaben der Bauern zu Fürstenhagen bald nach dieser Zeit durch bewußte Felonie 2 ) der damaligen Besitzer in die Brandenburgische Lehnshoheit übergegangen ist. Im 16. Jahrhundert war es nebst der Pertinenz Schave oder Schawe schon seit langer Zeit wüst, ist aber jetzt weiter östlich am Parmschen See wieder aufgebauet. Das Dorf Schave lag jenseits der Landwehr aber auch eine diesseits gelegene, zu Werbende gehörige Waldung ward die Schaue genannt.


1) Nach einer andern Angabe von 1565 wäre das Geschlecht mit Dinnies Kule erloschen.
2) Die Bauern geben an, von Dören habe einen Theil der wüsten Feldmarken vorher ihnen zu Kauf angeboten, und die Commissarien setzen hinzu, das Angebot sei sogar den Herzogen selbst gemacht worden.
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Westlich von dem Heiligen Werder, zwischen dem Wutzen= und Zanzensee und dem großen Luzin, d. h. dem flachen See, liegt das Lehngut Wittenhagen mit seiner ansehnlichen Feldmark. Es wird urkundlich zuerst im Jahre 1332 genannt, und war mindestens seit 1545 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ein Lehn der von Tornow auf Lichtenberg, von welchen die dazu gehörige Meierei Tornowhof noch heute den Namen trägt. Aber auch die von Ihlenfeld, von Dören und von Warburg erwarben zeitweise Antheile in Wittenhagen. Die alte, in Form einer Rotunde erbauete, massive, aber thurmlose Kirche des Ortes ist eine Mutterkirche, früher vermuthlich mit Konow und nach dessen Untergang mit Carwitz combinirt. An der südlichen Grenze von Wittenhagen, wo sich der Luzin= und der Zanzensee bis auf etwa 120 Ruthen nähern, liegt auf unserm Plane, die schmale Landenge völlig abschließend, der Heunenwall, ein noch jetzt, wenn auch nicht mehr unter diesen Namen, vorhandener wahrer Riesenbau, der in Meklenburg einzig in seiner Art sein dürfte. Mein Gewährsmann berichtet darüber folgendes: "Vom Schmalen Luzin geht ostwärts oder genauer nach Ost=Süd=Ost in einem leisen Bogen mehrere 100 Schritte lang ein mächtiger Wall. Felsblock ist auf Felsblock geworfen. Es ist so eine Hügelreihe entstanden, die durchaus den Eindruck macht, als sei sie von starker Menschenhand gebildet. Die Hügelreihe hat eine hohe, durchaus gleichmäßige Bildung. Die mächtigen Steine sind auf der Oberfläche mit uraltem Moose überzogen. Wenn man diesen Hünenwall mehrere 100 Ruthen (!) durch den wunderschönen Wald verfolgt hat, so kommt man auf ein Torfbruch, dann auf ein zweites, beide ursprünglich gewiß Seen. Südlich von diesen ziehen sich aber natürliche Hügel hin, bis zum Zanzensee. Dort am hohen, schroffen Ufer liegt der umfangreiche sogenannte Hünen=Kirchhof, südwärts von einer langen, gebogenen, von Feldsteinen ohne Mörtel gebildeten Mauer, welche deutlich die frühern Eingänge zeigt, umgeben, während nach Norden natürliche Hügelzüge die Grenzen bilden. Im Innern dieses Raumes liegen eine Menge großer, flacher Steine umher, deren einer z. B. dreieckig ist, die 3 Seiten nach Innen gebogen, die Spitze abgerundet, ein anderer eine Kreisform bildet, mit einem Kreisabschnitt an einer Seite. Vor Jahren sind hier einige Steine gesprengt worden, aber Nachgrabungen sind nicht angestellt. Durch diese Anlagen war also die ganze Landenge gegen Süden stark geschützt durch den mächtigen Wall, die Brüche oder

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Seen und die Hügelreihe dahinter endlich durch den "Hünenkirchhof". Nach dieser Schilderung möchte ich den sogenannten Kirchhof, von welchem man eine wahrhaft prachtvolle Aussicht über die benachbarten inselreichen Seen genießt, eher für einen Opferplatz oder ein einfaches Befestigungswerk halten. Uebrigens steht auf beiden Seiten des ganzen Hünenwerks noch jetzt, wie im 16. Jahrhundert, ein alter wundervoller Buchwald, für den sich auch der Name Hurlebusch noch erhalten hat, der aber jetzt verkauft ist und abgeholzt werden soll. In der nordöstlichen Ecke, gleich hinter dem Kirchhofe, nahe am Zanzensee, ist noch der zu Wittenhagen gehörige kleine, aber tiefe und von dichtem Walde eingeschlossene Zartisen (jetzt Zarteisen) zu erwähnen, der früher durch aeinen Reichtum an Fischen, namentlich großen Maränen und Welsen berühmt war 1 ).

Nordwestlich von Wittenhagen auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Luzins zeichnet Til. Stella den See Reczow, welcher gegen Nordost an 2 Stellen, zu beiden Seiten der halbmondförmigen bewaldeten Insel Eichholtz, mit dem breiten Luzin in Verbindung steht, und in welchem sich von Südwest her eine Halbinsel mit sehr schmalem dammartigen Eingang erstreckt. Auf dieser Halbinsel liegen der Flecken und die Burg Feldberg. Der See ist also der heute sogenannte Feldberger Haussee, dessen Gestalt aber gegenwärtig von dieser Zeichnung wesentlich abweicht, und kaum jemals so beschaffen gewesen sein kann, wenn man auch zur Zeit der Aufnahme unseres Planes, während der oben gedachten großen Ueberschwemmung, einen bedeutend höhern Wasserstand voraussetzt, der allerdings auch an andern Stellen nicht zu verkennen ist. Dieser See mit seinen Inseln scheint seiner Lage nach mit zu unserm Tempelgau gerechnet werden zu müssen, scheint aber im Alterthum nicht bewohnt gewesen zu sein. Der Ort ist sicher eine Gründung des ritterlichen Geschlechts von Feldberg, welches zwar schon im 13. Jahrhundert wiederholt unter markgräflich brandenburgischen Zeugen, und zwar auch in stargardischen Urkunden, genannt wird, woraus jedoch nicht folgt, daß es hier auch angesessen gewesen und speciell in Feldberg gewohnt habe, da auch


1) Außerhalb unsers Gaues bei Wrechen liegt auch ein "Buchisen". Die Feldberger Seen zeichnen sich alle durch Fischreichthum aus. Mehrere führen ihren Namen nach besondern Fischarten, wie der Karpen= und der Bibelsee. Die Fischerei auf dem obern Zanzensee war noch im 17. Jahrhunderte Jedermann gestattet, der Wutzen aber war ein "Hegesee".
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in Brandenburg im Lande Bellin ein Ort dieses Namens liegt, der diesem Geschlechte gleichfalls seinen Namen danken wird. Selbst das Auftreten des Henning von Feldberg unter den Bürgen des Wittmannsdorfer Vertrages von 1304 beweiset nichts, da das Geschlecht auch anderweitig in der Gegend von Lichen angesessen war. Der Ort Feldberg wird zuerst 1420 genannt 1 ). Die dortige Burg, das jetzige Amtshaus, wird also kaum vor der Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut sein. Die letzten des Namens auf dieser Burg, zu der, wie wir gesehen haben, auch Besitzungen auf dem Konower Werder gehörten, waren Heinrich und Henning von Feldberg, welche ihre stargardischen Güter schon in dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts verloren, worauf die von Manteuffel und von Kerkow, später die von Rieben ihre Lehnssuccessoren wurden. Nachdem die Herzoge Heinrich, Balthasar und Albrecht die Burg mit allen Pertinentien in den Jahren 1505 und 1516 erworben hatten, ward dieselbe Sitz eines kleinen Amtes, zu welchem 1519 nur Carwitz, Hanow, Wittenhagen, Tripkendorf, Loven, Mechow, Westendorp (Weitendorf ?) und Hinrichshagen (in der Parochie Carwitz, etwa Neuhof?) gehörten. Der durch den Luzin nach Wittenhagen führende Damm ist erst im Jahre 1847/48 aufgeschüttet, wogegen dessen Fortsetzung zwischen dem Wutzen= und dem Zanzensee schon auf unserm Plane angegeben ist und in den Acten als ein Furt bezeichnet wird. Der auf diesem Plane am Nordwestufer des breiten Luzin in der Nähe von Schlichte gezeichnete mächtige Burgwall, der heutige Schloßberg, ist dagegen ohne allen Zweifel heidnischen Ursprungs und vermutlich eine Redarische Grenzfeste.. Gelegentlich erwähne ich hier noch eines im Jahre 1640 genannten Münchenwerders im Luzinsee, der zu Lichtenberg gehörte, welchem gegenüber auf dem östlichen Ufer des Sees aber die Tornowen zu Wittenhagen eine Wiese besaßen, welche das Münchbruch genannt wird, die einzige Erinnerung an die christliche Geistlichkeit in dem ganzen Gaue.

Endlich gegen Süden von dem Hünenwall bis zum Carwitzer Bach liegt die wüste Feldmark Honow oder Hanau. Das Dorf wird im 14. und 15. Jahrhundert oft genannt.


1) Der Ort Veltberg, wo Bischof Heinrich v. Havelberg am 14. Oct. 1256 eine Urkunde ausfertigte (Mekl. U.=B. II, No. 777), un welcher in dem Ortsregister für das stargardische Feldberg genommen wird, ist ohne Zweifel das bei Fehrbellin, wo der Bischof eine Curie besaß, während unser Feldberg zum Brandenburger Sprengel gehörte.
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1416 war es ein Lehn der von Kerkow zu Feldberg; 1473 ward Vicke Riebe mit den Gütern des ausgestorbenen Geschlechtes Tripkendorf zu Tripkendorf und Hanow belehnt; 1519 aber, nach der Erwerbung der Burg Feldberg durch die Herzoge, war auch Hanow mit 5 besetzten und 3 wüsten Bauern nebst einem Katen in fürstlichem Besitze. Bald darauf wird es ganz eingegangen sein. Auf dieser Feldmark liegt nach Stella's Zeichnung, Carwitz gegenüber, auf 3 Seiten von dem Luzin, dem Carwitzer und dem Zanzen=See eingeschlossen, der hohe und steile Wartberg, jetzt Barschberg genannt. Der Berg besteht nach der mir gewordenen Beschreibung aus "2 Abstufungen, einem Plateau und einer höhern runden Spitze. An der Südseite läuft von der obern Spitze bis zu dem Plateau eine Terrasse aus Steinen dermaßen erbauet, daß man auf den Gedanken kommen möchte, starke Menschenhände seien in der Urzeit auch hier thätig gewesen." Im 30 jährigen Kriege soll hier ein protestantischer Hauptmann den Paß über die Carwitzer Brücke gegen das über den Siegesberg kommende Tyllische Heer vertheidigt haben, woher die gedachte Spitze des Berges der Hauptmannsberg genannt wird. Derselbe beherrscht die ganze Umgegend, weßhalb hier nach dem Freiheitskriege am 18. Octbr. das Freudenfeuer zu brennen pflegte.

Am Fuße dieses Berges, in dem Carwitzer See, zwischen Carwitz und Konow, zeichnet T. Stella 2 kleine Inseln, das Wonwerder, zunächst am Carwitzer Ufer, und das Bodenwerder, nahe dabei gegen Nordost. Es sind aber ihrer fünfe, von welchen die größere, Stella's Wonwerder, auf der Schmettauischen Karte und noch heute Bodenwerder oder nach dortiger Mundart Bonwerder genannt wird, und "durch einen Forth mit dem Festlande verbunden ist." Darauf folgt nach Norden zunächst unter dem Wartberge der Flachs=, jetzt Jäger=Werder; daneben ostwärts in klarem Wasser der große und darunter nach Südwesten der kleine Stein=Werder, letzterer jetzt anscheinend der Buller=Werder genannt, endlich wieder nördlich vom großen Stein=Werder, zunächst am Konower Ufer unter dem Ziegenberge, der kleine Sagen=, jetzt Gänse=Werder. Die beiden Stein=Werder werden jetzt beackert. Bei den Bewohnern von Carwitz geht nun die Sage, diese Inseln seien im Alterthum sowohl unter sich, als mit den beiden Ufern des Festlandes durch Brücken verbunden gewesen, indem man sich darauf beruft, daß noch jetzt bei stillem Wasser die Stümpfe der Brückenpfähle zu sehen seien. Dies letztere

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wird nun allerdings durch Herrn Amtsverwalter Seyberlich in Feldberg bestätigt, der angebliche Brückenbau ist aber gleichwohl durchaus unglaublich, da die Feldmark Hanau in der Nähe des Wartberges, also unmittelbar neben den Inseln, nur durch einen schmalen Wasserlauf, jetzt der Carwitzer Bach genannt, von Carwitz getrennt ist, jener kolossale Brückenbau also durchaus zwecklos gewesen wäre. Es scheint mir daher die Frage gerechtfertigt und einer nähern Untersuchung werth, ob wir es hier nicht vielmehr mit Pfahlbauten zu thun haben, wozu dieser Seebusen sehr geeignet zu sein scheint. Der Hauptpunkt, worauf vor allem das Augenmerk zu richten sein würde, ist der große Stein=Werder, woran vorzugsweise die Sage haftet. Derselbe hat eine ansehnliche Höhe und war in ältern Zeiten ganz mit Felsen bedeckt, wovon ein großer Theil des Ackerbaues wegen in den See versenkt worden, aber noch eine große Zahl übrig geblieben ist, die zum Fortwälzen zu riesig waren. Hier ist schon oft nach Schätzen gegraben, und am Ufer sind wiederholt Eisenstücke und Waffen, namentlich ein angeblicher Officierdegen, gefunden, die man wieder auf den 30jährigen Krieg und die Schlacht auf dem Siegesberge bezieht, die aber vielleicht, wenigstens theilweise, aus viel älterer Zeit stammen mögen. Jedenfalls stimmen auch diese Anlagen durchaus zu den sonstigen Hünenbauten dieser Gegend, welche beweisen, daß unser Heiligthum nicht erst durch die Slaven, auch nicht durch ihre nächsten Vorgänger, die Germanen des Tacitus, angelegt ward, sondern in das höchste Alterthum zurück reicht.

Oben ward die ursprüngliche politische Einheit unserer Landschaft, die nothwendige Voraussetzung meiner Auffassung derselben als Tempelgau, bereits nachgewiesen, indem ich zeigte, daß der jetzige brandenburgische Antheil erst im 15. Jahrhundert durch Felonie meklenburgischer und Gewaltthätigkeiten brandenburgischer Vasallen von Meklenburg abgerissen worden sei, indem gleichzeitig die ganze Umgegend weit und breit durch die brandenburgischen Raubfehden, nicht erst im 30jährigen Kriege, wie man anzunehmen pflegt, in eine Wüstenei verwandelt worden war. Es bleibt mir nun noch die Frage zu erörtern übrig, welcher Völkerschaft zur Zeit der Slaven unser Heiligthum angehörte. Die oben angeführte Stelle bei Thietmar, wonach sich in jeder Herrschaft nur ein National=Heiligthum befand, läßt es nicht zu, an die Redarier zu denken, deren Haupttempel zu Rethra bereits gefunden ist, und für einen bloßen Gautempel, deren

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es viele gegeben haben wird, ist die ganze Anlage entschieden zu großartig. Dazu kommt, daß diese Gegend nicht zu dem Bisthum Havelberg gehörte, dem das Land der Redarier zugewiesen war, sondern zu dem brandenburger Sprengel, gleich dem benachbarten Gaue Lichen, zu welchem in christlicher Zeit auch der Tempelgau selbst gehörte. Jener Gau wird aber ausdrücklich zur Ukermark gerechnet, obwohl er schon etwas früher mit Brandenburg verbunden war, als die übrige Herrschaft. Auf die alte Grenze dieses Landes kommen wir gleich zurück. Hier genügt uns, zu wissen, daß Feldberg, Carwitz, Lobbene (Loven, jetzt Laeven) und das untergegangene Rosenberg (nach Stella's Karte südwestlich in der nächsten Umgebung von Feldberg) nach der brandenburger Matrikel von 1459 ausdrücklich zu diesem Sprengel, und zwar zur Sedes Templin gehörten. Konow und die übrigen Ortschaften des Tempelgaues sind hier nicht genannt, vermuthlich weil sie bereits zu Carwitz gerechnet wurden. Es scheint daher nicht zweifelhaft, daß wir hier das National=Heiligthum der Ukrer vor uns haben.


4) Weitere Grenzen gegen die Ukrer, Rezener und Tholenzer mit dem Rezenischen Heiligthume Zarnitz.

Nach dem Schlusse des vorhergehenden Abschnitts wird also die Grenze des Redarier=Landes gegen die Ukermark durch den großen Luzin gegangen sein, so daß unser Tempelheiligthum ausgeschlossen blieb. In dem Berichte Tilem. Stella's wird nun die weitere Landesgrenze gegen Brandenburg von dem Carwitzer See und dem Drez längs des obenbeschriebenen Walles quer über den Bergrücken, welcher den Drez und den Krüselin scheidet, durch den letztern nach Mechow und weiter im Wesentlichen mit der heutigen Grenze übereinstimmend bis zur Havel bei Fürstenberg gezogen. Dies ist aber keine alte Völkergrenze, da das ukermärkische Land Lichen, welches 1304 mit Stargard an Meklenburg kam, 1442 aber theilweise, namentlich die Stadt Lichen selbst und das Kloster Himmelpfort, von Brandenburg zurück erobert ward, entschieden weiter nach Norden in die heutige Herrschaft Stargard hinein reichte. Im Jahre 1305 wurden dem Kloster Himmelpfort unter anderm die Dörfer Karstavel und Linow, sowie die Seen Dabelow und Brüggentin im Lande Lichen verliehen

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und durch einen Rechtsspruch von 1480 bestätigt 1 ). Nach der Matrikel des Bisthums Brandenburg von 1459 2 ) gehörten ferner außer den schon besprochenen Ortschaften Carwitz, Loben und Rosenberg namentlich noch die Dörfer Wabeger (Labecker?), Tripkendorf, Hasselförde, Gnewitz und Dabelow im heutigen Stargard zum brandenburger Sprengel, mithin zu Lichen. Dagegen wird Gronow, jetzt Grünow, 1417 ausdrücklich zu Havelberg, also zu Stargard gerechnet, ebenso Bergfeld. Zu weit geht jedenfalls Boll 3 ), wenn er die nach einer Urkunde von 1393 "in der Haide" belegenen 19 Dörfer sämmtlich zum Lande Lichen rechnet, darunter namentlich Grammentin, Wustrendorp (Wulschendorf), Goldenbaum, Carpin und Weitendorf, zum Theil noch nördlich von Grünow und Bergfeld. Offenbar ging die Grenze vielmehr mitten durch die Haide, wo uns ein natürlicher Wasserlauf aus dem langen See bei Dolgen (dolhj, dolgy: lang) nordwestlich von Feldberg bis zur Havel hinab die Richtung zeigt. Nur von dem Feldberger Haussee bis zum Dolgen=See ist die Grenze unklar, doch scheinen nach den Karten auch hier Sümpfe, ein kleiner See und ein Bach, bei Lüttenhagen vorbei, eine natürliche Grenze zu bilden, die durch Kunst verstärkt sein mochte. Ungefähr auf der Mitte des nordwestlichen Ufers des Dolgen=Sees fließt dann der erwähnte Bach in einem Bogen zu dem sogenannten Oberteich in der Nähe von Grünow, anscheinend eine künstliche Aufstauung, durch welche über den Damm der Steinmühle bei Goldenbaum ein Engpaß führt. Weiter geht der Bach durch den Unterteich über die Goldenbaumsche Mühle zu dem Grammentinschen Teiche. Ganz in der Nähe des letztern entspringt aus einem kleinen See bei der Hasselförder Mühle ein zweiter Bach, welcher eine Zeit lang mit dem Dolgen=Bach parallel fließt, sich dann aber weiter südwestlich wendend bei Fürstenberg die Havel erreicht, wo der Paß von Steinförde in den Rezenischen Gau Turne führte. Zwischen diesen beiden Bächen lag nun die alte Johanniter=Komthurei Gardow, mit alleiniger Ausnahme des später erworbenen altstargardischen Dorfes Wokul, woraus es sich erklärt, wie hier schon im 15. Jahrhunderte Grenzstreitigkeiten entstehen konnten. Die Ritter hielten sich ohne Zweifel zu Meklenburg, wo ihre übrigen Besitzungen lagen, obwohl auch das Kloster Himmel=


1) Lisch, Jahrb. IX, 44-45.
2) Riedel, Cod. dipl. Brand. A. VIII. 420.
3) Gesch. v. Starg. 1, 57.
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pfort hier mitten zwischen den Komthureigütern alte zu Lichen gehörige Güter besaß. Wirklich bildet auch noch heute dieser südlichere Bach die meklenburg=brandenburgische Landesgrenze, obwohl der Streit im Uebrigen 1480 für das Kloster entschieden ward. Der nördliche, eigentliche Grenzbach dagegen fließt von dem Grammentinschen Teiche durch den Godendorfer (früher Minnower) See über den Paß bei Düsternforth in den Drevin= oder Dreven=See, und durch diesen bei Arensberg in die Havel. Künstliche Vertheidigungswerke weiß ich auf dieser Linie nicht nachzuweisen, da es hier an alten Nachrichten fehlt, obgleich die verschiedenen genannten Pässe und Förde alte Bergfrieden voraussetzen lassen.

Von Arensberg ab kann der weitere Grenzzug die fast von der Quelle an nicht unbedeutende Havel hinauf nicht zweifelhaft sein. Desto schwieriger ist es hier, die Völkerschaften bestimmt nachzuweisen, welche durch den Fluß geschieden wurden. Als Grundlage der Untersuchung ist indeß die zuerst von Boll 1 ) aufgestellte, entschieden richtige Ansicht festzuhalten, daß etwas weiter hinab am rechten Ufer der Havel in der Gegend von Fürstenberg im 10. Jahrhundert die wiederholt zwischen den Havellern, Ukrern und Redariern genannte Herrschaft Rezene, der Sitz der Riazianer oder Rezener, lag. Ich glaube aber weiter gehen und die Grenzen dieser Völkerschaft auch über die Gaue Wesenberg mit der Lize und Turne in dem ganzen Umfange der späteren Komthurei Mirow zwischen der Müritz und der Havel bis zu dem Ursprunge des Flusses ausdehnen zu müssen 2 ). Dem scheint freilich zu widersprechen, daß die Rezener bei der Gründung des Bisthums Brandenburg 949 gleich den Ukrern dessen Sprengel zugewiesen wurden, das von mir bezeichnete Gebiet aber im 13. Jahrhundert sicher größtentheils zum Bisthume Havelberg gehörte. Die kleine Völkerschaft ist aber augenscheinlich schon während des 11. und 12. Jahrhunderts durch die mächtigern Nachbaren zersprengt, da sie niemals handelnd auftritt, und überhaupt nur noch 2 Mal in den päpstlichen Bestätigungsbullen für das Bisthum Brandenburg von 1161 und 1180 nach dem Wortlaute der ältern Bullen genannt wird. In Folge dieser politischen Veränderung werden denn auch die alten Sprengelgrenzen bei der Wiedereinführung des in diefer Gegend


1) Gesch. von Stargard I, 58.
2) Vgl. über diese Gegend, welche noch am Ende des 12. Jahrh. vollständig wüst lag, Lisch, Mekl. Jahrb. II, 87 ff. u. XXIII, 21 ff.
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lange Zeit hindurch völlig zerstörten Christenthums nicht fest gehalten sein. Das ehemalige Rezem kehrte vielmehr zum Bisthum Havelberg zurück, dem es ursprünglich 946 zugewiesen war, und zu welchem auch seine nunmehrigen Inhaber, mögen dies die Redarier, die Tholenzer oder die Muritzen oder alle 3 gemeinschaftlich gewesen sein, gehörten. Nur in der nächsten Nachbarschaft von Fürstenberg erhielt sich am rechten Ufer der Havel ein kleines Bruchstück der zerstörten Herrschaft unter dem Hirtenstabe des Bischofs von Brandenburg, bei den jetzigen, ganz veränderten Verhältnissen offenbar eine Anomalie. Ein ähnliches Durchbrechen der ältern Sprengelgrenze durch die politischen Ereignisse sehen wir gerade in eben dieser Gegend noch zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als durch das Vordringen der Herren von Werle über die Müritz bis zur Havel auf einige Zeit auch das Bisthum Schwerin bis dahin ausgedehnt ward, während gleichzeitig die siegreichen Waffen der Pommerfürsten das Bisthum Camin über die Pene in die Circipanischen und einen Theil der Tholenzer Gaue einführten.

Am linken Ufer der Havel dagegen lag der später mit dem Ländchen Arensberg verbundene redarische Gau Strelitz. Der zunächst an dem Flußufer liegende Theil dieses Gaues ward früh als wüstes Land an geistliche Stiftungen verliehen. Schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts, um 1170, hatte der Herzog Kasimir von Pommern, als damaliger Besitzer des Landes der Redarier, in einer nicht erhaltenen Urkunde dem Kloster Broda daselbst umfängliche Güter verliehen, die sein Bruder Bugislav 1182 bestätigte. Darnach lagen dieselben zwischen der Havel und den Grenzen der Gaue Chotibanz und Lipitz, und in der falschen Urkunde von 1170 wird als südlichste Grenze der See Woblesko bei Wesenberg angegeben, welcher noch heute der Woblitz=See genannt wird 1 ). Später - die Zeit ist nicht bekannt - waren diese Güter auf das Kloster Stolpe übergegangen, welches dieselben 1346 an den Ritter Otto von Dewitz verkaufte. Hier werden die Güter Woserin (Userin), Quassow und Gor genannt, und als Grenzen der von der Havel durchflossene See Vylym (der Useriner See), das Fließ abwärts bis zur Havel, ferner der aus dem Cyroch (Zierker See) kommende Bach (bei seiner Mündung in den Woblitz) aufwärts bis in den Cyroch, von dort das Bruch aufwärts bis in


1) Mekl. U.=B. I, No. 95 u. 135.
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die (Zierker) Haide, und durch dieselbe wiederum bis in den Vylym 1 ).

Auf diesem Grenzzuge von dem Dreven=See die Havel aufwärts durch den See Woblitz treffen wir zunächst am nordwestlichen Ende dieses Sees bei der Mündung des Flusses in denselben, und zwar am rechten Flußufer einen bedeutenden heidnischen Burgwall, ohne Zweifel die rezenische Grenzfeste Woblitz. Von dort den Fluß aufwärts durch den großen Labus treffen wir zwischen diesem und dem Vylym bei der Useriner Mühle einen zweiten festen Paß. In der nordwestlichen Bucht des Useriner Sees, der den besondern Namen Zirze führt, vereinigen sich dann die beiden obern Arme der Havel, welche, verschiedenen nahe bei einander liegenden Quellen entspringend, eine merkwürdige kleine Landschaft beinahe ganz einschließen, die wir uns näher betrachten müssen.

Auch dies Gebiet, worin ich das alte rezenische Heiligthum zu erkennen glaube 2 ), ward frühzeitig geistlichen Stiftern, namentlich dem Kloster Dargun, verliehen, wobei die Grenzen desselben genau beschrieben werden. Am 14. Octbr. 1256 verlieh der Bischof Heinrich von Havelberg, welcher erst in dem Jahre zuvor diese Gegend durch Vergleich mit dem Bischof von Schwerin seinem Sprengel wieder einverleibt hatte, dem Kloster den Zehnten aus den 4 Dörfern Werdere, Arnoldesthorp, Granzin, Techentin und Blankenfort, welche das Kloster kurz zuvor von den werlischen Lehnsbesitzern erkauft hatte. Im nächsten Jahre, am 6. Jan. 1257, fügte der Herr Nicolaus zu Werle sodann das Dorf Dalmerstorf mit


1) Jahrb. III, 234 vergl. mit S. 20. Auf diese Urkunde ist offenbar eine aus dem verlorenen Strelitzer Amtsbuche von 1569 entlehnte Nachricht zu beziehen, wornach die Grenze des Amtes "Strelitz also bezeichnet wird: "Von der Gurer Beke (bei dem Dorfe Gor) zwischen Trebbow (u. Quassow?), von da bis in die Zircke. Ferner (wieder von dem Gorer Bach ausgehend) in den Wubelitzer See, des Fließes aufwärts bis in den Labbus, ferner des Fließes aufwärts bis in den Wuserinschen Sehe, von dar weiter aus dem Kramtze und in den Wuserin (Langkavel ?), dat Feld zwischen den Peckateln und Maltzanen entlang bis wiederum in den Ziricker See."
2) Hiezu gehört der dritte dieser Abhandlung beigegebene Plan, welcher, gleich den beiden vorhergehenden, von meinem Sohn, dem Kammeringenieur, jetzt Senator Beyer zu Güstrow entworfen ist. Ihm verdanke ich auch die genauere Localkenntniß dieser Gegend, die er bei Gelegenheit einer amtlichen Grenzberichtigung im Jahre 1860 nach meiner Instruction im Interesse des Vereins einer antiquarischen Untersuchung unterwarf.
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dem halben See Kobolk, sowie das Eigenthum der übrigen Güter, unter welchen jedoch Arnoldestorf fehlt, schenkweise hinzu, und beschrieb deren Grenzen 1 ).

Die Urkunde beginnt bei dem See von Langkavel, jetzt Langhagen, aus welchem der eine zunächst nach Westen abfließende Havelarm seinen Ursprung hat, folgt diesem aber nicht, sondern wendet sich südlich an 3 bekreuzten Eichen vorbei über einen Berg und durch einen großen Sumpf zu dem Techentiner See hinüber, genau auf der jetzigen Grenze der beiden Großherzogthümer. Jene Höhe heißt der Bornberg, der große Sumpf das Kramzer Bruch, in welchem ein kleiner, jetzt Techentin genannter Teich liegt, der durch einen am Fuße des Bornberges entspringenden und in den jetzt sogenannten Kramtz=See abstießenden Bach gebildet wird. Die heutige Grenze berührt denselben nicht, sondern geht östlich daran vorüber an den rothen Graben durch den Ravensort in den genannten See. Dieser letztere, nicht jener kleine Teich, ist der Techentin unserer Urkunde. Ueber die Fischerei auf diesem See, welcher in der Urkunde ganz dem Kloster zugesprochen wird, ward im Jahre 1582 flgd. ein lebhafter Streit geführt, indem der Herzog Karl, als Inhaber des Amtes Mirow, wirklich den ganzen See in Anspruch nahm und behauptete, daß die herzoglichen Vögte zu Strelitz sich erst seit der Reformation eine Mitfischerei auf demselben angemaßt hätten. Die abgehörten Zeugen wissen nun zwar über die ältere Zeit nichts, geben aber einstimmig an, daß der See früher durch eine Linie vor dem Einfluß der Kramtzer Beke in den Useriner See bis zu dem rothen Baume (am rothen Graben) getheilt gewesen sei, und die Mirowsche Seite der Techentin, die Strelitzer Seite aber der Kramtz geheißen habe, ja, ein 82jähriger Greis nennt sogar den ganzen See Techentin.

Von diesem See an folgte die Grenze nach Angabe der Urkunde in einem Bogen der Havel aufwärts bis in den See Stouekow (circumfiectuntur per ascensum Hobole usque ad stagnum - Stouekow), freilich ein sehr allgemeiner und alle Einzelheiten überspringender Ausdruck, der gleichwohl verständlich genug ist, wenn man davon ausgeht, daß der erwähnte Kramtzer Bach, welcher nach den Acten des 16. Jahrhunderts neben einer Fischreuse noch Raum für 2 Fahrzeuge hatte, hier schon als Havel aufgefaßt wird. Die Grenze ging dann, ganz so, wie noch heute, von diesem Bach


1) Mekl. U.=B. II, No. 777 und 789. Vgl. Jahrb. II, 79 ff.
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in die Zierzer Bucht des Useriner Sees, wo derselbe mit dem Hauptarme der Havel sich vereinigt, und folgt nunmehr diesem Flusse aufwärts in westlicher Richtung durch den Gartow= oder Gortow=See an dem Paß von Blankenförde vorüber in den Gaten=, jetzt Jäthen=See, und von dort nordwärts aufsteigend bis zu der Mündung des oben erwähnten, aus dem Langhagener See kommenden Havelarms und weiter an diesem letztern auswärts in den heutigen Sevekow=See, den Stouekow der Urkunde. Durch diesen See und an dem kleinern Havelbach hinaufgehend traf die Grenze weiter den Weg von Wesenberg nach Granzin, welcher zugleich die Scheide zwischen Babick und Granzin bildete, und folgte von da ab einem im Sommer trockenen kleinen Bache zu dem Hauptarm der Havel zurück. Von hier an bildete dann wieder die Havel selbst am Ufer des hier nicht genannten Szozen=, jetzt Zützen=Sees herum bis in den See Paule, den heutigen Pavel = oder Paves=See, die Grenze.

Schon auf dieser Strecke weicht die beschriebene Grenze ein wenig von der Naturgrenze ab, indem sie von der Mündung des Stouekowbaches die Havel verläßt und erst kurz vor dem Zutzen=See wieder trifft, wodurch ein kleines Dreieck aus dem hier beschriebenen Gebiete ausgeschnitten wird. Unverkennbar gehörte dasselbe ursprünglich zu dem schon vor dieser Zeit untergegangenen Dorfe Stouekow, und war seitdem mit der Feldmark Babecke vereinigt. Bedeutender ist die nun folgende Abweichung, indem die Grenze der Urkunde vom Pavel=See ab nordwestlich in den See Ziruene, den heutigen Zilmann=See, gezogen wird und dann wieder der in der Urkunde genau zu verfolgenden heutigen Landesgrenze bis zu der Burg Zcarnitz am Dambeker (Dannenbeker) See folgt, also die dem Kloster mitverliehenen, aber außerhalb unsers kleinen Gaues liegenden beiden Feldmarken Granzin und Dalmerstorf mit umschließt 1 ). Statt dessen fließt die Havel aus dem Dambeker oder Pieverstorfer See, welcher als ihre Hauptquelle betrachtet wird, auf kürzerem Wege durch den kleinen Roth=See, den Cobolk, jetzt Kobelik=See, den Parpar, jetzt den Granziner und den kleinen Krinker= oder Schulzen=See in den gedachten Pavel=See.

Von der Ostseite des Dambeker Sees endlich folgt die Grenze unserer Urkunde abermals genau der heutigen Landes=


1) Jahrb. XXXIII, 24 ff.
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grenze durch das Lieper Thal (an dem Lieper oder Krummen=See) über den Weg von Stargard an dem kleinen Boden=See vorüber in ein Thal, welches Markgrafen=Bude genannt wird, vermutlich am großen Boden=See, in welchem die vierte Havelquelle liegt, und endlich durch einen Sumpf bis (usque) Kobolk, d. h. der Feldmark des untergegangenen Dorfes Kobelich, wie sich weiter unten zeigen wird. Hier bricht die Beschreibung ab, ohne den Ring zu schließen, welche Lücke aber sicher durch die gegenwärtige Landesgrenze vom kleinen Boden=See in den Langhagener See ausgefüllt wird. Diese von der Natur selbst scharf vorgezeichneten Grenzen umschließen ein Gebiet von etwa 1/2 bis 5/8 □Meilen.

Betrachten wir uns jetzt das Innere dieses Gebietes. Hier tritt uns als ein Hauptpunkt die schon in der Urkunde genannte Burg Zarnitz (castrum Zcarnitz) d. h. die schwarze Burg entgegen. Dieselbe lag in einer Bucht am Südufer des Dambeker Sees, wo noch heute der mächtige Burgwall schon aus weiter Ferne zu erkennen ist. Der eigentliche, durch tiefe Gräben geschützte Wall liegt auf einer natürlichen, nach allen Seiten steil abfallenden und von See und Sumpf eingeschlossenen Hochebene, auf welcher sich noch einige kleinere Hügel erheben, die aber von dem Burgwall weit überragt werden. Zu dieser Höhe, auf welcher jetzt ein Signal der neuesten trigonometrischen Vermessung steht, führt nur von dem Dorfe Krazburg her ein einziger schmaler Zugang. Auf dem Walle selbst finden sich ungesucht eine große Menge der bekannten, mit Granitgruß durchkneteten, grobkörnigen, heidnischen Scherben und gebrannte Lehmklumpen. Auch hat Herr Staatsminister, Freiherr von Hammerstein neuerdings ein steinernes Messer auf demselben gefunden. Ist meine Vermuthung richtig, daß hier in dem im Alterthum oft genannten und besonders hervorgehobenen Quellengebiet der Havel ein wendisches Heiligthum gelegen habe, so kann der Tempel nur auf dieser Zarnitzburg gestanden haben. In einem Wiesengrunde am Nordufer des Köbelik=Sees liegt das Dorf Krazburg, gewöhnlich Klasburg gesprochen, zu dessen Feldmark der Burgwall gehört. Krazburg hieß in den Urkunden von 1256 und 57 Werder, slavisch also vermutlich Wustrow, und wird auch noch in der Urkunde der Herren Nicolaus und Johann d. A. und Johann d. J. von 1314 villa Werder genannt, jedoch mit dem Zusatze: que nunc Cracebork nuncupatur. Diese Veränderung des Namens erklärt die Sage durch die Erbauung einer neuen Burg in dem Dorfe durch das Geschlecht der Kraze,

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welches uns schon aus dem Konower Werder bekannt ist. Der noch erhaltene Burgplatz oder Schloßberg, jetzt eine Büdnerei, ist fast rund und 15 Fuß hoch und hat etwa 25 □R. Grundfläche, auf welcher früher verschiedene eiserne Waffen, besonders aber Pfeilspitzen, in großer Menge gefunden worden sind, auch jetzt noch zahlreiche Bruchstücke alter Ziegelsteine zerstreut umherliegen. Auf der Seite von dem Dorfe her befand sich bis vor wenigen Jahren ein Eingang in einen unterirdischen Gang, welcher nach der Sage unter den kleinen Rothsee und den Dambeker See, also auch unter die Burg Zarnitz hindurch nach der Burg Ankershagen geführt haben soll. Der letzte Besitzer hat denselben verschütten lassen, weil ihm nach seiner Behauptung ein schwarzer Kater das Betreten des Gewölbes verboten habe. Andere reden von Schätzen, oder flüstern gar, mit Hindeutung auf den geheimnißvollen Gang, von dem einstmaligen plötzlichen Verschwinden eines fremden, reichen Viehhändlers in Krazeburg.

Der Berg wird übrigens von den Bewohnern des Ortes und der Umgegend niemals Krazeburg genannt, sondern allgemein und ausschließlich der Schweriner Berg. Dieser auf den ersten Blick in dieser Gegend überraschende Name hat indeß, wie ich, um künftigen Mißverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich bemerken will, durchaus keine antiquarische Bedeutung, und namentlich keinerlei Beziehung auf die heiligen Schwerine, sondern verdankt seinen Ursprung einfach dem Umstande, daß die Burg, nach Abtretung der Komthurei Mirow mit dem Dorfe Krazburg an die strelitzische Linie unsers Fürstenhauses, noch längere Zeit im Besitze der Herzoge von Meklenburg=Schwerin blieb. - Wirklich bedeutungsvoll für unsere Untersuchung ist dagegen der Name des Sees Kobelik, oder vielmehr des Ortes, wornach der see benannt ward, welcher ohne Zweifel von dem slavischen kobyla, kobela: Stute, koblica: Stuterei abzuleiten ist. Es scheint darnach kaum gewagt, auch hier eine kontine oder zwerepice in dem heiligen Tempelhaine zu vermuthen. Der Ort Kobolk (eine volle contrahirte Form aus Kobilik, wie das benachbarte Cyrok aus Cyreke), bei dem die obige Grenzbeschreibung mit dem Sumpfe am Boden=See schloß, lag ohne Zweifel an der Mündung des aus dem kleinen und großen Boden=See entströmenden Baches in den Kobelik=See, wo schon in dem Kirchenvisitations=Protokoll des A. Mirow von 1578 eine alte "Dorfstätte" genannt wird 1 ), die noch


1) "Ein Wische, die Dorpstätte genannt, nach dem Langkkafel belegen", und später "ein Ende (Acker) auf der Dorfstätte."
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heute bekannt ist. Dieselbe liegt auf einer Horst in der großen Wiese am Ufer des Sees, welche nach der Versicherung des Herrn Pastors Sturer zu Krazburg auch Werder genannt wird. Darnach scheint es, daß Kobolk der eigentliche wendische Name des Werders war, worauf das alte, später untergegangene und unter neuem Namen Krazburg an einer andern Stelle wieder aufgebaute Dorf lag. Diese Veränderung nicht blos des Namens, sondern auch der Lage des Ortes wird auch die besondere Gewähr veranlaßt haben, welche die Herren zu Werle in ihrer Bestätigungs=Urkunde von 1314 gerade in Bezug auf dies Dorf hinzufügten.

Das ganze, verhältnißmäßig bedeutende Gebiet zwischen beiden aus dem Kobeliker See und dem Langhagener See kommenden Havelarmen ist jetzt unbewohnt und mit dem jenseit der Havel liegenden Dorfe Granzin vereinigt, bis auf das schon oben bezeichnete Dreieck nördlich vom Sevekow=See, welches zu Babeke gelegt ist. Auf diefem Gebiete wird früher ohne Zweifel das noch 1256 genannte Dorf Arnoldesthorp gelegen haben. Genauer ist die Lage desselben nicht mehr nachzuweisen, doch ist es nicht unwahrscheinlich an dem Südostufer des Pavelsees zu suchen, wo auf einer breiten in den See hineinspringenden Halbinsel ein gleichfalls sehr bedeutender wendischer Burgwall liegt, der aber, so viel ich weiß, noch nicht näher untersucht worden ist. Der südliche Theil jenes Gebietes, westlich von dem Langhagener See, ist dann wahrscheinlich die alte Feldmark des gleichfalls untergegangenen Dorfes Stowekow oder Sevekow, welches nur aus dem erwähnten Visitations=Protokoll von 1578 bekannt ist. Hier wird nämlich unter den Ländereien der Kirche zu Kakeldütt und Blankenvörde auch "1 Stück Acker am (nicht auf dem) Sevekowschen Felde, 4 Scheffel alle 6 Jahr besäet," aufgeführt. Da nun die Feldmark Blankenvörde damals bis zum Sevekower See reichte, so lag die angrenzende Sevekower Feldmark nördlich von diesem See in dem hier besprochenen Gebiete, auf welchem Oertlichkeiten, wie der Spucksoll, Kreuzsoll, Kessel=See, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Wichtiger scheint endlich die dritte Abtheilung unsers Gaues, südlich von Sevekow zwischen dem Kramz=See, dem Zierzer=See und dem Jäthen=See. Dies ist die alte Feldmark des Dorfes Techentin, welches an der Westseite des nach ihm benannten Techentiner, jetzt Kramzer Sees lag. Die Lage dieses Ortes ist kürzlich in einer für die Topographie dieser Gegend überhaupt sehr wichtigen Abhandlung des

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Herrn Staatsministers, Freiherrn von Hammerstein zu Neustrelitz über die Kramz genauer ermittelt 1 ). Darnach stand das Dorf an der nordwestlichen Ecke des jetzigen Kramzer Sees nach dem kleinen Techentin hin, an dem sogenannten Stratenbroke, wo noch zwei unbewachsene Stellen im Holze gezeigt werden, auf welchen früher Häuser gestanden haben sollen. Dies kann ich aus den bereits oben erwähnten Acten über die streitige Fischerei von 1585 bestätigen, wo die Zeugen eines an der Techentiner Seite aufgezogenen Wadenzuges, "der Budenzogk" oder (offenbar durch Schreibfehler) "Budenhop" gedenken, den ein anderer Zeuge als den Zug bei der "Dorffstett" bezeichnet. Der Ort wird zuletzt in einer Urkunde von 1359 genannt und ist wahrscheinlich bald nachher untergegangen, worauf die Feldmark dem Dorfe Blankenvörde überwiesen ward, wozu sie noch jetzt gehört. Nach dem mehr erwähnten Mirower Visitations=Protokolle von 1578 besaß auch die Kirche daselbst ein mit Tannen besäetes Stück Acker, "in Techentin für das Holz 3 Scheffel Einsaat, ein Stück im Techentiner Acker 6 Scheffel Einsaat, ein Stück am Sevekowschen Felde 4 Scheffel". Zu der Fischerei der Pfarre aber gehörten auch die beiden kleinen Seen, der Stocker=See und der Teufelskrug (Düvelskrog). Diese Seen liegen an dem kleinen Havelarm, welcher aus dem Langhagener See südwestlich zu dem Hauptarme bei Babeke fließt, und die Grenze zwischen Techentin und Sevekow bildete. Zunächst an Langhagen liegt der Stocker=See, dann folgt der Teufelskrug, darauf der große und endlich der kleine Sevekow. Ursprünglich heißen offenbar alle 4 die Stowkower Seen, welcher Name sich am reinsten in der Form Stocker=See erhalten hat, wogegen er in der Urkunde von 1257 gerade dem jetzigen Sevekow beigelegt wird. Durch den sumpfigen Paß zwischen Sevekow und dem Teufelskrug geht noch heute wie 1257 die Straße von Wesenberg nach Granzin.

Den Namen Techentin führt von Hammerstein auf das sorbische tajic: geheimhalten, zurück, davon altböhmisch taje: mysterium, tagnice: latibulum, penetrale, mysterium. Den Namen Stratenbrok aber leitet er von strahec: einschüchtern, ab, daher ztracec: Gespenst (auch Name des Spechtes picus) 2 ). Darnach wird eine Beziehung des Techentins zu


1) Die Tempelstätte an dem See Krams bei Userin. Neustrelitzer Zeitung 1871, No. 132 ff., namentlich No. 136 und 137.
2) Ueber den öfter vorkommenden wendischen Ortsnamen strata, strazna vgl. auch Kosegarten Cod. Pomer. diplom. I, p. 816 -17. Eine (  ...  )
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(  ...  ) Waldung Strazna lag an der Nordspitze des Madu=Sees in Hinterpommern, und der gleichnamige Bach, woran das Dorf Cunow lag, bildete die Grenze des Landes Stargard in Pommern. - Bei Techentin, welches auch Teghentin lautet, ließe sich auch an das böhmische teka, tecy: triefen, fließen denken, davon tekuty n. tekutina: fluidus, fluiditas, von jeder Feuchtigkeit, im Gegensatz zu densus. Dazu würde die Lage der beiden mir bekannten Techentine bei Ludwigslust und Goldberg passen.
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Plan der Burg Zcarnitz und Umgebung.
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dem Heiligthum Kramz vermutet, und in der That ist namentlich der kleine Techentin und dessen Quelle, der Born am Bornberge, welche nach der Schmettauschen Karte mit einer wallähnlichen Erhöhung eingefaßt zu sein scheint, wohl geeignet, solche Vermuthungen zu wecken, nur daß ich nach meiner Ausführung natürlich an das diesseitige rezenische Heiligthum, statt an die redarische Tempelstätte in der Krampz zu denken geneigt sein muß. Noch entschiedener scheint die zur Useriner Pfarre gehörige, aber am Techentiner Ufer liegende Halbinsel zwischen der Zierzer Bucht des Useriner Sees und dem Kramtz= (Techentiner) See, welche Herr von Hammerstein gleichfalls ins Auge gefaßt hat, eine gottesdienstliche Bestimmung gehabt zu haben. Auf dieser schön bewaldeten Halbinsel, welche jetzt die Useriner Horst genannt wird, befindet sich namentlich ein erheblicher Hügel, auf dessen Spitze 5-6 große Felsblöcke liegen, und am nördlichen Ufer liegt gleichfalls ein besonders großer und hoher Stein, der nach Größe und Form sich sehr wohl zu einem Opfersteine geeignet zu haben scheint. Am Südufer aber ist auf der Schmettauschen Karte ein viereckiger, anscheinend auf 3 Seiten von Wällen eingeschlossener und nur nach dem See hin offener Raum gezeichnet. Täuscht diese Vermuthung über die Bestimmung dieser Oertlichkeit nicht, so läßt der alte Name des Sees Vilim zunächst an eine, innerhalb des National=Heiligthums der Hauptgottheit des Landes, der Göttin Wila besonders geweihete Opferstätte denken.

Am Schlusse dieses Abschnittes müssen wir noch einen Blick auf das redarische Gebiet unmittelbar an der Grenze unsers Heiligthums werfen, da hier mehrere Oertlichkeiten in enger Beziehung zu demselben zu stehen scheinen. Dahin gehört vor allem die mehr erwähnte Tempelstätte in der Kramtz. Die Ortschaft dieses Namens scheint schon vor der Veräußerung der Güter zu Userin, Ouassow und Gor durch das Kloster Slotpe im Jahre 1346 wüst geworden zu sein, da dieselbe ganz unbezweifelt innerhalb der in der Urkunde be=

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schriebenen Grenzen gelegen hat, aber gleichwohl nicht mehr genannt wird. Nach Herrn von Hammersteins vollkommen überzeugender Ausführung lag der Ort, unserm oben beschriebenen Techentin gegenüber, auf einer den Namen Ravensort führenden Erhöhung in dem Bruche am nördlichen Ufer des Kramtz=Sees an dem schon erwähnten Rothen Graben, welcher, die Grenze unsers Heiligthums bildend, in dem Zeugenverhör von 1585 der Kramptzer Ford genannt wird 1 ), und wo es nach dem Glauben des Volkes noch heute nicht geheuer ist. Nun heißt chram nach dem Lexicon Welessini: conclave; in der Mater verbor, aber wird der Plur. chrami durch fana, und später wiederholt durch templa übersetzt 2 ), und im Böhmischen heißt noch jetzt chran: Tempel. Die Wurzel des Wortes, zu welcher auch das russische Kreml gehören wird, scheint in dem Verbum chranjm: hüten, beschützen, zu liegen. Die Bedeutung ist also ursprünglich jeder verschließbare Ort (conclave), dann Burg, vorzugsweise Tempelburg. Chramitz, Chramtz aber bedeutet entweder Burg= oder Tempel=Ort, oder es ist deminutivisch zu nehmen. Hiernach vermuthe ich in diesem redarischen chramtz unmittelbar vor einem in das Heiligthum führenden Paß einen festen Bergfrieden, vielleicht mit einem Götterbilde, wie in dem Beseritzer Modelfurt oder einen wirklichen Vortempel. Für diese Ansicht scheinen auch die Dörfer Krampitz auf Jasmund, unmittelbar vor dem Heiligthum des Pizamir bei Sagard, und Krampatz bei Klein=Jasmund, wo ich gleichfalls ein Heiligthum vermuthe, zu sprechen.

Die zweite hierher gehörige Oertlichkeit ist die Feldmark Langhagen, früher Langkkhavel, auch Langk=Havel genannt, welche vor der offenen Grenzstrecke zwischen dem Boden=See und dem Langhagener See liegt und jetzt, fast isolirt, noch zu Meklenburg=Schwerin gehört. Gleich hinter derselben liegt die große Waldung der sogenannten Zierker Räume, welche früher vermuthlich auch unsere Feldmark mit einschloß, so daß der Wald unmittelbar die Grenze unsers Heiligthums berührte. In diesen Fällen scheint es nun uralte Sitte gewesen zu sein, die Grenze durch starke Verhaue aus gefällten Baumstämmen zu schützen, wovon uns mehrere Beispiele aufbewahrt sind, namentlich durch Widukind bei dem Berichte über die Schlacht an der Raxa in der Herrschaft Müritz 955.


1) "Vom Kramptzer Ford, so ein Bekeken, da ehemals eine Rode eiche gestanden."
2) Hanka 1. 1. p. 7 und 117.
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Auf eben dieser Feldmark fand mein Sohn im Jahre 1860 an und auf einer Anhöhe, einige 100 Ruthen vom Seeufer entfernt an dem Wege nach Adamsdorf, eine große Menge Scherben, welche sicher der heidnischen Zeit angehören. Auch das benachbarte damals mit Korn bestandene Feld soll ganz mit diesen Scherben besäet sein. Künstliche Erdarbeiten oder weitere Spuren eines untergegangenen Dorfes wurden nicht gefunden. - Endlich gehört auch noch der schon erwähnte kleine Boden=See zu der Feldmark Langhagen, die hier mit Adamsdorf grenzt, während der gewöhnlich als zweite Havelquelle bezeichnete große Boden=See als Strelitzer Enclave zu Hohen=Zieritz gerechnet wird. Höchst wahrscheinlich führen dieselben ihren Namen von der Markgrafen=Bude der Urkunde von 1257, vermuthlich eine Zollbude oder sonstige befestigte Anlage an dem hiesigen Grenzpasse, die vielleicht in Beziehung zu jenem Scherbenhügel stand.

Auf der Feldmark Adamsdorf selbst, die früher Kostal, dann verhochdeutscht Kuhstall hieß, und gleichfalls mit unserm Tempelgau grenzt, befindet sich eine schon wiederholt untersuchte und beschriebene Feldsteinmauer, deren Beschaffenheit aber leider immer noch unklar ist. Der Steinwall, welcher früher irrig als ringförmig bezeichnet ward, ist nach neuerer Untersuchung fast 1/4 Meile lang, vorherrschend von Ost nach West laufend, und besteht zum Theil aus sehr bedeutenden Felsblöcken. Unmittelbar daran liegt ein, seit undenklichen Zeiten nicht mehr benutzter, anscheinend christlicher Kirchhof, mit vereinzelten Steinen umsetzt, weiter entfernt ein Heidenkirchhof aus der Bronzezeit, in dessen Nähe die Sage von einer Wendenstadt erzählt 1 ). Dieser Wall hat die größte Aehnlichkeit mit der Steinmauer an der Lauenburger Grenze, und noch mehr mit dem Hünenwall im Konower Werder, und ist unbezweifelt ein alter Grenzwall. Bei der ungenügenden Bezeichnung seiner Lage kann ich jedoch nicht darüber urtheilen, ob er die Gaue Lipitz und Chotibanz, oder unser Heiligthum von dem Gaue Lipitz zu scheiden bestimmt gewesen sei. Der Name Kostal ist das wendische kostel, welches Kirche bedeutet, aber nach Palkowitsch aus dem lateinischen castellum entlehnt ist und also ursprünglich, gleich chram, eine Burg, Tempelburg, bedeutet. Diese Kirche war vermuthlich eine christliche aus der Ottonenzeit, welche nach der Zerstörung der sogenannten


1) Jahrb. II, 111-113. Vgl. III, 18-19, VI, 183 und XXIII, 22 ff. 242.
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Wendenstadt der Sage noch Jahrhunderte einsam im Walde gestanden und dem wieder aufgebaueten Dorfe den Namen gegeben haben mag.

Die weitere Grenze des Landes der Redarier gegen die Tholenzer muß sich in nordöstlicher Richtung etwa von der Havelquelle am Boden=See ab gegen den Tollenser See, ungefähr in der Richtung der heutigen Landesgrenze, gezogen haben. Hier werden uns in den Urkunden von 1170 und 1182 die beiden Gaue Chotibanz und Lipitz als Grenzen der dem Kloster Broda verliehenen Güter längs der Havel angegeben, von welchen ersterer noch zur Redarier, letzterer zur Tholenzer Herrschaft gehört haben muß, so daß die Grenze dieser Gaue zugleich die Völkergrenze bildete. Auf dieser Grenze mag denn zunächst vom Boden=See ab der eben beschriebene Steinwall gestanden haben, weiterhin aber ward dieselbe ohne Zweifel durch den Liepzbach von der Quelle bis zur Mündung in den Liepz=See gebildet, wo Prillwitz (1170 Priliubitz, d. i. an der Liepitz, genannt) als redarische Grenzfeste und Lipitzer Gauburg erscheint, während das früher gewiß zu Meklenburg=Schwerin gehörige, und noch im 17. Jahrhundert theilweise von dem Amte Stavenhagen in Anspruch genommene Hohen=Zieritz noch in dem Tholenzer Gaue Chotibanz lag. Der Gau Lipitz mag dann seine östliche Grenze an dem Nemerower Bache gefunden, und sich südlich bis zum Turower und Zierker See ausgedehnt haben, wo er dann mit dem Gau Strelitz zusammen gestoßen sein wird, ja wenn der Ausdruck der untergeschobenen Darguner Urkunde von 1170: Lipiz cum omnibus villis suis usque ad stagnum Woblesko, genau zu nehmen wäre, würde derselbe den Gau Strelitz mit eingeschlossen haben. Doch darf man diesen Ausdruck, welcher in der echten Urkunde von 1182 fehlt, wohl unbeachtet lassen. Chotibanz dagegen ward dann von Hohen=Zieritz ab durch den Zipplower Bach und die Eiserne Pforte bis zum Kl. Vielener See gegen Wustrow und Tützen (Vogtei Stavenhagen) begrenze und mochte sich westlich bei dem in der Feldmark Dambeck untergegangenen Orte Chutun mit dem Gau Zlone (Vogtei Waren) berühren. Doch fehlt es uns an Hülfsmitteln zur genauern und sichern Bestimmung der Grenzen dieser Gaue, wie wir denn auch von der weiteren Gautheilung im Innern des Redarier Landes, deren Existenz mit Sicherheit vorausgesetzt werden darf, durchaus keine Kunde haben.

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