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VII.

Nachtrag zu Dr. Strehlke

über

Doberan und Neu=Doberan (Pelplin).

Vom

Geheimen Regierungsrath von Quast,
königlich Preußischem Conservator der Kunstdenkmaler.


D er im vier und dreißigsten Jahrgange dieser Zeitschrift, s. 20 flgd., enthaltene Aufsatz des Dr. Strehlke über Kloster Pelplin mußte in vielfacher Hinsicht vorzugsweise mich mehr berühren, da der Verfasser viele Jahre lang in engster Verbindung mit mir bei der Herausgabe des von Schulz hinterlassenen Werkes: "Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Unter=Italien" thätig gewesen ist, ich daher, weil er oft lange Zeit unter meinen Augen und in meinem Hause arbeitete, seine auf urkundliches Quellenstudium fußende Gründlichkeit kennen zu lernen genugsam Gelegenheit hatte. Sodann war mir Pelplin seit 25 Jahren genau bekannt und hatte ich auch Doberan bereits seit 20 Jahren durch eigene Anschauung würdigen und schätzen gelernt. Endlich erneuerte sich dabei der Schmerz über den Verlust einer so bedeutenden literarischen Kraft wie die des verewigten Dr. Strehlke, der gewissermaßen erst am Anfange seiner so viel versprechenden literarischen Laufbahn uns schon wieder ent=

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rissen ward. Freilich mußte ich dankbar es doch immer als ein Glück anerkennen, daß ihm noch so viele Jahre zu so vielen gründlichen Forschungen und Veröffentlichungen gegönnt worden sind, nachdem sein Gesundheitszustand im Frühling 1856, als er behufs Herausgabe des Schulzschen Werkes zuerst mein Haus betrat, bereits so angegriffen war, daß man wohl Ursache zum Zweifel hatte, ob er auch nur die Vollendung dieses Werkes erleben würde. Er hat es noch fast 10 Jahre überlebt, und während dessen aufs Thätigste weiter gearbeitet und geschaffen.

Mit besonderer Vorliebe widmete sich Dr. Strehlke namentlich denjenigen historischen Untersuchungen, welche zur Aufklärung der Kunstgeschichte von Wichtigkeit sind. Bei der Bedeutsamkeit der beiderseitigen Klosterkirchen zu Alt= und Neu=Doberan wäre es daher von Wichtigkeit gewesen, wenn der gründliche Forscher über die Baugeschichte beider sich ausführlicher ausgelassen hätte. Auf die Baugeschichte Alt=Doberans läßt er sich, da dies nicht zu seinem eigentlichen Zwecke gehört, begreiflicher Weise so gut wie gar nicht ein. Wenn er auch für die Geschichte der Pelpliner Kirche nur weniges giebt, so mochte er dies wohl als außerhalb seines eigentlichen Zweckes liegend betrachten; auch erschienen die Nachrichten ihm vielleicht zu unbedeutend für eine ausführlichere Baugeschichte, und er erwähnt daher nur wenig darauf bezügliche Data, namentlich das Datum der Einweihung der Kirche im Jahre 1472. Allerdings giebt es noch einige andere Notizen über bauliche Veränderungen der Kirche und des Klosters, welche der um 1630 schreibende, schon a. a. O., S. 39, schreibende Kloster=Annalist mittheilt, und die zur richtigen Erkennung der Erbauungszeiten und zur Ergänzung der Strehlke'schen Zusammenstellung immer nicht unwichtig sind. Ich stelle sie hier nach den mir s. Z. vom Herrn Professor Dr. Hirsch gütigst zugestellten Auszügen zusammen, wobei auch die von Dr. Strehlke bereits mitgetheilten Notizen, des Zusammenhanges wegen, wieder mit aufgenommen sind.

1258. Erste Gründung des Klosters zu Pogutken; es hatte hier eine hölzerne Kirche.

1274. Verlegung des Klosters nach Pelplin. Die neue Abtei sollte gewidmet sein der h. Jungfrau, St. Benedictus, St. Bernardus und St. Stanislaus; aber, bemerkt der Chronist, von St. Stanislaus ist keine Spur zu finden. Zur Ehre der 3 anderen summum altare 198 annis post (d. i. 1472) est consecratum, fortasse etiam ipsum templum.

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1323. In die Valentini, heißt es in einem sehr alten Graduale, das, wie der Chronist meint, wahrscheinlich aus Doberan schon mitgekommen, daß in der Klosterkirche campanile concussum, tectum direptum, una ex maximis columnarum in minutas partes contrita et per totam ecclesiam dispersa, fenestrae vitreae fere omnes comminutae sunt. Der Chronist bezweifelt, ob das in Pelplin habe sein können.

1399. In vigilia S. Bernardi. In chartula quadam reperi: testudo Ecclesiae nostrae cecidit.

1400. 40tägige Indulgenz des (Diöcesan=) Bischofs von Leslau für jeden, der lectionem in Refectorio anhört.

1417, 29. Nov. 100tägige Indulgenz von 6 Cardinälen für die, welche Ecclesiam majorem vel Capellam ante portam besuchen, item qui manus adjutrices ad dictae Ecclesiae et Capellae fabricas etc.

1417. 1.Decbr. Für dieselben Zwecke Indulgenz des Erzbischofs Nicolaus von Gnesen, ebenso 2. Decbr. von 2 anderen Cardinälen.

1418. Desgleichen noch von mehreren Anderen.

1418. Pridie Non. Septembr. consecrata est Capella ante portam Monasterii in honorem Corporis Christi. In der Kapelle selbst, der jetzigen Pfarrkirche, heißt es in einer Inschrift: 1418 consecrata est praesens Ecclesia etc.

1433 wird das Kloster von den Böhmischen Rittern im polnischen Heere geplündert und verbrannt.

1447 schildert der Visitator das Kloster als durch die Hussiten in omnibus aedificiis concrematum, die Mönche aber im Begriffe, alles wieder zu instauriren. Er fragt an, ob nicht die Frauen tempere consecrationis Ecclesiae in das Oratorium eintreten dürften. Ex his literis, setzt der Chronist hinzu, inter alia apparet, Ecclesiam eo tempore nondum fuisse consecratam, de qua postea plura. Nisi forte opinari velimus per proximas desolutiones eam sic violatam, ut de novo consecrari indiguerit.

1473, 8. März. Altare majus Ecclesiae majoris consecratum est. Templum eodem simul tempore consecratum esse, id nobis argumento est, quod in proxima visitatione domini Morimund. ante annos 25 supplicatum fuerat visitatori, ut tempore consecrationis liceret feminis Ecclesiam ingredi, isque declaraverat, quod alias iam ex definitionibus ordinis id liberum esset. Quod autem a principio fundationis ad hoc usque tempus (200 annos) non fuerit consecrata, nec ad perfectionem suam deducta, ex probabilibus habemus conjecturis. Moles enim magna

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et ingeus structura est, proventus fuere exigui, fundatoribus cum universa progenie et posteritate sua citissime exstinctis, benefactores pauci, frequens dominiorum temporalium mutatio, bella frequentia . . . . et aliae difficultates multae, quae sine dubio operas frequenter interrumpi fecerunt. Ex traditiombus habemus (Anf. des 17. Jahrh.) semorum nostrorum, qui similiter a senioribus suis id receperunt, officia ante consecrationem Ecclesiae solita fuisse in domo Capitulari absolut. Altare etiam usque hodie visitur in ea, quamvis ablatione sacrarum reliquiarum violatum. Potuerunt etiam in domo infirmorum divina celebrari, ut alii itidem ex traditione majorum affirmant. Nam et ibi sacrarium satis commodum cum altari consecrato fuit et perfectam parvi claustri formam habet cum quadruplici claustri regularis ambitu.

Wenn Dr. Strehlke zum Schlusse seiner Abhandlung mit Recht den mächtigen, im Mittelschiffe 80 Fuß hohen Bau der Klosterkirche hervorhebt und dann wörtlich sagt: "Einen Bezug der Architektur der Pelpliner Kathedrale zu der Doberaner Kirche kann man im Einzelnen nicht nachweisen", so kann ich diesem doch nicht durchaus beipflichten. Daß beide Kirchen durch ein langgestrecktes Schiff, durch einen, dem Mittelschiffe gleich hohen Kreuzbau sich auszeichnen, ist ein den Cisterzienser=Kirchen gemeinsamer Charakter, kann also nicht als specieller Einfluß der Mutter= auf die Tochterkirche hervorgehoben werden. Wenn der Chorschluß in Doberan, im engsten Anschlusse an die großen Kirchen der benachbarten Hansestädte, die hierin wohl unmittelbar den Niederländischen folgten, den schönen polygonen Chorschluß der französischen Cathedralen mit Kapellenkranz umher zeigte und namentlich auch der Cathedrale des eignen Bischofs zu Schwerin folgt, auch auf ein anderes Tochterkloster, zu Dargun, in dieser Hinsicht seinen Einfluß zeigt, so sehen wir in Pelplin den Chor nur als einfache Verlängerung des Langhauses aufgefaßt, doch so, daß hier nur vier Joche anstatt der fünfe des Schiffes sich vorfinden: eine Anlage, die, zusammen mit dem graden Chorschlusse, allerdings den einfacheren und mehr nüchternen Vorschriften des Ordens entspricht und daher häufiger vorkommt, z. B. in dem Mutter=Kloster von Doberan zu Amelungsborn. Aber schon daß in Pelplin das Mittelschiff höher als die Seitenschiffe hinaufsteigt und durch Fenster im Obergadem erleuchtet wird, dürfte, da in Preußen sonst die Hallen=Kirchen vorherrschen, als ein günstiger Einfluß des Mutter=Klosters anzuerkennen sein, so

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Wie überhaupt die ganze, der Doberaner in der Anlage verwandte Ziegel=Architektur, obschon überall, anstatt der in Verhältnissen und Ausbildung der Architektur=Formen so zierlichen älteren Kirche, dies alles in Pelplin, wenn auch in den Hauptanlagen großartig, doch im Einzelnen sehr roh und unansehnlich ist, wieder den allgemeinen Stylverhältnissen der Provinz am Ende des 14. und 15. Jahrhunderts entsprechen, wo der Pelpliner Bau entstanden ist.

Bedeutender ist die Verwandtschaft beider Kirchen aber schon dadurch, daß das Langhaus in beiden durch fünf Gewölbejoche mit vier Pfeilerpaaren ziemlich in demselben Abmessungen gebildet wird. Vor allem zeigt sich die Aehnlichkeit beider Kirchen aber darin, daß die Kreuzarme in beiden nicht, wie es sonst, und auch in Cisterzienser=Kirchen, überall Sitte ist, durch einen einzelnen Bogen vom Kreuzesmittel abgesondert werden, sondern durch zwei Bogen über einen Mittelpfeiler, so daß die hohen Gewölbe des höheren Langhauses ohne Unterbrechung vom Schiff bis zum Chor durchlaufen, während die quadratischen Kreuzarme in vier gleichfalls quadratische Gewölbe sich zerlegen, die auf einem schlanken achteckigen Mittelpfeiler ruhen. Wenn in Doberan auch hier eine bei weitem reichere Ausbildung stattfindet, nicht nur in den so schön und originell mit Farben geschmückten schlanken Mittelpfeilern, sondern auch durch Hinzufügung von niederen Doppel=Kapellen gegen Osten und Westen, während in Pelplin dieser vielfache Schmuck fehlt, und überall dieselbe Nüchternheit der Verzierung herrscht wie im ganzen Innern, so ist dennoch die ganze Anlage, welche außer diesen beiden Kirchen auch noch zu Dargun, der modernen Tochter von Doberan (wo aber die schlanken Säulen der Kreuzarme fehlen), innerhalb des Cisterzienser=Ordens vorkommt, als ein directer Einfluß der Architektur des Mutter=Klosters auf die der Tochter anzuerkennen.

Radensleben, den 6. April 1870.

v. Quast.     

 

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