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1.
Der Burgwall auf Wustrow und das Gestüt zu Dierhagen.

Ich wende mich zunächst zu der Untersuchung des alten Gestüts zu Dierhagen und seiner Umgebung, da hier die Verhältnisse am einfachsten und klarsten vorliegen, und daher zugleich zur Erläuterung ähnlicher Erscheinungen wesentlich beitragen werden. Der Ort liegt bekanntlich in der Nähe von Ribnitz am Ufer des Binnensees hart an der Halbinsel Fischland und in der Nähe der großen Waldung, welche jetzt die Ribnitzer Haide genannt wird, und sich gegen Südwest an die noch bedeutendere Rostocker Haide unmittelbar anschließt, in ältern Zeiten aber sicher auch nordöstlich die Küste des Meeres bis an die genannte Halbinsel bedeckte, und sich zugleich südöstlich bis an den Binnensee bei Dierhagen aus=

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dehnte, so daß sie die Halbinsel gegen das Festland vollständig abschloß. Alle auf diesem alten Waldboden liegenden Dörfer sind schon durch ihre Namen als spätere deutsche Colonien erkennbar. Die zwischen dem Meere und dem großen Ribnitzer Binnenwasser liegende sandige und unfruchtbare Insel aber ist von einem in mancher Beziehung eigenthümlichen Volksstamme bewohnt, der vielleicht wendischer Abstammung ist 1 ), und sich ausschließlich von Schifffahrt und Fischfang nährt. Der alte, ursprüngliche, wendische Name dieses eigenthümlichen Ländchens war nun bis in das 16. Jahrhundert hinein Swante Wostrow, d. h. heilige Insel, denn das böhmische swaty, (sprich swanty), ) polnisch swjety (swjenty) heißt heilig und ostrow, im wendischen Dialekte wostrow, eigentlich Spitze, bedeutet namentlich eine in das Wasser vorspringende Landspitze, Halbinsel, aber auch Insel. Dieser Name beweiset vollkommen, daß hier zur Zeit der Wenden ein altes heidnisches Heiligthum stand, wenngleich es uns an historischer Nachricht darüber fehlt, und in neuerer Zeit ist es denn auch den unermüdlichen Forschungen unsers Lisch auf dem Gebiete der meklenburgischen Alterthumskunde gelungen, die alte Tempel=Stätte überzeugend nachzuweisen 2 ). In einer weiten, tiefen Wiese am Ufer des Binnensees, dem jetzigen Hafen der Insel, liegt ein künstlich aufgetragener, großer und noch jetzt ziemlich hoher Wall, welcher seit Jahrhunderten die dem Heiligen Jodocus geweihte christliche Kirche trägt, die offenbar nach dem Siege des Christenthums die Stelle des zerstörten Tempels der heidnischen Gottheit vertritt. Auch Lisch zweifelt hieran nicht, obwohl er hervorhebt, daß der Wall ganz so gebauet sei, wie die übrigen Burgwälle des Landes, welche zum Schutze und zur Vertheidigung der Grenzen gegen feindliche Einfälle dienten. Ich muß aber schon hier darauf aufmerksam machen, daß die wendische Bevölkerung oder wenigstens die kampffähige Jugend sich in Kriegszeiten auch in die Tempel ihres Kriegsgottes Swantewit zurückzog, da auch diese fest genug waren, um eine förmliche Belagerung längere Zeit aushalten zu können, wie das Beispiel Arkonas beweiset, eine Bemerkung, welche für den Fortgang unserer Untersuchung von entscheidender Wichtigkeit ist. Der religiöse Charakter des Wustrower Walles tritt aber auch aus der daran haftenden Volkssage deutlich


1) Die hier herrschenden Familien=Namen waren, soweit wir Kenntniß von dem Ländchen haben, deutsch, aber großentheils verhältnismäßig junge Beinamen, wie Fretwurst, Brathering und ähnliche.
2) Jahrb. XXVII, S. 187.
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hervor. Darnach war derselbe durch einen gewaltigen Riesen aufgeworfen, eine Arbeit, welche mit Hülfe eines wunderbaren Schimmels in einer einzigen Nacht vollendet ward. Das ist unverkennbar das heilige weiße Kriegsroß des Swantewit auf Rügen, das auch in Rethra im Namen des Gottes die Zukunft enthüllte, und zugleich in der deutschen Sage als Träger des Siegsgottes Wodan in dem scandinavischen Norden, wie auf dem germanischen Festlande eine so bedeutsame Rolle spielt. Der Tempel auf dem heiligen Wostrow war also dem Swantewit geheiligt!

Zur weitern Geschichte dieses Ländchens, das seit dem 16. Jahrhundert Fischland genannt wird, wogegen der alte Name an dem Hauptorte auf demselben, früher Kirchdorf, jetzt Wustrow, haften blieb, bemerke ich hier noch, daß dasselbe gleich zahlreichen andern Heiligthümern des Heidenthums schon in der frühesten Zeit an geistliche Stiftungen verliehen ward. Im J. 1275 bestätigte nämlich der Papst Gregor I. dem Kloster Dünamünde in Livland, das mehrfache Besitzungen in Meklenburg hatte, unter andern die Dörfer Bentwisch, Wustrow und Volkshagen im Amte Ribnitz und noch ein viertes Dorf, dessen auf - ne endigender Name uns durch eine Lücke in der Urkunde verloren gegangen ist 1 ). Wann dies Kloster in den Besitz dieser Dörfer gekommen, ist unbekannt. Es kann denselben aber auch nicht sehr lange bewahrt haben, da nirgends wieder die Rede davon ist, und Wustrow im Anfange des 14. Jahrhunderts sicher wieder eine landesherrliche Domäne war. Im Jahre 1313 war es an Reimar v. Preen verpfändet, im August dieses Jahres belehnte König Erich von Dänemark als damaliger Herr des Landes Rostock seinen Truchseß Nicolaus Olafsen mit dem Lande Zwante wostrowe, welcher dasselbe bald darauf an den bischöflich bremischen Ritter Martin v. der Hude veräußerte, den wir von 1323-28 fast in allen diese Gegend betreffenden Urkunden unter den Räthen des Fürsten Heinrich von Meklenburg, Statthalters des Königs in der Herrschaft Rostock finden, und dessen Söhne diese Besitzung am 12. Aug. 1328 eben diesem Fürsten für das neugestiftete Kloster zu Ribnitz aufließen, worauf dieser dieselbe dem letztern am 13. Dec. desselben Jahres förmlich überwies.


1) - - specialiter autem de Bentuwisk, de . . . . . ne, de Wostrowe, et de Indagyno (!) Volquini. M. U. B. 442. Es ist charakteristisch, daß der Papst das sonst nie fehlende "swante" vor Wostrowe wegläßt. Das Haupt der Christenheit konnte sich nicht entschließen, eine heidnische Götzenstätte für heilig zu erklären.
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Damit war denn dies alte geistliche Gut der Kirche zurückgegeben.

Wenige Tage darauf, und offenbar im engsten Zusammenhange mit dieser Erwerbung, verlieh derselbe Fürst dem Kloster nun auch die Güter Dierhagen, mit dem dortigen Gestüte, von welchem der Ort selbst ganz augenscheinlich den Namen trägt, was um so mehr das hohe Alterthum dieser Anstalt beweiset, als man nicht zweifeln kann, daß der deutsche Name "Derhagen", - wie die alte niederdeutsche Form lautet, im 16. Jahrhundert durch Thierhagen verhochdeutscht, und später in Dierhagen übergehend, - nichts anderes ist, als die wörtliche Uebersetzung des wendischen Zwerin, Der Ort kommt zwar, - wenn die Lücke in der oben erwähnten Urkunde von 1235 nicht etwa durch das wendische [Zweri]ne zu ergänzen sein sollte, - erst im 14. Jahrhundert vor, woraus aber natürlich in keiner Weise die neuere Gründung desselben gefolgert werden darf, zumal im 13. Jahrhundert sich überhaupt sehr selten

Veranlassung fand, reine, d. h. ungetheilte, fürstliche Domänen zu nennen. Als der Ort aber zuerst genannt wird, bestand daselbst auch bereits das Gestüt, als eine damals fürstliche Anstalt. Am 8. Nov. 1324 verpfändete nämlich der Herr Heinrich zu Meklenburg mit Consens seiner Gemahlin Anna seinem Getreuen Johann Moltke, Sohn des Vicke Moltke, und der Frau Elisabeth, Wittwe des verstorbenen Vogtes Thomas zu Ribnitz, für eine Schuld der letztern von 400 Mark die beiden Dörfer Dierhagen mit dem dazu gehörigen Hofe und allen Aeckern, Wiesen und Weiden, wobei er die Pfandinhaber besonders verpflichtete, aus den Nutzungen dieser Güter die daselbst befindliche Stuterei fortzuführen und getreulich in Acht zu nehmen, wie er sich dessen zu ihnen versehe. Doch reservirte er sich und seiner Gemahlin und seinen Erben ausdrücklich alle Füllen, Hengste und Stuten des Gestüts, wogegen die Pfandinhaber, wenn sie dabei Schaden leiden sollten, sich der Gnade des Fürsten unterwarfen 1 ). - Schon am 22. Novbr. 1327 starb Hein=


1) - - dimittimus et iusto titulo pignoris obligamus ambas villas et curiam Derhaghen dictas cum agris, pratis et paseuis etc. - - - De bonis vero et prouentibus seu fructibus supra dictis debent Johannes Molteke et ipsa domina ac eorum heredes predicti equirream nostram stut dictam feruare et fouere fideliter, prout fiduciam gerimus in eisdem, poledros et omnes equos ac equas ipsius equirree nobis et vxori nostre nostrisque successoribus continue reseruando, et si ex hoc ad damnum incurrerint, super hoc gracie nostre se committunt. Nach dem Origin. im Kloster Ribnitz. Gedr. bei Rudloff Urk. Liefer. Nr. 115.
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richs Gemahlin, worauf er zu deren Gedächtniß das S. Claren=Kloster zu Ribnitz gründete. Zur Dotirung dieses seines Lieblingsstiftes vermittelte er, wie wir gesehen haben, am 13. Decbr. 1328 die Abtretung des Landes Wustrow, welcher Besitzung er am 28. desselben Monats auf den eignen Wunsch der verstorbenen Gemahlin seine gesammten Güter in dem angrenzenden Dierhagen unter der Bedingung der Einlösung derselben von den Pfandinhabern hinzufügte. Diese Güter bestanden jetzt nur noch aus einem Dorfe, indem das zweite seit dem Jahre 1324 niedergelegt und auf dessen Feldmark ein neuer Hof für das Gestüt erbauet war, welches letztere, oder wie der Fürst erläuternd hinzufügt, die dortige Heerde von Pferden, dem Kloster ausdrücklich mit überwiesen ward. Diese Bezeichnung der in dem Gestüte befindlichen Pferde als eine Heerde ist gewiß von besonderm Interesse, da sie eine Hinweisung auf die zu Eingang besprochene alte Züchtungsweise enthält. In eben dieser Beziehung dürfte auch hervorzuheben sein, daß diesmal auch die zu den verliehenen Gütern gehörigen Waldungen namentlich genannt werden. Endlich wird noch besonders hinzugefügt, daß das Kloster diese Güter zu Derhagen mit denselben Privilegien besitzen sollte, wie das Land Zwant Wostrow, auch nicht verpflichtet sei, für den Fürsten und seine Nachfolger die Pferde=Hude auf den Weiden des Gutes, wie Johannes von Moltke schuldig gewesen war, zu halten 1 ). Von einer Reservation der vorhandenen Pferde ist aber eben so wenig die Rede, und in der That scheinen die ehrwürdigen Jungfrauen des heiligen Clarissen=Ordens die Absicht gehabt zu haben, das Gestüt auf eigne Rechnung fortzusetzen, zu welchem Zwecke, wie es scheint, der Fürst bei der nochmaligen Bestätigung aller obgedachten Schenkungen am 12. Jan. 1329 dieselben noch durch Abtretung von 4 bewaldeten Hufen in dem zu der Ribnitzer Haide gehörigen Walde Müritz (in nemore Muryz) mit den daran


1) - - villam Derhaghen ac curiam loco alterius quondem ville similiter Deerhaghen dicte constructam eiusdemque curie equicium seu gregem equorum, stut wlgariter appellatum, cum vtriusque tam ville scilicet, quam curie agris, pratis, pascuis, nemoribus et pertinentiis etc, - - cum eadem libertate eidem (claustro) dimittimus, - - qua terram Zwant Wostrow noscitur possidere, ita, quod nec ad tenendum nobis vel nostris heredibus in pascuis curie ante dicte equicium seu gregem equorum stut appellatum - - sit adstrictum.
Nach dem Diplomatar, des Kl. Ribnitz. Gedr. bei Rudloff a. a. O. Nr. 128.
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liegenden Gras= und Moorflächen, mit der Weidegerechtigkeit bis zur Ostsee, und der Gerechtigkeit, daselbst einen Hof anzulegen, vermehrte. Diese Wald= und Weideflächen werden vermuthlich schon früher für das fürstliche Gestüt benutzt, und für dasselbe unentbehrlich gewesen sein. Nur 5 Tage nach Ausfertigung dieser letztern Urkunde, am 17. Jan. 1329, acht Tage vor seinem Tode erneuerte der Fürst endlich nochmals als letztes Vermächtniß wiederholt alle dem Kloster gemachten Schenkungen, namentlich das Land Wustrow, sowie Dorf und Hof Dierhagen mit dem dortigen Gestüte fast mit denselben Worten, wie in der vorhergehenden Urkunde, und die jetzt vermessenen und begrenzten 4 Hufen im Walde Muriz.

Diese urkundliche Geschichte des Landes Wustrow mit seinen Heiligthümern und des Gestütes zu Dierhagen scheint mir über die Zusammengehörigkeit beider nicht den geringsten Zweifel zu lassen.