zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 1 ] zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 2 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 3 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

I.

Urgeschichte

des Ortes Malchow,

von

G. C. F. Lisch.


Mit 6 Holzschnitten.


D er Ort Malchow, so klein die Stadt auch immer gewesen und geblieben ist, hat in der ältesten Zeit der Geschichte unsers Landes eine hervorragende Bedeutung gehabt und führt noch jetzt einen bekannten Namen, so daß es wohl der Mühe werth sein mag, die älteste Geschichte des Ortes in seinen vielfachen Erscheinungen zu erforschen. Da es mir vergönnt gewesen ist, nicht nur die natürliche Lage, sondern auch die Archive an Ort und Stelle beobachten und benutzen zu können, so wird es für die Landesgeschichte nicht ohne Werth sein, die Ergebnisse meiner Forschungen über die ältesten Zeiten des Ortes der Oeffentlichkeit zu übergeben: - des Ortes, muß ich sagen, da die Lage desselben zu verschiedenen Zeiten eine sehr verschiedene gewesen ist und man die Erkenntniß des Einzelnen nur durch die Auffassung des Ganzen gewinnen kann.

Uebrigens können diese Blätter nur allgemeine Forschungen und Ansichten bringen, da zu einer erschöpfenden Darstellung ein großer Aufwand an Zeit und Kraft gehört haben würde, als ich derselben jetzt bringen kann. Jedoch werden diese Andeutungen für die Folge zu einer ziemlich sicheren Grundlage für eine Einreihung in ein größeres Ganzes dienen können. Merkwürdig und wichtig genug ist Manches.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 4 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

1.
Die natürliche Lage von Malchow.

Das östliche Meklenburg war für die alten Zeiten im Süden durch eine Reihe bedeutender Gewässer geschützt, welche alle in das Flußsystem der Elde eingereihet werden. Man setzt den Ursprung der Elde in das Land Röbel, südlich von Malchow, und läßt verschiedene kleine Gewässer vereinigt als Elde in das südliche Ende des großen Müritz=Sees sich ergießen. Aus diesem strömt ein kurzer Fluß, welcher früher zum Theil auch wohl die Reke hieß, aber bis heute schon Elde genannt worden ist; hier ward auch eine Feste gebauet, welcher man den Namen Eldenburg gab. Sogleich erweitert sich aber das Gewässer wieder zu zwei großen Seen, dem Cölpin= und Flesen= See, welche sich bis nahe vor Malchow erstrecken.

Bei Malchow strömt die Elde als ein ziemlich breiter Strom aus dem Flesen=See , verengt sich unterhalb etwas, geht bei der Lenz=Burg in den Plauer=See, um bei der Stadt Plau als vollständig ausgebildeter kleiner Fluß in das Land zu treten. Alle diese Verengungen und Aus= und Eingangs= Puncte, nämlich Eldenburg, Malchow, Lenz und Plau, weiter abwärts auch noch die Eldenburg Lübz, waren in früheren Zeiten außerordentlich wichtige, befestigte Uebergangspuncte, welche schon häufig in der Meklenburgischen Geschichte behandelt sind.

Abgesehen von den genannten Seen, hat die Elde bei Malchow die größte Breite; so weit sie das Gebiet der Stadt und des Klosters berührt, erscheint sie wie ein großer 1 ) Strom, das "Malchowsche Wasser" oder der " Malchowsche See" genannt, und bietet mit ihren Ufern einen wechselvollen, belebten, oft schönen Anblick. Beide Ufer, im Süden und im Norden sind hoch und fest und bilden die ziemlich steilen Abfälle hochliegenden Ackerlandes, so daß eine größere städtische Anlage in gleicher Ebene mit dem Wasser auf den Ufern unmöglich ist.

Auf dem Südufer liegt das Kloster Malchow auf der Höhe eines lang gestreckten, terrassirten Abhanges, welcher durch Baumanlagen reich geschmückt ist.


1) Schon im J. 1232 wird es das "Wasser, so von Malochowe heruntergehet in den See Cuzhin", genannt, als die Fürsten dem Bisthum Schwerin die beiden Dörfer (Biestorf) an diesem Wasser und das halbe Wasser selbst gaben. Vgl. Meklenb. Urk. B. I, Nr. 398.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 5 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Gegenüber an dem Nordufer liegt die Stadt Malchow auf einer kleinen sumpfigen Insel, welche seit der ältesten Zeit im Norden durch eine Brücke mit dem festen Lande verbunden ist; auf dem Abhange des festen Landes sind zur Erweiterung der Stadt in neuern Zeiten zwei Straßen in gleicher Richtung gebauet, welche kaum Platz in der Fläche der Gewässer haben.

Hier, zwischen Kloster und Stadt, ist seit uralter Zeit der Uebergang über das Wasser, welches hier 800 Fuß breit 1 ) ist vom Kloster nach der Stadt=Insel; in frühern Zeiten ward der Uebergang lange Zeit durch eine Fähre vermittelt, in den neuesten Zeiten ist ein fahrbarer Damm eingeschüttet. In alten Zeiten stand auch hier eine Brücke, von welcher sich häufig alte eichene Pfähle 1 ) im Wasser gefunden haben.

So weit sich das "Malchowsche Wasser" erstreckt, ist nirgends ein Punct, der sich wegen des überall festen Landes und der nahen hohen Ufer zu einer Befestigung nach alter Weise eignete, wenn man nicht die niedrige Insel dafür halten will, auf welcher die jetzige Stadt Malchow erbauet ist. Nur am östlichen Ende des Südufers, auf der Ecke, wo das "Malchowsche Wasser" aus dem Flesen=See tritt, nahe bei und in gleicher Richtung mit dem jetzigen Kloster, ist eine größere, tiefe Fläche feuchten Landes, welche jetzt zu dem benachbarten Dorfe Laschendorf gehört und in welcher ein großer heidnischer Burgwall, der "Burgwall von Laschendorf", steht, der ganz geeignet ist, den wichtigen Uebergangspunct und die Gewässer zu beherrschen. Dies ist die heidnische Burg Malchow.

2.
Die heidnische Burg Malchow.

Auf dem Südufer des "Malchowschen Wassers" der Elde, in gerader Richtung östlich ungefähr eine Viertelstunde von dem Kloster entfernt und von hier klar sichtbar, der Stadt schräge gegenüber, auf einem niedrigen Vorsprunge der jetzigen Laschendorfer Feldmark gegen den Flesen=See, steht am Wasser ein großer heidnischer Burgwall, welcher noch ziemlich gut erhalten ist und zu den größten


1) Nach der Mittheilung des Herrn Wasserbaumeisters Garthe, welcher die Elden=Gewässer seit langer Zeit sehr genau kennt und manche Alterthümer aus denselben eingeliefert hat.
1) Nach der Mittheilung des Herrn Wasserbaumeisters Garthe, welcher die Elden=Gewässer seit langer Zeit sehr genau kennt und manche Alterthümer aus denselben eingeliefert hat.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 6 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Burgwällen der letzten Heidenzeit im Lande gehört. Er hat durchaus alle Eigenthümlichkeiten der Burgwälle der letzten Wendenzeit, und ist von mir schon im J. 1842 1 ) und von dem Literaten L. Fromm wieder im J. 1865 2 ) untersucht.

Dieser Vorsprung der Laschendorfer Feldmark ist flach und niedrig, nirgends über 6 Fuß höher als der Spiegel des Sees, jetzt nicht mehr sumpfig, sondern schon trockene Wiese, jedoch an einigen Stellen noch feucht, und wird östlich von dem niedrigen Laschendorfer Höhenzuge, auch von Erlenholz begrenzt. Gegen Norden erstreckt sich die Niederung bis zum Flesen=See und wird hier die "Gröning" genannt. Am nördlichen Ufer steht die Laschendorfer Ziegelei, am westlichen Ufer liegen die Thongruben der Malchowschen Töpfer, beide in der Tiefe.

In dieser Niederung, in einer Lage, welche die Ufer und die Gewässer beherrscht, steht nun der große, künstlich aufgeschüttete Burgwall. Der "Burgwall" bildet ein längliches Rechteck, dessen Längenaxe von Süden nach Norden geht, und hat steile Abfälle und oben auf dem Rande einen Ringwall. Der obere, innere Raum dieses aufgetragenen Hügels ist 23 Fuß hoch über der Niederung und wenigstens 80 Schritte lang und wird beackert; jedoch stehen auf dem Plateau mehrere große Eichen. Der Ringwall erhebt sich 3 bis 4 Fuß über den innern Burgraum und senkt sich allmählig nach dem Innern hin, so daß die ganze innere Fläche nur schwach muldenförmig erscheint. Der ganze Ringwall und die äußern Abhänge sind mit Bäumen und Gesträuch, namentlich mit Weißdorn, bewachsen. Nach der Ansicht der Bewohner soll sich die innere Fläche nach und nach vertiefen, weil die Sage geht, daß im Innern des Berges Höhlungen seien. Die allmählige Veränderung der Oberfläche wird sich jedoch wohl dem Ackerbau zuschreiben lassen, welcher schon die Ringwälle der meisten Burgwälle im Lande geebnet hat.

Dieser Burgwall gehört nun nicht allein nach seiner Lage und nach seinem Bau in die letzte Wendenzeit, sondern auch nach den dort gefundenen Alterthümern. Ich konnte im J. 1842 keine finden, da die Burgfläche mit Getraide bestellt war; aber der Literat Fromm hat im Jahre 1865 nicht nur Thierknochen und Kohlen, sondern auch Gefäßscherben gefunden, welche noch nach heidnischer Weise bereitet sind und dieselben Verzierungen tragen, welche die


1) Vgl. Lisch in Jahrbüchern VIII, S. 133.
2) Vgl. Fromm im Archiv für Landeskunde, 1865, S. 149 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 7 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Scherben auf den gleichzeitig untergegangenen Burgen Meklenburg, Werle, Ilow und vielen andern kennzeichnen. Die letzten Ereignisse auf der Burg Malchow werden also in die letzte Heidenzeit fallen.

Südlich vor diesem Burgwall, nach dem Lande und dem Kloster hin, haben Fromm und ich 1 ), unabhängig von einander, einige nur sehr wenig erhöhete und trockene Plätze erkennen können, welche bei andern Burgen für die Wohnplätze der großen Menge der Bevölkerung gehalten und mit dem häufig vorkommenden Namen Wiek belegt werden, z. B. vor Rostock und Werle. Wenn die Burgen auf den hohen Burgwällen zerstört waren, blieben doch oft die Wieken noch lange Zeit bewohnt, wie z. B. noch heute vor Rostock.

Diese Vorburg des Burgwalles Malchow hat ohne Zweifel auch wohl den Namen Wiek geführt. Als der Fürst Nicolaus von Werle am 30. Junii 1287 2 ) zu Malchow der Stadt Malchow das Eigenthum eines angekauften Gewässers verlieh, war unter den letzten Zeugen auch ein Marquard von der Wik ("Marquardus de Wic"); die letzten Zeugen dieser Urkunde sind aber ohne Zweifel Bürger oder Rathmänner der Stadt Malchow, da sich unter denselben auch Nicolaus Becker ("Nicolaus Pistor") befindet, welcher im Anfange des 14. Jahrhunderts in den Klosterurkunden wiederholt genannt wird, und am Ende noch Johann Herders ("Johannes Herderi") vorkommt, nach dessen muthmaßlichem Vater Herder ("Herderus") 1284 (vgl. Meklb. Urk. B. III, Nr. 1758) und 1292 (vgl. Nr. 2162) ohne Zweifel die im 14. Jahrhundert oft genannte "Herdersmühle" beim Kloster Malchow benannt ist. Im Jahre 1292 verkauften die Brüder Herder und Marquard die Tibboldsmühle (jetzt Vormühle) an Marquard von der Wik ("Marquardo de Wic") (vgl. U. B. III, Nr. 2162), welcher auch am 19. Mai 1293 zu Röbel und 23. Febr. 1294 zu Grüssow als Zeuge auftrat ("Marquardus de Wic und de Vico"; vgl. Urk. B. III, Nr. 2226 und 2282). Am 19. Mai 1293 wird Marquard von der Wik gradezu Bürger in Malchow genannt .Auch lag "nahe bei" und "vor" dem Kloster ein Hof Wiksol, d. h. Wiekteich, welcher in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts an das Kloster überging und sicher von der Wiek den Namen trug.


1) Vgl. Lisch in Jahrb. a. a. O.
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1914.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 8 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Und dieser Burgwall, der den großen Uebergang zwischen den großen Gewässern schützte, war der Schauplatz großer Begebenheiten zur Zeit des Unterganges des Heidenthums in unserm Vaterlande.

Wahrscheinlich nahm schon der pommersche Apostel Bischof Otto von Bamberg auf seiner zweiten Missionsreise nach Pommern im J. 1128 diesen Weg, als er durch das Land Müritz dahin zog, von hier über Demmin.

Mit mehr Sicherheit lassen sich aber die Heerzüge der Sachsen gegen die meklenburgischen Wenden erkennen.

Als am Peter= und Pauls=Tage (Junii 29) 1147 der erste große Kreuzzug 1 ) gegen die heidnischen Wenden unter der Führung vieler Fürsten und Bischöfe unternommen ward, theilte sich das gewaltige Heer der Christen gegen das kleine Meklenburg in drei große Abtheilungen. Die Magdeburger Annalen 2 ), die ausführliche Hauptquelle für diese große Begebenheit, berichten, daß der Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen von Westen her mit 40,000 Mann, der König von Dänemark von Norden her mit 100,000 Mann, der Markgraf von Brandenburg von Süden her mit 60,000 Mann das Land angegriffen und verwüstet haben. Ohne Zweifel waren es die Brandenburger und andere im Süden wohnende Christen, welche von Süden her über Malchow, das allein als wichtiger Ort genannt wird, einbrachen und diese Feste abbrannten. Die Magdeburger Annalen erzählen: "Es vereinigten sich der Markgraf Conrad, der Markgraf Adalbert mit vielen Grafen und gerüsteten Kriegern, 60,000 an der Zahl - - Diese alle rückten mit außerordentlicher Ausrüstung und Zufuhr und mit wunderbarer Hingebung an verschiedenen Stellen in das Heidenland, und vor ihrem Anblick erzitterte das ganze Land, in welchem sie auf ihrem Zuge drei Monate lang alles verwüsteten; die Städte und Dörfer steckten sie in Brand, auch verbrannten sie das Heiligthum mit den Götzenbildern, welches vor der Stadt Malchow war, mit der Stadt selbst".

"1147. - - - Eodem anno circa festum Petri - - - magna christianae militiae multitudo contra paganos versus aquilonem habitantes assumpto signo vivificae crucis exiverat, ut eos aut


1) Vgl. Wigger in Jahrb. XXVIII. S. 54 flgd.
2) Annales Magdeburgenses in Pertz Mon. Germ. hist. Script. XVI, p. 188.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 9 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

christianae religioni subderet, aut deo auxiliante omnino deleret. Ubi in una societate convenerant - -, Conradus marchio, Adalbertus marchio, - - cum multis comitibus et armatis bellatoribus sexaginta milibus. Interim in alia societate se in unum collegerant - - - Heinricus dux Saxoniae - - cum multis comitibus et nobilibus et ceteris armatis numero quadraginta milibus pugnatorum. Rex eciam Daciae cum episcopis terrae illius et cum universo robore gentis suae, maxima multitudine classium collecta, circiter centum milibus exercitum paraverat. - - - Hi equidem omnes cum maximo apparatu et commeatu et mirabili devotione in diversis partibus terram paganorum ingressi sunt, et tota terra a facie eorum contremuit et fere per tres menses peragrando omnia vastaverunt, civitates et oppida igni succenderunt, fanum etiam cum idolis, quod erat ante civitatem Malchon 1 ), cum ipsa civitate concremaverunt".

Für Malchow ist diese Nachricht auch dadurch äußerst wichtig, daß sie die seltene Kunde von einem Tempel bei der Burg giebt.

Das Wendenvolk war zwar gebeugt 2 ), jedoch nicht vernichtet; die leichten Gebäude auf den Burgen konnten zwar abgebrannt, die Burgwälle aber nicht so leicht abgetragen werden. Malchow behielt noch seine Wichtigkeit und ward wieder aufgebauet. Als in einem neuen Kriege Heinrich's des Löwen im J. 1160 der letzte Hort der Wenden, König Niclot, gefallen war, setzte der Herzog auf die wichtigsten Burgen des Landes sächsische Vögte: auf "Cuscin" (d. i. Quetzin) bei Plau den Ludolf Vogt von Braunschweig, auf Malchow den Ludolf von Peine , auf Schwerin und


1) Vgl. Annales Magdeburgenses a. a. O. Die Handschrift hat Malchon, was ohne Zweifel durch Malchou, wie in alter Zeit der Ort auch oft geschrieben wird, zu erklären ist. Pertz ändert "Malchon" ganz willkührlich in "Malchim" (Malchin), wozu weder weder äußere Veranlassung, noch ein innerer Grund vorhanden ist.
2) Beim Durchstich der Chaussee nach Röbel bei den ersten Klostergebäuden wurden außerordentlich viele Menschenknochen gefunden, welche vielleicht aus den letzten Kriegen gegen die Wenden stammen. Mittheilung des Herrn Küchenmeisters Engel zu Malchow.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 10 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ilow den Gunzelin von Hagen. Der Chronikenschreiber Helmold 1 ) sagt:

"1160. Dux Henricus collocauit in castro Cuscin Ludolfum quendam advocatum de Brunswich, apud Melicou 2 ) fecit esse Ludolfum de Peine, Zuerin et Ilinburg Guncelino commendavit"

Trotz der ununterbrochenen Unruhen behielt Herzog Heinrich jedoch die Festen bis in das Jahr 1164, und unter diesen auch Malchow 3 ).

"1163. Fuit pax in Slavia a Martio mense usque in calendas Februarii sequentis anni et omnia castra ducis erant illaesa, videlicet Malachou, Cuscin, Zuerin, Ilowe, Mikilinburg".

Doch war der Friede nicht dauernd. Niclot's Sohn Pribislav hatte sich mit einem kleinen Theil seiner Erblande begnügen, sein Bruder Wartislav sich 1163 zur Sicherung des Friedens in Braunschweigische Gefangenschaft begeben müssen. In dieser drückenden Lage brach Pribislav, vorzüglich durch seinen Bruder Wartislav angestachelt, im J. 1164 wieder los und erhob die Fahne der Empörung gegen Heinrich den Löwen, um das verhaßte Joch abzuschütteln. Pribislav schien Anfangs auch Glück zu haben. Er nahm die Burg Meklenburg wieder ein und gewann die Burgen Malchow 4 ) und Quetzin durch Ergebung und Abzug der Besatzung:

"1164. Post non multum vero tempus Pribizlavus collecta rursum Slavorum manu venit Malacowe et Cuscin. - - - Tunc milites custodes praesidii, videntes non esse locum pugnae, eo quod hostes multi, auxilarii vero essent pauci, impetraverunt conductum extra terminos et Pribizlavus recepit castrum".

Als Heinrich der Löwe seine Macht gefährdet sah, rüstete er eilig wieder ein Heer, verstärkte sich nach Kräften,


1) Vgl. Helmold Chronica Slavorum ed. Bangert, I, 87, §. 9, p. 202.- Vgl. Wigger a. a. O. S. 119.
2) Hier fand auch Bangert "Melicon" gedruckt, das er in "Melicou" verbesserte und durch "Malkow" erläuterte, in Vergleichung mit I, 92, §. 10.
3) Vgl. Helmold a. a. O. I, 92, §. 10, p. 211. - Vgl. Wigger a. a. O. S. 126.
4) Vgl. Helmold II, §. 3, p. 219. - Vgl. Wigger a. a. O. S. 143, 146, 148.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 11 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

namentlich durch den Grafen Adolf von Holstein, sicherte erst die Burg Schwerin und zog dann gegen Malchow, wo er sich mit dem Grafen Adolf vereinigte. Hier ließ er sich aus Rache hinreißen, daß er den gefangenen Fürsten Wartislav, den Bruder Pribislavs, bei der Stadt Malchow aufhängen ließ 1 ).

"1164. Et occurrit Adolfus comes duci cum omni Nordalbingorum populo juxta Malacowe. Dux vero ubi transiit Albiam et attigit terminos Slavorum fecit Wertizlavum principem Slavorum suspendio interfici prope urbem Malacowe".

Heinrich wird die Burg Malchow gewonnen haben, wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt wird, denn Helmold berichtet, daß er mit seiner Begleitung dort verweilt habe 2 ). Da sich aber die Macht der Wenden auf der Burg Demmin versammelt hatte, so sandte er gleich den Grafen Adolf mit den übrigen Edlen voraus und rückte selbst mit dem Rest des Heeres nach einigen Tagen nach. Bei Verchen bei Demmin kam es am 5. oder 6. Julii 1164 zur blutigen Schlacht, in welcher nach heißem Kampfe die Wenden besiegt wurden. Durch diese Schlacht war die Kraft der Wenden im Wesentlichen gebrochen, wenn auch noch kleine Gefechte stattfanden, und die Friedensbestrebungen fingen an mehr Platz zu gewinnen.

"1164. Tunc abiit Adolfus comes cum ceteris nobilibus, qui secum deputati fuerant iuxta imperium ducis, et venerunt in locum, qui dicitur Viruchne. - - - Porro dux et ceteri principes morati sunt in loco, qui dicitur Malacowe, secuturus post aliquot dies cum reliquo exercitu. Universus vero Slavorum exercitus consederat in urbe Dimin".

Hiemit verschwindet die wichtige Burg Malchow, welche so oft Schauplatz bedeutender Begebenheiten gewesen war, aus der Geschichte. Wenn sie auch in den nächsten Zeiten, nach Herstellung des Friedens, noch von fürstlichen Burgmännern bewohnt gewesen sein mag, so fanden doch die geräumigern Ortschaften nach sächsischer Verfassung mehr Beifall Und so ward auch der Burgwall von Malchow


1) Vgl. Helmold II, 4, §. 2 - 4, p. 220. - Vgl. Wigger a. a. O. S. 148 flgd.
2) Vgl. Helmold a. a. O. - Vgl. Wigger a. a. O. S. 149.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 12 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

oder Laschendorf gewiß bald verlassen und blieb als geschichtliches Denkmal wüst liegen bis auf die neuesten Zeiten.

Am nördlichen Ufer des Wassers, dem Burgwall gegenüber, soll auch eine Erhöhung liegen, welche von Einigen die "Trossenburg" oder Trotzenburg genannt wird; jedoch heißt die natürliche Erhebung der "Trostberg" 1 ).

Der Burgwall von Laschendorf hat jetzt verschiedene Namen. Im Munde des Landvolks der Umgegend wird er "Borgwall" genannt. Die Bewohner der Stadt Malchow nennen ihn gewöhnlich "Wiwerbarg", d. h. Weiberberg, und leiten diesen Namen von einer Sage 2 ) her, welche noch auf heidnischen Ursprung deutet. "In diesem Berge sollen die "Mönken" oder Unterirdischen wohnen, die als kleine häßliche Weiber gedacht werden, welche oft Nachts nach der Stadt Malchow gekommen sein und hier in den Häusern gebrauet und gebacken, auch getanzt und sich vergnügt haben sollen". Außerdem werden jetzt noch zwei andere Namen des Burgwalls gehört: Pritzburg, weil hier ein Pritzbur mit dem Fürsten Wartislav 1164 zugleich erhängt sein soll, und Werleburg, weil die Burg den Fürsten von Werle gehört habe. Von diesen beiden Namen wird weiter unten in dem Abschnitt über die Burgmänner von Malchow die Rede sein.

3.
Der Götzentempel zu Malchow.

Die heidnische Burg Malchow hat schon durch ihren kriegerischen Einfluß eine bedeutende Wichtigkeit in der wendischen Geschichte. Diese wird aber noch um vieles dadurch erhöhet, daß bei derselben ein großes, bisher unbekanntes heidnisches Heiligthum war. Die oben S. 8 erwähnten Magdeburger Annalen berichten nämlich, daß der gegen die heidnischen Wenden gerichtete christliche Kreuzzug im J. 1147 die Stadt Malchow und das Heiligthum mit den Götzenbildern, welches vor der Stadt lag, verbrannt habe:

"fanum etiam cum idolis, quod erat ante civitatem Malcho[u], cum ipsa civitate concremaverunt".


1) Nach der Mittheilung des Herrn Burgemeisters Rettberg.
2) Nach Fromm im Archiv für Landeskunde a. a. O.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 13 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wenn diese Nachricht auch sehr dankenswerth ist, indem sie doch von dem Dasein eines Heiligthums Kunde giebt, so ist es doch zu beklagen, daß sie so kurz ist. Es ist die Frage, wie man sich das Heiligthum zu denken habe. Der lateinische Ausdruck "fanum" deutet auf einen Hain; die Nachricht von dem Vorhandensein von Götterbildern ("idolis") deutet auf einen Tempel. Da nun die wendischen Völker ihre Götter theils in Hainen, theils in Tempeln unter Bildern verehrten 1 ), so liegt es nach den Worten der Annalen nahe, anzunehmen, daß unter dem Heiligthum bei Malchow ein Hain mit einem Tempel mit Götterbildern zu verstehen sei.

Die Lage dieses heiligen Hains dürfte sich auch annähernd bestimmen lassen. Die Annalen sagen ausdrücklich, daß der Hain "vor" der Stadt oder Burg gelegen habe ("fanum ante civitatem"). Damit wird widerlegt, daß das Heiligthum auf dem Burgwall gewesen sei, wie man wohl hat annehmen wollen. Die wendischen Burgwälle, welche zu Festungen dienten, sind für Haine und Tempel und volkreichen Besuch viel zu klein. Wenn man annimmt, daß auf dem Burgwall weite Gebäude stehen mußten, um den Burgherrn und die Besatzung aufzunehmen, wie noch die Fundamente z. B. auf der Burg im Teterower See beweisen, so blieb sehr wenig Platz zur freien Bewegung übrig, so daß man zu dem Auskunftsmittel Zuflucht nehmen mußte, die innern Seiten des Ringwalles auszugraben und mit Holz auszusetzen, wie z. B. auf dem Burgwall bei Conow, um Lagerstätten (Kasematten) und Stallungen zu schaffen. Dies und die unentbehrlichen Keller unter der Fläche des Burghofes wird auch die Anpflanzung von Hainen auf den Burgwällen verhindert haben. Die Geschichte des Burgwalls giebt auch zu verstehen, daß derselbe eine Festung und kein Tempelort war. Wir werden daher das Heiligthum vor der Burg und der Vorburg suchen müssen, wie auch die Annalen ausdrücklich berichten. Zieht man die natürliche Lage in Betracht, so ist es nicht wahrscheinlich, daß der Hain auf der schlecht begrenzten, ebenen Ackerfläche gestanden habe, welche sich über dem Ufer ausbreitet; vielmehr darf man das ehemalige heidnische Heiligthum wohl auf dem schön terrassirten und bepflanzten Uferabhange am Wasser suchen, wo jetzt das Kloster steht, und den Mittelpunct da, wo bei der Christianisirung die erste Kirche gebauet ward,


1) Vgl. Jahrbücher XXVIII, S. 11 flgd.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 14 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auf deren Stelle die Kirche noch jetzt steht. Die beiden Ufer waren in alter Zeit sicher viel mehr bewaldet, als jetzt; auch das nördliche Ufer hatte noch Wald, als die Stadt schon stand, denn im J. 1292 gab der Fürst Nicolaus von Werle eine Urkunde "in dem Hain vor der Stadt" ("in nemore ante civitatem Malchowe"); vgl. Meklb. Urk. B. III, Nr. 2162.

Man könnte auch annehmen, der heilige Hain habe am nördlichen Ufer auf der Insel gelegen, auf welcher jetzt die Stadt steht, denn die Lage stimmt wohl mit der Lage anderer Heidentempel überein. Aber dann wäre der Tempel von der Burg durch ein breites Wasser getrennt gewesen, und es ist wohl anzunehmen, daß das Heiligthum unter dem unmittelbaren Schutze der Burg gestanden habe.

Welche Gottheit im heiligen Haine zu Malchow verehrt worden sei, wird uns leider nicht berichtet; es wird gesagt, daß dort mehrere "Götterbilder" ("idola") vorhanden waren. Es mag aber unter andern auch der weit verbreitete Dienst der Göttin Siwa, der Göttin der Landesfruchtbarkeit (= Ceres), hier gefeiert worden sein, da hierauf die Malchowsche Sage zu deuten scheint, daß in dem Burgwall alte häßliche "Weiber" wohnen, welche nach der Stadt kommen, um dort zu backen und brauen und sich zu vergnügen, daher der Burgwall "Weiberberg" genannt wird (vgl. oben S. 12). Man könnte aber auch durch diese Sage auf den Gedanken gebracht werden, daß der Tempel auch auf der Stadtinsel gelegen haben könne, weil die Weiber dahin, als nach ihrem ehemaligen Wohnort kommen, um dort zu wirthschaften.

Zu dem Tempel vor der Burg scheint auch der wendische Name Malchow zu stimmen. Die Slavisten, welche zu Rathe gezogen sind, pflegen die Namensform von der "Wurzel mal, welche ursprünglich: klein, bedeutet", abzuleiten. Aber es giebt noch eine andere Wurzel, welche sich namentlich im Russischen verfolgen läßt, nämlich: moltz, welche "Anbeter" heißt; so heißt bogo - molec = "Götzenanbeter" und: molicany = "Betort, Tempel". Es würde also Malchow auch: "Tempelort" heißen können 1 ) und diese Deutung die oben mitgetheilte Bezeichnung mit Heiligthum ("fanum") erklären.


1) Vgl. Ueber diese Erklärung Lisch Maltzan. Urk. III, S. XVI. Auch am Fuße des hohen Burgwalls Sagel (Sawal) liegt der Ort Moltzow.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 15 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

4.
Das Land Malchow
und
der fürstliche Besitz bei Malchow.

Es ist mehr als wahrscheinlich, daß eine so hervorragende Burg, wie Malchow, auch der Mittelpunct eines Gaues, eines sogenannten "Landes" (terra), und der Sitz einer militairischen und ökonomischen Verwaltung der Fürsten war. Und wirklich wird das "Land Malchow" öfter genannt. Als der Kaiser Friedrich im Januar 1170, wenige Jahre nach den letzten Wendenkriegen, die großartigen Arbeiten des meklenburgischen Bischofs Berno belohnte und seinem Bisthum Schwerin den Sprengel bestätigte, bestimmte er auch, daß dazu gehören sollten: Parchim, Cuthin (= Quetzin) und Malchow mit allen Dörfern auf beiden Seiten des Flusses Elde, welche zu diesen Burgen gehörten ("Parchim quoque, Cuthin et Malechowe, cum "omnibus villis ex utraque parte aluei, que dicitur "Elde, ad ipsa castra pertinentibus" 1 ). Das Land Malchow wird in alten Zeiten oft genannt. Nach vielen Zeugenkundschaften und Untersuchungen aus dem 16. Jahrhundert wurden zum Lande Malchow folgende Pfarren mit ihren eingepfarrten Dörfern und Kapellen gerechnet: südlich vom Malchowschen See: Alt=Malchow (Kloster), Satow, Grüssow, Poppentin, Lexow; nördlich vom See: Neu=Malchow (Stadt), Alt=Schwerin (jedoch sollte Schwerin selbst noch zum Amte Plau gehören), Nossentin, Kieth, Wangelin, Lütgendorf, Jabel. Als südliche Grenze wird übereinstimmend angegeben das Dorf Darze, und namentlich ein Bach, der von dort durch Stur in den Plauer See fließt, und wo ein großer Graben und eine Landwehr gegen die Mark (mit einem Schlagbaum ) befindlich ist. Gegen Norden bildete die Pfarre Wangelin die Grenze. Bei der Ordnung der Grenzen der Bisthümer Camin und Schwerin wird am 6. März 1260 gesagt, daß Mertinsdorp (bei Rittermanshagen) zum Lande Malchow ("ad terram Malichowe") gehöre 2 ). Als die Fürsten von Werle im J. 1285 ihren Lehnmännern in den Ländern ("in terminis") Röbel, Malchow und Wenden für die Uebernahme des dritten Theils ihrer Schulden deren Rechte


1) Vgl. Meklb. Urk. B. I, Nr. 91.
2) Vgl. Meklb. Urk. B. II, Nr. 857.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 16 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bestätigten und erweiterten, verlegten sie auch zur Verhütung von Streitigkeiten ihre Gerichte oder das Landding der Länder ("terminorum") Röbel, Malchow und Wenden (Wredenhagen) in die Dörfer Priborn, Alt=Malchow und Zepkow 1 ). Jedoch ist von dem Sitze einer fürstlichen Verwaltung zu Malchow in den ältesten Zeiten nicht weiter die Rede. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewann die Stadt Röbel ein bedeutendes Uebergewicht über Malchow, namentlich durch die Stiftung zweier Klöster und durch die Residenz der hervorragenden Fürstin=Mutter Sophie, geb. Gräfin von Lindau, Wittwe des Fürsten Johann I. (1283 bis 1308), Stammhalterin des Werleschen Fürstenhauses. Auch Waren gewann zuerst größern kirchlichen Einfluß als Malchow. Seit dem 14. und 15. Jahrh. errangen die nahe Stadt Plau und die Lenzburg ein bedeutendes Uebergewicht über die Umgebungen. Am 6. Julii 1346 überwies der Fürst Johann III. von Werle=Goldberg seiner Schwiegertochter Agnes, Gemahlin seines Sohnes Nicolaus, Stadt und Land Malchow ("oppidum Malchowe et terram adjacentem cum hominibus habitantibus in illis") zum Leibgedinge, wie es seine verstorbene Gemahlin inne gehabt hatte. Nicolaus von Werle starb im J. 1354 und seine Wittwe verheirathete sich wieder mit dem Herzoge Johann I. von Meklenburg=Stargard. Um diese Zeit muß ein Abkommen wegen des ihr verschriebenen Leibgedinges getroffen sein.

Es wird sich aber Malchow nie zum Sitze einer Vogtei ausgebildet haben; denn bei der Landestheilung der Fürsten von Werle=Güstrow vom 14. Julii 1347 werden die Länder "Röbel, Wredenhagen, Waren und Penzlin" zusammen genannt, Malchow aber als ein eigenes Land dabei nicht aufgeführt (vgl. Lisch Maltzan. Urk. III, Nr. 236).

Wahrscheinlich im J. 1354, nach den pommerschen Kriegen, verpfändeten die Fürsten von Werle die Stadt und das Land Malchow an die v. Flotow auf Stur, denn am 9. März 1354 versicherte Andreas v. Flotow den Bewohnern des Landes und der Stadt Malchow die Rechte, welche sie unter den Werleschen Fürsten gehabt hatten. Am 6. Jan. 1366 nahmen die v. Flotow auch das Land Röbel zum Pfande, welches ihnen jedoch im J. 1376 wieder abgelöset ward 2 ). Das Land Malchow blieb jedoch in ihrem Besitze. Am 15. Junii 1415 erneuerte der Fürst Christoph


1) Vgl. Meklb. Urk. B. II, Nr. 1781.
2) Vgl. Jahrb. XIII. S. 191 und 328.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 17 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

von Werle den v. Flotow den Pfandbesitz der Stadt und des Landes Malchow 1 ). Die v. Flotow blieben lange in dem Pfandbesitze des Landes Malchow, dessen Folgen noch heute nicht ganz erloschen sind. Erst im J. 1837 ging die Flotowsche Gerichtsbarkeit in der Stadt durch Vertrag ganz an die Landesherrschaft über und erst im J. 1838 entsagten die v. Flotow mehrern alten Verpflichtungen der Stadt gegen die Familie.

Alle diese Verhältnisse waren aber die Veranlassung, daß die Stadt Malchow nicht ein Sitz einer Vogtei oder eines "Amtes" ward, obgleich eine hervorragende Fürstenburg in ihrer nächsten Nähe gestanden hatte. Jedoch ward sie durch ein Kloster entschädigt, welches sich im Laufe der Zeit zu einer achtungswerthen Höhe emporgearbeitet hat und noch heute blühet.

Die Gegend umher zu beiden Seiten des Wassers wird in ältester Zeit ohne Zweifel Eigenthum der Landesherren gewesen sein, welches von der Burg verwaltet ward, da es sich nachweisen läßt, daß sie es nach und nach zur bessern Benutzung weggaben. Statt des wendischen Ortes ward in der Nähe der Burg ein deutsches Dorf Malchow mit einer Kirche gegründet, da wo jetzt das Kloster steht, welches im J. 1298 zur Stiftung des Klosters hergegeben ward. Schon am 13. Octbr. 1299 schenkten die Fürsten von Werle dem erst vor kurzem nach Malchow verlegten Nonnenkloster 13 Hufen mit dem halben Zehnten in dem Dorfe Lebbin 2 ), welches an Laschendorf und Göhren grenzt, also in der Nähe des Burgwalls liegt; dies ist der erste größere Besitz, den das Kloster nach der Verlegung erhielt. Den Grund und Boden zu der deutschen Stadt gaben die Fürsten 1235 sicher als Geschenk her. Im J. 1232 hatten sie die beiden Dörfer am untern Laufe des Malchowschen Wassers bis an den Plauer See dem Bisthum Schwerin geschenkt, obgleich der Sitz des Bisthums sehr ferne und dieser Besitz ganz getrennt von den übrigen Besitzungen des Bisthums lag. Noch 1309 und 1310 hatte der Fürst Günther von Werle Besitzungen in Kisserow und Lexow und 1350 der Fürst Nicolaus Besitzungen in Kisserow zu verschenken. Den größten Theil ihrer Besitzungen bei Malchow gaben aber die Fürsten, wahrscheinlich schon sehr früh, zu Lehn an verdiente


1) Vgl. Lisch Urk. des Geschl. Maltzan II, S. 504.
2) Vgl. Meklb. Urk. B. IV, Nr. 2576.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 18 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Ritter, welche hier angesehene Familien mit Familiengütern gründeten.

So behielten die Werleschen Fürsten persönlich am Ende nichts in einer Gegend, wo sie früher großen Einfluß und Grundbesitz gehabt hatten.

Der alte Burgwall ward entweder schon bei den ersten Verleihungen oder später 1298 bei der Gründung des Klosters zu dem Hofe Laschendorf gelegt.

5.
Die Burg- und Lehnleute von Malchow.

Von der größten Bedeutung für die Geschichte von Malchow ist die Geschichte der Lehnleute des Gaues, von denen einige eine hervorragende Wichtigkeit haben.

B. Latomus († 1617) in seinem handschriftlichen Werke vom Meklenburgischen Adel sagt bei der Familie Pritzbur Folgendes. "Die Pritzburen sind zur Zeit des Kriegs dem König der Obotriten Pribislao wider den Hertzog Heinrich aus Bayern und Sachsen trew und und beystendig gewesen, worüber einer dieses Namens und Geschlechts nebst des Königs Bruder Wertislav gefangen und für einen Geisel gen Braunßweich geführet und hernach nach gebrochenem Friedensvertrag, zusampt dem Hertzog und einem Gammen, für Malchow erhenkt ist. Es giebt auch ihr Wapen anzeigung, daß sie nicht von den geringsten, sondern von den vornemsten Geschlechtern mit seind gewesen".

Es geht seit langer Zeit die Sage, daß mit dem Fürsten "Wartislav zugleich ein Pritzbur und ein Gamm durch Heinrich den Löwen 1164 vor der Burg Malchow aufgehängt worden seien. Eine ältere schriftliche Quelle für diese Erzählung des Latomus ist aber nirgends zu finden, und es ist mehr als wahrscheilich, daß Latomus diese Sage nach dem Verlauf der Geschichte dieser Familien selbst gemacht, oder doch wenigstens nach Familiensagen in Umlauf gebracht hat. Eine geschichtliche Quelle ist, wie gesagt, nicht zu finden.

Eben so unbegründet ist das Verfahren, welches den Burgwall von Malchow mit den Namen Pritzburg oder Werleburg belegt. Der Name Pritzburg ist sicher jung und eben aus der obigen Sage von dem Aufhängen entstanden.

Es läßt sich aber wohl eine andere, begründetere Veranlassung denken, durch welche diese Sagen entstanden sind, und wenn sich diese Veranlassungen glaublich machen lassen,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 19 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

so wird man auch das Alter der Sagen weiter zurückführen können, als es nach den bisherigen Darstellungen geschehen durfte.

Es läßt sich nämlich beweisen, daß gewisse alte Adelsfamilien, unter diesen namentlich die Pritzbur und die Gamm, ihre ältesten Besitzungen und Hauptstammsitze im Lande Malchow, und zwar unmittelbar neben dem Burgwall, hatten, und es ist sehr wahrscheinlich, daß diese alten Besitzungen Burglehne zu der alten Burg Malchow waren, und in Folge dessen nicht unwahrscheinlich, daß diese Familien Theilnehmer an den großen Ereignissen auf der Burg Malchow schon zur Heidenzeit waren, um so mehr, da die Familien Gamm ("Gamba") und Pritzbur wendische Namen führen, welche sich als solche noch lange nach der Christianisirung durch besondere Eigenthümlichkeiten, z. B. in den Vornamen, geltend machen. Es ist auch bekannt, daß die Burglehne lange fortdauerten, wenn auch die Burgen selbst längst untergegangen waren.

Ein Beispiel eines Malchowschen Burgmanns mag der edle Wende Slawotech oder Zlautech abgeben, welcher ohne Zunamen 1218-1233 im Gefolge der Landesfürsten vorkommt 1 ) und ein Mal, am 3. Dec. 1227: "Slawotek von Malegowe" genannt wird 2 ). Am 10. März 1233 steht er unter den wendischen "Edlen" ("nobiles"): "Gotimerus et Johannes frater suus, Zlautech, Jacobus, nobiles" 3 ). Es ist wahrscheinlich, daß die Bezeichnung "von Malchow" nur seinen Wohnort anzeigt.

Es läßt sich nicht mehr ermitteln, ob Slawotech Nachkommen hinterlassen habe. Jedoch wird es eine adelige Familie von Malchow gegeben haben, welche wohl gewiß von dem Burgwall von Malchow den Namen trug. Am 28. Junii 1275 war Zeuge bei den Fürsten von Werle ein Ritter Walter von Malchow ("milites: dominus Walterus de Malechowe": Urk. B. II, Nr. 1368); am 21. Jan. 1282 hatte er ("Wolterus dictus de Malechowe miles") das Dorf Diemitz an das Kloster Dobbertin verkauft (vgl. Urk. B. III, Nr. 1610). Vielleicht war sein Sohn der Knappe Reimar v. Malchow ("Reinmerus de Malchowe famulus"), welcher im J. 1292 bei dem Fürsten Nicolaus vor Malchow war (vgl. Urk. B. III, Nr. 2162).


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. I, Nr. 244, 258, 260.
2) Vgl. daselbst, Nr. 344.
3) Vgl. daselbst, Nr. 414 und 415.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 20 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ist die Familie wahrscheinlich erloschen, da fernerhin von keiner adeligen Familie v. Malchow mehr die Rede ist.

Bürgerliche Familien von Malchow gab es in alter Zeit in Rostock (vgl. Urk. B. III, Nr. 1622 und 2441) und im Rath zu Plau (vgl. Urk. B. III, Nr. 2199), wie denn noch heute der Bürgername Malchow im Lande nicht selten ist.

Nach der Sage hat der Burgwall von Malchow auch den Namen "Werleburg", weil die Burg, wie man sagt, "den Fürsten von Werle" gehört habe. Wenn aber dieser Grund gelten sollte, so müßten allerdings viele Burgwälle den Namen Werleburg führen. Viel wahrscheinlicher ist, daß die Burg von einem Burgmann Namens v. Werle den vielleicht seit alter Zeit überlieferten Namen trug und der Burgwall vielleicht von diesem zuletzt bewohnt ward. Eine ritterliche Familie von Werle, welche ohne Zweifel ihren Namen von dem fürstlichen Burgwall Werle bei Schwaan führte, ist bis jetzt nur ein einziges Mal genannt in der Person des Ritters Jordan von Werle im Gefolge des Fürsten Borwin II. von Rostock am 1. Aug. 1219 1 ). Ohne Zunamen kommt der Ritter Jordan, zuweilen auch als Burgmann zu Güstrow, in der Zeit 1218-1244 oft vor. Ohne Zweifel ist dieser Jordan derselbe, welcher auch am 29. April 1235 Ritter Jordan von Saben 2 ) genannt wird; denn das Dorf Sabel (in alter Form Sabene oder Saben) bei Schwaan, nicht weit von Werle, mag immer ein Burglehn von Werle gewesen sein. Bis jetzt ist aber von einer Familie v. Werle weiter keine Spur zu finden gewesen. Sie tritt aber im Anfange des 14. Jahrhunderts in den bisher unbekannt gewesenen Urkunden des Klosters Malchow bei der Burg Malchow wieder auf, und es ist wahrscheinlich, daß die Nachkommen Jordans sich als Burgmänner nach Malchow gewandt haben 3 ). Im Anfange des 14. Jahrhunderts taucht plötzlich in und bei Malchow ein Knappe Jacob oder Cöpeke von Werle wieder auf, mit dem jedoch das Geschlecht ausgestorben sein wird, da nie wieder ein v. Werle vorkommt. Vielleicht war er ein Nachkomme jenes wendischen Edlen Jacob (vgl. oben S. 19), welcher im J. 1233 neben dem obengenannten Slawotech von Malchow


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. I, Nr. 258, und Jahrb. VI, S. 96.
2) Vgl. daselbst, Nr. 435.
3) Hiernach ist die Ansicht in Jahrb. VI, S. 96, zn berichtigen, nach welcher die letzten v. Werle von dem Gute Werle bei Grabow den Namen haben sollen. Hiezu ist in so alter Zeit gar keine Veranlassung.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 21 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auftritt 1 ). Nach den Urkunden des Klosters Malchow ward der Knappe Cöpekin von Werle von dem Fürsten Johann von Werle am 18. Jan. 1318 zu Malchow mit dem Dorfe Loppin, nördlich bei Malchow, belehnt. Der "Knappe" Jacob oder Köpeke v. Werle ("Jacobus" und "Copeke de Werle, famulus") erscheint immer nur in oder bei Malchow als Zeuge, z. B. 25. April 1320 und 29. Aug. 1330 bei den Fürsten von Werle und 2. Jan. 1333 bei den Pritzbur. Er starb wahrscheinlich im J. 1347 und mit ihm ging das Geschlecht zu Ende und seine Besitzungen gingen an das Kloster Malchow über. Am 25. Jan. 1348 verkaufte durch nachträglichen Contract Henning Gamm dem Kloster Malchow das Dorf Loppin ("in parrochia ecclesie Jabele"), wie er und sein Vorgänger und Schwager Cöpekin v. Werle, seligen Andenkens, ("Copekinus de Werle, antecessor meusque swagerus, bone memorie"), es bis dahin besessen, und am 19. Dec. 1347 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle dem Kloster Malchow das Eigenthum der Güter in dem Dorfe Loppin, welche Johann Gamm und Jacob v. Werle bis dahin inne gehabt hatten.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß seit dieser Zeit der Malchowsche Burgwall von dieser Familie v. Werle den Namen "Werleburg" geführt hat.

Noch näher standen der Burg Malchow die Gamm, welche nicht allein nach dem Zunamen, sondern auch nach den noch im 14. Jahrhundert in der Familie vorkommenden Vornamen, z. B. Gotemar, Subbekin, Barold, Tesmar und Slaweke (weiblicher Vorname), wendischer Herkunft waren. Die Gamm waren in und seit alter Zeit vorzüglich in und bei dem Lande Malchow ansässig. Bekannt ist, daß zu ihren alten Lehnen die Güter (Alt=) Schwerin und Werder ("Insula"), im Plauer See, gehörten. Am 16. März 1320 wurden die Brüder Gotemar und Heinrich Gamm mit den noch im Lande Malchow liegenden Dörfern Lipen und Wangelin belehnt, welche sie von der adeligen Familie Grube gekauft hatten und welche daher Gruben=Lipen und Gruben=Wangelin genannt wurden. Die Gamm aber verkauften 1336 Wangelin und 1341 Lipen wieder an das Kloster Malchow, und damit beginnt der Erwerb eines größern Grundbesitzes durch das Kloster.

Von größerer Bedeutung für die Geschichte von Malchow ist, daß die Gamm in alter Zeit die dem Malchow=


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. I, Nr. 414.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 22 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

schen Burgwall zunächst liegenden Güter besaßen, nämlich Laschenorf ( mit dem Burgwall ) und Göhren. Das Hauptlehn der Gamm in dieser Gegend scheint Göhren gewesen zu sein, da sie sich oft darnach nennen. Das angrenzende Gut Laschendorf ging im 14. Jahrh. auf das Kloster Malchow über. Am 11. Febr. ("des andern sondages vor der vasten") 1352 verkaufte "Henning Gamm zu Göhren" dem Knappen Conrad Friberg das Gut zu Laschendorf ("Lasendorpe") mit 13 Hufen Saat, wie er es besaß und von seinem Vater geerbt hatte. Am 17. Mai 1352 befreiet der Fürst Nicolaus von Werle den Knappen Conrad Friberg von dem halben Roßdienst von Laschendorf und bestimmt, daß die Gamm auf Göhren denselben auch fernerhin leisten sollen, ein ziemlich sicheres Zeichen, daß die Güter Göhren und Laschendorf uralte, zusammen gehörende Lehen bei der Burg Malchow waren. Nachdem Conrad Friberg gestorben war, verkaufte dessen Sohn Johann, mit Zustimmung seiner Schwester Hillegunde, Wittwe des Otto v. Retzow, am 23.Junii 1374 dem Kloster Malchow den Hof und das Dorf Laschendorf ("curiam et villam totam Lazekendorp"). Am 15. März 1376 verlieh der Fürst Johann von Werle dem Kloster das Gut zu voller Freiheit, wie Klöster Güterfreiheit zu haben pflegen, nachdem schon am.29. Septbr. der Pfandträger des Landes Malchow Thideke v. Flotow dem Kloster dieselbe Freiheit versichert hatte. Also kam das Kloster erst spät in den Besitz des Gutes Laschendorf mit dem Burgwall Malchow, nachdem es bis dahin immer in Vasallenhänden gewesen war.

Unmittelbar neben den Gamm im Lande Malchow saßen die Pritzbur, welche in alter Zeit allein im Lande Malchow auftreten. Ihr ältestes Lehn scheint das an das Gammsche Lehn Göhren grenzende Gut Grabenitz gewesen zu sein, weshalb 1346 Oct. 21 "Pritzbur von Grabenitz" auch auf seinem Siegel die Bezeichnung nach seinem Lehn führte, nämlich die Umschrift:

Umschrift

Außerdem besaßen die Pritzbur im 14. Jahrh.im Lande Malchow südlich von dem Malchowschen Wasser noch die Güter Poppentin, Kelle, Kargow und wahrscheinlich auch Walow, und nördlich vom Wasser das Gut Küz oder Kuz, welches in dem jetzigen Klostergute Dammerow am Cölpin=See bei Jabel gelegen haben und untergegangen sein wird, da in den Malchowschen Urkunden vom J. 1378 eine Kützekermühle genannt wird, welche damals in der Feldmark Dammerow lag ("in villa Damerow et in

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 23 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"molendino Kutzekermolen in terris et metis eiusdem "ville situato").

Die Familie Pritzbur oder "Priscebur" 1 ) ist nach dem Namen ohne Zweifel wendischen Ursprunges und bewahrt bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die Eigenthümlichkeit, daß in ihr immer noch einzelne Familienglieder ohne Vornamen, - allein unter dem Namen Pritzbur, - vorkommen. Eben so wenig aber der Name Pritzbur bei der Einnahme der Feste Malchow genannt wird, eben so wenig lässt sich das Geschlecht mit Sicherheit auf den ersten Stammvater zurückführen. Der erste Pritzbur in Meklenburg erscheint am 1. Mai 1262 im Gefolge des Fürsten Nicolaus von Werle (Mekl. U. B. II, Nr. 947) und ist ein Bruder von Johann und Jaroslav, welche alle Burgmänner von Röbel waren und auch "v. Röbel" genannt werden; sie waren Söhne des Ritters Jaroslav, ebenfalls Burgmanns` zu Röbel, dessen Bruder Unislav hieß. Alle diese Ritter und deren Nachkommen können wohl dem Geschlechte der v. Havelberg zugeschrieben werden (vgl. Meklb. Urk. B. II. Nr. 1284, und IV, Personen=Register unter dem Namen v. Havelberg). Diese Personen werden nicht zu der späteren Familie Pritzbur gehören. Die v. Havelberg hatten zwei neben einander gestellte, mit den Spitzen nach unten gekehrte Flügel im Schilde. - Ein anderer Pritzbur ist wohl ohne Zweifel der ebenfalls in Röbel bei den Fürsten von Werle vorkommende Ritter Priscebur oder Prizbur ( "Priscebur miles" ), welcher 5. Junii 1274 Bruder des Zabel v. Retzdorf oder Restorf ("Prizbur et frater eins Sabellus de Redicksdorp") genannt wird (vgl. Meklb. Urk. B. II, Nr 1314 und 1327).


1) Die Deutung des wendischen Namens Pritzbur ist oft versucht. Der Name kommt auch häufig in alten pommerschen Urkunden vor, wo nach Kosegarten Codex Pomeraniae diplom. (Register) folgende Hauptformen erscheinen: "Priznobor, Priznibor, Prizinbor, Prizabor, Princibor, Priscebur", Nach diesen Formen erklären die Slavisten in Kosegarten Codex, p, 281, Note, folgendermaßen: "Priznoborus kommt auch in der Form Prinziborius vor. Es ist der böhmische Name Prisnobor, welcher wahrscheinlich: Strengkämpfer, bedeutet, Von prjen: Strenge". - Der wail. Baron Lefort auf Bök, ehemals Klosterhauptmann zn Dobbertin, erklärte das Wort durch: przy = dicht bei, und bor = Fichte. Jedoch wird diese Deutung nicht richtig sein, da wohl die Znsammensetzung grammatisch nicht richtig ist, theils in der Aussprache wohl ein Hauptlaut - z - verloren gehen würde, Doch ist zu erwähnen, daß borina = Föhrenwald, und borrin = Haide, heißt; vgl. Kosegarten a. a. O. S. 480 und V. Auch die Zweige auf den alten Pritzburschen Siegeln möchten hierauf hindeuten.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 24 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zabel v. Retzdorf erscheint später immer nur als markgräflich=brandenburgischer Vasall. Diese Linie der v. Retzdorf oder v. Restorf ist im Lande Stargard im Anfange des 16. Jahrh. ausgestorben 1 ); leider ist bis jetzt kein altes Siegel derselben bekannt geworden. Diesen Pritzbur, des Zabel v. Retzdorf Bruder, dürfte man eher für einen Stammhalter des adelichen Geschlechts Pritzbur zu halten haben. Dies wird derselbe bekannt gewordene Stammvater Pritzbur, Ritter, sein, welcher 1285 mit andern Rittern, z. B. Gamm, aus der Gegend von Malchow und mit Bürgern von Malchow vorkommt 2 ). Der erste sichere Pritzbur ist der Ritter Heinrich Pritzbur ("Hinricus Pryssebur miles"), weil er einen Vornamen trägt und der Name Pritzbur Familienname geworden ist, welcher 13. Oct. 1299 bei der Verleihung von Lebbin an das Kloster Malchow als der letzte unter den Zeugen bei dem Fürsten Nicolaus von Werle zu Waren auftritt; - derselbe wird der Ritter Pritzbur von Kelle sein, welcher 6. Julii 1300 bei demselben Fürsten zu Wredenhagen erscheint (vgl. Meklb. Urk. B, IV, Nr. 2576 und 2618).

Es kann hier nicht der Zweck sein, die außerordentlich dunkle und schwierige Urgeschichte des Geschlechts Pritzbur zu erforschen; sie wird vielleicht nie aufgehellt werden können. Jedoch gebe ich hier nach den Urkunden des Klosters Malchow einen Stammbaum mit Angabe des Güterbesitzes, welcher in den bis jetzt unbestimmbaren Geschlechtern vielleicht annähernd richtig sein wird.


1) Vgl. Jahrbücher XXIII, S. 47.
2) Vgl. Meklb. Urk. B. III, Nr. 1781.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 25 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Stammbaum
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 26 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Eine besondere Bewandtniß hat es mit dem Wappen der Pritzbur; die ältesten Pritzburschen Siegel gehören zu den ältesten Denkmälern von Malchow. Als Wappen der Pritzbur gilt jetzt ein geköpfter Adler mit zwei blutspritzenden Halsstummeln und mit ausgebreiteten Flügeln, auf Schild und Helm. Das Geheime= und Haupt=Archiv zu Schwerin besitzt gar keine alten Pritzburschen Siegel. Das älteste, welches sich hier bis jetzt hat finden lassen, ist vom J. 1677, und dieser Abdruck hat schon das hier beschriebene Wappen. Damit stimmen aber die ältesten Pritzburschen Original=Siegel nicht überein, welche sich allein im Archive des Klosters Malchow finden. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts führen die Pritzbur nur einen vorwärts gekehrten Helm mit zwei ausgebreiteten Flügeln, auf denen an jeder der beiden Helmecken ein Rad liegt; zuweilen steht auf der Spitze des Helmes ein Zweig, zuweilen liegen unter dem Helme Zweige. Und zwar erscheint diese Figur auf Siegeln von jeder Art von Gestalt und Anordnung. Ich habe aus dem 14. Jahrhundert 4 Pritzbursche Siegel gefunden, welche alle dasselbe Wappen tragen:

1) 1333. Jan. 2. "Pryscebur von Karghow", nach der nebenstehenden Abbildung der Helm im schildförmigen Siegel, also Schildzeichen, mit der Umschrift:

Umschrift

2) 1346. Oct. 21. "Pritzebur von Grabenitze", der Helm ohne Zweige im runden Siegel, mit der Umschrift:

Siegel
Umschrift

3) 1346. Oct. 21. und 1347. Febr. 16. "Hennekin Pritzebur von Kutze", nach der nebenstehenden Abbildung der Helm im runden Siegel, mit der Umschrift:

Siegel
Umschrift

4) 1347. März 7. "Heinrich Priscebur in Gra=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 27 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"benitze", der Helm ohne Zweige auf einem Schilde im runden Siegel, mit der Umschrift:

Umschrift

Es finden sich also alle möglichen Siegelformen, aber immer dasselbe Wappen. Ein altes Siegel mit Schild und Helm ist freilich bisher nicht gefunden; es ist aber immer möglich, daß ein Helm ein Schildzeichen sein kann. Ich kann mich daher des Gedankens nicht erwehren, daß das jetzige Pritzburgsche Wappen auf einem Mißverständniß beruhen könne, und daß der kopflose Adler mit ausgebreiteten Flügeln nichts anderes ist, als der Helm mit der Helmzierde der ausgebreiteten Flügel; denn ein antiker Stülphelm kann wohl für einen Adlerleib angesehen werden. Jedoch will ich meine Bedenken nicht als Wahrheit ausgesprochen haben; vielleicht finden sich mit der Zeit noch alte Pritzbursche Siegel, welche Aufklärung geben können. In der handschriftlichen Pritzburschen Genealogie von C. L. v. Penz ist ein altes Pritzbursches Siegel abgebildet, welches das jetzige Schildzeichen giebt; es ist das Siegel des Henning Pritzbur, welches an dem Werleschen Landfrieden vom 8. Mai 1353 (Lisch Maltzan. Urk. II, p. 109) hangen soll; an der Schweriner Ausfertigung fehlt das Siegel, vielleicht hängt es an der Ausfertigung im Güstrowschen Stadt=Archive. Wenn aber auch v. Pentz einen Doppeladler zeichnet, so ist doch möglich, daß er sich aus vorgefaßter Ansicht geirrt hat.

Uebrigens blieben die Pritzbur sehr lange im Besitze ihres Stammgutes Grabenitz, welches sie erst 1693 an die v. Holstein verkauften.

Von großer Bedeutung sind auch noch die Gewässer, an welchen die genannten alten Güter der Gamm und Pritzbur bei Malchow liegen; da diese Familien schon früh bedeutende Rechte an diesen Gewässern hatten, so mag auch dies ein Zeichen sein, daß diese Rechte alt waren. Alle Gewässer, von dem Wassergebiete der Stadt Malchow bis an die Müritz, werden in alter Zeit immer nur mit dem Namen Cölpin belegt; der Name Flesen=See oder die Flies wird also jedenfalls jüngern Ursprungs sein. Die Stadt Malchow hatte bei ihrer Stiftung ohne Zeifel gewisse Rechte an dem Wasser erworben, da sie im Wasser lag. Einen gewissen Theil, die Rechte an dem Malchowschen See bis in den Flesen=See hinein, erwarb die Stadt Malchow aber im J. 1287 durch Kauf von Johann v. Grüssow; am 30. Junii 1287 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle der Stadt dieses

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 28 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wasser zu denselben Rechten, welche sie auf den angrenzenden Wassern, wahrscheinlich im untern Laufe, die sie bisher innegehabt, besessen 1 ). Leider sind die Namen und die Grenzen dieser Gewässer nicht ausgedrückt; es werden aber dieselben Gewässer gemeint sein, welche die Stadt noch heute besitzt (vgl. unten).

Die Benutzung der übrigen Wasserflächen des Flesen= und Cölpin= Sees war aber an diejenigen alten Familien zu Lehn weggegeben, welche die angrenzenden Lehngüter seit alter Zeit besaßen, namentlich an die Pritzbur und Gamm, auch an die Hahn von der spätern Linie Solzow. Diese aberverkauften ihre Rechte im 14. Jahrh. nach und nach an das Kloster Malchow, da dieses eine Fischerei nicht leicht entbehren konnte.

Am 21. Junii 1332 verkauften der Ritter Eckhard Hahn und der Knappe Henning v. Gehrden, wahrscheinlich auf Göhren gesessen, dem Kloster Malchow 12 Mark Pacht aus den Cölpin=Gewässern ("in aquis Colpin") zu Vasallenrecht, wie ihre Vorfahren sie besessen hatten. Die Hahn von der Linie, welche später auf Solzow wohnten, besaßen seit alter Zeit das Gut Klink am Cölpin=See und an der wichtigen Eldenbrücke bei Eldenburg 2 ) und hatten auch Besitzungen in dem Gute Kisserow bei Malchow. Am 16. März 1339 überließ Eckhard Hahn dem Kloster noch 2 Mark Pacht aus den Kölpin=Wassern.

Am 2. Januar 1333 verkauften Gerslav von Walow, Pritzbur von Kargow, Pritzbur von Kelle und Dubeslav, wahrscheinlich alle Pritzbur, dem Kloster Malchow alle ihre Rechte an den Cölpin=Gewässern ("in aquis que Colpin vocantur") und den Aalfang "von den Grenzen der Gewässer der Stadt ("civium") Malchow bis über dasDorf Jabel hinaus" (also auf dem Flesen= und Cölpin=See). Am 21. Dec. 1345 verkaufte Johann Pritzbur zu Küz (bei Damerow) dem Kloster 8 Schillinge Pacht aus der Wade und 24 Schillinge aus den Aalfang im Cölpin=See ("in sagena Colpin") und 8 Schilling aus drei Wadenzügen in der Müritz bei dem Dorfe Klinken, endlich noch 10 Mark aus dem Cölpin, welche jedoch einstweilen seiner Stiefmutter auf Lebenszeit verschrieben waren. Am 26. Jan. 1347 ver=


1) Vgl. Meklb. Urk. B. III, Nr. 1914.
2) Vgl. Lisch Gesch. des Geschl. Hahn, II, S. 248 und 252. - Die Jahreszahl (1302) der Urkunde Nr. LXXXIX ist hier unrichtig und muß 1332 heißen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 29 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kaufte auch Heinrich Pritzbur auf Grabenitz seinen Antheil an diesen Gerechtigkeiten, die Fischereigerechtigkeit mit zwei Kähnen zu den Bedürfnissen seines Hofes, so wie 18 Mark Pacht, welche er an Eckhard Hahn verpfändet hatte, und endlich alle seine sonstigen Fischereigerechtigkeiten.

Diese Erwerbungen waren die Grundlagen zu dem Besitze, dessen sich das Kloster Malchow noch heute erfreut.

Außerdem erwarb es mit den an den Wassern liegenden Gütern die dazu gehörenden Strandfischereien und die sonst dazu noch gehörenden Fischereien.

Noch eine alte, sehr verbreitete, jedoch bisher ziemlich dunkle Familie siedelte sich in und bei Malchow an, die Familie Pape (lateinisch "Clericus") 1 ), welche nach dem Zunamen und den gewöhnlichen Vornamen (Dietrich, Arnold, Heinrich, Johann, Nicolaus) ohne Zweifel aus den sächsischen Ländern eingewandert ist. Der Zuname Pape ist in alter Zeit, und noch jetzt, in Meklenburg ziemlich verbreitet. Die Pape kommen urkundlich zuerst in der Grafschaft Berg, in den Bisthümern Münster und Osnabrück, demnächst in Bremen, Lübeck, Meklenburg und Rügen vor. Läßt sich nun freilich nicht mit Sicherheit nachweisen, daß alle diese Pape gleichen Stammes seien, so ist es doch von vielen unter ihnen in hohem Grade wahrscheinlich. Die Rostocker Pape stammten wohl sicher aus Osnabrück (1284: "Johannes Pape de Osenbrugge") 2 ). Am häufigsten ist der Vorname Dietrich und es lassen sich in den westelbischen Ländern während des ganzen 13. Jahrhunderts mehrere Ritter Pape mit dem Vornamen Dietrich nachweisen. Auch in und bei Malchow ließ sich im 13. Jahrhundert diese Familie Pape nieder und läßt sich hier ebenfalls auf einen Dietrich Pape zurückführen. Als im J. 1285 der Fürst Nicolaus von Werle und seine Brüder ihren "Vasallen" ("vasallis nostris fidelibus") in den Ländern ("terminis") Röbel, Malchow und Wenden (Wredenhagen) für die Uebernahme des dritten Theils ihrer Schulden ihre Rechte versicherten und vermehrten, waren viele Ritter und Knappen aus diesen Ländern gegenwärtig 3 ); nach den Rittern folgen viele andere Männer, von denen sich einige als Knappen erkennen lassen, andere aber sonst als Stadtbewohner in Malchow auftreten, z. B. die


1) Pape bedeutet einen Geistlichen, Pfaffen, im Mittelalter besonders einen vornehmen Geistlichen, daher noch: Dompfaffe.
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1738.
3) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1781.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 30 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Erich und die öfter genannten Brüder Herder und Marquard. Mitten unter diesen steht nun 1285 Dietrich Pape ("Herderus et Marquardus, Tidericus Clericus, Ericus et Ericus").Wenn nun auch am Schlusse gesagt wird, daß "noch mehr Ritter und Knappen" als Zeugen gegenwärtig gewesen seien, so läßt es sich doch von diesen letzt genannten nicht bestimmt nachweisen, daß sie zu den Knappen gehört haben; vielmehr ist es wahrscheinlich, daß sie reiche und angesehene Landbesitzer und Stadtbewohner gewesen seien. Aber sehr bald tritt Dietrich Pape, der wohl sicher einer "rittermäßigen" Familie angehörte, schon als Ritter auf. Als im J. 1292, als das Kloster noch nicht bestand, in dem "Holze vor der Stadt Malchow" ("in nemore ante civitatem") der Fürst Nicolaus von Werle den Verkauf mehrerer Hebungen aus der Tibboldsmühle (jetzt Vormühle, bei dem Kloster) von den Brüdern Herder und Marquard an Marquard von der Wik und seinen Schwiegersohn Gottfried bestätigte, war unter den Zeugen der letzte unter den Rittern Dietrich Pape ("Tidericus Clericus miles") und der letzte unter den Knappen Johann Pape ("Johannes Clericus famulus") 1 ).Als derselbe Fürst am 9. Oct. 1299 der Stadt Malchow den dritten Theil aller Gerichtsbarkeit für 400 Mark verpfändete, geschah dies "auf dem Hofe des Herrn Dietrich Pape, Ritters, außerhalb der Stadt" ("actum in curia domini Theodorici Papen militis extra civitatem") 2 ). Aus diesem fürstlichen Besuche auf einem Ritterhofe, welcher wohl angenehmer sein mochte, als in der beengten Stadt Malchow, läßt sich wohl abnehmen, daß Dietrich Pape ein angesehener Mann war. Der Hof des Ritters Dietrich Pape "außerhalb der Stadt" war wohl der Hof Wiksol (vgl. oben S. 7), welcher auf dem Südufer bei und vor dem Kloster lag. Dietrich Pape hatte jedoch noch mehr Landbesitz. Am 7. Jan. 1303 schenkte er dem wohl noch nicht lange aufgebaueten Kloster Malchow 2 Hufen in dem Dorfe Zielow für seine in das Kloster getretene Tochter Adelheid, und seine Söhne Henneke und Dietrich ließen mit ihm diesen Besitz vor dem Lehnherrn auf. Auch in Sietow hatten die Pape Besitzungen, welche sie 1356 an das Kloster Dobbertin verkauften.

Am 29. Aug. 1330 hatten Johann Pape, welcher schon 1314 und 1317 als Knappe in Malchow auftritt, und dessen


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 2162.
2) Daselbst IV, Nr. 2574
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 31 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Brüder Nicolaus und Christian den Hof Wiksol bei dem Kloster Malchow ("curiam prope monasterium Malchowe sitam dictam Wicsol") an das Kloster verkauft und der Fürst Johann von Werle verlieh diesem das Eigenthumsrecht, das er bisher davon gehabt hatte. Am 14. März 1332 bezeugte der Fürst, daß der "Knappe" Nicolaus Pape mit seinen Brüdern Henning und Christian den "vor" dem Kloster belegenen Hof Wiksol ("curiam dictam Wicsol ante claustrum Malchow sitam") zum Besitze des Klosters vor ihm aufgelassen habe.

Die Familie scheint also eng mit der Geschichte des Ortes Malchow verbunden zu sein.

Der Stammbaum für Malchow gestaltet sich also:

Stammbaum

Von den Pape stammen ohne Zweifel die Swartepape ( "Niger Clericus" ), welche ihren Hauptsitz in der Stadt Plau hatten und dort im 14. Jahrhundert ungefähr eben die Rolle spielten 1 ), wie die Pape in der Stadt Malchow, dabei aber auch großen Landbesitz hatten.

Die Swartepapen in Plau führten im Wappen auf einem linken Schrägebalken drei Sterne und statt des Helms ein Pelikans=Nest, in welchem ein Pelikan steht, der sich die Brust aufreißt und mit seinem Blute seine Jungen nährt; die Swartepapen führen mitunter auch dieses Helmzeichen allein im Siegel. Von den Pape ist bisher nur ein einziges Siegel bekannt

Siegel

1) gl. Lisch Berichtigung einer von dem Staatsminister v. Kamptz gemachten Aeußerung, Schwerin, 1844
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 32 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

geworden, welches an der stark vermoderten Urkunde vom 7. Mai 1356 über Sietow im Kloster Dobbertin 1 ) hängt; hier führt Johann Pape ein Pelikans=Nest im Schilde 2 ). Nach Namen und Wappen werden also die Familien Pape und Swartepape stammverwandt sein. Ob die Pape und Swartepape in irgend einer Weise mit den Gamm zusammenhangen, ist nicht zu ermitteln; die Swartepape führen 3 Sterne auf einem linken Schrägebalken, die Gamm freie 3 Sterne, bald schräge links, bald schräge rechts, ohne einen Balken, im Schilde. Viel mag auf diese Aehnlichkeit nicht zu geben sein, da die Gamm ohne Zweifel einer alten wendischen Familie angehörten.

Jedenfalls scheinen aber alle diese alten adeligen Familien in der nächsten Nähe der alten wendischen Burg Malchow mit dieser in einem alten, geschichtlichen Zusammenhange zu stehen. Möglich wäre es, daß auf dem Siegel der Stadt Malchow (vgl. unten) der Vogelkopf zwischen den beiden Thürmen Beziehung zu dem Wappen der Pape hätte.

6.
Das Dorf Alt-Malchow.

Nach dem Untergange der Burg und der Verwüstung des Burgwalls entstand in gleicher Linie an demselben terrassirten Südufer des Malchowschen Wassers eine Viertelstunde westlich von dem Burgwall und im Angesichte desselben ein christliches Dorf, welches mit der Zeit, schon im 13. Jahrhundert, im Gegensatze zu der gegenüber liegenden, jüngern Stadt, Alt=Malchow genannt ward. Dieses Dorf hat grade an der Stelle gestanden, wo jetzt das im J. 1298 von Röbel hierher verlegte Kloster steht. Den Beweis liefert nicht nur die Lage, an der bequemsten Stelle zum Uebergange über das Wasser, sondern vorzüglich die ehemalige Kirche, welche erst in den neuesten Zeiten einem großen, reich geschmückten Bau Platz gemacht hat. Die alte Klosterkirche, welche ich selbst glücklicher Weise noch gesehen und untersucht habe 3 ), war zum Theil noch die alte Dorfkirche, welche ohne Zweifel innerhalb des ehemaligen Dorfes und


1) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. II. S. 136, Nr. CCLXI.
2) Die Rügenschen Pape führten einen rechten Schrägebalken mit drei Adlern im Schilde; vgl. J. v. Bohlen Geschichte des Geschlechts v. Krassow, Tab. IV, 15 c.
3) Vgl. Jahrb. VIII, B. S. 133.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 33 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vielleicht an der Stelle des ehemaligen heidnischen Haines stand (vgl. oben S. 13). Der viereckige Chor der Kirche war aus Feldsteinen erbauet und hatte in der östlichen, graden Altarwand drei schmale, schräge eingehende Fenster im Uebergangsstyl, war also ganz so construirt, wie sehr viele Dorfkirchen im Lande, welche ungefähr aus der Zeit 1230-1240 stammen, und namentlich genau so wie die benachbarte Kirche zu Grüssow 1 ). Dieser Chor stammte also noch von der alten Dorfkirche. Das Schiff der ehemaligen Kirche ward für die größern Bedürfnisse eines Klosters nach dem J. 1298 im 14. oder 15. Jahrhundert umgebauet, und zwar für die Bedürfnisse eines Nonnenklosters, denn es war, wie gewöhnlich Nonnenkirchen, ein einfaches Schiff ohne Seitenschiffe, in einem sehr einfachen und schmucklosen Baustyl. Von dem alten Kreuzgange, welcher sich an die ehemalige Kirche lehnte, steht noch ein Theil in den alten Damenhäusern.

Das Dorf und die Kirche gehörten ohne Zweifel den Landesherren.

Von der Kirche und Pfarre ist im 13. Jahrh. wiederholt die Rede. Im J. 1256 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle den Pfarrern in der Propstei Alt=Röbel und zu Malchow, Kieth und Jabel das Recht, über ihr Vermögen testamentarisch zu verfügen, und befreiete ihre Leute von Zöllen und öffentlichen Diensten 2 ). Am 25. Nov. 1284 bezeugte der Fürst Nicolaus von Werle mit seinen Brüdern und seiner Mutter Sophie daß sein Vater Johann (1275 † 1283) den bei der Nachmessung gefundenen Ueberschlag der in Roez belegenen Güter der Kirche zu Malchow den Kirchenbauern verkauft und diese von der fernern Nachmessung befreiet habe 3 ).

Seitdem im J. 1235 auf der Insel am Nordufer eine Stadt Malchow gegründet war, fing man nach und nach an, das Dorf Malchow auf dem Südufer mit dem Namen Alt=Malchow zu belegen. Als im J. 1285 die Fürsten von Werle für die Uebernahme des dritten Theils ihrer Schulden ihren Vasallen in den Ländern ("terminis") Röbel, Malchow und Wenden (Wredenhagen) die bisherigen Rechte versicherten und erweiterten, verlegten sie auch, um Streit zwischen Vasallen und Stadtbürgern zu vermindern,


1) Vgl. Jahrb. XVI. S. 291.
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. II, Nr. 763.
3) Daselbst III, Nr. 1758.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 34 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

das fürstliche Gericht, Landding genannt, von den Burgen und den Städten in die Dörfer Priborn, Alt=Malchow ("villa Antiqua Malchowe") und Zepkow 1 ).

Im J. 1298 erfolgte für Malchow die denkwürdige Begebenheit, daß das in der Stadt Röbel gestiftete Nonnenkloster nach dem Dorfe Alt=Malchow ("apud ecclesiam Antique Malchow") verlegt ward.

Diesen Namen hat nun das Kloster und besonders das unmittelbar bei demselben belegene Dorf auch immer behalten, namentlich im Gegensatze zu der Stadt Malchow, welche immer Neu=Malchow benannt ward. So z. B. beschwerte sich die Stadt Malchow im J. 1589 auf dem Landtage darüber, "daß vor dem Stetlein auff Alten=Malchow ein Krug belegen" sei, welcher die Nahrung der Stadt schmälere. Ja, noch in den neuesten Staatskalendern werden die ununterbrochen neben einander liegenden Gebäude des Klosters geschieden in "Alt=Malchow, Bauhof, Amt, Kloster".

Das Dorf Alt=Malchow, und damit auch das alte Klostergebiet, dessen Aecker vom Wasser aus hinterwärts lagen, nahm aber nicht den ganzen Raum von dem Burgwalle bis an die Vormühle ein, sondern es waren neben dem den Fürsten gehörenden Dorfe eine große Menge kleiner Besitzungen, welche alle von den Fürsten an Malchowsche Stadtbürger und Patricier zu Lehn weggegeben waren und von diesen nach und nach an das Kloster verkauft wurden.

Der Burgwall ward zu dem Hofe Laschendorf gelegt und kam mit diesem später an das Kloster.

Nicht weit vor dem Burgwall lag in alten Zeiten ein Hof, dessen Stelle noch auf der großen Schmettauschen Karte als "Alter Hof" bezeichnet ist. Nach den Mittheilungen des Herrn Küchenmeisters Engel sind hier noch bei Menschengedenken viele alte Fundamente ausgegraben. Nach der Malchowschen Sage soll hier zuerst das Kloster gestanden haben; diese Sage kann aber nicht richtig sein, da das Kloster sicher neben der Dorfkirche zu Alt=Malchow errichtet ward, wo es noch steht. Es wird aber an der Stelle des "Alten Hofes" auf ehemaligem fürstlichen Grund und Boden ein Wirthschaftshof des Klosters gestanden haben.

Ein anderer Hof stand hier vor der Stadt ("curia sita ante civitatem Malchow"), d. h. an der Klosterseite, welchen das Kloster von Ludolf v. Sternberg kaufte; am 1. Febr. 1309 verlieh der Fürst Nicolaus v. Werle dem Kloster


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1782.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 35 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Malchow das Eigenthumsrecht. Clandrian nennt in seinem Malchowschen Urkundenbuche im J. 1576 diesen Hof den "Neuen Hof" ("Newhoff), ohne Zweifel im Gegensatze zu dem erwähnten alten Hofe.

Ein dritter Hof war der Hof Wiksol ("curia Wicsol"), welcher bei und vor dem Kloster lag ("prope monasterium Malchow" und "ante claustrum Malchow"). Diesen Hof kaufte das Kloster erst im J. 1330. von den Brüdern Pape (vgl. oben S. 30); am 29. August 1330 verlieh der Fürst Johann dem Kloster das Eigenthumsrecht.

Man sieht also, daß das Kloster in den ersten Zeiten seines Bestehens, außer dem wahrscheinlich kleinen Dorfe, sehr wenig Grundbesitz in seiner nächsten Nähe hatte.

Außer diesen "Höfen" lagen bei dem Kloster eine Menge Mühlen: die Tibboldsmühle (Vormühle), Herdersmühle, Schwertfegersmühle, Schwickowenmühle, Grüssower Mühle und Walower Mühle, welche fast alle Lehnbesitz Malchowscher Bürger waren und erst nach und nach durch Kauf in den Besitz des Klosters übergingen. Die Geschichte dieser Mühlen könnte freilich sehr belehrend sein, würde hier aber zu weit führen. Ueberhaupt erwarb das Kloster in dem ersten halben Jahrhundert seines Bestehens zu Malchow nur diese kleinen Besitzungen. Zu größerm Landbesitz gelangte es erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts (vgl. oben S. 21).

Die Malchowschen Bürger waren aber bis zu dieser Zeit vielfach mit kleinen Gütern auf dem Südufer des Wassers angesessen und scheinen in ältester Zeit eine größere Rolle gespielt zu haben, als im Laufe späterer Zeiten.

7.
Das Kloster Malchow.

In der Stadt Röbel ward auf der Altstadt, Schwerinschen Stiftes, schon früh im 13. Jahrhundert ein Dominikaner= oder Predigerordens=Mönchskloster gegründet. Bald kam auf der Neustadt, Havelbergischen Stiftes, noch ein Marien=Magdalenen= Nonnenkloster vom Orden der Büßerinnen hinzu, welches sicher schon am 16. April 1273 stand 1 ). Da aber zwei Klöster ohne besonders großen Grundbesitz für die kleine Stadt zu viel waren und namentlich die Nonnen Noth litten, so ward zwischen den ständigen Bischöfen und


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1283
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 36 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Fürsten eine Umänderung beschlossen. Am 29. Mai 1298 verlegte der Bischof Gottfried von Schwerin, nach Uebereinkunft mit dem Bischofe Johann von Havelberg, das Nonnenkloster von Neu=Röbel nach dem Dorfe Alt=Malchow 1 ), Schwerinschen Stiftes, und erlaubte den Predigermönchen die Auswanderung von Alt=Röbel in das verlassene Nonnenkloster zu Neu=Röbel, wo es auch bis zum Ende geblieben ist. Schon am 21. Mai 1298 hatten der Fürst Nicolaus von Werle mit seinen Brüdern und deren würdige Mutter Sophie, welche ohne Zweifel das Werk für die darbenden Nonnen betrieben hatte, eingewilligt daß die "Nonnen nach der Kirche zu Alt=Malchow übersiedeln und dort ein Kloster bauen könnten ("ut se transferentes apud ecclesiam Antique Malchow ibidem se locantes claustrum edincent") 2 ) und schenkten ihnen, zur bessern Unterhaltung ihrer Priester, das Patronat der Kirchen zu Alt=Malchow, in der Stadt Neu=Malchow und zu Lexow ("ecclesie in ciuitate Malchowe et Antique Malchowe de foris et in Lexowe" oder "utriusque ecclesie Malchowe et Lexowe"). Am 2. Junii 1298 bestätigte auch das Domkapitel zu Schwerin 3 ) die Verlegung und die Schenkung und stellte das Ktoster unter die Aufsicht des Archidiakonats Waren. Diese Urkunden wurden von allen betheiligten regierenden Personen und Behörden besiegelt. Alle diese Urkunden sind sehr schön ausgestattet und im Original noch beim Kloster vorhanden. Auch das neue Kloster Malchow besiegelte die eine Urkunde vom 2. Junii 1298 mit dem hieneben abgebildeten Conventsiegel 4 ), ein Beweis, daß an jenem Tage das Nonnenkloster, nach gehöriger Vorbereitung, schon nach Malchow übergesiedelt war.

Siegel

Das Siegel 5 ), welches noch bis gegen das Ende des 17. Jahrhundert gebraucht ward, stellt Christum stehend mit der Siegesfahne


1) Vgl. Meklb. Urk. B. IV, Nr. 2505 und 2506.
2) Vgl. daselbst IV, Nr. 2503.
3) Vgl. daselbst IV, Nr. 2507 und 2508.
4) Vgl. daselbst S. 67.
5) Vgl. jahrb. XXVII, S. 248.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 37 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und vor ihm die knieende Maria Magdalena dar und führt die Umschrift:

Umschrift

( Inschriftskreuz Sigillum conventus dominarum sancte Marie Magdalene in Malcove).

Das Kloster erhielt nicht allein durch die Verlegung aus einer Stadt in ein offenes Dorf eine bei weitem schönere Lage und freiere Bewegung, sondern gewann auch reichere Mittel. Ohne Zweifel behielt es seinen frühern Landbesitz, nämlich 13 Hufen in Küssekow, Zilow, Priborn, Buchholz, Spitzkuhn und Bütow und Aecker auf der Stadtfeldmark Röbel, da das Kloster Malchow noch im 16. Jahrhundert hier Aecker besaß, und gewann dazu durch Schenkung der Landesherrschaft noch das Dorf Alt=Malchow, welches freilich nur klein und von Bauern besetzt war und nicht viel Geld brachte. Da diese Besitzungen aber wohl nicht ausreichten, so verlieh der Fürst Nicolaus schon am 13. Octbr. 1299 dem Kloster 13 Hufen und den halben Zehnten des nahe gelegenen Dorfes Lebbin 1 ) mit aller Freiheit, gegen eine Lieferung von einem Paar Schuhen jährlich zu Weihnacht.

In den nächsten Zeiten wußte das Kloster die auf der sehr zerstückelten Feldmark Alt=Malchow vor dem Kloster gelegenen Höfe und die vielen Mühlen umher von den Malchowschen Bürgern zu erwerben (vgl. oben S. 34). Darauf erwarb es den größern Theil der Gewässer des Cölpin= und Flesen=Sees (vgl. oben S. 28). Endlich in der Zeit 1340 bis 1350 konnte es schon die Güter Damerow, Lipen und Wangelin kaufen (vgl. oben S. 21).Damit war der wohlhäbige Bestand des Klosters gesichert.

Als die Mission der Marien=Magdalenen=Klöster erfüllt war, trat das Kloster noch im 14. Jahrhundert zu dem geachteten und wirksamen Cistercienser=Orden über.

8.
Die Stadt Malchow.

Nach der Wiederherstellung des äußern und innern Friedens nach den Kreuzzügen gegen die Wenden und nach der Befestigung christlichen Glaubens und deutscher Sitte in


1) Vgl. Meklenb. Urk. B. IV, Nr. 2576.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 38 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dem schwer heimgesuchten Lande Malchow suchte man hier auch einen größern Mittelpunct für den bürgerlichen Verkehr zu gründen. Eine fürstliche Burg ward nicht wieder aufgeführt; an die Stelle einer solchen trat die Neuburg Wenden oder Wredenhagen; auch ist nirgends ausdrücklich, von einem fürstlichen Burgvogt oder einem fürstlichen Amte in Malchow die Rede, sondern nur von einem Richtevogt 1 ) (oder Stadtrichter). Die Anlage eines größern Ortes am Südufer des Malchowschen Sees vor der ehemaligen Burg mochte auch noch nicht gelungen sein, da der Ort nur ein kleines Dorf blieb. Die Landesherrschaft entschloß sich daher, eine deutsche Stadt an diesem wichtigen Puncte zu gründen.

Am 14. März 1235 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle den Bürgern von Malchow das Schwerinsche Stadtrecht 2 ), welches im 13. Jahrhundert eine sehr große Verbreitung gewonnen hatte, und die Stadt ward bis auf die neuern Zeiten immer "Neu=Malchow" genannt 3 ), im Gegensatz zu dem Dorfe, welches fortan Alt=Malchow hieß. Es ist möglich, daß man ursprünglich die Anlegung der Stadt auf dem Südufer beabsichtigt hatte und sie später, da die Anlage verfehlt erschien, an das Nordufer verlegte, wie zu jener Zeit bald manche Städte verlegt wurden, wie z. B. Güstrow, und daß daher die Namen Alt= und Neu=Malchow kamen; es ist jedoch nirgends eine Andeutung zu finden, daß zu Alt=Malchow ein Ort in Form einer Stadt gestanden habe, wenn auch viele Malchowsche Bürger Grundbesitz auf dem Südufer hatten.

Die Bezeichnungen Altstadt und Neustadt Malchow, welche in den neuesten Zeiten in der Stadt aufgekommen sind, sind daher für die ältern Zeiten nicht zutreffend.

Die Stadt ward, wohl für die ältesten Zeiten passend, jedoch für alle Zeiten nicht glücklich, auf einer kleinen Insel oder dem "Werder" angelegt, welche an dem steilen Nordufer des Malchowschen Wassers liegt, dem Dorfe und dem spätern Kloster gegenüber, so daß die Insel von dem Nordufer durch einen schmalen Wasserarm, von dem Südufer aber durch ein breites Gewässer getrennt war.

Der Fürst gab zur Stadtfeldmark 40 Hufen Landes, welche zum größten Theil auf dem Nordufer lagen; jedoch


1) "Bertrammus de Malechowe minor aduocatis", 1273, Sept. 12, vgl. Meklenb. Urk. B. II, Nr. 1295.
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. I, Nr. 433.
3) Im J. 1523 z. B. "gantze Gemeinheit des Stedekens Nien=Malchow".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 39 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lag auch ein Theil auf dem Südufer, wo die Stadt westlich von dem Kloster noch jetzt Besitzungen hat. Im J. 1697 wird berichtet: "Die Stadt hat übers Wasser eine wüste Dorfstätte gehabt, so vormals Globahn geheißen"; die Stadt genoß damals aber wenig davon, da "die Grüssower, die Petersdorfer, der Brantmüller und der Vormüller eine große Menge Vieh für eine schlechte Heuer darauf trieben" und auch Tannen darauf standen. Die Stadt hat jetzt auf dem Südufer ihr Jägergehöft, bedeutende Holzung, Wiesen und ihr Torfmoor, so wie die Ziegelei.

Der Inselraum für die Stadt ist außerordentlich klein; die Stadt (Altstadt auf der Insel) hat eigentlich nur zwei Straßen: die Lange Straße und die Kurze Straße, mit der Kirchenstraße um Kirche und Rathhaus, und einige wenige unbedeutende Queerstraßen.

Ob zur heidnischen Zeit die Insel eine heilige Bedeutung gehabt habe (vgl. oben S. 14), ist nicht zu sagen, jedoch kaum anzunehmen; denn die Insel ist nicht wohl dazu geeignet. Der Boden ist durchweg Sumpf= und Moorboden; die Häuser können daher noch jetzt nur auf eingerammten Pfählen erbauet werden. Beim Bau des Hauses des jetzigen Burgemeisters Rettberg wurden in der Tiefe außerordentlich viele Hirschgeweihe, z. B. noch 2 ganze Geweihe, viele Stangen und sehr viele Enden gefunden, welche leider durch einen jetzt nach Amerika ausgewanderten Bürger alle zerstreut sind. Man kann daher auf den Gedanken kommen, daß hier zur Steinzeit ein Pfahlbaudorf gestanden habe.

Die Insel lag auch sehr tief, so daß als gegen Ende des 16. Jahrh. der Müller zu Plau das Grundwerk der Mühle eine Elle höher als zuvor, hatte legen lassen, die Gärten der Stadt und die Stadt selbst und ihre Brücken in Gefahr geriethen. Die jetzigen Straßen der Stadt sind ohne Zweifel durch den Brandschutt aus den großen Bränden, welche die Stadt wiederholt erlitten hat, erhöhet worden. Die hinter den Häusern am See liegenden Gärten der Häuser liegen noch sehr tief und werden noch jetzt mit großer Mühe bedeutend durch "Tannenquäste" (Kiefern=Faschinen) und Sand nach dem Wasser hinein erweitert und haben noch viel vom Wasser zu leiden.

Und dennoch war das Wasser wieder sehr wichtig für die Stadt, so daß sie im J. 1287 noch einen Theil des Malchowschen Wassers von Johann von Grüssow an=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 40 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

kaufte 1 ). Am 30. Junii 1287 verliehen die Landesherren 2 ) der Stadt diesen Theil des angekauften Wassers mit allen daran haftenden Rechten und gaben ihr dazu die Freiheiten, welche sie an den übrigen ihr schon gehörenden, bei der Stadt liegenden Gewässern besaß. Das der Stadt gehörende Wasser geht oberhalb ungefähr 1/8 Meile bis Laschendorf und unterhalb ungefähr 1/4 Meile bis zu dem sogenannten Petersdorfer See des Wassers bei den Biestorfer Tannen.

Noch wichtiger war der Stadt aber die Verbindung mit dem Lande, da sie den größten Theil ihrer Aecker und ihre Gärten auf dem Nordufer hatte und daher ein täglicher leichter Verkehr gegen Norden hin unumgänglich nothwendig war. Auch war wohl der Begräbnißkirchhof auf dem Nordufer vor der Stadt, da hier eine S. Gertruden=Kapelle 3 ) stand, "darin die Leichenpredigten gehalten wurden", wie in Güstrow.

Es war daher eine Brücke über den schmalen Wasserarm nach dem Nordufer hin zu jeder Zeit unerläßlich, wie sie bis heute besteht und in frühern Zeiten auch wohl die Stadtbrücke genannt ward.

Es giebt aber eine merkwürdige Urkunde vom 13. April 1292 4 ), welche, durch jüngere Nachrichten unterstützt, ein helles Licht auf die ältesten, guten Zustände der Stadt Malchow wirft. In der allerfrühesten Zeit ging über das südliche Wasser ohne Zweifel eine Fähre, da am 30. Junii 1287 ein Malchowscher Bürger Heinrich von der Fähre ("Hinricus de Trajecto") als Zeuge aufgeführt wird (vgl. Urk. B. III, Nr. 1914). Es war aber schon in alten Zeiten, ohne Zweifel durch Privatthätigkeit, eine zweite Brücke bei der Stadt gebauet, welche dem Fürsten Nicolaus von Werle von Wolter Pote und Erich Mechthilds Sohn freiwillig aufgelassen ward. Wolter Pote und Marquard von der Wik werden am 19. Mai 1293 neben einander ausdrücklich "Bürger zu Malchow" ("ciues in Malchow") genannt (vgl. Urk. B. III, Nr. 2226). Am 13. April 1292 verlieh nun der Fürst, "in Betracht des Nutzens für die Be=


1) Derselbe Johann von Grüssow verkaufte am 23. Febr. 1294, in Gegenwart vieler Patricier aus Malchow, der Pfarre zu Grüssow 2 Hufen in Grüssow und schenkte dazu das Holz von einer Hufe bei seinem Hofe Kummerow (vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr, 2282).
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1914.
3) Noch im J. 1650, also lange nach den trüben Kriegsjahren, stand die Kapelle "dachlos".
4) Vgl. Meklenb. Urk. B. III, Nr. 2160.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 41 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wohner des ganzen Landes und der fremden Reisenden diese bei der Stadt belegene "lange Brücke" ( "longum pontem dicte ciuitati adiacentem" ) der Stadt ("communitati") zum ewigen Besitze ("perpetuo possidendum"), mit allem Rechte und aller Nutznießung, wie sie die letzten Besitzer und deren Vorgänger besessen und genutzt hatten. Diese Brücke, welche ausdrücklich die "lange Brücke" genannt wird, ist nun zweifellos nicht die kurze, jetzt innerhalb der Stadt liegende Brücke, welche nach Norden führt, sondern eine zweite Brücke, welche über das große Wasser nach dem Südufer gebauet war, lange ehe das Kloster dahin verlegt war. Wir kennen in frühern Jahren der neuern Zeit nur eine Fähre über dieses Wasser und erst seit den neuesten Zeiten einen festen Erddamm durch dasselbe. Es ist aber sicher, daß hier fast 400 Jahre lang eine hölzerne Brücke stand, welche immer den Namen "Lange Brücke" geführt hat. Um den Weg langer Forschungen abzuschneiden, sei hier kurz bemerkt, daß diese Brücke noch im J. 1697 gradezu "die Lange Brücke über den See nach Alten=Malchow, 800 Fuß lang", und "die vergangene Brücke nach dem Kloster" genannt wird.

Die Stadt suchte, so lange die Zeiten erträglich waren, die Brücke zu erhalten. Im J. 1589 brachte sie auf dem Landtage klagend vor, daß wenn der Müller zu Plau das Wasser ferner so hoch staue, sie "unmöglich die Lange Brücke" länger erhalten könne, auch daß der Amtmann zu Plau den Verkehr durch die Stadt Malchow hemme, damit keine Fuhr durch das Städtlein durchgebracht werde, und dadurch bewirke, daß sie gar keinen Zoll zur Erbauung und "Erhaltung der Langen Brücke bekomme".

Die fernere Geschichte dieser langen Brücke ist für die Stadt Malchow sehr wichtig, denn sie war ihr Lebensnerv. Daher hatte der Herzog Ulrich der armen Stadtcasse ("Rathhaus") 200 Gulden geschenkt, welche bei dem "Güstrowschen Rathhause" zu 10 Fl. Zinsen belegt waren, um mit diesen Zinsen und den Brückenzoll die " beschwerliche Brücke" zu unterhalten. In den traurigen Zeiten des dreißigjährigen Krieges litt auch die Stadt Malchow ungewöhnlich. Die "lange Brücke ward im J. 1637 ruinirt" und die Zeiten wurden so schlecht, daß an die Wiederherstellung nicht zu denken war. Die Noth ward in den schlimmsten Zeiten des J. 1639 so groß, daß sich die Stadt am 24. Jan. 1639 bei dem Herzoge Adolph Friedrich darüber beklagte, daß die Stadt Güstrow, welche doch Zinsen an Malchow zu bezahlen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 42 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hatte, den Bürgern "nicht einen Scheffel Brotkorn zu Erhaltung und Erquickung ihres elenden Madensacks ablassen" wolle. Die Stadt konnte auch in bessern Zeiten die Brücke nicht wiederherstellen und beklagte sich darüber bitter in den folgenden Jahren. Sie klagte noch am 2. Junii 1694, "daß die arme Bürgerschaft in Ermangelung der Brücke ganz nahrlos sitze".

Kaum hatte die Stadt zu einiger Erholung wieder Muth gefaßt, als sie am 23. April 1697 das entsetzliche Unglück traf, daß sie mit Kirche, Rathhaus und Thoren ganz abbrannte, so daß nicht ein einziges Haus stehen blieb. Die Stadt war so sehr in Verzweiflung, daß sie darauf hinarbeitete, jetzt die Insel ganz zu verlassen und am Nordufer um die S. Gertruden=Kapelle, da wo die Gärten waren, eine neue Stadt anzulegen und eine Brücke weiter abwärts, wo das Wasser schmaler wird, zu bauen 1 ). Die Stadt trug Bedenken, "sich wieder auf dem Werder und dem alten Ort, wo das Städtchen gestanden, anzubauen, es wäre denn, daß der Herzog die vor vielen Jahren ruinirte Brücke, deren Reparation die Stadt nicht gewachsen, wieder aufbauen ließe, da die Stadt nach Ruinirung der alten Brücke außer Nahrung gewesen".

Kaum war die Stadt einigermaßen wieder in Ordnung, als am 27. Nov. 1721 der größte Teil derselben wieder abbrannte, nämlich 70 Wohnhäuser mit allen Hinter= und Nebengebäuden, so daß nur 30 "Wohnungen" stehen geblieben waren. Auch jetzt wollte man sich wieder auf dem "festen Lande" anbauen. Da erließ der Herzog Carl Leopold am 10. Julii 1723 den Bescheid, "daß er die Wiederbebauung der Stadt placidire, auch permittire, wenn einige draußen bauen wollten" . Seit dieser Zeit sind also die beiden für die Stadt wichtigen Straßen auf dem "festen Lande" am Abhange des Nordufers entstanden, welche "Beim Mühlberg" (die Fabrikstadt) und "Zwischen den Gärten", und zusammen mit Recht auch wohl die Neustadt genannt werden, im Gegensatze zu der Altstadt auf der Insel.

Wenn die nächst folgenden Zeiten auch grade nicht glänzend waren, so kam die Stadt doch bald zu einer Fähre über das breite Wasser. Am 13. Mai 1727 schloß nämlich die Stadt mit dem "Schiffsbaumeister" Heinrich Water=


1) Hier ist auf einem Plane hinter dem Kloster der "Thiergarte" angegeben.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 43 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mann einen Contract über eine zu erbauende Fähre auf seine Kosten und seinen Nutzen. Diese Fähre ist noch allgemein bekannt und hat in den neuesten Zeiten bei der Erbauung der im J. 1848 ganz vollendeten Chaussee nach Röbel einem Erddamm mit Chaussee Platz machen müssen, welcher am 26. Febr. 1846 vollständig fertig geworden ist. Bei Gelegenheit dieses Dammbaues wurden noch viel eichene Balken 1 ) von der ehemaligen Langen Brücke gefunden.

Nach so viel Leiden hat denn die kleine Stadt Malchow selbst auch nichts Alterthümliches mehr aufzuweisen.

In dem ersten Jahrhundert ihres Bestehens mag die Stadt am blühendsten gewesen sein. Im J. 1299 konnte sie dem Fürsten Nicolaus von Werle noch 400 Mark Pfenninge (damals ungefähr 1800 Thaler) leihen, wofür er ihr am 9. Octbr. 1299 den drittten Teil aller Gerichtsbarkeit in der Stadt und der Feldmark verpfändete 2 ).

In der Mitte des 14. Jahrhunderts gehörte Malchow nicht zu den geringsten Städten des Landes. Nach dem Landfrieden vom 14. März 1354 (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, Nr. 256) sollten von den kleinern werleschen Städten z. B. Röbel, Malchow, Plau und Kalen je 10, Teterow und Lage je 5 Mann Gewaffneter zum Aufgebot stellen.

Die Nähe des Klosters und die angenehme Gegend mochte auch wohl Veranlassung sein, daß am 6. Julii 1346 der Fürst Johann III. von Werle=Goldberg seiner Schwiegertochter Agnes die Stadt und das Land Malchow zum Leibgedinge verschrieb, wie es schon seine verstorbene Gemahlin gehabt hatte.

Die zu dieser Darstellung benutzten Schriften werden im Staats=Archive zu Schwerin und im Kloster=Archive zu Malchow aufbewahrt. Die Stadt hat alle ihre alten Urkunden und Acten in dem großen Brande von 1697 verloren.

Die öffentlichen Gebäude aus alter Zeit sind durch diesen Brand sämmtlich spurlos untergegangen.

Auch die Kirche ging in Folge des Brandes unter. Nach dem Kirchen=Visitations=Protocoll vom J. 1664 war "die Kirche, genant zu S. Jürgen, ein zimlich groß Gebeu, aber etwas bawfellig". Nach dem Brande von 1697 "wich das Mauerwerk der Kirche rücklings zurück und die Risse erweiterten sich" immer mehr und mehr. Der Brand von


1) Nach Mittheilung des Herrn Wasserbaumeisters Garthe.
2) Vgl. Meklenb. Urk. B. IV, Nr. 2574.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 44 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

1721 nahm das Gebäude wieder hart mit. Die Klagen über den gefährlichen Zustand häuften sich mit der Zeit immer mehr. Im J. 1806 ward die Gefährlichkeit allerseits eingestanden; jedoch hinderte der Krieg für die nächste Zeit jede Unternehmung. Endlich entschloß sich 1812 das Kloster, welches damals seit der Verlegung nach Malchow noch das Patronat hatte, "zum Durch= oder Neubau". Der Neubau ist denn auch in den Jahren 1812 bis 1817 durch einen Maurermeister ausgeführt (eingeweihet 31. October 1817), leider in einer Weise, welche der damaligen künstlerischen Bildung ein klares Armuthszeugniß ausstellt und der Stadt nicht zur Zierde gereicht. Das Kirchenpatronat ging durch Vertrag vom 18. April 1825 von dem Kloster an den Magistrat der Stadt über.

Die einzigen künstlerischen Ueberbleibsel aus alter Zeit sind, außer den angeführten Urkunden in fremden Archiven, die Abdrücke der alten Stadtsiegel.

Die neuen Stadtsiegel (sicher seit 1613) haben ein vollständiges Stadtthor mit einer durch ein Fallgitter halb geschlossenen Thoröffnung, mit zwei Thorthürmen und Mauerwerk zu den Seiten und einem Herzen zwischen den Thürmen über der Thoröffnung; vgl. meineAngaben in Milde Meklenb. Städtesiegeln, Heft 1, S. 20. Schon vor ungefähr 25 Jahren entdeckte ich im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin ein viel älteres Siegel (das einzige in diesem Archive) an der Erbeinigungs=Urkunde der Fürsten von Werle vom 8. Mai 1353 (gedruckt in Lisch Maltzan. Urk. II, S. 109-115), welches in Milde a. a. O. Taf. 11, Nr. 23 abgebildet ist; dieses Siegel enthält aber nur zwei in Wellen neben einander stehende, bedachte Mauerthürme mit Zinnen, mit einem Herzen oben zwischen den Dächern. Die Umschrift dieses alten Siegels lautet:

Umschrift

Nach dieser Umschrift ist dieses Siegel nur das Rathssiegel oder Geschäftssiegel des Raths, nicht das Stadtsiegel oder Siegel des Raths und der "Gemeinde" oder "Gemeinheit". Die concentrischen Viertelkreise an den Fundamenten der Thürme halte ich für Wellen. Früher (in Maltzan. Urk. a. a. O.) habe ich in dem nicht scharfen Abdruck auf den Thürmen statt der Dächer Vogelköpfe zu erkennen geglaubt; bei scharfer Beleuchtung und Besichtigung kann ich jetzt aber nur Thurmspitzen erkennen.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 45 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Im J. 1866 entdeckte ich aber im Archive des Klosters Malchow an einer (unten abgedruckten) Urkunde 1 ) vom 22. März 1366 über die Herders=Mühle das hieneben auf Kosten der Stadt abgebildete größere Stadtsiegel, welches auch in der Urkunde ausdrücklich Siegel der Stadt ("sigillum civitatis") genannt wird und bestimmt die Umschrift führt:

Siegel
Umschrift

Dieses Siegel, welches jedenfalls noch aus der ersten Hälfte des 14. Jahrh., wahrscheinlich aber noch aus dem Ende des 13. Jahrh. stammt, hat nun genau dasselbe Siegelbild, welches das Rathsiegel hat; nur hat es unten zwischen den Thürmen auf den Wellen einen, wenn auch sehr flach geschnittenen, doch deutlichen Vogelkopf mit Hals, welcher den Schnabel durch einen Siegelring steckt. Genannt wird das Stadtsiegel ("sigillum ciuitatis Malchow") schon am 24. Aug. 1309 (vgl. Jahrb. II .256).

Dies ist also das vollständige Siegel der Stadt. Die Deutung desselben ist jetzt wohl unmöglich. Die beiden Mauerthürme können die beiden Stadteingänge von Norden und Süden, die Wellen die Insel bedeuten, auf welcher die Stadt steht. Das besondere Beizeichen des Herzens weiß ich aber nicht herzuleiten; man hat es wohl für eine Anspielung auf das im J. 1298 auf das Südufer von Röbel her verlegte Nonnenkloster gehalten; aber ich glaube, daß das Stadtzeichen aus der Zeit der Stiftung der Stadt stammt, ja daß der Siegelstempel älter ist, als das Kloster bei Malchow, halte auch dafür, daß eine Stadt nicht von einem außerhalb ihrer Grenzen belegenen Kloster ein Zeichen in ihr Siegel aufnahm und daß mir die Anspielung auf ein Kloster durch ein Herz für jene kräftigen Zeiten etwas empfindsam zu sein scheint. - Noch weniger weiß ich den Vogel mit dem Ring um den Schnabel zu deuten, wenn er nicht eine allgemeine Anspielung auf die für die Stadt in alter


1) Vgl. Beilage Nr. 2.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 46 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zeit sehr wichtige vornehme Familie Pape sein könnte, welche ein Pelikansnest auf dem Helme führte (vgl. oben S. 31).

Diese Urkunde vom J. 1366 giebt außerdem mancherlei werthvolle Nachrichten über die alte Geschichte der Stadt. Als vorherrschend im Raht treten die Rathmänner aus den (unten ausführlicher behandelten) vornehmen Patricierfamilien Elers, Vogt und Krevestorf auf. Es wird die Eintragung in das Stadtbuch ("codex nostre civitatis") erwähnt. Ferner wird gesagt, daß der Rath damals das Schulhaus ("camera scole") als Rathhaus ("pro consistorio") benutzte, vielleicht wegen eines Brandes. Endlich wird der Besiegelung der Urkunde mit dem abgebildeten alten Stadtsiegel ("sigillum nostre civitatis") gedacht.

9.
Das Patriciat der Stadt Malchow.

Es ist in neuern Zeiten vielfach bewiesen worden, daß in den kleinern Städten während der ersten Jahrhunderte ihres Bestehens auch ein Patriciat bestand, welches zwar nicht den großen Ruf des vorzugsweise sogenannten Patriciats in den freien Reichsstädten Süddeutschlands erlangte, aber doch immer durch Macht und Einfluß herrschend war (vgl. Jahrb. XI, S. 169). Die Patricier, die Nachkommen und Verwandten der Gründer der Städte, welche das Stadtrecht aus den sächsischen Ländern oder den Mutterstädten mitgebracht hatten, lassen sich leicht daran erkennen, daß sie ausschließlich die Rathsstellen besetzten, also regierten, und ein Wappen führten, auch lehnsfähig waren, wenn sie auch vom ritterlichen Roßdienst befreiet werden mußten, während sich die Bürger oder "Gewerke" mit ihrer Hausmarke im Siegel begnügten. Es läßt sich dies genau nachweisen und zu beachtenswerthen Ergebnissen gestalten, wenn man genug Original=Urkunden aus einer bestimmt begrenzten Gegend zur Verfügung hat. So ist es mir beim Durchforschen der Urkunden des Klosters Malchow gelungen, in der kleinen Stadt Malchow ein weit verzweigtes Patriciat zu entdecken.

Die Stadt hatte ihre Aecker größtentheils auf dem Nordufer, jedoch auch ziemlich großen Besitz auf dem Südufer. Neben dem Dorfe Alt=Malchow auf dem Südufer lagen viele kleine Höfe und Mühlen, welche im 13. Jahrh. wohl unmittelbar an vornehme Familien in der Stadt zu Lehn weggegeben waren. Diese Familien, von denen z. B.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 47 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Pape ritterlichen Standes waren, sind oben berücksichtigt. Es bestand außer diesen in der Stadt aber noch ein eng geschlossenes Patriciat, welches jenen bevorzugten Familien gleich oder nahe stand.

Nachdem im J. 1298 das Nonnenkloster vom Marien=Magdalenen=Orden der Büßerinnen von Röbel nach Alt=Malchow verlegt war, kam das Kloster vielfach in Berührung mit dem Malchowschen Patriciat, und mancher Malchowscher Patriciersohn ward Propst oder Priester in dem strengen Kloster. Das Kloster brachte nur wenig irdische Güter von Röbel mit nach Malchow; es suchte daher, ganz allmählig den Patriciern die kleinen Höfe und Mühlen vor ihrem Klostergebiete abzuhandeln, bis es erst um die Mitte und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einige der großen Landgüter erwarb, welche das Damenstift noch jetzt besitzt. Es war dagegen vielleicht ein Fehler des Patriciats, daß es immer mehr von dem alten, kleinen Familienbesitz abstand und sich in größere Speculationen einließ, welche, wie gewöhnlich, mit der Zeit mehr Verderben, als Glück brachten.

Bei diesen kleinen Ankäufen zur Abrundung des eigentlichen Klostergebietes tritt nun, namentlich nur im 14. Jahrhundert, ein wohl geordnetes Patriciat in der Stadt Malchow auf.

Es sind namentlich 4 Familien, welche seit dem Anfange des 14. Jahrhunderts verschiedene Namen, aber merkwürdiger Weise dasselbe Wappen führen, nämlich die Familien: Elers, Vagt, von Krevtsdorf und Düsterwold. Alle führen in häufigem Vorkommen einen Schild mit drei Kleeblättern, deren Stengel in der Mitte des Schildes in einer Rosette zusammenstoßen und deren Dreiblätter in den drei Ecken des Schildes liegen, wie das hieneben abgebildete Siegel des Georg Krevestorp an der Urkunde vom 4. März 1377 zeigt.

Siegel

Auf den ältesten Siegeln steht in der Mitte in jedem Winkel zwischen den Stengeln nur ein Knopf oder ein Punct und die Stengel stoßen unmittelbar an einander; im Laufe des Jahrhunderts aber mehren sich die Knöpfe um den Mittelpunct und es wird eine förmliche Rosette daraus, aus der die Stengel hervorwachsen.

Aus der Gleichheit des Wappens muß man schließen, daß alle diese Familien von Einem gemeinschaftlichen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 48 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Stammvater herkommen. Wer dieser aber gewesen sei, läßt sich wohl nicht mehr ergründen, da die Bürger von Malchow in den allerältesten Zeiten, mit wenigen Ausnahmen, nur mit einem Vornamen auftreten (vgl. Urk. B. I, Nr. 433) und die meisten Zunamen, oft nach den Gewerben, sich erst im Anfange des 14. Jahrhunderts zu bilden anfangen.

Es mag jedoch vergönnt sein, einige Muthmaßungen auszusprechen. Eine der 4 Familien hieß Voghed, Voghedes oder Vaghedeke, d. h. Vogt, und es steht zu vermuthen, daß dieselbe von einem Manne abstammte, welcher Stadtvogt zu Malchow war. Nun erscheint am 23. Febr. 1294 zu Grüssow offenbar unter Malchowschen Bürgern ein "Reyner Vogt" ("Reinerus advocatus": vgl. Urk. B. III, Nr. 2282), welcher wahrscheinlich Vogt zu Malchow war. Dieser wird Reiner Büne oder Bune sein, welcher wohl sicher dem im Lande Röbel sehr häufig vorkommenden alten Adelsgeschlechte 1 ) angehört. Der hier zur Frage stehende Reiner Büne oder Reiner Vogt kommt in der Zeit 1287 bis 1300 in und bei Malchow oft vor. Er tritt schon am 30. Junii 1287 zu Malchow hinter den Rittern und Geistlichen als der erste in der Reihe der Bürger auf (vgl. Urk. B. Nr. 1914) und eben so am 10. Mai 1293 mit der Bezeichnung als "Bürger in Malchow" (vgl. Urk. B. Nr. 2226). Dagegen wird er 1288, 1292, 1299 und 1300 unter den Knappen aufgeführt (vgl. Urk. B. III, Nr. 1957 und 2162 und IV, Nr. 2576 und 2618). Es wäre nun möglich, daß er der Vater des zuerst am 30. Nov. 1313 vorkommenden Heinrich Vagts, "Hinricus advocati", d. h. Vogts Sohn, wäre.

Jedoch ist hiebei zu bedenken, daß 23. Februar 1294 neben dem "Reyner Vogt" schon "Heinrich Düsterwolt" vorkommt (vgl. Urk. B. III, Nr. 2282), also beide wohl in gleichem Grade der Herstammung stehen und Düsterwolt nicht gut von Reiner Vogt herzuleiten ist. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß Reiner Bune mit den Malchowschen Patricierfamilien gar nichts zu schaffen hat und nicht Stadtvogt, sondern Burgvogt war.

Viel eher ist es möglich, daß der Stadtvogt Bertram von Malchow, welcher 12. Sept. 1273 mit den Stadtvögten von Röbel und Wesenberg im Gefolge des


1) Die v. Bune hatten gleichen Schild mit den auch früher im Lande Röbel auftretenden Ketelhot, nämlich 3 Kesselhüte (mit Bändern), nach einer Dobbertiner Urkunde vom 24. Febr. 1342.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 49 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Fürsten Nicolaus von Werle auftritt ("Bertrammus de Malechow minor aduocatus") 1 ), der Stammvater der genannten Familien war.

Es ist aber auch möglich, daß ein Eler (Elerus) der Stammvater gewesen ist und die Familie schon ausgebildet mit Namen und Vermögen nach Malchow kam. Am 22. Junii 1304 verliehen die Fürsten von Werle den Malchowschen Bürgern Eler, Nicolaus Becker und Woltbert ("Elero, Nycolao Pistori et Woltberto, fidelibus nostris et dilectis in Malchow burgensibus") die Tibboldsmühle, später Vormühle genannt, vor dem Kloster Malchow. Später tritt "Ludolfus Eleri", also der Sohn des Elerus oder "Elers Sohn" als Bürger und Rathmann von Malchow auf, und daraus bildet sich der noch jetzt häufige Zuname Elers. Vielleicht wanderte die Familie aus Rostock ein.Es scheint nicht bloßer Zufall zu sein, wenn kurz vor demAuftreten der Familien in Malchow dieselben Namen und Gewerbe in Rostock vorkommen. Im J. 1267 wollte der "Bäcker Eler Voget" (nicht Vogel) zu Rostock nach dem Gelobten Lande wallfahrten (vgl. Meklenb. Urk. B. II, Nr. 1103). Am 2. Februar 1280 war er gestorben: Gisela war die Wittwe des Bäckers Eler Vogt ("Ghisele relicta Eleri Aduocati pistoris": Meklenb. Urk. B. II, Nr. 1514).Sein Sohn hieß auch Eler und war Besitzer einer halben Mühle am Rostocker Mühlendamm, welche er ("Elerus filius Aduocati pistoris et mater sua Gysele": Meklenb. Urk. B. III, Nr. 1956) mit seiner Mutter Gisela am 26. Febr. 1288 verkaufte; unter den Zeugen war ein "Herderus cum macula".Die Becker kommen auch bald darauf mit den 4 Familien oft in Malchow vor. Diese Personen und Vorgänge scheinen allerdings auf einen Rostocker Ursprung zu deuten.

Die Familie von Krevtsdorf hat ohne Zweifel den Namen von einem Orte, der sich jetzt nicht mehr nachweisen läßt.

Die Familie (von) Düsterwold führt ihren Namen sicher von der bekannten Waldung gleiches Namens bei Waren, welche seit dem Anfange unserer Geschichte diesen Namen trägt. Dieser Zweig wird sich auch früh nach Waren gewandt haben, da 27. Junii 1382 und 25. Febr. 1396 ein "Dusterwolt, ratman to Warne", vorkommt.

Alle diese Familien kommen häufig in Besitzverhältnissen und als Zeugen vor. Am 30. Nov. 1313 verkauften


1) Vgl. Meklb. Urk. B. II, Nr. 1295.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 50 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Fürsten von Werle "ihren Getreuen Mathias von Krevtsdorf, Johann Düsterwold, Heinrich Vagt und Heinrich Düsterwold" ("fidelibus nostris Mathie de Creuetesdorp, Jahanni Dusterwold, Hinrico Advocati et Hinrico Dusterwold") die Schwickowen=Mühle bei Malchow. Sie erscheinen auch oft als die ersten im Rath der Stadt, z. B. am 16. Februar 1347: "Johannes Kreuetstorp, Wulf Pistor et Ludekinus Eleri, consules in Malchowe; am 25. Jan. 1348: Johannes Katzow, Hermannus Karghow, Johannes Dambeke, Jacobus Dusterwold, Johannes Kreuestorp, Ludeke Eleri, Johannes Howeth, consules in Malchowe; am 24. Junii 1357: Ludeke Eler, Hannes Kreuestorp, Wasmut, Bolto, Hennik Kowal, Ulrekes, ratmanne to Malchowe; am 22. März 1366: consules ciuitatis Malchow scilicet Ludolphus Eleri proconsui, Henricus Voghedeke, Vicke Kreuestorp, Johannes Bobelin, Johannes Cruse u. s. w., und die Unterhändler waren: Ludolfus Eleri presbyter et Ludolphus Eleri pronconsul. Der erstere Ludolfus Eleri war schon1360 prebendarius in monasterio Malchowe".

In diesem Sinne lassen sich die genannten 4 Familien.mit Eigenthum und Briefen und Siegeln einzeln genau verfolgen.

1) Elers. Am 22. Junii 1304 verlieh der Fürst Nicolaus von Werle den Bürgern Eler, Nicolaus Becker und Woltbert die bei der Stadt, d. h. vor dem Kloster, gelegene Tibboldsmühle oder Vormühle; am 24. Aug. 1309 war Eler ("Eyler") der erste Rathmann zu Malchow (vgl. Jahrb. II, S. 257). Später erscheint Ludolphus Elers, wahrscheinlich des Eler Sohn, als Bürger, Rathmann und Burgemeister zu Malchow: 1347, Febr. 16: Ludekinus Eleri consul; 1348, Jan. 25: Ludeke Eleri consul; 1356, Mai 7: Ludolfus Eleri consul; 1357, Jun. 24: Ludeke Eler ratman; 1363, März 3: Ludolfus Eleri civis; 1366, März 22: Ludolphus Eleri proconsul; 1374, Jan. 16: Ludolphus Eleri opidanus. Am 3. März (feria VI ante dominicam Oculi) 1363 schenkte "Ludolfus Eleri ciuis in Malchowe" dem Kloster Malchow den vierten Theil der Tibboldsmühle; angehängt ist sein rundes Siegel mit einem stehenden Schilde, auf welchem drei in der Mitte des Schildes zwischen 3 Knoten an einander stoßende Kleeblattstengel liegen, mit der Umschrift:

Umschrift
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 51 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Dasselbe Siegel hängt an einer Urkunde vom 16. Jan.1374, durch welche "Ludolphus Eleri" seine Mühle zu Grüssow verkaufte. Dies ist die einfachste Form des Schildzeichens, indem in der Mitte des Schildes noch keine Rose gebildet ist, sondern nur 3 Knoten zwischen den 3 Stengeln stehen. Ein anderer Ludolf Eleri war im J. 1360 Präbendar im Kloster Malchow und 1366 Priester.

2) Vagt. Die Familie Vagt (oder Vogt) tritt mehr als wahrscheinlich zuerst am 24. August 1309 mit dem Malchowschen Rathmann Lambert Vogt ("Lambertus Aduocati: vgl. Jahrb. II, S. 257) und bald darauf sicher mit Heinrich Vagt oder Vagtes am 30. Nov. 1313 auf, als die Krevtsdorf und Düsterwold und Heinrich Vagt ("Hinricus Advocati") mit der Schwickowenmühle belehnt werden. Im J. 1356, am 13. Octbr. (des dunredaghes vor sunte Gallen daghe) verkaufte "Hinrik Voghede" den vierten Theil der Schwertfegersmühle an Dietrich Burow; er hängt an die Urkunde ein schildförmiges Siegel mit demselben Schildzeichen und der leider am Ende lückenhaften Umschrift:

Umschrift

Das Schildzeichen ist schon ein wenig mehr ausgebildet, indem die drei Kleestengel in der Mitte des Schildes in einem Knoten zusammenstoßen, außer den 3 Knoten in den Winkeln. Am 22. März 1366 war dieser Heinrich Vagt todt ("Hinricus Voghedeke senior defunctus"), als dessen Schwiegersohn, der Rathmann Bernhard Rantze, den durch seine Frau ererbten vierten Theil der Herdersmühle dem Kloster Malchow verkaufte und vor dem Rath der Stadt aufließ, in welchem damals "Hinricus Voghedeke" Rathmann war. Am 24. Junii 1357 erscheint. noch ein Brand Vaghedes.

3) Krevtsdorf. Am 30. Nov. 1313 überließen die Fürsten von Werle dem Mathias Krevtsdorf ("Mathias de Creuetesdorp") und dem Johannes Düsterwold, dem Heinrich Vogedes ("Advocati") und Heinrich Düsterwold die Schwickowenmühle. Am 23. April 1346 erscheinen die Brüder Johann und Willeke genannt "Krevestorp" und am 16. Febr. 1347, 7. Mai 1356 1 ) und 24. Junii 1357 tritt Johannes Krevestorp als Rathmann zu Malchow auf und neben ihm 1357 ein Vicke Krevestorp, welcher am 22.


1) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 137,wo sich unter den Malchowchen Ratsherren die Lücke: Joh . . . . . . .torp genau durch: Johannes Krevestorp ergänzen läßt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 52 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

März 1366 auch als Rathmann erscheint. Am 4. März 1377 verkauften die Brüder Johann, Georg und Heinrich Krevestorp dem Kloster Malchow die Schwertfegersmühle; an der Urkunde hangen 3 Siegel mit den drei Kleestengeln und den Umschriften:

Umschriften

wie das oben abgebildete Siegel des Georg Krevestorf an dieser Urkunde beweiset. Diese Siegel haben in der Mitte des Schildes schon eine ausgebildete Rosette, in welcher die drei Kleestengel zusammenstoßen. Dasselbe Schildzeichen hat auch am 21. Jan. 1375 Mathias Krevtsdorf, als er seinen Antheil an der Schwickowenmühle an Dietrich v. Flotow verkaufte.

4) Düsterwold. Die Düsterwold erscheinen schon am 23. Febr. 1294, indem "Heinrich Düsterwold" als Zeuge zu Grüssow auftritt (vgl. Urk. B. III, Nr. 2282). Später erscheinen sie im 14. Jahrh. öfter, zuerst am 30. Nov. 1313, als die Fürsten von Werle "ihren Getreuen Mathias von Crevetesdorp (Mathie de Creuetesdorp) und dem Johann Düsterwold, dem Heinrich Vaghedes (advocati) und dem Heinrich Düsterwold" die Schwickowenmühle überließen. Johann Düsterwold erscheint als Zeuge am 7. März 1314 und am 11. Mai 1317 als Rathmann zu Malchow. Am 10. Febr. 1318 giebt der Fürst Johann von Werle dem Johann Düsterwold die Anwartschaft auf gewisse Güter der Grüssower Mühle und der Herdersmühle. Er war noch 2. Jan. 1333 Rathmann in Malchow ("Henneke Dusterwoldt consul in Malchow"). Am 13. Dec. 1344 war Heinrich Düsterwold Bürger und am 25. Jan. 1348 Jacob Düsterwold erster Rathmann zu Malchow. Als Johann Düsterwold am 3. Julii 1375 durch 2 Urkunden dem Kloster Malchow 7 Mark Jahreshebungen von der Bede aus Petersdorf und Kisserow und einen Hof mit 2 Hufen in Kisserow verkaufte, besiegelte er die beiden Urkunden mit einem Siegel mit demselben Schildzeichen und der Umschrift:

Umschrift

In der Mitte des Schildes stehen in einem Kreise 5 Knoten oder Kugeln statt einer Rosette. Ein gleiches Siegel hängt an einer Urkunde vom 25. Febr. 1396, durch welche "Dusterwoldt eyn ratman tu Warne" 5 Mark Hebungen aus

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 53 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Grüssower Mühle an Otto Vickenstede verkauft; er führt weder in der Urkunde, noch auf dem Siegel einen Vornamen; die Umschrift des Siegels lautet:

Umschrift

Derselbe "Dusterwolt" zu Waren tritt schon am 27. Junii 1382 in Waren als Zeuge auf (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 340).

Es wird sich aus diesen urkundlichen Darstellungen ergeben, daß diese vier Rathsfamilien in Malchow, neben einigen andern, z. B. Becker, Rantze u. a., ein geschlossenes Patriciat bildeten, welches sich auch im Landbesitz in den einzelnen Familien vielfach berührte.

Aehnlich mag es sich mit der Familie von Speck verhalten, welche ebenfalls in und bei Malchow auftritt und wohl von dem Gute Speck bei Waren jenseit der Müritz, nicht weit vom "Düsterwold", den Namen hat. Bis jetzt ist nur ein "Rave" oder "Raven von Specken" bekannt geworden. Er ist 1346 verschiedene Male Zeuge bei den Pritzbur und Gamm, scheinbar als Knappe. Am 26. Jan.1347 wird er aber als Zeuge neben Willekin von Kreuetsdorp "Bürger in Malchow" genannt und am 16. Febr. 1347 als Zeuge in Malchow aufgeführt. Am 24. Junii 1357 verkauften seine nachgelassenen Kinder, die Söhne Jürges, Heinrich, Erich, Henning und Marquard, und die Tochter Adelheid, mit ihrer Mutter Gerberg, die von ihrem Vater hinterlassenen Güter in dem Dorfe Grüssow, nämlich einen Hof mit fünf Hufen, vier Katen, einen Speicher und eine Scheure auf dem Kirchhofe und eine Wort bei dem Hofe. Die drei ältesten Söhne führen im Siegel ein Wappen, eine Lilie 1 ) unter einem mit zwei halben Lilien besetzten Sparren und nennen sich in der Umschrift der Siegel nur von Specke. Die über diesen Verkauf ausgestellte Urkunde 2 ) ist für das Vorkommen des oben behandelten Patriciats und sonst für die Stadt Malchow nicht minder merkwürdig als die Urkunde vom 22. März 1366 (vgl. oben S. 45 und Beilage Nr. 2). Weiter hat sich aber diese Familie nicht verfolgen lassen.


1) Die Raben auf Stük und Steinfeld in der Grafschaft Schwerin führen im Schilde eine liegende halbe Lilie. Schwerlich möchte sich aber hieraus auf eine Zusammengehörigkeit beider Familien schließen lassen.
2) Vgl. Beilage Nr. 1.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 54 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Beilage Nr. 1.

Die Kinder des verstorbenen Raven genannt von der Specke verkaufen dem Malchowschen Bürger Albrecht Schmidt die ihnen von ihrem Vater hinterlassenen Güter in dem Dorfe Grüssow.

D. d. (Malchow). 1357. Junii 24.

Witlick schal wesen allen gůden lůden, de dessen brèff hôren vnde sehen, dat wy brôdere Jureges, Hinrek, Erek, Henningh vnde Marquard, dede Rauens kindere sint van der Specke, dat em ghod gnedech sy, vse mu v der ver Gherberch vnde Alheyt, de vse suster is, wy bekennen des âpenbâre, dat wy hebben verkofft redelken vnde reckelken myt vrygeme willekôre, mit gantzer vulbôrt vser mu v der vnde vser suster, de hir benômet sint, vnde na râde vser vrunde, deme wîsen manne Albreght Smede, eyneme borghere tů Malchowe, vnde synen rechten erffnâmen alsodân gûdt, alse vs vse vâder gheeruet heft vnde wy gehat hebben na sînem dòde an deme dorpe to Grussowe: vêr kôten mit den wûrden vnde mit deme hûnreghelde, dat dâr tů ligt, einen spîker vnde eine schûne vp deme kerckhôue, eyne wûrt, dede ligt by deme hôue, de Rauen sunderleken dâr tů koft heft, vortmer ênen hoff mit viff hôuen, de drê hûuen schole wy brôdere vse mu v der vnde vse suster hîr bevôren nômet sint vorlâten mit gantzem willen vôr vseme hern van Wenden, de andern twê hûuen schole wy Albrecht Smede vnde synen eruen vorlâten vôr vseme hern dem bischope, wen he eder syne eruen yt êschen, mit aller nůt, mit aller vrůght, mit aller vrîgheit êwech tů besittende, also alse yt vse vâder heft gehat vnde vs geeruet hefft vnde wy na sîneme dôde gehat hebben, an holte, an velde, an wâtere, an weide, an

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 55 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

wischen, an torue, an buschen, an richte, an brôken, an beken, an hoppengârden, an vtvlôte, an invlôte, vortmer mit allerleyge plicht, de tů deme vôrsprôkenen ghûde ligt vnde hôrt, dat hîr vôr benômet ys. Dat alle desse stucke, de hîr vôr bescreuen synt, stede, vast vnde vmbewurren blîuen, dat hebbe wy ghelôuet Jureges, Hinrek vnde Erek Rauens kindere sint vnde hêten van der Specke vnde lôuen en trûwen myt vsen lêuen medelôueren: Thideke Budden van Walowe, Henneke Papen van Zilitze, Brant Vaghedes van Poppentin, Maghorius Nacke van Lepsowe, Henningh Hauelbergh van Clippatendorf, Ghereke van Radem myt eyner sâmenden hant Albrecht Smede, sînen rechten eruen vnde hern Gherde, hern Diderek Wasmu v de, den prêstern, Hannes Wasmude, Vicke Kreuestorpe vnde Hinrik Ulrekes vôr êne rechte wârschop des ghůdes, dat hîr geschreuen steyt, vôr de vnmundegen kindere, em vnde sînen eruen, dat ghůt tu verlâtende, wen se tů eren iâren kômen sint, vnde vôr alle de ghêne, dede vôr ein recht kômen willen, recht geuen vnde nemen willen, vnde hengen vse ingheseghele vortmer mit vser medelôuere ingheseghele, de hîr screuen stân, tů êner hôgeren bewâringe vôr dessen brêff, na godes bôrt dûsent iâr drêhundert iâr an deme sôuen vnde vefftigesten iâre, des dâghes sunte Johannes baptisten also he ghebâren wart. Hîr hefft ôuer gheweset: Ludeke Eler, Hannes Kreuestorp, Wasmůt, Bolto, Henrik Kowal, Hinrik Ulrekes, râtmanne tů Malchow, Cru v se, Wokestowe, borghere tů Malchow, vnde ander gůder lůde vele.

Das Original liegt im Archive des Klosters Malchow. Alle Hauptstellen und Namen des vorstehenden Abdrucks sind nach dem Originale, die übrigen Stellen nach Dan. Clandrian's Abschrift abgeschrieben. Die 3 ersten Siegel sind schildförmig und haben eine Lilie unter einem mit Lilienblättern in den obern Schildwinkeln besetzten Sparren; Umschriften:

Umschriften

Die Bürgen wohnten alle in der Nähe des Klosters Malchow. "Clippatendorf" lag nahe bei Grüssow, bei Zislow am Plauer See; vgl. Jahrb. XIII, S. 410.


Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 56 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Beilage Nr. 2.

Die Rathmänner der Stadt Malchow bezeugen, daß vor ihnen ihres Rathes Mitglied Bernhard Rantze dem Kloster Malchow den vierten Theil der Herdersmühle verkauft habe, welcher ihm Namens seiner Frau Margarethe, Heinrich Vogedekens Tochter, durch Erbschaft angefallen sei.

D. d. Malchow. 1366. März 22.

Nos consules ciuitatis Malchow, scilicet Ludolphus Eleri, proconsul, Henricus Voghedeke, Vicko Kreuestorp, Johannes Bobelin, Johannes Cruse, Vicko Wegener, Johannes Heyneman, Johannes Olderogge, Martinus Stureman, Hermannus Isermenger, universis Christi fidelibus, ad quorum notitiam presens scriptum peruenerit, cupimus non latere publice protestantes, quod Bernardus Rantze, nostri consulatus consocius, in nostrorum omnium presentia constitutus, cum matura deliberatione prehabita et concilio suorum heredum uerorum et amicorum consensu, quorum interest, accedente, rite et rationabiliter uendidit discreto uiro domino Gherardo de Romgharden preposito et suo conuentui monasterii in Malchow pro centum marcis sclavicalium denariorum quartam partem molendini dicti Herdersmolen, cum omnibus suis prouentibus et libertatibus, que sibi nomine vxoris sue Margarete, filie Henrici Voghedekens senioris defuncti, iure hereditario et sub uera hereditate patrimonii per mortem eiusdem Henrici Voghedekens antedicti, patris vxoris sue, fuit deuoluta, libere perpetuis temporibus cum omni iure et utilitate possidendam, sicut ipse Bernardus Rantze et Hinricus Voghedekens, predictus pater uxoris sue, possederunt. De quibus centum marcis sibi XX marcas in prompto persoluebat, pro residuis uero octoginta marcis prepositus predictus uel qui pro tempore fuerit Bernardo Rantzen et Margarete sue uxori ad tempus vite eorum octo marcarum redditus monete currentis annuatim omni festo Michaelis erogabit, tali tamen conditione interposita, quod si unus illorum debitum carnis deo exsolueret, alius superuiuens sex marcarum redditus ad tempora vite sue sibi obtinebit. Cum autem ambo uniuerse carnis uiam in-

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 57 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

gredientur, toti VIII marcarum redditus ad dictum monasterium in Malchow libere reuoluentur. Ceterum iam dictam quartam partem molendini Hinricus Voghedeke, frater vxoris Bernardi Rantzen, in manu sua habuit et habet modo sub pheodali et eandem sie habebit preposito suoque conuentui predicto omnem ad utilitatem. Cum autem prepositus uel sui successores dominorum pheudi copiam habere potuerit, ipse Henricus Voghedeke una cum Bernardo Rantzen necnon suis (?) cum eorum heredibus dicto domino preposito auf eins successori pheodum, quod in dicta quarta parte molendini habuerunt siue adhuc habent, resignabunt, quotiens fuerint requisiti, et resignant in his scriptis, vt etiam in codice nostre ciuitatis est insertum ac manifeste ponetur. Acta sunt hec in camera scole, quam tunc pro consistorio habuimus, nobis onmibus presentibus, ut premittitur in his scriptis, anno domini 1366, dominica in passione domini qua cantatur Judica me deus. In cuius rei testimonium sigillum nostre ciuitatis est appensum. Hec inter dominum Gherardum prepositum et Bernardum Rantzen per dominum Ludolphum Eleri presbyterum et Ludolphum Eleri proconsulem sunt placitata.

Nach Dan. Clandrians Abschrift im Diplom. Malchow. vom J. 1576 im großherzoglichen Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin, nach dem Originale.

Siegel

An der Original=Urkunde im Archive des Klosters Malchow hing noch im J. 1866 das hieneben auf Kosten der Stadt Malchow abgebildete Siegel der Stadt Malchow mit der Umschrift:

Umschrift

während bisher nur das Siegel des Raths ("consulum") vom J. 1353 bekannt war (vgl. Milde Meklenb. Siegel H. I, T. 10, Nr. 23), welches sich, außer der Umschrift, von dem dem Stadtsiegel nur dadurch unterscheidet, daß auf demselben der Vogelkopf mit dem Ringe um den Schnabel zwischen den beiden Thürmen fehlt.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 58 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

II.

Die wendischen Schwerine.

Ein Beitrag zur Erläuterung des slavischen Götzendienstes

von

Dr. W. G. Beyer,
Archivar.


B ald nach der Gründung unsers Vereins befragte der Archivrath Lisch den damaligen Bibliothekar des böhmischen National=Museums, Prof. Hancka zu Prag, correspondirendes Mitglied des Vereins, nach der Bedeutung des in allen wendischen Ländern häufig vorkommenden Namens Schwerin (Zwerin). Der berühmte Slavist antwortete kurz und bündig: Zuerin heißt Thiergarten 1 ). Gegen dies bestimmte Zeugniß eines der gelehrtesten Slavisten sind keine Einreden zulässig. Auch stimmen die Angaben der Wörterbücher der verschiedenen slavischen Mundarten damit vollkommen überein. Darnach heißt nämlich im Böhmischen zwer: wildes Thier, und zwjre: Thier überhaupt, ferner zwerina: Wildpret, wovon zwerinice sc. obora: Thiergehäge, Thiergarten abgeleitet wird 2 ). Eben so heißt im wendischen Dialekte zwerina: Gethier, Thiergeschlecht überhaupt, besonders Wild, Wildpret, zwerinica: Thiergarten 3 ) und im Sorbischen zwierjo: Thier überhaupt, zwjerjacy: thierisch 4 ); desgleichen im Pol=


1) Jahrb. II, S. 178.
2) Palkowitsch, böhm.=deutsches Wörterb.
3) Pful, wendisches Wörterb.
4) Schmaler, deutsch=wendisches Wörterb.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 59 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

nischen zwierz: ein großes, besonders wildes Thier, zwierze: das Thier überhaupt, zwierzy: von Thieren, besonders großen und wilden Thieren 1 ). Gleichwohl bekenne ich, daß mir diese Deutung immer räthselhaft geblieben ist. Ein Thiergarten mitten in der Wildniß eines noch wenig angebaueten Landes, das zum großen Theile mit Urwald bedeckt war, erscheint in der That als ein wunderbarer Luxus. Die Jagd auf Raubthiere und Wildpret aller Art, woran die großen Waldungen Ueberfluß haben, ist bei Völkern auf der Kulturstufe der alten Wenden die Lust und das tägliche Geschäft des Mannes, aber das Wild im befriedigten Parke zu hegen und während des strengen Winters zu ätzen, um es mit Bequemlichkeit vom gedeckten Anstande aus erlegen zu können, und immer einen Braten für die Küche bereit zu haben, das scheint mir nicht im Geschmacke dieser Zeit und dieses Volkes. Wozu denn diese kleinen künstlichen Zwerine mitten in dem großen natürlichen und allgemeinen Wildpark des Landes? Welche Thiere wurden darin gehegt, und zu welchem Zwecke?

Gesteh ich es nur, solche Zweifel haben mich oft heimlich gequält; jetzt endlich aber glaub ich das Räthsel gelöset zu haben! Das Zeugniß der gelehrten Slavisten und ihrer Wörterbücher in Ehren für den Sprachgebrauch unserer Zeit, aber die alten heidnischen Schwerine waren keine Wildgehege für die Küche der Fürsten und Edlen des Volkes, sondern - heilige Haine der Gottheit, und das darin gehegte Thier war kein Wildpret, sondern - das edle Roß, der Liebling aller kriegerischen Völker, das heilige Thier des höchsten der Götter, des slavischen Swantewit, wie des nordischen Othin, dessen Priestern die Hegung für den Gottesdienst, und zugleich die Züchtung dieses in unserm Klima der Pflege des Menschen bedürfenden Thieres in den Tempel=Hainen oblag.

Das ist in kurzen Worten die Ansicht über die Bestimmung und Bedeutung der wendischen Schwerine, die sich allmählig zur festen Ueberzeugung in mir entwickelt hat. Meine Aufgabe ist es jetzt, die Gründe darzulegen, auf denen diese Ueberzeugung beruht, und welche hoffentlich auch den Leser überzeugen werden.

Den nächsten Anstoß zu dieser Idee gab mir die Geschichte der Pferdezucht in Meklenburg von Lisch 2 ). Hier wird beiläufig darauf hingewiesen, daß die Gestüte im Mittel=


1) Mongrovius poln.=deutsches Wörterb.
2) Archiv für meklenburgische Landeskunde, Jahrg. 1856.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 60 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

alter nicht bloß in dem ursprünglich slavischen Meklenburg, sondern auch in den rein deutschen Ländern, in der Nähe großer Waldungen angelegt wurden, indem man die Mutter=Pferde nicht in engen Ställen aufstellte, sondern mit ihren Füllen in die Waldungen trieb, wo sie später nach Bedürfniß wieder eingefangen wurden. Es ist dies ohne Zweifel der Grund, weshalb die Mutterstuten im Mittelalter überall, und namentlich auch in Meklenburg den Namen Wilden führten. Das älteste Beispiel einer solchen wilden Stuterei ist vielleicht die von Liutolf, Kaisers Otto I. Sohn, im Jahre 949 in den Waldungen bei Stuttgart angelegte, welcher Ort davon seinen Namen (stut-garten) erhielt. Auch in Dänemark wurden zu Anfang des 15. Jahrhunderts wilde Pferde gezüchtet 1 ). In Meklenburg war diese wilde Pferdezucht noch im 16. Jahrhundert in voller Uebung, wie aus Archivacten über die Anlegung einer solchen Stuterei durch den Herzog Ulrich in der Lewitz hervorgeht.

Daß nun diese Sitte auch bei den Wenden in Meklenburg herrschte, wird urkundlich, wenn auch nicht direct bezeugt, doch meiner Ansicht nach außer allen Zweifel gestellt. Diese Urkunden beziehen sich auf die beiden ältesten bekannten Stutereien des Landes bei dem untergegangenen Orte Pustekow in dem Walde Dewinkel am Ufer des Gutower oder Rosiner Sees bei Güstrow, und bei dem Dorfe Dierhagen an der Rostocker Haide in der Nähe des Fischlandes. Diese beiden Gestüte sind daher vor allen Dingen einer nähern Untersuchung zu unterziehen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

1.
Der Burgwall auf Wustrow und das Gestüt zu Dierhagen.

Ich wende mich zunächst zu der Untersuchung des alten Gestüts zu Dierhagen und seiner Umgebung, da hier die Verhältnisse am einfachsten und klarsten vorliegen, und daher zugleich zur Erläuterung ähnlicher Erscheinungen wesentlich beitragen werden. Der Ort liegt bekanntlich in der Nähe von Ribnitz am Ufer des Binnensees hart an der Halbinsel Fischland und in der Nähe der großen Waldung, welche jetzt die Ribnitzer Haide genannt wird, und sich gegen Südwest an die noch bedeutendere Rostocker Haide unmittelbar anschließt, in ältern Zeiten aber sicher auch nordöstlich die Küste des Meeres bis an die genannte Halbinsel bedeckte, und sich zugleich südöstlich bis an den Binnensee bei Dierhagen aus=


1) Dahlmann, Gesch. von Dänemark, I, S. 377,
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 61 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dehnte, so daß sie die Halbinsel gegen das Festland vollständig abschloß. Alle auf diesem alten Waldboden liegenden Dörfer sind schon durch ihre Namen als spätere deutsche Colonien erkennbar. Die zwischen dem Meere und dem großen Ribnitzer Binnenwasser liegende sandige und unfruchtbare Insel aber ist von einem in mancher Beziehung eigenthümlichen Volksstamme bewohnt, der vielleicht wendischer Abstammung ist 1 ), und sich ausschließlich von Schifffahrt und Fischfang nährt. Der alte, ursprüngliche, wendische Name dieses eigenthümlichen Ländchens war nun bis in das 16. Jahrhundert hinein Swante Wostrow, d. h. heilige Insel, denn das böhmische swaty, (sprich swanty), ) polnisch swjety (swjenty) heißt heilig und ostrow, im wendischen Dialekte wostrow, eigentlich Spitze, bedeutet namentlich eine in das Wasser vorspringende Landspitze, Halbinsel, aber auch Insel. Dieser Name beweiset vollkommen, daß hier zur Zeit der Wenden ein altes heidnisches Heiligthum stand, wenngleich es uns an historischer Nachricht darüber fehlt, und in neuerer Zeit ist es denn auch den unermüdlichen Forschungen unsers Lisch auf dem Gebiete der meklenburgischen Alterthumskunde gelungen, die alte Tempel=Stätte überzeugend nachzuweisen 2 ). In einer weiten, tiefen Wiese am Ufer des Binnensees, dem jetzigen Hafen der Insel, liegt ein künstlich aufgetragener, großer und noch jetzt ziemlich hoher Wall, welcher seit Jahrhunderten die dem Heiligen Jodocus geweihte christliche Kirche trägt, die offenbar nach dem Siege des Christenthums die Stelle des zerstörten Tempels der heidnischen Gottheit vertritt. Auch Lisch zweifelt hieran nicht, obwohl er hervorhebt, daß der Wall ganz so gebauet sei, wie die übrigen Burgwälle des Landes, welche zum Schutze und zur Vertheidigung der Grenzen gegen feindliche Einfälle dienten. Ich muß aber schon hier darauf aufmerksam machen, daß die wendische Bevölkerung oder wenigstens die kampffähige Jugend sich in Kriegszeiten auch in die Tempel ihres Kriegsgottes Swantewit zurückzog, da auch diese fest genug waren, um eine förmliche Belagerung längere Zeit aushalten zu können, wie das Beispiel Arkonas beweiset, eine Bemerkung, welche für den Fortgang unserer Untersuchung von entscheidender Wichtigkeit ist. Der religiöse Charakter des Wustrower Walles tritt aber auch aus der daran haftenden Volkssage deutlich


1) Die hier herrschenden Familien=Namen waren, soweit wir Kenntniß von dem Ländchen haben, deutsch, aber großentheils verhältnismäßig junge Beinamen, wie Fretwurst, Brathering und ähnliche.
2) Jahrb. XXVII, S. 187.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 62 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hervor. Darnach war derselbe durch einen gewaltigen Riesen aufgeworfen, eine Arbeit, welche mit Hülfe eines wunderbaren Schimmels in einer einzigen Nacht vollendet ward. Das ist unverkennbar das heilige weiße Kriegsroß des Swantewit auf Rügen, das auch in Rethra im Namen des Gottes die Zukunft enthüllte, und zugleich in der deutschen Sage als Träger des Siegsgottes Wodan in dem scandinavischen Norden, wie auf dem germanischen Festlande eine so bedeutsame Rolle spielt. Der Tempel auf dem heiligen Wostrow war also dem Swantewit geheiligt!

Zur weitern Geschichte dieses Ländchens, das seit dem 16. Jahrhundert Fischland genannt wird, wogegen der alte Name an dem Hauptorte auf demselben, früher Kirchdorf, jetzt Wustrow, haften blieb, bemerke ich hier noch, daß dasselbe gleich zahlreichen andern Heiligthümern des Heidenthums schon in der frühesten Zeit an geistliche Stiftungen verliehen ward. Im J. 1275 bestätigte nämlich der Papst Gregor I. dem Kloster Dünamünde in Livland, das mehrfache Besitzungen in Meklenburg hatte, unter andern die Dörfer Bentwisch, Wustrow und Volkshagen im Amte Ribnitz und noch ein viertes Dorf, dessen auf - ne endigender Name uns durch eine Lücke in der Urkunde verloren gegangen ist 1 ). Wann dies Kloster in den Besitz dieser Dörfer gekommen, ist unbekannt. Es kann denselben aber auch nicht sehr lange bewahrt haben, da nirgends wieder die Rede davon ist, und Wustrow im Anfange des 14. Jahrhunderts sicher wieder eine landesherrliche Domäne war. Im Jahre 1313 war es an Reimar v. Preen verpfändet, im August dieses Jahres belehnte König Erich von Dänemark als damaliger Herr des Landes Rostock seinen Truchseß Nicolaus Olafsen mit dem Lande Zwante wostrowe, welcher dasselbe bald darauf an den bischöflich bremischen Ritter Martin v. der Hude veräußerte, den wir von 1323-28 fast in allen diese Gegend betreffenden Urkunden unter den Räthen des Fürsten Heinrich von Meklenburg, Statthalters des Königs in der Herrschaft Rostock finden, und dessen Söhne diese Besitzung am 12. Aug. 1328 eben diesem Fürsten für das neugestiftete Kloster zu Ribnitz aufließen, worauf dieser dieselbe dem letztern am 13. Dec. desselben Jahres förmlich überwies.


1) - - specialiter autem de Bentuwisk, de . . . . . ne, de Wostrowe, et de Indagyno (!) Volquini. M. U. B. 442. Es ist charakteristisch, daß der Papst das sonst nie fehlende "swante" vor Wostrowe wegläßt. Das Haupt der Christenheit konnte sich nicht entschließen, eine heidnische Götzenstätte für heilig zu erklären.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 63 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Damit war denn dies alte geistliche Gut der Kirche zurückgegeben.

Wenige Tage darauf, und offenbar im engsten Zusammenhange mit dieser Erwerbung, verlieh derselbe Fürst dem Kloster nun auch die Güter Dierhagen, mit dem dortigen Gestüte, von welchem der Ort selbst ganz augenscheinlich den Namen trägt, was um so mehr das hohe Alterthum dieser Anstalt beweiset, als man nicht zweifeln kann, daß der deutsche Name "Derhagen", - wie die alte niederdeutsche Form lautet, im 16. Jahrhundert durch Thierhagen verhochdeutscht, und später in Dierhagen übergehend, - nichts anderes ist, als die wörtliche Uebersetzung des wendischen Zwerin, Der Ort kommt zwar, - wenn die Lücke in der oben erwähnten Urkunde von 1235 nicht etwa durch das wendische [Zweri]ne zu ergänzen sein sollte, - erst im 14. Jahrhundert vor, woraus aber natürlich in keiner Weise die neuere Gründung desselben gefolgert werden darf, zumal im 13. Jahrhundert sich überhaupt sehr selten

Veranlassung fand, reine, d. h. ungetheilte, fürstliche Domänen zu nennen. Als der Ort aber zuerst genannt wird, bestand daselbst auch bereits das Gestüt, als eine damals fürstliche Anstalt. Am 8. Nov. 1324 verpfändete nämlich der Herr Heinrich zu Meklenburg mit Consens seiner Gemahlin Anna seinem Getreuen Johann Moltke, Sohn des Vicke Moltke, und der Frau Elisabeth, Wittwe des verstorbenen Vogtes Thomas zu Ribnitz, für eine Schuld der letztern von 400 Mark die beiden Dörfer Dierhagen mit dem dazu gehörigen Hofe und allen Aeckern, Wiesen und Weiden, wobei er die Pfandinhaber besonders verpflichtete, aus den Nutzungen dieser Güter die daselbst befindliche Stuterei fortzuführen und getreulich in Acht zu nehmen, wie er sich dessen zu ihnen versehe. Doch reservirte er sich und seiner Gemahlin und seinen Erben ausdrücklich alle Füllen, Hengste und Stuten des Gestüts, wogegen die Pfandinhaber, wenn sie dabei Schaden leiden sollten, sich der Gnade des Fürsten unterwarfen 1 ). - Schon am 22. Novbr. 1327 starb Hein=


1) - - dimittimus et iusto titulo pignoris obligamus ambas villas et curiam Derhaghen dictas cum agris, pratis et paseuis etc. - - - De bonis vero et prouentibus seu fructibus supra dictis debent Johannes Molteke et ipsa domina ac eorum heredes predicti equirream nostram stut dictam feruare et fouere fideliter, prout fiduciam gerimus in eisdem, poledros et omnes equos ac equas ipsius equirree nobis et vxori nostre nostrisque successoribus continue reseruando, et si ex hoc ad damnum incurrerint, super hoc gracie nostre se committunt. Nach dem Origin. im Kloster Ribnitz. Gedr. bei Rudloff Urk. Liefer. Nr. 115.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 64 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

richs Gemahlin, worauf er zu deren Gedächtniß das S. Claren=Kloster zu Ribnitz gründete. Zur Dotirung dieses seines Lieblingsstiftes vermittelte er, wie wir gesehen haben, am 13. Decbr. 1328 die Abtretung des Landes Wustrow, welcher Besitzung er am 28. desselben Monats auf den eignen Wunsch der verstorbenen Gemahlin seine gesammten Güter in dem angrenzenden Dierhagen unter der Bedingung der Einlösung derselben von den Pfandinhabern hinzufügte. Diese Güter bestanden jetzt nur noch aus einem Dorfe, indem das zweite seit dem Jahre 1324 niedergelegt und auf dessen Feldmark ein neuer Hof für das Gestüt erbauet war, welches letztere, oder wie der Fürst erläuternd hinzufügt, die dortige Heerde von Pferden, dem Kloster ausdrücklich mit überwiesen ward. Diese Bezeichnung der in dem Gestüte befindlichen Pferde als eine Heerde ist gewiß von besonderm Interesse, da sie eine Hinweisung auf die zu Eingang besprochene alte Züchtungsweise enthält. In eben dieser Beziehung dürfte auch hervorzuheben sein, daß diesmal auch die zu den verliehenen Gütern gehörigen Waldungen namentlich genannt werden. Endlich wird noch besonders hinzugefügt, daß das Kloster diese Güter zu Derhagen mit denselben Privilegien besitzen sollte, wie das Land Zwant Wostrow, auch nicht verpflichtet sei, für den Fürsten und seine Nachfolger die Pferde=Hude auf den Weiden des Gutes, wie Johannes von Moltke schuldig gewesen war, zu halten 1 ). Von einer Reservation der vorhandenen Pferde ist aber eben so wenig die Rede, und in der That scheinen die ehrwürdigen Jungfrauen des heiligen Clarissen=Ordens die Absicht gehabt zu haben, das Gestüt auf eigne Rechnung fortzusetzen, zu welchem Zwecke, wie es scheint, der Fürst bei der nochmaligen Bestätigung aller obgedachten Schenkungen am 12. Jan. 1329 dieselben noch durch Abtretung von 4 bewaldeten Hufen in dem zu der Ribnitzer Haide gehörigen Walde Müritz (in nemore Muryz) mit den daran


1) - - villam Derhaghen ac curiam loco alterius quondem ville similiter Deerhaghen dicte constructam eiusdemque curie equicium seu gregem equorum, stut wlgariter appellatum, cum vtriusque tam ville scilicet, quam curie agris, pratis, pascuis, nemoribus et pertinentiis etc, - - cum eadem libertate eidem (claustro) dimittimus, - - qua terram Zwant Wostrow noscitur possidere, ita, quod nec ad tenendum nobis vel nostris heredibus in pascuis curie ante dicte equicium seu gregem equorum stut appellatum - - sit adstrictum.
Nach dem Diplomatar, des Kl. Ribnitz. Gedr. bei Rudloff a. a. O. Nr. 128.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 65 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

liegenden Gras= und Moorflächen, mit der Weidegerechtigkeit bis zur Ostsee, und der Gerechtigkeit, daselbst einen Hof anzulegen, vermehrte. Diese Wald= und Weideflächen werden vermuthlich schon früher für das fürstliche Gestüt benutzt, und für dasselbe unentbehrlich gewesen sein. Nur 5 Tage nach Ausfertigung dieser letztern Urkunde, am 17. Jan. 1329, acht Tage vor seinem Tode erneuerte der Fürst endlich nochmals als letztes Vermächtniß wiederholt alle dem Kloster gemachten Schenkungen, namentlich das Land Wustrow, sowie Dorf und Hof Dierhagen mit dem dortigen Gestüte fast mit denselben Worten, wie in der vorhergehenden Urkunde, und die jetzt vermessenen und begrenzten 4 Hufen im Walde Muriz.

Diese urkundliche Geschichte des Landes Wustrow mit seinen Heiligthümern und des Gestütes zu Dierhagen scheint mir über die Zusammengehörigkeit beider nicht den geringsten Zweifel zu lassen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

2.
Der Burgwall von Bölkow und das Gestüt zu Pustekow.

Das Gestüt in dem ehemaligen Orte Pustekow, welches frühzeitig in der großen Feldmark Rosin bei Güstrow untergegangen ist, wird schon einige Jahre früher, als das zu Dierhagen, aber soviel bis jetzt bekannt ist, auch nur ein einziges Mal genannt. Bei der Landestheilung der Herren Johann I. und Johann II. nach dem Tode ihres beziehungsweise Bruders und Vaters Nicolaus IV. vom 2. Dec. 1316, wodurch die frühere Trennung der Herrschaft Werle in die Linien Parchim und Güstrow wieder hergestellt ward, einigte man sich unter andern dahin, daß das Dorf und der Hof Pustekow mit der Waldung Dewinkel bei dem Güstrowschen Antheile bleiben, die dortigen Gestütpferde aber getheilt werden sollten 1 ) Diese anscheinend so unbedeutende Notiz ist dennoch durch den Namen, die besondere Lage und die Umgebung des Ortes Pustekow für unsere Untersuchung von großer Wichtigkeit. Den Namen des Ortes leitet Cybulsky, Professor der slavischen Sprachen in Breslau, von dem slavischen Worte puszt, pusztka ab, welches Wüste, Wildniß bedeutet, und zwar sowohl Steppe, - daher die Ungarischen Pusten mit ihrer wilden Pferdezucht, - als wilde


1) Pustecowe, dorp vnde hof, vnde de Defwinkel scall licken vnde bliuen in deme dele tho Gustrowe, men de stutperde scole wy like dele. Original im Archiv. Gedr. bei Rudloff a. a. O. Nr. 98.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 66 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Waldung, eine Erklärung, welche mit der betreffenden Oertlichkeit vollkommen übereinstimmt. Schon in der Urkunde der Gebrüder Nicolaus und Heinrich, Herren zu Werle, vom 1. Jun. 1229 1 ), worin sie dem Kloster Michaelstein im Bisthum Halberstadt das mit Pustekow grenzende Dorf Rosin schenken, werden zu den uralten Pertinenzen dieses Dorfes gewisse Güter in einer Wildniß gerechnet (bona in solitudine ad villam Rosin antiquitus pertinentia), welche nach der hinzugefügten Grenzbeschreibung an dem großen Bisdeder See (magnum stagnum Bisdede) lag, worunter nur der heutige Rosiner oder Gutower See gemeint sein kann. Der zu Rosin gehörige Theil dieser großen Waldung, welche in Uebereinstimmung hiemit in einer Urkunde von 1233 2 ) gleichfalls die Bisdeder Wildniß genannt wird ( solitudo, que tati nomine Bisdede nuncupatur), ward demnächst vom Kloster urbar gemacht, und bildet die heutige Feldmark Mühlen=Rosin, als Pertinenz von Kirch=Rosin. Der Rest aber ist die schöne, dichte Laubwaldung, welche unter dem Namen des Hohen Holzes noch heute das südöstliche Ufer des Rosiner Sees bedeckt, und an welche sich der Dewinkel mit den Pustower Wiesen unmittelbar anschließt, in welchem wir oben das 1316 noch bestehende fürstliche Gestüt kennen gelernt haben.

In eben diesem See und der ihn begrenzenden Waldung hat nun Lisch im Jahre 1847 noch andere höchst werkwürdige Alterthümer entdeckt, die mit jener Stuterei unverkennbar im Zusammenhange stehen. Nahe an dem zur Feldmark Bölkow, welche westlich an Rosin grenzt, gehörigen Ufer des Sees liegt nämlich am Ende einer vorspringenden Landspitze in tiefem Sumpfe ein künstlich aufgeworfener, mächtiger Wall, mit einer hart am Rande stehenden, ringförmigen, 10 Fuß hohen Brustwehr, so daß der ganze Wall etwa 50 Fuß hoch ist, und 210 Schritt im Umfange mißt, der innere Raum des Ringwalles aber eine kesselförmige Vertiefung bildet. Etwa eine halbe Stunde von diesem Hauptwalle entfernt liegt dann in dem oben beschriebenen Walde in einem tiefen Erlenbruche, welches das Burgwalls= oder Burgwalds=Bruch genannt wird, eine zweite, viereckige, bei weitem niedrigere Umwallung, von 110 Schritt Durchmesser, neben einer gleichfalls künstlich erhöheten viereckigen Horst von 120 Schritt Durchmesser. Diese Horst, wie die


1) M. U. B. Nr. 369.
2) M. U. B. Nr. 411.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 67 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Umwallung selbst, sind am Rande mit alten Fliederbüschen dicht besetzt, weßhalb die letztere auch der Fliederwall genannt wird.

Ueber die Bedeutung der letzten Anlage wagt unser Berichterstatter Lisch keine Vermuthung. In dem hohen Ringwall dagegen glaubt er die in einem gefälschten Zusatze zu der Dotations=Urkunde des Bisthums Schwerin vom Jahre 1171 1 ) erwähnte Burg Bridder wieder zu erkennen, obwohl es ihm nicht entgegen ist, daß diese als die Gauburg des Landes Tribedne bezeichnet wird (castrum Bridder cum terra attinenti videlicet Tribedne vocata), welches von dem Lande Bisdede unterschieden wird. Aber auch hievon abgesehen, glaube ich nach der ganzen Schilderung dieser merkwürdigen Alterthümer zunächst an eine gottesdienstliche Bestimmung derselben denken zu müssen, da mir diese Ringwälle überhaupt zu der Anlage einer eigentlichen, bewohnten Burg des Landesfürsten nicht geeignet scheinen, anderer Seits aber auch die Tempelstätten, wie oben bemerkt ward, befestigt waren. Für diese Auffassung spricht ferner die in der That auffallende Aehnlichkeit der Localverhältnisse mit der Umgebung des Heiligthums auf Wustrow, so wie der Umstand, daß hier, wie dort die ganze Landschaft frühzeitig an geistliche Stiftungen verliehen ward, namentlich im Jahre 1226 das Dorf Bölkow (Belicowe), wozu der Burgwall gehört, und auf dessen großer Feldmark das Kirchdorf Badendiek erbauet ward, und die angrenzenden Dörfer Gantschow (Genitsowe) und Gutow an das Domstift zu Güstrow, und 1229 das an der andern Seite gleichfalls mit Bölkow grenzende Rosin mit einem Theile der Wildniß Pustekow an das Kloster Michaelstein.

Wichtiger aber scheinen mir die vielfachen Sagen, welche sich theils unmittelbar an den Burgwall knüpfen, theils in der nächsten Umgebung desselben sich mit großer Lebendigkeit im Munde des Volkes erhalten haben. Wie auf Wustrow schreibt nämlich die Sage auch hier die Gründung des Ringwalles den Riesen zu, wenn auch in anderer Weise. Ein Riesen=Mädchen, erzählt man in Bölkow, wollte einst zu unerlaubter Zeit, also an einem Festtage der Gottheit, Sand von den Seeufern holen. Schon hatte sie ihre Schürze damit gefüllt, da riß das Band, und der Inhalt der Schürze entleerte sich in den See. Das ist der Burgwall! Auch von einem hier stattgefundenen Kampfe zweier Riesen mittelst


1) M. U. B. Nr. 100, p. 96.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 68 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Steinwürfe weiß die Sage zu berichten, von welchem ein am Fuße des Walles liegender große Granitblock, vielleicht der alte herabgerollte Opferstein, und ein kleinerer tiefer im See noch heute Zeugniß ablegen. Ferner gehören hieher mehrere Sagen von Wodan und seinem wilden Heer, die als eigene Erlebnisse unter Versicherung der vollen Wahrheit erzählt werden, und den Gott noch heute als in dem Glauben des Volkes fortlebend erscheinen lassen. So begegnete ein Bauer aus Gantschow an einem Abende in den Zwölften der wilden Jagd, die kliff, klaff, kliff, klaff grade auf ihn zustürmt. Da ruft ihr Führer Wode (Wauer nach dem dort herrschenden breiten Dialekte) ihm zu: "holl den Mittelweg! denn don min Hunnen di nicks!" und damit brauset die ganze Jagd "als en grote Klugenball" über ihn hinweg, ohne ihn zu verletzen, da er dem Rathe gefolgt war. - Andere trafen ihn zuweilen Nachts auf der Grenzscheide zwischen Gantschow und Gerdshagen auf= und niedergehend, indem er rief: "Hier geit de Scheer! Hier geit de Scheer!" Es ist zu beachten, daß die Dorfgrenze zugleich die Grenze des Gebiets des Domcapitels, also vielleicht auch des alten Tempelgebietes ist. - Eine Büdnerfrau aus Gutow ging einst an einem finstern Abend in Begleitung eines Mädchens von Bölkow nach Rosin. Da begegnet ihr "wat Unsichtbares". Ihr Hund heult ängstlich, in einer nahen Koppel weidende Pferde rennen im Galopp in die Rosiner Hölzung, ihre Begleiterin aber wird plötzlich, wie vom Schwindel ergriffen ganz verwirrt, so daß sie fliehend, wie festgebannt vor einem kleinen Graben stehen bleibt, und nicht hinüber kommen kann. "Dat was ok de Wauer!" Diese Sagen haben in der hier mitgetheilten Gestalt allerdings rein germanischen Character. Aber es ist doch die Frage, ob die sächsischen Einwanderer hier nicht schon ähnliche wendische Sagen vorfanden, die sie gleichsam nur ins Deutsche übersetzten, was ich für durchaus wahrscheinlich halte. Jeden Falles kannten sie die Bedeutung des so sehr ins Auge fallenden hohen Walles in dem See und dessen Bestimmung zur Zeit der Wenden, weshalb es immer von Wichtigkeit ist, daß sie grade auf ihn ihre aus der Heimath mitgebrachten Erinnerungen an die untergegangene heidnische Götterwelt übertrugen, die nun, fest an eine bestimmte Oertlichkeit geknüpft, nach Verlauf von bald 6 Jahrhunderten bis zu dieser Stunde in ihren Enkeln lebendig geblieben sind 1 ).


1) Die obige Localbeschreibung ist fast ganz aus den Berichten von (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 69 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Kann es nun schon hiernach kaum noch zweifelhaft sein, daß wir den großen, mächtigen Ringwall im See als die eigentliche Tempelstätte des Gottes, und zwar gleich der in Zwante Wostrow, des höchsten Gottes der Wenden, Swantevit, zu betrachten haben, so ist die specielle Beziehung des nahen Haines mit seiner wilden Pferdezucht, namentlich aber die dort befindliche Fliederburg auf die slavische Götterwelt, noch bestimmter nachzuweisen, und giebt dadurch zugleich eine willkommne Bestätigung meiner Vermuthungen über die Bedeutung der Seeburg selbst. Miletius, Verfasser einer wichtigen Abhandlung über den Götzendienst der alten Preußen und der ihnen benachbarten Völker, nennt unter den Dämonen, welche von diesen Völkern göttlich verehrt wurden, namentlich auch den Putscaetus, welcher die heiligen Haine schütze 1 ). Es ist klar, daß dieser Name, welcher im Lithauischen Puskaytis lautete, aus derselben Wurzel, wie unser Pustekow, d. h. von dem slavischen pust, pustka abzuleiten ist. Von dem Wesen dieses untergeordneten Gottes wird dann weiterhin, nach wiederholter Bezeichnung desselben als Vorstehers der heiligen Bäume und Haine, noch bemerkt: man glaubte, daß er unter einem Fliederbaume wohne, weßhalb das Volk ihm Brod, Bier und andere Opferspeisen unter einem Fliederbaum niederlege, und ihn bitte, den Gott der Großen und Edlen, Marcopolus, besänftigen zu wollen, damit sie von ihren Herrn nicht noch durch schwerere Knechtschaft gedrückt werden möchten 2 ). Auch die eigentlichen Slaven opferten dem "Puschaitis", den sie als unterirdisch betrachteten, auf ähnliche Weise, und zwar Abends, aber mit großer Furcht und Zittern. Man dachte ihn in Zwerggestalt, weßhalb die spätern Wenden den Lieblingsaufenthalt der Zwerge (Unterirdische) überhaupt unter die Flie=


(  ...  ) Lisch Jahrb. XII, S. 4 ff., 24 ff, und 453, und Jahrb. XXVI, S. 60 entlehnt. - Die Wodanssagen habe ich schon in meinen "Erinnerungen etc. ". Jahrb. XX, S. 155 nach dem Berichte meines Sohnes mitgetheilt.
1) Miletius, epistola de idolatria veterum Prussorum, Samogitarum, Rutenorum et Livonum etc. Acta Borussor. T. II, p. 104: "Putscaetus (Pustcaetus?) deus, qui sacros lucos tuet". - Ich citire nach Westphal. Mon. Ined. IV, Praef. p. 236, da mir die Schrift des Miletius selbst nicht zugänglich ist.
2) Ex omnibus Sarmatiae gentibus supra nominatis multi adhuc singulari veneratione colunt Putscaetum, qui sacris arboribus et lucis praeest. Is sub arbore Sambuco domicilium suum habere creditur. Huic passim homines superstitiosi litaut pane, cerevisia aliisque cibis sub arbore sumbuco positis, precantes a Putscaeto, ut placatum efficiat Marcopolum, deum magnatum et nobilium, ne graviore servitute a dominis ipsi premantur. Miletius I. I.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 70 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

derbäume versetzt haben sollen, wo man z. B. in Krankheitsfällen ihre Hülfe durch sympathetische Mittel zu erwirken suchte. Hiernach ist klar, daß der Fliederwall bei Pustekow ein untergeordnetes Heiligthum des Puschaitis in dem Tempelhain der Hauptgottheit war, als deren vertrauter Diener und Wächter des Haines, - nur die heiligen Haine und Bäume, nicht die Wälder überhaupt, waren seinem Schutze anvertrauet - er zugleich den Vermittler zwischen dem Gotte selbst und dem niedern Volke machte, das jenem nicht unmittelbar nahen durfte. Der Name dieses Gottes der Großen und Edlen selbst, Marcopolus, ist in seinem ersten Theile unzweifelhaft von mor, mar: Tod, Pest, davon morly, todt, abzuleiten, wovon auch die Todesgöttin Morjana, Marzana ihren Namen hatte 1 ) In der zweiten Hälfte des Wortes scheint aber das slavische kopj: Speer zu stecken, so daß wir unter dem Markopol den Gott des Todesspeeres zu denken hätten, oder den Todespeer selbst als Symbol des Gottes, wie die Scyten und andere Völker in dem Osten Europas das aufgerichtete Schwert als Symbol des Mars verehrten. Wie das Wesen dieses Gottes, würde demnach auch sein Name wiederum lebhaft an den nordischen Othin erinnern, dessen zauberhafter Siegesspeer Gungnir den Tod in die Welt brachte, als der Gott ihn zum ersten Male zwischen die streitenden Männer schleuderte, und in der Schlacht den Sieg entscheidet, indem alle Sterbliche, über welche das furchtbare Geschoß hinwegfliegt, dem Tode geweihet sind. Eine entscheidende Bestätigung dieser Deutung glaube ich aber in dem bisher noch unerklärten Marcolfus zu finden, mit welchem Namen nach Grimm in einigen Gegenden Dänemarks der wilde Jäger, d. i. Othin, benannt wird: eine offenbare Entlehnung des preußischen Markopol von der im Norden oftgenannten, sagenreichen Ostküste 2 ).


1) Zu diesem mor, mar: Tod. gehört, beiläufig bemerkt, unzweifelhaft auch das Polnische mora, oder zmora, böhmisch mura, das deutsche Mar, Nachtmar, welches Wort Grimm sehr unglücklich zu Mar, (Mähre) Pferd zieht. Der Nachtmar wird nicht geritten, sondern reitet nach der einstimmigen Sage auf den Kranken und Sterbenben, und bewirkt dadurch dessen qualvolle Todesangst.
2) Vergl. im Allgemeinen Hanusch, die Wissenschaft des slavischen Mythus S. 228 - 230, dessen Ausführungen über diese Gottheit ich mir jedoch nicht anzueignen vermag. Er kennt die Hauptquelle, den Miletius, anscheinend nicht, und bemerkt über den Markopol überhaupt nur ein Mal beiläufig, daß Stryjkowsky (Kronika p. 156) ihn mit den Zwergen Perstucky (von perst: Finger, also unser Däumling) und dem Poklus, Gott der Unterwelt und der bösen fliegenden Dämonen, (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 71 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bei dieser überraschenden Uebereinstimmung des altpreußischen Gottesdienstes mit unsern Alterthümern am Rosiner See und den daran hangenden Sagen wird man, denke ich, den innigen Zusammenhang des heiligen Haines des Pustekat mit seiner Pferdezucht und des hohen Ringwalles im benachbarten See, und die Beziehung des letztern auf den slavischen Gottesdienst, namentlich den Kultus des Swantewit, nicht länger in Zweifel ziehen. Der Name Schwerin für diesen heiligen Hain findet sich hier dagegen nicht. Vielleicht ist er erst nach der Zerstörung des Heiligthums untergegangen, und hat der allgemeinern Bezeichnung desselben als Wildniß, heiliger Hain, ohne die auf die Hegung der Rosse des Gottes bezüglichen Nebensinne, weichen müssen. Es ist aber auch nicht behauptet, daß jeder heilige Hain, worin unter dem Schutze der Gottheit Pferdezucht getrieben ward, nothwendig den Namen Schwerin geführt haben müsse, sondern nur, daß dieser Name, wo er sich finde, auf solche Haine zu beziehen sei. Es war daher vor allen Dingen die wirkliche Existenz solcher Haine im Wendenlande festzustellen, und diesen Beweis wird man nunmehr hoffentlich als gelungen anerkennen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

3.
Die Burg Schwerin und der Hof Ostorf.

An der Hand der bisher gewonnenen Resultate gehe ich nunmehr schon etwas zuversichtlicher an die Untersuchung der


(  ...  ) zusammen nenne. Dagegen führt er, anscheinend nach Naruszewicz, histor. narodu polskiego, II. p. 98 und 38, an, daß eine Gattung von Zwergen die Markopety genannt werde. Diese Nachweisungen aus mir unzugänglichen Quellen sind auch für unsre Untersuchung nicht ohne Interesse. Wenn Hanusch aber den letztern Namen von markotny: verdrießlich, oder mar: Tod ableiten mögte, so wird mir wohl auch ohne Kenntniß der slavischen Sprache die Bemerkung erlaubt sein, daß es näher liege, den Namen dieser untergeordneten Dämonen, auf den offenbar auch etymologisch damit zusammenhangenden Namen, des Hauptes zurückzuführen, also etwa durch Angehörige, Diener des Marpol zu erklären, ein Verhältniß, in welchem auch nach nordischer und deutscher Sage die Zwerge zu Othin stehen. Zu diesen Markopety wird dann auch unser Pustkat zu rechnen sein, welchen Hanusch dagegen zu einer Hauptgottheit erhebt und dem Ariman vergleicht, indem er den Namen nicht direct durch das Stammwort pust, pustka, sondern durch das davon in dem Sinne: wüst, Wüste, abgeleitte Zeitwort pustoszic; verwüsten, erklärt. - Ueber die Beziehungen der Zwerge zu dem Flieder nach dem Glauben der Wenden im nördlichen Deutschland, vgl. A. Frencel, Comment, de diis Sorabor, c, 25 und Eckhard, Monum. Jutriboc.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 72 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

eigentlichen Schwerine Meklenburgs, d. h. derjenigen Oertlichkeiten, welche diesen alten wendischen Namen noch heute führen. Hoffentlich wird mir auch der Leser bereits mit günstigem Vorurtheile folgen, was ich in so weit auch in Anspruch nehmen muß, als die vorhandenen Nachrichten über jede einzelne dieser Oertlichkeiten für sich allein nicht hinreichen, um dadurch selbstständig meine Ansicht zu begründen. Man muß natürlich das Gesammtresultat zusammen greifen. Ganz an aller Bestätigung desselben wird es aber kaum in einem einzelnen Falle fehlen.

Die wichtigste unter diesen Oertlichkeiten ist die uralte Burg der Obotritenfürsten, noch jetzt der reizende Sitz unsers hohen Herrscherhauses, den wir daher vor allen einer nähern Betrachtung unterwerfen wollen. Fragen wir zunächst nach der ursprünglichen Lage dieses - ich setze voraus - heiligen Schwerins 1 ), wo einst die der Gottheit geweiheten Rosse weideten, so liegt es allerdings am nächsten, ihn dort zu suchen, wo später eben die nach ihm benannte Stadt erbauet worden ist. Wirklich scheint diese Oertlichkeit auch ganz dazu geeignet, da die eigentliche alte Stadt Schwerin mit Einschluß der später bebauten Neustadt Schelfe und des nördlich daran gränzenden Schelffeldes auf der Ostseite von dem großen Schweriner See, im Norden von dem kleinen Heidensee und dem denselben durchströmenden und den Großen See mit dem Ziegelsee verbindenden Bach, im Westen durch diesen letztern und den künstlich aufgestaueten Pfaffenteich, der früher ein breites durch einen Bach durchschnittenes Wiesenthal gebildet haben wird, im Süden endlich von dem Burgsee, einer tief in das Land einschneidenden Bucht des Großen Sees ringsum eingeschlossen, in der Vorzeit eine fruchtbare, weiden= und wiesenreiche und vermuthlich auf den Hügeln mit Buchwald bestandene Insel war, ein natürlicher Park, wie er zu dem angegebenen Zwecke nicht schöner gedacht werden kann. Dazu kommt, daß schon der Herzog Heinrich der Löwe nach der Gründung der deutschen Stadt Schwerin im Jahre 1160 und der Verlegung des Bisthums Meklenburg nach diesem neuen Grafensitze, in der Dotationsurkunde des Bisthums vom 9. September 1171, den ganzen nicht bebauten Theil des obenbezeichneten Gebietes, welches stets als eine Insel, oder viel=


1) In den lateinischen Urkunden des Mittelalters wird das Wort Zwerine, Zwerina stets weiblich gebraucht, wie es das slavische Zwirinica sc. obora fordert. Ich folge dem heutigen deutschen Sprachgebrauch, wonach es männlich ist.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 73 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mehr als drei neben einander liegende, durch tiefe Sümpfe getrennte Inseln, betrachtet ward, obgleich derselbe für die Entwickelung des bürgerlichen Verkehrs der neuen Gründung fast unentbehrlich scheinen mußte, nicht dieser, sondern den Tafelgütern des Bischofs zulegte, worin man eine Andeutung der religiösen Bedeutung dieser Insel im Heidenthum finden könnte 1 ). Allein grade diese nördlich von der Stadt gelegenen Abschnitte der Insel waren wegen der hohen und steilen Bergrücken und der dazwischen liegenden tiefen, noch spät unzugänglichen Sümpfe am wenigsten zur Pferdezucht geeignet, und haben auch niemals den Namen Schwerin geführt. Schon die Bullen der Päpste Urban III. von 1186, Clemens III. von 1189 und Cölestin III. von 1197 bezeichnen die erste Hälfte dieser bischöflichen Insel bis zu einem großen Sumpfe als die Scala, welcher sie die jenseits des Sumpfes liegende Insel entgegen setzen 2 ). Ebenso der Grenz= und Tausch=Vertrag zwischen Bischof Hermann und dem Grafen Helmold II. von Schwerin vom 6. Decbr. 1284 3 ). Ein gefälschtes Exemplar der Dotations=Urkunde des Herzogs Heinrich von 1171 unterscheidet dagegen die kleine und die große Scala, und setzt denselben einer noch nördlicher gelegenen Insel entgegen 4 ). Dieser Name Scala ist ohne


1) Meklenb. Urk. B. Nr. 100: insulam, Zwerin adiacentem, usque ad riuulum. Ebenso in den Bullen des Papstes Cölestin III. vom 4. October 1191 und der Konfirmation des Kaisers Otto IV. von 1211; Januar 4. Meklenb. Urk. B. Nr. 151 und 202. Unter diesem rivulus verstehe ich den heutigen Schiffgraben, welcher den Ziegelsee mit dem Heidensee und durch diesen mit dem Großen See verbindet.
2) Meklenb. Urk. B. Nr. 141, 149 und 162: usque in Scalam et ultra paludem eidem Scale proximam totam insulam. Dieser Sumpf ist nach meiner Ansicht die vom Ziegelsee zwischen dem Stephansberge und dem Schelf=Markte über den Ziegenmarkt bis zum Großen See reichende Niederung, welche noch auf Karten des 17. Jahrhunderts als magna palus bezeichnet wird.
3) Meklenb. Urk. B. Nr. 1766: tota Scala usque ad insulam episcopalem, - und später: Scala et tota insula.
4) Meklenb. Urk. B. Nr. 100 p. 97: insulam Zverin adiacentem, - - ipsam ciuitatem - - usque ad minorem Scalam, cujus medietatem ad areas fratrum deputamus, maiorem vero Scalam usque ad predictam insulam. Hier wird nach meiner Erklärung zum ersten Mal der schön bewaldete Schelfwerder, worauf der Bischof und das Capitel schon früher ein Holzungsrecht geübt haben mochten, mit in die Grenzen des bischöflichen Gebietes gezogen, und darin glaube ich den Hauptgrund der Fälschung zu erkennen. Vgl. die abweichenden Ansichten von Lisch Meklenb. Urk. III. S. 8 ff. und Wigger, Jahrb.XXVIII. 199 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 74 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Zweifel von dem slavischen skala, auch skalj: Fels (rupes) abzuleiten, und mogte sich ursprünglich nur auf den hohen und steilen Rücken des Stephansberges beziehen. Die eingewanderten Sachsen deuteten denselben aber auf ihr scilf, scelf, wovon die ganze Insel den Namen Schelfe, auch Schilfe erhielt, wofür sich später auch Schelm (schelmo) findet. Von einem slavischen Schwerin dagegen ist hier keine Spur zu finden.

Der südlichste, zunächst vor der Burg liegende Abschnitt des hier besprochenen Gebietes, also die heutige Altstadt, wird dagegen wirklich in der Bulle des Papstes Alexander III. vom März 1178 ein Mal als die Insel Schwerin bezeichnet, was aber anscheinend nur als die Insel, worauf die Stadt Schwerin liegt, zu erklären ist 1 ). Hier lag nun schon in hohem Alterthum ein bewohnter und befestigter Ort, welcher im Jahre 1018 zuerst genannt wird, als der Obotritenfürst Mistizlav daselbst eine auserlesene Mannschaft gegen die empörten Lutizier zusammenzog, nachdem er seine Familie durch die Flucht gerettet hatte 2 ). Vielleicht stand hier in der Nähe oder auf der Stelle des heutigen Domes auch schon unter seinem Vater Mistui vor der Empörung vom Jahre 983 eine christliche Kirche, da noch 1186 östlich oder nordöstlich von dem Dome an der Grenze der Schelfe eines alten Kirchhofs gedacht wird, der aus dieser Zeit stammen könnte. Freilich kann damit auch ein heidnischer Begräbnißplatz gemeint sein, aber auch in diesem Falle liegt darin eine Bestätigung, daß diese Gegend schon im hohen Alterthum bebauet war. Wenn daher das alte Heiligthum Schwerin gleichwohl ursprünglich auf der Nordseite der Burg, und des sie umgebenden Süd= oder Burgsees gelegen haben sollte, so mußte es wenigstens schon im Heidenthume verlegt worden sein.

Betrachten wir uns nun das südliche Ufer des Burgsees, wo jetzt der Hof und das wahrscheinlich wendische Fi=


1) Meklenb. Urk. B. Nr. 124: - - partem insule Zverin secundum distinctionem ipsius ducis, - - et aliam insulam -, wofür es an den entsprechenden Stellen der obenbesprochenen Bullen heißt: secundum distinctionem ipsius ducis partem ciuitatis Zwerinensis. Die Grenze dieses bischöflichen Antheils an der Altstadt Schwerin wird wahrscheinlich schon bei der Anweisung des Bauplatzes für den Dom in einer besondern, verloren gegangenen Urkunde festgestellt sein. Die Ermittelung derselben aber scheint mir immer noch ein ungelöstes Problem zu sein. Vgl. Jahrb. XXVIII, S. 301.
2) Thietmar VIII. 4: Liutici - - Mistizlavum seniorem - - uxorem suam et nurum effugare ac semet ipsum infra Zwarinae civitatis munitionem cum militibus electis colligere cogunt. Wigger Meklenb. Annal. p. 60.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 75 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

scherdorf Ostorf liegen. Hier ist die Oertlichkeit nicht minder günstig. Ein sanftes Hügelland, theilweise noch bei Menschengedenken mit Buchen= und Tannenwald bestanden, das sich nur auf einer Stelle zu einer ziemlich steilen, vielleicht künstlich erhöheten, kegelförmigen Spitze, dem sogenannten Weinberge hinter dem erwähnten Dorfe erhebt, im Westen und Norden von ausgedehnten Wiesenflächen eingefaßt, auf welchen noch jetzt zum Theil alte Eichen stehen, endlich durch den Schweriner und den Burgsee, sowie durch den nicht unbedeutenden Ostorfer= und den langen, aber schmalen Faulen=See, welche unter sich durch sumpfige Wasserläufe in Verbindung stehen, rund um zu einem natürlichen, inselartigen Gehege abgeschlossen, - das ist die alte Feldmark Ostorf, welche in älterer Zeit gegen Süden von See zu See durch eine ausgedehnte, später zu Gunsten des Hofes und der Stadt auf eine kurze Strecke ausgerodete Buchenwaldung unmittelbar begrenzt ward, und deren nördlicher Wiesensaum, der alten Burg gegenüber, mit dem dahinter liegenden Hügellande jetzt zu den großen Parkanlagen des Schloßgartens benutzt worden ist. Daran schließt sich gegen Osten ein langgestreckter Bergrücken zwischen dem Großen und dem Faulen=See, welcher gleichfalls zur alten Feldmark Ostorf gehört und seit alter Zeit der Ostorfer=Hals genannt wird. In einer noch näher zu besprechenden Urkunde von 1282 wird er als eine abgesonderte Nebeninsel (insula, que in vulgo Hals dicitur) betrachtet, obwohl er an einer Stelle hart an der Zippendorfer Grenze zwischen den nahe zusammen liegenden Quellen zweier kleiner Wasserläufe, die in ziemlich breiten Wiesenthälern von der hier etwas gesenkten Höhe, theils nach Nordost in den Großen See, theils nach Südwest in den Faulen=See hinabfließen, allerdings einen schmalen trockenen Ausgang hat. Wendische Ortsbezeichnungen finden sich auf dieser Feldmark nicht, außer der Krosnitz, d. i. Krähen=Ort, von krosna: Krähe, einem kleinen runden Ackerkamp in einer Wiese, hart am Ufer des Ostorfer Sees. Der Name des großen und des kleinen Krosk, zweier kleiner runder Teiche in der Wiese, neben der Kalkbrennerei am Großen See ist dagegen wohl das Deminutiv des niederdeutschen Kros: Krug.

Hier auf dieser eigenthümlichen Feldmark glaube ich nun den alten wendischen Schwerin wirklich gefunden zu haben, und zwar als heiligen Hain mit den Rossen des Gottes, wie uns der Name selbst verräth. Der Name Ostorf hat nämlich mit der Himmelsgegend nach dem Aufgang der Sonne nichts gemein. Der Ort liegt weder im Verhältniß zu

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 76 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Burg oder der Stadt im Osten, noch findet sich irgend eine Spur eines ihm entgegengesetzten Westdorfes, dessen Existenz nicht einmal möglich ist, da sich auf der ganzen Westseite der große Ostorfer See ausbreitet, in welchen sich unsre Feldmark als eine Halbinsel mit dem Hof und Dorfe tief hineinstreckt. Die alte Form des Namens ist vielmehr urkundlich Orsestorp. Die älteste Urkunde, worin des Ortes gedacht ward, ist diejenige des Grafen Helmold von Schwerin vom 8. December 1282, worin er der Stadt das Eigenthum der wahrscheinlich nicht lange zuvor erworbenen Dörfer Zippendorf, Göhren und Ostorf verleiht, und derselben, wie den genannten Dörfern, das Holzungsrecht in dem angränzenden Walde Bokholt einräumt, auch zugleich das Jurisdeductionsverhältniß zwischen dem gräflichen Vogte und dem Rathe der Stadt ordnet, wogegen er die ganze oben beschriebene Insel Hals, welche zu der Burg Schwerin gehörte, sich und seinen Nachfolgern vorbehält 1 ). Leider besitzen wir diese wichtige Urkunde nur in einer Abschrift aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, welche mehrfache Fehler hat. Hier lautet nun der Name des Ortes freilich Osestorp, eine Form, welche von dem modernen Ostorf schon weit genug abliegt, in welcher aber unbezweifelt noch ein Lesefehler statt Orsestorp steckt, indem der Schreiber, durch den Sprachgebrauch seiner Zeit verleitet, entweder das r hinter dem O ausfallen ließ, oder etwa auch nur das Verkürzungszeichen für die Silbe or, welches zu Anfang des Wortes auch statt des einfachen r über das anlautende O gesetzt zu werden pflegt, übersah. - Dies ist aber nicht etwa eine willkürliche Conjectur, sondern beruht auf der Vergleichung mit der Namensform in der nächst folgenden Original=Urkunde. Die Stadt Schwerin war nämlich nicht lange im Besitze dieser Feldmark, deren frühere, unmittelbare Zugehörigkeit zu der Burg aus der Reservation der Insel Hals für die Burg deutlich her=


1) Ob hoc igitur eisdem (consulibus ciuitatis nostre Zverin) et eorum successoribus graciam volentes facere specialem, proprietatem villarum Zippucendorp, Gorne et Osestorp - - in suis terminis et disterminacionibus, quemadmodum hactenus libere possederunt, terris cultis et incultis, agris, pratis, nemoribus, pascuis, aquis et aquarum decursibus dicte ciuitati contulimus. - - Ville vero nemori, quod Bocholt vulgariter appellatur, sepedicte ciuitatis circumquaque adiacentes nihil in eodem iurisdictionis in lignis et pascuis obtinebunt, - - exemptis tamen villis ciuitatis superius recitatis. Insulam vero, que vulgo Hals dicitur, castro nostro adiacentem nobis et nostris heredibus et successoribus integram ascribimus. Meklenb. Urk. Nr. 1650.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 77 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vorgeht. Sie wird denn auch bald nach der Zeit von 1282, wahrscheinlich tauschweise gegen andere, der Stadt bequemer gelegene Ländereien auf der Westseite, in dies ursprüngliche Verhältniß zurückgekehrt sein, wenigstens finden wir sie um die Mitte des 14. Jahrhunderts wieder in dem unmittelbaren Besitze der Grafen. In der Zwischenzeit war aber bereits ein Hof auf derselben angelegt, der das ganze Mittelalter hindurch als der eigentliche sogenannte Bauhof der fürstlichen Burg benutzt ward, während auch die Fischer des Dorfes zu allerlei Burgdiensten verpflichtet waren, z. B. zum Brauen und Schlachten, zum Freihalten des Wassers vom Eise rund um die Burg u. s. w. Dieser Hof wird nun in einer Urkunde vom Marien=Himmelfahrtstage des Jahres 1357, in welcher der Graf Nicolaus von Schwerin denselben an Volrath v. Tzule und dessen Bruder Schele Detlev v. Tzule mit dem See und der Neuen Mühle vor Schwerin und 3 Last (?) Heringe für 1050 Mark lüb. Pfennige verpfändete, klar und deutlich Orstorf genannt 1 ), wogegen sich im 15. Jahrhundert die heutige, sinnentstellende Form des Namens bereits festgestellt hatte.

Der hiernach urkundlich sichere alte Name unsers Dorfes Orsestorp, contrahirt Orstorp, von dem Niederdeutschen Ors, engl. Hors, d. h. Roß, Pferd, besonders das große, starke Ritterpferd, ist nun offenbar gleich dem besprochenen Derhagen bei Swante Wustrow eine deutsche Uebersetzung des wendischen Schwerin, dies Mal aber zugleich mit der bestimmten Hinweisung auf die Bestimmung dieser Anlagen und namentlich auf das hier gehegte Thier, wodurch die in diesem Falle fehlende historische Nachricht über das Bestehen einer Stuterei in dem hiesigen Schwerin glücklich ergänzt wird.

Und die zu dem heiligen Haine gehörige Tempelstätte des heidnischen Gottes selbst? Wer sich dafür entscheidet, die ursprüngliche Lage des Haines nördlich von der Burg zu suchen, könnte vielleicht geneigt sein, das Hauptheiligthum nach der Schelfe zu verlegen und namentlich auf der isolirten, von Wiesen eingeschlossenen, länglich runden Höhe am Ufer des großen Sees, und ganz in der Nähe des von tiefen Sümpfen umgebenen Heidensees, auf welcher jetzt der Judenkirchhof liegt, zu vermuthen. Bei näherer Untersuchung


1) - Den Hof to Orstorpe mit deme zee vnde [der] nygen molne vor Zwerin, vnde dre leste haringhes, dese lygghen to den dorpen by dem zee to Zwerin. - - Nach dem Original auf Pergament, wovon das Siegel abgerissen ist, im Archive zu Schwerin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 78 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

erscheint diese allerdings auffallende Oertlichkeit jedoch durchaus als ein natürlicher Hügel, ohne jede Spur von Kunst. Auch ist der Umfang desselben für den angegebenen Zweck nicht bedeutend, und seine Lage nicht fest genug, da die ihn umgebenden Wiesen nur auf der Nordseite nach dem Heidensee hin, von wo ohnehin kein Angriff möglich ist, tief und breit genug sind, gegen Westen hin aber nur einen schmalen Streifen bilden, der gegen Süden von der Stadt her jetzt zugeschüttet ist, und den Eingang bildet. Endlich sind hier auch, so viel bekannt, niemals Alterthümer gefunden worden, welche den Ort als eine frühere menschliche Verkehrsstätte kennzeichnen könnten. Was aber den benachbarten Heidensee betrifft, dessen Name auf eine besondere religiöse Bestimmung im Heidenthum hinzuweisen scheint, so wird diese Vermuthung durch den Umstand mindestens sehr geschwächt, daß die dem See nahe liegende Höhe am Ziegelsee der Heideberg heißt, was auch für den Namen des Sees die ursprüngliche Form Heid= oder Heide=See vermuthen läßt.

Diese Idee wird also aufzugeben sein. Dagegen zweifle ich nicht, daß die alte Tempelstätte auf der Burg selbst zu suchen sei. Dieselbe liegt bekanntlich auf einer Insel am Eingange zu dem jetzt nach ihr benannten Burgsee, früher Südsee, zwischen der Stadt und der jetzt als der eigentliche, alte Schwerin nachgewiesenen Feldmark Ostorf, welcher eigentlich nur als eine tiefe und sich landwärts erweiternde Bucht des Großen Sees zu betrachten ist. Die Untersuchungen bei dem letzten umfassenden Durchbau des Schlosses haben vollständig bewiesen, daß diese Insel auf ursprünglichem Moorboden aufgeschüttet ist. Ihre Lage ist aber um so fester und sicherer gegen jeden feindlichen Angriff, als das Ufer des Sees hier zu beiden Seiten der Burg im Alterthume gleichfalls tiefer Moorgrund war, und nur auf künstlichem Pfahlbau überschritten werden konnte. Die älteste Aufschüttung war zwar nicht sehr hoch, doch ist nicht zu übersehen, daß die ursprüngliche Umwallung höchst wahrscheinlich von geringerem Umfange war, als die spätere, und deshalb bei den neueren Bauten aus der Grafenzeit abgetragen und auseinandergeworfen werden mußte, um an Raum zu gewinnen. Die hier zum Theil tief unter den Fundamenten des ältesten Theils der Burg gefundenen Alterthümer, Gefäßscherben und Waffen von Stein und Metall, aus allen Perioden der geheimnißvollen Vorgeschichte unsrer Küstenländer, sind denn auch ein sicherer Beweis, daß dieser für die damaligen Angriffsmittel in der That unzugängliche Punkt schon in der

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 79 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Urzeit zu künstlichen Bauten benutzt worden ist 1 ). Für diese früheste Zeit darf man aber gewiß voraussetzen, daß die mit Aufwand aller Kräfte ausgeführten Werke zum Schutze und Sicherheit des Volkes nicht dem Privatgebrauche eines Einzelnen, sei es auch des Fürsten, übergeben, sondern der Gottheit geweiht wurden, mit andern Worten, daß diese Werke National=Heiligthümer waren, zu welchen das Volk sich zur Zeit der Noth und Gefahr unter den Schutz der Gottheit flüchtete, wie dies noch in der spätern Wendenzeit an mehreren Beispielen als sichere historische Thatsache nachzuweisen ist. Diese Verhältnisse werden fortgedauert haben bis zu dem vollständigen Siege des Christenthums unter der Regierung Mistuis, wo mit den übrigen Götzentempeln des Obotritenlandes natürlich auch der hiesige zerstört ward. Auch scheint er nach den erfolgreichen Aufstand der Wenden im Jahre 983 nicht wieder hergestellt, sondern sein Inselwall nur als Stützpunkt der erweiterten Befestigungswerke um die inzwischen auf der Nordseite erstandene wendische Stadt (infra munitionem civitatis Zwarinae) benutzt worden zu sein, in welchen Mistizlav 1018, wie wir gesehen haben, die ihm treu gebliebene Schaar zum letzten unglücklichen Kampfe gegen die Lutizier sammelte, während auf der Südseite der heilige Hain mit seinem nunmehr säcularisirten Gestüte noch fortbestehen und der von der Gottheit verlassenen Burg den Namen geben mogte. Seitdem erfahren wir nichts wieder, weder von der Tempelburg, noch von der Stadt oder dem Haine, bis Fürst Niclot 1160 sich zu dem letzten Verzweiflungskampfe gegen den gefürchteten und siegreichen Sachsenherzog rüstend neben Ilow, Meklenburg und Dobin auch die Burg Schwerin den Flammen preis gab, um sich hinter die Warnow zurückzuziehen. Dort fand er bekanntlich den Heldentod, worauf auf den Trümmern des alten heidnischen Tempels und obotritischen Fürstenburg das neue Residenzschloß der sächsischen Grafen als Wart= und Schutzburg der jungen christlichen Pflanzung erbauet ward.

Diese Ansicht findet auch hier, wiederum wie bei Wustrow und Pustekow, ihre Bestätigung in der Volkssage. Vor allen Dingen ist in dieser Beziehung an den im ganzen Lande bekannten Burggeist selbst zu erinnern, eine sehr interessante Erscheinung, die wir nothwendig näher betrachten müssen.


1) Jahrb. XV. 160.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 80 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Das Alter dieser Sage ist zwar urkundlich nur bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts zurückzuführen 1 ) und nach Erzählungen der Bauern in dem Kirchspiel Pinnow soll unser Petermännchen sogar in älterer Zeit in dem Petersberge, einem hohen, ziemlich isolirten Hügel in der Nähe des Pfarrdorfes, gewohnt haben, und erst später nach dem Schweriner Schlosse übergesiedelt sein. Allein diese Erzählung ist offenbar nichts andres, als ein vermuthlich junger Versuch zur Erklärung des Namens unsers Burggeistes, wozu die ohne Zweifel ächten, ältern Zwergsagen jener Gegend Veranlassung gegeben haben mögen. Wäre die ursprüngliche Identität des Petermännchen mit dem offenbar verwandten Puk des Franziskaner=Klosters am Burgsee, dem Schlosse schräg gegenüber, zu erweisen, so wäre damit zugleich ein viel höheres Alter der Sage nachgewiesen. Die Geschichte des Puk wird nämlich schon in einer Handschrift mitgetheilt welche der protestantische Prediger Simon Pauly (1559-1560) in einem Klosterschrein gefunden haben soll und deren Verfasser sich auf die alten Register des Klosters und die Erzählung der ältesten Mönche beruft. Er selbst scheint aber nicht zu den Mönchen zu gehören, von denen er stets in der dritten Person spricht, und seine ganze Darstellung der Sage verräth unverkennbar protestantischen Einfluß und die Tendenz, das Mönchswesen herab zu setzen. Die Handschrift wird daher in die erste Zeit der Reformation gehören. Nach diesem Berichte hatte der Puk, der wiederholt als unsauber und unheilbringend, ja als teuflisch bezeichnet wird, früher sein Wesen auf dem v. Halberstädtschen Ritterhofe Brütz getrieben, und namentlich einem Guardian des Klosters trotz seiner hohen geistlichen Würde bei einem nächtlichen Besuche in Brütz arg mitgespielt, bis dieser versprach, ihn für das Kloster in Dienst zu nehmen. Wirklich folgte der Geist seinem neuen Herrn am nächsten Morgen, wo er demselben in Gestalt eines Affen erschien, andern aber unsichtbar blieb, nach Schwerin, und ward hier förmlich als Haus= und Küchenknecht angestellt. Dies Amt verwaltete er 30 Jahre hindurch bis zu dem plötzlichen Tode eines Domherrn, worauf er ungestüm den ihm als Lohn seiner Dienste verheißenen bunten, mit Glocken besetzten Rock verlangte, und nach Empfang desselben unter lautem Geläute der Schellen über dem Kloster empor stieg, zu seinem Andenken aber eine kupferne Bierkanne zurückließ, die noch zur Zeit des Verfassers gezeigt und vom Volke nach seinem


1) Jahrb. V. S. 58 - 60. (Protok von 1748).
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 81 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

frühern Besitzer der Puk genannt ward. - So weit nimmt diese Spukgeschichte kein besonderes Interesse in Anspruch. Einen ganz andern Karakter aber entwickelte unser Geist bei dem Wiederaufbau des durch eine Feuersbrunst, wie unser Berichterstatter angiebt, zerstörten Klosters, wo er allein in einer einzigen Nacht das zum Bau erforderliche Holz fällte, und mit einem Male, durch die Luft nach der Baustätt trug. Hier erscheint der affenähnliche Küchenknecht der Mönche plötzlich als Riese, der namentlich lebhaft an den tempelbauenden Riesen der heiligen Wustrow mit dem Schimmel Svantevits erinnert, so daß es schwer wird, an die Identität beider Erscheinungen zu glauben. Höchst wahrscheinlich sind vielmehr in dieser Erzählung zwei ursprünglich ganz verschiedene Sagen mit einander verbunden, von welchen die letztere, die Riesensage, nicht auf eine spätere Wiederherstellung, sondern auf den ersten Bau des Klosters im Anfang des 13. Jahrhunderts zu beziehen sein wird. Gewiß ist wenigstens, daß diese Sage nicht erst nach dem großen Brande der Stadt Schwerin im Jahre 1552, von welchem auch das Kloster ergriffen zu sein scheint, erfunden sein kann, wie gleichwohl vermuthet ist, denn damals ward das Kloster selbstverständlich nicht wieder aufgebauet. Schon der Kanzler v. Westphalen, der die besprochene Handschrift zuerst publicirte, setzt den Ursprung der Sage in das Jahr 1222, und bezieht sie also auf die erste Erhebung des Klosters (1222 -.1234). Zu seiner Zeit (also vor der Publication der Handschrift) war dieselbe allgemein im Munde des Volkes, und haftete namentlich an dem damals noch stehenden Theile des Klosters, welchen die Justizcanzlei inne hatte, nach dessen Abbruch sie auf den, aus dem alten Bauholze des Klosters errichteten, fürstlichen Kornboden welcher erst bei Menschengedenken abgebrochen ist, übertragen ward 1 ).

Mit bei weitem größerer Achtung und Liebe, als jenen Puk in seiner gewöhnlichen Erscheinung, als Küchenknecht der Mönche, hat die Sage stets den schon erwähnten Burgeist behandelt.

Er ist durchaus kein gewöhnlicher Kobold, wie er auf Bauerhöfen und in Bürgerhäusern sein Wesen treibt, sondern einer jener Elfen und Zwerge höherer Ordnung, in welchen die ursprüngliche Verwandtschaft mit den obern Göttern,


1) Westphalen, Specimen Monumentor. Mecklenb., ed 1726 p. 156 sqq.: "Veridica relatio de servo quodam de Puck" etc. - und Mon. Jned. IV. Praefat. p. 232 ad Tab. K. Nr. 49.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 82 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

oder wenigstens eine nähere oder vertraulichere Stellung zu denselben noch deutlich hervortritt 1 ). Am nächsten steht ihm der sächsische Hödeke auf der uralten Stammburg der Grafen von Winzenburg, die in dem frühern Heidenthum eine religiöse Bestimmung gehabt haben mag. Das nahe Verhältniß dieses Urbildes aller sächsischen Burggeister zu Wodan selbst tritt trotz seiner Zwerggestalt schon in der äußern Erscheinung hervor, und auch darin gleicht ihm sein Schweriner Ebenbild. Wie jener erscheint auch dieser mit einem vor Alter tiefgefurchten, aber nicht abschreckenden Antlitz, langem, weißem Barte und grauen Locken unter dem breitkrempigen Hute, den Mantel über die Schultern geworfen und mit Reiterstiefeln bekleidet; doch ist die Farbe des Mantels nach den ältesten Berichten nicht grau, wie der des Hödeke, sondern schwarz, nach andern jedoch auch weiß, je nachdem Trauer oder Freude in der Burg herrscht, und statt des Hutes sahen ihn andere in einer Kappe (Kalotgen), worin Grimm die alte unsichtbar machende Tarn=Kappe zu erkennen glaubt. Ebenso haben beide die Gabe der Weissagung gemein, und verkünden dem Burgherrn und dessen Familie sowohl frohe Ereignisse, als Unglücksfälle, vorzugsweise jedoch letztere, namentlich Tod und kriegerisches Unheil. Ihrem Wesen nach aber sind beide Hüter und Wächter ihrer Burg. Unser Schweriner Burggeist übt das Amt gegen jeden rechtmäßigen Inhaber und Bewohner derselben mit Freundlichkeit, fremden Eindringlingen und unwillkommenen Gästen aber ist er ein wahrer Quälgeist, indem er ihnen durch Poltern und Neckereien die nächtliche Ruhe stört, bis sie den Aufenthalt verlaufen. Auch beobachtet und prüft er die Dienerschaft der Burg und straft die Treulosen. Vorzugsweise steht die fürstliche Silberkammer unter seiner Aufsicht und seinem Schutze. Außer diesem irdischen Amte hat er aber auch noch andere, höhere, geheimnißvolle Pflichten zu erfüllen, und diese sind es, die ihn vor allen ähnlichen Hausgeistern der deutschen Sage auszeichnen, und seine ursprüngliche, vertrauliche Stellung zu der heidnischen Götterwelt unmittelbar und deutlich hervortreten lassen; er ist nicht nur Wächter der Silberkammer des irdischen Burgherrn, ihm ist auch zugleich die unterirdische Schatz= und Waffenkammer des Gottes anvertraut. Dies erfuhr einst ein Soldat der Schloßwache, den der Burggeist, nachdem er ihn geprüft und treu befunden hatte, um eine Dienstleistung bat. Muthig folgte ihm der Jüngling durch lange


1) Grimm deutsche Mythol. S. 294 (1. Ausg.)
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 83 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dunkle Gänge zu einem geräumigen, mit räthselhaften Zeichen geschmückten, und durch eine Lampe erhellten Zimmer, in dessen Mitte ein langer schwarzer Tisch stand. Der Geist nahm ein altes, verrostetes Schwert von dem Tische, und bat den jungen Krieger, dasselbe blank zu putzen, wie seine eigenen Waffen. Bereitwillig geht dieser an die Arbeit, die unter seinen geübten Händen rasch vorwärts geht, da kracht plötzlich ein furchtbarer Donnerschlag durch die unterirdischen Hallen, daß er betäubt zu Boden sinkt. Als er erwacht, findet er sich auf dem Schloßhofe wieder, aber ein schwerer Goldbarren in seiner Tasche, der Lohn seiner Arbeit, überzeugt ihn, daß er nicht geträumt hat.

In dieser letzten Sage überragt unser Burggeist seinen sächsischen Collegen bedeutend. Die reiche Belohnung des ihm geleisteten Dienstes durch Goldklumpen gemahnt lebhaft an die deutsche Frau Holla und Frau Woden, das verrostete Schwert aber, das der treue Schildknappe so gerne wieder blank hätte, weiset, wie mir scheint, unmittelbar auf sein Verhältniß zu der durch das Christenthum besiegten heidnischen Gottheit hin, deren Tempel einst auf dieser Burgstätte stand, und stellt ihn plötzlich dem slavischen Markopeten Pustekat des Bisdeder Heiligthums ebenbürtig an die Seite. Wie jener als vertrauter Diener des Gottes den heiligen Hain überwachte, so war unserm Petermännchen die Bewachung der Tempelburg selbst anvertraut 1 ).

Zu dieser Auffassung des Schweriner Burggeistes stimmen endlich die Sagen der umliegenden Dörfer vollkommen. Auch hier, namentlich in Ostorf und der nächsten Nachbarschaft,


1) Vgl. über diese Sage: Chr. Dehn, meklenb. Volksbibliothek 1844 I. 2. S. 3 - 8. Die bei Dehn zuerst nach dem Berichte eines alten Feuerwärters mitgetheilte Sage über die unterirdische Schatz= und Rüstkammer kann ich nach der Erzählung eines alten zuverlässigen Bewohners von Ostorf in allen Einzelheiten bestätigen. Die Erzählung Studemunds, Meklenburgische Sagen, 2. Aufl. 1848. S. 208 ff., worin Petermännchen als ein verzauberter, obotritischer Prinz erscheint, kann dagegen nur zur Warnung vor einer solchen "Bearbeitung" meklenburgischer Sagen dienen. Der rothe Hochzeitsfrack, den selbst Dehn dem Geiste giebt, ist eine moderne Erfindung, die den offenbar alterthümlichern und ächten weißen Mantel, von welchem mein Ostorfer Gewährsmann ausschließlich gehört zu haben versicherte, fast verdrängt hat. - Ueber die slavischen Zwergsagen, vgl. Hanusch a. a. O. S. 123 und 326. Der Name Petermännchen kommt in den deutschen Zwerg= und Hausgeister=Sagen nicht vor und ist überhaupt in dieser Verbindung auffallend. Wenn in dem slavischen Markopety der Ton auf dem è ruhen sollte, so würde ich es nicht für unmöglich halten, daß unser Peter aus dem - pety entstanden wäre.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 84 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

weiß man viel zu erzählen von den Zügen des wilden Jägers Wod, und zwar nicht bloß von seinem Einzuge im Herbste und seinem Umzuge während des 12tägigen Julfestes zur Zeit der Wintersonnenwende, wie in andern Gegenden, sondern auch von dem Auszuge zur Frühlingszeit, namentlich in der Mainacht, wann auch die Hexen und der ganze Winterspuk nach dem Blocksberge ziehen. In dieser Nacht hörte z. B. einst ein Bauer in Wüstmark die wilde Jagd über das Dorf hinziehen, und erlaubte sich in unbesonnenem Uebermuth einen spottenden Zuruf. Da kam ein Pferdefuß durch das Fenster geflogen und warf ihn zu Boden. - Auch auf der Schelfe umreitet der alte heidnische Gott in der Neujahrsnacht drei Mal die Kirche auf weißem Schimmel, wenngleich in der Verkappung des heiligen Nicolaus. Auf der Stelle dieser protestantischen Kirche stand nämlich im Alterthum die schon vor 1211 erbauete Kapelle dieses Heiligen, welcher in deutschen Sagen häufig die Stelle Wodans vertritt, z. B. um Weihnacht als Kinder scheuchender Ruhklas. Nach allem diesen scheint es denn nicht mehr zweifelhaft, daß auch der hiesige Burgtempel dem, dem deutschen Kriegsgotte entsprechenden Swantewit Arkonas geweihet war, welcher hier vermuthlich unter dem Namen Radegast verehrt sein wird, da Helmold diesen ausdrücklich als den höchsten Gott der Obotriten nennt.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

4.
Schwerin am Plauer - See und der Werder.

Dies Kirchdorf Alt=Schwerin, wie dasselbe seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gewöhnlich genannt wird, im ritterschaftlichen Amte Plau, gehörte schon in den ältesten Zeiten zu dieser Vogtei, d. h. zur Herrschaft Warnow und ward nur eine kurze Zeit hindurch in Folge seiner kirchlichen Verbindung mit dem Kloster Malchow zur Vogtei Malchow in der Herrschaft Moritz gerechnet Die große, langgestreckte Feldmark dieses Dorfes ist, ähnlich wie die Feldmark Ostorf, fast ringsum durch Gewässer abgeschlossen. An der schmalen Seite gegen Süden und Südwesten ist dieselbe durch den großen Plauer See begrenzt, gegen Osten und an der ziemlich spitz zulaufenden Nordseite aber durch den langen, aber schmäleren Schweriner See, aus welchem ein Bach durch ein breites Wiesenthal zum Plauer See abfließt und die Grenze gegen die Sparower und die Malchower Feldmark bildet,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 85 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

jedoch so, daß die ganze Wiese und das Vorland am Plauer See bis zur Feldmark Bistorf hin noch zu Schwerin gehört. Ebenso bildet der viel kleinere, schmale Samoter oder Smoter See, nach einem untergegangenen, jetzt zur Feldmark Karow gehörigen Orte Zarmoth an der Nordspitze desselben alsogenannt, welcher gleichfalls durch einen Bach mit sumpfigen Ufern mit der Karower Blänke, einer Bucht des Plauer Sees, verbunden ist, die natürliche Grenze unsrer Feldmark. Nur im Nordwesten auf einer kleinen Strecke zwischen dem Samoter Kruge am Nordende des gleichnamigen Sees und dem Ortkruge an einer breiten, weit nach Westen übergreifenden Bucht des Schweriner Sees liegt die Feldmark offen gegen die großen Karower Tannenwaldungen. Dieser nördlichste Theil der heutigen Feldmark Schwerin gehörte aber früher zu einem besondern Dorfe Treye, vermuthlich an der Stelle des obengenannten Ortkrugs gelegen 1 ), dessen Feldmark durch den kleinen, zwischen dem Samoter und dem Schweriner See liegenden Dreier See, welcher nach Osten hin in den letztern abfließt, von der eigentlichen Feldmark Schwerin abgegrenzt zu sein scheint, so daß die offne Seite der letztern gegen die Karower Waldung noch mehr auf die nur einige Ruthen betragende Strecke vom Samoter bis zum Dreier See eingeengt wird.

Das Dorf und der alte Ritterhof Schwerin liegt nicht unmittelbar am Plauer See, sondern auf der schmalsten Stelle der Feldmark zwischen der nördlichsten Bucht des Plauer und der südlichsten Spitze des Schweriner Sees, an einem höchst eigenthümlichen, herzförmigen kleinen See, welcher jetzt der Tauchersee genannt wird, auf ältern Karten aber der Tauchow heißt, und mit der Südspitze das Ufer des Plauer Sees fast berührt, aber doch durch eine nicht unbedeutende Höhe, welche ihn fast auf allen Seiten einschließt, davon getrennt wird. Nur auf der kürzern Nordseite dieses Sees breitet sich eine kleine, tiefliegende und zum Theil sumpfige Ebene aus, in welcher das Dorf aufgebauet ist. Hinter dem Dorfe, etwa 2 Ruthen von dem Ufer des Sees entfernt, erhebt sich auf einer ringsum von Wiesen eingeschlossenen festen Horst, ein kreisrunder, 20 bis 25 Fuß hoher Hügel, welcher jetzt oben geebnet ist, und auf einer Fläche


1) Das Dorf wird nur ein Mal, im Jahre 1289, genannt, und war schon im 15. Jahrhundert wüst geworden. Im 16. Jahrh. war das "Feld zu Treyge, Tregen, Trehen und Drehn", ein Mal auch Drewser=Feld" den Bauern zu Schwerin in Heuer beigelegt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 86 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

von 3 1/2 Ruthen im Durchmesser einen Pavillon trägt, zu welchen in Schneckenwindungen ein mit alten Ulmen besetzter Weg hinauf führt. Nach dem Alter dieser Bäume wird die ganze künstliche, jetzt in den Hofgarten gezogene Anlage vor etwa 120 Jahren entstanden sein, und seit dieser Zeit wird diese Höhe auch den Namen Parnaß=Berg führen, welcher schon auf der ungefähr aus derselben Zeit stammenden großen Karte des Ingenieurs Wibeking verzeichnet ist. Der Hügel an sich ist aber ohne Zweifel älter, und vielleicht eine heidnische Grabstätte, da er zu einem ursprünglichen Burgwalle doch nicht ganz geeignet erscheint. Der nahe dabei gelegene Hof selbst war früher im Halbkreise von einem etwa 2 Ruthen breiten, jetzt zugeschütteten und nur an der muldenförmigen Vertiefung erkennbaren Wallgraben eingeschlossen, über welchen eine von alten Leuten noch gekannte Zugbrücke führte, und dessen beide Enden in den Tauchow ausliefen. Dies scheinen mittelalterliche Befestigungs=Werke zu sein. - Am Ufer des Plauer Sees liegen gegenwärtig die kleinen Meiereien Wendorf und Jürgenshof, welche erstere schon im 17. Jahrhundert vorkommt, letztere aber später angelegt ist. Diesen Meiereien gegenüber endlich, nahe am Ufer, jedoch im offnen klaren Wasser des Plauer Sees, liegt eine nicht ganz unbedeutende Insel, früher der Gammen=Werder, jetzt schlechthin der Werder genannt, welche in ältern Zeiten gleichfalls zu Schwerin gehörte, und stets als Pertinenz dieses Hauptortes betrachtet worden ist, wenn gleich sie sich im 14. Jahrhundert im abgesonderten Besitze einer Nebenlinie der v. Gamm auf Schwerin befand, und dieser hin und wieder selbst den Beinamen vom Werder (de insula) gegeben hat. Erst in neuerer Zeit ist dieselbe zu einem selbstständigen Gehöft erhoben. Auf der Nordspitze dieser Insel, dem Festlande grade gegenüber, befindet sich ein alter, nach der mir gegebenen Beschreibung höchst wahrscheinlich heidnischer Burgwall, auf welchem große Felsblöcke liegen, und welcher nach der erwähnten Wibeking'schen Karte die Papenborg heißt. Der alte Ritterhof scheint dagegen an dem Westufer der Insel gestanden zu haben, wo noch heute ein Meiereigehöft liegt.

Unter den Ortsbezeichnungen auf dieser Feldmark sind noch hervorzuheben: der Blocksberg am Ostufer des Tauchow; der Jötenberg, ein isolirter Hügel in der großen Wiese an der Sparower Grenze, auf dessen Höhe sich nach der Wibeking'schen Karte eine sumpfige Vertiefung befindet; der Mönchbusch, jetzt ein kleiner Meierhof, im 16. und 17.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 87 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Jahrhundert aber eine Weichhölzung, welche wenigstens theilweise zur Pfarre gehörte; die Kreutze und das Papenhorn an der Grenze der 3 Hufen betragenden Kirchenländereien, zu welchen im 17. Jahrh. namentlich die ganze Haide vom Dorf bis an den Malchower Weg und die Wiesen an der Sparower Grenze gehörte, wogegen der Pfarracker nach dem Dreveser= (Dreier=) See hin lag; das hügelichte Brannenholz gegen Norden der Feldmark, wo auch der Appensoll und die Ketelkuhle liegen; endlich auch der Satzke, eine theilweise gleichfalls zur Kirche gehörige Ackerfläche nordwestlich vom Dorfe an dem Ufer des ganz zu Schwerin gehörigen Nordbusens des Plauer=Sees, welcher schon im 14. Jahrhunderte gleichfalls den Namen Satzik führte und noch jetzt der Satzk genannt wird 1 ). - Erwähnenswerth sind ferner auch die merkwürdigen Alterthumsfunde auf dieser Feldmark. Im Jahre 1846 wurden bei Gelegenheit eines Chausseebaues mehrere kleine Kegelgräber aufgedeckt, in welchen Hals= und andere Ringe, sogenannte Hütchen, Pfriemen und Nähnadeln, auch ein kleines, dünnes Messer von Bronze, aber keine Waffen gefunden wurden 2 ). Dazu kam im Jahre 1852 eine Menge bronzener Armringe, welche neben Scherben eines zerbrochenen Gefäßes unter einer kleinen Erhöhung lagen, und nach Form und Metallmischung durchaus eigenthümlich sind, und unter denen sich mehrere von dünnem Bronzeblech befinden, in der Art der Blechdiademe, die man wohl für Priesterschmuck gehalten hat. Leider ist der Ort dieser Funde nicht genauer bekannt 2 ). Einzeln wurden außerdem auch eine Streitaxt aus Hornblende und eine Lanzenspitze aus Feuerstein gefunden 3 ). - Denkt man sich endlich diese unter allen Umständen merkwürdige und höchst interessante Feldmark im Alterthume bewaldet, und namentlich die Höhen um den kleinen höchst eigenthümlichen Tauchow 4 ) mit alten Buchen bestanden, so giebt es gewiß ein Bild, welches die bisher gewonnene Ansicht über die Bedeutung der Schwerine zu bestärken in hohem Grade geeignet ist. Man wird in der That nicht leicht eine Oertlichkeit finden, welche so


1) Lisch, Jahrb. XVII. S. 73 und 318. Auch ein kleiner Teich nahe an dem bezeichneten Seeufer heißt der Sachsker=Soll.
2) Jahrb. XII. 413; XVII. 367; XX. 285 und 287.
2) Jahrb. XII. 413; XVII. 367; XX. 285 und 287.
3) Jahrb. XX. 277.
4) Ich kann nicht unterlassen, wenigstens in einer Note eine freilich gewagte Conjectur über den Namen dieses Sees niederzulegen. Wie, wenn derselbe ursprünglich Tauchnow gelautet hätte und dies zu dem böhmischen tagno: versteckt, geheimnißvoll (occultus secretus) gehörte?
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 88 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vollkommen zu dem düstern und geheimnißvollen heidnischen Kultus paßte, als die hier beschriebene 1 ). Diese Ansicht findet aber auch in der Geschichte dieser Gegend eine höchst willkommene und entscheidende Bestätigung.

Die älteste Nachricht über diese Gegend stammt nach meiner Ansicht aus dem Jahre 955. In diesem Jahre unternahm der Kaiser Otto I. nach der Rückehr von seinem siegreichen Heereszuge gegen die am 10. Aug. auf dem Lechfelde vernichteten Ungarn noch im Herbste einen Feldzug gegen die verbündeten Obotriten und Wilzen, welche auf Anstiften des sächsischen Grafen Wichmann und unter Führung der Obotritenfürsten Nacco und Stoignev in der Abwesenheit des Kaisers einen verwüstenden Einfall in die wendische Mark jenseits der Elbe gemacht hatten, und anscheinend selbst in die Erbländer des Kaisers bis an die sächsische Grenze vorgedrungen waren. Auf diesen vermuthlich von Havelberg ausgehenden Zuge gelangte Otto, nachdem er die slavische Grenze überschritten, an einen Fluß, welcher die Raxa genannt wird, unter welchem ich die Elde und die von ihr durchströmten Seen zwischen der Müritz und dem Plauer See verstehen zu müssen glaube. Die genauere Entwickelung der Gründe, welche mich hiezu bestimmen, muß ich mir bis zu einer andern Gelegenheit aufsparen. Sie beruhen theils auf den politischen und strategischen Verhältnissen, theils auf der mit den Angaben der gleichzeitigen Annalisten in jeder Beziehung vollständig und genau übereinstimmenden Oertlichkeit, theils endlich auf dem Namen dieser Gewässer selbst. Nur in letzterer Beziehung bemerke ich, daß die Elde auf der bezeichneten Strecke schon im 13. Jahrhundert bis auf den heutigen Tag auf allen Punkten, an welchen sich die Seen zu Stromschnellen verengen, Reke genannt wird, namentlich die Eldenbrügger oder Wangelinsche, die Göhrensche, Malchower und Lenzer Reke, von dem slavischen reka, rzeka, rjeka, riaka, riazka und riaza, (nach den verschiedenen Dialecten), d. i. Fluß, oder genauer, wie es scheint, dem deutschen Fließ entsprechend, so daß auch der Name des Flessen=Sees (auch Fließen=See und bloß Fließ genannt), nur eine Uebersetzung des slavischen Wortes ist, von welchem man andrer Seits auch den Namen der Ria=


1) Ich kenne das Dorf Alt=Schwerin zwar aus eigener Anschauung, aber nur obenhin. Die genauere Beschreibung der Oertlichkeit entlehne ich den gefälligen Berichten zweier, genau mit derselben vertrauter Herren.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 89 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zianer ableitet. An diesem Flusse, welcher den Hauptsitz der Morizer von dem kleinern am Nordufer liegenden Gaue Zareza (za riaza, d. i. jenseits der Reke) schied 1 ), und nur einen einzigen schmalen, durch das sumpfige Ufer schwierigen Uebergang (bei Eldenburg auf der schmalen Landzunge zwischen der Müritz und dem Kolpin) zu haben schien, schlug der Kaiser sein Lager auf. Jenseits stand beobachtend das Hauptheer der Wenden unter dem Fürsten Stoignev, während eine andere Abtheilung sich im Rücken des Kaisers zusammenzog, und ihm durch schnell aufgeworfene Verhaue (in dem leicht zu versperrenden engen Paß in dem sumpfigen Bezunt=Wald auf der heutigen Grenze zwischen Wredenhagen und Wittstock) den Rückzug abschnitt. Schon litt das deutsche Heer in dieser schwierigen Lage durch Hunger und Krankheiten, da gelang es den befreundeten Ruanern weiter stromabwärts (an der Lenzer Reke) einen zweiten Uebergangspunkt zu entdecken, worauf der Markgraf Gero sofort während der Nacht drei Brücken über den Fluß warf. Am nächsten Morgen brach auch der Kaiser mit dem Heere auf. Ihm folgte Stoignew auf dem jenseitigen Ufer, aber sein Weg war der weitere (longiorem viam currunt, nämlich oben um den Jabelschen See herum, während der Kaiser auf der Sehne des Bogens marschirte), weßhalb er zu spät kam, den Uebergang des deutschen Heeres zu verhindern. Jeneits (auf der Bisdorfer und Malchower Feldmark, also an der Grenze unsers Schwerins) kam es zur Schlacht, in welcher die von dem anstrengenden Marsche ermüdeten, und in Unordnung gerathenen Wenden eine vollständige Niederlage erlitten. Stoignew selbst suchte mit zwei Gefährten nach Ablegung der Waffen eine Zufluchts=


1) Ich muß an dieser, von Wigger in seiner vortrefflichen Arbeit über Bischof Berno, (Jahrb. XXVIII, 221), bestrittenen Ansicht festhalten, da mich die Gegengründe nicht überzeugt haben. Wiggers Bestimmung, wonach unter zareze der schmale, später zum Caminer Sprengel gezogene Landstrich am linken Nebelufer mit den drei Pfarren Güstrow, Badendieck und Rosin, und vielleicht noch Zehna, zu verstehen sei, hat zu vieles gegen sich. Ich kann hier nur bemerken, daß die bischöflichen Tafelgüter nach den Bestimmungen der Bullen des 12. Jahrh. ohne Zweifel bis zur Nebel reichten. Nur das jenseits liegende Tribeden wird durch Fälschung hinzugefügt sein. Erst nach der Verleihung dieser Güter an das Domstift zu Güstrow und das Kloster zu Michaelstein mit Consens des Bischofs, wobei von dem Schweriner Capitel keine Rede ist, (1226 und 1229) ward die Grenze in dem Vergleich von 1232 natürlich enger gezogen. In den bischöflichen Tafelgütern sollte aber nach ausdrüchlicher Bestimmung der Urkunden das Capitel keine Zehnten haben, die ihm gleichwohl in Zareze angewiesen werden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 90 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

stätte in dem benachbarten heiligen Haine, ward aber auch hier entdeckt und fand seinen Tod durch das Schwert eines Sachsen 1 ). Nach diesem Siege wird Otto ohne Verzug entweder über Wittstock und Havelberg oder über Lenzen nach Sachsen zurückgekehrt sein. Daß aber unter dem heiligen Haine, in welchem Stoignew den Tod fand, wenn meine Darstellung der Ereignisse überhaupt richtig ist, nur unser Schwerin verstanden werden kann, bedarf keiner Erörterung.

Nicht unwahrscheinlich wurden erst in Folge dieses kurzen Feldzuges dem Bischof von Oldenburg, zu dessen Sprengel seit der etwa 15 Jahre früher erfolgten Gründung des Bisthums das ganze Slavenland bis zur Elde und Pene gehörte, auch zwei Ortschaften in den Ländern Müritz und Kussin zu seinen Tafelgütern verliehen. In diesem Falle ist anzunehmen, daß dieselben auf und in der Nähe des Schlachtfeldes gelegen haben werden, was durch den spätern Güterbesitz des Bischofs von Schwerin in derselben Gegend bestätigt wird. Nach dem Aufstande der Wenden im Jahre 983 gingen natürlich auch diese Besitzungen verloren, und wir erhalten überhaupt erst durch die vergeblichen Bemühungen. des Bischofs Benno zur Wiedererlangung derselben um 1020 - 1022 Kenntniß von der Verleihung 2 ). Diese spricht aber wiederum entschieden für die Richtigkeit meiner Darstellung.

Fast 200 Jahre nach der Schlacht an der Raxa ward unsre Gegend abermals durch die Kriegsfackel beleuchtet, und läßt uns wiederum nicht nur den heiligen Hain, sondern auch den Tempel der Gottheit darin erkennen. Im Jahre 1147 führte Markgraf Albrecht der Bär aus derselben Gegend und auf demselben Wege wie Otto der Große, auf welchem in der Zwischenzeit auch der Friedensapostel Otto von Bamberg nach Pommern gezogen war, das furchtbare


1) Widukind III. 53 - 55. (Wigger Meklenb. Annalen S. 33 - 34:Stoinef - - fugit - lucoque quodem cum duobus satellitibus repertus a viro militari Hosed, certamine fatigatus armisque nudatus capite caesus est. Etwas abweichend, Thietmar II. 6.: Stoigneum, luco absconditum, captum decollari precepit sc. rex Otto. Das Wort lucus wird bekanntlich schon im Alterthum vorzugsweise von den heiligen Hainen der Gottheit gebraucht, und dürfte im Mittelalter kaum jemals in einem andern Sinne vorkommen.
2) Helmold I. 18 praedia, quae fuerunt in remotiori Slavia, quae olim ad Aldenburgense episcopium pertinuisse antiquitas commemorat, ut est Derithsewe, Morize et Cuzin, cum attinentiis suis. Einen Ort Moriz hat es sicher nie gegeben, weßhalb anzunehmen ist, daß es sich nur um Güter in den genannten Landschaften handelte.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 91 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Kreuzheer von 60000 Mann zur Bekehrung der Wenden in unser Land, doch schlug nicht das ganze Heer dieselbe Straße durch den Müritzgau ein, wie der Magdeburger Annalist, dem wir diese Nachricht verdanken, ausdrücklich bemerkt. Das Ziel war Demin. So wird eine Abtheilung, aus Polen und Mähren bestehend, rechts am Ostufer der Müritz, eine andre, welche die Elbe tiefer stromabwärts überschritten hatte, links am Westufer des Plauer Sees vorgedrungen sein. Die letztere scheint sich dann in dem Müritz=Gaue Zareze vor der Burg Malchow mit dem Hauptheer vereinigt zu haben. Alle auf diesem Wege liegenden Städte und Burgen wurden niedergebrannt, und unter diesen wird namentlich ein Tempel mit Götzenbildern vor Malchow, sowie Malchow selbst hervorgehoben 1 ). Genannt wird diese Tempelstätte nicht, weßhalb man dieselbe gewöhnlich unmittelbar bei Malchow und zwar auf dem südlichen Ufer des Sees, wo jetzt das Kloster Malchow steht, gesucht hat. 2 ). Aus den Worten der Annalisten folgt dies nicht, und ich muß bekennen, daß mir das staffelweise aufsteigende Ufer, an welchem die Klosterkirche erbauet ward, ebensowenig zur Anlage eines heidnischen Heiligthums geeignet erscheint, als der ebne, flache Bergrücken über demselben, da alle bisher bekannt gewordenen Tempelstätten befestigt waren. Die bisherigen Ermittelungen über die Bedeutung unsers Schwerins sprechen dagegen zu entschieden dafür, daß grade hier ein solches Heiligthum gestanden haben müsse, als daß wir über die Lage des 1147 zerstörten Tempels in Zweifel bleiben könnten, wogegen die Wahl der Stätte für das christliche Kloster ohnehin durch das Schicksal, welches 17 Jahre nach unserer Zeit den Fürsten Wartislav sehr wahrscheinlich grade an dieser Stelle ereilte, hinreichend motivirt ist.

Die Folge dieses Kreuzzuges und der damit zusammenhangenden kriegerischen Unternehmungen des Sachsenherzogs Heinrich in den Jahren 1160 und 1164 war bekanntlich die Wiederaufrichtung des Bisthums Meklenburg und die Verlegung des Bischofsitzes nach Schwerin. Es ist daher gewiß sehr beachtenswerth, daß sofort in der Dotationsurkunde des Herzogs vom 9. Septbr. 1171 den Tafelgütern des


1) Ann. Magdeb. ad a. 1147: Hi equidem omnes - - in diversis partibus terram paganorum ingressi sunt, - - et fere per tres menses peragrando omnia vastaverunt, civitates et oppida igne succenderunt, fanum etiam cum idolis, quod erat ante civitatem Malchow, cum ipsa civitate concremaverunt.
2) S. Lisch, in der vorhergehenden Abhandlung S. 8 und 9.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 92 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Bischofs auch zwei Dörfer in den Herrschaften Moritz und Warnow und zwar unmittelbar durch den Herzog selbst hinzugefügt wurden 1 ). Die Verleihung dieser ganz isolirt liegenden Güter in so weiter Entfernung von dem Bischofssitze hat gewiß eine besondere Veranlassung gehabt, weßhalb die Vermuthung, daß dies dieselben Güter seien, welche schon nach dem Heereszuge Ottos des Großen im Jahre 955 dem Bischof von Oldenburg zugewiesen wurden, wohlbegründet erscheint. Die Lage dieser Güter, welche in keiner der spätern Bestätigungsbullen der Päpste und Kaiser vergessen werden 2 ), ist zwar auch diesmal nicht näher bezeichnet, es ist jedoch gleichwohl gelungen, wenigstens das eine derselben im Lande Müritz mit voller Sicherheit nachzuweisen. Es ist das ehemalige Dorf Crazneierst, welches später Biscopesdorp, jetzt Bistorf genannt wird, in dem Winkel zwischen dem Plauer See und der Lenzer Reke nordwestlich von Malchow, also das Schlachtfeld an der Raxa von 955 3 ). Durch diese Entdeckung bestimmt sich aber zugleich die Lage des zweiten Dorfes im Lande Warnow mit ziemlicher Sicherheit. Schon der Umstand, daß beide Dörfer stets unmittelbar neben einander genannt werden, läßt vermuthen, daß sie auch bei einander lagen. Dazu kommt, daß der Papst Alexander III. 1178 beide als am Plauer See belegen bezeichnet 4 ). Ganz bestimmt geht dies aber aus einer leider nur im Auszuge erhaltenen Urkunde der Fürsten Nicolaus und Heinrich zu Rostock vom 27. März 1232 hervor, wodurch ein in seinem Verlaufe nicht näher bekannter Streit mit dem Bischof Brunward geschlichtet ward. Darin verzichten nämlich die Fürsten nicht nur auf alle Ansprüche, welche sie in Bezug auf das Land Bützow erhoben hatten, sondern verpflichten sich auch zur Einräumung zweier Dörfer, welche zusammen 60 Hufen enthielten, und wovon das eine, welches beiläufig Crazneierst genannt wird, "auch den halben Theil des Wassers, so von Malchowe heruntergehet in den See Cuzhin und die andern Wasser, so weit sich das Land daran erstreckt", dem Bischofe sofort überwiesen, die Ueberweisung des andern, nicht genannten Dorfes


1) M. U. B. Nr. 100: His in eadem dote adjunximus - - villam in Moritz et aliam in Warnowe.
2) M. U. B. Nr. 124, 141, 149, 151, 162, 202.
3) Lisch Jahrb. III. 148; V. 219 - 220; VI. 181.
4) M. U. B. Nr. 124: exaltera parte Albiae villas II, circa lacum Sturizche (Sturichze) alias villas duas.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 93 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

aber vorbehalten wird 1 ). Offenbar sind dies die beiden Dörfer, welche schon in der Dotationsurkunde von 1171 zu den bischöflichen Tafelgütern gelegt, während des nun geschlichteten Streites aber von den Fürsten eingezogen worden waren, und nun zurückerstattet werden sollten. Aus der angegebenen Grenzbestimmung des Dorfes Crazneierst ergiebt sich aber ferner mit Sicherheit dessen Identität mit der heutigen Feldmark Bistorf in der Vogtei Malchow, Herrschaft Moritz. Da nun das zweite Dorf, welches mit jenem zusammen eine Fläche von 60 Hufen bildete, also ohne Zweifel unmittelbar damit zusammenhing, nach der Dotationsurkunde und deren Bestätigungen in der Herrschaft Warnow lag, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, daß es kein anderes gewesen sein könne, als die Feldmark Schwerin in dem Warnowschen Lande Cutzin oder dem heutigen Plau.

Welche Hindernisse der sofortigen Wiedereinräumung dieser Feldmark entgegenstehen mogten, wissen wir nicht. Wahrscheinlich werden die Fürsten inzwischen anderweitig darüber verfügt haben, und mußten dieselbe also zuvörderst wieder einlösen. Daß dies demnächst wirklich geschehen sei, leidet keinen Zweifel, obgleich es auch nicht urkundlich nachzuweisen ist. Beide Dörfer werden nämlich in der nächstfolgenden Zeit äußerst selten genannt. Schwerin kommt überhaupt zuerst in einer Urkunde vom 6. März 1289 vor, worin der Bischof Hermann von Schwerin dem Domcapitel daselbst die durch den Tod seines Bruders Ludolf, Bischofs von Halberstadt freigewordenen Zehnten mehrerer Dörfer im Lande Waren verleihet, denen er am Schlusse noch die Zehnten in Treye, in Zwerin und in Sture hinzufügt 2 ). Dann wird es in dem langen Zeitraum bis zum Jahre 1330 nicht wieder genannt, wo wir die ganze große Feldmark mit dem Werder im Besitze der v. Gamm wiederfinden. Auch Crazneierst kam früh aus bischöflichem Besitze. Im Jahre 1295 verpfändete der Bischof Gottfried dasselbe bereits unter dem neuen Namen Biscopestorp an die v. Mallin. Im 14. Jahrhunderte war es Anfangs ein Pfandbesitz des Nicol. V. Lobeck, ward aber später, vor 1351, durch Andreas v. Flotow und Gerd vom Sande gewaltsam occupirt. Im Jahre 1366 war es wieder im Besitze des Bischofs Friederich, welcher die Niederreißung der inzwischen daselbst, wahrscheinlich auf der kleinen Insel Lenz, Lentzick, erbaueten Burg beschloß. Im Jahre 1408


1) M. U. B. Nr. 398.
2) M. U. B. Nr. 2016.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 94 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

endlich ward es durch den Bischof Rudolf dem Andreas v. Flotow zum erblichen Lehn gegeben. Schon zu Anfang des 16. Jahrh. lag die Feldmark wüst, und während dieser Zeit, oder schon früher wird ein Theil derselben an die Stadt Malchow übergegangen sein, da bei den jetzigen engen Grenzen auch mit Schwerin zusammen die alten 60 Hufen nicht herauskommen dürften. Man sieht, die Bischöfe hatten bei der eigenen Verwaltung dieser entfernten Güter ihre Rechnung nicht gefunden, und suchten sich ihrer bald zu entledigen. Daß aber auch Schwerin von der Mitte des 13. bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts wirklich im geistlichen Besitze gewesen war, dafür sprechen die oben angeführten Feldmarksbezeichnungen: Mönchebusch, Papenborg, Papenhorn und Kreuz, sowie der ungewöhnlich große Landbesitz der Kirche und Pfarre, deren Patronat, soweit unsre Nachrichten reichen, dem Kloster Malchow zustand. Auch über den Bau der Kirche wissen wir nichts, doch wird sie zu Anfang des 17. Jahrhunderts als ein großes Gebäude bezeichnet.

So trifft denn alles zusammen, um den letzten Zweifel zu lösen, daß auch diese Feldmark im Heidenthume wirklich die Bedeutung gehabt habe, die ihr Name vermuthen ließ. Die Hufen der Rosse des Gottes freilich haben keine Spur in dem heiligen Haine zurückgelassen. Auch wage ich nicht über die Lage der alten Tempelburg, ob sie an dem geheimnißvollen Tauchow, oder auf dem Werder stand, ein bestimmtes Urtheil zu fällen, bevor beide Orte von Sachverständigen darauf angesehen sein werden. Die größere Wahrscheinlichkeit spricht zur Zeit für die Papenborg, deren Namen ich eben auf die Zeit des bischöflichen Besitzes zurückgeführt habe. Die Bischöfe selbst werden sie aber auch schwerlich erbauet, sondern schon vorgefunden haben. Zwar war in dieser Gegend früh das Rittergeschlecht der Papen angesessen, aber es findet sich keine Spur eines Besitzes derselben in Schwerin und auf dem Werder, und ebenso waren die Swartepapen in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. zwar eine Zeit lang in dem Pfandbesitze des Satzig, d. h. des Seebusens hinter der Nordwestseite der Insel, aber nie der Insel selbst. Auch ist diese zu unbedeutend und der Zugang zu ihr vor allen Dingen zu schwierig, als daß die Erbauung einer besondern Ritterburg auf derselben neben der Hauptburg zu Schwerin irgend wahrscheinlich sein könnte, selbst wenn der Name unsers Burgwalles erweislich auf eins der erwähnten Geschlechter zurückzuführen wäre. Andrer Seits ist eine Spukgeschichte, welche man sich auf der Insel, wo es

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 95 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

überhaupt nicht geheuer sein soll, zuflüstert, in der mir vorliegenden Gestalt zu unbestimmt, als daß ich sie als alte Volkssage geltend zu machen wage. Eine auf dem Werder wohnende Frau, erzählt man, ward längere Zeit hindurch allnächtlich von einem Geiste, oder mehreren Geistern belagert und gequält, bis sie sich durch den andächtigen Gesang des christlichen Liedes "Jesu, Ruh der Seelen", nicht nur von ihren Quälgeistern befreiete, sondern diese auch veranlaßte, ihr fliehend einen der großen Felsblöcke auf dem Burgwall zu bezeichnen, unter welchem sie einen großen Schatz finden würde, den die Frau jedoch verschmähte. Wüßte man, was der Geist von der armen Frau begehrt habe, mögte die Sage vielleicht größern Werth für uns haben. Der Schluß derselben schmeckt allerdings nach dem Heidenthum, und könnte fast an die Schatzkammer Petermännchens auf dem Schweriner Schloß erinnern. -.Eine andere, von Studemund poetisch bearbeitete Sage aus der Gegend des benachbarten Nossentin ist leider nicht viel klarer. Darnach ist ein armer Sünder, welcher im Leben einen Grenzstein verrückte, verdammt, in der Mitternachtsstunde, während der Wilde Jäger "Hackberg heulend fliegt", auf der gefälschten Scheide auf= und abzuwandern, wo man ihn winselnd durch die Nacht rufen hört: Nein, hier ist die Grenze nicht 1 ). Ich nehme an, daß der aus den märkischen Sagen bekannte Wilde Jäger Hackelberg hier nur eine poetische Floskel ist, um das Grauen der Mitternacht zu schildern. Aber auch ohne ihn erinnert dieser unheimliche Scheidegänger lebhaft an den grenzhütenden Wod der oben berichteten Ganschower Sage, und es scheint mir nicht unmöglich, daß der Dichter in der poetischen "Bearbeitung" seines Stoffes den Grenzhüter zu praktischer Nutzanwendung in sein Gegentheil verwandelt hat. Damit würde denn allerdings meinem ganzen Bau die Krone aufgesetzt sein. Ein Blick auf die nächste Umgebung unsers Werders kann aber nicht verfehlen, das Interesse für die neuentdeckte Burg noch bedeutend zu erhöhen; rechts von demselben am Westufer des Sees liegt zunächst die bedeutendste Landesburg dieser Gegend, Kutzin, jetzt Quetzin; ein wenig weiter zurück der Burgwall von Gaarz, in welchem schon Lisch ein religiöses Heiligthum, vielleicht einer weiblichen Gottheit, erkannt hat; links aber am Ostufer des Sees zunächst, wenn auch nicht unmittelbar an dem Ufer selbst, die gleich wichtige Landesburg Malchow, und dem Burgwall von Gaarz gegenüber


1) Studemund, Meklenb. Sagen S. 79.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 96 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

auf einer vorragenden Höhe der Burgwall von Zislow, in welchem Lisch gleichfalls ein Heiligthum vermuthet, wahrscheinlich wie die Hoheburg bei Schlemmin und ähnliche, eine Tempelstätte des Donnergottes. Fast in dem Centrum dieses Halbkreises also liegt unser Werder, gewiß ein geeigneter Platz für den Tempel des höchsten der Götter, Wodan Swantewit!

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

5.
Der Schwerin bei Krakow.

Auch die Feldmark der Stadt Krakow hat ganz dieselben charakteristischen Eigenthümlichkeiten, wie die beiden so eben besprochenen Schwerine, namentlich die Feldmark des Dorfs Schwerin. der Name Schwerin haftet hier zur Zeit jedoch nicht an der ganzen Feldmark, sondern an einer kleinen Insel in dem Krakower See, welcher die Feldmark Krakow mit den südlich daran stoßenden Dörfern Mölln und Bossow auf der Ostseite in ihrer ganzen Ausdehnung begrenzt. Gegen Norden wird die Grenze durch den kleinen Charlottenthaler, früher Carower See gebildet, welcher mit einer weit nach Westen vorspringenden Bucht des Krakower Sees in Verbindung steht. Im Westen zieht sich von dem gedachten Carower See zwischen ziemlich hohen und steilen Hügeln ein tiefes Torfmoor in grader Richtung gegen Süden bis zu einer doppelten Kette andrer kleiner Seen herab, nämlich dem Oldendorper, Schmortzer und einem dritten ungenannten, mit welchem auf der Westseite der Dellin= oder Derliner= und der Lange See, nur durch einen schmalen Landstrich davon getrennt, völlig parallel laufen. Im Süden endlich schließt der kleine Bossower See, welcher gleichfalls mit dem Krakower in Verbindung steht, und das an seinem Westufer gelegene Barenmoor den hier sehr beengten Raum fast völlig ab, während sich hinter demselben weithin große Waldungen ausbreiten.

Das weitaus bedeutendste dieser Gewässer ist für uns der Karower See, welcher mit seinem außerordentlichen Fischreichthum, seinen mannigfaltigen Naturschönheiten und seinen historischen Erinnerungen überhaupt zu den interessantesten Gewässern Meklenburgs gehört. Er mißt in der Länge von Südwest nach Nordost ungefähr 900 Lüb. Ruthen, und in der größten Breite am Nordende, wo er sich östlich nach Serrahn und westlich nach Krakow hin in breiten Busen ausdehnt,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 97 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

fast 500 Ruthen. Ungefähr in der Mitte verengt er sich bis auf 50 Ruthen, und hier, auf der sogenannten Wading 1 ), wo sich noch jetzt eine Fähre befindet, zu welcher von Krakow aus ein eigener Weg führt, scheint eine alte Verbindung mit dem jenseitigen Dobbiner Ufer stattgefunden zu haben. Von hieraus erweitert der See sich wiederum fast beutelförmig bis zum Südende.

Diese ausgedehnte, von theilweise sehr hohen, bald mit Tannen, bald mit Laubholz bewachsenen, und überall durch Buchten und Landspitzen zerrissenen Ufern eingefaßte, mit zahlreichen größern und kleinern Inseln bestreute Seefläche zerfiel im Alterthum in mehrere Abtheilungen mit besonderen Namen. Unter dem Krakower See verstand man nämlich nur die nördliche Hälfte, welche wieder in den Binnen=See oder den westlichen Busen, an welchem die Stadt Krakow liegt, und den Außensee, welcher sich östlich nach Serrahn erstreckt, und dessen äußerste östliche Spitze noch wieder den besondern Namen des Serrahner Sees führte, abgetheilt wird. Auf die Südgrenze dieses Außensees (Buten=See) muß ich noch zurückkommen. Die südliche Hälfte unterhalb des Wadings zerfiel dann wieder in den Möllner See, nach dem zum Amte Goldberg gehörigen Domanialdorf Mölln, und den Glaver See, das äußerste südliche Ende, nach dem an dem südöstlichen Ufer gelegenen Lehngute Glave genannt. In jeder dieser Abtheilungen liegen mehrere, früher sämmtlich und meistentheils auch noch jetzt mit Eichen und Buchen bestandene Inseln, namentlich in dem Krakower Binnen=See der Levenwerder, wie er urkundlich im 14. Jahrhunderte heißt und noch jetzt vom Volke genannt wird, während man auf allen neuern Karten Lehmwerder findet, und eine nur durch eine Moorfläche mit dem Festlande zusammenhängende Halbinsel, nördlich von Krakow, auf welcher sich der fast kreisrunde, völlig isolirte Jörenberg, d. h. Judenberg, wie ein vulkanischer Kegel bis zu einer Höhe von mindestens 100 Fuß erhebt. Dieser merkwürdige Kegel, welcher noch bis vor kurzem mit alten Fichten bestanden war, ist augenscheinlich ein Werk der Natur, oben aber anscheinend künstlich abgeplattet, und ohne Zweifel die Stätte, wo zu Anfang des 14. Jahrhunderts die sämmtlichen Juden der Stadt als Opfer eines finstern Religionshasses fielen. Am Fuße desselben, zwischen ihm und dem Levenwerder, liegt endlich der kleinere Ehmken=Werder (Ameisen=Werder?), auf welchem sich eine halbmondförmige, gegen den


1) Vielleicht von dem niederdeutschen waden: waten, also Furth?
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 98 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Jörnberg geschlossene Umwallung befindet, deren Zweck und Alter schwer zu bestimmen ist. Diese 3 Inseln werden seit Gründung der Stadt in deren Besitz gewesen sein, da derselben schon in der später zu besprechenden Urkunde von 1298 über den Verkauf des Krakower Sees an das Kloster Doberan einige Inseln reservirt werden, so weit sie deren Verleihung urkundlich zu beweisen vermögte, in den spätern Privilegien aber, namentlich 1366 und 1414, der Levenwerder ausdrücklich bestätigt wird. Der Ehmkenwerder scheint dabei als bloße Pertinenz des Levenwerders, der Jörenberg aber überhaupt nicht als Insel betrachtet zu sein. - In dem Außensee dagegen liegt zunächst fast im Mittelpunkt die zur Pfarre Serrahn gehörige Insel Lieps, oder Lübz, ferner eine gleichfalls zu der Pfarre gehörige Halbinsel, der Hopfenwerder, später Serrahner Werder genannt. Beide Werder hatte die Pfarre nach den Kirchenvisitations=Protokollen des 16. und 17. Jahrhunderts vom Kloster Doberan erworben, und benutzte den größern als Acker, die Lieps aber als Weide, namentlich für die Füllen des Dorfes. Weiter nach Süden aber liegt dann der schon erwähnte Schwerin, eine dreieckige, etwa 40000 []Ruthen umfassende, noch im 17. Jahrhundert mit schöner Buchwaldung bestandene Insel, welche mit dem einen nach Westen gekehrten Winkel das Festland fast berührt, und mit der breiten Basis den südlich liegenden, gegen den Wadding hin spitz zulaufenden Theil des Außenwassers fast abschließt. Mitten in dem kleinen auf diese Weise abgesonderten Becken, jedoch gleichfalls in der Nähe des Westufers, liegt eine bedeutend kleinere, fast quadratische Insel, auf welcher ein künstlicher Ringwall aufgeführt ist, weßhalb die ganze Insel den Namen Burgwall führt. Ein noch kleineres, ganz unbedeutendes Inselchen zwischen dem Burgwall und dem Schwerin heißt de Kök, d. i. die Küche. Diese merkwürdigen Alterthümer bilden natürlich den Mittelpunkt unsrer ganzen Untersuchung dieser Oertlichkeit, weßhalb ich sogleich zu denselben zurückehren werde. - In der Mitte des südlichen Beutels unsers Sees endlich befindet sich eine längliche, fast viereckige Insel, ungefähr von demselben Flächeninhalt, wie der Schwerin, welche in Acten vom Jahre 1619 und einem daselbst anliegenden Abriß dieses Sees der Barenwerder, d. i. Bärenwerder, genannt wird 1 ). Das nördliche Ufer dieser Insel


1) Das niederdeutsche Bär oder Behr bedeutet Eber, auch wildes Schwein überhaupt, und kömmt häufig in den Namen bestimmter Waldflächen (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 99 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

scheint die Grenze zwischen dem Möllner und dem Glaver See gebildet zu haben, jedoch so, daß der zwischen der Insel und dem Ostufer liegende Theil des Sees vor der Einmündung der Nebel in denselben zu Dobbin gehörte. Die nordwestliche Grenze des Dobbiner Fischerei=Gebietes ward nämlich durch eine Linie gebildet, welche man von der nordöstlichen Ecke der Insel nach eine Landspitze zog, auf welcher ein zweiter, als Alt=Dobbin bezeichneter Burgwall liegt; die Südgrenze dagegen durch eine Linie von der südöstlichen Inselecke rechtwinklich auf den Punkt, wo die Feldscheide zwischen Dobbin und Glave den See berührt. Innerhalb dieses Dobbiner Wassers liegen wiederum drei kleine Inseln: der Lohkwerder, der Ruge= (Rauhe) Werder und der Hökenwerder. Endlich finden wir längs des Südufers abermals 3 kleine, länglichrunde Seen: die Siewes, der größere von ihnen, zunächst am Ufer, und zu beiden Seiten derselben, etwas tiefer nach dem See hinein, östlich der Harde (harte) Ort, und westlich der Steinwerder, welche anscheinend gleich dem Barenwerder zu Glawe gehörten, wenigstens wird in den Acten aus dem 16. Jahrh. dieser Theil des Sees mit "der darin liegenden Insel", worunter doch wohl nur der größere Barenwerder verstanden werden kann, ausdrücklich dahin gerechnet. Sicher gehörte er nicht zu Dobbin, ward aber später allerdings von dem Kloster Doberan in Anspruch genommen. - Diese Eintheilung des Sees ist für unsre Untersuchung nicht ohne Bedeutung, weßhalb ich mich ihrer genauern Feststellung nicht entziehen konnte. Ich wende mich nun zu der Burginsel und ihrer Umgebung zurück.

Der Schwerin war seit alter Zeit Eigenthum der Stadt Krakow, und wird derselben neben dem Levenwerder schon in dem Privilegium der Stadt vom Jahre 1366 durch den Herrn Johann d. A. bestätigt. Ebenso durch die Herren Balthasar und Wilhelm zwischen 1414 und 1418. Im Jahre 1630 verpfändete die Stadt "den mittelsten Schwerin zusammt dem darauf vorhandenen Holze" an den Küchenmeister David Schütte zu Güstrow für 200 Fl. Dieser Ausdruck ist merkwürdig, und scheint zu beweisen, daß man damals alle, oder wenigstens die drei größern Inseln den


(  ...  ) vor. Bar dagegen, mit dem tiefen, zwischen a und o liegende Vokal ist das hochdeutsche Bär. Unsre Insel wird nun stets Barenwerder genannt, wie das ihr gegenüber auf dem Festlande am Ufer des Rossower Sees liegende Moor das Barenmoor, nicht Bärenmoor heißt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 100 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Leven=Werder, den eigentlichen Schwerin und den Barenwerder des Sees mit dem allgemeinen Namen Schwerin belegte. Unsre Insel ward übrigens dem Pfandinhaber, da die Stadt keine Zinsen bezahlte, im Jahre 1644 für das Capital und die rückständigen Zinsen, im Ganzen 480 Fl. betragend, gerichtlich adjudicirt. Sein Sohn, der Kammerrath Schütze, suchte seine Besitzung durch Fällung des Holzes auszubeuten, und ließ z. B. im Jahre 1675 130 Faden Buchenholz für eine benachbarte fürstliche Kalkbrennerei schlagen, und trat 1693 mit dem Herzog Gustav Adolph über den Verkauf desselben in Unterhandlung, wobei wir erfahren, daß immer noch 400 Buchen, welche zu 500 Faden taxirt wurden, auf demselben standen. Die Unterhandlung zerschlug sich aber, und so gelang es der Stadt, ihre alte Besitzung im Jahre 1710 mit 300 Fl. wieder einzulösen. Auf der Wiebekingschen Karte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts wird die Insel ohne besondern Namen als Hütung bezeichnet. Dagegen heißt ein von Krakow direct an das Ufer vor der Insel führender Weg auf dieser Karte der Schweinbrückenweg, vermuthlich statt Schwerin=Brücken, woraus hervorgehen würde, daß die Insel damals durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden war, an deren Stelle man in neuester Zeit einen Damm durch das schmale Wasser gelegt hat. - Der benachbarten kleinen Inseln, welche in wirthschaftlicher Beziehung fast werthlos sind, wird erst im 17. Jahrhundert gedacht. Der sogenannte Burgwall ist aber durch Lisch wissenschaftlich untersucht, und stammt nach dessen Bericht 1 ) sicher aus dem Heidenthum. Er ist ein Ringwall mit einer kesselförmigen Vertiefung im Innern und hat einen Umfang von 240 Schritt, ist aber nur etwa 20 Fuß hoch. Die ganze Erdmasse desselben ist künstlich aufgeschüttet und besteht anscheinend aus schwarzer Wiesenerde mit Sand vermischt. Auf der ganzen Oberfläche, namentlich am innern Rande des Ringwalles, fand Lisch ohne Mühe neben Thierknochen zahlreiche Gefäßscherben von der eigenthümlichen Mischung und mit den bekannten Verzierungen der Urnen aus der wendischen Zeit, wogegen sich keine Spur einer Bewohnung der Insel nach der christlich=deutschen Einwanderung gefunden hat. Der ganze Wall gleicht also vollkommen den Ringwällen von Bisdede im Gutower See bei Bölkow, und von Gaarz bei Plau 2 ), und trug gleich diesen im Alterthume


1) Jahrb. XXIV, S. 303.
2) Jahrb. XVII, S. 22.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 101 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ohne allen Zweifel eine heidnische Tempelburg, so daß meine Ansicht über die Bedeutung der Schwerine auch in diesem Falle vollkommen Bestätigung findet. Ueber die Bedeutung der zwischen diesen beiden Inseln liegenden kleinen Kök= oder Kücheninsel wage ich keine Vermuthung, obgleich auch ihre gottesdienstliche Bestimmung kaum zweifelhaft sein kann. Wahrscheinlich wird eine jetzt verschollene alte Volkssage den auffallenden deutschen Namen derselben noch im christlichen Mittelalter dem neugierigen Fremdling erläutert haben, aber niemand hat sich die Mühe gegeben, sie für die Nachwelt niederzuschreiben.

Am Ufer des Sees vor dieser merkwürdigen Inselgruppe lag nach meiner Ansicht in älterer Zeit ein Dorf, welches noch am Ende des 13. Jahrhunderts stand, und damals den Namen Oldenburg führte, aber wahrscheinlich bald darauf untergegangen sein wird. Am 21. Mai 1298 verkaufte nämlich Herr Nicolaus zu Werle dem Kloster Doberan zwei Seen, einen größern und einen kleinern, die stets mit einander verbunden und bis hieher ungetheilt geblieben waren, und von welchen jener zunächst bei der Stadt Krakow lag, und daher der Krakower genannt ward, der kleinere aber das Dorf Oldendorf bespülte, mit allem Eigenthum an den beiden Seen und den darin belegenen Inseln 1 ). Nun liegt es allerdings nahe, dies Dorf an dem Ufer des kleinen Sees an der westlichen Grenze der heutigen Feldmark der Stadt Krakow zu suchen, welcher noch heute der Oldendorfer genannt wird, und diesen Namen schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt hat. Nach einem undatirten, jedoch nach 1561 geschriebenen Actenstücke hatten nämlich die Weltzin auf Sammit den aus ihren See Dellin in den Oldendorper See fließenden sogenannten Werderbach, welcher weiterhin die Krakower Mühlen trieb, zum Zwecke des Aalfanges vor seiner Mündung in den Oldendorper See aufgestauet, worüber es mit dem fürstlichen Vogte zu Streitigkeiten gekommen war. Die Lage dieses Sees ist also nicht zweifelhaft, und ebensowenig kann man daran zweifeln, daß derselbe seinen Namen dem gleichnamigen Dorfe verdankt. Gleichwohl kann ich die, na=


1) - duo stagna nostra, vnum quod est majus et oppido Cracowe adiacet, vnde eciam traxit vocabulum, ut stagnum in Cracowe appelletur, alterum quod est minus et ville, que Oldedhorp vocatur, est contiguum, que duo stagna semper fuerunt coniuncta et manserunt hactenus indiuisa, cum fundo et proprietate ipsorum duorum stagnorum et insularum, que in eis sunt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 102 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mentlich auch von Lisch ausgesprochene Ansicht 1 ) nicht theilen, daß das Dorf an dem Ufer dieses Sees gelegen habe, und letzterer also eben derjenige sei, welcher 1298 dem Kloster Doberan verliehen ward. Von zwei Gewässern, welche etwa 1/8 Meile auseinander liegen, und nur durch einen kleinen Bach mit einander in Verbindung stehen, kann man, scheint mir, unmöglich sagen, daß sie mit einander verbunden und stets ungetheilt gewesen seien, wie unsre Urkunde sich ausdrückt. Dieser Ausdruck bezieht sich vielmehr augenscheinlich auf verschiedene Theile eines und desselben Gewässers. Ueberdies sucht man in dem kleinen Oldendorper See vergebens nach den Inseln, welche nach unsrer Urkunde in beiden Seen lagen. Kurz, ich bin überzeugt, daß der dort genannte kleinere See bei dem Dorfe Oldendorf kein anderer ist, als die oben hervorgehobene, zwischen dem Schwerin und dem Wading liegende abgesonderte Fläche des großen Sees, den wir jetzt in seiner ganzen Ausdehnung den Krakower zu nennen gewohnt sind. Demnach lag das Dorf Oldendorf am Ufer dieses großen Sees, der Burginsel grade gegenüber, wo man es auch gewiß zuerst zu suchen geneigt sein wird.

Aus dieser Erklärung der Urkunde folgt aber allerdings, daß dem Kloster 1298 nicht der ganze Krakower See nach heutigem Sprachgebrauch verliehen ward, sondern nur die nördliche Hälfte bis zum Wading, und das scheint auch nach den spätern Nachrichten vollkommen richtig zu sein. Freilich besaß das Kloster eine noch vorhandene Urkunde, welche vom 12. Jan. 1341 datirt ist, und worin "Johannes Herzog zu Meklenburg und Herr zu Werle" demselben den freien Gebrauch der beiden, von dem Herrn Nicolaus von Werle gekauften, übrigens nicht genannten Seen dergestalt bestätigt, daß niemand Gerechtigkeit daran haben solle, mit Ausnahme der Fischerei der Stadt Krakow mit dem Schmalthau, so wie der Barlde (Barolde) zwischen dem Barenwerder und dem Dobbiner Ufer in näher angegebenen Grenzen, wogegen dieser Werder selbst und alle kleineren Inseln daselbst dem Kloster zugesprochen werden. Allein diese Urkunde ist eine grobe Fälschung, wie auf den ersten Blick klar ist. Im Jahre 1341 gab es bekanntlich überall noch keine Herzoge von Meklenburg, noch weniger einen Herzog von Meklenburg und Herrn zu Werle in einer Person, da das Fürstenthum Werle erst 100 Jahre später an die Meklenburger Linie zurückfiel; das an der Urkunde hangende Siegel aber ist das


1) Jahrb. XXVII., S. 120 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 103 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

des 1264 gestorbenen Herrn Johann von Meklenburg mit dem Beinamen des Theologen. Die Mönche benutzten also eine alte Urkunde dieses Fürsten, die für sie keinen Werth mehr hatte, vertilgten die alte Schrift, indem sie das Pergament mit Bimstein abrieben, wovon bei näherer Besichtigung deutliche Spuren erkennbar sind, und schrieben ihre neue Privilegienbestätigung darauf. Dies geschah sicher längere Zeit nach 1437, wo das Haus Werle erlosch, dessen abgesonderte Existenz dem Fälscher kaum noch bekannt gewesen zu sein scheint, womit der Charakter der Schrift übereinstimmt, der auf das Ende des 15. oder des 16. Jahrhunderts hinweist. Die Urkunde beweiset also im Gegentheil, daß das Kloster damals die behaupteten Rechte nicht besaß, die es eben erst jetzt durch die Fälschung zu erschwindeln suchte, und damit stimmen die folgenden Ereignisse vollkommen überein. In dem Jahre 1526-1528 hatte nämlich das Kloster nach Ausweisung der im Archive aufbewahrten, leider unvollständigen Acten, den Feldzug zur Eroberung der südlichen Hälfte des Sees gegen die v. Linstow auf Glave durch Wegnahme einer Wade der Glaver Fischer eröffnet, indem es den ganzen "Krakower See" für sich in Anspruch nahm, worauf die von Linstow erwiderten, daß ihre Fischer auch nicht auf dem Krakower, sondern auf den "Glaver See" gefischt hätten, welcher letztere mit Einschluß der darin liegenden Insel zu ihrem Gute Glave gehöre, wobei sie sich auf unvordenklichen Besitz beriefen. Offenbar hatten die Mönche eben bei dieser Gelegenheit oder einige Jahre früher zur Vorbereitung auf den zu beginnenden Streit ihre falsche Urkunde fabricirt, deren Production das noch vorhandene Decret zur Folge gehabt haben wird, wodurch den Gegnern der Beweis des behaupteten Besitzes aufgelegt wird. Der Ausgang des Streites ist uns nicht bekannt, doch scheint das Kloster seinen Zweck wenigstens nicht vollständig erreicht zu haben, da das Gut Glave auch nach dieser Zeit eine Fischereigerechtigkeit auf dem See hatte, deren Umfang ich freilich nicht nachzuweisen weiß. Auch Dobbin nahm noch im Anfang des 17. Jahrhunderts ein größeres Fischereigebiet in Anspruch, als die gefälschte Urkunde ihm zugesteht. Die in letztrer gezogenen Grenzen liegen aber offenbar dem oben erwähnten, im Jahre 1619 durch eine herzogliche Commission aufgenommenen Abrisse zum Grunde, und dabei scheint es auch geblieben zu sein. Aehnlich wird das Kloster endlich, und zwar wahrscheinlich vor dem Streite mit Glave, wegen des Möllner Sees operirt haben, denn die dortigen Fischer waren zwar

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 104 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

noch am Ende des 17. Jahrhunderts im Besitze der freien und unentgeltlichen Fischerei auf diesem Gewässer, aber sie gestanden der Stadt Krakow eine Mitfischerei zu, welche vor der Säcularisation vermuthlich von dem Kloster geübt sein wird.

Andererseits hat auch das Kloster Doberan den jetzigen kleinen Oldendorfer See niemals besessen. Am 2. Juni 1331 stiftete nämlich der Herr Johann zu Werle eine neue Präbende in dem Dome zu Güstrow, und datirte dieselbe mit 4 Mark Hebungen aus der Mühle zu Krakow, indem er ihr zugleich den oberhalb der Mühle liegenden, damit in Verbindung stehenden See überwies 1 ). Da nun die Krakowschen Mühlen durch den aus dem Oldendorfer See herabfließenden Werderbach getrieben werden, wie wir schon eben gesehen haben, so kann der jetzt von Seiten des Landesherrn dem Dome zu Güstrow verliehene See kein andrer sein, als eben der Oldendorfer, welcher also sicher niemals Eigenthum des Klosters Doberan gewesen ist, weßhalb er auch in der falschen Urkunde von angeblich 1341 nicht in Anspruch genommen wird.

Das untergegangene Dorf Oldendorp hat also zuverlässig am Krakower See der Burginsel gegenüber gelegen. Der besprochene, an der Sammiter Grenze liegende kleine See gehörte aber ohne Zweifel zu der Feldmark des Dorfes, von welchem er später den Namen erhielt, nachdem man sich gewöhnt hatte, den abgesonderten Burgsee ohne weitere Unterscheidung zu dem Krakower See zu rechnen. Dies konnte um so leichter geschehen, als das Dorf frühzeitig untergegangen ist, worauf die längere Zeit wüst liegende Feldmark getheilt ward, so daß die östliche Hälfte auf die Stadt Krakow, die westliche auf die Weltzine zu Sammit überging. Schon bei der Bestätigung der Privilegien der Stadt von 1366 ward derselben namentlich auch die "weyde in scheden vnde Velden des olden Dorpes myt Stadtrechte" bestätigt, und ebenso fast mit denselben Worten in dem Stadtprivilegium der Herren Balthasar und Wilhelm von 1414. Daß dies aber nur die Hälfte der wüsten Feldmark war, geht aus zweien, freilich etwas jüngern Urkunden der Weltzine


1) - - ipsamque - sc. prebendam - redditibus quatuor marcarum usualis monete in molendino Crakowe dotauerimus, dimittentes et assignantes eidem ecclesie cum proprietate et iure vasallorum nostrorum et cum stagno superiore adiacente sive annexo influente. Nach einem Original=Transsumte in der gleichzeitigen Bestätigung des Bischofs zu Camin.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 105 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hervor. Am 23. Febr. 1478 verpfändete nämlich der Knappe Mathias Weltzin zu Tzammytte seinem Vetter Joachim Weltzin daselbst außer seinem Antheil an dem Acker und der Heide auf dem nicht mehr zu bestimmenden Verkwitzer Felde auch seine Hälfte von Oldendorp, Holz und Weide, mit der hohen und niedern Gerichtsbarkeit 1 ), und ebenso verpfändete Jacob Weltzin zu Zehna am 26. Febr. 1478 dem Bürger Hermann Pynnow zu Güstrow seinen Antheil an den Wassern und Bächen zu Tzammytte, und die Hälfte des Feldes Oldendorp mit allem Zubehör, mit allem Holze und Acker, Weiden und Wiesen, Brüchen, Mooren und Wassern, der hohen und niedern Gerichtsbarkeit, Fischereien und Wadenzügen und aller Herrlichkeit. Aus den Ausdrücken dieser letztern Urkunde ergiebt sich zugleich, daß die östliche der oben beschriebenen parallelen Seeketten, also der Oldendorper und der Schmortz=See, ursprünglich noch zur Feldmark Oldendorp gehörte, so daß der Dellin= und der Lange=See die Grenze bildeten. Dafür scheint auch der Name des Dellin, von dem Böhmischen deljin: theilen, delenj: Theilung zu sprechen. Auch scheint der schmale, zwischen beiden Seeketten liegende Landstrich später Gegenstand langen Streites gewesen zu sein, wie sein Name der vordern, mittlern und hintern Pfandstätte andeutet. Der Name des Schmorz=Sees ist dagegen vermuthlich von dem Wendischen smrjok, smrok, böhmisch smrk, smrek: Fichte, smrcj: Fichtenwald abzuleiten. Wann der östlich von diesen Seen liegende Sammiter Antheil an der Oldendorper Feldmark an die Stadt Krakow, wohin er jetzt gehört, gekommen sein mag, ist unbekannt.

Es ist noch übrig einen, wenn auch nur flüchtigen Blick auf die Geschichte der Stadt Krakow selbst zu werfen, so weit dieselbe nicht in dem Vorstehenden schon berührt werden mußte. Krakow heißt Rabenort, von dem Slavischen kraka, böhmisch krkawec: Rabe, Dohle, dem weisen Vogel Othins, dessen Erscheinung zugleich Tod und Krieg verkündet, und der auch in slavischen Mythen als weissagender Götterbote erscheint 2 ): gewiß ein bedeutungsvoller Name für eine Oertlichkeit in der unmittelbaren Nähe der heiligen Tempelburg des Kriegsgottes. Ebenso hatte aber auch die hier später gegründete deutsche Stadt in den ältern Zeiten eine vor


1) Ock an deme Oldendorpe, holt vnde weyde, hogest vnde sydest, myne helffte, de yck daran gehatt hebbe.
2) Hanusch a. a. O. p. 318. In Böhmen vertritt der Rabe die Stelle des Teufels, wenn man sich scheuet, den letztern zu nennen: aby te krokawec! Daß Dich der Gukuk, oder Geier! statt: daß Dich der Teufel!
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 106 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vielen anderen hervorragende Stellung, die ihrer Größe und politischen Wichtigkeit in keiner Weise entsprach, und sich nur durch die religiöse Bedeutung dieser Gegend im Heidenthume erklären lässt.

Die Zeit der Gründung der Stadt kennen wir nicht; genannt wird sie zuerst in der oben besprochenen Urkunde von 1298. Das älteste Gebäude derselben ist die Kirche, deren Styl nach Lisch noch in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückzuweisen scheint. Zu ihrem Pfarrsprengel gehörten im Alterthum Grube (Charlottenthal), Tessin, Möllen, Bossow und das weit entfernte Glave mit einer eignen Kapelle. Das Patronat ward schon früh an das Domcapitel zu Güstrow verliehen, welches seit 1331, wie wir gesehen haben, eine aus der Mühle zu Krakow dotirte Präbende besaß, und die Pfarre mit seinen Capitularen besetzte 1 ). In Folge dessen ward die Kirche zur Propstei Güstrow unter dem Bischof von Camin gerechnet, obwohl Krakow sicher niemals zu Circipanien gehört hat. Die Kirche war reich dotirt und besaß namentlich auf der Oldendorfer Feldmark an dem kleinen Glambeker See zwischen den Dörfern Mölln, Bossow, Sammit und der Stadtfeldmark 5 volle Hufen Landes, wovon nach der Reformation im 17. Jahrh. 2 Hufen zu der Pfarre gelegt waren. Letztere besaß außerdem noch mehrere einzelne Ackerstücke, z. B. bei der Kummerow und dem Barenmoor, ferner das Schlafhorn und ein Stück von 3 Schffl. Einsaat mit einer Wiese an der Wendstraße in der Nähe der Pfarrwohnung. Dazu erkaufte der Pfarrer im Jahre 1389 noch 7 1/2 Hufen auf dem Felde Gülzeke von dem v. Oldenburg zu Glave. - Außer dieser Hauptkirche stand früher vor der Stadt noch eine Kapelle zum Heiligen Blut, welche ihren Ursprung einer der im Mittelalter so häufigen Judenverfolgungen verdankte. Um das Jahr 1325 war nämlich ein gewaltsamer Einbruch in die Kirche geschehen, und vermißte man namentlich das Gefäß mit den geweiheten Hostien. Das Capitel zu Güstrow schrieb auf diese Nachricht einen allgemeinen Fasttag aus, an welchem Gott um die Enthüllung des Verbrechens gebeten ward, ob es aus Eigennutz, oder zur Schändung des Leibes und Blutes Christi verübt sei. Der Fürst Johann aber warf seinen Verdacht sofort auf die Juden, ließ dieselben sämmtlich verhaften und durch grausame Tortur zum Geständniß bringen, worauf dieselben sämmtlich nebst


1) Am 21. Novbr. 1335 kommt z. B. der Domherr Nicolaus als Pfarrer zu Krakow vor.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 107 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zahlreichen Mitschuldigen außerhalb der Stadt - ohne Zweifel auf dem zum Eingang beschriebenen Judenberge - gerädert wurden. Aus dem Ertrage der bei dieser Gelegenheit von den zahlreich zusammengeströmten Gläubigen dargebrachten Opfer, und wohl auch der confiscirten Güter der Juden aber ließ der Fürst mit Consens des Bischofs von Camin zur Aufbewahrung und zur Ehre der wiederaufgefundenen Hostien eine Kapelle bauen, deren Einnahme aus den künftigen Opfern der Wallfahrer zu dem wunderthätigen heiligen Blute der Fürst und die Domherren theilten 1 ). Die Kapelle stand nach einer alten Angabe 2 ) so, daß die Mühle, aus welcher 1331, offenbar auf Veranlassung der erzählten Ereignisse, die neue Dompräbende dotirt ward, zwischen der Stadt und der Kapelle lag, d. h. vor dem Güstrower Thore, wo noch jetzt in einer Wiese, hinter der nördlichen Häuserreihe der auf Sumpfboden erbaueten Vorstadt, ein künstlich erhöheter, viereckiger Platz auffällt, welcher der Kirche gehört und ohne Zweifel die alte Kapellenstätte ist.

Die Stadt Krakow war im Alterthum Hauptort einer eignen Vogtei, welche das Gebiet von dem Krakower See bis zu den Goldberger und Damerower See umfaßte, deren Nordgrenze aber nicht genauer zu bestimmen ist. Bei den Landestheilungen der Fürsten von Werle wird Krakow wohl stets bei Güstrow geblieben sein. Ueber die erste Theilung von 1282 fehlen specielle Nachrichten. In der zweiten am 27. Decbr. 1316 aber wurden die Vogteien Plau und Krakow zu dem Güstrower Antheil gelegt, wogegen das benachbarte Goldberg an Parchim kam und seitdem die gewöhnliche Residenz dieser Linie war. In der Erbverbrüderung der Herren Albrecht und Johann von Meklenburg mit den Herren Nicolaus und Bernhard von Werle=Güstrow vom 20. Juli 1344 wurden daher unter den Schlössern, Städten und Ländern


1) Kirchberg, Chron. c. 178. Das Jahr wird nicht angegeben. Das Ereigniß ging aber der Verfolgung der Juden in Güstrow voraus, welche c. 179 ausdrücklich in das Jahr 1330 gesetzt wird - Schröder P. M. p. 972 gedenkt eines alten Manuscripts, wonach schon im J. 1313 eine Verfolgung der Juden aus dem Fürstenthum Wenden, namentlich in Krakow und Güstrow stattgefunden habe. Es ist aber ohne Zweifel 1331 zu lesen, und an die hier besprochenen Ereignisse zu denken.
2) Thiele, die Domkirche zu S. Cäcilien in Güstrow S. 7 und 8, anscheinend nach dem nicht mehr vorhandenen Originale der mehrerwähnten Urkunde von 1331. - Auf dem Charlottenthaler Felde an der Krakower Grenze liegt auch ein Judenmoor, welches seinen Namen gleichfalls diesen Ereignissen zu danken haben wird.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 108 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der Letztern namentlich auch Plau und Krakow genannt. Ebenso blieben beide Vogteien in der weitern Theilung der Güstrower Linie am 14. Juli 1347 bei dem Hauptorte, während Waren Sitz einer jüngern Linie ward. Seitdem theilte Krakow ein halbes Jahrhundert hindurch das Schicksal von Plau. Im Jahre 1356 wurden beide Städte mit ihren Vogteien durch Herren Nicolaus und Bernhard von Werle=Güstrow an den Herzog Albrecht von Meklenburg verpfändet, wodurch beide Städte sofort in die Kriege Albrechts verwickelt wurden 1 ). Schon zwei Jahre darauf, am 24. August 1358, ward Plau von dem Herzog Erich von Sachsen=Lauenburg erobert, und ein gleiches aber noch härteres Schicksal wird auch Krakow getroffen haben, obwohl es in den gleichzeitigen Chroniken nicht mit genannt wird, denn in der nächsten Privilegien=Bestätigung von 1366 wird bemerkt, daß die ältern Privilegien der Stadt in den vorhergehenden Kriegen verbrannt seien 2 ) und in der folgenden Bestätigung von 1414 wird ausdrücklich hinzugesetzt, daß dies bei Gelegenheit einer Eroberung der Stadt geschehen sei. Die Stadt war also bei dieser Gelegenheit in Flammen aufgegangen; übrigens gab Erich seine Eroberungen nach dem Helsingborger Frieden am 18. Octbr. 1358 zurück. Am 2. Juni 1361 verafterpfändete Herzog Albrecht Plau und Krakow an verschiedene Ritter, und in dem am 31. Octbr. 1366 mit den beiden Linien der Herren von Werle abgeschlossenen Bündniß, wobei zugleich eine Nichte des Herzogs Albrecht mit Herrn Johann dem ältern von Parchim=Goldberg verlobt ward, wurden beide Städte und Vogteien, welche baldthunlichst eingelöset werden sollten, der Braut als Mitgift verschrieben. In Folge dessen ward dem Herrn Johann dem älteren sofort die Eventual=Huldigung geleistet, wogegen dieser die Privilegien beider Städte bestätigte 3 ). Johann IV. von Goldberg kam nicht in den wirklichen Besitz derselben, sondern starb 1375 unvermählt. Seine Vettern und Nachfolger, Lorenz und Johann V., Söhne des Nicolaus von Werle=Güstrow, löseten aber beide Städte 1377 wirklich von dem Herzoge Albrecht ein,


1) Vgl. über diese Verpfändung und die folgenden Ereignisse Lisch, Geschichte der Stadt Plau, Jahrb. XVII, S. 112 - 132.
2) Alse yn tyden des kryges dersuluen Stad breve, auer ere frigheiten gemaket, weren vorbrenth, vorlaren vnde to nichte kamen.
3) Die Plauer Urk. ist vom 22. Novbr. 1366. Die Krakower ist nur in einer unvollständigen Abschrift ohne Datum vorhanden. Die berichteten Ereignisse lassen aber über die gleichzeitige Abfassung dieser wichtigen, schon wiederholt citirten Urkunde keinen Zweifel.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 109 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

worauf Johann dieselben in eben diesem Jahre bei seiner Vermählung mit der Braut des verstorbenen Johann IV. dieser seiner Gemahlin der ältern Bestimmung von 1366 gemäß als Leibgeding überwies, obwohl sich dieselben noch in dem Pfandbesitze der v. Bülow befanden, und erst nach dem Tode beider Brüder Lorenz und Johann am 9. Octbr. 1403 und 27. März 1405 durch die Söhne des ersteren, Balthasar und Johann VII., völlig eingelöset wurden. Im Jahre 1414 starb auch Johann VII., worauf der jüngere Bruder Wilhelm aus dem geistlichen Stande, dem er angehörte, zurücktrat, und die Mitregierung übernahm, bei welcher Veranlassung die zweite auf uns gekommene Bestätigung der Privilegien der Stadt Krakow durch die Gebrüder Herren Balthasar und Wilhelm erlassen sein wird 1 ). Mit dem Fürsten Wilhelm starb bekanntlich das Haus Werle am 7. Septbr. 1436 im Mannesstamme aus, worauf mit den übrigen wendischen Provinzen auch Stadt und Land Krakow an die Herzoge von Meklenburg fiel, und mit dieser Veränderung, oder doch nicht lange darauf scheint auch die Vogtei Krakow aufgelöst zu sein, indem die Domanialdörfer dem Amte Goldberg, die Ritterschaft aber dem Amte Lübz einverleibt ward.

Diese Stellung der Stadt als Hauptort einer nach ihr genannten Vogtei setzt die Existenz einer fürstlichen Burg in derselben, als Sitz des Vogtes, voraus. Auch wird ihrer hin und wieder gedacht, aber selten, und nur im 14. Jahrhundert. Im Anfange des Jahrhunderts scheinen die Fürsten ihren Hof auch zuweilen in Krakow gehabt zu haben, da sie dort Urkunden ausstellten, z. B. am 10. März 1338. Nach höchster Wahrscheinlichkeit ward die Burg aber bereits bei der Eroberung und Einäscherung der Stadt im Jahre 1358 zerstört, wie aus dem Umstande zu folgern scheint, daß bei den vielfachen Verhandlungen über die Verpfändung und Einlösung der Städte Plau und Krakow in den folgenden Jahren stets nur der Stadt und des Landes, niemals der Burg oder des Hauses Krakow gedacht wird. So heißt es z. B. in der Urkunde vom 23. Juni 1362: "Plawe [vnde]


1) Auch diese Urkunde ist nur in hochdeutscher Uebersetzung und verstümmelt, namentlich ohne den Schluß vorhanden. Ihre Zeit bestimmt sich dadurch, daß sie nach Johanns Tode im Frühjahr 1414, und vor der Annahme des Titels Fürsten zu Wenden 1418 erlassen worden ist, also mit größter Wahrscheinlichkeit bei dem Regierungsantritte Wilhelms 1414.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 110 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Krakowe, hus, stat vnde lande" 1 ), wo Haus und Stadt offenbar auf Plau allein zu beziehen sind, ohne Zweifel weil nicht nur das Haus, sondern auch die Stadt Krakow noch in Asche lagen. Ebenso 1366 Oct. 31: "Plawe hus, stad vnde land, - - vnde de voghdye Krakowe", wogegen weiterhin auch von "hus, stad vnde land to der Lawe (Lage)" die Rede ist 2 ). Ferner 1369, Juli 6: slod tu Plawe vnde land, vnde dat land tu Cracowe" 3 ). Aus diesen Worten erhellt deutlich, daß Krakow damals keine fürstliche Burg mehr hatte, sondern von dem Vogte zu Plau mit verwaltet ward. In einer Urkunde vom 30. Novbr. 1396 nahmen dagegen die Herzoge Johann und Ulrich von Stargard die Gevetter Vicke und Hartwig von Bülow mit ihren Schlössern Plau und Krakow und den dazu gehörigen Vogteien in ihren Dienst 4 ). Die v. Bülow scheinen also während ihres Pfandbesitzes der Stadt Krakow seit 1375 die Burg daselbst wiederhergestellt zu haben. Vielleicht blieb es auch bei der Absicht, oder das neue, schwache Werk ward bald wieder zerstört, da seit dieser Zeit niemals wieder die Rede davon ist. Uebrigens scheint dies eigenmächtige Bündniß der v. Bülow mit fremden Fürsten ohne Consens ihrer Herren von den letztern keines Wegs stillschweigend genehmigt zu sein, vielmehr ist es auffallend, daß bei der spätern Einlösung des Pfandes in den Jahren 1403 und 5 durch die Herren zu Werle nur der Städte und Länder gedacht wird, und die v. Bülow schon im Jahre 1399 selbst die Thore der Stadt Plau dem Rathe auslieferten. Sie hatten also anscheinend auch die Burg Plau an die Herren v. Werle zurückgeben müssen, weshalb es nicht unwahrscheinlich ist, daß auch die Befestigung von Krakow schon bei dieser Gelegenheit wieder aufgehoben ward. Seitdem scheinen die Herren zu Werle ihre Sommerresidenz mitunter am entgegengesetzten Ufer des reizenden Sees zu Serrahn aufgeschlagen zu haben 5 ).


1) Jahrb XVII, Urk. Nr. 37.
2) Lisch, Maltz. Urk. II, Nr. 279.
3) Jahrb. XVII, Nr. 39.
4) - myt eren sloten, alzo mit Plawe vnde mit Crakowe, vnde myt den landen vnde voghedygen, de to den sloten horen. Jahrb. XII, Urk. Nr. 45.
5) Am 17. März 1427 verpfändeten z. B. die v. Buke einige Güter im Dorfe Bresen bei Stavenhagen und verhießen die Auflassung des Lehns "vor den heren tome Sarane" und am 15. August desselben Jahres stellte der Fürst Wilhelm seinen Willbrief wirklich "to deme Tzarane" aus.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 111 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Lage dieser Burg ist nicht mit voller Sicherheit zu bestimmen, sehr wahrscheinlich lag sie aber an der Südseite der Stadt am Ufer des Sees. Die Stadt liegt nämlich auf einer flachen Höhe mitten in einer Wiese und wird überdies gegen Westen und Norden von dem mehrgenannten Werderbache, welcher aus Südwesten kommend durch das gedachte Wiesenthal um die Stadt herum fließt und im Nordosten in den See mündet, im Süden aber durch einen, aus diesem Bache abgeleiteten Graben eingeschlossen. Bei dieser von Natur ziemlich festen Lage hat man die Anlegung von Wällen nicht für nöthig erachtet. Nur an der bezeichneten Stelle liegt ein kurzer Wall von nicht unbedeutender Höhe, welcher durch den hier in den See mündenden Graben von der Stadt getrennt ist, und an welcher sich außerhalb zunächst ein länglicher Ackerkamp anschließt, welcher theils der Geistlichkeit, theils dem Stadtrichter gehört. Von hier aus zieht sich ein durch die Wiese aufgeschütteter Weg längs des Seeufers nach dem Schwerine hin. Dieser Weg wird im 17. Jahrhunderte die Wendenstraße genannt, ein Name, welcher auch auf den Ackerkamp vor dem Walle übertragen worden ist. Auf diesem, in jeder Beziehung dazu geeigneten Platze ist nach meiner Ueberzeugung die alte Fürstenburg zu suchen. Ob sich außer dem Walle selbst noch irgend welche Spuren derselben finden, habe ich nicht in Erfahrung bringen können.

Wichtiger und bedeutsamer noch, als diese Stellung des Städtchens als Hauptort einer Vogtei und Sitz eines Vogtes auf der fürstlichen Burg, ist der Umstand, daß die Huldigung der Mannen und Städte des ganzen Fürstenthums Werle, mindestens Güstrowschen Antheiles, nach alter Gewohnheit vor Krakow stattfand, wie die der Meklenburgischen Stände zu Beidendorf vor Meklenburg und der Stargardschen zu Colpin bei Stargard. Freilich ist diese Gewohnheit urkundlich nicht sehr hoch hinauf nachzuweisen, aber nur, weil es überhaupt an ältern Nachrichten über die Huldigungsstätten, namentlich für die östlichen, später zu dem Fürstenthum Wenden gehörigen Provinzen, fehlt. Der erste Fall einer Huldigung vor Krakow, den ich nachzuweisen vermag, ist vom Jahre 1338. Am 27. Aug. 1337 war Johann II. zu Werle=Güstrow gestorben, worauf sein Sohn und Nachfolger Nicolaus V., nachdem er sich am 6. Januar 1338 vermählt hatte, mit dem Rathe seiner treuen Vasallen am 10. März d. J. zu Krakow ein ewiges Schutz= und Trutzbündniß mit seinem Vetter Johann III. zu Werle=Gold=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 112 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

berg schloß 1 ). Offenbar geschah dies, wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt wird, auf Veranlassung der dort vollzogenen Huldigung, welche für den eventuellen Successionsfall auch dem Herrn Johann geleistet sein mogte. Der nächste Successionsfall in dieser Linie nach dem Tode des Nicolaus fiel in das Jahr 1360, aus welchem wir keine Nachricht über die Huldigung haben. Die Eventual=Huldigung für Herrn Johann IV. von Werle=Goldberg im Jahre 1366 betraf nur die beiden verpfändeten Städte und Vogteien Plau und Krakow, und auch in Betreff dieser ist die Huldigungsstätte nicht bekannt. Dasselbe gilt in Betreff der Succession der Herren Balthasar und Johann VII. im Jahre 1400 und ihres Bruders Wilhelm im Jahre 1414, da namentlich auch das Datum der damals ertheilten Privilegienbestätigung der Stadt Krakow unbekannt ist. Die in Folge der Meklenburgisch=Werleschen Erbverbrüderung vom Jahre 1418 den Herzogen von Meklenburg im Fürstenthum Wenden am 11. Febr. 1421 geleistete Eventualhuldigung geschah dagegen zu Güstrow, und ebenso nahmen die Herzoge Johann und Heinrich d. A. von Stargard, und Heinrich d. J. und Johann von Schwerin nach dem Erlöschen des ganzen Hauses Werle mit dem Tode des Fürsten Wilhelm am 7. Septbr. 1436 die Huldigung der Werleschen Stände am 22. Novbr. d. J. zu Güstrow ein. Allein diese Huldigungen wurden nicht bloß von den Ständen des Güstrower Antheils, sondern des ganzen vereinigten Fürstenthums Wenden geleistet, und überdies wurden gleichzeitig mit den Ständen sehr umfängliche und wichtige politische Verhandlungen gepflogen, zu welchen sich die gewöhnliche Mahlstätte unter freiem Himmel nicht eignete. Auch nach dem Tode Herzogs Heinrich d. J. am 9. März 1477 scheint die Huldigung seiner Söhne wiederum zu Güstrow geschehen zu sein, wenigstens ward die allgemeine Privilegienbestätigung für die Mannen und Städte des Landes Wenden nach geschehener Huldigung am 12. Mai d. zu Güstrow ausgefertigt 2 ), was freilich die Möglichkeit nicht ausschließt, daß die voraufgegangene Huldigung selbst zu Krakow geleistet sei. Wie es nach dem Tode der Herzoge Magnus und Balthasar, Heinrichs Söhne, 1503 und 1507, gehalten sei, ist wiederum unbekannt. Gewiß ist dagegen, daß nach dem Tode des Herzogs Albrecht VII. dessen älteste Söhne Johann Albrecht, Ulrich und Georg im Jahre 1548 die Huldigung


1) Lisch, Urk. des Geschlechtes Hahn Nr. 98.
2) Pölker, Sammlung V, S. 42.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 113 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der gesammten Stände des Landes Wenden wiederum zu Krakow einnahmen. Das betreffende Protokoll ist freilich nicht mehr vorhanden, aber in dem Protokolle über die zu Cölpin geschehene Huldigung der Stände des Landes Stargard vom 10. April 1548 wird ausdrücklich auf die voraufgegangene Huldigung zu Krakow Bezug genommen, und in der ohne Zweifel für alle drei Kreise gleichlautenden Ladung der Ritterschaft heißt es, daß sie nach althergebrachtem Gebrauch und Gewohnheit des Orts zu erscheinen, und die gebürliche Erbhuldigung zu leisten habe. Auf diese Krakower Huldigung nahmen auch die Stände noch auf dem Landtage vom 4. April 1555 Bezug. Ganz ebenso ward die Ritterschaft der drei Kreise nach dem Tode des Herzogs Johann Albrecht von dessen Sohne, Herzog Johann, im Jahre 1588 "nach altem Herkommen und Gebrauch" beziehungsweise auf den 14. Mai nach Beidendorf und den 7. Juni nach Cölpin verschrieben, und die Stände hielten so fest an diesem Gebrauche, daß diejenigen der wendischen Vasallen, welche versehentlich nach Cölpin citirt waren, sofort protestirten, und die Versicherung erhielten, daß ihnen der Irrthum für die Zukunft ohne Nachtheil sein solle. Dasselbe Verfahren fand ferner bei der Huldigung des Herzogs Carl 1605 und der Herzoge Adolph Friedrich und Johann Albrecht II. 1609 statt, und zwar stets mit ausdrücklichem Bezuge auf altes Herkommen und Gewohnheit 1 ).

Diese Gewohnheit erklärt sich rücksichtlich Beidendorfs und Cölpins sehr einfach durch die Lage dieser Orte in der unmittelbaren Nähe der uralten Hauptburgen Meklenburg und Stargard, welcher Umstand aber umgekehrt auch wieder auf das hohe Alterthum der Sitte zurückweiset, da wenigstens Meklenburg seine ehemalige Wichtigkeit sehr früh verlor. Rücksichtlich Krakows aber ist für die ganze historische Zeit kein Grund aufzufinden, welcher diese alte Sitte genügend erklärte, weßhalb man vollkommen berechtigt ist, aus dem Bestehen der Sitte selbst auch hier auf eine höhere Bedeutung des Ortes in der vorhistorischen Zeit zurückzuschließen. Diese alte Bedeutung des Ortes ist aber nach der geographischen Lage desselben und dem, im Vergleiche zu andern ähnlichen Anlagen, nur geringen Umfange der Burginsel und ihrer


1) S. über diesen Gegenstand überhaupt: Auszug aus den Meklenburgischen Landtagsacten von 1621 - 1642, Titel: Von Huldigung. - Wehnert, Meklenb. gemeinnützige Blätter I. S. 97 ff. und 247 ff. (Etwas von den geleisteten Huldigungen) Vgl. auch Rudloff Geschichte III. 1. S. 308, III. 2. S 55. 95 und 101.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 114 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Umwallung gewiß nicht in politischen, sondern in religiösen Verhältnissen zu suchen. Die eigentliche alte Malstätte der Huldigungsfeier ist zwar gleichfalls nicht mehr nachzuweisen, doch liegt die Vermuthung nahe, daß die Feier ursprünglich auf dem Oldendorfer Felde, der Tempelburg des Gottes gegenüber stattgefunden habe. Später mogte dieselbe dann vor der neuen Stadtburg an der erwähnten Wendstraße gefeiert werden, welche eben daher ihren Namen erhalten haben könnte. Möglich ist aber freilich auch, daß die Malstätte in der Nähe des Judenberges lag, wofür die Analogie der Landtage seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auf dem Judenberge bei Sternberg einigermaßen sprechen mögte; nur wäre es sicher ein Fehlschluß, aus dieser Wahl des Ortes, wenn sie nachgewiesen werden könnte, den jüngern Ursprung des ganzen Gebrauches nach der Judenverfolgung um 1325 zu folgern. Auch die Landtage bei Sternberg sind urkundlich über 200 Jahre älter, als die dortige Judenverfolgung, welche nur die Verlegung derselben aus der Ebene vor der Sagsdorfer Brücke auf den Judenberg zur Folge hatte und dieser Berg selbst war höchst wahrscheinlich lange vor der Verbrennung der Juden auf demselben die gewöhnliche Gerichts= und Dingstätte der Stadt und des Landes Sternberg 1 ). Die Judenverfolgung zu Krakow konnte aber um so weniger die Veranlassung werden, die Huldigungstage nach diesem unbedeutenden Städtchen zu legen, als fast gleichzeitig ein ähnliches, aber viel bedeutenderes und entscheidenderes Ereigniß auch in der Residenz Güstrow selbst stattgefunden und hier wie dort die Gründung einer Wallfahrtsstätte zur Verehrung des heiligen Blutes zur Folge gehabt hatte.

Außer der Stadt Krakow liegen in dem hier beschriebenen Gebiete noch zwei andere kleine Ortschaften, auf welche wir zum Schlusse noch einen Blick werfen müssen, nämlich die Dörfer Möln und Bossow. Die unbedeutende Feldmark des Dörfchens Möln liegt zwischen dem Krakower und dem kleinen Glambecker See und dessen Zuflüssen. Die Namen sind vermuthlich wendisch; melne heißt Sand, Untiefe, und glambike tief. In dem Dorfe selbst wohnten ursprünglich nur Fischer, welche namentlich die Fischerei auf dem Teile des Krakower Sees übten, der den besondern Namen des Mölner Sees führte, wofür sie noch Anfangs des 17. Jahrhunderts keine Geldpacht, sondern nur eine Fischlieferung nach


1) Vgl. Lisch, Jahrbücher XII, S. 172 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 115 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Güstrow zu entrichten gehabt haben werden. Im Jahre 1637 betrug nämlich die Seepacht 250 Fl., 30 Brachsen, 80 Schock Mürenen und 400 Hechte vom großen See, und außerdem noch eben so viel Hechte vom "Mohlenschen See". Nach dem Goldberger Amtsbuch von 1657 wohnten in Möln 8 Bauern mit 9 1/2 Hufen Landes, von denen es im allgemeinen heißt, sie hätten ihre Fischerei auf dem großen Krakower See, und gäben dafür dem Amte Güstrow gebührliche Pächte. Am 23. Septbr. 1682 beschwerten sich dagegen die 5 Einwohner zu Möln, daß das Amt Güstrow sie in ihrer uralten Fischereigerechtigkeit kränke, die sie gegen eine geringe, nach und nach aber erhöhete Pacht auf dem ganzen Krakower See mit Staknetzen und Reusen ausgeübt, und davon ihre Nahrung gehabt hätten, "so lange das Dorf Möhln stehe", da ihr geringer Acker eitel Sand sei, worauf sie nicht mehr als 10 Schffl. Roggen aussäen könnten. Jetzt aber habe das Amt ihnen die Fischrei gar verboten und ihre Kähne nach dem Markte zu Krakow gebracht, um sie zu zwingen, den ganzen See mit den Bürgern zu Krakow zu pachten, wozu sie doch die Mittel nicht besäßen. Diese Angaben werden in dem Berichte des Amtes vollständig bestätigt. Außer dieser Fischpacht hatten die Leute 1657 keine Abgaben zu entrichten, mußten aber nicht nur dem Amte Goldberg alle Monate 3 Tage Fußdienste, sondern auch in der herzoglichen Küche zu Güstrow andre, nicht näher bestimmte Dienste leisten. Im J. 1682 waren sie dagegen auch zu einem Kopfgeld herangezogen, und die Fußdienste zu Goldberg waren auf 3 Tage in der Woche gesteigert, wogegen von den Küchendiensten in Güstrow nicht mehr die Rede ist. Unzweifelhaft waren diese letztern früher auf der Burg Krakow geleistet, und erst nach deren Untergange auf das Schloß zu Güstrow übertragen, so daß die Verhältnisse dieser Leute denen der Ostorfer Fischer vollkommen gleich waren, wonach Möln von alten Zeiten her nur eine Pertinenz von Krakow gebildet, und unmittelbar zu dessen Feldmark gehört haben wird 1 ).

In demselben Verhältnisse scheint endlich auch die Feldmark des Dorfes Bossow zu der Hauptfeldmark gestanden zu haben. Sie nimmt den Raum zwischen dem Krakower


1) Nachträglich bemerke ich hier noch, daß auch Wendorf auf der Feldmark des Dorfes Schwerin nach einem Visitations=Protokolle aus dem 17. Jahrhunderte in älteren Zeiten ein kleines Fischerdorf gewesen ist, während des Krieges aber verwüstet ward.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 116 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und dem Schmortzer See südlich von den Krakower Kirchenhufen am Glambeck bis zu dem Barenmoor und Bossower See ein, und bildet also die südlichste Spitze der oben beschriebenen inselartigen Fläche. Der Ort hat von jeher zum Krakower Kirchensprengel gehört, und war im 14. Jahrhundert ein Lehn der v. Linstow auf Glave, welche ihn 1397 an das Kloster Dobbertin verpfändeten, in dessen Besitz er seitdem geblieben ist. Bei dem Bau der Chaussee von Plau nach Krakow im Jahre 1846, welcher die Feldmark Bossow durchschneidet, ward hier ein Kegelgrab zerstört, worin sich eine Urne mit einem Armring aus Bronze befand, und aus derselben Gegend stammt vermuthlich mindestens ein Theil des reichen Bronzefundes, welcher gleichzeitig ohne nähere Angabe des Fundortes in Krakow abgeliefert ward, und bei welchem sich namentlich 3 Hefteln mit dem mystischen Doppelkreuze fanden. Die Gegend wird also schon zur Bronzezeit eine gewisse Bedeutung gehabt haben. Der spätere slavische Ortsname Bossow scheint sich am einfachsten aus dem wendischen boz (sprich boss), böhmisch bez: Flieder, Hollunder (samhucus nigra), davon bozowy, den Hollunder betreffend, zu erklären, also: Fliederort. Ist diese Ableitung des Namens richtig, so wird man nach den bisher geschilderten Verhältnissen nicht zweifeln dürfen, daß auch hier in der Nähe des kleinen in dichter Waldung versteckten Bossower Sees, an der Grenze des heiligen Haines, wie in der Bisdeder Pustke, einst eine dem Pustekat, als Wächter des Haines, geweihete Fliederburg stand, in welcher das schüchterne Volk dessen Fürsprache bei dem auf der nahen Tempelburg im See verehrten furchtbaren Kriegs= und Todesgotte unter Darbringung seiner ärmlichen Opfer erflehte.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

6.
Der Schwerin bei Röbel.

Die Umgebung der Halbinsel Schwerin auf der Feldmark Gneve bei der Stadt Röbel hat wiederum ganz denselben Charakter, als die bisher beschriebenen Oertlichkeiten, so daß eine ähnliche Bestimmung auch der jetzt zu besprechenden von vorne herein nicht zweifelhaft sein kann. Die Eigenthümlichkeiten dieser Heiligthümer, wie wir sie bei allen bisherigen Untersuchungen in überraschender Gleichförmigkeit kennen gelernt haben, treten hier nicht minder scharf hervor, nur sind die alten Grenzen des dazu gehörigen Ge=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 117 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bietes minder genau und sicher zu bestimmen, sondern lassen sich nur durch theilweise allerdings gewagte Conjecturen reconstruiren, die aber doch wieder theils eben durch den Vergleich mit jenen verwandten Oertlichkeiten, theils durch die Geschichte dieser Gegend ihre Rechtfertigung finden dürften.

Die Stadt Röbel liegt am Nordwestufer des Binnensees, einer sich allmählig verengenden und tief in das Land einschneidenden Bucht der großen Müritz, in der Herrschaft Moritz, oder dem Gebiete der kleinen Völkerschaft der Moritzen, welche ihren Namen eben von dem See trugen. Der Name des Sees selbst aber ward schon von den Biographen des heiligen Otto von dem slavischen Mor: Meer, daher Moritz, wie es scheint: kleines Meer, abgeleitet. Ein in jenem Seebusen bei der Stadt mündender, kleiner Bach, welcher die heutige Altstadt im Norden von der südlichen Neustadt scheidet, war von altersher die Grenze des Landes Veprow, jetzt Vipperow, welches den südlichsten Theil der Herrschaft Moritz bildete, und in dem Vertrage vom 16. Decbr. 1252, zur Ordnung der lange streitigen Grenze der Bisthümer Schwerin und Havelberg, dem letztern zugesprochen ward, so daß fortan die Altstadt Röbel unter dem Schweriner, die Neustadt unter dem Havelberger Bisthume stand.

Die Neustadt Röbel ward nach der Urkunde des Herrn Nicolaus zu Werle vom 21. Jan. 1261 1 ), worin er derselben das Schweriner Recht bestätigte, schon von dessen Vater Heinrich Borwin II. gegründet, also etwa zwischen 1218 - 1226. Ueber die Gründung der Altstadt oder vielmehr, wie es in ältern Zeiten stets heißt, von Alt=Röbel, wissen wir nichts. Den Kern des Ortes bildete aber die fürstliche Burg und die Marien=Kirche, neben welchen sich zur Zeit der Erbauung der Neustadt gewiß nur eine geringe Zahl von Bewohnern auf dem beschränkten Raume angesiedelt hatte, da der Ort noch im 16. Jahrhundert ein unbedeutender Flecken war, dessen Bewohner fast ausschließlich von Fischerei lebten. Die Lage des Ortes scheint eine ziemlich feste gewesen zu sein. Er liegt nämlich inselartig zwischen dem erwähnten Seebusen, welcher denselben von Nordost nach Südost im Halbkreise einschließt und dem kleinen runden Mönchteiche im Westen, welcher seinerseits wieder von einer ziemlich bedeutenden Wiesenfläche eingeschlossen ist,


1) M. U. B. II, Nr. 911.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 118 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die sich in südlicher Richtung, nur durch einen schmalen Landrücken unterbrochen, unter dem Namen Tiefwiesen weit in das Land hinein erstreckt und hier die Grenze der Feldmark Neu=Röbel bildet. Zwischen diesem Mönchteich und dem Müritzbusen sind nur gegen Nordwest und Südwest zwei schmale sumpfige Pässe frei, welche künstlicher Vertheidigungsmittel bedurft haben mögten, besonders an dem Südwest=Passe gegen die Neustadt hin. Grade hier liegt denn auch hart am Ufer des Mönchsteiches ein runder isolirter Hügel, auf welchem jetzt, und mindestens schon seit dem 17. Jahrhunderte, eine Windmühle steht, der aber im Mittelalter, nach dem Zeugnisse des Latomus, die fürstliche Burg trug 1 ). Dieser Burg wird schon im Jahre 1227 urkundlich gedacht 2 ). Sie war der Sitz des Vogtes des nach ihr genannten Landes Röbel 3 ), und später die Residenz einer besondern Linie der Fürsten zu Werle. Die erste Anlage dieser Burg reicht also wahrscheinlich schon in die heidnische Zeit zurück, ob sie aber die alte Gauburg einer slavischen Zupanie gewesen sei, ist gleichwohl zweifelhaft. Das spätere Land Röbel kommt erst nach der Gründung der Stadt vor, weßhalb wir den ursprünglichen Namen desselben nicht mit Sicherheit kennen. Im 13. Jahrhunderte aber dehnte sich dasselbe von Röbel nordwärts längs der Müritz aus, so daß namentlich Zielow im Lande Röbel lag, und wahrscheinlich der Kölpinsee die Nordgrenze bildete. Hier aber liegt zwischen dem Kölpin= und einem kleineren See in einer ausgedehnten, zur Feldmark Lebbin gehörigen Moorfläche ein großer, viereckiger, ohne Zweifel heidnischer Burgwall, welcher sehr wahrscheinlich die alte Gauburg dieser Gegend ist, aber bisher unbeachtet blieb, und noch der nähern Untersuchung und Beschreibung harrt. Der größte Theil dieser alten Vogtei Röbel ging übrigens frühzeitig in den Besitz der Klöster Malchow und Dobbertin über, wogegen dann der östliche Theil des Landes Vipperow zu Röbel, der Rest aber zu der neuerbauten Burg Wenden oder Wredenhagen gelegt ward.

Der zweite für uns noch wichtigere Punkt in Alt=Röbel, welcher der Besprechung bedarf, ist die Marien=Kirche.


1) Latomus, Genealochron. Megapol. ap. Westphal. M. J. IV. p. 234 - 235. - Latomus vollendete seine Chronik 1610, und starb 1613 als Rector zu Parchim. Er war früher Rector zu Neu=Brandenburg und beruft sich bei der Beschreibung der Stadt Röbel wiederholt auf den Augenschein.
2) M. U. B. I, Nr. 344: Vnizlaus, castellanus de Robele.
3) Urk. von 1237 und 1254; M. U. B. I, Nr. 469 und II, Nr. 371.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 119 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Die Zeit ihrer Erbauung ist gleichfalls unbekannt. Der Chor der Kirche ist aber nach dem Urtheile des Archivraths Lisch noch im Uebergangsstyle gebauet und gehört sicher in die Zeit des ersten Ursprungs der Stadt. Nach meiner Vermuthung ist dieser Chor die alte Kirche des der Jungfrau Maria und der heiligen Maria Magdalena geweiheten Nonnen=Klosters, dessen Propst schon 1239 genannt wird, und welches anfänglich sicher auf der Altstadt lag, da es noch 1256, also nach dem Grenzvertrage von 1252, zum Sprengel des Bischofs von Schwerin gehörte, unter welchem der Propst gleich den übrigen Pröpsten der größern Klöster des Landes zugleich das Archidiakonat in einem nicht näher zu bestimmenden Sprengel verwaltete 1 ). Erst auf Veranlassung der Gründung eines Dominikaner=Klosters daselbst im Jahre 1285 wird das Kloster der heiligen Büßerinnen nach der Neustadt verlegt sein, von wo es endlich 1298 nach Malchow übersiedelte, bei welcher Gelegenheit ausdrücklich bemerkt wird, daß die Jungfrauen bisher auf der Neustadt Röbel im Havelbergischen Sprengel gewohnt, und die Dominikaner auf der Altstadt nunmehr den von den Schwestern verlassenen Sitz eingenommen hätten. Dies auf der Neustadt gelegene Klostergebäude ward nach dem Tode des letzten Priors Thomas Lambert im Jahre 1558 abgebrochen, wogegen über das ehemalige Kloster auf der Altstadt keine bestimmten Nachrichten vorhanden sind 2 ). - Unsre Marien=Kirche auf der Altstadt Röbel aber war nach der Sage auf dem heidnischen Burgwalle erbauet, eine Sage, welche Lisch nach Untersuchung der Oertlichkeit für nicht unwahrscheinlich hält, da die Kirche am Nordende der Stadt hart am Ufer der Müritz auf einem ziemlich hohen Hügel liegt, welcher nach allen Seiten scharf abfällt, und daher künstlich aufgeworfen zu sein scheint 3 ). Unter diesem heidnischen Burgwall ist aber nach der Sage keine weltliche Feste, sondern eine Tempelburg zu verstehen. Nach Latomus stand nämlich ehemals an der Außenwand der Kirche


1) Erst im Febr. 1298, kurz vor der Verlegung des Klosters, kommt neben dem Propste ein besonderer Archidiakonus in Neu=Röbel vor. M. U. B. IV, Nr. 2486.
2) Latomus a. a. O. Zu seiner Zeit lag auf der alten Klosterstätte das Haus des Joachim Below, bei dessen Erbauung i. J. 1605 auch die Gräber mehrerer Fürsten zu Werle entdeckt wurden.
3) Vgl. über diese Kirche überhaupt Lisch, Jahrb. VIII, S. 112 ff. und XXI, S. 376 ff., sowie über die Geschichte des Klosters, soweit sie hier berührt ist, M. U. B. I, Nr. 499, II, Nr. 761 und 63, und IV, Nr. 2503 und 2505 - 8.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 120 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

in einer mit eisernem Gitter verwahrten Mauernische der "hölzerne krausköpfige Götze Rabal", von welchem die Stadt den Namen trage, und welcher von dem Volke "in zweifelhaften Dingen wie ein oraculum consultiret" worden sei, worauf derselbe, wenn die Sache einen glücklichen Fortgang gewinnen sollte, dem Fragenden sein Angesicht, auf den widrigen Fall aber den Rücken zugewandt habe. Dies Bild ward nach der Versicherung unsers Gewährsmannes erst bei Menschengedenken entfernt. Der Zusatz aber, daß dies ein von den Priestern geübter Teufelsbetrug gewesen sei, und daß neben dem Bilde, ebenso wie vor dem berüchtigten Marienbilde zu Dargun, auch ein Block gestanden habe, worin der Consultirende sein Opfer steckte, ist offenbar eine protestantische Erfindung 1 ). Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß die Verehrung des Bildes nur heimlich und zur Nachtzeit stattfand, denn nur unter dieser Voraussetzung konnte der Glaube an das Orakel sich halten. Eben so ist der Name des Götzen zuverlässig erfunden, da von einer slavischen Gottheit Rabal durchaus nichts bekannt, und der Name des Ortes Röbel wahrscheinlich von dem Slavischen row, böhmisch hrob: Graben, auch Grab, Gruft, von dem Stamm rygi: graben, abzuleiten ist. Das Böhmische hrob bedeutet aber nicht bloß Grab, sondern namentlich auch den Grabhügel, und ward vielleicht überhaupt von einer künstlichen, mit einem Graben umgebenen Erderhöhung gebraucht. Uebrigens kommen auch die Formen Robal und Reuele statt Robel vor, wonach die Stadt Rewal denselben Namen hat. Dagegen erinnert der Röbelsche Götze unwillkürlich an das vielbesprochene steinerne Bild des Suantevit in der Wittower Kirche bei Arkona.

Ist hiernach die Existenz einer heidnischen Tempelburg in Röbel auf der Stelle der heutigen Marien=Kirche nicht zu bezweifeln, so ist deren nahe Verbindung mit der Feldmark Gneve seit der ersten Zeit der Christianisirung des Landes nicht minder historisch gewiß. Der Ort Gneve war nämlich von jeher nach Röbel eingepfarrt, und zwar nach der Marien=Kirche auf der Altstadt Röbel, obwohl er nörd=


1) Latomus a. a. O. - Daß unter diesem heidnischen Götzen nicht etwa ein einfaches Heiligenbild zu verstehen sei, dafür spricht theils der Ort und die Art der Aufstellung des Bildes, theils das Alter der Sage, welche spätestens 50 Jahre nach dem Tode des letzten Priors von einem wissenschaftlich gebildeten und schon bejahrten Manne gläubig niedergeschrieben ward, und deren Ursprung sicher noch in der katholischen Zeit liegt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 121 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

lich von dem Scheidebache der Schweriner und Havelberger Diöcese lag, und der Weg von dort zur Marien=Kirche mitten durch die Neustadt führte. Dies noch jetzt bestehende Verhältniß wird nicht nur in den ältesten protestantischen Visitations=Protokollen bezeugt, sondern stammt nachweislich aus der rein katholischen Zeit. Schon im Jahre 1498 verkaufte Heinrich Hahn d. A. zu Arensberg wohnhaft den Vicarien des Katharinen=Altars in der Marien=Kirche zu Alt=Röbel, als der Pfarrkirche von Gneve, welches damals im Besitze der v. Hahn war, 5 Mark aus einem Hofe des Dorfes Melz 1 ), und in einer Urkunde vom 13. Jan. 1525 verpfändete die Wittwe des Achim Hahn der Brüderschaft Petri und Pauli zu Röbel eine Hebung von 3 Mark Lüb. aus dem "Dorfe Gnewe, Schwerinschen Stiftes". Diese Ausnahmsstellung des Ortes kann ihren Grund nur in einer uralten Verbindung mit Alt=Röbel und der dortigen Kirche haben, und damit stimmen auch die politischen Verhältnisse des Ortes, der sich schon durch eine ungewöhnliche Ausdehnung seiner Feldmark auszeichnete, vollkommen überein.

Gneve 1 ) wird zuerst in der schon erwähnten Urkunde des Herrn Nicolaus zu Werle vom 21. Jan. 1261 genannt, worin derselbe der Neustadt Röbel das Schweriner Recht bestätigte und die Grenzen der Stadtfeldmark bestimmte. Darnach grenzte dieselbe mit den Dörfern Gneve, Zielow, Zarnow und Kusseke, von wo die Grenze sich aufwärts durch einen Sumpf, die jetzt sogenannten Tief=Wiesen, bis zu dem Mühlenteich von Nedebow herumzog, und weiter an der Scheide der Dörfer Klein= und Groß=Wackstow und Dambek, durch den Gliener See in der Richtung gegen Kelle, wieder zu dem Stadtsumpfe hinab, und durch verschiedene Aecker und Weiden vor der Altstadt, deren Lage nicht genauer zu ermitteln ist, fort lief. Offenbar aber schließt diese Grenze die Altstadt mit ein, was durch spätere Verträge zwischen der Alt=.und Neustadt bestätigt wird, aus welchen hervorgeht, daß die Ländereien im Norden der Altstadt unmittelbar vor dem Stadthore zur Neustädter Feldmark gehörten, und nun


1) Gnew, böhmisch hnew, heißt Groll, Zorn. In einer mittelalterlichen Chronik, die ich anzumerken vergessen habe, wird jedoch der Frauenname Dobragnewa durch "gute Herrin" erklärt. Sollte diese Erklärung sprachlich begründet sein, und die Ortsnamen Gneve, Gnevitz, Gnevetin, Gnewekow, sowie die halbslavischen, halbdeutschen Zusammensetzungen Gnevsdorf und Gnevesmühlen wirklich Herrenorte bedeuten? Vgl. Frank A. und N. M. XIV, 88.
1) Gnew, böhmisch hnew, heißt Groll, Zorn. In einer mittelalterlichen Chronik, die ich anzumerken vergessen habe, wird jedoch der Frauenname Dobragnewa durch "gute Herrin" erklärt. Sollte diese Erklärung sprachlich begründet sein, und die Ortsnamen Gneve, Gnevitz, Gnevetin, Gnewekow, sowie die halbslavischen, halbdeutschen Zusammensetzungen Gnevsdorf und Gnevesmühlen wirklich Herrenorte bedeuten? Vgl. Frank A. und N. M. XIV, 88.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 122 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

erst abgelöset werden mußten. Die Altstadt hatte also zur Zeit noch überall keine besondere Feldmark, was meine obige Ansicht vollkommen bestätigt, daß wir uns unter Alt=Röbel um diese Zeit noch keine besondere städtische Gemeinde zu denken haben. In Betreff der übrigen Grenzbestimmungen bemerke ich nur, daß der Gliensee westlich von der Stadt hart an der Feldmark Kelle liegt, wo auf allen Karten am Südufer eines kleinen länglichen Sees das Gliener Holz verzeichnet ist. Die untergegangenen Dörfer Kussekow und Zarnow aber lagen im Süden der Stadt, so daß Kussekow gegen Westen mit Bollewick und Spitzkuhn, Zarnow nach Osten mit Zielow und Solzow grenzte. Beide wurden im 14. Jahrhundert größtentheils von der Stadt (Zarnow anscheinend theilweise auch von Solzow) erworben und der Stadt=Feldmark einverleibt, von welcher sie jedoch noch im 16. und 17. Jahrhundert durch eine alte Landwehr geschieden wurden, die sich von dem Elsholz an den Tiefwiesen quer zu der Gosenow an der Grenze von Zielow hinüberzog. - Wichtiger aber ist für uns zunächst die Ostgrenze der Stadt, welche nach unsrer Urkunde durch die Feldmarken Gneve und Zielow gebildet ward. Zwischen diesen beiden Dörfern liegt aber jetzt die große Feldmark des Pfarrdorfes Ludorf, dessen in unsrer Urkunde überall noch nicht gedacht wird, und das sich auch durch seinen Namen als eine spätere deutsche Gründung auf einem Theile der Hauptfeldmark Gneve zu erkennen giebt, welche letztere mithin ursprünglich unmittelbar mit Zielow zusammen stieß.

In dieser Ausdehnung ward also die alte Feldmark Gneve gegen Nordwesten von dem erwähnten Röbelschen Müritzbusen, gegen Osten aber, um die hohe, bewaldete Landspitze Steinhorn herum, von der offnen weiten Seefläche der Müritz selbst begrenzt, welche beide Uferstrecken wir später noch genauer durchmustern müssen. Gegen Süden aber ward dieselbe durch die nicht unbedeutenden und noch im vorigen Jahrhunderte meistens bewaldeten Zielower Berge, zwischen welchen häufig kleinere und größere Wiesen und Torfmoore liegen, natürlich abgeschlossen. Unter diesen Höhen ist namentlich die Krieweserborg hervorzuheben, welche sich hart an der Ludorfer Grenze nahe am Seeufer steil erhebt, und nach Acten des 16. Jahrhunderts den Fischern als Wahrzeichen und als Grenzmal der Linie diente, welche den Ludorfer Antheil an der Müritz im Süden von der sogenannten Vipperower Müritz schied, obgleich die Ludorfer Fischer die alte Gerechtigkeit dieses Gutes weit über diese Grenze

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 123 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

hinaus bis in den Mevensee bei Buchholz ausdehnten. Die Lage dieser Krieweserborg bestimmt sich durch das "Griesemoor" und den "Krießkamp", welche auf den spätern Karten am Fuße einer bedeutenden, steilen Höhe grade hinter dem sogenannten "Rothenbaum" am Müritzufer selbst verzeichnet stehen, und deren Namen offenbar aus Krivs verdorben sind 1 ). Dieser Rothebaum ist nämlich der heutige Ausgangspunkt jener Grenzlinie und jene Höhe, hinter welcher auf eben diesen Karten der Name "Düfelsberg" steht, augenscheinlich die alte Krieweserborg selbst. - Im Westen unsrer Feldmark endlich, wo sie mit Röbel zusammenstieß, findet sich dagegen eine solche natürliche Grenzlinie nicht, wie solche jenseits dieser letztern Feldmark in den ausgedehnten Sümpfen der Tiefwiese so bestimmt ausgeprägt ist, ein Umstand, welcher wohl geeignet scheint, die Vermuthung zu unterstützen, daß die ganze Feldmark Gneve ursprünglich unmittelbar zu dem Gebiete der alten heidnischen Tempelburg gehörte, und mit der Stadtfeldmark vereinigt den die Burg umschließenden heiligen Hain bildete. Ja, unter dieser Voraussetzung scheint es nicht unmöglich, daß die oben bezeichnete alte Landwehr, welche aus einem Walle von bedeutender Höhe und einem doppelten Wassergraben bestand, schon aus dieser heidnischen Zeit stammt, da der Rath der Stadt die Bezeichnung derselben als ehemalige Stadtgrenze schon im 16. Jahrh. entschieden zurückwies, und den Ursprung, sowie die eigentliche Bedeutung derselben nicht mehr kannte.

Diese Darstellung der Verhältnisse wird nun durch die spätere Geschichte des Ortes Gneve mindestens in soweit bestätigt, als derselbe schon nach den ältesten Nachrichten, welche wir darüber besitzen, wirklich kein gewöhnliches Dorf, sondern ein fürstlicher Hof war, der unmittelbar zu der Burg und damaligen Residenz Röbel gehörte. Seit der besprochenen Privilegienbestätigung und Grenzbestimmung der Stadt Röbel von 1261 wird nämlich des Ortes Gneve volle 100 Jahre hindurch nicht wieder gedacht. Erst bei den Verhandlungen über die Verpfändung des Schlosses und Landes


1) Dieser Name ist anscheinend wieder nur eine Contraction aus Kriwitz, da die slavische Endung itz in der Volksmundart in der Regel zu einem bloßen - s abgeschliffen wird. So heißt auch die heutige Stadt Criwitz bei dem dortigen Landvolk nur Criews, ebenso Garws statt Garwitz, Lews statt Lewitz u. s. w. Auch der Familienname Crivitz kommt in Röbel früh vor. - In welchem Zusammenhange aber diese Oertlichkeit, deren Namen gleichfalls auf eine heidnische Gottesverehrung hinweisen, mit den Heiligthümern in Röbel und Gneve gestanden haben mögen, muß ich dahingestellt sein lassen.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 124 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Röbel durch den Fürsten Bernhard zu Werle an den Herzog Albrecht zu Meklenburg im Jahre 1362 tritt derselbe wieder hervor, und zwar als fürstlicher Hof und Hauptort des Leibgedings der Gemahlin des Fürsten, den dieser nebst den dazu gehörigen Dörfern Zarnow, Semzin, Solzow, einem Antheile in Vipperow, Meltz, Bockholt und 7 Hufen in Priborn ausdrücklich reservirte 1 ), was der Herzog seinerseits nicht nur im Allgemeinen anerkannte, sondern auch gelobte, die Fürstin nicht an dem Genusse dieser Güter hinderlich zu sein. Die Bestellung dieses Leibgedings wird bereits im Jahre 1341 geschehen sein, wo der Fürst Bernhard sich mit der Gräfin Elisabeth von Holstein=Plön vermählte. Bernhard starb 1378, seine Wittwe lebte aber noch am 10. August 1391, als die Herzoge Johann, Ulrich, Albrecht und Rudolf von Stargard, als ihres Oheims Albrechts II. Nachfolger in dem Pfandbesitze des Landes Röbel, dasselbe an die v. Grambow auf Sietow verafterpfändeten, wobei sie das Leibgeding der fürstlichen Wittwe wiederum ausdrücklich ausnahmen, und sich dessen Heimfall nach dem Tode der Wittwe reservirten. Dieser Fall wird etwa um das Jahr 1400 eingetreten sein, indem die Herzoge Johann und Ulrich die ihnen "von der edlen Frau Elzeben, Herren Bernds ehelichen Frau, angestorbenen Güter" dem Ritter Claus Hahn auf Damerow zuerst in einer undatirten, aber in dieser Zeit gehörigen Urkunde auf Lebenszeit, dann aber am 14. August 1410 als erbliches Lehn überwiesen 2 ).

Die Fürstin Elisabeth war also über ein halbes Jahrhundert im Besitze ihres Leibgedings, und während dieser Zeit wird der Ort Ludorf auf der Feldmark Gneve gegründet sein. Nach der in dem Thurmknopfe der dortigen Kirche aufgefundenen Urkunde, welche jedoch nur noch in Abschrift vorhanden ist, ward nämlich die in architektonischer Beziehung sehr merkwürdige, der Jungfrau Maria und dem heiligen Laurentius geweihete Kirche am 8. Mai 1346, also 5 Jahre nach der Vermählung Elisabeths mit


1) - "bebaluen vses wyues lifgedingh, als den hof to Gnewe, dat dorp to Cernowe, Semsin, Solsowe, Wypperowe des wy dar hebben, Meltze, Bokholte vnd souen houen, de wy dar hebben to Priborn". Lisch, Jahrb. XIII. 192 ff., und Urk. Nr. 40 S. 326. - Später wird auch Solzow als Hof bezeichnet, der vermuthlich durch das Kloster Amelungsborn angelegt war, welches hier früh Grundbesitz erwarb, und schon 1291 namentlich einen auf einer Insel gelegenen Hof mit 3 Hufen zu Solzow, 1 Hufe in Vipperow und 5 Hufen in Priborn besaß. M. U. B. Nr. 2110.
2) Lisch, Jahrb. XIII, 194 und Urk. Nr. 44 und 45 S. 333 ff.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 125 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dem Fürsten Bernhard, von dem Bischof Burchard zu Havelberg geweihet 1 ), und war mit 2 Hufen in Ludorf, 3 Hufen in Priborn und 2 Mark Hebungen in Zielow dotirt. Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieser Kirchenbau mit der Gründung des Ortes selbst, der hier zum ersten Male genannt wird, zusammenhängt, und daß die Fürstin Elisabeth als die Gründerin desselben zu betrachten ist 2 ). Daß die Kirche von dem Havelberger Bischofe geweiht ward, obwohl Gneve zum Schweriner Sprengel gehörte, kann kaum auffallen, da die Feldmark doch immer auf der Havelberger Seite der vereinbarten Grenzlinie lag, und wenn in dem Grenzvertrage gleichwohl das einmal bestehende Parochialverhältniß des Ortes Gneve zur Marien=Kirche in Röbel auch für die Zukunft anerkannt war, so schien daraus nicht nothwendig zu folgen, daß nun auch die dort neugegründete Pfarre gleichfalls ohne weiteres dem Bischof zu Schwerin unterworfen sei. Jedenfalls ist ein neuer Vergleich, wodurch die Ansprüche des Bischofs von Havelberg Anerkennung gefunden, sehr begreiflich. Uebrigens war die neue Kirche so schwach dotirt, daß sie kaum jemals als wrklich selbstständige Pfarre bestanden haben dürfte, vielmehr ward dieselbe schon früh mit Röbel combinirt, und zwar nicht mit der zunächst liegenden Nicolai=Kirche auf der Neustadt, sondern wiederum mit der Marien=Kirche zu Alt=Röbel, die dadurch doch gewissermaßen als eigentliche Mutterkirche anerkannt ward. - Nach dem Tode der Fürstin Elisabeth wird Ludorf zunächst mit dem Hofe Gneve und den übrigen Leibgedingsörtern ein Lehn der v. Hahn geworden sein. Ludorf wird indeß vor dem Ende des 15. Jahrhunderts nicht wieder genannt, und war damals im Besitze des in dieser Gegend reich begüterten, jetzt erloschenen Geschlechtes der Morine. Die alte Verbindung des Ortes mit dem ehemaligen fürstlichen Hofe Gneve, der nun nach der Trennung von Ludorf zu einer kleinen Meierei der v. Hahn auf Solzow herabsank, ist aber noch heute an der wichtigen Fischereigerechtigkeit erkennbar, welche Ludorf von jeher auf einem bedeutenden Theile der Müritz ausgeübt hat, und die ganz unzweifelhaft ursprünglich


1) Jahrb. XXV. 308.
2) Ludorf hat seinen Namen vielleicht von dem angrenzenden Bruche, wendisch loug, welches Wort in der Form Luch und Luh auch von den eingewanderten Deutschen beibehalten ward, und in den Acten häufig vorkommt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 126 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

dem Hofe Gneve zugestanden hatte, und mit diesem auf die v. Hahn übertragen war 1 ).

Die Ausübung dieser Fischerei geschah aber nicht unmittelbar von dem Hofe zu Ludorf aus, sondern durch die Fischer zu Morin, einem kleinen, in der heutigen Ludorfer Feldmark untergegangenen Orte am Ufer der Müritz, in welchem die mit der Tempelburg offenbar in nächstem Zusammenhange stehende wendische Fischercolonie, die wir in allen bisher besprochenen Schwerinen wiederfanden, nicht zu verkennen ist. Der Ort wird zwar erst im 15. Jahrhundert urkundlich genannt, ist aber sicher eine alte wendische Gründung, wie schon der slavische Name Morin, später gewöhnlich Marin gesprochen, beweist, der, wie die Müritz selbst, von dem slavischen mor: See abzuleiten ist, und etwa Seedorf bedeutet. Auch wird derselbe wiederholt als Alt=Morin im Lande Röbel bezeichnet, im Gegensatze zu dem Neu=Morin im ritterschaftlichen Amte Neustadt, welches gleichwohl bereits im Jahre 1304 urkundlich vorkommt. Unser Alt=Morin wird also dem schon im 13. Jahrhunderte in der Gegend von Röbel, namentlich in Kelle, angesessenen Rittergeschlechte der Morine, welches anscheinend zu den ältesten Burgmannen von Röbel selbst gehörte, den Namen gegeben haben. Das ursprüngliche Verhältniß dieses Geschlechtes, welches seit Ende des 15. Jahrhunderts auch im Lehnsbesitze von Ludorf war, zu dem Stammorte Morin ist freilich nicht mehr zu ermitteln. Vielleicht bekleidete der Stammvater das Amt eines fürstlichen Vogtes oder Wademeisters daselbst, worauf die drei Angelhaken in dem Geschlechtswappen hinzudeuten scheinen 2 ). Im 16. und 17. Jahrhundert, wo wir Ludorf unter den zwei Linien des Geschlechtes getheilt finden, wird neben dem Hofe zu Ludorf noch ein besonderer Hof Morin genannt, welcher auf einer Horst am Seeufer, nordöstlich von Ludorf, lag und landwärts von einem bedeutenden Bruche eingeschlossen ist. Diese Horst ist nämlich auf der oft genannten


1) In der Urk. von 1410 werden dem Nicolaus v. Hahn alle zu den betreffenden Gütern gehörigen Pertinenzien und Gerechtigkeiten, namentlich "an Wassern, Wadenzügen und Fischereien, wie dieselben von altersher dazu gelegen hätten", wiederholt und mit ungewöhnlichem Nachdrucke zugewiesen.
2) Jahrb. VIII, 113 und XVII, 384. Lisch war anfangs zwar geneigt, das Wappenbild nach der unklaren Abbildung auf einem Leichenstein von 1412 für Sturmhaken zu halten. Nach der Entdeckung der Wandgemälde in der Marien=Kirche aus dem 14. Jahrhundert, wo das Wappen gleichfalls abgebildet ist, erkannte er darin entschieden Angelhaken.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 127 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Wiebekingschen Karte als der Kamp am Alten Hof bezeichnet, während die erwähnte sumpfige Niederung teils das "Steinhorn=Bruch", theils das "Althöfer Bruch" genannt wird. Nach Inventarien des 17. Jahrhunderts scheint dieser "Mariner Hof" sogar der eigentliche alte Rittersitz von Ludorf gewesen zu sein, wogegen in Ludorf selbst, d. h. auf dem festen Boden jenseits jenes Althöfer Bruches, wo die Kirche stand und die ehemaligen fünf Bauern wohnten, damals nur eine Schäferei lag.

Die heutige Meierei Gneve liegt an dem Röbelschen Müritzbusen westlich von der Halbinsel Schwerin; der alte Fürstenhof wird aber unmittelbar vor derselben gelegen haben. Zwischen dieser Meierei und dem Schwerin zeichnet die Wiebekingsche Karte in einer Wiese am Seeufer einen viereckigen Kamp mit dem Namen Swisow=Kamp, vielleicht von Zwissjm: erhöhen, Zwissenj: Erhöhung, also ein künstlich erhöheter Platz? Der Schwerin selbst ist jetzt eine lange schmale Insel, welche mit der südlichen scharfen Spitze gegen das Land stößt und sich in nordöstlicher Richtung in die Müritz hinaus erstreckt. Er besteht größtentheils aus Wiesenboden, in welchem nur zwei feste Horste liegen, die als der große und der kleine Schwerin bezeichnet werden. Der Spiegel des Sees stand aber actenmäßig in ältern Zeiten bedeutend tiefer, bis er am Ende des 17. Jahrhunderts, durch verschiedene Mühlenanlagen in der Elde aufgestauet, allmählig stieg und die niedrig gelegenen Ufer überschwemmte. Im Frühling des Jahres 1714 aber richtete der in Folge eines anhaltenden Sturmes um mehrere Fuß angeschwollene See ringsum an allen Ufern ungeheure Verwüstungen an, indem er alle Dämme überfluthete und auch das feste Land mit seinen steilen Ufern auswusch, so daß es ins Wasser stürzte. Aus dem Protokolle der zur Untersuchung des durch diese Sturmfluth angerichteten Schadens niedergesetzten Commission geht hervor, daß dadurch namentlich auch unsere Gegend hart mitgenommen ward. So waren z. B. die Wälle des Alten Hofes Solzow, welcher gleichfalls auf einer landwärts von Brüchen eingeschlossenen Höhe am Seeufer lag, größten Theils eingestürzt, und in Ludorf standen nicht nur das Steinhorn= (und Altehof=) Bruch bis zur Sohle des Wohnhauses, sondern auch die festen Horste am Seeufer unter Wasser. In Röbel waren die Stadtmauern auf 60 bis 70 Ruthen über den Haufen geworfen, daß nur die Trümmer aus dem Wasser hervorragten, der Fuß des Berges, worauf die Marienkirche liegt, - unsre Tempelburg - war unterwaschen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 128 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

und theilweise eingestürzt, die Kirche selbst hatte im Giebel und Altarchor bereits Risse bekommen, und sogar die Windmühle hinter der Stadt - auf dem alten Schloßberge - drohte den Einsturz. Bei dieser Gelegenheit ward denn auch der Schwerin, welcher früher mit dem festen Lande zusammenhing und als Vieh=, namentlich Pferdeweide diente, in eine völlige Insel verwandelt, nachdem schon früher die niedriger gelegenen Wiesenflächen, namentlich zwischen dem Festlande und der zunächstliegenden Horst des Schwerins, überschwemmt waren, wie die Commission aus den dort im Wasser stehenden alten Baumstümpfen erkannte. In neuern Zeiten ist nun zwar durch die Schiffbarmachung der Elde vieles zur Senkung der Müritz geschehen, noch aber hat dieselbe den frühern Wasserstand nicht wieder erreicht. Es ist daher historisch sicher, daß unser Schwerin in älterer Zeit einen bedeutend größern Umfang hatte und unmittelbar mit dem Festlande zusammenhing. Doch wird in den Acten eines wahrscheinlich künstlichen Canales gedacht, welcher sich quer durch die Niederung vor der Halbinsel zog, und "de Perdebek" (Pferdebach) genannt ward, ein Beweis, daß der Schwerin noch in der christlichen Zeit als eigentliche Pferdehütung diente, wenn nicht etwa auf dem fürstlichen Hofe Gneve, welcher auf der Wiebekingschen Karte grade hier in dieser Niederung unter dem Namen "Alter Hof" verzeichnet steht, noch zur Zeit der in Röbel residirenden Linie der Herren von Werle eine wirkliche Stuterei bestanden haben sollte.

Weiter östlich vom Schwerin wendet sich das bisher längs des Röbelschen Busens von Südwest nach Nordost streichende Seeufer in einem scharfen Winkel gegen Norden, und bildet dadurch eine parallel mit dem Schwerin gleichfalls weit in den See hinausragende, halbinselartige Landspitze, welche den Namen Steinhorn führt. Die äußerste Spitze dieser, landwärts durch den schon genannten Steinhornbruch abgeschlossenen Halbinsel hebt sich zu einer nicht unbedeutenden, steil in den See abfallenden, mit Laubholz bestandenen Höhe, welche jetzt, wie die Kriweserborg an der Grenze von Zielow, den Fischern als weithin sichtbares Wahrzeichen dient, und von wo aus jetzt die nördliche Grenzlinie des Ludorfer Antheils an der Müritz gezogen wird, wogegen die Fischerei in der Röbelschen Bucht an dem Ufer des Dorfes Gneve um den Schwerin herum schon zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Gegenstand des Streites war, und jetzt ganz fürstlich ist. Am Fuße dieser hervorragenden Waldhöhe zwischen jenem Bruche und dem See nach dem Schwerin hin,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 129 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

findet sich auf unsrer Karte unter dem Namen "Blederborg" eine kleinere Erhöhung verzeichnet, durch welchen Namen man fast wider Willen an die merkwürdige Fliederburg des Pustekat bei der Bölkower Tempelburg erinnert wird. Und in der That ist es überaus wahrscheinlich, daß statt des schwer zu erklärenden Blederborg Flederborg zu lesen ist, zumal unsre aus Copien alter Gutskarten in verkleinertem Maaßstabe zusammengesetzte Karte grade auf dem Ludorfer Felde mehrere entschiedene Lesefehler zeigt, z. B. Gose=Naar statt Gosenow, und Kovennow statt Wunnow. Sollte sich diese Vermuthung bestätigen, so würde meine ganze Auffassung über die Bedeutung nicht nur des Röbelschen, sondern aller Schwerine überhaupt über jeden Zweifel erhoben werden und unumstößlich feststehen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

7.
Die übrigen Schwerine Meklenburgs und der Nachbarschaft.

Außer den bisher beschriebenen Schwerinen soll es noch eine oder vielleicht zwei Oertlichkeiten in Meklenburg geben, welche diesen Namen führen, worüber ich aber zur Zeit nicht genauer unterrichtet bin. Am meisten Aufmerksamkeit scheint der Schwerin bei Lütgendorf im heutigen ritterschaftlichen Amte Lübz zu verdienen, da die ganze Umgebung desselben mit den beschriebenen Heiligthümern dieses Namens wiederum eine auffallende Aehnlichkeit hat. Nur wenige Ruthen nördlich von dem ziemlich bedeutenden Jabelschen See, welcher seinen Ablauf südlich in den Kölpin=See hat, liegt die südliche Spitze des bei weitem kleineren Leppinschen Sees, dessen Wasser nördlich durch den kleinen Wirkhagen= und Borg=See, und weiter durch den langgestreckten Tiefsee bei Alt=Gartz und den Düstersee bei Lütgendorf, endlich durch die Peenesümpfe in den großen Malchiner See abfließt. Diese lange Seekette wird im Alterthum mit einzelnen geringen Abweichungen die Grenze der Gaue Nord=Malchow (Zaretze) und Waren gebildet haben, welche beide zu dem Schweriner Bischofssprengel gehörten, wogegen in politischer Beziehung Malchow sicher einen Theil der Herrschaft Moritz bildete. Waren aber mit größerer Wahrscheinlichkeit ursprünglich zu der Herrschaft Tholense zu rechnen ist, obwohl sich die Frage nicht mit Sicherheit entscheiden läßt.

Westlich von dieser langen Seekette, dem Tiefsee und dem Düstersee gerade gegenüber, liegen parallel mit diesen

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 130 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die durch die Nebel gebildeten und miteinander verbundenen Wasserbecken des Kratzer=, Cramoner=, und Orth=Sees, welcher letztere zugleich einen kleinen, aus einer Niederung nahe am Düstersee entspringenden und von Osten nach Westen fließenden Bach in sich aufnimmt. In gleicher Richtung fließt von hier ab nach einer rechtwinklichen Wendung die Nebel durch den Hohen=Wangeliner= und Linstower= in den Krakower=See, und bildet bis zu ihrer Mündung in den letztern die Grenze zwischen den Sprengeln der Bisthümer Schwerin und Camin, welche zugleich mit der Völkergrenze der Herrschaften Moritz (Gau Zaretze) und Circipanien zusammenfällt.

Der zwischen diesen beiden Seeketten liegende Raum, welcher nach Norden durch den gedachten kleinen Orthbach, nach Süden durch waldige Höhen abgeschlossen ist, und etwa 1/8 Quadratmeile umfaßt, bildet eine völlig dorflose Fläche, welche zu den hart an den Seeufern liegenden Dörfern gehört, und zwar zum bei weitem größeren Theile zu Lütgendorf und Alt=Gaarz an dem Düster= und Tiefsee. Namentlich hat Lütgendorf eine ausgedehnte Feldmark, welche jetzt in zwei Hälften getheilt ist, von denen die nördliche Hälfte zu dem Ritterhofe am Düstersee, die südliche zu dem Kirchdorfe am Tiefsee gehört. Diesem Ritterhofe Lütgendorf gegenüber liegt nun mitten in dem Düstersee eine Insel, welche auf der Wibekingschen Karte die Burginsel heißt und auf welcher auch ein Burgwall gezeichnet ist, die aber von den Bewohnern dieser Gegend der Schwerin genannt werden soll. Leider ist mir diese Nachricht, die ich für sicher halten darf, erst während des Druckes der gegenwärtigen Abhandlung zugegangen, so daß ich keine eigenen Forschungen darüber anstellen konnte und nicht einmal mit Sicherheit anzugeben vermag, ob die Insel wirklich zu der Feldmark Lütgendorf, oder zu dem am entgegengesetzten Seeufer liegenden Sophienhof gehöre 1 ). Ich muß daher weitere Forschungen vorbehalten, welche namentlich auch über die Pfarre zu Lütgendorf zu erstrecken sein werden, unter welchem, für eine so große Feldmark sehr auffallenden Namen, ich fast die alte Pfarre Martinsdorf vermuthen mögte, die nach dem Grenzvertrage zwischen den Bischöfen von Schwerin und


1) Nach der Karte scheint die Insel grade in der Scheidelinie zu liegen. Die Grenze war aber früher vielleicht streitig, da auch der nördlich von der Insel gelegene Theil des Sees der Streitsee genannt wird.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 131 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Camin vom 6. März 1260 1 ) im Lande Malchow lag und demzufolge als zu dem Bisthume Schwerin gehörig anerkannt ward. Der Name Martinsdorf kommt nämlich seitdem nicht wieder vor, der Ort ist aber sicher in unsrer Gegend zu suchen, da das Land Malchow nur hier auf einer kurzen Strecke zwischen dem Malchiner und dem Krakower See mit dem Bisthum Camin grenzte, weßhalb die Vermuthung nahe liegt, daß der Name der Orte Kirch= und Hof=Lütgendorf ehemals vollständig Groß= und Klein=Martinsdorf gelautet habe. Der heilige Martin, mit dessen Fest der Winter beginnt, ist aber gleich dem heiligen Nicolaus in der deutschen Sage oft der Stellvertreter des heidnischen Kriegsgottes Wodan, was wiederum zu unsrer Tempelburg vortrefflich passen würde. Auch Gaartz am Tiefsee scheint bedeutungsvoll. Der wendische Name entspricht dem böhmischen hraz: Damm, vielleicht eine Contraction aus Garditz, böhm. hradec, eine kleine Burg, die Deminutivform von gard, böhm. hrad: Burg 2 ). Das würde an die Vorburg am Mönchteich bei Röbel erinnern. Endlich mag vorläufig auf den Namen eines Gehölzes bei den Quellen des gedachten Orthbaches aufmerksam gemacht werden; dies Gehölz ist auf der Karte als der Wald am "Kreuz=Remel" bezeichnet.

Noch weniger weiß ich von dem zweiten, hier vorläufig nur einfach zu verzeichnenden, angeblichen Schwerin an der obern Warnow. Eine Waldung in der Gegend von Holzendorf oder Müsselmow soll nämlich gleichfalls den Namen Schwerin oder Schweriner=Wald führen. Das ist alles, was ich zur Zeit über die Oertlichkeit erfahren konnte. Die Gegend scheint keine der Eigenthümlichkeiten der übrigen Schwerine zu besitzen, und die zweite mir überlieferte Form des Namens scheint einige Zweifel an der Alterthümlichkeit und Aechtheit desselben wohl zu rechtfertigen.

Sicherer sind in dieser Beziehung unsre Nachrichten über dem gleichfalls als Wald bezeichneten Schwerin bei Lübeck, hart an der meklenburgischen Grenze. Lisch hat schon im Jahre 1840 3 ) darauf aufmerksam gemacht, daß auf einer Original=Karte des Mathematikers Tilemann Stella ungefähr aus dem Jahre 1560, welche im hiesigen Archive aufbewahrt wird, am rechten Ufer der Trave vor der Stadt Lübeck eine


1) M. U. B. II, Nr. 857 und 858.
2) Vgl. Cod. Dipl. Pomer. I, p. 662 und p. 464, wonach der Ort Gardist, Gaarz bei Greifswalde in einer Urk. v. 1241 als antiquum castrum bezeichnet wird.
3) Jahrb. V, S. 225.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 132 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bedeutende Waldung gezeichnet sei mit der Beischrift: "der Schwerin, ein Walt". Dieser Wald bedeckte den ganzen Raum innerhalb des Halbkreises, den die Trave zwischen Lübeck und Schlukup bildet, und in welchem auch das Dorf Israelsdorf liegt. Seitdem hat das Lübecker Urk. B. ältere, wenngleich nur gelegentliche Nachrichten aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts über diese Oertlichkeit gebracht, die interessante Aufschlüsse geben. In einer Aufzeichnung über die Verfolgung und Tödtung von Straßenräubern während der Zeit des Vogtes Lütke Konrad zu Lübeck, 1300 - 1320, wird z. B. die Tödtung zweier Verbrecher bei dem Schwerin berichtet, welche zur Nachtzeit ein Pferd von der Weide gestohlen hatten. Ferner wurden bei Klein=Schwerin drei Kerle getödtet, welche bei Nachtzeit 4 Pferde von der Schönboker Weide gestohlen hatten und bei dem Einsiedlerhofe über die Trave geschwommen waren, und noch in einem andern Falle wurden 4 Räuber ohne Zweifel aus ähnlichen Gründen bei Schwerin getödtet 1 ). Ebenso wird in einer Aufzeichnung von 1305 - 1307, sowie in einer Berechnung der Wiesenpächte im Osten der Stadt von 1307, und dem Kämmereibuche von 1316 - 1338 einer Stadtwiese bei Schwerin gedacht, welche beziehungsweise mit 1 und 4 Mark Pacht berechnet wird 2 ). Wenn die Herausgeber (im Index) diesen Schwerin bestimmt als den Wald bei Israelsdorf bezeichnen, so ist das gewiß vollkommen richtig, da die aufgezeichneten Verfolgungen der Straßenräuber sich nicht über die nächste Umgebung der Stadt hinaus erstreckten, und die bezüglichen Wiesen ja ausdrücklich als im Osten der Trave, d. h. auf dem rechten Ufer gelegen, bezeichnet werden, also grade dort, wo nach der Tilemannschen Karte der Wald dieses Namens lag. Hätte es hier zugleich einen bewohnten Ort, Dorf (villa) oder Hof (curia) gegeben, so würde dies, wie in andern


1) Lüb. U. B. II, Nr. 401, p. 351: a. "II malefactores apud Swerin fuerunt interfecti, qui spoliaverunt equum vnum in pascua tempore nocturno". - b. "III. fuerunt interfecti apud parvam Swerin, qui IV. equos spoliauerunt tempore nocturno in pascua Schoneboke et apud curiam eremiti transnatauerunt". - c. "III. apud Swerin fuerunt interfecti".
2) Lüb. U. B. II, 2. Nr. 1093, p. 1036: "Reimerus messor tenetur IV. marc. de prato prope Swerinsam". - Nr. 1095, p. 1043: "In parte orientali Trauene: Pratum sub Swerine soluit IV marc.: Segebode Crispin et Hildemarus". - Nr. 1098. p. 1065, Note 52; Census pactorum: "Prata ad orientem: - - Sub Swerina Henricus Traueman dat vnam marcam".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 133 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ähnlichen Fällen, ohne Zweifel ausdrücklich hinzugesetzt sein; Wiesen und Weiden aber werden dem Schwerin im Allgemeinen bestimmt als bei und in (sub) demselben gelegen entgegengesetzt. Es ist also der Wald selbst gemeint. Andererseits ist speciell von dem kleinen Schwerin die Rede, was noch einen zweiten großen voraussetzt, so daß wir es mit zwei bestimmt begrenzten Waldungen zu thun haben, die nach Westen von der erwähnten Krümmung der Trave eingeschlossen werden, deren östliche Grenze ich aber nicht zu bestimmen vermag. Interessant ist ferner, daß die Wiesen und Weiden des Waldes, wie sich aus den ersten Aufzeichnungen ergiebt, zu Anfang des 14. Jahrhunderts vorzugsweise als Pferdeweide benutzt wurden, und der Raub dieser Thiere zur Nachtzeit ohne Umstände mit dem Tode bestraft ward. Nicht minder interessant ist die Erwähnung des Einsiedlerhofes an der Trave in der Nähe von Schönbok. Dieser Ort scheint dem Kloster Reinfeld gehört zu haben, da die Stadt nach einer Aufzeichnung von 1338 für die Besserung des Weges im Schoneboke 10 Mark an das Kloster zahlte. An andern Stellen werden die Dörfer Padeluchge, Schonenbok und Slucop zusammen genannt 1 ). Schonebok ist also das heutige Schönenböck bei Padelügge auf der linken Seite der Trave und der Einsiedlerhof lag nach einer Mittheilung von Lisch auf der Stelle des heutigen Vergnügungsortes Einsegel am Ufer des Flusses nahe unterhalb der Stadt Lübeck. Zu erwähnen ist endlich noch, daß die Tilemannsche Karte gleichfalls hart am linken Ufer der Trave, in der Nähe der Fähre auf der Straße nach Travemünde, eine Wiek verzeichnet, was auf eine alte Burg hinweiset. Nach allem diesen scheint es mir sicher, daß wir es auch hier wirklich mit einem wendischen Heiligthume zu thun haben. Stand dasselbe etwa mit der berühmten wendischen Burg Buku, Bucowicz, der Residenz des Königs Kruto und Heinrichs des Obotriten, dem Kern der deutschen Hansestadt Lübeck, in Zusammenhang? Diese, und viele andere Fragen, die sich aufdrängen, muß ich der Forschung der Lübecker Freunde der Alterthumskunde zur Beantwortung überlassen.

Weiter entfernt liegen uns die brandenburgischen Dörfer Schwerin im Reg.=Bez. Potsdam, 3 1/2 M. nordwestlich von Beeskow, und ebendaselbst 5 M. südsüdöstlich


1) Lüb. Urk. B. II, 1. Nr. 679, p. 631. - II, 2. Nr. 1093. 2, p. 1038 u. 3, p. 1041. - II, 2. Nr. 1098, p. 1069 u. 1071.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 134 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

von Teltow, obwohl sie gleichfalls noch zum Gebiete der Ostsee=Wenden gehören. Ebenso die Dörfer Zwirenz in der Waldung Stubnitz auf Jasmund und Zwirnitz in Pommern, 1 1/2 M. von Polzin, deren Namen der Adjectivform Zwiriniza sc. obora, d. i. Thiergehege, genau entsprechen 1 ). Ganz außerhalb unsers Gesichtskreises aber liegt die polnische Stadt Schwerin an der Warta in dem heutigen Reg.= Bez. Posen.

zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

8.
Seitenblicke auf Rethra und Arkona.

Die bisherige Untersuchung geht überall, ohne strengen Beweis, von der Ansicht aus, daß die wendischen Heiligthümer, welche den Namen Schwerin führten, vorzugsweise oder ausschließlich dem Kriegsgotte geweiht gewesen seien. Ein solcher Beweis ist auch selten zu führen, unsre Voraussetzung war aber gleichwohl keine willkürliche. Sie beruhete namentlich darauf, daß das in unsern heiligen Hainen gehegte Roß in der germanischen, wie in der slavischen Mythologie das heilige Thier des Kriegsgottes war, das bei der eigenthümlichen Verehrung dieser Gottheit eine wichtige, ja die Hauptrolle spielte, und diese Ansicht fanden wir überall durch die an unsern Heiligthümern haftenden Sagen bestätigt. Nun sind uns aber ziemlich ausführliche, historisch sichere Nachrichten über zwei berühmte wendische Heiligthümer, Rethra und Arkona, erhalten, welche beide gerade dem Kriegsgotte geweiht waren, weshalb wir nicht stillschweigend an ihnen vorübergehen dürfen, ohne wenigstens einen forschenden Seitenblick auf dieselben zu werfen.

Was nun zunächst Rethra betrifft, so kann es mir nicht einfallen, hier die ganze, seit einem Jahrhunderte schwebende Untersuchung über die Lage dieses berühmten Tempels, mit allem, was daran klebt, kritisch zu revidiren und den Streit mit ausführlicher Darlegung der Gründe und Gegengründe womöglich zur endlichen Entscheidung zu bringen. Ich beschränke mich vielmehr auf die einfache Feststellung meines Standpunktes zu demselben, um daran die nöthigen Bemerkungen über die Eigenthümlichkeiten dieses Heiligthums


1) Cod. Dipl. Pom. I, p. 69. Das Dorf Schwerin im Regierungsbezirk Stettin, 2 3/4 M. südlich von Regenwalde, ist dagegen das von unsern Grafen von Schwerin gegründete Neu=Schwerin im Lande Doberen. Jahrb. XI, 89.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 135 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

zu knüpfen, und dasselbe mit unsern Schwerinen, wie wir dieselben nunmehr kennen gelernt haben, zu vergleichen.

Im Allgemeinen, freilich mit Ausnahme einer der bedeutendsten Autoritäten, Giesebrechts, ist man gegenwärtig darüber einverstanden, daß die von Thietmar von Merseburg im Jahre 1012 beschriebene Tempelburg Riedegost im Gaue Riedierun, deren Hauptgottheit er Zwarasici nennt, und die im Lande der Redarier gelegene Stadt Rethra mit dem Tempel des Redigast, welche Adam von Bremen um 1075 beschrieb, eine und dieselbe Oertlichkeit ist, möge nun die Angabe Thietmars einfach auf einer Verwechselung der Namen des Tempels und der Gottheit beruhen, oder der alte Tempelname wirklich erst später als Beiname auf die Gottheit selbst übertragen worden sein. Jedenfalls steht wenigstens für diese spätere Zeit aus andern unabhängigen Quellen fest, daß der Name Radegast wirklich eine Gottheit bezeichnete. Auch darüber ist man einverstanden, daß die Tempelstätte am Ufer des Tollenser Sees, wo der Sitz der Redarier urkundlich nachgewiesen ist, zu suchen sei. Demnach fand die schon von Latomus ausgesprochene Ansicht, daß die Burg bei dem heutigen Dorfe Prillwitz an der westlichen Spitze des genannten Sees, oder richtiger der damit zusammenhängenden kleinen Lieps, gelegen habe, unter verschiedenen Modificationen allmählich immer allgemeineren Beifall. Auch Lisch hat sich zustimmend dafür ausgesprochen, aber nur beiläufig, und zu einer Zeit, wo es an Erfahrungen über die Lage und die Bauart der wendischen Befestigungen noch gänzlich fehlte 1 ), und hauptsächlich gestützt auf seine Interpretation der von ihm zuerst nach dem angeblichen Originale veröffentlichten Stiftungsurkunde des Klosters Broda von 1170, worin des Gaues Raduir gedacht wird 1 ). Diese im königlichen Archive zu Berlin befindliche Urkunde ist aber nach der neuesten Untersuchung gefälscht 2 ), wodurch freilich ihr Werth für die Topographie dieser Gegend, wenn auch gemindert, doch nicht aufgehoben wird, da die Fälschung jedenfalls vor 1244, wo die Urkunde allen Inhalts wörtlich bestätigt ward, vorgenommen sein muß, ihre Angaben über die betreffenden Oertlichkeiten also mit den wirklichen Verhältnissen der nächst vorhergehenden Zeit, soweit die Erinnerung der damals lebenden Generation zurückreichte, nothwendig übereinstimmen müssen. Das Verhältniß der verschiedenen hier in Betracht kommenden Quellen ist aber durch diese


1) Jahrb. III, S. 21.
1) Jahrb. III, S. 21.
2) M. U. B. IV, p. 238 in der Anmerkung zu Nr. 95 von Wigger.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 136 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Entdeckung wesentlich geändert. - Diese ältere Ansicht ist überdies schon vor dieser Entdeckung durch einen unserer scharfsinnigsten Historiker Franz Boll zu Neubrandenburg im Verein mit seinem als Naturforscher gleich geachteten Bruder Ernst Boll bei Gelegenheit einer naturhistorischen Untersuchung der Tollense, meiner Ueberzeugung nach, siegreich bestritten 1 ). Wenn aber Boll die Tempelstätte seinerseits auf dem sogenannten Bacherwall, einer trocknen Horst auf der Spitze einer sumpfigen Halbinsel der Lieps, dem Dorfe Prillwitz gegenüber, zu suchen geneigt ist, so scheint mir auch dieser Versuch zur Lösung des alten Räthsels verfehlt. Abgesehen davon, daß dieser Bacherwall nur in der Sage existirt, indem gegenwärtig von einem Walle keine Spur zu finden, auch der Name durchaus deutsch ist, und höchstens aus dem Mittelalter zu stammen scheint. 2 ), - glaube ich vielmehr daran festhalten zu müssen, daß die Burg nach Adams Beschreibung auf einer wirklichen, ringsum von tiefem Wasser umgebenen Insel lag, und zwar nach Thietmars Angabe am Westufer des Sees, so daß man aus der zu diesem hinausgehenden Pforte der Burg nach Osten schauete 3 ).

Demnach suche ich die Tempelburg am Westufer des Tollenser Sees, und hier findet sich in der hinter dem Dorfe Wustrow gelegenen Insel ein in jeder Beziehung durchaus geeigneter Platz dazu. Die Geschichte dieses Ortes weiset die Wichtigkeit desselben schon für die älteste Zeit nach. In der erwähnten Urkunde von 1170, wodurch der Fürst Kasimir I. von Pommern dem Domstifte Havelberg den Ort Broda mit einer Menge umliegender Dörfer auf beiden Ufern des Sees zur Gründung eines Klosters schenkte, erscheint Wustrow bereits als eine Burg mit dazugehörigem Dorfe (Wuzstrowe, castrum et villa), während Penzlin (Paculin) noch ein bloßes Dorf war. Diese Schenkung ward von den Herzogen Barnim und Wartislav von Pommern am 27. Mai 1244 wörtlich bestätigt 4 ), und schon 8 Jahre früher erscheint Wustrow als ein eigener Gau, dessen Hauptort


1) Beschreibung der Tollense, und über die Lage von Rethra bei Prillwitz. Archiv für Landeskunde, 1838, S. 4 und 68 ff. Jahrb. XIX, 168.
2) Bach heißt bekanntlich eine wilde Sau, und Bacher ein junger, zweijähriger Eber. Selbst das "Wall" ist vielleicht von walen: wälzen, wühlen abzuleiten.
3) Adam: " Civitas ipsa novem portas habet undique lacu profundo inclusa; pons ligneus transitum praebet" und Thietmar:. - "tercia (porta) ad orientem respicit et minima est, tramitem ad mare juxta positum et visu nimis horribile monstrat".
4) M. U. B. I, Nr. 94 und 563.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 137 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

natürlich die Burg dieses Namens war. In dem Vertrage von Kremmen vom 20. Juni 1236 zwischen den Markgrafen Johann und Otto von Brandenburg und dem Herzog Wartislav von Pommern, in welchem letzterer seine gesammten Länder von den Markgrafen zu Lehn nahm, trat er denselben nämlich zugleich die Länder Stargard, Beseritz und Wostrow eigenthümlich ab 1 ). Dies Land Wostrow ist die spätere Vogtei Penzlin, welchen Namen es annahm, nachdem der Sitz des Vogtes nach der schon von Borwin II. erbauten Burg und Stadt Penzlin verlegt war, was wahrscheinlich erst nach der Bestätigung der Privilegien der Stadt durch Herrn Nicolaus zu Werle am 20. Febr. 1263 geschehen sein wird, da der Ort während der vorhergehenden Kriege überhaupt nicht in Aufnahme gekommen zu sein scheint 2 ). Eine genauere Bestimmung der Lage dieser alten Burg Wustrow findet sich freilich nicht, es bedarf ihrer aber auch nicht, da der Name selbst uns darüber hinreichend belehrt. Wostrow bedeutet, wie wir wissen, Insel. Das Dorf dieses Namens liegt aber vollständig auf dem festen Lande, woraus nothwendig folgt, daß der eigentliche Kern der Anlage, die Burg selbst, an welche sich das Dorf anlehnte und von ihr den Namen empfing, auf der benachbarten Insel gelegen habe. Diese alte slavische Inselburg halte ich denn ganz unbedenklich für die vielgesuchte Tempelstätte von Rethra. Ueber die jetzige Beschaffenheit der Insel weiß ich leider nichts, doch bemerke ich noch, daß in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Haus auf derselben lag, welches - also wahrscheinlich die Insel überhaupt - auffallender Weise der Stadt Neu=Brandenburg gehörte.

Der vieljährige Streit über die angeblich bei Prillwitz gefundenen Götzenbilder berührt meine Untersuchung glücklicher Weise nicht. Daß der größere Theil derselben ein Werk des Betruges sei, ist jetzt juristisch erwiesen. Bei dem Reste befinden sich dagegen einige Figuren, - darunter aber keine mit Runen 3 ), - welche auch von Lisch als ächte Al=


1) M. U. B. I, Nr. 457. Et idem dominus resignavit dominis marchionibus terram Staregardensem cum omnibus atenenciis, et terram Bezeriz eciam simili modo, et terram Wostrowe sicut sita est cum omnibus atenenciis usque ad flumen, quod dicitur Tholenze.
2) M. U. B. II, Nr. 987. Vgl. überhaupt Boll, Geschichte von Stargard I, S. 47 ff.
3) In Bezug auf diese Runen kann ich eine Bemerkung nicht unterdrücken. Jacob Grimm, welcher in früherer Zeit für die Aechtheit dieser Götzenbilder auftrat, machte darauf aufmerksam, daß einzelne (  ...  )
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 138 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

terthümer anerkannt werden, nur daß es durchaus unermittelt ist, ob sie slavischen, germanischen oder gar hetrurischen Ursprungs sind. Sollten diese wirklich bei Prillwitz gefunden sein, und etwa die Veranlassung zu dem spätern Betruge gegeben haben, so folgt daraus natürlich nicht, daß auch die Tempelburg grade dort gestanden habe, vielmehr ist es glaublich, daß man bei herannahender Gefahr den Tempelschatz nicht in der unmittelbaren Nähe des Tempels, sondern auf der andern Seite des Sees, dem Hauptsitze der Redarier, verborgen habe.

Dagegen wird man ohne Zweifel gegen meine Ansicht geltend machen, - und das ist gewiß auch der einzig mögliche Einwand, - daß Rethra nach dem übereinstimmenden Zeugnisse Thiemars, Adams und Helmolds im Lande der Redarier lag, das Land Wustrow aber am Westufer des Sees zu dem Gebiete der Tholenser gehörte. Das ist freilich die allgemeine Ansicht, die aber keineswegs erwiesen ist. Ein ausdrückliches Zeugniß dafür, daß die Tholenser unmittelbar an dem Ufer des Sees gesessen hätten, giebt es nicht. Daß selbst eine so starke natürliche Grenze, als der Tollenser See - wie man hervorgehoben hat, - überschritten ward, wenn es sich nicht um einzelne Ortschaften, sondern um eine Provinz handelte, lehrt das Beispiel des unstreitig zu Moritz gehörigen Landes Nord=Malchow oder Zaretze, welches durch den Kölpin= und Flesen=See von dem Hauptlande getrennt war 1 ). Der Name des Landes Tholenze, d. h. Tiefland, und der Völkerschaft der Tholenser oder Tholensaner erklärt sich hinreichend aus dem gleichnamigen Grenzflusse und es ist überdies nicht einmal zu erweisen, daß auch der See bei den Slaven selbst diesen Namen geführt habe. Uebrigens werden die Redarier und Tholenser stets als zwei innig mit


(  ...  ) Runen von der gewöhnlichen Form abwichen, aber grade mit dem altslavischen Kirchen=Alphabet, der Glagoliza, übereinstimmten, das dem Neubrandenburger Goldschmied sicher nicht bekannt gewesen sei. Jahrb. III, B, 190. Aber die Runen unsrer Götzen, und darunter namentlich auch die von Grimm bezeichneten, stimmen mit dem Runenalphabet bei Klüber, Beschreibung des Herzogthums Meklenburg I, S. 264 genau überein. Dies Buch aber war grade einige Zeit vor der angeblichen Entdeckung unsrer Götzen erschienen, und befand sich unter den wenigen Büchern unsers Goldschmiedes Sponholz, deren Verzeichniß wir besitzen. Grade diese abweichende Form der Runen ist mir daher ein Beweis ihrer Fälschung.
1) Ich habe lange geschwankt, ob der Name Zaretze nicht vielmehr eben auf das Land Wustrow zu beziehen sei. Indeß habe ich mich doch, aus Gründen, deren Erörterung hier zu weit führen würde, für Nord=Malchow entscheiden zu müssen geglaubt.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 139 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

einander verbundene und zusammengehörige Völkerschaften genannt, und den stammverwandten Kissinern und Circipaniern entgegengesetzt, jedoch so, daß die Redarier den Vorrang behaupteten, was anscheinend grade in ihrem Verhältniß zu dem gemeinschaftlichen Landesheiligthum seinen Grund hatte. Diese Heiligthümer lagen aber nach allen bisher bekannten Beispielen stets an der Grenze. Sie waren gleichsam neutrales Gebiet der Gottheit, das die angrenzenden Völker gleichzeitig trennte, und wiederum in einem andern Sinne mit einander verband. Von diesem Gesichtspunkte aus hat das Land Wustrow in der Mitte zwischen beiden verbündeten Völkern eine durchaus passende Lage. Das berühmte Heiligthum war darnach beiden gemeinschaftlich, so aber, daß den Redariern die Hauptschutzherrschaft über dasselbe zustand. Diese Gemeinsamkeit des Heiligthums tritt bei Gelegenheit der blutigen Kämpfe zwischen den Redariern und Tholensern einerseits und den Circipaniern und Kissinern andrerseits um 1060 deutlich hervor und wird von Helmold ausdrücklich hervorgehoben. Eben der gemeinsame Besitz des berühmten Heiligthums, in welchem alle slavischen Völker der Gottheit Opfer brachten und Orakel erflehten, veranlaßte die erstern beiden verbündeten Völker, sich die Vorherrschaft über ihre Nachbaren anzumaßen, was zu dem Kriege führte, in welchem sie den Waffen ihrer Gegner drei Mal erlagen, und nur durch die Hülfe der Obotriten, Sachsen und Dänen den endlichen Sieg erlangten. 1 ). - Daß aber das Land Wustrow, wo ich dies Heiligthum gefunden zu haben glaube, zunächst wirklich zu dem Gebiete der Redarier gerechnet ward, erhellt deutlich aus dem erwähnten Kremmener Vertrage von 1236, in welchem es sich offenbar grade um die Redarischen Länder handelte, als deren Kern und Mittelpunkt auch hier die am Ostufer des Sees gelegene Landschaft mit dem Hauptsitze Stargard (Alte Burg) erscheint, zu welcher Beseritz (zwischen Treptow und


1) Adam v. Bremen III, 21 und 22 und theilweise berichtigend und ergänzend Helmold I, 21. Bei dem letzteren heißt es namentlich: "Riaderi sive Tholenzi propter antiquissimam urbem et celeberrimum illud fanum, in quo simulacrum Radigast ostenditur, regnare volebant, adscribentes sibi singularem nobilitatis honorem eo, quod ab omuibus populis Slavorum frequentarentur propter responsa et annuas sacraficiorum impensiones". Siehe Wigger Mekl. Ann. p. 82 und 83. Ich mache namentlich auf den Pluralis frequentarentur aufmerksam, wonach beide Völker sich die Ehre des Tempelbesuches zuschrieben. Aehnlich nennt Adam beide Völker zusammen und in engster Verbindung.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 140 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Friedland) und Wustrow als abgesonderte Nebenländer gerechnet wurden. - Nur daraus erklären sich ferner die fortdauernden politischen und Diöcesan=Streitigkeiten über das Land Wustrow=Penzlin, namentlich die Ansprüche des Bisthums Havelberg auf dasselbe, die sonst kaum begreiflich sein würden. - Von diesem Standpunkte aus endlich glaube ich denn auch den Schlüssel gefunden zu haben zum richtigen Verständniß einer allerdings zweideutigen Stelle in der mehr erwähnten Brodaer Stiftungsurkunde von 1170, die für die Beantwortung der hier erörterten Frage entscheidend ist. Bei Aufzählung der zur Gründung des neuen Klosters abgetretenen Oerter findet sich nämlich hinter Wustrow der Zusatz: in Raduir 1 ). Das gefälschte Original dieser Urkunde hat nun vor diesem Zusatze ein Punkt, schreibt das Wort In mit einer großen Initiale und setzt hinter Raduir wiederum ein Punkt. Lisch beginnt daher mit diesen Worten "In Raduir" einen neuen Satz, nimmt das folgende Punkt als Kolon, und erklärt demgemäß die ganze Stelle so, daß die folgenden Ortschaften, im Gegensatze zu dem voraufgehenden Wustrow, zum Lande Raduir, d. h. zu dem Gebiete der Redarier gehört hätten. Diese Ortschaften, darunter Prillwitz (Prilebitz), liegen nun aber sämmtlich am Ostufer des Sees. Dies Verfahren, wodurch die ältere Ansicht vollkommen gerechtfertigt erscheint, war denn auch bei damaliger Sachlage durchaus correct. Nachdem aber die Fälschung der dabei zu Grunde gelegten Urkunde nachgewiesen ist, liegt die Sache wesentlich anders. Es existirt nämlich außer jenem Berliner Exemplar im Archive zu Neustrelitz eine von dem Bischofe von Havelberg beglaubigte Abschrift vom Jahre 1328, welche so bedeutend abweicht, daß die Herausgeber des Mekl. Urk.=Buchs annehmen, es habe dem Schreiber eine zweite Ausfertigung des Originals vorgelegen. Nun ist zwar auch diese, wahrscheinlich die älteste Ausfertigung gleichfalls gefälscht, wie der dem Grafen Hermann verfrüht gegebene Titel als Herzog von Sachsen beweiset, ein Fehler, dessen Entdeckung vermuthlich die zweite Ausfertigung veranlaßte, worin derselbe gebessert ward, und wobei man sich zugleich bemühte, der Form der Ortsnamen ein alterthümlicheres Ansehen zu geben. Und grade diesem Bestreben scheint auch jenes verhängnißvolle Punkt und die große Initiale ihren Ursprung zu verdanken, welche in dem erwähnten Transsumte


1) Wustrowe castrum cum villa in Raduir etc.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 141 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

der ersten Ausfertigung ebenso wie in der völlig unverdächtigen Original=Confirmation von 1244 fehlen 1 ). Diese Lesart scheint mir nun, nachdem der Anspruch der Berliner Ausfertigung auf ein unbedingtes formelles Vorzugsrecht beseitigt, und die betreffende Gegend zugleich inzwischen topographisch und historisch genauer erforscht ist, unbedingt den Vorzug zu verdienen. Der Zusatz würde hiernach zunächst überall nicht den Zweck einer Sonderung der aufgezählten Ortschaften nach den Gauen, wozu sie gehörten, haben, - wobei es an sich schon auffallen müßte, daß nur ein Gau genannt wird, - sondern sich einfach auf Burg und Dorf Wustrow beziehen, welches dadurch höchst wahrscheinlich zur Unterscheidung von dem gleichfalls an der Grenze von Stargard liegenden Wustrow am Rätzsee bei Wesenberg, als das Wustrow in Raduir, bezeichnet werden sollte. Daß dies Raduir, oder Radwer, Radur, wie die andern beiden Urkunden lesen, nichts anderes ist, als der Gau Riedierun, in welchem nach Thietmar die Tempelburg Riedegast lag, wird niemand bezweifeln, und so läge denn eine directe, urkundliche Bestätigung meiner Ansicht vor, die an Schärfe und Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt 2 ).

Die vielgesuchte Tempelburg Rethra wäre also glücklich gefunden; suchen wir nun den dazugehörigen heiligen Hain. Daß ein solcher vorhanden war, bezeugt wieder Thietmar. Nach ihm war die Burg ringsum von einem großen, heiligen und von den Bewohnern unberührten Walde umgeben, also einem wirklichen Urwalde, Wildniß (solitudo, pusztka) 3 ). Nach diesen Worten, und der hohen Bedeutung dieses Heiligthums gemäß, dessen Ruhm durch das ganze Slavenland reichte, werden wir den Umfang desselben größer abzustecken haben, als bei einem einfachen Gautempel, ja meine Localforschungen haben mich zu der Ueberzeugung geführt, daß die Grenzen des heiligen Haines mit den ursprünglichen Grenzen des Landes Wustrow zusammen fielen, mit andern Worten, der Gau Riedierun (Raduir) war eben nichts anders, als der heilige Tempelhain von Rethra. Diese Grenzen sind


1) Lisch, Jahrb. III, S. 202 und 212.
2) Die Form Radwer findet sich auch in der Bestätigung des Erzbisthums Magdeburg durch Kaiser Friedrich I. von 1179. Sie wird auch zur Zeit der wirklichen Ausfertigung der Urkunde die übliche Form gewesen und bei der zweiten Ausfertigung nur wegen des Scheines des höhern Alterthums mit Raduir vertauscht sein.
3) "Urbs quaedem, - quam undique silva ab incolis intacta et venerabilis circumdat magna".
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 142 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

aber durch die Natur selbst so scharf vorgezeichnet, daß man unmöglich fehlgreifen kann, zumal einzelne Andeutungen in den Urkunden, und spätern Acten vollkommen damit übereinstimmen. Der Gau umfaßte hiernach das ganze Westufer des Sees und reichte an beiden Seiten noch etwas über dasselbe hinaus, denn in dem Vertrage von Kremmen wird ausdrücklich der Fluß Tholenze als die nördliche Grenze des Landes Wustrow angegeben 1 ), und Wustrow selbst liegt an dem entgegengesetzten Südende des Sees, da das Dorf Ziplow noch im 16. Jahrhundert Pertinenz von Wustrow war. Die alte Grenze wird also aus der Lieps an dem kleinen Bache bei Ziplow hinauf, bis zu dessen Quelle gegangen sein, von dort aber zu dem sogenannten kleinen Stadt=See und einem zweiten Bache folgend, welcher die folgenden Gewässer verbindet, durch den großen Stadt=See in den Melliner See und weiter an eben diesem Bache hinunter zwischen Zierzow und Weitin hindurch bis zu seiner Vereinigung mit der Tholenze. Diese ganze Grenzlinie ist ebenso scharf, als die Seegrenze selbst, und der bezeichnete Bach ist in seinem untern Laufe bedeutender, als der Abfluß des Sees bei Neubrandenburg, so daß man selbst zweifeln könnte, ob unter dem Tholense=Fluß des Kremmener Vertrages nicht etwa der erstere gemeint sei. Dieser Bach bildete nämlich hier unten auch noch in späterer Zeit sowohl die politische, als die Diöcesan=Grenze zwischen Havelberg und Camin, wogegen weiter hinauf bei Penzlin durch die Erhebung dieser alten Vorburg des Landes Wustrow zur Gauburg, die ursprüngliche Grenze des Landes etwas verrückt ward, indem dadurch auch mehrere andere außerhalb derselben liegende Dörfer mit in den Gauverband gezogen wurden, während andererseits der nördliche Theil von Wustrow mit dem Kloster Broda auf längere Zeit in pommerschen Besitz gerieth. - Die hier bezeichnete ursprüngliche Grenze des Bezirks der Tempelburg zeichnet sich aber noch heute durch mancherlei charakteristische Eigenthümlichkeiten aus, die ich wenigstens anzudeuten nicht unterlassen darf. Zunächst ist hier die schon in der Urkunde vom 28. Febr. 1263 bei Bestimmung der Grenze der Stadt Penzlin vorkommenden


1) Terra Wostrowe cum omnibus attinentiis usque ad flumen, quod dicitur Tholenze. Dieses klaren Wortlauts ungeachtet bezweifelt Boll a. a. O. S. 55 diese Ausdehnung des Landes, und mögte unter der Tholenze den See verstehen. Das gäbe aber in der That überall keine Grenze, da Wustrow selbst hart am See, oder vielmehr im See lag. Spätere Grenzbestimmungen zwischen Pommern und Meklenburg können aber für die ältere Zeit nicht entscheiden.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 143 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Hiseren= oder, wie es später stets heißt, Isernen=Porte zu gedenken 1 ). Die Lage dieser Pforte ist aus den Acten des 16. Jahrhunderts, namentlich durch die Zeugenaussagen in einem Grenzstreit von 1572 völlig sicher zu bestimmen: sie lag in dem Ziplower Holze an der offenen Stelle in unserm obigen Grenzzuge zwischen der Quelle des Ziplower Baches und dem kleinen Stadtsee, wo sie auch auf der Wiebekingschen und Schmettauschen Karte notirt ist. In der Nähe derselben in eben dem Ziplower Holze wird auch ein Teufelsbruch genannt; auf der andern Seite in der Nähe des kleinen Stadtsees liegt eine Waldung, die den Namen Schwanenheide führt, und an dessen Rande der kleine runde Wodensee. Der große Stadtsee heißt in unsrer Urkunde der See des Herrn 2 ). Zwischen diesem Stadtsee und dem Malliner See fließt der Verbindungsbach nahe vor der Stadt durch ein enges Wiesenthal zwischen bedeutenden Höhen, namentlich dem östlich innerhalb der Grenzen des Radwers liegenden hohen breiten Galgenberge. Dieser überaus feste Paß, welcher durch einen zweiten kleinen Bach, der sich um Penzlin herum zieht, und einen alten, in den Acten genannten, zu Penzlin gehörigen Burgwall fast unzugänglich wird, scheint unter der Rhida der Urkunde von 1263 verstanden werden zu müssen 3 ). Ein ähnlicher, wenn auch nicht so fester Paß scheint sich nach den Karten bei dem Uebergange über den mehrerwähnten Bach auf dem Wege von Chemnitz nach Weitin zu befinden. Mir scheint, daß selbst eine durchaus unbefangene Betrachtung dieser Localität zu der Vermuthung drängt, daß diese Pässe eben die drei Thore der berühmten Stadt Rethra sind, deren unser Chronist gedenkt, und mit welchen noch zwei Mal je drei im Innern des Heiligthums correspondiren mochten, wenn Adam Recht hat, daß 9 Thore zu dem Tempel geführt hätten. - Endlich fällt noch eine Eigenthümlichkeit außerhalb dieser Grenzen auf, die vielleicht Berücksichtigung verdient. Oder ist es bloßer Zufall, daß auf beiden Seiten in Norden und Süden,


1) Ein eisernes Thor liegt bekanntlich auch in Siebenbürgen an der ungarischen Grenze.
2) Stagnum domini, was kaum auf den Landesherrn zu beziehen sein dürfte, da in diesem Falle immer der Pluralis (stagnum dominorum) gebraucht zu werden pflegt.
3) Der Name Penzlin lautet in der Berliner Original=Urkunde von 1170 Pacelin, in dem Transsumte des Bischofs von Havelberg Panselin, in der Bestätigung von 1244 Pancelin. Der Name wird von pacze: ich berste, abgeleitet, also wohl ein Engpaß?
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 144 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

vor den äußern Thoren des Heiligthums, an der pommerschen Grenze vor Treptow und an dem Liepssee, ein eigenes Ländchen des Namens Gotebant oder Chotibanz liegt? Der Name ist dunkel. Die erste Hälfte: Choti, Gote soll festlich bedeuten; sollte banz, bant für pant, d. i. Weg, stehen? 1 ). Also der Festweg?

Ich wage zu hoffen, daß diese Darstellung überzeugt haben wird, und mögte nur noch einen Einwand beseitigen, den ich mir selber gemacht habe. Es ist nämlich auffallend, innerhalb des Raumes, den ich für den heiligen, unantastbaren Urwald in Anspruch genommen habe, schon 1170 oder mindestens zu Anfang des 13. Jahrhunderts mit Einschluß von Penzlin nicht weniger als 6 bewohnte Ortschaften mit slavischen Namen anzutreffen, zu denen später noch 3 hinzugekommen sind. Wenn man aber bedenkt, wie früh das Heiligthum zerstört ward, so wird man es begreiflich finden, daß es den Bemühungen der christlichen Priester schon um jene Zeit gelingen konnte, grade um den heidnischen Vorurtheilen entgegen zu wirken, den alten Tempelhain nicht bloß christlichen Ansiedlern, sondern auch der einheimischen Bevölkerung zum Anbau zu überweisen, wobei die alten Localnamen in Feld und Wald auf die neuen Ansiedlungen übergingen. Dafür scheinen auch die Namen selbst und andre Beobachtungen zu sprechen. Daß das Dorf Wustrow eine jüngere Anlage war, geht sowohl aus seiner Geschichte, als seinem Namen hervor; die Umgebung des Ortes war noch im 16. Jahrhundert ein großer Wald, zu dessen besserer Ausbeutung von Zeit zu Zeit Glashütten und dergleichen angelegt wurden. Ziplow war der Name eines Theils dieser Waldung, und der Ort ist auf Radeland gebauet. Rehse existirte gleichfalls noch nicht, und war später gleich Ziplow Pertinenz von Wustrow. Der Name bezeichnete ursprünglich den kleinen Bach, woran es liegt. Auch Lübkow muß später gegründet sein, und liegt gleich Werder entschieden auf altem Waldboden. Nach 1530 wird hier namentlich das große Herrenholz genannt. Werder war Penzlinsches Burglehn, und die Gegend umher wird "im Wustrow" genannt. Krukow, von dem polnischen kruk, wendisch krak: Rabe, ist eine interessante Analogie mehr zu dem Krakower Schwerin, wozu demnach selbst das Krosnitz bei Ostdorf gehören mag. Ebenso Mallin, ein häufig an Seen vorkom=


1) M. U. B. I, Nr. 114; Urk. von 1174, wo pant wo Gothkepole durch via, quae Gothkepole circuit übersetzt wird, pol. pad: Pfad.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 145 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

mender Name von melna: Sand, Untiefe. Wolkazin von wilk, wolk: Wolf ist offenbar Bezeichnung einer Oertlichkeit im Walde, und erinnert überdies, wie Krakow, an das dem germanischen Wodan heilige Thier. Wojutin von woj: Krieg, Schlacht, ist vielleicht eine Erinnerung an ein altes Schlachtfeld; Broda endlich heißt Fähre, und konnte immerhin schon zur Heidenzeit existiren, neben Mallin zugleich als Fischerort, der nach unsrer Erfahrung zu der Oeconomie der Tempelburgen zu gehören scheint. Von dieser Seite dürfte meine Entdeckung also gleichfalls keinen Angriff zu fürchten haben.

Die in diesem Tempel verehrte Gottheit nennt uns Thietmar den Zwarasici, wie die richtige Lesart lautet, statt des Luarasici der ältern Drucke, und der Erzbischof Brun in einem Schreiben an König Heinrich II. von 1008 Zwarasi 1 ), Adam und Helmold dagegen den Redigast oder Radegast. Beide Namen weisen auf den Kriegsgott hin, denn zwar, zwara, heißt in polnischer und russischer Sprache: Streit, Kampf, vielleicht das neuwendische swada in derselben Bedeutung, und ebenso ist rat: Krieg, weßhalb Schafarik den Namen der Tempelburg Rethra, statt ratara, durch Kriegstempel erklärt 2 ). Die zweite Hälfte des Namens Radegast entspricht allerdings genau dem oft zur Erklärung herangezogenen gost, böhm. host, wend. hosc: Gast, was aber keinen passenden Sinn giebt. Vielleicht gehört es zu der Wurzel des deutschen Geist, wenn diese auch in den heutigen slavischen Dialecten nicht mehr nachzuweisen ist 3 ). Dieser Deutung des Namens entspricht das Wesen der Gottheit vollkommen, wie wir dasselbe aus der Art seiner Verehrung nach Thietmars Schilderung erkennen. Zu seinem Tempel sandten die Völker beim Beginne eines Krieges Gesandte, um den Beistand des Gottes durch Opfer zu gewinnen und den Ausgang des Kampfes durch Orakel zu erforschen. Dahin sandten sie nach ihrer glücklichen Heimkehr den schuldigen Tribut. Hier wurden auch die heiligen Fahnen aufbewahrt, so lange der Kampf ruhte. Den Zorn des furchtbaren Gottes aber glaubte man nur durch Blut ver=


1) Wigger, Mekl. Anm. S. 56.
2) Schafarik, Slavische Alterthums Kunde II. 580. Vgl. auch Wigger, Jahrb. XXVIII. 37.
3) Frank, A. u. N. M. führt einen angeblich wendischen Bannspruch an, um die bösen Geister von der Grube zu verscheuchen: Ga geite, ju gaste po kulla! Sollte dieser, allerdings von Germanismen strotzende Spruch rein erfunden und werthlos sein?
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 146 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

söhnen zu können und selbst Menschenopfer fielen an seinem Altare, wovon es in der Geschichte nicht an Beispielen fehlt 1 ). Eigenthümlich aber war die Art und Weise, wie der Gott seine Orakel durch Loose und ein als heilig verehrtes Roß den Priestern offenbarte. Das Verfahren bei diesem letztern Augurium ist nicht klar, nur so viel ersieht man, daß das Roß über zwei in der Erde befestigte Lanzenspitzen hinweggeführt ward 2 ). Für uns aber ist das heilige Roß des Gottes von höchstem Interesse. Die Angabe Thietmars wird noch durch ein zweites jüngeres Zeugniß bestätigt, wonach der Bischof Burchard von Halberstadt im Jahre 1068 nach einem Heereszuge in die Lutizischen Provinzen auf einem aus dem Heiligthume zu Rheda geraubten, göttlich verehrten Rosse zurückkehrte 3 ). Dies weissagende Roß war aber nicht das einzige in dem Tempelhaine. Es ward dazu das größte unter mehreren ausgewählt, wahrscheinlich auch, wie dies für Arkona gemeldet wird, von ausgezeichneter Farbe, kurz ein weißer Hengst. Woher diese Rosse? Es ist doch nicht glaublich, daß man dazu gewöhnliche Gäule abrichtete, deren profane Herkunft dem Volke bekannt war, was die Illusion der Göttlichkeit derselben schwer aufkommen lassen würde. Es folgt mithin, wie mir scheint, mit Nothwendigkeit aus der Sache selbst, daß diese Rosse in dem heiligen Haine selbst durch die Priester gezüchtet wurden.

Kürzer kann ich mich in Betreff der noch berühmteren und wichtigeren Tempelburg zu Arkona auf Rügen fassen, da ich hier weniger Neues zu berichten habe. Die Burg selbst beschreibt Saxo, bei Gelegenheit des Berichtes über die Zerstörung derselben durch das dänische Heer unter dem Könige Waldemar und dem Bischofe Absalon im Jahre 1168, ausführlich 4 ). Sie lag ausnahmsweise nicht im Sumpfe, sondern auf dem hohen Kreidefelsen der Insel Wittow am Ufer des Meeres, auf der Landseite gegen Westen von einem angeblich 25 Ellen hohen Erdwalle geschützt, der jetzt durch Reisig und Rasenstücke um das Doppelte erhöhet war. Von einem


1) Thietmar a. a. O., Erzbisch. Brun a. a. O. u. Helmold an mehreren Stellen.
2) "equum, qui maximus inter alios habetur et ut sacer ab his veneratur, super fixas in terram duarum cuspides hastilium inter se transmissarum supplici obsequio ducunt".
3) Burchardus Halberstadensis episcopus Liuticiorum provintiam ingressus incendit, vastavit, avectoque equo, quam pro Deo in Rheda colebant, super eum sedens in Saxoniam rediit. Ann. August. 1068. Mon. Germ. Hist. V, p. 128.
4) Saxo Gr. XIV, 821 sqq. Ed. Müller.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 147 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

die Burg umgebenden heiligen Haine ist zwar nicht ausdrücklich die Rede, aber der Chronist spricht von einem benachbarten Walde, in welchem die Dänen bedeutende Holzmassen zu ihren Belagerungsarbeiten fällten, und von einer sprudelnden Quelle an der Nordseite, zu welcher von der Burg aus ein sicherer Pfad hinabführte. Noch jetzt ist ein Theil jenes Walles vorhanden, aber die Umgebung desselben ist meines Wissens noch niemals in antiquarischer Beziehung untersucht, um diese armseligen Andeutungen zu ergänzen. Der Tempel war nach Saxos und Helmolds wiederholter Angabe der höchsten Gottheit der Slaven, dem Zwantewit, geweihet, nur die nordische Knytlinga=Saga giebt derselben wenigstens in einer Handschrift den Namen Swaravit, was man bisher ohne Weiteres als Schreibfehler genommen hat. Seit aber die Form Zwarasici oder Zwarasi für den Beinamen des Radegast feststeht, ist es doch noch wohl nicht so ganz sicher, ob der Isländer nicht auch hier aus guter Quelle geschöpft hat. Auch der Name Zwantewit soll nach Schafarik auf die Eigenschaft des Gottes als Lenker der Kriege und Verleiher des Sieges hinweisen 1 ). In Wacerad's mater verborum wird Suatouyt gradezu durch Ares, bellum, und späterhin Zwatovit durch Mavors erklärt, und so erscheint der Gott auch vorzugsweise in seinem Kultus. Auch ihm, wie dem Radegast zu Rethra, wurden nur blutige Opfer gebracht, um den Sieg zu erflehen (pro victoria); auch in seinem Tempel legte man während des Friedens die geweiheten Kriegsfahnen - Stanitza - nieder; auch ihm brachte man nach beendetem Kriege den dritten Theil der gesammten Beute als gebührenden Tribut dar, der in dem Tempelschatze aufbewahrt ward; auch seine Orakel endlich erforschte man durch Anwendung der Loose und durch das heilige Roß des Gottes in ähnlicher Weise, wie zu Rethra. Dies wunderbare, weissagende Roß aber, weiß von Farbe, das nur der Oberpriester weiden und berühren durfte, erscheint hier gradezu als das eigne Schlachtroß des Gottes. Oft, wenn derselbe Nachts zum Kampfe gegen die Feinde seines Kultus hinausgezogen war, fand man es am Morgen schweißtriefend im Stalle. Außer diesem eignen Rosse des Gottes unterhielten die Priester noch 300 andere, mit welchen sie ihre Diener beritten machten. Diese heilige Schaar, gleichsam die Leibgarde des Gottes, war verpflichtet, die gesammte Beute, welche sie im Kampfe mit den Waffen in der


1) Schafarik, slavische Alterth. Kunde I. 350.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 148 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Hand, oder auf Raubzügen gemacht hatte, in den Tempelschatz abzuliefern 1 ). Daß hier nicht von einer stehenden berittenen Raubschaar die Rede sein kann, welche Jahr aus Jahr ein das eigene Land brandschatzte und plünderte, versteht sich von selbst. Es waren also die gewöhnlichen Diener des Tempels (satellites), welche zur Kriegszeit, oder zum Zwecke besonderer Streifzüge in Feindesland mit den Tempelrossen beritten gemacht wurden, und welche der Priester auf dem Leibroß des Gottes führte. Darum legt Saxo auf die Unterhaltung der Rosse das Hauptgewicht, nicht auf die Reiter. In Friedenszeiten weideten also diese Rosse des Gottes in dem die Tempelburg umgebenden heiligen Haine, was auf eine sehr bedeutende Pferdezucht der Priesterschaft mit Sicherheit schließen lässt.

Diese höchst interessante und wichtige Mittheilung des Saxo über Arkona ergänzt aufs glücklichste unsere in anderer Beziehung vollständigere Kunde über das nahe verwandte Rethra, und beide zusammen geben uns ein so klares Bild dieser Heiligthümer, daß kaum etwas zu wünschen übrig bleibt. Ihre Uebereinstimmung mit unsern Schwerinen ist nicht zu verkennen. Nur der Name fehlt! Dieser aber findet sich höchst merkwürdiger Weise bei den preußisch=lettischen Stämmen wieder, und zwar als Beiname der Gottheit selbst, welcher unsre Heiligthümer geweiht waren. Unter den zahlreichen Namen der höchsten Gottheit der Slaven, welche gleich dem ihr vollkommen entsprechenden germanischen Othin oder Wodan vorzugsweise als Kriegsgott verehrt ward, ist uns nämlich auch der lettische Zwerinne überliefert 2 ). Wird man zweifeln, daß dieser Beiname des Pikollos im Tempel zu Romowe gerade von dem seinen Tempel umgebenden Haine mit den göttlich verehrten, ja den allwissenden Gott selbst vertretenden heiligen Rossen entlehnt sei? Ist es aber so, dann darf ich hoffen meine Aufgabe, wenn bisher noch irgend etwas gefehlt haben mögte, vollkommen gelöset zu haben.

 
Vignette

1) Hoc quoque numen trecentos equos descriptos totidemque satellites in eis militantes habebat, quorum omne lucrum, seu armis, seu furto quaesitum, sacerdotis custodiae subdebatur. Saxo Gr. I. I. p. 825.
2) Hanusch a. a. O. S. 381.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen [ Seite 149 ] zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

III.

Beiträge

zur Geschichte der Stadt Röbel,

von

G. C. F. Lisch


D ie Stadt Röbel besitzt ein Urtheilsbuch 1 ) aus dem 16. und 17. Jahrhundert, das nicht allein für die Rechtsgeschichte von Werth ist, sondern auch einige Aufzeichnungen enthält, welche die Geschichte des Landes Meklenburg und der Stadt Röbel bereichern können.

Das Buch hat den Titel:

Ordelle Boeck
der Stat Rabel.

Ordelle vnnde Orpheydenn vor vnnd by vnnsen tidenn geschein, dorch Erhen Joachim Priperth vornygeth vnnd vmhmegescreuenn Anno domini 1545.

Der Verfasser Joachim Pripert war nach der Gedenktafel in der Kirche der Altstadt Röbel Prädicant und seit 1547 Pastor daselbst und starb 1557. Er war wohl der Reformator der Altstadt. In dem Visitations=Protocolle vom J. 1541 heißt es: "Er Joachim Priperde zu alten Robel predicant ist ein zimlicher gelerter fromer prediger, aber de oldesten vnd kerckgeschworen sagen, das er sich viele in weltliche handel mische, die sein Ampt nicht


1) Ich verdanke die Mittheilung des Buches dem Herrn Burgemeister Hermes zu Röbel.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 150 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

belangen, darumme er der kirchen nicht so woll mit predigen vnd ander diensten furstehenn kann, wie sichs wol eigent vnd gepuert". Die Abfassung des Urtheilsbuches giebt einen Beweis von seinem Streben nach vielseitiger Thätigkeit. Wahrscheinlich war er ein gebornes Röbelsches Kind, da in dem unten folgenden Urtheile über die Brandstiftung an der neustädter Pfarre vom J. 1539 ein Peter Priperth als erbgesessener Bürger in Röbel vorkommt.

Voran stehen zwei Urfehdenformeln für "Archgewann" und für "Missedaeth".

Dann folgt ein neuer Titel:

Desse hyr nageschreuen synth vmmhe erer myssedaeth tho Rabel myt rechte vorordelt vnde gherichteth wordenn.

Hierauf folgen Todesurtheile von 1479, 1495, 1507, 1510, 1511, 1512, 1514, 1515, 1517, 1519 und Todesurtheile und Urfehden bis 1545, von hier alle Todesurtheile und Urfehden von derselben Handschrift bis 1555, also wohl noch von Joachim Pripert geschrieben. Dann folgen von anderer Hand einige Urtheile und Urfehden von 1558 bis 1560, ferner einige Bescheide von 1639 bis 1643.

Nach den Urtheilen wurden z. B. 2 Male wegen Diebstahls Männer gehängt und 1 Mal ein Weib lebendig begraben, 3 Male wegen Zauberei Männer und Weiber und 2 Male wegen Blutschande und Sodomiterei Männer und Weiber verbrannt, 3 Male Männer wegen Gewaltthaten und 1 Mal ein Mann wegen Mord enthauptet, 1 Mal ein Mann wegen Mordbrand gerädert.

1. Die Feuersbrünste.

Eine eigene Aufzeichnung berichtet über die großen Stadtbrände in der Zeit von 1510 - 1536. Diese Nachricht giebt für das Bauwesen, die Lebensweise und die Polizei damaliger Zeit die wenig tröstliche Anschauung, daß in dem Zeitraume eines Vierteljahrhunderts vier große Brände wütheten, welche im Ganzen gerechnet zwei Male fast die ganze Stadt einäscherten. Die Aufzeichnungen darüber sind folgende:


Anno domini M. CCCCC. X. am dage Circumcisionis domini (Jan. 1.) brande aff by dem Closter de orth. Dat vur vorhoeff sich vnnd quam vth Gereke Schulteschenn Schune vth vorsume=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 151 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

niße der knechte vnd megede et cetera. Dominus nouit.


Anno domini M. CCCCC. X. des dinxtedahes in der stillen weke (März 26) brande aff de halue Stadt. Dat vur quam vth der dorbode vor dem hogendore, brande beth an den kerkhoff beth an Gorges Quakes huß, vnnd hadde de gantze Stath vth gebranth, me haddet ock nicht werenn kanenn, wat leyder don tor tidt vor schade schach, iß gade vnnd eyme jdernn wol bokanndt.


Anno domini M. CCCCC. XXV. in nocte sancti Gregorii pape (März 12.) is de Nye Stadt Rabell van deme Mollendore vt Engelberges Schune entspraten beth an dat oldensteder Dore gantz affgebranth myt Schunen vnd Hußern vnnd de gantze Olde Stadt affgebrant, dar nicht mere stande blef als Sunte Jurigens huß myt deme huße, dat dar by steyt, Sust bleft dar nicht mere stande, alleyne de kerke vnnd Capelle. Schach in dem jare vnnd in der nacht, wo hir bauen gescreuenn.


Anno domini M. CCCCC. XXXVI. des sonauendes vor 1 ) Symonis vnd Jude (October 28.) brande aff de gantze ordt van deme Markede an beth an dat oldenstader dore vnnd beth vp Achim Weltzyns orth beth an dath Mollendore, dath etliche weynige huße bestanden bleuen vnnd doch ßo toscharet, dat dar nicht vele annhe bleff, vnnd dyt vhur quam vth Greygerschen huße vp dem orde rechte jegen deme marckede, godt weth wor idt her quam. Acta et facta sunt hec die et anno vt supra.


2. Die Reformation auf der Neustadt.

Als der erste protestantische Prediger auf der Neustadt Röbel ist Joachim Kunicke im J. 1541 bekannt gewesen. Das Visitations=Protocoll vom J. 1541 sagt:


1) Das Wort "vor" wird irrthümlich gesetzt sein, da im J. 1536 der Tag Simonis und Judä auf einen Sonnabend fiel.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 152 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

"Robell. Die propsteien, beide den Predicanten ausgesetzt worden, haben e. f. g. sampt Iren bruder zu uorlihen.
Er Joachim Kunicke in der Newen stat Robell, Er Joachim Priperde zu alten Robell, sint beide fromme, gelerte menner.
Er Joachim Kunicke helt eine Cristliche, feine ordenunge in der kirchen, leret wol, lebt auch erlich vnd Cristlich, als die kerckgeschworen und eltisten von ime getzeugknuß gegeben".

Nach der folgenden Verfügung in dem Urtheilsbuche war aber schon im J. 1539 Nicolaus Francke, von dem Herzoge Heinrich verordnet, Prädicant zu Neu=Röbel. Er mochte wohl mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, da ihm im J. 1539 die Pfarre in Brand gesteckt und niedergebrannt war. Hierüber redet das folgende Verfahren vom 8. Novbr. 1539 im Urtheilsbuche.

Anno domini M. CCCCC. XXXIX
sabbato ante Martini.

Witlickenn ist deme rade vnnd gerichte der stadt Rabell, dat her Nicolaus Francke van vnseme g. h. hertogk Hinrich tho eyneme predicanten in der nyen stadt Rabell ys vorordenth vnd gesant worden, hefft Clawes Berlyns frowen vmmhe eyns arghgewaens, alßo dat ße ehm scholde de wedeme angesticken hebben, annemen vnnd in vnße stadt feste setthen lathen vnnd der stadt louen gedan myt erffseten vnser borger benomelichen Joachim Erthmer stathfaget, Drewes Brohme, Hans Gronynck, Clawes Scroder, Hans Magnus vnnd Peter Priperth, dat he wyl keyn vngelinp, sunder rechtlichen myt er handellenn, dar nha he tho vnsem gnedigen herenn hertogk Hinrick gereyset vnnd syner f. g. dyt vormeldet, ßo hefft syne f. g. aldar gesandt Asmus Bemen, den richter vth Brandenborgk, Johan Andreßen vnd Asmus Scroder, houethlude tome Wredenhagenn, myt forstlichem bovele, he de frowe scholde vorhoren lathen, wo de warheyt worde bofunden, ße me dar vmb scholde straffen lathenn, ßo hefft de richter angesehen, dat idt eyne arme frowe was vnnd er man gans kranck vnnd vele kleyne kynderen vorhenden weren, ist bewagen worden vnnd de frowe in stath synes landesheren

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 153 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

losgegeuen vnnd vp frige fothe by eren krancken mhann vnnd ere kynderken wedder kamenn, vnnd de rath hefft de wedem wedder vp bwen mothenn vnnd ere vnd ereme manne eyn orpheyde doenn lathenn gelick wo hir nafolget, wente eyn rath vnnd de stadt hadde dar keyn donth mede.

3. Der Untergang des Dominikanerklosters.

Das Dominikanerkloster zu Röbel ward in der Zeit 1530 - 1540 säcularisirt (vgl. Jahrb. VIII, S. 118). Der letzte Prior war Thomas Lamperti, ein unwissender, arger Papist. Um ihn nach der Aufhebung des Klosters zu beschäftigen, hatte man ihm die Pfarren Nätebow und Leizen ("Klessen") bei Röbel zu verwalten gegeben. Aber schon im Visitations=Protokolle von 1541 wird klagend berichtet:

"Nedebow gehort den Prignitzen, Klessen gehort den Knuten zu uorleihen. Er Tomas Lamperten, prior zu Robel, hat diese beiden pfarren, ist ein vngelerter, vnuorstendiger, arger papist, versteht die heilige schrift selber nicht, furet ein unerlich leben".

Er soll, nach Latomus, im J. 1558 gestorben sein. Daß er im J. 1558 noch in Röbel lebte, geht aus der folgenden Gerichtsverhandlung hervor, nach welcher es in seinem Hause sehr unordentlich herging.

Anno domini 1558 am sonauende in der nacht hefft Thomas Lamperty, des closters Robell prior, in seiner schlafkammer etlich geld vnd ringe biß in die 16 fl. vorlohren, darumb ehr ßeinen diner Paulum Elßholdt, so by ehm vber der kamer geschlapen, solcher dadt bezichtiget, auch einen ersamen radt vnd gerichte vmb ire festunge gebeten vnd inen sagen lassen, Pauel ouerst wolde solcher dadt nicht gestendig sein vnd bogerte, do man inen setzen wolde, men scholde Trine Kowters auch neben ime setzen, denn se hette auch in der kamer geschlapen vnde wehre euen in demsuluen vordacht wie ehr. Alse men nuhn solchs ok nich afschlahen kunde, seind sie beide gesetzet worden. Alse se nuhn ouers beide gefencklich geholden worden, hefft entlick Paul vp de kunpstige middeweke herna offentlich bekendt vnd vthgesecht, dat Georg Pinnow by nacht=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 154 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

schlapender tidt vp einer leiter neben seinem bedde thom fenster ingestegen vnd heraf nha dem prior geghan vnd wehre vormudtlick, dat he solcker dadt worde schuldich sin. Alse ouerst ein ersamer radt vnd richter nha Georg Pinnowen frundlicher meininge, sick tho vorantwortende, gesendet, iß he vorfluchtich worden, vnd auer der stadt muhre am lichten dage gestegen. Dorumb, na deme he sick also der that vordechtig gemacket, seindt Paul Elßholdt vnd Trine Kowters vp gnugsame vorburgung vnd vereydung wedder leddig gelassen. Und seind die burgen sampt der orpheyde hernach vorzeichnet vnd aufgeschriebenn.

Burgen fur Paul: fur Trinen Kow:
Drewes Bradhering. Baltzar Panckow.
Thonius Stergard. Hans Stintman.
Hans Vos. Hans Kubow.
Merten Berch. Achim Fotow
Claus Dannel. Achim Godeke.
Peter Merten Glock.
Jochim Erich.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 155 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

IV.

Fayence - Fabrik zu Gr. Stieten,

von

Dr. Crull zu Wismar.


N achdem bereits im Jahrb. VIII, S. 244 aus einer Aufzeichnung vom Geh. Rath Schmidt von einer ehemaligen Fayence=Fabrik zu Gr. Stieten Nachricht gegeben war, kam der Verein in den Besitz einer Probe durch den Herrn Fahrenheim, welche Jahrb. XXIII, S. 173 beschrieben ist. In Wismar hat sich nun auch ein completes Stück in Händen eines Sammlers gefunden, bestehend in einer Butterdose in Gestalt einer sitzenden Ente. Dieselbe mißt in ganzer Länge 9 Zoll Hamb. und in der Höhe 5 3/4 Zoll, ist außen grau=lila und inwendig weiß glasurt und vortrefflich modelliert.

Der Deckel hat auf seiner untern Fläche folgende Marke in Cursivschrift:

V  H
Gros   :   Stitten
Chelij
XVI

und der Boden des Gefäßes auf der unteren Fläche ebenso:

V   :   H
Gros   :   Stitten
Chelij
9

Masse scheint roth im Bruche zu sein. Die Buchstaben V. H. sind VON HAGEN zu deuten.

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 156 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

Denn der "königl. Ungarische Obristlieutenant Otto von Hagen" (katholischer Confession) war 1743 - 1759 Besitzer des Gutes Gr. Stieten und hinterließ dasselbe bei seinem Tode seinen Kindern, von denen es in v. Bülowsche Hände kam. Die Fabrik fällt also in die Zeit 1743 - 1759.

Einer seiner Söhne war, auch nach seinem Siegel (vgl. v. Lehsten Adel Meklenburgs S. 92), Johann Gottlieb Albrecht Friedrich v. Hagen, oder kurz Johann v. Hagen, welcher 26. Juni 1740 geboren war, im J. 1761 für majorenn erklärt und später (vor 1764) kaiserl. Kammerherr ward. Sein Stiefvater v. Bülow trat ihm das Gut Scharfstorf (nahe bei Stieten) ab. Er vermählte sich mit Charlotte Margarethe Elisabeth v. Bassewitz, jüngsten Tochter des Obristlieutenants v. Bassewitz auf Wendorf und Neuhof (nicht weit von Stieten), wenn sich auch Anfangs wegen der verschiedenen Confessionen der Brautleute schriftliche Irrungen erhoben. Aber schon im J. 1770 war über v. Hagen's Vermögen Concurs ausgebrochen, und die beiden Eheleute zogen nach Wismar, wo sie am Ende des vorigen Jahrhunderts, sicher 1793, noch lebten, als sich ihre Tochter Caroline v. Hagen mit dem Postmeister Maßmann zu Sternberg verheirathete. Ihr Sohn war in neuern Zeiten der Schiffscapitain v. Hagen zu Rostock.

 

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 157 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument zum nächsten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

V.

Tolle Wölfe im 30jährigen Kriege,

von

Pastor Ragotzky zu Triglitz bei Putlitz.


M it Bezug auf die Notiz in den Jahrbüchern XXVI, S. 81 über "tolle Wölfe in Meklenburg" erlaube ich mir aus meinen Kirchenbüchern einige Beiträge mitzutheilen, die insofern für Meklenburg von Interesse sein dürften, als Triglitz (bei Putlitz) nur etwa 1 Meile von der Meklenburgischen Grenze entfernt liegt, die Zustände in der Zeit des 30jährigen Krieges also nicht wesentlich verschieden sein mögen.

Es heißt im Register der Verstorbenen des Jahres 1655:

"Den 3. April. Jürgen Meierhan, Ackerknecht aus dem Lande Lüneburg, der bei David Borchart vom tollen Wolf versehret im Frühjahr, darüber von Sinnen kommen, und endlich des Todes sein müssen".
"Den 21. October. Andreas Däbel, Schäferknecht bei David Borchart, ist Montags in der Nacht krank worden, Donnerstag früh gestorben vom Wolfsbisse im Frühjahr. Versuchte Aderlasse, nahm auch des Herrn Pomelii Rath an, der wollte Extr. Enziani adhibiren, konnte es aber nicht haben, war nebst mir einen ganzen Tag bei ihm. Er hatte teuflich Angst, wollte immer fliehen weg, wollte auch nichts von Getränke zu sich nehmen, wo er nicht dazu gehalten. Fordert ihm vorzubeten und zu helfen, mußte auch die Ueberreichung des h. Abendmahls wegen seiner Flüchtigkeit unterlassen, ließ seinen Vater fordern, aber Menschenhülfe war aus".

Beiläufig sei hier noch bemerkt, daß aus den hiesigen Kirchenbüchern, welche von 1652 wieder geführt wurden, hervorgeht, wie die Bewohner mehrerer Dörfer hiesiger Gegend im 30jährigen Kriege nach Holstein gegangen sein müssen. Wahrscheinlich waren diese Ortschaften eine Reihe von Jahren

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 158 zur ersten Seite zur vorherigen Seite

ganz oder doch fast ganz verlassen, und erst um 1650 kamen die früheren Hofbesitzer oder deren Nachkommen theilweise zurück. Zu den von 1652 an im Kirchenbuche verzeichneten Amtshandlungen wird bei mehreren Personen bemerkt: "aus Holstein"; zum Theil mögen dies neue Einwanderer gewesen sein, meistens aber wohl zurückgekehrte Ausgewanderte. So heißt es: "1654 Dom. Exaudi copulirt Jasper Zicker mit Trina Grawers, mit der er auf Ostern in anno 1650 aus Holstein ankommen, und ihres sel. Vatters Hof angenommen wieder aufzubauen, auch wirklich besessen bisher als Eheleute. Hat der Kirche in signum poenitentiae (wohl wegen mehrjähriger wilder Ehe!) Mülleri Postille in 4. verehret".

 

Vignette
zum nächsten Dokument zum übergeordneten Dokument Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

VI.

Nachträge

zur Urgeschichte des Ortes Malchow.

1) Der Herr Archivrath Masch zu Demern bemerkt zu S. 45 - 46, daß der Vogelkopf mit dem Ringe um den Schnabel in dem Siegel der Stadt Malchow vielleicht auf den Pfandbesitz der v. Flotow (vgl. S. 16) deuten könnte, da die v. Flotow als Helmzier einen Vogel mit einem Ringe im Schnabel zwischen zwei Hörnern führen. Mir scheint das Stadtsiegel aber älter zu sein, als der Flotowsche Pfandbesitz (1354). Alte klare Helmsiegel der v. Flotow haben sich bis jetzt noch nicht finden lassen.

2) Der Herr Rector Römer zu Grabow bemerkt zu S. 40, daß der 1287 im Urk. B. III, Nr. 1914, vorkommende Malchowsche Bürger "Hinricus de Trajecto" von mir und von ihm zwar nicht unrichtig durch "Heinrich von der Fähre" (Fährmann) erklärt worden sei, daß aber 1293 im Urk. B. III, Nr. 2226, die Wittwe eines Malchowschen Bürgers "Henricus de Utrecht" genannt werde, der Mann also auch "von Utrecht" heißen könne, da "Utrecht" lateinisch bekanntlich "Trajectum" heißt.

G. C. F. Lisch.     

 

Vignette