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Ueber Bronze=Kronen

und

die Krone von Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.

In Meklenburg waren bisher drei alte Zackenkronen aus der Bronzezeit gefunden, welche in den Sammlungen zu Schwerin aufbewahrt werden. Alle drei sind im Wesentlichen gleich, indem sie einen hohen Reif bilden, der oben in Zacken ausgearbeitet und zu einem Viertheil ausgeschnitten ist, welches sich in einem Charnier um einen mit einem Schmuck versehenen Stift dreht und mit einem Zapfen in ein entsprechendes Loch fällt, also geöffnet, um eine Kappe gelegt und wieder geschlossen werden kann. Diese drei meklenburgischen Kronen, welche die hier abgebildete Gestalt haben und zu Trechow, Admans=

Gestalt der Krone
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hagen (beide 5 1/2 Zoll hamburger Maaß im innern Durchmesser) und Lübtheen (7 Zoll weit) gefunden sind, sind in Jahrb. XIV, S. 315 flgd. vergleichend beschrieben. In Kopenhagen wird auch eine gleich gestaltete Krone 1 aufbewahrt, welche zu Töndering, im Amte Viborg, gefunden ist, und in der jetzt an die königlichen Sammlungen zu Hannover verkauften Sammlung des Herrn Baumeisters Wellenkamp zu Lüneburg befindet sich eine den meklenburgischen gleiche Krone von Emmendorf bei Uelzen (vgl. Jahrb. XXVI, S. 159).

Diese Kronen sind vielfach besprochen, seitdem ich dieselben in der Versammlung zu Hildesheim im Jahre 1856 vorgezeigt habe (vgl. Corresp.=Blatt, Jahrg. V, Nr. 3 und 6, und Jahrg. VI, Nr. 2, 4, 7 und 11), und in lebhaftem Streite sogar für "Hundehalsbänder" erklärt worden. Ich habe den Streit weder aufgenommen, noch denke ich ihn weiter zu führen, indem ich die Lösung dem Laufe der Zeit und glücklichen Entdeckungen in demselben überlassen habe, da ich diesen zu vertrauen in einer langen Wirksamkeit vielfach gelernt habe. Und dieses Vertrauen hat sich denn auch in der neuesten Zeit zu meiner Freude gerechtfertigt.

Am 18. October 1862 meldete mir nämlich der Herr Pridatdocent Dr. Handelmann zu Kiel, daß die Sammlung zu Kiel einen "höchst eigenthümlichen Ring von Bronze" geschenkt erhalten habe, welcher für die vaterländische Alterthumskunde nicht ganz unwichtig sein dürfe. Nach einer zuerst mitgetheilten leichten Zeichnung und demnächst nach einer Photographie erkannte ich sogleich in diesem "Ringe" eine Krone, von derselben Einrichtung, wie die meklenburgischen, jedoch von anderer Form. Der Herr Dr. Handelmann berichtete über diesen Fund sogleich in holsteinschen öffentlichen Blättern und darauf, mit Abbildung, im Correspondenzblatt, Jahrg. XI, Nr. 5, 1863, Mai, und im Dreiundzwanzigsten Bericht der Königlichen S. H. L. Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer zu Kiel, 1863, Julii, S. 65. Seitdem ist diese Krone von Söhren 2 in Mainz durch


1) In Dänemark sind in den neuesten Zeiten, nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen, noch zwei Kronen, wie die meklenburger gefunden: die eine ist im Jahre 1863 gefunden und wird in der Alterthümersammlung zu Aarhus aufbewahrt, die andere war in der Privatsammlung des hochseligen Königs Frederik VII. und ging in dem Schloßbrande von Frederiksborg 1859 unter.
2) Nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen sollen sich in der Sammlung zu Kopenhagen 6 oder 7 solcher "Ringe befinden, wie der von Söhren", welche ebenfalls alle zum Oeffnen (  ...  )
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den Herrn Professor und Conservator Dr. Lindenschmit abgeformt und in einem bemalten Abgusse auch der schweriner Sammlung geschenkt worden. Nach allen diesen ausreichenden Hülfsmitteln gebe ich hier einen Bericht über diese Krone und eine Abbildung derselben, zu welcher der Herr Dr. Handelmann unserm Vereine den Holzschnitt geliehen hat.

Krone

"Bei einer Wegearbeit zur Verbreiterung eines Verbindungsweges zwischen den Dörfern Söhren und Benz bei Eutin ward" (nach den brieflichen Mittheilungen Handelmann's) "durch einen Spatenstich ein schwarzes thönernes Gefäß zerbrochen, dessen Inhalt aus weißer Knochenasche und calcinirten Knochenfragmenten (von der Mittelhand und den Fingern) bestand. Oben auf den Knochen lag der Ring. Der Standort der Urne war ungefähr 2 Fuß tief unter der nie bearbeiteten Erdoberfläche; der Boden ist gelblicher Sand und es ist keine Spur vorhanden, daß derselbe früher bewaldet gewesen sei. Die Gegend ist arm an heidnischen Gräbern. Die Urne bestand aus schwarzem grobsandigen Thon und war, so weit einige noch vorhandene Bruchstücke erkennen lassen, ohne alle Verzierung." Der Ring ward im


(  ...  ) eingerichtet sind, jedoch giebt derselbe nicht besonders an, ob diese Ringe auch den charakteristischen, hohen, verzierten Charnierstift haben und überhaupt kronenartig gebildet sind. Abbildungen von diesen Ringen würden sehr willkommen sein; Worsaae giebt sie bisher nicht!
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Oktober 1862 von dem Herrn Bauernvogt Schwien zu Söhren dem Museum vaterländischer Alterthümer zu Kiel geschenkt.

Der Ring besteht aus guter, alter Bronze, nach der Analyse des Herrn Professors Karsten aus 90 pCt. Kupfer und 10 pCt. Zinn, und ist mit tiefem, hellgrünen edlen Rost bedeckt; der Ringkörper ist hohl gegossen und hat im Innern noch den Gußkern, wie an zwei schadhaften Stellen deutlich zu erkennen ist. Der Ring ist 778 1/2 Grammen schwer und hat, nach dem Abgusse, einen Durchmesser im Innern von 5 1/4 Zoll, im Aeußern von 7 Zoll hamburger Maaß (nach welchem die schweriner Kronen gemessen sind); der Ringkörper hat 7/8 bis 1 Zoll hamb. Maaß im Durchmesser. Die Einrichtung dieser Krone ist ganz derjenigen der schweriner Kronen gleich. Der ausgeschnittene Theil, welcher sich bis zu einem Winkel von etwa 70 Grad um den Stift bewegt, macht beinahe ein Drittheil des Ganzen aus; er paßt mit einem Zapfen in das gegenüber stehende Loch und durch eine Umdrehung des Stiftes werden beide Theile fest zusammengepreßt, ohne daß man den Mechanismus genau erkennen kann. Der Stift ragt 1 3/8 Zoll hamb. Maaß über den Ringkörper hervor; er gleicht freilich unten den Stiften der meklenburgischen Kronen, verjüngt sich aber von da an zierlich in viereckiger Form, ist höher und endigt oben mit einem geschmackvoll dreieckig ausgeschweiften Knopfe; die Stifte der meklenburgischen Kronen endigen in eine ziemlich formlose Spitze, auf welche jedenfalls ein kostbarerer Zierrath aufgesteckt gewesen ist.

So weit gleicht der Ring von Söhren vollkommen den meklenburgischen Kronen, namentlich der Krone von Lübtheen an Umfang und Hohlguß. Der Ring von Söhren unterscheidet sich aber von allen bisher bekannten Kronen dadurch, daß der Ringkörper oben nicht kronenartig ausgezackt ist, sondern einen runden Wulst bildet, der auf der obern und äußern, beim Tragen sichtbaren Hälfte mit vertieften Linienornamenten aus Queerbändern und Dreiecken verziert ist, wie sie auf dem Armringen der Bronzezeit vorkommen und oben unter dem Ringe abgebildet sind.

Man wird es jetzt, nach der Beschaffenheit des Ringes von Söhren, namentlich nach den Verzierungen und der Beschaffenheit des Stiftes, wohl nicht mehr bestreiten können, daß die meklenburgischen Kronen wirklich Kronen sind; auch hat sich die allgemeine Ansicht, nachdem sich die Hitze des Streites abgekühlt hat, schon längst dafür entschieden. Auch Herr Dr. Handelmann möchte den Ring von Söhren "allerdings in die Kategorie der sogenannten Kronen rechnen. Es

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überwiegt jetzt die Ansicht, daß alle diese Reife als eine Art Haupt= oder Haarschmuck gedient haben, mag man nun annehmen, daß sie oben um eine Kappe oder einen Helm, oder daß sie um ein kunstvoll aufgebauetes Haargeflecht gelegt wurden. Für beide Zwecke war es bequemer, wenn gleich keinesweges notwendig, daß die Reife sich öffnen ließen. So genügte auch der geringe Durchmesser, der für einen wirklichen Kopfring unzureichend wäre".

Von Wichtigkeit zur endgültigen Entscheidung der Frage scheint die Nachricht zu sein, auf welche der Herr Dr. Chr. Jessen in Kiel hingewiesen hat. In Jahn's Jahrbüchern für classische Philologie, Bd. 85, S. 574, wo über die goldenen westgothischen Kronen, gefunden zu Guarrazar bei Toledo, berichtet wird, heißt es: "Mehrere der Kronen von mittlerer Größe sind mit Scharnieren zum Auf= und Zumachen versehen". Wenn nun solche Kronen noch zur Westgothenzeit als Kopfschmuck wirklich gedient haben sollten, so wird man dasselbe mit um so größerer Sicherheit für die germanische Vorzeit annehmen dürfen, und unsere Bronzekronen werden nicht mehr anzuzweifeln sein.

Nach dem Hohlguß, dem hellen, wenn auch festen Rost und der Leichtigkeit der Verzierungen wird die Krone von Söhren in die jüngere Hälfte der Bronzezeit fallen; der Rost der beiden voll gegossenen meklenburgischen Kronen von Admanshagen und Trechow ist viel tiefer und dunkler. Die Zackenkronen werden also viel älter sein, als die Söhrensche Krone, um so mehr da die beiden eben genannten noch voll gegossen sind und die von Admanshagen noch aus Kupfer (mit nur 1 1/2 pCt. Zinn) besteht.

Die Zeit hat jedoch noch mehr gebracht als die Krone den Söhren. Kaum hatte Herr Dr. Handelmann die neue Entdeckung im Mai 1863 durch das Correspondenzblatt bekannt gemacht, als ich eine neue Form dieser Kronen in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin entdeckte. Hier lag ein Bruchstück eines Geräthes, welches aus zwei flachen, dünnen Bronzestangen bestand, welche um ein Charnier beweglich waren; ich hatte dieses Bruchstück, welches eher einem Nußknacker als einem Kronenreife gleicht, 30 Jahre lang häufig mit Befremden und Bedenken angesehen und schon mitunter den Vorsatz gefaßt, es bei Seite zu legen. Als ich im Junii 1863 mehrere seit langer Zeit in der Sammlung zurückgelegte Bruchstücke von bronzenen Kopfringen durchmusterte und es durch Zusammenlegen versuchte, ob sich noch irgend etwas Ganzes daraus zusammenstellen lasse, fielen mir zwei Bruch=

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stücke auf, welche oben eben so wellenförmig verziert waren, wie das zur Schau abgelegte Bruchstück mit dem Charnier. Und als ich die drei Bruchstücke zusammenpaßte, war die Krone oder der Kronenreif vollständig, welchen ich hier in Abbildung

Kronenreif

wiedergebe. Woher die Krone stammt, ist nicht bekannt; sie gehört zu der alten fürstlichen Sammlung und mag schon über hundert Jahre in derselben gewesen sein. Wir wollen sie daher nach der Sammlung die Krone von Schwerin [ 1 ) nennen. Diese Krone hat nun genau dieselbe Größe und Einrichtung, wie die alten Kronen von Trechow und Admanshagen. Es ist ungefähr ein Drittheil des Ringes ausgeschnitten, welches sich um ein Charnier bewegt und mit einem Zapfen in ein gegenüberstehendes Loch greift. Aber die Gestalt ist eine andere, als die der andern bisher bekannt gewordenen Kronen. Diese schweriner Krone besteht nämlich nur aus einer dünnen Bronzestange, von der Dicke der sehr häufig vorkommenden, gewöhnlichen, gewundenen Kopfringe, ist aber flach und oben mit 20 erhaben modellirten, niedrigen Wulsten oder Zacken verziert, welche durch 21 schmale Queerwulste getrennt sind. Diese größern Wulste sind Andeutungen und Ersatz für die hohen, spitzen Zacken an den Zackenkronen. Die Wulstverzierungen finden sich nur oben und sind daher auch von der äußern Seite sichtbar; unten ist der Ring flach und glatt und hinten stark abgescheuert, wie es scheint. Im Verhältniß zu dem Reifen ist auch das Charnier und der Stift mit seiner Verzierung sehr gedrückt und niedrig gehalten. Es


1) Nach der Mittheilung des Herrn Conferenzraths Thomsen befindet sich in der Sammlung zu Kopenhagen unter den 6 oder 7 Ringen, wie der Söhrensche, auch einer, welcher ganz niedrige Zacken hat.
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leuchtet aber auf den ersten Blick ein, daß auch dieser Kronenreif zu der Classe der oben beschriebenen Kronen gehört. Der Rost ist dunkel, aber nicht tief, und der Ring scheint lange unter Händen gewesen und abgegriffen zu sein. Die Zeit dieses Ringes mag zwischen die Zackenkronen und die Krone von Söhren fallen.

So wären denn drei Formen von Kronenringen gefunden, welche sich gegenseitig erläutern und ergänzen und selbst dafür reden, daß sie als Kopfschmuck gebraucht seien.


Von großer Wichtigkeit zur Vergleichung sind die oben erwähnten westgothischen goldenen Kronen von Guarrazar, und erlaube ich mir deshalb einige Nachträge nach den Originalwerken (von der königlichen Bibliothek zu Berlin). Im J. 1859 wurden in Spanien 8 goldene Kronen und mehrere goldene Kreuze durch einen französischen Artillerieoffizier aufgekauft und von demselben durch die französische Regierung erworben und dem Museum im Hôtel de Cluny zu Paris zur Aufbewahrung übergeben. Vorher waren an demselben Fundorte 14 gleiche Kronen gefunden, an die Münze zu Madrid verkauft und eingeschmolzen. Der Fundort war nach genauen Nachforschungen La Fuente de Guarrazar in der Nähe von Toledo. Man stellte an der Fundstelle Nachgrabungen an und fand hier die Fundamente einer altchristlichen Kapelle, innerhalb welcher die Schätze in zwei ausgemauerten Kisten verborgen gewesen waren. Ein dort gefundenes Grabdenkmal auf einen Priester Crispinus ist vom J. 693 und das Bethaus muß spätestens nach der Mitte des 7 Jahrhunderts erbauet worden sein. Im J. 1860 ward noch eine Krone gefunden und ebenfalls für Paris erworben, wo sich jetzt also 9 Kronen befinden. Im J. 1861 ward wiederum eine Krone gefunden und der Königin von Spanien zum Geschenke dargebracht.

Dieser höchst merkwürdige Schatz ward im J. 1860 durch den Grafen v. Lasteyrie bekannt gemacht in Description du trésor de Guarrazar par Ferdinand de Lasteyrie, Paris, Gide. 1860, von schönen, colorirten Abbildungen in natürlicher Größe begleitet, und von E. Hübner, welcher selbst in Spanien und Frankreich war, mit den übrigen darüber erschienenen Schriften in Jahn's Jahrbüchern für classische Philologie, Band 85, 1862, S. 568 flgd. mit kritischen geschichtlichen und sprachlichen Untersuchungen und mit Fundberichten angezeigt. Die rein antiquarische Seite hat aber noch keine eingehende Untersuchung und Vergleichung gefunden.

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Von den zuerst gefundenen 8 goldenen Kronen sind 5 von massivem Goldblech, die andern 3 von durchbrochener Arbeit; diese letztern kommen hier nicht besonders zur Berücksichtigung. Alle Kronen sind von reinem Golde und zum Theil mit schönen Edelsteinen und Perlen, auch geschnittenen Steinen, Glaspasten und Perlemutter reich besetzt. Die massiven Kronen sind ganz gerade Reifen von Goldblech, ohne Verzierungen von Zacken, Wulsten oder Hauptschmuck am obern Rande. Alle sind an dem obern Rande mit Ketten und mit einem Haken zum Aufhängen und am untern Rande mit hangenden Ketten mit Bommeln zum Schmuck versehen, so daß jede aufgehängte, vollständige Krone einem Kronleuchter nicht unähnlich ist. Innerhalb hängt von dem Anhängehaken an einer Kette ein goldenes, mit Edelsteinen besetztes Kreuz bis unter die Bommeln herab. An der größten Krone in Paris und an der Krone in Madrid sitzen auf den Bommeln ausgeschnittene Buchstaben, auf jeder Bommel ein Buchstabe, welche einen Namen bilden; auf der pariser Krone steht: RECCESVINTHVS REX OFFERET (statt offert), auf der madrider der Name Svinthila. Der westgothische König Svinthila regierte 621 - 631, der König Reccesvinth 649 - 672. Der Schatz läßt sich also dem 7. Jahrhundert und den westgothischen Königen zuweisen. Offenbar sind diese Kronen Weihgeschenke, sowohl nach der ausdrücklichen Angabe der Inschriften, als nach dem später hinzugefügten Kettenwerk zum Aufhängen; diese Sitte, Kronen als Weihgeschenke aufzuhängen, läßt sich lange Zeiten hindurch verfolgen.

Es ist die Frage behandelt, ob diese Kronen je getragen worden sind. Von der größern hat man es zugestanden, da der Reif um einen starken Manneskopf paßt und sich noch Reste von Futterung an derselben gefunden haben. Man muß also annehmen, daß die Könige die Kronen für den Fall ihres Ablebens dem Gotteshause vermachten.

Von den übrigen, etwa mit Ausnahme von noch einer, hat man es aber in Abrede genommen, daß sie getragen worden, da sie zum Umlegen um einen Kopf zu klein seien. Nun haben aber, nach den vorliegenden Abbildungen in natürlicher Größe, die 3 kleinern goldenen Kronenreifen, welche eine Höhe von 1 7/8, 1 5/8 und 1 3/8 Zoll haben, einen Durchmesser von 5 1/8, 4 5/8 und 4 5/8 Zoll hamburger Maaß, sind also ungefähr gerade so groß wie alle bisher gefundenen Bronze=Kronen der Bronzezeit. Es muß also alle Zeiten hindurch Sitte gewesen sein, die Kronen nur von dieser Größe zu machen, und man darf nicht vergessen, daß es vorherrschend

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Sitte gewesen ist, die Kronen auf einer Kopfbedeckung zu befestigen und nicht den Reif um die Stirne zu schlagen. Es giebt manche neuere Zeiten, in denen die Kronen, welche wirklich getragen und nicht bloß zu der Ceremonie der Krönung gebraucht wurden, ebenfalls sehr klein waren. Das sehr schöne Bronze=Diadem von Kreien Jahrb. XIV, S. 318, hat auch nur einen innern Durchmesser von 6" hamburger Maaß.

Das Merkwürdigste ist aber, daß nicht allein die große Krone, sondern auch die drei kleinern Reifen mit einem Charnier versehen sind, so daß sie sich beim Umlegen öffnen und schließen lassen. Dies zeugt dafür, daß sie wirklich getragen sind; für eine Nachbildung zum bloßen Aufhängen wäre dies unnöthig und unzweckmäßig gewesen. Und auch hierin gleichen diese goldenen Kronen ganz den Bronze=Kronen, welche sich alle um ein Charnier öffnen und schließen lassen. Diese Sitte des Oeffnens setzt sich noch bis in die ältere Eisenperiode fort, indem das hieneben abgebildete merkwürdige Diadem von Roga (Jahresber. VII., S. 37, und Jahrb. XIV., S. 330), welches auch einen biegsamen graden Blechstreifen von 1 5/8" Höhe und 7" Durchmesser bildet, ebenfalls

Diadem von Roga

geöffnet und geschlossen werden kann und also den goldenen Kronen ganz gleich ist, wie es denselben auch ungefähr gleichalterig sein mag. So lange man noch in starre Bronze goß, mußte man zur Oeffnung ein Stück ausschneiden, welches sich um einen Stift bewegte; als man aber mehr in Blech zu arbeiten gewohnt ward, wurden die Reifen biegsam, nur einmal geöffnet und an beiden Enden mit einem Stift zusammengehalten.

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Die 3 durchbrochenen Kronen von Guarrazar mögen Frauenkronen gewesen sein.

Aus dem Vorgetragenen geht nun zweifellos hervor, daß die goldenen westgothischen Kronen der Mehrzahl nach in der Größe und Einrichtung den bronzenen Kronen der vorchristlichen Bronzezeit völlig gleich sind, und daß man wohl zu dem Schlusse berechtigt ist, daß die Größe und Einrichtung der Kronen von der allerältesten Zeit bis gegen die Zeit des Anfanges der neuern europäischen Staatsgeschichte immer dieselbe war und daß die westgothischen Könige ihre Kronen nur uralten Formen nachbildeten.