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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.

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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Steinzeit.


Hünengräber von Alt=Sammit.

von

G. C. F. Lisch.

Auf dem Felde von Alt=Sammit bei Krakow, welches schon früher reiche Bronzefunde aus Kegelgräbern geliefert hatte (vgl. Jahrbücher XI, S. 391, und XII, S. 407), standen mehrere große, mit gewaltigen Granitblöcken umstellte und bedeckte "Hünengräber" der Steinperiode, welche zu den ältesten ihrer Art gehörten; zwei derselben waren dem Anscheine nach noch völlig wohl erhalten und unangerührt und mußten aus unausweichbaren Bedürfnissen im Sommer 1860 abgetragen werden. Der Gutsbesitzer Herr Diederichs d. j. hatte kaum mit der Abtragung eines Grabes angefangen, als es sich mit Sicherheit ergab, daß wenigstens zwei von diesen Gräbern noch völlig wohl erhalten waren. Der Vater des Herrn Gutsbesitzers, der Herr Advocat Diederichs d. ä. zu Güstrow, vieljähriges Mitglied unsers Vereins, reiste auf Nachricht hievon aus wissenschaftlicher Theilnahme nach Alt=Sammit, um die aufgedeckte Hälfte des einen Grabes für den Verein genauer zu untersuchen. Als sich hiebei bald drei Keile aus Feuerstein, Feuersteinsplitter und Bruchstücke eines menschlichen Schädels fanden, ließen die Herren die weitere Forschung ruhen und luden mich ein, nicht nur dieses in Angriff genommene Grab, sondern auch ein zweites ähnliches Grab

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selbst abtragen zu lassen. Am 9. und 10. Julii 1860 führte ich unter der Oberleitung des Herrn Diederichs d. j. auf Alt=Sammit und unter dem theilnehmenden Beistande des Herrn Diederichs d. ä. aus Güstrow die Forschung aus; ich fühle mich verpflichtet, dem Herrn Diederichs d. j. nicht nur für die äußerst umsichtige Leitung der schwierigen Arbeit und die Ueberlassung des Fundes an den Verein, sondern auch für die liberale Uebernahme der Kosten und die mir geschenkte freundliche Aufnahme und Beförderung den aufrichtigsten und wärmsten Dank zu sagen.

Die beiden jetzt abgetragenen Gräber gehören ohne Zweifel zu den ältesten Gräbern 1 ) der Steinperiode, also zu den ältesten Gräbern menschlicher Cultur, und bildeten freistehende sogenannte Steinkisten, welche noch keine angesetzte, mit Ringsteinen umstellte, lange Erdhügel hatten. Beide Gräber waren fast völlig gleich, und daher kann die Beschreibung derselben im Allgemeinen zusammengefaßt werden. Die Gräber standen auf ebenem Sandboden. Jedes Grab bildete eine große Steinkammer, welches an jeder Langseite 4 große, hervorragende Granitpfeiler hatte, welche je 2 immer einen großen, flachen Deckstein trugen, so daß jedes Grab mit 4 Decksteinen belegt war, wie es im Lande vorherrschend zu sein pflegt; an jedem schmalen Ende war das Grab mit einem großen, aufgerichteten Schlußstein geschlossen. Die natürlichen, sicher nicht gespaltenen, flachen Seiten der Steine waren nach innen gekehrt und bildeten hier regelmäßige, ebene Wände. So hatten diese Steinhäuser im Innern eine Länge von ungefähr 18 Fuß und eine Breite von ungefähr bis 8 Fuß. Die Steinkisten standen frei auf dem Urboden; jedoch war außen etwa bis ungefähr 2 Fuß hoch und 3 bis 4 Fuß breit eine schmale, niedrige Erdböschung gegen die Tragepfeiler angebracht, welche nach außen hin durch kleinere Steine geschützt war; die Gräber hatten aber keinen Hügel (tumulus). Die Längenrichtung der Gräber ging von Norden nach Süden. Auf den Gräbern standen sehr alte und große Dornbüsche, deren Wurzeln bis auf den Grund der Gräber gingen.

Die Tragepfeiler und Schlußsteine waren durchschnittlich 6 Fuß hoch, 5 bis 6 Fuß breit und 3 Fuß dick; die Decksteine waren eben so breit und 3 bis 4 Fuß dick, aber


1) Vielleicht gehören die weiter unten beschriebenen unterirdischen Wohnungen auf dem Hofe von Sammit demselben Volke, welches diese Steingräber errichtet hat.
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6 bis 8 Fuß lang, so daß sie, auf den Seitenpfeilern ruhend, die innere Kammer queerüber bedeckten. Die einzelnen Steine mochten nach ungefährer Schätzung jeder 6 bis 10,000 Pfund schwer sein, und daher war die Abtragung mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft, welche jedoch unter einsichtsvoller Leitung durch schiefe Ebenen, Untergrabung, Walzen und Hebel glücklich überwunden wurden.

Die Aufdeckung dieser Gräber giebt viel Licht über die bisher in Deutschland ziemlich unbekannte, wahre innere Einrichtung der Gräber der Steinperiode, und dies ist der Hauptgewinn aus dieser Aufgrabung. Die Seitenwände bestanden an jeder Langseite aus 4 Tragsteinen, welche die 4 Decksteine trugen, und aus 2 Schlußsteinen, alle mit den ebenen Flächen nach innen gekehrt. Die Tragesteine und Schlußsteine an den Enden standen jedoch oben nicht unmittelbar neben einander, schon deshalb nicht, weil die Decksteine oft breiter waren, als die Tragsteine. Alle Seitensteine standen aber auch unten nicht dicht neben einander, sondern es war zwischen je 2 Trag= oder Schlußsteinen immer eine Lücke von 1 bis 2 Fuß, welche auf dem Grunde mit kleinern Steinplatten von etwa 2 Fuß Höhe ausgesetzt war; diese Füllsteine waren an den Seiten und unten mit noch kleinern Steinen verzwickt, so daß der untere Raum im Innern bis etwa 2 Fuß hoch über dem Urboden, also so hoch als die äußere Erdböschung, eine vollkommen geschlossene, glatte Kammer bildete. Die innere Ansicht einer Seitenmauer war also ungefähr folgende

innere Ansicht einer Seitenmauer

Die Längenrichtung der ganzen Gräber ging von Norden nach Süden. Auf dem Urboden waren aber die Gräber queer über in kleine Kammern getheilt, welche in der Tiefe immer unter den Decksteinen lagen und von Westen nach Osten gerichtet waren. Diese kleinen Kammern waren durch flache, gespaltene, rothe Steinplatten, meistens von jungem rothen Sandstein, jedoch auch von jungem rothen Granit, welche ungefähr 1 Zoll und darüber dick und zwischen 1 und 2 Fuß im Quadrat groß waren, so gebildet, daß diese rothen Steinplatten einzeln, genau senkrecht und dicht auf einander folgend in den Sand des Urbodens gesetzt waren und

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kleine, ganz gerade Mauern bildeten; die etwanigen Lücken an den Tragsteinen und Füllsteinen waren auch sorgsam mit kleinen, rothen Steinen ausgefüllt. Der Grund dieser Kammern war mit einer dünnen Schicht Lehm, der sich in der Nähe nicht findet, ausgeschlagen, und diese dicht mit einer Lage zerschlagener, ausgeglüheter, weißer Feuersteine (wie mit einer Chaussee) bedeckt; diese Lehm= und Feuersteinschicht war ungefähr 2 bis 3 Zoll dick. Die Feuersteine sind sehr unregelmäßige Stücke und fast alle durch Feuer ausgeglüht, von Fett befreiet und weiß gebrannt; nur wenig Stücke sind noch vom Feuer unberührt und diese sind fast alle Stücke von natürlichen Außenseiten von Feuersteinen. Weshalb dieser Feuersteingrund gelegt ist und weshalb die Feuersteinstücke im Feuer ausgeglüht sind, ist schwer erklärlich; jedoch kommt diese Erscheinung in allen Hünengräbern vor, war also in einer gewissen Zeit allgemein. Mir scheint diese Bildung der kleinen Kammern theils zur Sicherung gegen wühlende Thiere, theils zum Schmuck also eingerichtet worden zu sein. In jenen fernen Zeiten hatte man gewiß wenig Farben. Man mußte aber sehr bald dahinter kommen, daß der durch Feuer ausgeglühete und vom Fett befreiet Feuerstein sich rein weiß brenne. Auf die angegebene Weise erhielt man innerhalb der grauen Granitmauern kleine Grabkammern, welche mit hellrothen Steinen eingefaßt und mit Weißen Steinen gepflastert waren: eine Farbenzusammenstellung, welche sehr gut stimmt. Der innere Kieselkern der Feuersteine ist immer ganz weiß, die äußere Schale von den Feuersteinknollen oft röthlich gebraunt, da die Feuersteinknollen des Tieflandes oft einen Ueberzug von Thon haben. Die Feuersteinstücke scheinen der Abfall von Feuersteinblöcken bei der Verfertigung der Feuersteingeräthe zu sein; daher finden sich in diesen Fußbodenlagern auch keine Stücke, welche noch zu Geräthen gebraucht werden könnten, z. B. keine Späne, welche zu Messern und Pfeilen gebraucht wurden: die ausgeglüheten Stücke sind immer kurze, dicke, eckige Stücke und kleiner Grus in sehr großen Massen.

Auf diesem in Lehm gelegten Feuersteingrund liegen oder sitzen die unverbrannten Leichen und die Alterthümer, welche denselben mitgegeben sind. Die Leichen sind in diesen uralten Steingräbern immer unverbrannt beigesetzt; von Leichenbrand ist keine Spur und die ausgeglüheten Feuersteine haben mit Leichenbrand nichts zu schaffen. In den Gefäßen, welche in den ältesten Gräbern stehen, finden sich nie verbrannte Knochensplitter und Kohlen, sondern sie sind immer leer. Zwar finden sich in den Hünengräbern gewöhnlich einige Koh=

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len oder kohlenähnliche Körper weit zerstreut; diese sind ungefähr 1 Zoll groß und finden sich nur einzeln. Diese Kohlen können aber nur zufällig in die Gräber gekommen sein und sind vielleicht Bruchstücke von den hölzernen Geräthen, welche zur Aufrichtung der Steingräber gebraucht wurden, da die Menschen der Steinperiode ihre Balken, Hebebäume und andere große hölzerne Geräthe durch Ab= und Ausbrennen gewannen, wenigstens vorbereiteten, weshalb auch viele Enden gewiß noch stark verkohlt waren. Vielleicht sind die Kohlen aber auch mit den ausgebrannten Feuersteinen in die Gräber gekommen.

Die Kammern und die Leichen mit den Alterthümern waren dann mehrere Fuß hoch fest mit starkem Sande und vielen kleinen natürlichen Feldsteinen von ungefähr 1/2 Fuß Durchmesser bedeckt, so daß das in den Ringwänden dicht vermauerte Grab im Innern fest und dicht verpackt war. Diese Einfüllung war immer etwas höher, als die zwischen den Tragepfeilern stehenden Füllsteine, und ungefähr so hoch, als die äußere Böschung, so daß von außen von der eigentlichen Einrichtung des Grabes nicht das Geringste zu sehen war. Die Gräber erschienen oben, so weit sie sichtbar waren, als aus der Erde hervorragende Tragsteine, auf welchen die Decksteine lagen.

Ich halte nun diese Gräber von Alt=Sammit für Gräber, welche noch vollständig erhalten waren, und glaube, daß alle ähnlichen Gräber im Lande, welche gewöhnlich leer sind, so daß man wie in einem Hause darin sitzen kann, im Innern schon zerstört und ausgeräumt sind. Wenn man nur einen Schlußstein am Ende, der gewöhnlich nichts trägt, abwälzt, so kann man diese Gräber mit gewöhnlichen Hacken sehr leicht bis auf den Grund ausräumen. Das niedere Landvolk ist der irrigen Ansicht, daß in diesen großen Steingräbern große Schätze verborgen sind, und deshalb sind diese Gräber seit vielen Jahrhunderten ununterbrochenen Angriffen ausgesetzt gewesen. Ich halte daher jetzt die meisten sogenannten Steinhäuser, Steinkisten, Opferaltäre u. s w. für ausgeräumte Gräber der ältesten Steinperiode, welche ursprünglich eben wo eingerichtet waren, wie die Gräber von Alt=Sammit 1 ).

Die Errichtung dieser Gräber war allerdings sehr schwierig, jedoch nicht so schwierig, daß man glauben müßte, ein Riesenvolk von ungewöhnlicher Kraft habe zur Erbauung noth=


1) Dieser Ansicht ist auch Worsaae in Dänemarks Vorzeit, 1844, S. 65 flgd.
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wendig gehört. Mit schiefen Ebenen, Hebeln, Walzen und Kugeln läßt sich bei einiger Erfahrung schon viel ausrichten. Die 28 großen und sehr vielen kleinern Steine der beiden Gräber von Alt=Sammit sind durch ungefähr 8 anstellige Arbeiter in höchstens 2 Tagen ab= und ausgehoben und von ihrer Stelle gebracht, freilich mit großer Anstrengung, aber doch nur mit ganz gewöhnlichen Mitteln, wie Hebebäumen, Hacken, Spaten u. s. w.

Die Gräber von Alt=Sammit geben aber besonders wichtigen Aufschluß über die Bestimmung der Gräber. Man hat bisher geglaubt, daß die gewöhnlich mit 4 Steinen bedeckten "Hünengräber" jedesmal nur Ein Grab gebildet hätten und daß die Decksteine queer über Eine Leiche gelegt worden seien. Dies ist aber nicht der Fall. Die Längenrichtung der Gräber von Sammit ging von Norden nach Süden so, daß die 4 Decksteine queer über die Länge der Gräber gelegt waren, also in der Längenrichtung von Westen nach Osten. Bei der Aufgrabung des Grundes der sammiter Gräber ergab sich nun, daß der Grund mit Kammern ausgesetzt war, deren Hauptabtheilungen immer grade unter einem Decksteine lagen, daß in jedem Grabe mehrere Leichen in den verschiedenen Kammern begraben waren, daß also ein solches Hünengrab mit 4 Decksteinen nicht ein Grab für Eine Person, sondern ein Bau von mehreren zusammengesetzten Gräbern ist, deren Kammern ihre Längenrichtung von Westen nach Osten haben, in welche die Leichen so gesetzt sind, daß der Kopf im Westen liegt, also nach Osten schauet. Hieraus erklärt es sich auch, daß man das Innere und Aeußere fest verpackte, weil immer neue Gräber angesetzt wurden und man die ältern Gräber nicht offen stehen lassen konnte. Man fing vielleicht im Norden an und setzte gegen Süden hin immer einen Schlußstein vor, welcher bei einer neuen Bestattung abgerückt und wieder benutzt werden konnte. Allerdings finden sich auch viele Gräber mit Einem Deckstein und Einer Kammer.

Die Alterthümer, welche in diesen Gräbern gefunden werden, sind immer von Stein oder Thon; von Metall ist nie eine Spur gefunden.

Ich werde jetzt das Innere der beiden Gräber und ihren Inhalt beschreiben, wobei ich immer die Kenntniß der vorstehenden allgemeinen Beschreibung voraussetze. Ich werde die Gräber, da sie fast gleich waren, durch Nr. I und Nr. II bezeichnen.

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Steingrab Nr. I.

Dieses Grab ward im Anfang April 1860 von den Arbeitern an der goldberg=lübzer Chausse im Beisein der Herren Diederichs in Angriff genommen, welche sich die Untersuchung des Grundes vorbehalten hatten. Der Anfang war im Süden gemacht.

A. Unter dem südlichsten Decksteine fand sich eine Kammer, welche mit Lehm und Feuersteinen ausgelegt war und von Westen nach Osten queer durch ging. In dieser fanden sie 3 Keile von grauem Feuerstein,

1) einen Keil, 5 1/2" lang, 5/8" dick,
2) einen Keil, 5" lang, 5/8" dick,
3) einen Keil, 4" lang, 1 1/4" breit, 3/8" dick.

Alle diese Keile sind an der Schneide auf beiden breiten Seiten gut geschliffen; die eine Oberfläche ist an mehreren Stellen angeschliffen, die entgegengesetzte Oberfläche außer der Schneide, und die beiden Seitenflächen sind aber noch gar nicht geschliffen. Dieser Mangel an durchgeführter Kunst läßt auf eine sehr ferne Zeit schließen. Alle 3 Keile sind sehr dünne und haben wohl zu Waffen gedient; es läßt sich überhaupt die Beobachtung machen, daß die in großen Gräbern gefundenen Keile in der Regel dünner sind, als die auf dem Felde gefundenen (welche wohl zu Ackergeräthen dienten).

B. Unter dem nächst folgenden Decksteine war wieder eine Kammer. In dieser fand sich

4) ein unverbranntes Gerippe eines erwachsenen Menschen, von welchem jedoch nur große Bruchstücke eines menschlichen Schädels erhalten sind. Die Bruchstücke sind alle vom Hinterkopfe; von Stirne, Zähnen u. s. w. fand sich keine Spur. Die Schädelbruchstücke sind sehr mürbe und haben sich queer gelöset, so daß meistentheils nur noch die Außenflächen vorhanden sind.

Als sich nun wissenschaftliche Ergebnisse herausstellten, untersagte der Herr Diederichs augenblicklich die Fortsetzung der Arbeit bis zu meiner Ankunft, nach welcher wir die Aufdeckung mit eigenen, anstelligem Leuten am 9. Julii 1860 fortsetzten.

Bei der genauem Aufräumung der zweiten Kammer fanden wir in derselben noch

5) zwei große Bruchstücke von einem thönernen Gefäße, aus denen sich jedoch der Charakter des Gefäßes nicht erkennen läßt, um so mehr, da sie keine Verzierungen haben.

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C. Unter dem dritten und vierten Decksteine war in der Mitte queer eine schmale, lange Kammer, 3 Fuß lang und 2 Fuß breit; an jeder Seite war eine etwas schmalere Nebenkammer. Unter dem dritten Decksteine fand sich in den Kammern nichts.

Kammer

D. Unter dem vierten nördlichen Decksteine fand sich aber in der östlichen Kammer

6) gegen den dritten Deckstein hin ein Keil von Feuerstein, wie der Keil Nr. 3, jedoch etwas dicker, aber an beiden breiten Seiten ganz, an den schmalen Seiten nicht geschliffen.

In der nordöstlichsten Ecke unter dem nördlichsten Decksteine, nicht weit von dem Keile, lag

7) eine große Lanzenspitze von hellgrauem Feuerstein, 8 1/2" lang und 2" breit in der Mitte; diese Lanzenspitze ist zwar sehr regelmäßig, aber noch sehr derb und mit wenig Schlägen und großen Absplitterungen gearbeitet.

In der ausgeworfenen Erde fand sich nachträglich

8) ein Keil von Feuerstein, von dem es sich nicht genau bestimmen ließ, wo er in dem Grabe gelegen hatte. Derselbe ist schon in alter Zeit queer durchschlagen, vielfach abgesplittert und jetzt noch in dem Beilende gegen 4" lang vorhanden; in seiner ganzen Gestalt mag er 5 1/2" lang gewesen sein.

E. Hinter dem vierten, nördlichsten Decksteine hatte dieses Grab ausnahmsweise noch eine Kammer, und deshalb war der nördliche Schlußstein auch etwas weiter von den Decksteinen entfernt gesetzt, als gewöhnlich. Diese Kammer war nur 4 Fuß lang und 3 Fuß breit. In derselben fand sich eine unverbrannte Leiche sitzend beigesetzt, so daß sie gegen Osten schauete. Am westlichsten Ende der Kammer lagen nämlich ganz klar die Schädel=, Arm= und Rippenknochen über einander auf einem Haufen, so daß die Leiche nicht anders als sitzend beigesetzt gewesen sein konnte und die Knochen des Oberleibes beim Zusammensinken auf einander gefallen sein mußten. Die Beinknochen, welche von Anfang an wohl horizontal gelegen hatten, waren fast ganz vergangen. Von den Knochen des Oberleibes konnten nur einzelne Stücke ge=

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rettet werden. Die Bruchstücke des Hinterkopfes sind sehr dick und gehörten nach den verwachsenen Näthen einem alten Menschen; vom Gesichte ließen sich keine Spuren finden.

Steingrab Nr. II.

Das zweite Grab war wie das erste gebauet und eben so groß, hatte jedoch einige Eigenthümlichkeiten. Die Längenrichtung dieses Grabes war ebenfalls von Norden nach Süden. Auf den beiden südlichsten Tragepfeilern fehlte der Deckstein; dagegen war der nördlichste Deckstein, welcher sehr groß, aber am östlichen Ende viel dünner war, von dem östlichen Tragsteine abgeglitten und eingesunken, und ein zweiter, kleinerer, jedoch immer noch großer Deckstein, war auf dieses schräge eingesunkene Ende aufgelegt. Ob dies von Anfang an so eingerichtet und der Bau ein verunglückter gewesen ist, wie es scheint, läßt sich wohl nicht mehr entscheiden. Ferner war an der östlichen Seite gegen den ersten und zweiten Tragstein im rechten Winkel ein kurzer Gang angesetzt, in dem zwei Reihen kleinerer Steine von etwa 3 Fuß Größe, an jeder Seite 3 Stück, parallel, ungefähr 2 Fuß von einander, im rechten Winkel auf die eben so breite südlichste Lücke an der Ostseite gingen. Der innere Raum dieses Ganges war eben so mit Erde und kleineren Steinen ausgefüllt, wie der innere Raum des Grabes und das Aeußere war von der äußern Böschung des Grabes zum großem Theile bedeckt. Dieser Gang hatte keine Decksteine. Dieses Grab war also ein Grab von der Art, welche von Nilsson (Nordens Ur-Invånare Kap. III, p. 18) Ganggräber genannt und im Norden häufig gefunden werden. Ein von ihm aufgedecktes Grab (Pl. XVI, Fig. 197) hatte einen Gang, welcher auch 2 Fuß breit war.

A . Unter dem Räume des ersten, fehlenden Decksteins im Süden und

B . unter dem zweiten Decksteine waren wohl Kammerabtheilungen mit Lehm= und Feuersteinboden, aber keine Alterthümer.

C . Der Raum unter dem dritten Decksteine hatte jedoch einen reichen Inhalt. Auf dem Urboden waren in der Längenrichtung des ganzen Grabes, also in der Richtung von Norden nach Süden, drei mit Lehm und Feuersteinen ausgelegte, gleich große, schmale Kammern. In der Kammer neben dem östlichen Tragepfeiler war

9) ein unverbranntes menschliches Gerippe von einem erwachsenen Menschen; wahrscheinlich hatte auch dieses

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gesessen, da der Raum der freilich am Fußende nicht mehr scharf abgegrenzten Kammer zum Liegen zu kurz schien; es konnten nur bedeutende Bruchstücke von den Beinknochen wahrgenommen und herausgeholt werden, vom Schädel war keine Spur mehr zu entdecken. Links neben den Knochen standen an dem Tragsteine einige gespaltene Steine, welche mit einer schmierigen schwarzen Masse, wahrscheinlich von der Verwesung der Leiche, bedeckt waren.

Gegen die Füße hin lagen neben den Knochen, wie es schien zur rechten Hand, 2 Keile aus Feuerstein, nämlich

10) ein großer Keil, ebenfalls lang, breit und dünn, 6 3/4" lang, 2" breit und 3/4" dick, an beiden breiten Seiten ganz geschliffen, an den schmalen Seiten nicht geschliffen,

11) ein kleiner Keil, 4" lang, 1 1/2" breit und 1/2" dick, gar nicht geschliffen, auch an der Schneide nicht, sondern nur ganz roh zugehauen, und dazu noch etwas krumm und unregelmäßig.

Nach dem Kopfe hin, wie es schien zur linken Hand, lag

12) eine Lanzenspitze aus Feuerstein, ganz von derselben, etwas unfertigen Arbeit, wie die Lanzenspitze Nr. 7, und dick, jedoch nur 6" lang.

Diese Alterthümer scheinen die Waffen der Leiche gewesen zu sein.

Aus der Gleichheit der beiden Lanzenspitzen dürfte sich auf ein gleiches Alter beider Gräber schließen lassen.

In den beiden andern kleinen Kammern, welche mit dieser parallel lagen, konnten keine Alterthümer wahrgenommen werden.

Diese drei kleinen Kammern waren ungefähr 1 Fuß hoch mit Sand und kleinen Steinen fest bedeckt. Auf dieser Packschicht, also 1 Fuß hoher, als die Keile und die Lanzenspitze, lagen grade über den 3 kleinen Kammern 3 Meißel aus Feuerstein und mehrere thönerne Gefäße, namentlich

13) ein Meißel, 4 1/2" lang und 5/8" breit und dick, vollständig, an den beiden breitern Seiten und an einer schmalen Seite geschliffen;

14) ein Meißel, an den beiden breiten Seiten geschliffen, welcher eben so groß gewesen sein mag, aber an der untern Seite abgebrochen und hier nothdürftig zu einer Schneide zugehauen ist, ohne geschliffen zu sein; das Bruchstück ist jetzt 3" lang;

15) ein Meißelblock aus Feuerstein, roh zugehauen, jedoch ohne Schneide und nirgends polirt.

Neben diesen Meißeln lagen viele Scherben von zertrümmerten, hellbraunen Thongefäßen, jedoch ohne In=

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halt, wie es schien; das ist gewiß, daß sie nicht zerbrannte Knochen und Asche enthalten hatten, wie überhaupt in dem ganzen Grabe keine Spur von zerbrannten Knochen zu finden war. Einige wenige Kohlen, welche zerstreut umherlagen, scheinen zufällig in das Grab gekommen zu sein. Es lassen sich nach den Scherben 3 Thongefäße unterscheiden:

16) ein gradwandiges, dickes Thongefäß ohne Verzierungen;

17) ein ähnliches Thongefäß;

18) ein dünnwandiges, hellbraunes, kugeliges Thongefäß mit zwei kleinen Henkeln auf dem Bauchrande, mit schuppenartigen Verzierungen und Strichen am obern Theile verziert, wie die in Jahrb. X, S. 258 und 259 abgebildeten Verzierungen, namentlich an der Urne des Hünengrabes von Remlin (Jahrb. IX, S. 362), dessen Grabkammer mit den sammiter Gräbern viel Ähnlichkeit hat.

Leider ließen sich die Scherben nicht vollständig zusammenbringen.

19) Ein regelmäßig abgerundeter und abgeschliffener bohnenförmiger Quarzstein von ungefähr 5/8" Größe kann eben so gut ein durch Wellenschlag gebildetes Naturproduct, als ein durch Menschenhand gebildetes Kunstproduct sein.

Ueber den Meißeln und Thongefäßen waren die Kammern mit Sand und kleinen Steinen bis zur Höhe der übrigen Bedeckung zugepackt.

D . Unter dem nördlichsten Decksteine war eine Queerkammer von Westen nach Osten, in welcher

20) ein menschliches Gerippe eines erwachsenen Menschen von Westen nach Osten hin lag, so daß der Schädel im Westen lag und nach Osten schauete. Es waren nur noch die starken Schenkelknochen erhalten und es war nicht mehr zu erkennen, ob die Leiche gesessen oder gelegen hatte.

Es wäre möglich, daß die Meißel und Urnen Nr. 13 - 18 zu dieser Leiche gehörten.

Unter den ausgeworfenen Steinen, mit denen das Grab im Innern verpackt war, fand sich

21) eine grauweiße Sandsteinplatte von altem Sandstein, 10" lang, 6" breit und durchschnittlich gegen 2" dick, welche ganz die Gestalt der Schleifsteine der Steinperiode hat und dazu bestimmt und auf einer Seite schon etwas dazu benutzt gewesen zu sein scheint.

Ferner fand sich unter den ausgeworfenen kleinen

22) ein vollständig abgerundeter und regelmäßig geschliffener und abgeglätteter, fast kugelrunder Granit von

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der Größe eines ausgewachsenen Menschenschädels, ungefähr 6" im Durchmesser; an einer Seite fehlt ein Stück. Es läßt sich nicht ermessen, ob dieser Stein durch Kunst bearbeitet und zum Roll= oder Reibstein bestimmt gewesen, oder ob er durch Naturkräfte im Diluvium so gebildet ist. So große natürliche, abgerundete Steine scheinen äußerst selten zu sein; die künstlichen runden Steine dagegen sind in der Regel nicht halb so groß.

Der Grundriß dieses Grabes II ist ungefähr folgender:

Grundriß eines Grabes

Nr. 1 ist die Kammer mit einem Gerippe.
Nr. 2 ist die Kammer mit einem Gerippe und den Keilen und der Lanzenspitze.

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Nr. 3 der Raum der Kammer, auf welcher 1 Fuß höher die Meißel und die Urnen lagen.
Nr. 4, 5, 6 waren scheinbar leer.

Nach allen Erfahrungen und Erscheinungen gehören diese Gräber zu den ältesten Gräbern der Steinperiode 1 ). Die Aufdeckung derselben hat uns zuerst einen Blick in die Bestattungsweise gegönnt, indem bisher in Meklenburg, so viel ich mich erinnere, nur "Hünengräber" mit langen Hügeln aufgedeckt sind, welche ich für jünger halte, da in diesen schon oft Anzeichen von Leichenbrand auftreten. Besonders wichtig scheint mir die Erfahrung zu sein, daß diese Gräber oder Steinkisten mit 4 Decksteinen nicht Gräber für Eine Person, sondern für mehrere, wenigstens zwei Personen, also wahrscheinlich Familiengräber waren, welche nicht mit einem Male, sondern nach und nach aufgeführt wurden.

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Höhlenwohnungen von Bresen.

Ein Bauer zu Bresen bei Rehna ließ im Sommer des J. 1858 auf seinem Felde nahe an der Scheide des Dorfes Demern ein Wasserloch ausgraben, wobei in dem ausgeworfenen Moder eine große Menge von heidnischen Gefäßscherben, Kohlen und Asche zum Vorschein kam. Bei diesem Graben ward nun die Beobachtung gemacht, daß 3 kreisrunde Vertiefungen, jede 6 Fuß tief, im Dreieck, alle 7 Fuß von einander, liegend, vorhanden gewesen waren, deren concaver Grund mit Gefäßen und großen Massen von Gefäßscherben, Kohlen und Asche bedeckt war; zwei Vertie=


1) Diese Gräber von Alt=Sammit sind in jeder Hinsicht den beiden großen Gräbern gleich, reiche auf lübeker Gebiet zn Waldhausen und Wulfsdorf standen und deren Aufdeckung von dem Pastor K. Klug in: Opfer= und Grabalterthümern zu Waldhausen, Lübeck, 1844, und in der Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte, Heft 3, 1860, S. 397 flgd. beschrieben ist. Diese beiden lübeker Gräber sind dadurch höchst merkwürdig, daß die großen Steingräber der Steinperiode zu jüngern Bestattungen in der Bronzeperiode benutzt und beide durch einen Erdkegel bedeckt waren, so daß man in dem Kegelgrabe oben ein Begräbniß aus der Bronzeperiode, unten ein Begräbniß aus der Steinperiode hatte. Warum Klug sich in beiden Beschreibungen noch immer dagegen sträubt, diese Gräber als Gräber anzuerkennen, sie dagegen dem "Opfercultus" zuschreibt, ist schwer zun ergründen, da er keine Erscheinungen angiebt, die dafür reden könnten.
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fungen waren im Westen, die dritte war im Osten davon erkennbar. Etwa 10 Fuß östlich von der östlichen Vertiefung stand in der Erde ein 4 Fuß hoher, ausgehöhlter, fester Eichenstamm, 2 Fuß im Durchmesser tonnenförmig ausgehöhlt, 1 ) welcher, ohne zu wurzeln, auf die Erde eingesetzt und ebenfalls, wie die Erdvertiefungen, mit Gefäßscherben, Kohlen und Asche ausgefüllt war.

Vertiefungen

Die Gefäße waren mit Kohlen und Asche gefüllt, jedoch so zerbrechlich, daß es nicht möglich war, ein einziges zu erhalten. Die Gefäßscherben, welche alle nicht verziert sind, sind nach heidnischer Weise mit Grand und Granitgrus durchknetet, theilweise sehr dick, auch rauh auf der Oberfläche, ohne mit geschlämmtem Thon überzogen zu sein, und tragen den Charakter der ältesten Zeit der Bronzeperiode oder der jüngsten Zeit der Steinperiode, sind jedenfalls älter als die jüngste Wendenzeit Eine in die innere Wand einer Scherbe eingegrabene grade Linie hat ganz den Charakter der Steinperiode. Viele Scherben sind von ungewöhnlich großen Gefäßen, welche ungefähr einen Fuß im Durchmesser gehabt haben; die vielen Gefäßhenkel, welche sich fanden, sind alle verhältnißmäßig groß gegen die der Todtenurnen, so daß man bequem mit dem Zeigefinger durchgreifen kann. Alle diese Eigenthümlichkeiten deuten darauf hin, daß diese Scherben Gefäßen zum häuslichen Gebrauche angehörten. Zwischen den Scherben lagen gewöhnliche Feldsteine (vom Fußbodenpflaster?) von verschiedener Größe. Knochen und Lehmklumpen fanden sich nicht.

Diese runden Vertiefungen und die vielen aufgehäuften Scherben scheinen darauf hinzudeuten, daß diese runden Vertiefungen die Reste von unterirdischen runden Wohnungen oder von dazu gehörenden Küchen oder Kellern waren, deren Dächer auf der Erde auf dem Rande der Vertiefungen standen. Es ist schon öfter beobachtet, daß sich in einer Tiefe von gut 5 Fuß in der Erde Steinpflaster, Scherben, Kohlen, Knochen u. dgl. finden, z. B. zu Dreveskirchen ( Jahrb. XIX, S. 289, und XX, S. 276), welche sicher die Reste von alten Erdwohnungen sind. Die Scherben und die Rundung der Wohnungen scheinen auf die älteste


1) Auch in Dargun ist mir erzählt worden, daß man dort bei Ausgrabungen einen tonnenförmig ausgehöhlten Eichenstamm in die Erde gesetzt gefunden habe.
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Zeit der Bronzeperiode hinzudeuten, da nach der Gestalt der Hausurnen und der Grabhügel die Wohnungen während der Bronzeperiode sicher rund waren, die Wohnungen in der Steinperiode aber vielleicht viereckig gewesen sein mögen, da die Gräber dieser Periode viereckig sind.

Alterthümer wurden bei dieser Ausgrabung nicht weiter gefunden, als ein thönerner Spindelstein von 1 1/2" Durchmesser, welcher leider zerbrochen und verloren gegangen ist, und zwei Reib= oder Rollsteine aus sehr feinkörnigem Granit oder altem Sandstein; der eine ist sehr unregelmäßig und nur an den Rändern abgerieben, während zwei flache Seiten noch die natürlichen Bruchflächen haben: der andere ist ganz eiförmig, 4" lang und 3 1/2" dick im mittlern Durchmesser und völlig regelmäßig auf der ganzen Oberfläche abgerieben, sonst ganz wie die zahlreichen, in neuern Zeiten gefundenen 1 ) Rollsteine (vgl. Jahrb. XXIII, S. 276).

Der Verein verdankt diese Nachricht und die Scherben und die Rollsteine den wiederholten sorgfältigen Nachforschungen des Küsters Herrn Bohn zu Demern.

G. C. F. Lisch.     

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Höhlenwohnungen von Alt=Sammit.

Zu Alt=Sammit bei Krakow, welches nennenswerthe Alterthümer aus der Stein=, Bronze= und Eisen=Periode und aus dem Mittelalter geliefert hat (vgl. oben und bei den verschiedenen Abtheilungen), ward im Sommer 1860 ein auffallender Fund gemacht. Auf dem Hofe (hinter der neuen Scheure) wurden beim Sandausfahren in einer Tiefe von 2 bis 3 Fuß unter der jetzigen Erdoberfläche, welche wahrscheinlich schon etwas abgetragen ist, große Massen von großen, sehr alten, groben Gefäßscherben ausgegraben, bei welchen überall Kohlen, oft in größern Stücken, lagen; es wurden wenigstens 30 Scherben aufgesammelt, von denen wenigstens 12 Stück verschiedenen Gefäßen angehörten. Die Gefäße müssen alle sehr groß gewesen sein, größer als die größten Begräbnißurnen; die Scherben sind in der Regel 1/2" dick und noch dicker, mit sehr grobem Granitgrus durchknetet, auf der Außenseite noch rauh und noch nicht mit geschlämmtem Thon überzogen; einige Rand=


1) Ungefähr 400 Schritte von der Fundstelle auf dem Felde von Demern wurden im Sommer 1859 in einem Gefäße 2 Reibsteine gefunden, welche in die Sammlung des Herrn Pastors Masch zu Demern gekommen sind.
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stücke sind 1" dick. Ohne Zweifel sind diese Scherben Ueberreste von den Gefäßen unterirdischer Wohnungen oder Keller der ältesten Heidenzeit. Da mehrere Randscherben eine so weite Schwingung haben, daß die Gefäße so groß wie ziemlich große Tonnen gewesen sein müssen, so werden die Gefäße zur Aufbewahrung von Vorräthen, andere werden zum Kochen gedient haben. Es ist nicht unmöglich, daß hier (näher am Wasser) die Menschen der Steinperiode gewohnt haben, deren Gräber oben S. 115 flgd. beschrieben sind.

Diese unterirdischen Räume gewinnen ein hohes Interesse durch die (vorher beschriebenen) Ueberreste aus den Höhlenwohnungen zu Bresen bei Rehna, welche denen von Alt=Sammit so völlig gleich sind, daß an denselben Gebrauche und derselben Zeit nicht zu zweifeln ist.

G. C. F. Lisch.     

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Steinhacke von Friedrichshöhe.

Der Herr Ritter fand auf seinem Gute Friedrichshöhe bei Rostock in einem Moderloche, neben welchem Ueberreste von drei Feuerheerden erkennbar waren, nach und nach wenigstens 16 kugelrunde, gleich große Reib= oder Rollsteine und einen Schleifstein aus weißem alten Sandstein, so wie viele alte heidnische Gefäßscherben.

Späterhin fand derselbe in der Modde noch einen Stein, welcher sicher zu einer Hacke gedient hat, in seiner Art in Meklenburg noch nie beobachtet und sehr merkwürdig ist. Der Stein ist ein rohes, noch nicht bearbeitetes Stück Geschiebe aus weißem alten Sandstein, welches von Natur ganz passend zu einer Hacke geformt und ziemlich regelmäßig ist. Der Stein ist 4 1/2" lang, ungefähr 2" breit, in der Mitte 1" dick und läuft nach den Kanten hin allmälig scharf aus und ist nur am oberen Ende voll 1" dick. Die untere Fläche ist von Natur durch eine ursprüngliche Bruchfläche ganz eben und glatt, die obere Fläche ist gewölbt, in der Mitte der Länge nach am erhabensten und läuft nach den Seiten und unten hin scharf aus. Der Stein hat also ungefähr die Gestalt einer längs durchschnittenen Streitaxt und eignet sich ohne Bearbeitung vortrefflich zu einem Hackstein, welcher auf eine hölzerne Hacke gebunden ward. Dies beweiset auch offenbar eine leichte, rohe Bearbeitung zu diesem Zwecke. Oben, 1" unter dem obern Ende, ist nämlich an beiden Seiten eine kleine, halbrunde Einbiegung und auf der obern Fläche eine

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flache Rille ausgehauen, um das Band oder die Sehne aufzunehmen, mit welcher der Stein auf der Hacke befestigt ward. Der Stein ward also mit der untern glatten Fläche auf eine von Natur gebogene Hacke von Holz oder Horn gelegt, so daß das untere, scharfe Ende, welches ein wenig scharf abgeschliffen ist, etwas überragte, und in der ausgehauenen Rille mit einer Sehne auf die Hacke gebunden. Diese Hacke glich also genau den mit einem aufgebundenen, geschliffenen Stein versehenen Hacken der wilden Völker der neuern Zeiten (vgl. Worsaae Dänemarks Vorzeit, 1844, S. 10, Fig. 1, und S. 11, Fig. 3) und zeigt, daß ähnliche Hacken auch in Norddeutschland in Gebrauch waren. Ohne Zweifel sind auch viele von den dicken Feuersteinkeilen, welche einzeln auf den Feldern gefunden werden und wenig geschliffen sind, zu gleichem Zwecke verwandt worden.

G. C. F. Lisch.     

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Feuersteinkeil mit Holzgriff von Raduhn.

Zu Raduhn bei Crivitz ward beim Aufräumen des Baches in dessen Bette von den Arbeitern ein Feuersteinkeil gefunden, der an einem hölzernen Griffe befestigt war. Die Arbeiter zerschlugen den Griff und warfen ihn bei Seite, verkauften aber den Keil an den grade anwesenden Thierarzt Herrn Both aus Crivitz. Der Herr Kaufmann Hellerung zu Crivitz erwarb für den Verein theilnehmend nicht nur den Keil, sondern zog auch von dem Herrn Both genaue Nachricht und Zeichnung ein. Der Keil war nicht in oder auf den Griff gebunden, sondern als Herr Both ihn kaufte, in einen starken Holzklotz von 3 bis 4 Zoll Dicke sehr fest eingekeilt, so daß Both ihn daraus in der Schmiede zu Raduhn auf dem Ambos mit einem Hammer los geschlagen hat. In diesem Holzklotz ist ein hölzerner Griff von ungefähr 3 Fuß Länge befestig gewesen. Das Ganze hat nach der Zeichnung des Herrn Both folgende Gestalt gehabt:

hölzerner Griff

Das Holz des ganzen Griffes ist späterhin verbrannt. Der Keil, welcher wahrscheinlich durch einen besonderen Gehalt des Wassers ein marmorirte grüne Farbe hat, ist an allen 4 Flächen und selbst an den Bahnende geschliffen und ziemlich

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dick. Es ist sehr zu beklagen, daß dieses seltene Stück des Alterthums nicht erhalten ist, da es wohl einzig in seiner Art gewesen wäre; jedoch verdient der Herr Hellerung doch immer noch großen Dank für die Einziehung der Nachrichten.

Die Art der Befestigung des Keils ist derjenigen der Keile aus den Pfahlbauten der Schweiz äußerst ähnlich. Die Steinkeile der Pfahlbauten sind erst in eine kurze Krone von Hirschhorn gefaßt, welche oben zu einem Zapfen ausgearbeitet ist, um diesen in den Stiel oder Griff einzulassen. Diese Fassung ist deshalb so gewählt, damit beim Schlage der Keil die Fassung nicht zersprengt; wenn auch der Stiel brach, so konnte doch die Hirschhornfassung noch halten. Aus demselben Grunde war der raduhner Keil erst in einen festen Holzklotz gefaßt, in welchem wieder der Griff befestigt war.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt aus Hirschhorn von Everstorf.

Im J. 1859 ward in der Everstorfer Forst bei Grevismühlen im Torfmoore in einer Tiefe von 6 1/2 Fuß eine sehr seltene Streitaxt aus Hirschhorn gefunden und durch den Oberforstmeister von Lehsten zu Rehna Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge für die großherzogliche Alterthümersammlung überreicht. Die sehr wohl erhaltene Streitaxt ist aus einer starken Hirschstange gearbeitet und 9" lang; die sehr gut erhaltene und ausgebildete Rose ist zum obern Ende benutzt; das Schaftloch ist oval und von beiden Seiten konisch durchgebohrt, vielleicht noch nicht ganz fertig, da es in der Mitte noch etwas eng ist, und an beiden Enden sehr glatt ausgeschliffen.

G. C. F. Lisch.     

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Bearbeitete Hirschgeweihe von Gägelow.

Zu Gägelow bei Wismar wurden in einem Torfmoor 12 Fuß tief zwei Hörner von zwei Hirschgeweihen gefunden und durch die Bemühungen des Unterofficiers Herrn Büsch in Wismar von einem Erbpächter in Gägelow für den Verein gewonnen. Diese zwei Hörner, welche nicht zusammengehören, sind sehr merkwürdig, weil sie aus den allerältesten Zeiten stammen und eine Bearbeitung zeigen, welche ohne Zweifel der Steinperiode angehört. Zuerst sind beide Hörner gespalten, und zwar so, daß nur ein kleines Stück von der Rose mit abgekeilt ist, dann aber die Spaltung mehr in die Mitte dringt und sich bis an die Spitze fortsetzt. Dann

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sind alle Enden oder Zacken bearbeitet, entweder so, daß sie an der Stange ganz abgekeilt oder daß die Spitzen der Enden abgeschnitten sind, um möglichst grade und runde Enden zu gewinnen. Man hat offenbar nicht hörnerne Streitäxte oder auch Griffe zu Feuersteinkeilen aus diesen Geweihen gewinnen, sondern kleinere Geräte, wie Hohlmeißel, Pfriemen, Bohrer u. s. w. daraus verfertigen wollen. Die Enden und Spitzen sind nicht mit metallenen Sägen oder Aexten abgenommen, sondern mühsam und unregelmäßig rund umher, wahrscheinlich durch Feuersteinmesser und Keile, bis auf den Markkern durchschnitten, und dieser ist dann abgebrochen. Der Arbeiter ist gewiß in seiner Arbeit gestört worden und hat daher die unvollendete Arbeit in diesem Zustande hinterlassen. Ohne Zweifel stammen die Geweihe von Gägelow aus der Steinperiode und sind in Norddeutschland bis jetzt vielleicht einzig in ihrer Art, wenigstens doch gewiß äußerst selten.

Auch bei Bützow ward im Torfmoor ein ganz gleich bearbeitetes Hirschhornende gefunden; vgl. den folgenden Bericht.

Die im J. 1841 zu Gr. Stieten 12 Fuß tief im Moder gefundene breite Elenschaufel (Jahresber. VI, S. 67) ist von der Rose her in der Stange 3" tief ausgehöhlt und an derselben abgeglättet. Es ist nicht klar, zu welchem Zwecke dies geschehen ist; das Gehörn würde zu einer Schaufel wohl etwas zu schwer sein.

In den aus der Steinperiode stammenden Pfahlbauten der Schweiz, namentlich zu Moossedorf und zu Wangen, auch an andern Orten, sind solche halb bearbeitete Hirschgeweihe äußerst häufig.

G. C. F. Lisch.     

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Bearbeitetes Hirschhornende von Bützow.

In dem Torfmoore auf der "Sühring" im "Sandfeldsbruch" der Stadt Bützow ward beim Torfstechen ein starkes, 10" langes Ende von einem Hirschgeweih gefunden, welches offenbar durch viele Hiebe oder Schläge mit Feuersteingeräthen bis auf den Kern abgekeilt und dann abgebrochen ist, um es zu Geräthen zu benutzen. In demselben Torfmoore wurden auch zwei Rollkugeln von Granit, ein halbmondförmiges Messer von Feuerstein und ein abgebrochenes Ende von einem Rennthiergeweih gefunden. Alle diese Alterthümer schenkte der Herr Friedr. Seidel zu Bützow. Das Hirschhornende ist grade so bearbeitet, wie die Hirschhörner von Gägelow (vgl. die voraufgehende Mittheilung). Auch die

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Rennthierschaufel von Bützow ist abgekeilt und zeigt neben dem Durchhiebe noch einen Fehlhieb (vgl. Jahrb. XX, S. 368); die Rennthiere lebten hier also noch in der Steinperiode, als das Land schon von Menschen bevölkert war.

G. C. F. Lisch.     

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Bearbeitetes Hirschgeweih von Röbel.

Bei der Ziehung eines Grabens in einem Torfmoor der Stadt Röbel ward 6 Fuß tief das untere Ende von einem mächtigen Hirschgeweih gefunden, dessen zwei Zacken am Ende abgeschlagen sind und absichtlich bearbeitet zu sein scheinen. Es ist nur von einem Horn die Stange von der Rose und der Augensprosse bis zum ersten Ende oder der ersten Sprosse vorhanden; dieses Stück der Stange, welches keine Enden hat, ist 2 Fuß lang und 2 1/2 Zoll dick. Der Bau scheint selten zu sein. Unmittelbar über der Rose sitzt eine Augensprosse; dann folgt kein zweites Ende weiter, als nach einer Entfernung von 2 Fuß, wo grade das Horn abgebrochen ist. So viel ich weiß, sind die Hirscharten der fernen Vorzeit noch nicht recht bestimmt. Leider gruben die Arbeiter nicht weiter nach und ließen Wasser in den Graben. Das herausgeholte Stück, welches die Arbeiter lange für Holz hielten und als solches gebrauchen wollten, ist durch den Herrn Burgemeister Hermes zu Röbel gerettet und geschenkt.

 


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b. Bronzezeit.


Kegelgrab von Sammit
Nr. 7.

Von den in den Jahrbüchern XII, S. 407 beschriebenen Kegelgräbern zu Alt=Sammit, von denen früher mehrere aufgedeckt sind und einige eine reiche Ausbeute gegeben haben, standen noch einige unangerührt. Bei Gelegenheit der Aufdeckung der beiden großen Steingräber (vgl. oben S. 115) ließ der Gutsbesitzer Herr Diederichs zuletzt noch eines von diesen Kegelgräbern freundlichst für den Verein aufgraben. Der Hügel hatte, wie in den Jahrb. a. a. O. beschrieben ist, einen kreisrunden Umfang und bildete eine geringe kegelförmige Höhe, ohne Deck= und Ringsteine. Aus dem Rasen sahen überall kleine Feldsteine hervor und es ließ sich schließen, daß wir einen Steinkegel vor uns hatten. Und dies ergab auch die Aufgrabung. Der Kegel war fast ganz aus kleinen Feldsteinen mit wenig Erde aufgebauet. Wie es bei Gräbern dieser Art immer zu sein pflegt, stand grade in der Mitte eine viereckige Steinkiste von natürlichen, nicht gespaltenen, Granitplatten, welche einen Cubikinhalt von ungefähr 1 1/2 Fuß hatte. In der Kiste stand eine fein gearbeitete, dunkelbraune Urne, welche jedoch schon in viele kleine Stücke zerdrückt war und zerbrannte Menschengebeine enthalten hatte; von Alterthümern war in der Kiste keine Spur zu finden. Bau und Urnen derselben Art charakterisiren oft diese Steinkegel und man kann gewöhnlich mit großer Sicherheit die Aufgrabung leiten, wie es auch hier der Fall war.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Goldenbow.

Auf dem Felde von Goldenbow, A. Crivitz, wurden beim Steinbrechen zum Bau der Chaussee von Crivitz nach Parchim unter einem "Steinlager", ohne Zweifel in einem nie=

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drigen Kegelgrabe, im J. 1858 folgende bronzene Alterthümer gefunden und von dem Amte Crivitz eingefordert und an die großherzogliche Alterthümersammlung eingesandt:

1) ein Schwert, mit kurzer Griffzunge, in der Klinge gegen 20" hamb. Maaß lang (die Spitze fehlt), bei der Beisetzung in 3, jetzt aber in 7 Stücke zerbrochen;

2) eine Heftel, mit zwei Spiralplatten, 3 1/2" lang, in einer Spiralplatte und der Nadel, zerbrochen;

3) eine Heftel, mit zwei Spiralplatten, ganz zerbrochen und verbogen;

4) eine Nadel, mit rundem, plattem Knopf, 6 bis 8" lang, in 5 wahrscheinlich zusammen gehörende Stücke zerbrochen;

5) ein runder Beschlag, 1" weit und 1" hoch;

6) ein runder glatter Ring, 1" weit;

7) ein gleicher Ring, eben so groß;

8) eine Schmuckdose, klein und zierlich, 2 3/4" im Durchmesser und 1/2" hoch, ganz zerbrochen;

9) ein kleiner, in Form einer Schmuckdose, niedrig kegelförmig gestalteter, verzierter Knopf oder Buckel, 1 1/8" im Durchmesser und 1/2" hoch, mit queer durchgehendem Stift;

10) ein kleiner ähnlicher Buckel, 7/8" im Durchmesser, ganz zerbrochen;

11) Bruchstück eines platten, gravirten Armringes;

12) Bruchstück eines voll gegossenen, runden Armringes;

13) Bruchstück eines Messers, wie es scheint.

Nach den einzelnen Bruchstücken zu urtheilen, wird das Grab gewiß sehr unterrichtend gewesen sein.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgräber von Karstädt.

Beim Steinbrechen zu der Chaussee von Ludwigslust und Grabow nach Dömitz fanden die Steinbrecher auf der Feldmark des der Stadt Grabow gehörenden Dorfes Karstädt bei Grabow im Frühling 1860 "viele Aschenkrüge" und in drei derselben in jedem ein nur leicht gerostetes bronzenes Geräth. Der Herr Burgemeister Hofrath Dr. Flörcke zu Grabow wandte diese Sachen freundlichst dem Vereine zu, konnte aber nichts weiter retten. Die Alterthümer sind:

1 Messer von Bronzeblech, 4 1/2" lang, dessen kurzer Griff nur durch Umbiegung des einen Blechendes gebildet ist;

1 Ring von Bronze, geöffnet, mit zwei halbkugeligen, inwendig abgeflachten Enden, nur 1 1/2" und 2" im Durchmesser, ein kleiner Armring;

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1 Ring von Bronze, oval, 1 1/4" und 1 1/2" im Durchmesser, von rundem Drath, geschlossen, mit einer angegossenen Oese an einem Ende; das entgegengesetzte Ende des Ringes ist stark ausgerieben, und hat daher der Ring ohne Zweifel zum Tragen eines eingehängten Geräthes gedient.

Diese Gräber scheinen einen Begräbnißplatz für das geringere Volk aus der letzten Zeit der Bronzeperiode gebildet zu haben und den Gräbern ähnlich, aber jünger, zu sein, welche im J. 1852 auf der entgegengesetzten Seite der Feldmark der Stadt Grabow am "Grimoor" entdeckt wurden; vgl. Jahrb. XVIII, S. 251, und XIX, S. 312.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Malk.

Beim Bau der Chaussee von Ludwigslust=Grabow nach Dömitz ward im J. 1860 auf der Feldmark von Malk bei Eldena beim Steinbrechen eine schön geformte, hellbraune Kinderurne (vgl. Jahrb. XXIV, S. 296) von der hieneben abgebildeten Gestalt, 3 1/2" hoch, gefunden und an die großherzogliche Sammlung abgeliefert. Die kleine Urne, welche mit Asche gefüllt war, stand in einer größern Urne, welche jedoch beim Ausgraben zerschlagen ward.

Kinderurne

G. C. F. Lisch.     

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Bronzegeräthe von Teterow.

Am 12. Dec. 1859 wurden zu Teterow vor dem rostocker Thore beim Planiren des Terrains neben dem Friedhofe von dem Herrn Maurermeister Pohlmann zu Teterow gefunden:

2 Handbergen aus Bronze und

2 spiralcylindrische Armringe, mit leichtem edlen Rost, vollständig erhalten, jedoch alle beim Herausnehmen zerbrochen, und vom Burgemeister und Rath der Stadt Teterow geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Bronze=Alterthümer von Stubbendorf
und
Götterzeichen der Germanen.

von

G. C. F. Lisch.

Im Dec. 1859 wurden zu Stubbendorf, im Amte Dargun, östlich von dem Darbein=stubbendorfer Wege, auf der Hufe Nr. 3 des Hauswirths Fritz Wulff, in einem Moderloche beim Modergraben mehrere Alterthümer der Bronzezeit gefunden und durch die sorglichen Bemühungen des Amtes Dargun zusammengebracht und der großherzoglichen Alterthümersammlung übergeben. Mit Ausnahme der Framea sind sämmtliche Alterthümer aus Bronze, ohne allen Rost und sehr fest vom Moor bräunlich gefärbt.

Diese Alterthümer, welche alle zu den seltenern und wichtigern gehören sind folgende.

Am höchsten lagen im Moor:

3 breite Armringe, 3" hoch und eben so weit im Durchmesser, blechartig gegossen, auf der obern Seite mit erhabenen Parallelreifen verziert. Diese Verzierung ist der Verzierung der Diademe mit Parallelreifen ähnlich, wie sie in Worsaae Afbildninger I. Aufl., S. 40, Nr. 164, und II. Aufl., S. 47, Nr. 218, abgebildet sind. Diese Ringe ähneln den Ringen bei Worsaae II. Aufl., S. 56, Nr. 258, und dem Schmuck bei Worsaae, I. Aufl., S. 50, Nr. 205, und II. Aufl., S. 58, Nr. 264. Zwei von diesen Ringen werden, obgleich sie nicht ganz gleich hoch sind, als Paar zusammengehören, der dritte Ring ist dünner gegossen und enger gereifelt, hat aber wahrscheinlich zu einem vierten gehört, welcher nicht gefunden ist, so daß 2 Paare in dem versenkten Bronzeschatze gewesen sind. Ringe dieser Art sind in Meklenburg noch nicht beobachtet.

Außerdem ward noch

1 Armring, für den Oberarm (?) gefunden, welcher ganz einfach und ohne Verzierung, nur 1/4" breit und 4" weit im Durchmesser ist.

Die drei breiten Ringe waren in einander geschoben und durch dieselben waren

5 Dolche gesteckt, welche so in dem Moore lagen, daß die Spitzen nach oben standen. Diese Dolche sind den im Frid. Franc. Tab. III, Fig. 2 und 3 abgebildeten gleich und 9 1/2, 9 3/4, 10, 10 3/4 und 12 Zoll lang. Alle sind mit dem

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Griffe und der über die Klinge greifenden halbmondförmigen Ueberfassung aus Einem Stücke gegossen, jedoch alle in den Griffen verschieden gebildet und verziert; vier haben ovale Griffe, der kleinste hat einen viereckigen Griff. Die Griffe der beiden größten sind mit parallelen Querreifen verziert und die halbmondförmigen Ueberfassungen der Klingen ohne Verzierungen und glatt; die Griffe der drei kleinem sind mit Schräge= und Parallelstrichen und die Ueberfassungen mit Puncten verziert, wie Frid. Franc. T. III, Fig. 2. Die beiden kleinsten haben auf dem Knopfe eine Verzierung von Strichen, die ins Kreuz gelegt sind, wie Frid. Franc. T. III, Fig. 2 und 3; der Knopf des zweitgrößten hat ein durch Kreuzlinien schraffirtes Kreuz, das einem Johanniterkreuze mit sich verbreiternden Balken ähnelt. Alle sind in den Klingen schartig und mitunter an einer Seite etwas porös, jedoch wohl als vollendet anzusehen, da grade an den porösesten die Griffe am meisten verziert sind. Es wäre jedoch möglich, daß die Geräthe erst theilweise fertig waren, als sie versenkt wurden.

Bisher sind in Meklenburg nur 5 Dolche mit Bronzegriff gefunden: 3 bei Malchin, in der großherzoglichen Sammlung, abgebildet Frid. Franc. T. III, von denen 2 auch aus Einem Stücke gegossen sind und 1 einen angesetzten Griff hat; 2 sind in der Vereinssammlung, von denen der eine aus Einem Stück gegossen ist, der andere einen angesetzten Griff hat.

Ungewiß in welcher Tiefe im Moor ward

1 Framea mit Schaftrinne, voll gegossen, aus Kupfer gefunden, welche der im Frid. Franc. T. XIII, Fig. 7 abgebildeten Framea sehr ähnlich, nur etwas größer, dicker und derber ist. Die Form gleicht noch mehr dem steinernen Keil, nur ist die Schneide mehr beilartig ausgeschweift; die Ränder der Schaftrinne sind noch sehr niedrig. Diese Form ist gewiß die älteste Form der Framea und daher ist auch dieses Exemplar von Stubbendorf sicher noch aus rothem Kupfer, und noch nicht mit Zinn legirt.

Ganz unten in dem Moorloche, etwa einen Fuß tiefer, als die Dolche, hat

1 Commandostab aus Bronze gelegen. Sicher ist, daß das obere Ende, welches die Dolchklinge trägt, in dieser Lage gefunden ist; das untere Ende des Griffes ist in der Nähe im Moor ausgegraben, die andern Stücke desselben sind später in der ausgeworfenen Modererde gefunden. Alle Stücke des zerbrochenen Commandostabes, welche jetzt wieder zusammengebracht sind, gehören zusammen und geben vielleicht sehr merkwürdige Aufschlüsse.

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Der Commandostab
oder
ein germanisches Götterbild

mit seinen Eigenthümlichkeiten ist wohl der merkwürdigste Gegenstand des Fundes. Dies ist ein Geräth aus Bronze, wie es schon früher in Meklenburg mehrere Male gefunden und in den Jahrbüchern IX, S. 340, und X, S. 288, und hieneben wieder und im Frid. Franc. T. VII, Fig. 1, und T. XV, Fig. 6, und T. XXXIII, Fig. 1 in natürlicher Größe abgebildet und zu den betreffenden Stellen beschrieben ist. Es ist dort ein Commandostab genannt. Vielleicht dient der gegenwärtige Fund dazu, die Bestimmung des Geräthes fester zu stellen.

Commandostab

Zuvor möge eine Beschreibung und Beurtheilung des bei Stubbendorf gefundenen Exemplares Raum finden.

Dieser Commandostab, welcher aus alter Bronze gegossen ist, besteht, wie alle übrigen in Meklenburg gefundenen Exemplare, wesentlich aus zwei getrennten Theilen, welche von vorne herein keine feste Verbindung mit einander gehabt haben: dem obern Ende mit dem Beile oder der Dolch= oder Speerklinge, dem Aufsatze, wenn man es so nennen will, - und dem Griffe. Der Aufsatz des stubbendorfer Exemplars hat dieselbe Größe und im allgemeinen dieselbe Form, wie das im Frid. Franc. Tab. VII, Fig. 1 in natürlicher Größe abgebildete Exemplar; es hat dieselbe Form, dieselben drei Stacheln oder spitzenknöpfe an jeder Seite und ähnliche reifenförmige Verzierungen. Der Griff ist hohl gegossen und glatt, wie er im Frid. Franc. Tab. XXXIII, Fig. 1 zu dem Ganzen und Tab. XV, Fig. 6 im Einzelnen jedoch hier fälschlich verjüngt auslaufend) abgebildet ist Das ganze, bei Stubbendorf gefundene Geräth ist 28 1/2" lang. Der Griff ist 23" lang, von ovalem Durchschnitt, 1" im Durchmesser und überall von gleicher Dicke; er ist jetzt in zwei Brüchen in drei Stücke zerbrochen, von denen der eine Bruch in der Mitte alt, vor an=

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dere, oben 3" unter dem Aufsatze, beim Finden geschehen ist. Der Griff, dessen Inneres man durch die Brüche genau sehen kann, ist hohl gegossen und enthält im Innern von unten auf 20" lang noch den alten Gußkern , 1 ) welcher aus grauem, thonhaltigen oder mit etwas Thon vermengten Sande besteht, der sehr fest und am äußern Rande neben der Bronze durch die Hitze des Gusses leicht bräunlich gefärbt ist. Das obere Ende war 3" lang von dem Gußkern befreiet. Der Aufsatz ist in der senkrechten Stange, der Fortsetzung des Griffes, hohl und ohne Gußkern. In dieser Höhlung des Aufsatzes steckt noch ein großer Rest eines wohl erhaltenen Holzpflockes ; eben so fanden sich in dem leeren obern Ende des Griffes von 3" Länge noch Holzreste. Es ist also ohne Zweifel, daß die beiden Theile, welche bei keinem Exemplare irgend ein Zeichen einer befestigenden Verbindung durch Metall zeigen, durch einen Holzpflock zusammengehalten wurden, wenn das Geräth gebraucht ward. Diese Art der Verbindung vermuthet schon Klemm, Handbuch der Alterthumskunde, S. 208.

Der Aufsatz des bei Stubbendorf gefundenen Exemplars ist aus alter Bronze, in der Fortsetzung des Griffes hohl gegossen, einfacher, aber edler in den Formen, als die bisher gefundenen Exemplare. Bei allen früher gefundenen Exemplaren ist der ganze Aussatz mit der eine Art Axt bildenden, hammerartigen, verzierten Schneide aus Einem Stücke hohl gegossen, so daß sich der Hohlguß, wie aus einem zerschlagenen Exemplare klar wird, auch noch in die hammerartige Schneide fortsetzt. Bei dem jetzt gefundenen Exemplare ist aber nur die senkrechte Fortsetzung des Griffes hohl gegossen und hat an der einen graden Seite eine durch den Guß bewerkstelligte, also beabsichtigte Ritze, in welcher im rechten Winkel abstehend eine überall stumpfe, voll gegossene Speerklinge oder Dolchklinge mit zwei nicht starken Nieten eingenietet ist. Dies ist das auffallendste und merkwürdigste an diesem Exemplare. Es dürfte sich aus dieser Einrichtung schließen lassen, daß wir hier ein Original=Exemplar vor uns haben.

Bisher sind folgende Commandostäbe dieser Art gefunden, und zwar alle in Mittel=Europa: in Meklenburg: 3 zu


1) Klemm, Handbuch der Alterthumskunde berichtet S. 208, daß zwei im Mansfeldischen gefundenene Exemplare im Griffe mit einer "Art Steikitt" gefüllt sind; dieser "Kitt" wird auch wohl der Gußkern sein.
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Blengow im Sumpfe, davon einer in der großherzoglichen Sammlung (vgl. Frid. Franc. Erl. S. 115), 1 zu Hausdorf in einer Moorgrube, in der Vereinssammlung (vgl. Jahresber. II, S. 47), 1 zu Glasin, iu der Vereinssammlung (vgl. Jahrb. X, S. 287); in der Mark Brandenburg: 2 zu Blankenburg bei Ruppin im Moor, in der Sammlung des wailand Grafen v. Zieten (vgl. Jahrb. XV, S. 272, und XVI, S. 275); 3 in Mansfeld und in Thüringen (vgl. Klemm Altthsk. S. 208 und Taf. 15); 1 in Posen, in der Sammlung des Hofraths Klemm in Dresden; von den beiden Exemplaren in Dänemark ist 1 in der öffentlichen Sammlung zu Kopenhagen aus Lauenburg und 1 in der Privatsammlung des Königs, welches im Brande des Schlosses Frederiksborg untergegangen ist, aus Süd=Holstein. An allen diesen Exemplaren, von denen die in Norddeutschland gefundenen alle fast ganz gleich sind, ist der ganze Aufsatz aus Einem Stück gegossen, die aus Einem Stück mitangegossene Speerklinge etwas manierirt und mit Reifen am Rande verziert und das Ganze aus einem andern Metall, 1 ) als die Bronzeperiode zeigt. Sie enthalten mehr Zinn (24 pC.), als gewöhnlich, und dazu etwas Silber (1 pC.); dies beweist die chemische Analyse, welcher die meklenburgischen, gleichen Exemplare unterworfen sind (vgl. Jahrb. IX, S. 340), und schon das Ansehen.

Aus diesen Schilderungen wird es klar werden, daß das jetzt gefundene Exemplar von Stubbendorf ein Urstück ist und daß das Geräth nur dazu diente, eine Dolch= oder Speerklinge zu zeigen. Dieses Einnieten einer wirklichen Waffe zeigt etwas Ursprüngliches. Die übrigen Exemplare, welche an Größe und Form dem stubbendorfer gleich sind, sind alle nur Nachahmungen, welche hohl und aus einem Stück aus offenbar jüngerm Metall (wahrscheinlich Kupfer und silberhaltigem Zinn) gegossen sind.

Forscht man nach der Bestimmung des Gerätes, so läßt sich kaum annehmen, daß es zum kriegerischen Ernst gebraucht worden sei. Das Ganze ist zu unhandlich, zu schmal und zu dünne; es würde sehr schwer, ja unmöglich sein, mit der beilartig angesetzten Speerklinge einen wirksamen Schlag auszuführen. Die Unbrauchbarkeit zum Ernste beweiset aber vorzüglich der Umstand, daß der Aufsatz auf einen gar nicht sehr eng anschließenden Holzpflock, der aus dem Griffe hervorragte, aufgesteckt ward; der Aufsatz würde sich beim ersten


1) Auch Klemm a. a. O. S. 208 sagt, daß ein mansfelder Exemplar "aus sprödem, weißlichen, glockenspeisartigen Metall" bestehe.
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Hiebe von dem Griffe losgetrennt haben. Man kann sich also nur denken, 1 ) daß der Aussatz für gewisse Gelegenheiten als Zeichen auf gesteckt ward, vielleicht als ein Zeichen des Krieges, als eine Art Standarte, welche vielleicht durch die Richtung, welche man der Speerspitze gab, die Richtung des Kampfes andeutete. In diesem Sinne habe ich das Geräth einen Commandostab genannt. Vielleicht war das Geräth ein Würdenzeichen, und in diesem Sinne hat es Klemm (a. a. O. S. 208) einen Königsstab genannt.

Es ist aber auch möglich, vielleicht sehr wahrscheinlich, daß wir hier ein Sinnbild einer Idee, ein Sinnbild des Kriegsgottes, im Originale vor uns haben: und dies wäre allerdings sehr merkwürdig. Wir müssen dieses bei Stubbendorf gefundene Zeichen in eine sehr ferne Zeit, jedenfalls vor Christi Geburt, zurück versetzen. Jacob Grimm hat in seiner deutschen Mythologie, Zweite Ausgabe, S. 93 flgd. und S. 184 flgd. die Sache aus den Schriftstellen behandelt. "Tacitus weiß von keinem simulacrum, von keinem nach menschlicher Gestalt geformten Bilde germanischer Götter; nichts kennt er, als signa und formas, wie es scheint, geschnitzte und gefärbte, die zu der Gottesverehrung symbolisch und bei gewissen Anlässen herumgetragen wurden; wahrscheinlich enthielten sie irgend eine Beziehung auf die Natur und das Wesen einzelner Götter." Ammianus Marcellinus (17,12. a. 358) berichtet von den Quaden, "einem entschieden germanischen Volke", daß sie auf Dolche , "welche sie als Zeichen göttlicher Wesen verehrten, Treue schwuren" ("eductis mucronibus, quos pro numinibus colunt, juravere se permansurcs in fide"). Derselbe erzählt (31, 2) von den Alanen, daß sie in dem bloßen Schwerte den Kriegsgott verehrten ("nec templum apud eos visitur aut delubrum, sed gladius barbarico ritu humi figitur nudus, eumque ut Martem verecundius colunt"). Schon Herodot (4, 62) meldet, daß die Scythen den Kriegsgott in dem Bilde eines aufgerichteten Schwertes verehrten, und von andern alten Schriftstellern wird berichtet, daß die Scythen und die Römer in alten Zeiten bei dem Speere als dem Bilde des Mars schwuren, Juvenal sagt: "per Martis frameam" ("bei der Framea des Mars"). Wohl zu bemerken ist, nach den jetzt gereiften antiquarischen Forschungen, daß die alten Dolchklingen und Speerklingen oft von derselben Größe und sehr schwer zu


1) Auch Klemm a. a O. S. 208 und 209 ist der Ansicht, daß dieses Geräth nicht als Waffe habe gebraucht werden können.
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unterscheiden sind, und daß die ältesten Bronzeschwerter sehr kurz, ja oft so kurz sind, daß man sie für Dolche halten muß. In den ältesten Zeiten waren die Klingen der Speere, Dolche und Schwerter fast ganz gleich und konnten zur Bezeichnung derselben Idee dienen. Die Klinge an dem stubbendorfer Exemplar ist aber mehr eine Dolchklinge. Daß grade in diesem Funde außerdem noch 5 vollständige Dolche, welche in alter Zeit sehr selten sind, gefunden wurden, mag zur entfernten Unterstützung dieser Ansicht dienen.

Ich zweifle daher keinen Augenblick, daß diese sogenannten Commando= oder Königsstäbe Zeichen ("signa") des Kriegsgottes (Tyr, Mars), des obersten Gottes der Germanen, waren, und die "Griffe" (vielleicht kleine Nachbildungen von Säulen) nur dazu dienten, das heilige Zeichen des Dolches oder Schwertes zu tragen und in die Höhe zu heben oder hinzureichen, keinesweges aber den Griff eines Streithammers bildeten. Wir würden hier also ein wahres Bild eines deutschen Saxnôt, haben den J. Grimm (S. 184) durch: Schwertträger, "ensifer, als die Gottheiten Zio oder Eor und den griechischen Ares", erklärt.

Würde meine Ansicht Beifall finden, so würden wir in den bisher sogenannten Commandostäben wirkliche Exemplare von heiligen Zeichen haben, welche die Schriftforschung wahrscheinlich gemacht hat.


Dieser Fund erhält eine merkwürdige Bestätigung durch den im Folgenden beschriebenen Fund von Neu=Bauhof.


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Bronze=Alterthümer von Neu=Bauhof,

von

G. C. F. Lisch.

Auf dem Erbpachtgute Neu=Bauhof bei Stavenhagen, ungefähr 4 Meilen in grader Richtung grade südlich von Stubbendorf bei Dargun, wurden im Sommer des J. 1860 beim Torfstechen im Torfmoor ungefähr 2 Fuß tief unter der Oberfläche 11 Geräthe von Bronze gefunden und von dem Erbpächter Herrn Dr. E. Prosch Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzoge zur großherzoglichen Alterthümersammlung überreicht. Diese Geräthe hatten im Moor unter einem Steine von etwa 2 Quadratfuß Größe gelegen, sind also höchstwahr=

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scheinlich absichtlich versenkt gewesen, wie vielleicht auch die zu Stubbendorf gefundenen Geräthe. Diese Alterthümer sind in jeder Hinsicht den merkwürdigen stubbendorfer Stücken völlig gleich und ohne Zweifel nicht allein zu derselben Zeit, sondern auch von demselben Manne gemacht, so daß hier die sehr seltene Erscheinung von zwei in der Technik völlig gleichen Funden auftritt.

Die Alterthümer von Neu=Bauhof sind folgende:

4 breite Blech=Armringe, 3" hoch und weit und auf der Oberfläche gereifelt, den bei Stubbendorf gefundenen durchaus völlig gleich (vgl. oben S. 138); dieser Fund spricht dafür, daß auch zu Stubbendorf ursprünglich wohl 2 Paare versenkt gewesen sind;

4 glatte, offene Beinringe oder Halsringe, etwas oval, 5" bis 5 1/2" und ungefähr 4 1/2" weit;

1 massiver, sehr schwerer offener Armring, gegen 3" und 2" im Durchmesser;

2 Dolche, denen von Stubbendorf völlig gleich (vgl. oben S. 138), in Griff und Klinge auch aus einem Stück gegossen, 10" lang; obgleich Griff und Klinge aus einem Stück bestehen, so sind doch auf der einen halbmondförmigen Ueberfassung des Griffes an beiden Seiten zum Scheine 3 Nieten angegossen.

Auch von diesen Alterthümern sind mehrere, namentlich der dicke Armring und der Griff des einen Dolches, auf der Oberfläche sehr porös und an einigen Stellen im Guß nicht gekommen, so daß es scheint, als wenn nicht allein diese, sondern auch die Alterthümer von Stubbendorf während der Aus= und Nacharbeitung verloren gegangen oder versenkt sind. Die Riefelungen an den Dolchgriffen haben ohne Zweifel noch nachgearbeitet werden sollen.

Ein "Commandostab" ward zu Neu=Bauhof nicht gefunden.

Der Fund von Neu=Bauhof erhält aber durch die Gleichheit mit dem Funde von Stubbendorf eine ungewöhnliche Wichtigkeit.

 


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Emaillirung der Schwertgriffe
und
das Bronzeschwert von Retzow.

Die großherzogliche Sammlung in Schwerin besitzt zwei sehr schöne Schwerter aus der Bronze=Periode, welche höchst selten sind. Diese Schwerter haben hohle Bronzegriffe, welche von durchbrochenen und gravirten Verzierungen gebildet sind. Der eigentliche Griff selbst besteht aus dem durchgehenden Ornament der ausgebildeten Bronze=Periode, aus doppelten Spiralwindungen, gleich einem paar Handbergen, welche neben und über einander gesetzt und durch Bänder verbunden sind und so den Griff bilden.

Spiralwindungen

Die obere Platte des Knopfes ist ebenfalls mit diesen Spiralen verziert. Die großherzogliche Sammlung besitzt zwei Schwerter dieser Art, welche in Kegelgräbern gefunden sind. Das eine Schwert, gefunden zu Lehsen bei Wittenburg, hat 2 Reihen Doppelspiralen über einander, auf dem Knopfe eingravirte Spiralen und am Hefte 4 gewölbte Nieten ohne weitere Verzierungen. Dieses hieneben abgebildete Schwert ist auch abgebildet in Frid. Franc. Tab. XVI, Fig. 1. (vgl. Erläut. S. 126) und in Jahrbüchern IX S. 330.

Bronzeschwert

Auch in Dänemark sind ähnliche Schwerter gefunden, vgl. Worsaae Afbildninger, 1. Aufl S. 27, Nr. 106 und 107, 2. Aufl. S. 30 und 31, Nr. 127-130.

Ein zweites Schwert in der großherzoglichen Sammlung zu Schwerin, gefunden zu Retzow bei Lübz in einem Kegelgrabe, ist ähnlich, jedoch noch reicher ausgestattet. Der eigentliche Griff hat über einander drei Reihen durchbrochener und gravirter Doppelspiralen, jede Reihe von 6 Paaren, im Ganzen also 18 Paare; die Platte des Griffes hat 8 Spiralen, welche ebenfalls durchbrochen sind; die Anheftung der Klinge hat 6 halbkugelige Nieten, welche durch Bänder zu Spiralen gestaltet sind und deren Grund ebenfalls durchbrochen ist; der halbkreisförmige äußere Rand der Anheftung besteht aus Zickzackbändern, deren Grund ebenfalls durch=

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brochen ist; die Durchbrechungen, oder vielmehr Ausgrabungen, gehen ungefähr 1/10 Zoll oder 2/5 Centimetre tief bis auf eine innere, zusammenhangende Bronzehülse. Die sehr vielen, alle dreieckig erscheinenden Durchbrechungen sind meistentheils, wie es den Anschein hat, mit Schmutz, Erde und Rost gefügt. Dieser Anschein wird aber trügerisch und es wird glaublicher sein, daß die Füllung der Durchbrechung absichtlich mit harzigen Massen von verschiedenen Farben, vielleicht braun, roth und grün, geschehen ist, was auf der goldfarbigen Bronze eine sehr schöne Wirkung gemacht haben muß. Der Herr Professor Dr. Lindenschmit in Mainz, Conservator des römisch=germanischen Museums, hat diese wichtige Entdeckung gemacht und ich lasse dessen Ansicht hier wörtlich folgen:

"Ich fand, daß die Zwischenräume der Ornamente keineswegs durch Erde und Rost, sondern ursprünglich schon durch eine eigene Masse ab sichtlich ausgefüllt waren, deren genaue Prüfung aber der geringen Dimensionen und der beinahe gänzlichen Zerstörung wegen sehr schwierig ist. So viel scheint festzustehen, daß sie von verschiedener Farbe war in den einzelnen Zierbändern. Auf der wohl erhaltenen Außenseite des Knaufes findet sich in den innern Räumen zwischen den Spiralornamenten eine jetzt dunkelbraune Masse, die im Feuer lichte Flamme giebt, während den umlaufenden ovalen Ring sicher eine hellere Sub stanz füllte, die sich auch wahrscheinlich in dem Zickzackstreifen am Bügel fand. Oben am Knauf erscheint dieser harzige Stoff, der, wie das Vergrößerungsglas zeigt, eingetropft ist, am deutlichsten als eine Art Pech, das jedenfalls nur die Unterlage einer glänzenderen, ursprünglich helleren und stärkeren Farbe war. Ich bin zu der bestimmten Überzeugung einer alten Ausfüllung gelangt, die mit einer auf andern in unserm Besitz befindlichen Bronzen noch erkennbaren Emaillirung ganz identisch ist.

Die Sache ist insofern von Bedeutung, als diese Verzierungsweise abermals eine directe Beziehung zu hetruskischen Arbeiten zeigt, mit welchen ohnehin die ganze Technik und Ornamentbildung congruent ist.

So viel es noch möglich ist zu erkennen, muß ich mich mit dieser Ansicht einverstanden erklären. Vgl. den flgd. Abschnitt.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzeschwert von Bockup
und
Emaillirung der Schwertgriffe.

Beim Bau der Chaussee von Ludwigslust und Grabow nach Dömitz ward im J. 1860 auf der Feldmark von Bockup bei Dömitz in den Tannen ein Bronzeschwert gefunden und von dem Herrn Chaussee=Baumeister Lütkens zur großherzoglichen Sammlung eingereicht. Dieses Schwert ist sehr interessant. Es ist sehr kurz, mit dem 3 1/2" langen Griffe im Ganzen 17 1/2" lang, schmal, 1" breiten der Klinge, zweischneidig, mit edlem Rost bedeckt und mit dem Bronzegriffe aus Einem Stücke gegossen, ohne irgend eine Vernietung; es war beim Finden unverletzt, ist aber von den Arbeitern in zwei Stücke zerbrochen. Der kleine Griffknopf hat ganz die Gestalt, Größe und Verzierung der Knöpfe der Dolchgriffe und ist, wie diese häufig, mit einem gravirten Kreuze verziert; jedoch ist dieses Schwert wegen der Größe und Gestalt der Klinge kein Dolch, sondern ein Schwert zu nennen, wenn es auch klein ist. Merkwürdig ist der etwas plump halbmondförmig über die Klinge fassende Griff. Dieser hat 9 parallele, glatte Queerreifen von Bronze, zwischen und neben denen 10 eben so breite Vertiefungen liegen, welche ungefähr 1/8" breit und tief sind. Diese Vertiefungen zwischen den Reifen sind bis zur Oberfläche der Reifen, also des Griffes, mit einem festen, harzigen Kitt ausgefüllt, welcher noch vollkommen erhalten und fest und auf der Oberfläche glänzend ist, wie polirt. Der Kitt hat eine schwarze oder dunkelbraune Farbe, ist noch sehr hart, sowohl in sich, als an der Bronze haftend und brennt mit brenzeligem Geruche hell an der Flamme. Diese Erscheinung ist völlig sicher und klar; vgl. vorher das Schwert von Retzow.

G. C. F. Lisch.     

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Kopfringe von Turloff.

Im J. 1860 wurden in der "turloffer Forst" bei Sternberg von sternberger Arbeitsleuten bei der Arbeit, 6 Fuß tief und nach der Angabe von Steinen und Kohlen bedeckt, drei bronzene Kopfringe von seltener Form und völlig wohl erhalten, ohne eine Spur von Rost, gefunden und in Sternberg von den Arbeitsleuten an den Thorschreiber Stofferan verkauft, welcher sie an Se. K. H. den Großherzog einsandte. Diese Kopfringe sind sowohl wegen ihrer vortrefflichen Erhaltung, als wegen ihrer besonderen Form äußerst selten und merkwürdig und im Lande noch nicht beobachtet. Alle drei sind gewunden und durchschnittlich zwischen 8-9 Zoll im Durchmesser weit. Der eine Ring ist dick, 1/2 Zoll dick, weit und hoch gewunden; der zweite ist etwas dünner und sehr eng und flach gewunden; der dritte ist der dünnste und auch flach gewunden. Der dünnste Ring ist offen, mit einfachen Haken an den Enden, welche in einander gehakt werden können. Die beiden dicksten Ringe sind aber geschlossen gegossen und laufen dort, wo die Enden hätten sein sollen, in breite Bleche aus, welche sehr sauber gravirt sind, der dickste mit Halbkreisen, der mittlere mit Dreiecken an den Rändern. Ueber der Stelle, wo man die Enden und die Oeffnung hätte erwarten sollen, sind auf jedem Ringe 2 Spiralen angegossen. Diese Einrichtung ist also eine Nachbildung jüngerer Zeit; man hätte erwarten sollen, daß die Ringe geöffnet gewesen und auf den beiden Enden in breite, verzierte Bleche ausgelaufen wären, welche Haken mit Spiralen an den Enden gehabt hätten, die in einander hätten gehakt werden können. Die Ringe hätten also eigentlich die Gestalt haben müssen, welche die in Frid. Franc. T. X, Fig. 1, und in Worsaae Afbildninger etc. ., 1. Aufl., S. 41, Nr. 167, und 2. Aufl., S. 48, Nr. 221, abgebildeten Kopfringe haben, denen die turloffer Ringe fast ganz gleich sind. Statt dieser natürlichen Einrichtung sind die turloffer Ringe mit allen Verzierungen, ohne Oeffnung, ganz aus Einem Stück gegossen und man kann hieraus schließen, daß diese Ringe eine handwerksmäßige, nicht mehr natürliche und verstandene Nachbildung sind, also in die jüngste Zeit der Bronze=Periode gehören, in welcher die alten Formen schon zu verschwinden anfingen und nur traditionell wurden. Daher und wegen der noch guten Arbeit sind die Ringe von großem Werth für die Culturgeschichte.

G. C. F. Lisch.     

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Ueber Bronzewagen,

von

G. C. F. Lisch.

Von den höchst merkwürdigen Geräthen der kleinen bronzenen Wagen, welche zuletzt in den Jahrb. XXV, S. 215 behandelt sind, sind in den allerneuesten Zeiten mehrere Exemplare entdeckt, deren Auffindung schon im Jahrb. XXV, S. 320 und Jahresber. XXV, S. 71, vorläufig kurz angezeigt ist.

1) Der Bronzewagen von Ystad in Schonen ist für Meklenburg eine der wichtigsten Entdeckungen auf dem Felde der Alterthumskunde. Im J. 1855 ward in dem Graben eines Torfmoors ganz nahe bei Ystad ein kleiner bronzener Wagen von einem Schulknaben gefunden; dieser verkaufte ihn an einen Studenten F. Lundh, welcher denselben der bedeutenden Alterthümersammlung seines Vaters, des Pfarrers Lundh in Hammenhög, einverleibte. Hier stand er unbekannt, bis ihn der Docent Bruzelius aus Lund, welcher auf einer archäologischen Reise im J. 1858 den peccatelschen Kesselwagen in Schwerin gesehen hatte, sah und gewissermaßen entdeckte. Schon nach der Mittheilung des Professors Nilson aus Lund, jetzt in Stockholm, welcher 23.-25. Julii 1860 die Sammlungen in Schwerin studirte, ist dieser bei Ystad gefundene Wagen dem bei Peccatel in Meklenburg gefundenen und in Jahrb. IX, Lithographie zn S. 372, und Jahrb. XXV, S. 219 abgebildeten Kesselwagen völlig gleich. Bruzelius erhielt von dem Pfarrer Lundh die Erlaubniß, den Wagen zu beschreiben. Darauf starb der Pfarrer Lundh und der Wagen von Ystadt kam in das Museum zu Stockholm.

Zu gleicher Zeit gab Bruzelius eine Beschreibung des Wagens von Ystad heraus und ließ denselben dabei abbilden in Svenska Fornlemningar, of Nils Gustaf Bruzelius, II. Heft, Lund, 1860, S. 20 flgd. und Taf. V. Betrachtet man diese Beschreibung und Abbildung, so wird man überrascht durch die völlige Uebereinstimmung des Wagens von Ystad mit dem Wagen von Peccatel. Der Wagen von Ystad hat ebenfalls die Achsen und Langbäume jochförmig oder glockenförmig gestaltet, in ein Quadrat zusammengestellt und die Enden der Langbäume mit denselben vogelhalsähnlichen Ausläufern verziert. Auf der Zusammenfügung der Achsen und der Langbäume sind noch die vier bronzenen Füße angenietet, welche den "Hals" oder die Säule getragen haben, auf welchem der Bronzekessel stand. Der Kessel und der Hals sind jedoch verloren gegangen und liegen vielleicht noch im Torf=

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moor. Die Gleichheit der Wagen von Ystad und Peccatel ist überraschend. Das Wagengestell beider ist gegossen und dann gebogen. Die Räder sind gegossen, vierspeichig und an beiden Wagen 4 1/2 Zoll hoch. Bruzelius sagt, daß die Räder beider Wagen an Form, Größe und Aussehen so gleich sind, daß man behaupten möchte, sie seien in derselben Form gegossen (S. 24). Der Wagen von Ystad ist in alter Zeit viel gebraucht, da die Achsen ausgeschliffen und geflickt sind (S. 25).

Das Metall des schonenschen Wagens besteht nach der chemischen Analyse aus 92, 49 Kupfer, 6, 34 Zinn, 0, 63 Eisen und 0, 54 Nickel, also aus antik germanischer Bronze aus Kupfer und Zinn, da die geringen natürlichen Mengtheile von Eisen und Nickel nicht in Rechnung zu bringen sind.

Da nun die Metall=Legirung von Wichtigkeit für die ganze Forschung werden kann, so hat der Herr Dr. L. R. von Fellenberg zu Rosenbühl bei Bern, welcher sich mit Eifer der Analyse antiker Bronzen widmet, die Güte gehabt, einige Bruchstücke von der Vase des Kesselwagens von Peccatel einer chemischen Analyse zu unterwerfen. Die Bruchstücke, welche nach Befreiung vom Grünspan eine schöne, goldähnliche Farbe zeigten, 1, 997 Gramme schwer, ergaben folgende Zusammensetzung:

Kupfer  87, 20
Zinn      12, 75
Eisen       0, 05 .

Von Nickel, Blei, Silber, Autimon und Kobalt war keine Spur vorhanden. Die Bronze ist also auch hier die antike germanische Bronze, wenn auch in andern Verhältnissen gemischt, als der Wagen von Schonen. Dangen hat die Vase von Peccatel ganz dieselbe Mischung, wie ein dünne gehämmertes Bronzegefäß aus dem Kegelgrabe von Ruchow (vgl. Jahrb. IX, S. 334), welches ungefähr aus derselben Zeit stammen mag.


Wir haben hier also sicher die auffallende Erscheinung, daß in Meklenburg und Schonen in den fernsten Zeiten ein solcher Verkehr bestand, daß in beiden durch die Ostsee getrennten Ländern ganz dieselben seltenen Culturgegenstände in Gebrauch waren.

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Bruzelius giebt zwar zu, daß der schonensche Wagen als Transportmittel gebraucht sei, wirft aber (S. 25) doch die Vermuthung auf, daß er möglicher Weise als "Symbol" betrachtet werden könne, wie die "Miniaturschwerter" 1 ) derselben Zeit. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der Wagen nicht das Hauptgeräth war, sondern der Kessel, zu dessen Transport der Wagen diente; der Kessel ist aber von so anständiger Größe, 14" weit und 7" hoch, daß er größer ist, als jedes gewöhnliche Becken, und den Gedanken an ein Symbol nicht aufkommen läßt.

Bei der Gelegenheit der Beschreibung des schonenschen Wagens hat Bruzelius auf Taf. VI, Fig 1, auch den ähnlichen kleinen Bronzewagen abbilden lassen, welcher 1834 in Siebenbürgen gefunden ist (vgl. Jahrb. XXV, S. 224).

2) Der Bronzewagen von Ober=Kehle. Im J. 1860 ward zu Ober=Kehle in Schlesien wieder ein Bronzewagen gefunden, welcher dem im Jahrb. XVI. S. 262 abgebildeten dreiräderigen Bronzewagen von Frankfurt a. O. völlig gleich ist. Der Herr Archivar Dr. Wattenbach berichtet in den "Zweiten Bericht des Vereins zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer". 1860, S. 7:

"Ganz abnorm ist unter allen Funden (von kleinen Wagen von Bronze) der frankfurter, weil die Achse mit ihren drei Rädern und der Deichsel gar nicht die Bestimmung gehabt zu haben scheint, etwas zu tragen. Und grade zu dieser Form bin ich jetzt im Stande ein vollkommenes Gegenstück liefern zu können. Dasselbe ist bei Ober=Kehle im trebnitzer Kreise gefunden, in der classischen Gegend von Massel, wo schon so zahlreiche Alterthümer aufgegraben sind, und ist durch die Güte des Besitzers, des Herrn Landraths von Salisch auf einige Zeit zur Ausstellung im hiesigen Museum für schlesische Alterthümer uns anvertraut worden. Es gleicht der Abbildung bei Lisch in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte etc. . XVI. S. 262 durchaus, nur in etwas weniger vollkommener Erhaltung, ist stark mit schöner grüner Patina überzogen und ein wenig kleiner (?), indem die Länge nicht 9, sondern nur 8 Zoll beträgt, die Höhe der Räder aber nicht 4 1/2" sondern nur wenig über


1) An die "Miniaturschwerter" glaube ich nicht. Ich halte dieselben für kleine, grade Arbeitsmesser. Ueberhaupt scheint mir der häufige Gebrauch von Symbolen sehr zweifelhaft.      G. C. F. Lisch.
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4 Zoll. 1 ) Der Fundort ist ein ziemlich tief gelegenes Feld in der am nördlichen Abhange des trebnitzer Höhenzuges gelegenen Ebene, jedoch unweit des Höhenzuges. Der Wagen wurde beim Pflügen aufgefunden, indem der Pflug daran stieß. Einige Scherben, die an derselben Stelle zum Vorschein kamen, ließen vermuthen, daß er sich in einer Urne befunden hatte. Merkwürdig ist die geringe Tiefe, in welcher er aufgefunden wurde. Weitere Nachsuchungen in der Nähe blieben ohne Erfolg; auch sind auf dem Oberkehler Felde bisher, so viel bekannt, keine andere Antiquitäten aufgefunden, desto mehr aber, besonders Urnen, ganz in der Nähe, besonders in Massel."

3) Die in dem Jahresberichte XXV, S. 71 nachträglich gegebene Nachricht von einem zu Zarnefanz bei Belgard in Pommern gefundenen dreiräderigen Wagen hat sich nach genauerer Erkundigung hinterher als Irrthum ergeben. Der Herr von der Lühe auf Zarnefanz hat die Güte gehabt, genauere Aufklärung und eine Zeichnung des fraglichen Stückes in natürlichen Größe zu geben. Hiernach ist dasselbe zu Zarnefanz in einem heidnischen Grabe in einer Urne gefunden. Der angebliche Wagen ist aber nach der Zeichnung in natürlicher Größe nichts weiter, als eine etwa 1 Zoll lange dünne Bronzestange, an welcher drei ciselirte Queerscheiben von 3/8 bis 3/4 Zoll Durchmesser fest sitzen. Das Geräth ist also nichts weiter als ein bronzener Doppelknopf oder Nadelknopf, wie ein ähnlicher aus einem Kegelgrabe von Dobbin in Jahrb. XI, S. 378 abgebildet ist. - Der Herr v. d. Lühe hatte die Absicht, das Geräth dem Verein für pommersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin zu übergeben.


Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 229 flgd.

Der Herr Professor Ewald sagt in:

"Jahrbüchern der biblischen Wissenschaft, von Heinrich Ewald. Zehntes Jahrbuch, 1859-1860. Göttingen, 1860. S. 273-275."


1) Die Verschiedenheit der Maaße dürfte nur scheinbar sein. Da in Meklenburg und in den Jahrbüchern nach hamburger Maaß, in Preußen aber nach rheinlandischem oder berliner Maaß gemessen wird, so werden die Maaße beider Wagen völlig gleich sein, indem 4 1/2" meklenburg. Maaß nur ein wenig mehr als 4" rheinland. Maaß sind. Es könnten die beiden Wagen also auch nach der Größe ganz gleich sein.      G. C. F. Lisch.
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"Biblische Alterthümer."

"Dagegen sind wir in jüngster Zeit durch eine eben so unerwartete als folgenreiche Entdeckung in der Erkenntniß der hebräischen Alterthümer um einen mächtigen Schritt weiter gekommen. Herr Archivrath Lisch in Schwerin hatte, veranlaßt durch einen Fund in Meklenburg, schon seit längerer Zeit den seltsamen kleinen Kesselwagen, welche man in den Trümmern ältester Bauten findet, eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und fragte bei mir, ob nicht die "Gestühle" in der lutherischen Uebersetzung der Stelle vom salomonischen Tempelbau 1. Kön. 7, 27 flgd. eine Aehnlichkeit mit ihnen trügen. Indem ich nun diese aus vielen Ursachen sehr schwierige Stelle einer wiederholten noch schärferen Erforschung unterwarf und auch die letzten Dunkelheiten von ihr zu entfernen suchte, kam ich zu der Ueberzeugung, daß diese salomonischen ehernen Kesselwagen, welche zu einem so wichtigen Dienste im Heiligthume verfertigt wurden, sowohl ihrem Bau als ihrer Bestimmung nach die größte Aehnlichkeit mit den in den andern Ländern gefundenen aufzeigen und alle sich am besten gegenseitig erläutern. Diese Alterthümer, welche aus den tiefen Gräbern oder dem Schutte der Erde heute wieder ans Licht gezogen werden, können uns die althebräischen heiligen Kesselwagen zu erläutern dienen, da wir diese bis jetzt nur nach ihren alten Beschreibungen in der Bibel kennen; und umgekehrt besitzen wir über solche kleine Erzwagen nirgends so alte und so genaue Beschreibungen als in jenen biblischen Stellen, so daß auch von diesen aus sich ein helles Licht über jene verbreitet. Dazu ist dieses Zusammentreffen auch für die ganze alte Kunstgeschichte so lehrreich, da auch die sonst gefundenen Erzwagen dieser Art den salomonischen in keiner Weise nachgebildet sind. Ich veröffentlichte daher über diesen Gegenstand eine besondere Abhandlung, auf welche ich hier hinweise 1 ): sie enthält besonders eine neue Uebersetzung und Erklärung der Worte 1 Kön. 7, 27-39, mit ausführlicher Feststellung auch der rechten Lesarten. Später kam Lisch selbst auf den wichtigen Gegenstand in einer übersichtlichen Abhandlung 2 ) zurück, wo man alle diese Alterthümer


1) Ueber eherne Kesselwagen in den alten Heiligthümern, der k. Ges. der Wiss. überreicht (abgedruckt in den Gött. Gel. Nachrichten, 1859, S. 121-146)."
2) "Ueber die ehernen Wagenbecken der Bronzezeit, von G. C. F. Lisch, Schwerin, 1860, 28 S. in 8. (in den Jahrb. des Vereins für Meklenburgische Geschichte, Jahrg. XXV)."
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näher beschrieben, auch die Abbildung eines solchen Wagens findet. Wenn der Vf. S. 26-28 hier auch die Hezeqielischen Bilder der viergestaltigen Kerube den vier Rädern der heiligen Kesselwagen gleich setzen will, so müssen wir eher auf die große Unähnlichkeit aufmerksam machen, welche sich hier zeigt. So gewiß Hezeqiel's Einbildung durch die altheiligen Kerube und sonstigen Tempelbilder angeregt war, sich diese Erscheinung Jahve's in seiner sich offenbarenden Hoheit gerade so zu denken, so geht doch eben diese seine Einbildung weit über jene wirklichen alterthümlichen Bilder hinaus, und man muß sich hüten, diese späten Gebilde des bloßen Geistes Hezeqiel's, welche er auch in seinen wirklichen Tempel aufzunehmen sich hütet, mit den ächtgeschichtlichen Bildern des alten salomonischen Tempels zu verwechseln oder sie in den Einzelnheiten diesen gleichzustellen."


Nachtrag zu Jahrb. XXV, S. 215.

Die in den Jahrbüchern XXV, S. 215 flgd gegebene Erklärung des bronzenenen Kesselwagens von Peccatel und die oben S. 150 mitgetheilte Entdeckung des völlig gleichen Wagens in Schonen werden die höchst merkwürdige Forschung über die ehernen Kesselwagen um einen guten Schritt weiter geführt haben. Um nun zu dieser höchst wichtigen Angelegenheit Alles zu liefern, was die Frage nur berühren kann, ist es nöthig, noch die von dem bekannten, jetzt verstorbenen englischen Sprach= und Alterthumsforscher Kemble in England vorgebrachten Ansichten mitzutheilen, welche mir erst jetzt nach seinem Tode bekannt und mir bei seinem Leben von ihm nicht mitgetheilt sind, obgleich ich mit ihm in gelehrtem Verkehr stand. Nach der ersten Versammlung der deutschen Geschichts= und Alterthumsforscher in Dresden 1852, welche auch Kemble besuchte, hielt sich derselbe im Herbst längere Zeit in Berlin und in Schwerin auf, um hier Studien in sicher verbürgten, reichen und geordneten Sammlungen des vaterländischen Alterthums der Heidenzeit zu machen. Am 13. Dec. 1855 hielt er in England einen Vortrag über die Bronzewagen: "On some remarkable sepulchral objects from Italy, Slyria "and Mecklenburgh, by John Mitchell Kemble" welcher in der British Archeologia XXXVI, p. 349-369 gedruckt ist. In dieser Vorlesung bringt er vorzüglich die in unsern Jahrbüchern oft und ausführlich behandelten Bronzewagen von Peccatel, Frankfurt a. O. und Judenburg mit ausführlicher

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Beschreibung zur Sprache und theilt Abbildungen derselben auf Pl. XXVI mit. Sein Hauptzweck ist, diese Sachen mit "ähnlichen" in Italien gefundene Sachen zu vergleichen.

Kemble geht von bestimmten vorgefaßten Meinungen aus und verrückt dadurch den wahren Standpunkt der Sache. Er schließt folgendermaßen. Der Wagen von Peccatel ist bestimmt, eine Bronzevase zu tragen; in den Rädern ähnlich sind die Wagen von Frankfurt, welcher keine Vase, sondern vogelähnliche Gestalten, und der Wagen von Judenburg, welcher Menschen= und Thierfiguren trägt. Kemble zieht nun allerlei italiänische Geräthe, welche Vogelgestalten tragen, aber keine Wagen sind, zur Vergleichung und will allein dadurch rückwärts Schlüsse auf den Wagen von Peccatel machen, läßt aber die Vase, von welcher er selbst doch ausgeht, ganz außer Rücksicht, obgleich diese doch die Hauptsache ist und allein und wesentlich zur Frage steht, wie er selbst sagt.

Kemble beschreibt nur nach unsern Mittheilungen die Wagen ausführlich, giebt aber zu ihrer Deutung nicht das geringste, so daß er für die Sache selbst eigentlich gar nichts thut. Dagegen geht durch die ganze Vorlesung der in England nicht seltene Ton wegwerfender Ueberhebung, in welchem er zuweilen Deutschland, Meklenburg und mich etwas achselzuckend zu bemitleiden scheint. Kemble sagt, wie es scheint, mit Seitenblicken auf die angeblich deutsche Vieltrinkerei, von dem Wagen von Peccatel: "Es ist klar, daß der Wagen bestimmt war, eine Vase zu tragen und zu fahren, ungefähr in der Art, wie jene Tafelwagen (dinier-waggons), die in den guten alten Zeiten bekannt waren, in welchen man es für nöthig hielt, die Trinkgefäße so leicht und rasch als möglich in die Runde zu befördern." Er macht ferner gegen die deutschen Forscher Front, indem er seine vorgefaßten Ansichten durchführt, und sagt S. 353, daß die "deutschen Alterthumsforscher in allen Dingen Opfergeräthe sehen, und so auch hier; Lisch bildet sich ein, daß der Wagen von Peccatel der Zeit angehört, welche er die Bronzezeit nennt; die Deutschen sehen in allen Bronzen aus Kegelgräbern die Ueberbleibsel des germanischen Volkes; germanisch soll nun einmal alles sein" u. s. w. Kemble will aber dergleichen "Bronzen lieber bei den Hetruskern, als bei den Germanen suchen" u. s. w. Kemble spricht sich am Schlusse (S. 366) ganz bestimmt aus: "Die Vase ist mehr hetruskisch, als deutsch. "Ich protestire gegen die Lehre meines Freundes Lisch, welcher in allen Kegelgräbern mit Bronzewaffen germanische Gräber sieht. Dies beruhet nach meiner Ansicht auf Irrthum, und

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heißt, deutscher Einbildung auf Kosten europäischer Geschichte ein Compliment machen. Die Vase ist mehr italiänisch, als deutsch; die germanische Bevölkerung hat nichts damit zu thun. Auch eine gälische Hypothese muß zugelassen werden(!)." In dieser Art ungefähr schließt er, um solche seltenen, sicher germanischen Kunstproducte, wie der Wagen von Peccatel ist, zu hetruskischen 1 ) Werken zu machen und der alten Bevölkerung Deutschlands das abzusprechen, was in ihren Gräbern in zahllosen Gegenständen gefunden wird.

Aber wir können ihm in keiner Weise beipflichten. Obgleich er immer behauptet, die Vase sei die Hauptsache, so führt er doch seinen Scheinbeweis durch Vermittelung des frankfurter Wagens nur durch die Vogelgestalten und läßt schließlich die Vase ganz außer Berücksichtigung. Wir haben nachzuweisen gesucht, daß die ehernen Kesselwagen, als phönizische Kunstwerke, auch vor dem Tempel Salomonis standen, und durch die Entdeckung des zweiten völlig gleichen Kesselwagens in Schonen ist es bewiesen, daß diese Geräte weit verbreitet waren. Durch viele entdeckte Fabrikstätten mit wenigstens eben so schönen Bronzen, als die Kesselwagen, und tausendfältige Analogien ist es außer allem Zweifel, daß die Bronzen in den deutschen und nordischen Gräbern im Lande verfertigt wurden. Sie gehören den Völkern an, in deren Ländern die Gräber stehen. Es ist möglich, daß diese Völker diejenigen, welche wir Germanen nennen, oder meinetwegen Kelten waren; es ist aber auch möglich, daß diese Bronzealterthümer germanischer Länder noch viel älter sind, als diese Völker, und in eine urgermanische, griechische Zeit hineinreichen, denn die Kegelgräber gehören gewiß einer viel ältern Zeit an, als wir bis jetzt geglaubt haben. Und warum sollen ausgezeichnete Sachen grade alle von den Hetruskern stammen? Je mehr die hetruskischen Alterthümer zusammenkommen, desto mehr überzeugt man sich, daß die Cultur des Hetruskervolkes lange so alt nicht sein kann, als die Cultur des in den Kegelgräbern Germaniens schlummernden Volkes der Bronzezeit. Man braucht z. B. nur die Sammlung hetruskischer Alterthümer in München zu sehen, um sich mit einem Blick zu überzeugen, daß die hetruskische Cultur der Cultur der beginnenden Eisenzeit, welche auch weiterzurückreicht, als man


1) Dem Vernehmen nach soll Kemble's letztes Werk, über die vaterländischen Alterthümer, welches noch angekündigt, aber nicht erschienen ist, viel gegen deutsche Alterthumsforscher gerichtet gewesen sein und alter italiänischer Kunst das Wort geredet haben.
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bisher geglaubt hat, ganz analog ist. Es sind noch gar keine hetruskische Alterthümer bekannt geworden, welche sich mit den Alterthümern der nordischen Bronzezeit vergleichen ließen, und Italien hat überhaupt nur wenig sehr alte Geräthe dieser Art, wie z. B. die Hausurnen, aufzuweisen. Ja, es dürfte jetzt sehr gewagt sein, anzunehmen, daß die höhere Bildung der ältesten Zeit von Italien nach Deutschland und dem Norden kam. Es scheint jetzt vielmehr glaublich, daß in den ältesten Zeiten der Bronzeperiode die ebene Mitte Europas (Deutschland, Dänemark, Ungarn, Frankreich, Lothringen) der Sitz einer höhern Bildung war, welche von hier nach Italien verpflanzt ward, zu einer Zeit, als dort noch Völker wohnten, welche sicher noch keine höhere Bildung, als die in Deutschland lebenden Völker hatten; mit der allmähligen Entwickelung der Eisencultur hat freilich in jüngern Zeiten die Bildung den Rückweg von Italien nach Deutschland genommen, und in diese erste Entwickelung der Eisenzeit mag denn auch die hetruskische Bildung fallen. Die altgriechische Cultur in den Ländern des griechischen Inselmeeres fällt aber mit der Cultur der Bronzezeit Deutschlands zusammen, und die ältesten Bewohner Griechenlands werden mit dieser zusammenhangen oder ihre Bildung aus gleicher Quelle erhalten haben. Die Bildung der uralten Bronzezeit ist gewiß sehr alt, und wenn wir einem Volke Antheil an der Verbreitung der ältesten Bildung nach Mitteleuropa zuschreiben möchten, so wäre es das in allen Künsten der Erzbearbeitung so hoch ausgebildete Volk der Phönizier (vgl. Gerhard Ueber die Kunst der Phönicier in den Abhandlungen der Akad. der Wissenschaften zu Berlin, aus dem Jahre 1846, Philolog. und histor. Abhandlungen, S. 579 flgd.)

Doch, Kemble würde jetzt vielleicht anders reden, als damals, und wir wollen seine sonstigen Verdienste nicht schmälern, wenn er auch manche englische Eigenthümlichkeiten nie abstreifen konnte. Er hat sich durch diese Abhandlung doch ein Verdienst erworben, indem er einige werthvolle Gegenstände bei dieser Gelegenheit ans Licht gezogen hat. Wie oben gesagt ist, hat Kemble, indem er sämmtliche Vergleichungs= und Anhaltspuncte für die Bestimmung gänzlich mit Stillschweigen übergeht, für die Vase und deren Verfertigung nichts beigebracht, obgleich er sie für die Hauptsache erklärt, und hat sich allein auf die Vogelverzierungen beschränkt und seine Schlüsse allein hieraus gezogen.

Im britischen Museum finden sich in der Sammlung von Payne Knight zwei Bronzewerke, welche früher

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nur einem engern Kreise(!) von Forschern bekannt waren, welche aber Kemble S. 358 genau beschrieben und Pl. XXVII mitgetheilt hat. Dies sind Werke, welche auf den erste Blick Kronleuchtern ganz ähnlich und in Italien gefunden sind. Sie sind reich mit Vogelgestalten und gelben und bläulich=grünen Glasperlen, auch mit Ochsenfiguren besetzt, und gehören gewiß einer alten Cultur an, wenn sie auch nicht so alt sein werden, als die nordischen Bronzewagen. Es fehlen hier aber durchaus die charakteristische Wagen, auch hat Kemble keine Forschung und schärfere Beobachtung und Vergleichung angestellt.

Leider fehlt auch, wie bei so unzähligen aus Italien zusammengerafften Gegenständen, jede Nachricht über die Art und Weise, wie jene Sachen gefunden sind, und was sie begleitet haben mag.

So dankenswerth nun diese Mittheilungen auch im Allgemeinen sein mögen, so haben sie doch nicht den geringsten Einfluß auf den Bronzewagen von Peccatel und lassen mit diesem eben so wenig eine Vergleichung zu, als eine fahrbare Punschbowle und ein Kronleuchter mit einander verglichen werden können, "It is no Teutonic matter"


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Die lüneburgische Bronzekrone

in der großen Sammlung des Herrn Wellenkamp zu Lüneburg, welche so eben, im Herbst 1860, an Se. Majestät den König von Hannover verkauft ist, ist nicht zu Wieren im Amte Bodenteich gefunden, wie nach einem Berichte des Herrn Wellenkamp in Jahrb. XVII, S. 366 angegeben ist; diese Angabe beruhet auf einem unerklärlichen Irrthume in der Mittheilung. Die Krone ist vielmehr zu Emmendorf, zwischen Uelzen und Bevensen, beim Torfgraben im Moor gefunden. Der Herr E. Küster zu Uelzen, früher Goldschmied, schreibt darüber am 10. Mai 1852: "Zugleich kann ich Ihnen auch den Fundort "des Ringes (der Krone) melden. Derselbe ist etwa 6 Zoll weit im Durchmesser und auf 1/3 seines Umfanges zum Oeffnen mit einem Charnier versehen. Derselbe ist bei Emmendorf, zwischen Uelzen und Bevensen an der Eisenbahn gelegen, beim Torfgraben gefunden; es soll aber weiter nichts dabei gelegen haben, möglich, daß es nicht bemerkt worden ist. Hiebei möchte ich bemerken, daß ich vor etwa 5 Jahren aus demselben Dorfe einen massiv goldenen Armring

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nebst einigen Metallbuckeln mit Goldblech überzogen (nicht vergoldet), welche ebenfalls im Moore gefunden sind, gekauft und darauf dem Herrn v. Estorf überlassen habe. Ob diese beiden Funde mit einander in Verbindung stehen, wage ich nicht zu behaupten, vermuthe es aber, da beide aus ganz ungewöhnlichen Sachen bestehen, welche sonst in unserer Gegend nicht gefunden werden."

G. C. F. Lisch.     

 


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c. Eisenzeit.


Ueber das Alter der Eisenperiode
und
das Grab von Wotenitz,

von

G. C. F. Lisch.

Der im J. 1859 aufgegrabene und in den Jahrbüchern XXV, S. 252 flgd. beschriebene "Wendenkirchhof" von Wotenitz bei Grevismühlen bot eines der reichsten und merkwürdigsten Gräber, welche je in Norddeutschland aufgedeckt sind. Die Aufgrabung des ganzen Begräbnißplatzes gab alle gewöhnlichen Alterthümer der Eisenperiode in sehr gut erhaltenem Zustande in Urnen, welche zum größten Theile mit hammerförmigen, aus kleinen viereckigen Puncten mit einem gezahnten Rade gebildeten Linien verziert sind, wovon ich hier eine möglichst klare Probe der Größe und Gestalt der Puncte gebe (vgl. Jahrb. XII, S. 430 und 433).

Verzierung einer Urne
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Aus den häufig vorkommenden Formen der Geräthe aus der Eisenperiode und dem wohl erhaltenen Zustande sowohl der Geräthe, als auch der damit übereinstimmenden Urnen glaubte ich schließen zu müssen, daß dieser Begräbnißplatz aus der jüngern Zeit der Eisenperiode oder des Wendenthums stamme. Eine der Urnen, welche mit denselben Linien verziert war, wie die andern Urnen, also unstreitig auch derselben Zeit angehört, und welche nachstehend nach dem Originale abgebildet ist,

Urne

enthielt aber einen ungewöhnlich reichen und seltenen Schatz, nämlich eine sehr schöne und saubere Gold=

Golddrathkette
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drathkette mit einer Bommel, zwei silberne Hefteln, zwölf silberne Nadeln, eine silberne Spange, einen silbernen Haken, eine silberne Perle, zwei weiße und hellblaue Glasperlen und Räucherwerk, neben gewöhnlichen eisernen und bronzenen Hefteln und eisernen Messern.

Von besonderer Wichtigkeit ist die schöne goldene Kette mit der Bommel, welche nicht allein sehr kunstreich, sondern auch an der Bommel sehr charakteristisch gearbeitet ist, indem diese mit kleinen Punctpaaren bedeckt ist, deren jedes von eigner sehr feinen Spirale, einem S ähnlich, eingefaßt und zusammengehalten wird. In der großen Sammlung zu Kopenhagen werden wenigstens 12 solcher Bommeln und auch 1 solche Kette, so wie Ringe und Perlen zum Aufziehen auf die Kette, aufbewahrt, ohne daß jedoch alle diese Stücke zusammengehörten.

Außerdem sind in Dänemark Funde gemacht, welche gleiche oder gleich gearbeitete Schmucksachen enthalten und mit römischen Alterthümern zusammen gefunden sind, welche in eine frühe Zeit zurückreichen. Hieraus haben die dänischen Forscher, namentlich Worsaae, geschlossen, daß die Eisenperiode im Norden viel weiter zurückgehen müsse, als bisher angenommen ist, und diese Alterthümer noch aus der Zeit des römischen Kaiserreiches stammen, wie überhaupt die Alterthümer aller vorgeschichtlichen Zeit viel älter sein werden, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Durch den Fund von Wotenitz veranlaßt, bin auch ich geneigt, die Eisenperiode weiter, als bisher zurückzuführen. Es wird zur Begründung dieser Ansicht dienlich sein, die entscheidenden dänischen Funde hier vorzuführen.

Zu Tjäreby bei Roeskilde wurden im J. 1847 in einem Hügel neben fünf unverbrannten Leichen viele seltene Alterthümer gefunden, welche von Worsaae in den Jahrbüchern für nordische Alterthumskunde, 1847, S. 376 flgd., mit Beziehung auf die Untersuchungen über das Alter der Eisenperiode beschrieben 1 ) und durch Abbildungen erläutert sind. In diesem Funde 2 ) war:


1) Jernalderens Begyndelse i Danmark, oplyst gjennem gravefund, af J. J. A. Worsaae, in Annaler for nordisk oldkyndighed, udgivne af det kongelige nordiske Oldskrift-selskab, 1847, Kjöbenhavn, p 376 flgd., mit Tab. II und III. Vgl. auch die Abbildungen in Worsaae, Nordiske Oldsager etc. . oder Afbildninger etc. ., 1. Aufl. p. 74, 2 Aufl. p. 87, und Boye Forteglnelse, I, p. 56.
2) Die Uebersetzung der Abhandlungen unsers Freundes Worsaae zur Benutzung zu dieser Arbeit verdankt der Verein dem Herrn Archivschreiber Jahr zu Schwerin.
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1) Eine ausgezeichnete, große Nadel von Silber, 6" lang (Fig. 1); dies ist dieselbe große silberne Nadel in dem Funde von Wotenitz, welche krumm gebogen und daher in den Jahrb. S. 255 als "silberner Haken" aufgeführt ist; der Nadel von Wotenitz fehlt jetzt der aufgesetzt gewesene, verzierte, silberne Knopf.

2) Zwei silberne Hefteln (Fig. 2 und 3), welche den zwei zu Wotenitz gefundenen silbernen Hefteln ganz gleich sind.

3) Eine bronzene Heftel (Fig. 4), ebenfalls den zu Wotenitz gefundenen zwei bronzenen Hefteln gleich; die dänischen Hefteln haben jedoch silberne Queerränder.

4) Eine Bommel aus Electrum oder mit Silber gemischtem Golde (Fig. 5) mit aufgelegten Spiralverzierungen und einem Bügel oder Ringe aus geflochtener Arbeit. Diese Bommel ist in derselben Weise gearbeitete wie die wotenitzer, jedoch viel kleiner und einfacher.

5) Eine Schere aus Bronze in der Form der heutigen Schaafscheren (Fig. 6). Solche Scheren sind in Meklenburg wiederholt in "römischen Funden" entdeckt; aber einmal ist eine der dänischen Schere ganz ähnliche bronzene Schere auch in dem Wendenkirchhofe aus der Eisenperiode zu Kl. Plasten gefunden (Jahrb. XIV, S. 336).

6) Mehrere Beschläge von Bronze und Silber (Tab. III), welche ohne Zweifel Beschläge von Trink= oder Blasehörnern gewesen sind. Gleiche Beschläge sind bei römischen Alterthümern zu Hagenow gefunden (Jahresber. VIII, S. 44 mit Abbildungen Nr. 12, 15, 17) und einzeln noch an andern Stellen in Meklenburg.

Zu Nörre=Vroby bei Odensee auf Fühnen wurden unter vielem Gerölle wieder ähnliche Alterthümer gefunden, welche von Worsaae in den Jahrbüchern für nordische Alterthumskunde, 1849, S. 390 flgd., in Fortsetzung seiner ersten Abhandlung beschrieben 1 ) und durch Abbildungen erläutert sind. Hier wurden gefunden:

1) Ein kleiner runder Metallspiegel (Tab. IV, Fig. 1).
2) Eine bronzene Kelle (Tab. IV, Fig. 2).
3) Ein großer Bronzegefäß (Tab. IV, Fig. 3).
4) Ein bronzene Sieb in Bruchstücken, auf dessen Griff mit einem Stempel die römische Inschrift DIS AV CVSF


1) Fund af romerske oldsager i Danmark ved J. J. A. Worsaae in Annaler etc. . 1849, p. 390 flgd.
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eingeschlagen ist. Diese Alterthümer gleichen ganz den bei Hagenow gefundenen römischen Alterthümern (Abbildung Nr. 2 bis 6).

Es fanden sich hier aber ferner noch:

5) Eine große silberne Nadel mit einem goldenen Knopfe (Tab. V, Fig. 5), welcher mit kleinen Puncten oder Perlen belegt ist. Diese Nadel ist der bei Wotenitz gefundenen gleich und die Arbeit der Arbeit au der goldenen Bommel von Wotenitz ähnlich. Außerdem fanden sich 2 kleine silberne Nadeln mit runden Knöpfen, wie sich solche zu Wotenitz viele fanden.

6) Eine goldene Bommel , welche überher mit sogenannter Kornarbeit oder mit kleinen Knöpfchen belegt ist, von denen immer je zwei durch eine Spirale in S Form verbunden sind. Diese Bommel ist, wenn auch kleiner, dennoch an Geschmack und Verzierung der Bommel von Wotenitz völlig gleich, so daß es keinem Zweifel unterliegt, daß beide aus derselben Zeit stammen.

Außerdem wurden noch gefunden:

7) Neun Perlen aus dünnem Goldblech.
8) Fünf längliche Perlen oder Knöpfe aus hellgrünem, durchsichtigen Glas.
9) Zwei Knöpfe oder Spindelsteine aus emaillirtem Glas.
10) Zwei Sporen aus Bronze.
11) Ein Pferdegebiß aus Bronze.
12) Metallbeschläge von einem hölzernen Eimer.

Zu Byrsted im Amte Aalborg ward 1846 in einem Hügel ein ähnlicher Fund gemacht, welcher auch von Worsaae beschrieben 1 ) und von Abbildungen begleitet ist. Die Hauptstücke sind zwei sehr schöne silberne Becher mit kunstreichen Henkeln (Tab. VI, Fig. 1) und eine zerbrochene große Bronzeschale (Fig. 8) beide bestimmt römischen Ursprunges. Dabei wurden sieben silberne Nadeln, groß und klein, eine silberne Heftel (Fig. 5), runde goldene Bommeln und Perlen und ein goldener Fingerring gefunden, alle von gleicher Arbeit wie die ähnlichen Sachen aus den andern Funden; in der Nähe lagen drei eiserne Lanzenspitzen.

Diese drei dänischen Funde sind nun gleich und werden durch den römischen Fabrikstempel in dem Funde von Nörre=Broby bestimmt, welcher ohne Zweifel in die erste römische Kaiserzeit fällt. Worsaae trägt daher kein Bedenken anzunehmen, daß die hervorragenden Kunstarbeiten dieser Funde


1) Annaler, 1849, S. 396 flgd.
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römische sind und aus "dem 1. Jahrhundert nach Chr. oder richtiger aus der ältern Kaiserzeit" stammen (Vgl. Annaler S. 397).

Mit diesen Funden stimmen nun wieder die charakteristischen Stücke des Fundes von Wotenitz vollkommen überein: die goldene Bommel, die goldenen Perlen, die silbernen und bronzenen Hefteln, die großen und kleinen silbernen Nadeln, welche alle charakteristisch sind und den dänischen Sachen vollkommen gleichen.

Von großer Wichtigkeit wird jetzt der bedeutende römische Fund von Hagenow, welcher im Jahresbericht VIII, S. 38 flgd. beschrieben und abgebildet ist. Dieser Fund giebt von der einen Seite Gegenstücke zu den römischen Arbeiten, welche in Dänemark gefunden sind, und greift von der andern Seite in den Fund von Wotenitz hinein, so daß er ein sehr wichtiges Mittelglied bildet. In dem hagenower Funde sind sowohl zweifellos römische Sachen, wie große Bronzeschalen, bronzene Kellen und ein Sieb, mit römischen Fabrikstempeln, eine schöne bronzene Gießkanne, als auch Alterthümer, welche den übrigen dänischen Sachen und den Alterthümern von Wotenitz gleich sind, wie die Hefteln und Lanzenspitzen; namentlich ist eine auszeichnet gearbeitete eiserne Heftel von Wotenitz einer bei Hagenow gefundenen Heftel ganz gleich, welche an den Rändern sehr sauber mit Silberperlen besetzt ist. Einen sehr wichtigen Vergleichungspunct bildet aber der aus Silber gearbeitete Beschlag und das Gehänge eines Horns von Hagenow, welche mit den gleichen Bronzesachen von Tjäreby vollkommen übereinstimmen.

Was aber alle diese Funde in ihrer innern Uebereinstimmung so sehr merkwürdig macht, das ist die Zeitbestimmung, welche durch die Fabrikstempel auf den römischen Gefäßen mit ziemlicher Sicherheit gegeben werden kann. Die nordischen Forscher setzen mit Recht die römische Inschrift auf der Kelle von Nörre=Broby in das erste Jahrhundert nach Chr. (vgl. Annaler 1840, S. 390), und die merkwürdigen Inschriften der Kellen von Hagenow fallen in dieselbe Zeit (vgl. Jahresber. VIII, S. 47, und XXIV, S. 292 flgd.). Wir gewinnen also durch diese vermittelnden römischen Alterthümer einen ziemlich sichern Anhaltspunct für die übrigen Alterthümer aller hier zur Sprache gebrachten Funde.

Diese Erfahrungen werden durch andere Funde kräftigst unterstützt.

In Ungarn wurden in der Pußte Bakod beim Graben von Fundamenten am 22. Sept. 1859 in einer Tiefe von

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vier Fuß zwei wahrscheinlich weibliche Gerippe mit Goldgeschmeide und drei Klafter davon ein drittes Gerippe mit Silbergeschmeide gefunden 1 ). Unter dem Goldgeschmeide waren z. B. zwei Armringe von Gold, jeder ungefähr 22 Ducaten schwer, mit Drachenköpfen an der Zusammenfügung, eine Halskette, 22 Ducaten schwer, von Gold und Granaten, eine goldene Schnalle, 4 Ringe, 2 Ohrringe, 6 Glieder einer Kette, dabei ein schwarzes Thongefäß und Stücke verrosteten Eisens, wahrscheinlich von eisernen Hefteln. Außerdem fand sich dabei noch eine goldene Halskette (abgebildet bei Arneth a. a. O. S. 5, Fig. 3) aus vierfach geflochtenem Golddrath, 13 1/2 Zoll lang, mit 17 in die Matchen eingehängten Anhängseln aus Gold mit Granaten, 11 1/2 Ducaten schwer; die beiden Enden der Kette sind in cylinderförmige Goldblechkapseln eingehängt, welche mit Oesen versehen sind; das schließende Glied fehlt. "Die Halskette ist", wie Arneth S. 8 sagt, "von der Art, welche die Griechen στρεπτός, zusammengebunden, nannten". Diese geflochtene goldene Halskette ist ganz, wie die von Wotenitz gearbeitet, und die Hülsen am Ende sind ähnlich verziert. Bei dem dritten Gerippe mit Silbergeschmeide fanden sich mehrere Hefteln, welche den deutschen und nordischen Hefteln gleichen. Zuerst fand sich eine große Heftel aus Silber (abgebildet S. 6, Fig. 10), sehr groß, 9" lang, ähnlich den großen verzierten Hefteln der Rheinlande. Dann fanden sich zwei kleine Hefteln aus kupferhaltigem Silber (abgebildet Fig. 11), welche den häufig vorkommenden kleinen Hefteln der Eisenperiode gleichen. Außerdem fanden sich dabei zwei Kugeln von blauer Glaspaste und eine Bernsteinkugel. Arneth setzt (S. 12) diesen Fund von Kolocza in die Zeiten der römischen Kaiser Valentinian und Valens (364-378), und meint, daß durch Attila 442 das Land dermaßen verheert worden sei, daß die Gräber vergessen wurden. Möglich ist es jedoch, daß die Gräber noch etwas älter sind, als Arneth angenommen hat.

Alle diese Funde ergänzen und erläutern sich also wechselseitig und geben Bestimmungen, über welche man sich wohl nicht leicht täuschen kann.

Alles deutet darauf hin, daß alle diese Funde, von fremden und einheimischen Sachen, noch der ältern römischen Kaiserzeit angehören.


1) Vgl. Der Fund von Gold= und Silber=Gegenständen auf der Pußta Bakod unweit Kolocza in Ungarn, von Joseph Arneth. Wien. 1860. Mit Abbildungen.
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Da nun der Begräbnißplatz von Wotenitz mit seinen zahlreichen, schon ausgebildeten Alterthümern ganz der Eisenperiode angehört, so würde man nach den oben geschilderten Funden zu der Ansicht gelangen, daß die Eisenperiode viel weiter zurückgeht , als in Norddeutschland bisher angenommen ist.

Dagegen scheint aber die Erfahrung zu sprechen, daß die der Eisenperiode ausschließlich angehörenden Todtenurnen mit den aus kleinen Vierecken gebildeten Verzierungslinien nach den bisherigen Beobachtungen grade so weit reichen, als die Wohnsitze der Wenden oder Uferslaven gegen Westen hin, von Pommern und den nördlichen Theilen der Mark Brandenburg über Meklenburg bis in Holstein, Lüneburg und die Altmark, und daß sonst noch keine Spur von denselben gefunden ist. Ich habe wohl ähnlich verzierte Gefäße gesehen, welche aus Italien stammen sollen; aber es fehlt uns noch ganz an einer ausreichenden und geschichtlichen Kunde über die alten italischen Gefäße, wie überhaupt die Alterthumskunde Italiens noch lange nicht die wünschenswerthe Ausdehnung und Sicherheit erlangt hat.

So viel Licht nun aber auch diese verschiedenen wichtigen Funde auf eine ferne Vergangenheit werfen, so geben sie doch noch keine ungetrübte Einsicht in dieselbe. So viel scheint aber gewiß zu sein, daß sie einer Zeit angehören, in welcher das Eisen noch einen hohen Werth hatte, aber doch schon sehr verbreitet und ausgebildet war. Wenn ich diese Funde mit Worsaae auch nicht in das 1. Jahrhundert nach Chr. zurückverlegen und mit Arneth auch nicht bis in das Ende des 4. Jahrhunderts herunterführen möchte, so glaube ich doch, daß sie zwischen beide Endpuncte, also etwa in das Ende des 2. oder in das 3. Jahrhundert nach Chr. fallen, welcher Zeit ungefähr auch die meisten in Norddeutschland gefundenen römischen Münzen angehören. Funde, wie sie oben beschrieben sind, gönnen aber einen hellen Blick in den nicht unbedeutenden Handelsverkehr, in welcher die Völker des Nordens mit dem Süden standen.

Das aber scheint schon jetzt fest zu stehen, daß die Eisenperiode nicht der ausgebildeten Herrschaft der Wenden allein angehört, sondern viel weiter , als bisher angenommen ist, zurückreicht , wahrscheinlich bis zu Christi Geburt, und vielleicht noch weiter zurück, es sei denn, daß die Wenden viel früher in Deutschland eingewandert seien, als in der sogenannten Völkerwanderung.


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Wendenkirchhof zu Alt=Sammit.

In der sandigen, breiten Dorfstraße des Gutes Alt=Sammit bei Krakow, welche wohl uralt ist, ward dicht am Abhange einer Anhöhe eine weite, schüsselförmige Urne mit verbrannten Gebeinen ausgegraben; leider zerfiel sie, und weitere Nachgrabungen, welche der Herr Gutsbesitzer Diederichs gütigst für den Verein anstellen ließ, brachten nichts weiter zu Tage.

Auch auf dem Hofe zu Alt=Sammit ward aus einem Moderloche ein großes Stück von einem heidnischen Gefäße ausgeworfen und aus demselben Loche ein mittelalterlicher Krug.

G. C. F. Lisch.     

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Wendenbegräbniß von Ganzer.

Zu Ganzer bei Wusterhausen in der Mark Brandenburg, nicht weit südlich von den meklenburgischen Enclaven Rossow und Netzeband, ward im J. 1859 eine zerbrochene heidnische Begräbnißurne ausgegraben, welche von dem Herrn Pastor Ragotzkyzu Triglitz, Mitglied unsers Vereins, erworben und dem Vereine geschenkt ward. Der Inhalt dieser Urne ist für die Eisenperiode sehr merkwürdig.

Die Urne, von heidnischer Arbeit, mit Kiesgrus durchknetet, welche mit zerbrannten Knochen gefüllt war, ist zerbrochen und nur noch in einigen großen Bruchstücken vorhanden. Sie war braun von Farbe und hatte ungefähr die Gestalt und dieselbe Verzierung, wie die Urnen der Eisenperiode, welche in Jahrb. XII, S. 429 abgebildet sind.

Außer den Knochen lagen in der Urne folgende Alterthümer:

ein eisernes Gürtelgehenk oder Brustgehenk, welches durch seine Arbeit und Einrichtung sehr selten und merkwürdig ist. Den Haupttheil bildet eine Platte von dünnem, gradem Eisenblech, welche 2 1/2 Zoll lang, 2 Zoll breit und an beiden Seiten etwas eingeschweift ist. Oben am Rande sind zwei kleine Löcher eingetrieben, um dieses zum Hängen bestimmte Blech an einen Gewandtheil oder ein anderes Werkzeug anheften zu können. Unten am Rande sind sechs kleine Löcher eingetrieben, in welchen dünne eiserne Ketten hängen, um kleine Geräthe daran zu befestigen. Diese Ketten, welche freilich zusammengewickelt und zusammengerostet und in einzelne Klumpen zerbrochen, jedoch in sehr vielen Gliedern noch wohl erhalten und klar zu erkennen sind, sind sehr merkwürdig. Die

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einzelnen runden Glieder dieser Kettchen sind sehr vollkommen gearbeitet und haben einen äußern Durchmesser von nur 1/4 Zoll oder 1/2 Centimeter. Das Merkwürdige ist, daß diese Kettchen von Eisen gearbeitet sind; wenn auch, namentlich in mehr östlichen Gegenden, solche Kettchen aus alter Zeit von Bronze vorkommen, so sind doch so feine und gut gearbeitete Ketten aus Eisen äußerst selten beobachtet worden. Diese Ketten geben wieder einen Beweis von der äußerst tüchtigen Bearbeitung des Eisens durch die Hand in der Eisenperiode des Heidenthums (vgl. Jahrb. XXV, S. 261 und 249).

Ob ein 1 1/2 Zoll □ großes Bruchstück

   eines gleichen Eisenbleches, welches an einem Ende an gleicher Stelle noch ein durchgetriebenes Loch zeigt, zu dem erwähnten Gehenk als zweite Unterlegplatte gehörte oder ein zweites Gehenk bildete, läßt sich nicht entscheiden. Wahrscheinlich aber bildete es ein zweites Gehenk, zu welchem ein Theil der zerbrochenen Ketten gehört.

Ferner lagen in der Urne

   zwei eiserne Hefteln mit Spiraldräthen, wie sie sich so häufig in den Wendengräbern finden. Die Bügel dieser Hefteln haben aber nicht die gewöhnliche Form aus massivem Metall, sondern bestehen aus demselben graden, dünnen Eisenblech, aus welchem die Gehenke gearbeitet sind, und bilden grade Blechstreifen von 2 Zoll Länge und 1 1/8 Zoll Breite, welche oben an die Feder gesetzt sind und unten einen kleinen Knopf an der Spitze haben.

Endlich fand sich

   der bronzene große Knopf einer Nadel, wie es scheint, zerbrochen, rund, hohl, 2 Zoll im Durchmesser, wie solche in Wendengräbern, jedoch selten, gefunden werden.

Dieser äußerst seltene Fund wird dadurch noch merkwürdiger, daß sich im J. 1837 zu Kl. Wieblitz bei Salzwedel in der Altmark auf einem großen wendischen Begräbnißplatze ganz dieselben Gegenstände fanden: die Gehenke mit den Ketten, die Hefteln, die großen Nadelknöpfe, alle in denselben Größen und Formen, mit noch vielen andern Gegenständen. Dieser Fund ist im zweiten Jahresbericht des altmärkischen Vereins, 1839, S. 76 flgd. beschrieben. Die Gehenke sind S. 81 beschrieben und auf der beigegebenen Lithographie abgebildet; hiernach hing das Gehenk an einer Heftel, welche nach belieben an die Kleidung gestochen werden konnte. - Die damalige Ansicht Danneil's, daß der Kl. Wieblitzer Fund nicht der wendischen Periode, sondern der "zweiten Abtheilung der Kegelgräber" angehöre, weil die Urnen nicht die gewöhn=

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liche schalenförmige Gestalt der Urnen der Wendenkirchhöfe haben, dürfte nicht mehr stichhaltig sein, da sich in Wendenkirchhöfen sehr verschiedene Urnen finden. Jedenfalls wird man den Fund der Eisenperiode zuschreiben müssen, wenn man auch die Wenden außer Spiel lassen will.

Diese von den meklenburgischen eisernen Alterthümern abweichenden Geräthe, welche an zwei verschiedenen Stellen der Mark Brandenburg gefunden sind und sicher in eine und dieselbe Zeit gehören, werden die Eisenperiode sehr zu erhellen im Stande sein.

G. C. F. Lisch.     

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Wendische Alterthümer
von der Burg Meklenburg.

Vor mehreren Jahren ward auf der Burg Meklenburg ein nach heidnischer Weise gearbeiteter, mit Kies durchkneteter, schwärzlicher Topf gefunden, in welchem 37 große, eiserne Niete lagen, welche oben einen aufgesetzten rhombischen Kopf von ungefähr 1 3/8" und 1" Durchmesser und unten einen runden Nietumschlag von ungefähr 1" Durchmesser haben. Es gehören nach der Länge offenbar immer mehrere zusammen; es sind nämlich: 1 Stück 2 1/2" lang, 4 Stück 2" lang, 20 Stück 1 1/2" lang, 12 Stück 1 1/4" lang.

Diese Niete oder Nägel gewinnen durch Vergleichung mit andern an Bedeutung, indem in Dänemark unter den in der Königin Thyra Danebods Grabhügel in Jelling gefundenen Sachen aus dem jüngern Eisenalter sich genau dieselben eisernen Niete ("Nagler of Jern") befinden, welche in Worsaae Nordiske Oldsager i det kongelige Museum i KJöbenhavn (Afbildninger, 2. Auflage), 1859, Kjöbenhavn, Taf. 115, Nr. 478 (vgl. S. 94), abgebildet sind.

Thyra Dannebod war die Gemahlin des Königs Gorm des Alten, welcher um das Jahr 940 starb, und wird in der Zeit 936-940 genannt; vgl. Königsfeldt genealogisk=historiske Tabeller etc. . S. 5.

Die Untersuchung des Grabhügels der Königin Thyra ist beschrieben in Antiqvariske Annaler, Band IV, Kopenhagen, 1827, S. 66 flgd. und S. 85 flgd; nach S. 171, Nr. 381 wurden dort 7 solcher Nägel ("7 Jernnagler med Nitter") gefunden.

Auch unter den auf dem Burgwalle von Allt=Lübek bei Schwartau gefundenen Alterthümern sind dieselben eisernen

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Niete gefunden, welche um wenig jünger als die dänischen und grade eben so alt, als die meklenburgischer sein mögen.

Merkwürdig ist es, daß die alten, ungefähr aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammenden eichenen Thürflügel der Kirche zu Retgendorf, nahe bei Meklenburg, welche bei der jüngsten Restauration zurückgesetzt sind und jetzt im Antiquarium zu Schwerin aufbewahrt werden, mit denselben Nieten beschlagen sind, welche in jeder Hinsicht ganz genau mit den alten heidnischen Nieten übereinstimmen, als wenn diese jenen zum Muster gedient hätten.

G. C. F. Lisch.     

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Ueber eine bronzene Hängeurnen und Buckel.

In den ehemaligen Wendenländern und mitunter auch außerhalb derselben werden bekanntlich oft bronzene Urnen gefunden, welche nur zum Hangen eingerichtet und mit gravirten Drachen und Drachenverzierungen geschmückt sind, und neben denselben gewöhnlich gleich verzierte, kleinere Buckel, welche außen auf der Spitze eine Art von kurzem Handgriff und inwendig eine Stange mit einem Knopf und daneben oft auch ein breites Oehr auf zwei Stangen haben. Diese Geräthe, welche wahrscheinlich der altern Zeit der Eisenperiode angehören, sind am häufigsten im Großherzogthum Meklenburg=Strelitz gefunden. Die Vereinssammlung zu Schwerin besitzt zwei solcher Funde, welche ebenfalls in Meklenburg Strelitz: zu Roga (Jahresber. VI, S. 110 flgd. und VII, S. 33 flgd.) und zu Lübberstorf (Jahrb. XIV, S. 324 flgd), gemacht sind.

Diese Buckel sind nicht allein für Helm= oder Schildbuckel erklärt, sondern haben sich außerdem die gewagtesten und wunderlichsten Deutungen gefallen lassen müssen. Die Buckel haben immer folgende Einrichtung: sie sind aus Bronze dünne gegossen, auf der Oberfläche mit Drachenverzierungen geschmückt und auf der Spitze mit einem kurzen, runden Griff versehen; das Innere ist hohl und hat entweder in der Mitte eine auf einem Stuhle von 3 Stangen stehende Stange, welche in einen runden, flachen Knopf endigt, der bis gegen den Rand des Buckels reicht, oder eine einfache, ähnliche perpendiculaire Knopfstange an einer Seite der Höhlung und gegen=

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über einen auf zwei Stangen stehenden Schemel, welche ein breites Oehr bildet. Ich habe schon in Jahrb. XIV, S. 329 angedeutet, daß wahrscheinlich der Schemel dazu gedient habe, einen Riemen darüber zu ziehen, und der Knopf dazu, einen Riemen anzuknöpfen, ohne einen bestimmten Gebrauch dieser Buckel wahrscheinlich machen zu können. - Die Bronzeurnen haben auf dem Rande immer zwei gegenüber stehende breite Oehren oder niedrige Henkel.

Es ist Sr. Majestät dem Könige von Dänemark gelungen, den Gebrauch dieser Buckel nachzuweisen, und Se. Majestät hat denselben in der Jahressitzung der k. Gesellschaft für nordische Alterthumskunde zu Kopenhagen im Schlosse Christiansburg am 14. Mai 1859 1 ) Allerhöchstselbst durch Vorzeigung der aufgefundenen Alterthümer und eines dazu angefertigten neuen Apparats auf eine sehr überraschende Weise erläutert. In dem kurzen Jahresbericht ist diese Angelegenheit vorläufig kurz dargestellt und durch Abbildung der aufgefundenen Alterthümer verdeutlicht:

"Unter den in dieser Sitzung vorgezeigten Bronzesachen zeichnete sich vorzüglich eine mit schönen Verzierungen geschmückte Hängeurne aus. Dieses Gefäß fand man beim Torfstechen auf dem Besitze des Parcelisten Christian Hansen bei Smidstrup, Pfarre Blidstrup, Harde Holbo, Amt Frederiksborg, ungefähr eine halbe Meile von dem Fischerdorfe Gilleleie, 40 Klafter von dem sogenannten Ullehügel, welcher zwei Steinkisten enthält. Das Gefäß stand aufrecht in der Torfmasse, ungefähr 2 Ellen tief. Inwendig in demselben lag (oder stand vielmehr) der Buckel, von dessen Art man bereits früher mehrere ziemlich ähnliche einzeln gefunden hat."

Hängeurne und Buckel sind genau von derselben Beschaffenheit, wie die in Meklenburg=Strelitz gefundenen, und ich bediene mich daher zur Erläuterung der meklenburgischen Abbildungen statt der dänischen, die mir nicht zu Gebote stehen. Der dänischen Hängeurne ist die (im Jahresber. VII, S. 34 abgebildete) Hängeurne von Roga, dem dänischen Buckel der (in Jahrb. XIV, S. 329 abgebildete) Buckel von Lübberstorf gleich. Se. Majestät der König ist nun der wohl begründeten Ansicht, daß Hängeurne und Buckel zusammen gehören und über einander gehalten gedacht und dargestellt werden müssen.


1) Ich hatte das Glück, dieser Sitzung beizuwohnen, und dabei den zu Peccatel bei Schwerin gefundenen bronzenenen Kesselwagen vorzuzeigen und zu erläutern.
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Buckel und Hängeurne

Se. Majestät der König erklärt nun den Gebrauch folgendermaßen. Ein lederner Riemen von der breite der Oehren ward an einem Ende über den Knopf in dem Buckel geknöpft, dann über den Schemel in dem Buckel und weiter durch die beiden Oehren oder Henkel auf dem Rande der Hängeurne gezogen und schließlich mit dem andern Ende wieder über den Knopf in dem Buckel geknöpft. Sonst ist der Knopf und der Schemel in dem Buckel unerklärlich.

Der Buckel diente also zur Handhabe, um die an einem Riemen beweglich daran hangende Hängeurne, welche nicht stehen konnte, sondern getragen werden mußte, zu tragen, ähnlich den jüngern Weihrauchgefäßen, oder diente, wie der dänische Jahresbericht sagt, "als eine Art Deckel zu dem Gefäße, indem dieses mittelst eines Riemens mit demselben ver=

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bunden" war. (Die ähnlichen bronzenen Urnen der Bronzeperiode, wie sie in Jahrb X, S. 281 und XIV, S. 320 abgebildet sind, hatten eine andere Einrichtung, nämlich einen flachen bronzenen Deckel mit einem Oehr, durch welches ein Riegel ging, welcher auch durch die beiden Oehren auf dem Gefäßrande geschoben ward). Es würden also hiernach alle Erklärungen über eine selbstständige Bedeutung der Buckel fortfallen, und die Hängeurnen und die Buckel mit ihren offenbar symbolischen Verzierungen zusammen erklärt werden müssen.

Andere Buckel haben eine andere, einfachere Einrichtung, nämlich im Innern nur eine oft auf einem dreibeinigen Stuhle stehende perpendiculaire Stange, welche am Ende einen runden Knopf hat.

Buckel und Hängeurne
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Bei dieser Einrichtung ward der Riemen durch die beiden auf dem Rande der Hängeurne stehenden Oehren gezogen und mit beiden Enden über den Knopf des Buckels geknöpft. Es konnte auch noch das zwischen den beiden Oehren der Hängeurne liegende Ende des Riemens auf den Knopf geknöpft werden, um von oben her zwei getrennte Doppelriemen zu bilden.

Alle diese Deutungen scheinen vollkommen richtig zu sein. Es handelt sich also nur um die allerdings noch wichtigere Erklärung der Urnen und Buckel und ihrer Verzierungen.

G. C. F. Lisch.     


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d. Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker.


Hetrurische Urne
mit dem heiligen Hakenkreuz,
in München.

Es ist bekannt, daß das heilige "Hakenkreuz" mit den gebrochenen Balken über die ganze gebildete Erde sehr weit verbreitet ist. Der Ursprung dieses Zeichens mag in Indien zu suchen sein; es findet sich aber häufig auch in Skandinavien, z. B. noch auf den bekannten Goldbracteaten des Eisenalters (vgl. Jahrb. XXIV, S. 286 flgd.). Auch in Meklenburg und den angrenzenden ehemaligen Wendenländern ist es auf Alterthümern des Eisenalters mehrere Male entdeckt (vgl. Jahrb. XIII, S. 383). Namentlich steht es auf einer schwarzen Urne aus dem "Wendenkirchhofe" des Eisenalters von Kothendorf bei Schwerin in Meklenburg drei Male Hakenkreuz (abgebildet in Frid. Franc. Taf. XXXIV, Fig. 2)

und auf einer schwärzlichen Urne aus den Vierlanden bei Hamburg mehrere Male (vgl. Jahrb. XIII, S. 384).

In den "vereinigten Sammlungen" zu München befindet sich nun auch eine "hetrurische" Urne mit dem Hakenkreuze, welche bei der Versammlung der Geschichts= und Alterthumsforscher zu München im Sept. 1860 zur Untersuchung und Vergleichung gezogen ward. Es ist sicher, daß diese Urne aus dem hetrurischen Italien stammt; sie soll bei den "Hausurnen" am Albaner=Gebirge gefunden sein (vgl. Jahrb. XXI, S. 251 flgd.). Diese große Urne, welche aus gedörrtem Thon und Sand nach heidnischer Weise bereitet ist, hat noch ungefähr die Gestalt der Urnen des Bronzealters (ähnlich wie Frid. Franc. Taf. V, Fig. 1), aber das Aussehen und die Verzierung des Eisenalters. Die Urne ist ganz schwarz und glänzend, wie häufig die norddeutschen Urnen des Eisenalters und mit ähnlichen Verzierungen, wie diese, bedeckt. Die Urne hat

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am obern Rande zwischen zwei horizontalen Parallelbändern eine Verzierung von 7 Figuren Verzierung , welche zum Theil durch eingedrückte Stempel hervorgebracht sind. Auf dem Bauche der Urne sind durch Linien 5 Quadrate gebildet, in deren jedem ein Hakenkreuz steht, welches jedoch mehr ausgeführt ist als gewöhnlich. Zwei Male ist es ein stehendes rechtwinkliges Kreuz in dieser Form. Hakenkreuz mit Verzierung An jedem Ende einer jeden Linie ist noch ein Queerstrich, so daß jeder der 4 Endbalken die Form Verzierung oder Verzierung hat. Die übrigen 3 Kreuze, zwischen denen diese 2 Kreuze stehen, haben ganz dieselbe Bildung, aber die Stellung eines Andreaskreuzes Andreaskreuz .

Diese Urne 1 ), welche in so vieler Hinsicht den norddeutschen Urnen des Eisenalters gleicht und sicher eine Vermittelung von einander entfernter Gegenden und Völker giebt, ist sehr merkwürdig und scharfer Betrachtung würdig. Sie wird augenblicklich wohl noch keinen Dienst leisten können; aber es wird, nach gründlicherer Erforschung des altitalischen Alterthums, eine Zeit kommen, in welcher sie eine wichtige Urkunde zur Geschichte der Völker ältester Zeit sein wird.

G. C. F. Lisch.     



1) Der geschickte Formateur Herr Joh. Kreittmayr in München hat in Veranlassung der Versammlung zu München diese wichtige Urne getreu abgeformt, um ihre Verbreitung durch Gypsabgüsse zu fördern.
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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters
und der neuern Zeit.


Alterthümer von Alt=Sammit.

Auf dem Hofe zu Alt=Sammit wurden an verschiedenen Stellen folgende mittelalterliche Gegenstände gefunden und von dem Herrn Diederichs auf Alt=Sammit dem Vereine geschenkt:

ein blauschwarzer Krug (Tragetopf = sêlpott), mit einem kurzen, 1 1/4" engen Halse (wie eine Flasche) und zwei kleinen, eben so weiten Henkeln, gefunden in einem Moderloche, mit einem Stücke von einem heidnischen, wahrscheinlich wendischen Gefäße;

ein Henkelstück von einem großen, blauschwarzen Henkelkruge, gefunden hinter der neuen Scheure;

eine halbe Scheibe (Netzsenker), von blauschwarzem Thon, 5" im Durchmesser.

Außerdem wurden noch ein kleines eisernes Messer, ein Sporn und andere Geräthe aus dem Mittelalter auf dem Hofe gefunden.

G. C. F. Lisch.     

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Thonkrüge von Müggenburg.

Der Herr Lehrer Struck zu Dargun schenkte dem Verein 3 thönerne Krüge, welche vor einigen Jahren zu Müggenburg bei Anklam gefunden sind:

1 weißlichen Henkelkrug, 11" hoch, am Rande zerbrochen, in welchem silberne Bracteaten mit gestrahltem Rande lagen, welche aus der Zeit um das Jahr 1400 stammen (vgl. den Münzbericht im Quartalberichte XXV, 4, S. 6);

1 schwarzen Trinkkrug, 8" hoch, am Rande zerbrochen, ohne Henkel, ungefähr aus derselben Zeit stammend;

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1 hellbraun glasurten Henkelkrug, gegen 8" hoch, ganz neu und vollständig erhalten, vielleicht etwas jünger, als die beiden andern. Vgl. den Krug von Dargun mit den Silberbracteaten im Quartalberichte XXV, 4, S. 5.

G. C. F. Lisch.     

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Sporn von Alt=Kalen.

Ein Sporn von Eisen, mit einem Stachel, (nach ältester Weise, statt eines Rades), gefunden auf dem Burgwalle zu Alt=Kalen, geschenkt von dem Herr Amtmann v. Pressentin zu Dargun. Dieser Sporn stammt wahrscheinlich aus dem 13. Jahrb., aus der Zeit 1250-1307 (vgl. Jahrb. XII, S. 458-460), da die christliche Burg nicht länger stand.

G. C. F. Lisch.     

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Ofenkacheln von Wismar.

3 grün glasurte Ofenkacheln, sehr gut gearbeitet und fast erhalten, gefunden zu Wismar vor mehreren Jahren in der Großschmiedestraße beim Ausgraben eines Kellers, geschenkt von dem Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar. Zwei große, lange Kacheln gehören zusammen: die eine stellt Christi Tod dar, mit dem Kriegsknecht und dem Hauptmann zu Pferde, mit einem Spruchbande: WARLICH DIS │ IST GOTTS; die andere stellt den gestorbenen Christus am Kreuze mit Maria und Johannes dar, mit der Unterschrift: HANS BERMANN 1562. Die dritte ist viereckig und eine Eckkachel und enthält vorne das Brustbild des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg, mit der Unterschrift ANNO 1561, und an der Seite ein Renaissance=Ornament.

G. C. F. Lisch.     


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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Der Burgwall von Teterow
und
die Stiftung des Klosters Dargun,

von

G. C. F. Lisch.

Für die Geschichte der Kreuzzüge der Sachsen und Dänen in die Wendenländer und für die Erkenntniß der in den ältesten Zeiten wurzelnden Eintheilung der meklenburgischen Länder ist die Entdeckung der alten wendischen Hauptburgen oder Gauburgen von der größten Wichtigkeit. Besonders aber erwecken die Burgen im östlichen Theile des Landes eine lebhafte Theilnahme, um so mehr, da bisher nur wenige bekannt geworden sind. Unter diesen machen vorzüglich die Burgen des Landes Circipanien (also ungefähr in der Längenausdehnung von Demmin bis Güstrow) Anspruch auf Berücksichtigung. Nachdem die alten Burgen Dargun bei Dargun ( Jahrb. VI, S. 70, XII, S. 453, und XXIV, S. 302) und Bisdede bei Güstrow im gutower See am Dorfe Bölkow (Jahrb. XII, S. 24) entdeckt waren, fehlte, nach der bisher erkannten ungefähren Größe der alten wendischen "Länder", offenbar noch ein Burgwall ungefähr in der Mitte zwischen diesen beiden Burgen,

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im Lande Tribeden (Jahrb. XII, S. 25 flgd.). Dieser Burgwall ist der Burgwall von Teterow.

Der Burgwall von Teterow war bisher wohl dem Namen und der Sage nach bekannt, aber nicht in seinem Wesen erkannt, weil es an wissenschaftlichen Untersuchungen fehlte. Ich unternahm 1 ) daher am 9. Junii 1860 eine gründliche Untersuchung an Ort und Stelle und kam zu der Ueberzeugung, daß der Burgwall im teterower See eine alte, sehr große, mächtige wendische Hauptburg ist.

In dem See bei Teterow, welcher jetzt der Teterower See heißt, in früherer christlicher Zeit auch wohl der See Teschow 2 ) genannt ward, liegen drei Inseln: eine große Insel, welche "Borgwallinsel", und zwei kleinere und niedrigere Inseln, welche der "kleine Bröken" und der "Sauerwerder" heißen. Durch die in den letzten Jahren vorgenommene Senkung des Sees ist der "kleine Bröken", die kleinste der Inseln, mit der "Burgwallinsel" in Verbindung gesetzt und der Sauerwerder Halbinsel geworden.

An dem südlichen Ufer des Sees liegt das Lehngut Teschow, an dem östlichen Ufer das Lehngut Bukow, welches in der christlichen Zeit bis ins 17. Jahrh. (1633-1644) ein Lehn der Familie von Hagen (mit drei schwarzen Queerbalken im silbernen Schilde) war. Am westlichen Ende des Sees liegt die Stadt Teterow und am nördlichen Ufer erstreckt sich ein Theil der Stadtfeldmark von Teterow. Hier liegt vor dem rostocker Thore der Stadt, rechts von der Chaussee nach Rostock, am See die sogenannte "Dorfstelle", wo vor der Gründung der Stadt im 13. Jahrhundert ein Dorf gelegen haben wird. Dies ist ohne Zweifel das alte Dorf "Budorp" (= Baudorf), mit 43 Hufen Acker, welches neben der Stadt Teterow lag ("villa ipsis civibus in Thiterow adiacens") und welches der Fürst Nicolaus von Werle am 17. Dec. 1272 den Bürgern der Stadt Teterow schenkte (vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. XXV); dies wird das Baudorf oder das Ackerwerk sein, welches zu dem Burgwalle gehörte und daher noch im J. 1272 im fürstlichen Besitze war.

Die große "Borgwallinsel", welche der Stadt Teterow gehört, ist lang und schmal und liegt in ihrer Längen=


1) Ich fühle mich verpflichtet, der Stadt Teterow, besonders dem Herrn Burgemeister Wilbrandt und dem Herrn Senator Danneel den aufrichtigsten Dank für die thätige und lebhafte Beförderung der Untersuchung abzustatten.
2) "Stagnum Tessekow", 1297, vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 96.
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ausdehnung von Osten gegen Westen 1 ) ungefähr in grader Linie zwischen dem Gute Bukow und der Stadt Teterow. Die Insel ist ungefähr 5000 □Ruthen groß und wird seit etwa 40 Jahren als Weide benutzt; in alten Zeiten bis vor 70 Jahren war die ganze Insel bewaldet, darauf eine Zeit lang an den Stadtfischer verpachtet, der sie als Ackerland benutzte.

Die Insel ist gegen Westen nach Teterow hin niedrig und breit und wird gegen Osten hin höher und schmaler. Auf der östlichsten, höchsten Spitze, dem Gute Bukow gegenüber, steht ein hoher, viereckiger Burgwall, jetzt "Schloßberg" genannt, welcher an drei Seiten schroff in den See hinabfällt, an der vierten Seite aber mit dem festen Lande zusammenhängt.

Der Burgwall (Wohnsitz und Festung des Burgherrn) bildet ein regelmäßiges längliches Viereck, dessen innerer, ebener Burgraum von W. gegen O 100 Schritte lang und von N. gegen S. 40 Schritte breit ist. Die Ebene des innern Burgraumes ist 19 Fuß hamburg. Maaß 2 ) über dem jetzigen Spiegel des Sees erhaben. Auf dem Rande umher steht ein mächtiger, breiter Ringwall oder Schutzwall, welcher sich 8 Fuß hoch über den innern Burgraum erhebt. Die Burg erhebt sich also, auch nach Nachmessungen, 27 Fuß über den Spiegel des Sees und fällt ziemlich schroff nach dem schmalen Seeufer ab. Gegen Westen ist in dem Schutzwalle in der Mitte ein Einschnitt für den Eingang; auch neben der Südostecke ist ein Einschnitt bemerkbar, welcher vielleicht als Wasserpforte nach dem See hinunter diente, um so mehr, da sich an dieser Stelle am Seeufer auch heidnische Gefäßscherben fanden. Der ganze Burgwall mit dem Ringwall ist seit der Zerstörung der Burg vollkommen und ungewöhnlich gut erhalten.

Vor dem hohen Burgwalle im Westen liegt die Vorburg (Wohnplatz für das Volk), welche viel niedriger und 170 Schritte lang und 125 Schritte breit ist. Auf dem nördlichen Rande steht auch ein Schutzwall, welcher sich 7 Fuß über den Innern Raum erhebt, nach dem schmalen Seeufer hin; der Schutzwall auf dem südlichen Rande ist noch niedriger, weil hier Wiesengrund an den Wall stößt. Gegen Westen ist aber ein Queerwall oder Vorwall mit einem Graben er=


1) Die Himmelsgegenden sind nicht genau Ost und West, sondern richtiger fast Nordost und Südwest. Es sind jedoch in dieser Abhandlung die einfachen Haupthimmelsgegenden gewählt worden, um die Beschreibung klarer zu halten.
2) Die Höhenmaaße verdanke ich den kunstmäßigen Messungen des Herrn Senators Danneel.
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bauet, welcher 10 Fuß hoch ist und von Seeufer zu Seeufer die Insel queer durchschneidet. Auch in der Mitte dieses Vorwalles ist ein Einschnitt erkennbar.

Westlich vor der Vorburg liegt der größere Raum der Insel, welcher immer niedriger wird und sich nach und nach auf weite Strecken in Wiese und Wasser verliert.

Von dem festen Lande der Insel zieht sich durch die Wiesen der Insel, welche früher unter Wasser gestanden haben, ferner durch flaches Wasser und Rohr bis zu dem festen Lande bei der Stadt Teterow nach der Galgenbergsweide am südlichen Ufer ein eichenes Pfahlwerk, welches in alter Zeit ohne Zweifel eine leichte Faschinenbrücke getragen hat. Dieses Pfahlwerk ist ungefähr 1/6 Meile lang und geht von der Galgenbergsweide von einem Vorsprunge, welcher noch heute "Brügghôp" heißt, durch das Rohr, das flache Wasser und das Wiesenland bis zum nächsten festen Puncte der Insel grade auf die Mitte des Vorwalles und des Burgwalles. Dieses Pfahlwerk läßt sich noch in dem Rohr des Sees nach der Galgenbergsweide und in dem jetzigen Wiesengrunde der Insel, auch im Wasser genau verfolgen, da noch eine sehr große Menge von Pfählen stehen, welche aber auf der Wiese jetzt nach der Senkung des Sees wohl bald verschwinden werden. Das Pfahlwerk besteht aus zwei parallelen Reihen von Pfählen, ungefähr 5 Fuß weit aus einander, zwischen denen wohl ein Faschinendamm mit Erde aufgeführt war, so daß die Pfähle nur eine Seitenwehr des Dammes oder der Brücke bildeten. Die Pfähle, von Eichenholz, im Wasser noch jetzt sehr fest und schwer, sind nicht dick, etwa nur 3 bis 5 Zoll im Durchmesser, stehen aber, mit Unterbrechungen, sehr dicht, so daß oft mehrere unmittelbar neben einander stehen.

Auf der Insel zweigt sich von diesem Brückenpfahlwerk ein zweites, ganz gleiches Pfahlwerk ab, welches nach dem entgegengesetzten, nördlichen Ufer, gegen die Dorfstelle an der rostocker Chaussee bei Teterow sich hinzieht.

Dieser ganze, höchst merkwürdige Bau ist wohl eine der vollständigsten wendischen Burgen, welche noch vorhanden sind.

Um nun die Zeit dieser Burg festzustellen, wurden sowohl auf dem Burgwalle, als auf der Vorburg viele Nachgrabungen angestellt, deren Ergebniß den Beweis lieferte, daß dieser Burgwall eine wendische Hauptburg gewesen ist. Auf dem Hauptburgwalle fanden sich überall, neben Stücken von den Lehmwänden der Gebäude, wendische Gefäßscherben und Thierknochen aller Art in großer Menge; auch in der

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Vorburg wurden Gefäßscherben gefunden. Die Scherben sind nach heidnischer Weise mit Granitgrus und Grand durchknetet und häufig mit wellenförmigen Linien verziert, also ganz dieselben Scherben, welche sich auf allen andern geschichtlich bestätigten Wendischen Burgen in so großer Menge finden. Jedoch scheinen einige Scherben viel regelmäßiger gefertigt zu sein, als die Scherben vieler anderer Burgwälle, so daß man schon das erste Eindringen deutscher Bildung bemerken kann. Mehrere Scherben sind vom Häuserbrande röthlich gefärbt. Außerdem fanden sich an Alterthümern ein eisernes Messer und ein thönerner Spindelstein. Früher sollen sich hier auch einzelne, sehr alte Münzen gefunden haben. Viele Scherben sind nur mit graden Parallelstrichen verziert und scheinen einem etwas jüngern Geschmack anzugehören. Jedoch ward keine einzige Spur christlicher Cultur entdeckt, weder Scherben von festen, grauen Töpfen, noch Ziegel und Kalk. Der Burgwall steht also noch heute unangerührt so, wie er bei der Zerstörung in heidnischer Zeit verlassen ist; der Rath der Stadt Teterow hat jetzt in anerkennenswerther Weise den Burgwall aus der wirtschaftlichen Bearbeitung genommen, zur Erhaltung wüst liegen lassen und eingefriedigt. Am Eingange der Hauptburg wurden rechts und links große Feldsteine in graden Reihen gefunden, welche ohne Kalk und Thon in die Erde gelegt waren und ohne Zweifel Fundamente von Gebäuden bildeten; es wäre sehr wünschenswerth, diese bloß zu legen, um die Gestalt und Größe der wendischen Wohnungen kennen zu lernen.

Die größern Massen des Burgwalles und die Ringwälle sind nach der Erdmischung ohne Zweifel künstlich aufgetragen.

An Pflanzen wurden bemerkt: ungewöhnlich viele wilde Rosen, Verbascum Thapsus sehr häufig und üppig, Primula officinalis häufig und kräftig, Astragulus cicer, Allium scorodoprasum u. s. w.

Dies ist der alte wendische Burgwall von Teterow, oder von welchem wendischen Orte er sonst den Namen geführt haben mag. Ein anderer Burgwall auf dem festen Lande in oder bei der Stadt Teterow ist nicht vorhanden, da die Landesfürsten in der Stadt Teterow nie einen herrschaftlichen Besitz gehabt haben, außer dem zum Burgwalle gehörenden Dorfe Baudorf, welches neben der neuen Stadt lag und schon im J. 1272 an diese von den Fürsten überging, die Stadt auch, so viel sich erkennen läßt, nie der Sitz einer fürstlichen Vogtei gewesen ist. An den See stieß früher östlich

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das kleine Land Hart (d. i. Hochwald: vgl. Jahrb. IX, S. 399), welches sich zwischen Teterow, Neu=Kalen und Malchin ausdehnte und auch nie einen besondern Vogt gehabt zu haben scheint. Daher ist auch die politische Geschichte der Stadt Teterow sehr arm, ungeachtet der großen und schönen Stadtfeldmark.

So merkwürdig nun der noch so sehr gut erhaltene Bau dieser Burg ist, eben so merkwürdig ist die Geschichte des Unterganges derselben, wenn es gelingen sollte, dieselbe aus den Quellen aufzuhellen. Die dänischen Quellen geben merkwürdige und sehr ausführliche Berichte über die Belagerung und Zerstörung einer wendischen Burg, welche nach meiner Ansicht keine andere sein kann, als dieser Burgwall im teterower See.

Die Knytlinga=Sage erzählt 1 ) Cap. 124, zum J. 1171:

"Da zog der König (Waldemar) mit seiner Flotte nach Straela (Stralsund) und ritt da hinauf nach Tribuzis (Tribsees) und Atripiden (Tribeden) und verbrannte das Land weit und breit. Sie nahmen die Städte ein und tödteten das Volk, machten da Beute und zogen darauf heim."

Der König Waldemar zog also von Stralsund nach Tribsees und weiter nach Tribeden, welches er verheerte. Atripiden ist nämlich ohne Zweifel das Land Tribeden 2 ) oder Tribedne, welches nach Urkunden sicher östlich von Güstrow, zwischen Güstrow und Dargun im Lande der Circipaner, lag und zu welchem die Gegend von Teterow ohne Zweifel gehörte.

Auch Helmold II, 13, berichtet, daß Waldemar 1171 einen kleinen Theil von Circipanien verheert habe:

"Tandem, veluti somno excitus, congregavit exercitum et percussit partem modicam Cyrcipaniae regionis."

Sehr ausführlich beschreibt nun Saxo Grammaticus diese Zug 3 ) welchen der Bischof Absalon von Roeskilde mit=


1) Da hier nur die antiquarische Erforschung und Beschreibung der Burg zur Frage steht, so kann hier nicht wieder die kritische Beleuchtung der übrigens sichern Quellen vorgenommen werden, welche der Erforschung der Kriegsgeschichte angehört.
2) Vgl. Jahrb. XII, S. 25 flgd. - An Treptow a. d. Tollense, was früher wohl gemeint ist (Balt. Studien I, S. 72), ist nicht zu denken.
3) Giesebrecht Wendische Geschichten II, S. 202, und Fabricius Urkunden des Fürstenthums Rügen I, S. 44, gehen auf eine Nachforschung dieses Zuges Waldemars nicht ein.
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machte und sicher dem Saxo so ausführlich erzählte, weil er selbst in wiederholte Gefahr dabei kam. Dieser Zug beschränkte sich nun wesentlich auf die Eroberung einer wendischen Burg im Lande Tribeden, welche nach allen Einzelnheiten keine andere sein kann, als die Burg im teterower See.

Saxo Grammaticus 1 ) giebt folgende genaue Nachrichten, welche ich gleich mit den Ueberresten der teterower Burg und der Landesgeschichte vergleichen werde.

Der König Waldemar von Dänemark beschloß im Sommer 1171, nach der Unterwerfung und Bekehrung Rügens, einen Zug in das Circipanerland, in welchem noch viel Heidenthum herrschte. Hauptsächlich war es wohl Eroberungssucht, welche ihn dazu trieb; er hatte aber sicher noch einen andern, tiefen Grund. Es ist nämlich sehr merkwürdig, daß sich noch lange Zeit nach den verheerenden Kreuzzügen Heinrichs des Löwen im Circipanerlande noch unzerstörte wendische Burgen im Besitze wendischer Häuptlinge finden. Waldemar landete bei Stralsund und zog queer durch das Festland Rügen auf Tribsees. Von hier durchzog er die weiten Circipanermoore an der Trebel, welche damals noch so tief waren, daß es eine bewundernswürdige Arbeit und Ausdauer kostete, dieselben zu überschreiten. Nach der Ueberwindung dieses Hindernisses zog er durch "unermeßliche Wälder", von denen der "Hartwald" zwischen Malchin, Neu=Kalen und Teterow noch ein sehr stattlicher Ueberrest ist, und kam zu einer "Stadt" ("vicus" 2 ) und "oppidum") welche in einem schiffbaren See lag. Die Stadt lag auf einer Insel (insula) und war nur durch einen Wall von dem nicht bebaueten Theil der Insel getrennt; dies ist der heute noch gehende Queerwall, welcher vor der Vorburg queer durch die Insel von Seeufer zu Seeufer geht. Von diesem Walle ging eine mit Faschinen belegte Brücke durch den See zum festen Lande. Der Herr der Burg (urbs) wird Otimar genannt, ein Fürst (princeps) oder Häuptling. Als Waldemar die Einnehmung der Burg und Stadt beginnen wollte, ließ Otimar die Brücke bis auf den Seespiegel abtragen; dies zeugt für den leichten Bau des Faschinendammes, weil sonst diese Arbeit in etwa einem


1) Saxo Grammaticus nach der Ausgabe von Velschow, P. I, Vol. II, Kopenhagen, 1839, p. 883-886; vgl. p. 856.
2) Das Wort vicus laßt sich nicht gut anders als Stadt übersetzen; es sind damit die großem Ortschaften (Vorburgen) vor den wendischen Burgen gemeint, welche noch heute zum Theil Wîk heißen. Weiterhin wird der Ort auch gradezu "Stadt" ("oppidum") genannt.
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halben Tage nicht möglich gewesen wäre. Es blieben in dem See nur die Stumpfe der Seitenpfähle unter der Wasserfläche stehen. Dies ist die Brücke, welche von dem Vorwalle nach der Galgenbergsweide geht und von welcher viele Seitenpfähle noch heute stehen. Diese stehen gebliebenen Seitenpfähle und die Zäune des benachbarten Dorfes (villa) benutzten die Dänen, um damit den Bau einer "andern Brücke" ("alterius pontis") zu beginnen. Man kann annehmen, daß Waldemar die alten Seitenpfähle, welche stehen geblieben waren, benutzt habe, um zwischen dieselben an derselben Stelle eine zweite, neue Brücke zu legen, wie auch Giesebrecht Wend. Gesch. II, S. 203, annimmt; man könnte aber auch den Ausdruck nach der heutigen Sprechweise wörtlich deuten und annehmen, daß Waldemar eine "andere", d. h. zweite, ganz neue Brücke in anderer Richtung bauete, welche von dem nahen Dorfe, der noch jetzt so genannten Dorfstätte, nach der Insel ging, da auch hier Brückenpfähle stehen. Jedoch scheint die erstere Erklärung nach allen Worten des etwas gezierten Ausdrucks den Vorzug zu verdienen. Der Bischof Absalon war während des Brückenbaues auf Raub ausgezogen. Die Wenden errichteten vor der Stadt einen Thurm, um auf die Dänen schleudern zu können, und die Dänen schossen mit Pfeilen auf die Wenden. Der neue Brückenbau ward mit den größten Schwierigkeiten ausgeführt; bei der Schmalheit der Brücke mußten die Krieger die Pfähle und Faschinen über ihre Köpfe vorwärts heben und auf gleiche Weise wurden die Verwundeten zurückgeschafft. Der Kampf war hartnäckig und hart; Otimar legte sich auf schlaue Unterhandlungen und der König ward gegen Abend des mühevollen Tages unschlüssig. Da kam Absalon mit reicher Beute zurück, übersah die mißliche Lage und griff zu allen Mitteln, um die Burg zu gewinnen. Endlich erreichte die Brücke das feste Land und der Thurm ward bestürmt. Da springt ein dänischer Ritter Herberd, ein kühner Schwimmer, ins Wasser, um mit unter den ersten zu sein, die den Sieg gewinnen; die Massen der Dänen fangen an zu drängen; da stürzt die Brücke ein und die Menge der Dänen, unter ihnen auch Absalon, ins Wasser. Aber Absolon, obgleich in Waffen, bleibt als guter Schwimmer nicht nur am Leben, sondern rettet auch viele andere. So gewinnen die Dänen allmählig mit Noth und Gefahr die Burg, die Stadt wird genommen und die Männer werden getödtet und die Weiber gefangen fortgeführt. Dem Otiar aber ließ Waldemar Freiheit und Leben; er wollte den gewonnenen Sieg nicht mit der Treulosigkeit gegen

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Einen Mann beflecken. Darauf zog Waldemar auf demselben Wege nach Dänemark zurück.

Bei dieser genauen Uebereinstimmung dieser Eroberung mit den noch vorhandenen Ueberresten scheint es mir außer allem Zweifel zu sein, daß die hier genannte Burg Otimars die Burg im teterower See 1 ) ist.

Es wird von Wichtigkeit sein, hier die Stelle aus Saxo Grammaticus in einer möglichst getreuen deutschen Uebersetzung, welche freilich sehr schwierig ist, folgen zu lassen.

Saxo Grammaticus XIV, p. 883 f.

"Der König (Waldemar von Dänemark) fuhr (im Sommer 1171) nach Rügen und beschloß, das Circipanerland (provinciam Sircipinensem) anzugreifen. Auf seinem Zuge dahin legte ihm aber ein weites und sumpfiges Moor (palus) eine außerordentliche Schwierigkeit in den Weg. Die Oberfläche desselben, die mit einer dünnen Rasendecke überzogen war, zeigte freilich einen dichten Graswuchs, war aber so wenig haltbar, daß man gewöhnlich einsank, wenn man darauf trat. Denn da Schlamm die Unterlage bildete, so sank man in sumpfige Abgründe und schmutziges Moorwasser. Und doch gab es keinen andern Weg weiter vorzudringen. Um diese Schwierigkeit zu überwinden und keine Erschlaffung einreißen zu lassen, legten die Reiter ihre Waffenrüstung ab und packten dieselbe auf ihre Rosse und begannen diese hinter sich her zu ziehen. Wenn nun die Pferde in den Sumpf einsanken, so brachten sie dieselben wieder in die Höhe; wenn sie selbst aber beim Führen derselben einbrachen, so erfaßten sie die Mähnen und hielten sich daran oben. Auch die Bäche, welche in großer Zahl das Moor durchkreuzten, überschritten sie auf Flechtwerk aus


1) Dies vermuthet schon gleichzeitig der Herr Oberlehrer Dr. Wigger, dem ich viele Nachweisungen verdanke, in seinen Meklenburgischen Annalen, S. 126-127 und 148.
Die Lage von Rethra hat zwar viel Aehnliches mit Teterow indem es auch in einem See lag und auch eine hölzerne Brücke zu dem Heiligthume führte; (vgl. Wigger Meklenburg. Annalen, I, S. 57 und 88). Rethra kann aber nicht bei Teterow gelegen haben, wo man es auch wohl gesucht hat, da Rethra im Lande der Redarier, also im jetzigen Großherzogthume Strelitz lag. - Eben so wenig kann Otimars Burg im Festlande Rügen zwischen Stralsund und Tribsees gelegen haben (vgl. Balt. Studien X, 2, S. 162, und Barthold Pomm. Gesch. II, S. 224), da Waldemar bei Tribsees über das Moor ging und von Osten her kam.
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Buschholz (Faschinen). Manche zeigten sich außerordentlich brav dabei. Denn einige von den Reitern gingen mit ihren Waffen bepackt zu Fuße, indem sie ihre Pferde leiteten, und verschmähten es, im Vertrauen auf ihre Gewandtheit, die Last abzulegen. Dieses Benehmen war aber um so ruhmvoller, je ungewöhnlicher es war. Uebrigens traten auch bisweilen die Pferde, wenn sie allzu heftig ihren in das Moor eingesunkenen Leib herausarbeiteten, ihre Führer mit den Hufen in den Sumpf. Der König selbst gelangte mit Noth über das unsichere Moor, indem er, bis auf das Untergewand entkleidet, sich auf die Schultern zweier Krieger stützte. Selten wohl hat es sich die dänische Kraft mehr Schweiß kosten lassen. Voll Staunen darüber, daß man über das Moor hatte kommen können, waren die Feinde gewaltig betroffen und hielten es nicht für gerathen, denen Widerstand zu leisten, von welchen se sogar die Natur überwältigt sahen. Das Heer aber zog nach der Ueberwindung einer so großen Schwierigkeit nicht anders, als ob es einen Feind geschlagen hätte, weiter.

Nachdem das Heer nun unermeßliche Waldungen durchzogen hatte (ingentes deinde sylvas emensus), erblickte es eine Stadt (vicum), umgeben von einem schiffbaren Landsee (vicum apta navigiis palude circumdatum). Dieser Ort war fester durch das Wasser, als durch die Kunst, und hatte einen Wall (vallum) nur an der Seite, welche die Brücke (pons) berührte, die sich von hier nach dem festen Lande hinüberzog. Um den Angriff abzuhalten, ließ der Herr (princeps) der Burg (urbis), Otimar, bei dem Anrücken des Heeres die Brücke sofort bis auf den Spiegel des Sees abtragen (undis illico exaequare curavit), so daß nur die Stumpfe der Pfähle blieben, soweit sie unter dem Wasser standen (solis stipitum reliquiis inter aquam manentibus). Durch diese gewannen die Unsrigen aber das Grundwerk zu einer andern Brücke (quas nostri ceu quaedam alterius pontis iaciendi fundamenta sortiti), und indem sie die Zäune des benachbarten Dorfes dazu nahmen (propinquae villae sepibus applicatis), bahnten sie sich allmälig einen Weg durch den See (paulatim intermeandae paludis compendium moliuntur). Nachdem nun der König die Bestürmung des Ortes (loci), da er nicht durch Mauern geschützt war (hortante moenium inopia), in Angriff genommen hatte, ließ er mit der größten Mühe herbeischaffen, was er nur irgend zu dem Brückenbau Dienliches (exaedificandi pontis instrumento

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opportuna) bemerkte, während Absalon mit dem größeren Theile der Reiterei auf Beute ausgeschickt war.

Als die Bewohner der Stadt (oppidani) voll Besorgniß den Fortschritt des Brückenbaues sahen, trugen sie von allen Seiten her Pfähle zusammen und errichteten einen hölzernen Thurm, um von diesem, wie von einer Burg geschützt, den Feind abzuwehren, und im Schutze dieses Bollwerks begannen sie die Unsrigen, die eifriger auf die Förderung ihres Werkes, als auf den Schutz ihrer Leiber bedacht waren, durch eiligst aufgestellte Schleuderer anzugreifen. Die Dänen dagegen fingen an, den Kampf mit Pfeilen zu eröffnen und aus der Ferne zu entscheiden, weil sie noch nicht näher hinan kommen konnten.

Otimar aber, durch den Fortschritt des neuen Brückenbaues erschreckt, kam wiederholt auf einem Fahrzuge (rate) über den See zum Könige und ließ bald sparsamer, bald dringender seine Bitten um Frieden vernehmen, je nachdem er bemerkte, daß die Arbeit der Unsrigen matt oder lebhaft betrieben ward, und gab immer nach dem Stande der Belagerung den Vorschlägen zu seiner Ergebung eine verschiedene Fassung. Da ging es nun langsamer mit der Ausführung des Werkes; denn die Krieger wußten ja, daß sie, wenn doch der Kampf aufgegeben werden sollte, auch die Brücke nicht zu bauen brauchten. Auf diese hatte sich aber schon eine so große Masse von Bewaffneten zusammengedrängt, daß nicht einmal Raum blieb, um weiter zu fördern, was zum Bau nothwendig war: so sehr beschränkte die siegesbegierige Menge selbst den engen Raum zum Arbeiten. Die herbeigebrachten Massen von Zaunholz konnten daher nicht anders nach vorne hingeschafft werden, als indem die Krieger sie über ihre Köpfe weg von Hand zu Hand weiter gaben. Uebrigens war dies, wozu sie die Noth zwang, doch auch wieder nützlich, nicht nur deshalb, weil das Zaunholz dazu diente, das Wasser zu bedecken, sondern auch, weil es in die Höhe gehoben, die Leiber schützte. Auf gleiche Weise wurden auch die Verwundeten zurückgebracht.

Dann aber ward der Verband der Brücke weiter und dünner gelegt, weil die Krieger mehr auf die Verlängerung, als auf die Festigkeit derselben bedacht waren.

Und fast hatte die Brücke schon die Insel (insula) erreicht, als die Feinde, theils auf ihre Kunst, theils auf ihre Kraft vertrauend, mit einer ganz neuen Kampfesart den Kampf noch steigerten. Sie streckten nämlich Sicheln, die an Lanzenschäften befestigt waren, von dem Thurme her

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nach den Schilden der Unteren aus und entrissen diese, indem sie scharf anzogen, den Kämpfern. Manchmal, wenn diese Stand zu halten suchten, rissen sie dieselben mit einem heftigen Ruck von der Brücke und zwangen sie, ins Wasser zu springen. Fast wäre daher die dänische Mannschaft, ihrer Schilde beraubt, hier erlegen, wenn nicht schleunig gegen dieses Uebel Vorkehrungen getroffen wären. Einer der Unsrigen bemächtigte sich nämlich vermittelst eines hölzernen Hakens einer Sichel, die nach ihm ausgeworfen ward, und indem er nun mit dieser die andern erfaßte, nahm er dem Feinde seine Waffe.

Der Tag neigte sich schon, als der König, voll Besorgniß für die nächste Nacht und unschlüssig, was er thun sollte, befürchtete, die Eroberung der Stadt (oppidi) würde sich hinziehen und die Brücke in Brand gesteckt werden. Da er sich in solcher Bedrängniß sah, ward er, um nicht wie ein Besiegter mit dem großen Schimpfe der Feigheit die Belagerung aufzugeben, allmählich geneigter, Otimar's Bitten Gehör zu schenken.

Diese kleinmüthige Unschlüssigkeit hob aber Absalon, der eben mit ungeheurer Beute darüber zukam, auf eine wunderbare Weise durch seinen erfinderischen Scharfsinn. Er verwünscht den König, wenn er ohne sein Mitwissen Otimar's Wünschen Gehör geben wolle, zieht einen Dolmetsch bei Seite und fordert von ihm, alles was der Wende (barbarus) in friedlichem Sinne verhandeln werde, in entgegengesetztem Sinne wiederzugeben; dann aber schreitet er in Waffen auf die Brücke hinab, ermuntert die Krieger, welche glauben, er komme, um dem Kampfe Einhalt zu thun, immer hitziger vorzurücken, und verheißt, wenn sie siegen, die Beute ihren Händen zu überlassen. Dieses Versprechen war den Kriegern willkommen. Nachdem sie den Bau der Brücke vollendet haben, erkämpfen sie nicht nur den Zugang zu dem festen Boden der Insel (telluris aditum), sondern auch die Spitze des Thurmes, indem sie denselben mit Leitern und Treppen angreifen, zurückschlagen, wer ihnen in den Weg kommt, und tödten, wer ihnen Widerstand leistet.

Da sucht sich Herberth, ein dänischer Ritter (eques), um nicht durch die Enge der Brücke (pontis angustiis) und den dichtgedrängten Haufen seiner Gefährten aufgehalten zu werden und zu spät zu kommen, auf eine ganz neue Angriffsart einen freien Weg zu den Feinden hinüber: mit seinen Waffen belastet stürzte er sich ins Wasser und gelangte vermöge seiner unglaublichen Fertigkeit im Schwimmen voraus

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dahin, wohin er zu Fuß nicht kommen konnte. Während nun auch die Andern dadurch zum Wetteifer angespornt wurden, sank plötzlich unter dem massenhaften Gedränge der Krieger die dünne Brücke unter. Ihr Einsturz warf unter Andern auch den Absalon ins Wasser. Da dieser aber im Schwimmen geschickt war, so tauchte er, wiewohl mit Waffen bedeckt, nicht nur selbst wohlbehalten aus den Wellen empor, sondern rettete auch Andere, die dieser Kunst unkundig waren, aus der drohenden Gefahr.

Unterdessen wagten die Wenden (Sclavi), da ihre Fahrzeuge zur Flucht nicht ausreichten, sich auf Tonnen (doliis) zu retten, wurden aber, weil diese wegen ihres runden Baues sich umwälzten, von den Verfolgern ergriffen. Durch eine so ungewöhnliche Art von Schifffahrt wurden sie für die Ihrigen ein Gegenstand des Mitleids, für die Unsrigen großen Gelächters. So hatten sie zu ihrem Unglück auch noch den Spott.

Nachdem die Stadt (vicus) genommen war, wurden die Männer getödtet, die Weiber gefangen fortgeführt. Einige suchten den König zu bereden, er solle auch den Otimar gefangen nehmen; doch um nicht den Ruhm des eben gewonnenen Sieges durch die treulose Gefangennehmung eines Mannes zu beflecken, entließ er ihn unversehrt und wollte lieber seines Feindes schonen, als seinem eigenen Rufe schaden.

Darauf zog der König mit seinem ganzen Heere auf demselben Wege, auf welchem er gekommen war, zuerst zur Flotte, dann in sein Vaterland zurück."

Nach dieser Entdeckung kann ich denn auch nicht mehr glauben, daß diese Burg Otimare die Burg Bisdede im gutower See bei Güstrow ist, wie ich in Jahrb. XII, S. 27 angenommen habe, um so mehr, da sich bei diesem Burgwall nicht die geschilderten Eigenthümlichkeiten finden. Dagegen möchte die teterower Burg die Burg Bridder sein, welche 1171 am Lande Tribeden lag ("castrum Bridder cum terra attinenti Tribedne", Jahrb. XII, S. 25).

Die Zerstörung der Burg bei Teterow ist nun zwar an und für sich sehr anziehend; es könnte aber auch möglich sein, daß sie für Meklenburg von ganz besonders wichtigen Folgen geworden sei.

Es ist sehr auffallend, daß sich der Wendenhäuptling Otimar noch bis 1171 im Besitze einer starken Burg befand und daß Waldemar ihm nach seiner Ueberwindung Leben und Freiheit schenkte. Es läßt sich dies zwar aus dem ritterlichen

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Sinne eines Königs einem hochgestellten Manne gegenüber erklären, der sich mit ihm wiederholt auf Unterhandlungen eingelassen hatte. Aber so leichten Kaufes wird Otimar nicht davon gekommen sein und Waldemar und Absalon werden ihren mühevollen Zug nicht allein um die Zerstörung einer Wendischen Burg unternommen haben; es scheint mir außer Zweifel zu sein, daß sich Otimar zu einem Preise erbot, der eines Feldzuges würdig war. Wer aber war Otimar? Ich kann nicht glauben, daß der Name von Saxo ganz richtig wieder gegeben ist, denn Otimar ist keine wendische Namensform. Ich glaube, Otimar hieß eigentlich Chotimar . Chotimar aber war ein Bruder des wendischen Edlen ("baro") Miregrav 1 ), welcher mit seinen Brüdern Monic und Cotimar den Ort Dargun und den Hauptsitz zur Gründung des Klosters Dargun hergab. Wenn auch der Bischof Berno von Schwerin schon früh eine Kapelle zu Dargun gründete, so ging diese doch wohl bald wieder unter, und das Kloster Dargun ward erst im J. 1172, also unmittelbar nach der Besiegung des Chotimar und der Eroberung seiner Burg bei Teterow, gestiftet 2 ) und im J. 1173 bestätigt. Es ist also höchst wahrscheinlich, ja selbstverständlich, daß Chotimar oder Otimar nach der Erstürmung seiner Burg und der Tödtung seiner Krieger mit seinen Brüdern das Christenthum annehmen und noch in Waldemar's Gegenwart zu Dargun des Gelübde der Stiftung eines Klosters ablegen mußte. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß Waldemar gleich Dänen zur Colonisirung in Dargun zurückließ, indem seit dem J. 1174 dem Kloster Dargun (wie dem Kloster Eldena bei Greifswald) die Freiheit versichert war, auch Dänen 3 ) bei sich ansiedeln zu lassen; der Vertrag mit Waldemar wird sehr freundschaftlich geworden sein, da auch die Vergünstigung ertheilt ward, auch die sonst überall zurückgedrängten Wenden zur Ansiedelung zuzulassen. Im J. 1238 galt im Gebiete des Klosters Dargun die dänische Strafe für Diebstahl über 8 Schillinge 4 ). Bei der Bestätigung des Klosters Dargun war der Abt Walbert aus dem dänischen Cistercienser=Mönchskloster Esrom gegenwärtige und bis zum J. 1258 machte das Kloster Esrom Ansprüche auf die Vaterschaft des Klosters Dargun, welche


1) Vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 3, 4, 10, 24.
2) Vgl. daselbst, S. XIV.
3) Vgl. daselbst, S. 10, 11, 24.
4) Vgl. daselbst, S. 52 u. 54 und Lappenberg in Göttinger Gel. Anz. 1838, Stück 124, August, S. 1235 flgd.
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aber damals dem Kloster Doberan zugesprochen ward 1 ). Es ist also sehr wahrscheinlich, daß das Kloster Dargun in Folge der Zerstörung der Burg im teterower See durch Dänen gegründet ward und daß mit der Stiftung des Klosters Dargun zugleich auch die Burg Dargun unterging, auf welcher ein Bruder Chotimar's oder Otimar's wohnte, da die Knytlinga=Saga berichtet:

"(der König) verbrannte das Land weit und breit, nahm die Städte ein, tödtete das Volk und machte Beute".

Die Burg Dargun ist aber nur gegen 3 Meilen von der Burg Teterow entfernt und, wenn auch im Wiesenthale gelegen, doch ähnlich wie die teterowsche Burg gebauet, indem sie auch Querwälle vor der eigentlichen Burg zum Schutze der Vorburg hat.

Es würde nun sehr interessant sein zu wissen, wer die Nachkommen Chotimar's waren, da dieser sammt seiner Familie mit dem Heidenthume auch den heidnischen Namen ablegen mußte. Sollten es die Moltke sein? Die Moltke hatten noch im J. 1297 Besitzungen in Sührkow und Teschow, mit Fischerei auf dem teterower See, welche damals auch an das Kloster Dargun übergingen (vgl. Lisch Meklb. Urk. I, S. 205). Die Moltke hatten in der Gegend von Gnoien bis auf die neuern Zeiten ihre Haupt= und Stammsitze und der Vorname Waldemar war der Moltkeschen Familie eigenthümlich.



1) Vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 115.
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Die Burg Glaisin
und
die Connoburg

von

G. C. F. Lisch.

Viel besprochen ist die starke Burg Glesîn, in welcher im Jahre 1298 sich ein übermächtig trotzender Ritter Hermann Riben mit seinen Anhängern verschanzt hatte und von vielen mächtigen Fürsten Norddeutschlands belagert ward, bis endlich die Fürsten die Burg gewannen und zerstörten und die meisten der Ritter und ihre Genossen aufhängten, als eben der Fürst Heinrich der Pilger von Meklenburg aus seiner 26jährigen Gefangenschaft in sein Vaterland heimgekehrt und bei seinem Sohne Heinrich dem Löwen vor Glaisin angelangt war.

Diese Geschichte war bis auf die neuern Zeiten sehr dunkel, da alle Nachrichten sich auf eine nicht sehr ausführliche Erzählung in der lübischen Chronik beschränkten, deren Werth kaum erkannt war. Seitdem aber die lübischen Chroniken herausgegeben sind, fließen die Quellen etwas sicherer und reichlicher. Dennoch sind die lübischen Chroniken die einzigen Quellen, da bisher merkwürdiger Weise keine Urkunde aufgefunden ist, welche diese sehr merkwürdige Sache unmittelbar berührt.

Jedoch geben einige wichtige Urkunden Andeutungen über die Veranlassung dieser heftigen Fehde. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhoben mehrere ritterliche Geschlechter in den ehemaligen Wendenländern kühn ihr Haupt gegen die wachsende Macht der Fürsten und die sich unglaublich rasch entfaltende Blüthe der Städte, wahrscheinlich aus Mißmuth über den Verfall der eigenen Macht und in Rückerinnerung an den ehemaligen Einfluß in der wendischen Zeit, und suchten auf eigene Faust durch Vesten, Fehden und Raubzüge ihr Gewicht wieder geltend zu machen. Vorzüglich machte sich dieser Uebermuth in den westlichen Gegenden von Lübeck bis an die Elbe, bis gegen Dömitz hin, besonders im Herzogthume Sachsen=Lauenburg 1 ), als dem Mittelpuncte, breit. Schon seit der Mitte des 13. Jahrh. hatten sich die Fürsten dieser


1) Vgl. Lappenberg von den Schlössern der sachsen=lauenburgischen Raubritter, Separat=Abdruck aus dem Vaterland. Archiv für Lauenburg, I, Heft 2, 1857.
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Gegend und die spätern Hansestädte durch verschiedene und wiederholte Bündnisse zu stärken gesucht und zuletzt, besonders am 14. Junii 1283, ein umfassendes Landfriedensbündniß zu Rostock geschlossen, welches immerfort durch Beitritt an Ausdehnung gewann. Dennoch wiederholten sich die ritterlichen Aufsässigkeiten, bis am 19. Jan. 1291. durch Vermittelung der Herzöge von Braunschweig und der Grafen von Holstein und Schwerin zwischen den meklenburgischen Fürsten, den Grafen von Schwerin und Danneberg und der Stadt Lübeck, von der einen, und den Rittern Hermann Ribe und Reimbern v. Karlow und ihren Genossen, von der andern Seite, zu Dutzow ein Vertrag 1 ) geschlossen ward, nach welchem viele ritterliche Festungen bis auf den Grund zerstört und deren Gräben ausgefüllt, auch keine andere Festung wieder aufgebaut werden sollte; unter den vielen abzubrechenden Festungen werden namentlich auch Wehningen und Walrow (Warlow) genannt, welche beweisen, wie weit gegen Südwest hin der ritterliche Festungsgürtel ausgedehnt war. Diesen Vertrag hatten nun Hermann Ribe und seine Genossen nicht gehalten, sei es daß sie ihre Festen nicht gebrochen, sei es daß sie neue aufgeführt hatten. Ohne Zweifel um dem Vertrage von Dutzow Geltung zu verschaffen, belagerten nun die Fürsten die Burg Glesin, in welcher Ribe sich mit seinen Gefährten verschanzt hatte.

Statt überarbeitender Erzählung lasse ich hier die ausführlichen Berichte der Chroniken selbst folgen.

Die sicherste gleichzeitige Quelle ist wohl das Fragment der lübischen Chronik des lübischen Kanzlers Albrecht von Bardewik 2 ) von 1298-1301 welcher den Streit erlebte und die sehr ausführliche Geschichte an die Spitze stellt.

"Jmme iare van godes bort over dusent unde twehundert in deme achten unde neghentychghesten iare leyt scryuen dyt registrum her Albrecht van Bardewic tho des rades unde der meynen stades uut.

By desen tyden seude och vele wonders in der werlde. De edele man de here her Hinric van Mekelenborch, de ghevanghen wart over mere au pelegrimaze uppe deme weghe tho deme heylyghen grave unde ghevanghen lach XXVI iar by Babelonie up eneme torne de heet Kere, den leyt de soldan ledich unde los der syne ghude, wente men sprach over al dat laut, dat he heylich were. Unde de soldan de gaf eme och weder sinen knapen, de myt eme


1) Vgl. Urk. Buch der Stadt Lübeck, I, S. 515, Nr. 572.
2) In Grautoff's Lübeckischen Chroniken, I, S. 414-417.
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over mer ghevanghen wart, de heet Martin Bleyer. - - - Darna karde he van dannen unde quam tho Rome des vrighedaghes vor pinckesten."

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"Hyrunder stalleden vor dat hus tor Glesyn de edelen vorsten her Johan unde her Albrecht de brodere de hertoghen von Sassen unde marcgreuen Otten lude des langhen, (her Conrat Vulf was syn hovetman,) unde marcgreuen Otten lude myt dem pyle unde sines broder marcgreven Conrades, der edelen vorsten van Brandenborch, unde andere edele heren, greve Nicolaus van Zwerin unde greve Ghuncelyn van Zwerin, greven Helmoldes sone, unde de here her Johan von Ghodebuus unde de junghe her Hinric van Mekelenborch, des olden hern Hinrikes sone, de over mere ghevanghen was, unde her Ghans van Putlast unde de stat van Lubeke. De hovetman des huses, dar dyt here vore lach myt groter cost, dat was her Herman Rybe de iunghe, de andere was her Johan van Slawekesdorpe, dat drudde was her Syvert van Plone, heren Otten broder van Plone. De uppe deme hus weren cundich unde sere vormeten; se lepen de sperwescele van deme hus; de darvore leghen, lepen geghen se, dar wart eyn grot walch. To iunghest van dem hus wart ghevanghen Echart Rybe sulf veyrde, de dre waren blote knechte, an eyner sperwescele. Desse sulve Echart was hern Hermannes broder Ryben, des des huses was eyn hovetman. Desulve Echart Rybe hadde ane eynen blawen roch, do he ghevaughen wart; den roch leten eme de heren utthen unde leten eyneme van den dreyn, de myt eme ghevanghen worden, den roch antheyn, unde tho hant darna leten de vorsten unde de heren se hangen vor dat hus, der den willen, dat de uppe deme hus des wenen scolden, dat yt Ecchart Rybe were, de dar hanghede myt dem blawen rochke. Dese Echart Rybe wart ghevanghen in den torn to Zwerin ghevort. De uppe deme hus weren, worden grymmich unde deden deme heere groten scaden; se thohouwen de lude unde schoten riddere unde knapen dhot unde wundeden sere uter maten vele ghoder lude."

"Do de vorsten unde de heren dit seghen, dat man se unde ere man so hatlyken menden, se ghingen tho rade unde legheden eyn dync; hertoghe Albrecht van Sassen de sath dat rychte, de heren worden cleghere. Men loth se;

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se ne quemen nicht vore tho gherichte. Do toch men eyn sveyrt unde scryede over se eyne warve, ander warve unde drudde warve over de defrovere unde over ere rechte vredebrekere, de up deme hus waren. Darna worden se vorvestent myt rechten ordelen: do worden se gheleghet vredelos unde rechtlos an landen unde an wateren, an steghen unde an weghen, an kerken unde an clusen und in allen godes husen. Hyrna voreyneden sich de heren myt den vorsten, wat se der vyende kreghen van deme hus, de mosten sterven kranckes dodes."

"Hyrunder quam van Rome tho lande de edele man her Hinric de here van Mekelenborch, de ses unde twintich iar over mere ghevanghen was, myt sundeme lyve tho syneme truwen leven wive vrowen Anastasian, se was heren Barnymes dochter des hertoghen van Stetyn."

"Tho hant hyrna quam de houetman her Herman Rybe sulf drudde by nachttyden van deme hus dor dat here, dat yt neyn man ne wiste. Aldus so untlosede he sulf drudde. Unlanghe darua beheylden de anderen dat hus; yt wart ghewunnen van den ghenen, de darvore laghen und worden al ghevanghen, almestich unthovedet unde ghehanghen. De edele man her Gans van Potlast de hanc sulven myt der hant den hovetman here Johanne van Slawekesdorpe. He was sin hatlyke vient dor den willen, dat de iunghe Rybe, here Johannes sone van Slawekesdorpe, here Ganse vench tho Wittenberghe inme stoven. Desse sulve Rybe van Slawekesdorpe unde syn cumpanye worden ghehanghen vor der Glesyn. De van Lubeke de hencghen och eynen bosen man, de heyt Wolteblock, unde synen cumpan vor dat sulve hus. Aldus wart dat quade uest thovoret unde de bosen lude thostoret myt groter gewalt."

"Hyrna tho hant quam tho Lubeke de sulve here her Hinric van Mekelenborch, de over mere ghevanghen was."

In den neuesten Zeiten ist eine andere Quelle in den lübischen Annalen (Annales Lubicenses, herausgegeben von Lappenberg in Pertz Script. hist. Germ. XVI, p. 417,) eröffnet. Diese Annalen gehen von 1264 bis 1324 und sicher nicht über das Jahr 1324 hinaus, sind also nur 25 Jahre nach Albert von Bardewik geschrieben und theils gleichzeitig, theils ohne Zweifel nach der ältesten lübischen Chronik abgefaßt. Diese lateinischen Annalen berichten:

"Hinricus dominus Magnopolensis, quia soldano

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Bailoniae captivatus et detentus erat plus quam 26 annis, perdita tota familia sua, liber dimissus est a soldano cum uno solo famulo suo Martine, qui tempore, quo esset dominus eius in diligenti custodia seratus, didicit contexere pannos sericos et totum pretium, quod a paganis deservivit, pro dicti sui domini exposuit nutrimento. Et venit ipse dominus Romae ad oscula pedum Bonifacii papae et, accepta ab eo benedictione, venit cum dicto suo famulo ad partes suas circa festum Bartholomaei, inveniens uxorein suam dominam Anastasiam, sororem Buxslai ducis Slavorum, adhuc vivam. Invenit etiam eius filium Hinricum, dominum Magnopolensem, in expeditione cum marchionibus et aliis principibus et nobilibus multis coram castro Glesyn, prope flumen Eldene fortissime aedificato a quodam Hermanne Riben, milite potente. Quod scilicet castrum cum difficultate expugnaverunt et praedones multos in eo captos suspenderunt."

Ungefähr hundert Jahre nach Albert von Bardewik giebt der Franziskaner Lesemeister Detmar (1368) in seiner lübischen Chronik 1 ) folgende Nachricht:

"1298. Jn deme sulven iare in sunte Bartholomeus daghe do quam to lande van over mer Hinric de here van Mekelenborch, den de soldan von babilonien hadde vanghen mer den ses unde twintich iar. - - - Do he quam uter vangnisse, he toch to Rome, dar vant he Allexander Hunen, der stat scrivere van Lubeke. - - - Do wart lutbar in deme lande, dat de edele here was ute so langher vangnisse van den heydenen over mere komen; dar halp eme en vorste in deme lande mit gohde, damede he mit sineme knechte Mertine quam to Lubeke. - - - Do he van Lubeke schedede, do toch he in sin land und quam vor Glesine, ein rofhus, dar sine sone Hinric do vore lag mit deme marcgreven unde mit anderen vorsten und heren vele, oc hadden de von Lubeke dar ere wepenere. Dat hus hadde buwet de weldige Ribe up de Eldene stark unde vast, manighen landen to schaden. Do de here dar quam, des wunderde en allen in deme lande, umme dat he so manich iar was dode seghet. - - - Jn corter tyd darna ghaf ghod, dat mit groteme arbeide wart das hus ghewunnen, dar we langhe hadden vore leghen.


1) Jn Grautoff's Lubeckischen Chroniken I, S. 172 flgd.
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Ritter und knechte wurden alle hanghen, de daruppe wurden vanghen.

Es ist die Frage, wo diese mittelalterliche ribensche Burg Glesin gelegen hat. Mehrere ältere Geschichtschreiber, z. B. A. Mylius in seiner Genealogie und Chemnitz sagen, sie habe am Schweriner See gelegen. Ihnen folgt noch Westphalen (Mon. IV, p. 891), indem er sagt, daß aus den Trümmern der zerstörten Burg Glasin der Hof Gallentin aufgebauet sei. Wahrscheinlich leiteten diese den Namen Glesin sehr gezwungen von Gallentin her und dachten vielleicht an die Glesin=Straße in der Stadt Schwerin vor dem Schlosse. Samuel Fabricius setzt in seiner handschriftlichen Chronik das "Schloß Glassin" nach dem Dorfe Glassin "bei Neukloster gelegen." Erst Rudloff verlegt, durch die lübischen Chroniken und einige Urkunden geleitet, in seiner Meklenb. Geschichte, II, 1785, S 122, 80 und 97, und in seiner Geschichte der Grafen von Danneberg, 1789, S. 38, die Burg Glesin nach dem Dorfe "Glaisin an der Elde, eigentlich Rögnitz". Und diese Bestimmung wird die einzig richtige sein.

Befragt man die Quellen, so berichten Albrecht v. Bardewik und gegen hundert Jahre später Ernst v. Kirchberg nicht, wo Glesin lag, dagegen sagen die neu entdeckten lateinischen lübischen Annalen und Detmar, daß die Burg Glesin an der Elde gelegen habe ("castrum Glesyn prope flumen Eldene" und "Glesine up de Eldene"); die lübischen Annalen sagen dabei vorsichtig, daß sie "nahe bei" ("prope") der Elde gestanden habe. Und diese Annahme wird wohl die richtige sein. Daß Glesin am schweriner See oder bei Neukloster gelegen habe, ist nicht gut anzunehmen, da diese Orte zu weit im Lande nahe bei den Festungen der kräftigen Herrscher von Schwerin und Meklenburg, im Lande Meklenburg, liegen. Vielmehr wird man durch die Umstände mehr in die südwestlichen Gegenden Meklenburgs geführt. Nach dem Landfrieden von Dutzow 1 ) vom 19. Jan. 1291 hatten die Riben und deren Genossen auch feste Burgen zu Wehningen und Warlow (Walerow) in der Grafschaft Danneberg gehabt, welche nach dem Vertrage abgebrochen werden sollten. Nun liegt aber Glaisin grade in dieser Gegend zwischen Warlow und Wehningen und den Orten am linken Ufer der Elbe gegenüber, in denen die ältesten Sitze der Riben zu finden sind.


1) Vgl. Lübeker Urk. Buch I, S. 515, Nr. 572.
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Zwar ward das Dorf Glaisin mit der Zeit eine Besitzung des nahen Nonnen=Klosters Eldena; aber zur Zeit der Zerstörung der Burg mochte es noch nicht ganz im Besitze des Klosters sein. Im J. 1285 schenkte der Graf Friedrich von Danneberg dem Kloster seine landesherrlichen Hebungen aus den Dörfern Glaisin, Grebs und Karenz und um dieselbe Zeit hatte das Kloster ein Pfund Hebungen aus dem Dorfe Glaisin. Aber in der Bestätigung der Privilegien des Klosters vom 19. Mai 1291 1 wird Glaisin selbst noch nicht als Dorf des Klosters Eldena aufgeführt, sondern erst 1308 bei der Bestätigung durch die Herzoge von Sachsen=Lauenburg. Wenn auch das Kloster Eldena nach und nach die Dörfer um Eldena, Glaisin und Konow erwarb, so hatten doch viele Vasallen noch um die Mitte des 14. Jahrh. Besitzungen in vielen Dörfern dieser Gegend, nach den ungedruckten Originalurkunden z. B. die v. Wenkstern in Konow (1353) Glaisin, Bresegard und Stück (1365), die v. Hitzacker in Mallis (1351), die v. Darsow (1330) in Konow (1325).

Es ist also, da die lübischen Chroniken deutlich dafür sprechen, höchst wahrscheinlich, daß die ribensche Burg Glesin bei dem Dorfe Glaisin nicht weit von Eldena und der Elde gestanden habe. Nun ist aber bei dem Bauerdorfe Glaisin kein Burgwall zu sehen. Merkwürdiger Weise lebte früher in der Gegend von Glaisin aber noch die Sage, welche "mit entstellten Zügen die Geschichte Heinrichs des Pilgers unter dem Namen ""Hans von de Wismar"" und seiner Gemahlin Anastasia überlieferte"; Studemund giebt in seinen "Mecklenburgischen Sagen" auch diese Sage (I, S. 42) und bemerkt dabei, daß "ein Einwohner des Dorfes Leussow sie ihm auf den Wällen der Burg Glaisin erzählt" habe. Die Burg aber, welche noch "Wälle" hat und bei Leussow liegt, ist weit von Glaisin entfernt und kann nur durch eine unrichtige Tradition für die Burg Glaisin genommen sein. Bei dem Bauerdorfe Glaisin ist kein Burgplatz zu sehen; er mag untergegangen sein, da das Dorf weit gebauet und groß ist und manche Höhen und Gründe hat, welche sich wohl zu Burganlagen eignen konnten. Da aber die Wahrscheinlichkeit nahe lag, daß die Burg in dem Dorfe gestanden habe, so veranlaßte ich den Herrn Förster Wiegandt zu Glaisin wiederholt zu genauen und aufmerksamen Forschungen, welche denn endlich auch mit Erfolg gekrönt sind. "Nach vielseitigen Erkundigungen, schreibt Herr Wiegandt, ist es ermittelt, daß ganz


1) Vgl. Rudloff Urk. Lief. S. 133, Nr. 51.
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in der Nähe von Glaisin eine runde Erhöhung gewesen ist, welche erst von jetzt noch lebenden Hauswirthen aus einander gefahren ist, und haben sich dabei im Mittelpuncte dieses Erdwalles Steine und verbranntes Holz gefunden; man sieht noch jetzt davon Spuren, daß dieser Punct in größerer Entfernung mit mehreren Ringwällen umgeben war. Die Stelle ist jetzt nur noch als eine kleine Erhöhung bemerkbar und liegt am Wege von Glaisin nach Hagenow, diesseit der Rögnitz."

Diese Stelle wäre also die ehemalige ribenschen Burg Glaisin, welche jetzt "der Erde gleich gemacht" ist. Zwar liegt das Dorf Glaistn nicht unmittelbar an der Elde, sondern der Rögnitz (früher Walerow) näher, an welche die Feldmark stößt, aber die Elde ist doch nicht weit (etwa eine gute Stunde) von dem Dorfe entfernt, und die lübischen Chronisten mögen diesen Fluß zur Bezeichnung der Lage der Burg gewählt haben, weil die Elde ein viel besprochener, die Rögnitz aber ein wenig gekannter Fluß ist, welcher in der Entfernung von einigen Meilen kaum mehr genannt wird. Es ist auch möglich, daß früher die Feldmark der sehr großen Ortschaft Glaisin in den ältesten Zeiten bis an die Elde gereicht habe. Die lübischen Chronisten haben also nicht ganz Unrecht, wenn sie sagen, daß die ribensche Burg Glaisin nicht weit ("prope") von der Elde gestanden habe.

In Verfolgung der Forschungen hat der Herr Förster Wiegandt nach und nach noch mehr Entdeckungen gemacht, welche die obigen Angaben bestätigen. Auf dem ehemaligen riebenschen Burgplatze in der Nähe des Dorfes Glaisin stellte der Herr Förster Wiegandt im Frühling 1860 bei der Beackerung Nachforschungen an und fand viele Gefäßscherben, welche aus dem christlichen Mittelalter stammen. Alle Gefäßscherben sind aus blaugrauem, fein geschlämmten, festen Thon, wie die meisten Krüge und Gefäße des Mittelalters vom 13. bis 16 Jahrhundert, und ein sicheres Kennzeichen der Bewohnung im christlichen Mittelalter. Von den bekannten, untrüglichen Scherben des Heidenthums mit eingeknetetem Grand oder Granitgrus fand sich hier keine einzige Spur. Diese Burgstätte in der Nähe des Dorfes ist also ohne Zweifel die ribensche Burg. Die Gefäßscherben haben einen sehr alten Charakter und große Festigkeit und werden noch in das 13. Jahrh. zurückreichen.

Bei der Gelegenheit der Forschungen in dem Boden erzählte der Bauer des Grundstücks dem Herrn Wiegand folgende Sage, die ihm von seinem Großvater überliefert war.

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"Auf dieser Burgstätte haus'te ein alter Ritter Namens Bliest. Dieser hatte über die vorbeiführende Landstraße von Hagenow nach Dömitz einen Drath gezogen, welcher in der Burg an einer Glocke befestigt war, deren Schall jeden Reisenden verrieth, welcher über die Landstraße zog, und die Reisenden der Plünderung des Ritters preisgab. Bekannte riefen, wenn sie vorüberzogen, ""Bliesken Vatter, sehent nich,"" und konnten dann unbelästigt weiter ziehen. Aber der Graf Heinrich zerstörte die Burg und machte dem Unwesen des Ritters Bliest ein Ende."

Nach den weitern Forschungen und Mittheilungen des Herrn Försters Wiegandt liegt an der andern Seite der Rögnitz zwischen den Dörfern Göhlen und Kummer noch eine Burgstelle und beim Dorfe Kummer eine andere Burgstelle. Hier sollen nach der Sage die "Belagerer der Burg Glaisin ein halbes Jahr gelegen und der Feldherr soll aus Kummer, daß er die Burg Glaisin nicht habe erobern können, den letzten Ort Kummer genannt" haben.

Fast eben so weit, als die Elde von Glaisin entfernt ist, steht unmittelbar an dem Ufer der Rögnitz ein wohl erhaltener, sehr großer wendischer Burgwall, welcher nicht die riebensche Burg Glaisin sein kann.

Die Connoburg.

Eine "gute Stunde Weges" zu gehen, westlich von dem Dorfe Glaisin, steht in dem Thale des Flusses Rögnitz ein großer wendischer Burgwall, welcher in der ganzen Gegend unter dem Namen "Borgwall" bekannt ist. Der kleine Fluß Rögnitz 1 ), (in alter Zeit auch Walerow genannt) welcher aus der Gegend von Wöbbelin und Warlow (oder Walerow?) bei Neustadt kommt und aus dem quellichten Boden und einer Unzahl kleiner Wasser, welche ihm zustießen, seine Nahrung empfängt, strömt in vielen Windungen durch ein niedriges Wiesenthal, welches noch sehr feucht, oft überschwemmt und von vielen Abzugsgräben und Kanälen durchschnitten ist, durch welche die Wiesen nach und nach nutzbarer gemacht sind; jetzt ist das Thal entwaldet und der Ackerbau dringt mit Macht hinein. In alter Zeit wird aber die Wiesenniederung sumpfig und die Thalwand bewaldet gewesen sein.


1) Vgl. Ludwigsluster Wochenblatt, 1858, Nr. 41 und 84, vom Pastor Danneel zu Ludwigslust. - "An der Rögnitz findet man die Fischotter".
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Von Glaisin abwärts scheidet das Rögnitzthal das Hochland des Wanzeberges im Süden und die hohe Sandebene der Jabelhaide im Norden.

In diesem sumpfigen Thale steht in einer breiten Wiesenstelle, in welcher eine Wiese und ein "Torfmoor" liegen, dem Dorfe Leussow gegenüber, der "Burgwall"; er liegt "eine Stunde Weges" westlich von dem Dorfe Glaisin und gehörte früher zu diesem Dorfe, lag jedoch an der Grenze desselben. In geringer Entfernung von dem Burgwalle fließt zwischen der ehemaligen Feldmark von Glaisin und der Feldmark des Dorfes Grebs ein Kanal, der Elden= oder "Krullen=Graben", welcher von einem Holzhändler Krull zum Holzflößen angelegt 1 ) sein soll.

Die nächsten Umgebungen des Burgwalles scheinen nach alten Dorfkarten aus dem vorigen Jahrhundert viel Beachtenswerthes zu bieten. An der Rögnitz ist "der Borgwall" verzeichnet, daneben "achter (hinter) dem Borgwall." Hieran grenzte nach Glaisin hin die "Glaisiner Forstwiese" (jetzt Karentzer Wiese). In der Wiese, unweit des Burgwalles finden sich, nach den Mittheilungen des Herrn Försters Wiegandt, sogenannte "Horste" mit festem Boden, welche noch jetzt der "Garten" oder "Schloßgarten" genannt werden; auf einer alten Dorfkarte findet sich hier "der Castellan" verzeichnet, ein Wort, welches mir auch in der Form "Castellaun" sonst noch im Lande vorgekommen ist und wendisch zu sein scheint. An der andern Seite, nach Grebs hin, liegen die "große Menckenhorst" und die "kleine Menckenhorst" und daneben "auf dem Gusmer."

Seit dem J. 1827 haben sich aber hier die Dorf= und Grenzverhältnisse bedeutend verändert. Bei der Regulirung der Feldmark Grebs ward im J. 1826 "zwischen den karentzer Wiesen, dem Crullengraben und einer Linie von der Joachimsthals=Wiese nach dem Borgwall und von da "nach der Menckenhorst" die Anlage eines Dorfes von 10 neuen Büdnern projectirt, deren künftiges Land nur aus "Haide und Wiese" bestand. Im J. 1827 ward dieses neue Büdnerdorf Menckendorf, welches seinen Namen von der Menckenhorst erhielt, größten Theils auf der Haide der Menckenhorste angelegt und im J. 1833 der Name Menckendorf zuerst im Staatskalender aufgeführt. Der "Burgwall"


1) Vgl. Danneel a. a. O. Nr. 84, S. 333. - Der Name "Krottingraben", welcher sich auf einigen Karten von Meklenburg findet, scheint ein Schreibfehler, statt "Krullengraben" zu sein.
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ward nicht zu der neuen Feldmark gelegt, sondern blieb wüst liegen, so daß er keiner bestimmten Feldmark angehörte, ward jedoch zu Glaisin gerechnet. Zwischen dem Burgwall und Menkendorf liegen, nach des Herrn Försters Wiegandt Mittheilung, so niedrige Wiesenflächen, daß noch bei der Gründung des Dorfes dort "Baumgänse geschossen wurden, folglich der ganze Burgwall in früherer Zeit in Sumpf und Morast gelegen haben muß."

In den letzten Jahren ward der innere Burgraum von einem Menkendorfer Büdner beackert, obgleich der Burgwall nicht zu Menkendorf gehörte. Am 17. März 1860 haben jedoch Se. Königliche Hoheit der Großherzog zu befehlen geruht, daß "der Burgwall zur Domanialforst gelegt und mit Holz bepflanzt werde", wodurch die Erhaltung auf lange Zeit gesichert ist. Die Einverleibung in die Domanialforst ist im Herbst 1860 geschehen und die Bepflanzung zum Frühling 1861 beschlossen.

Dies ist die Lage des alten Burgwalles und seiner Umgebungen. Der Burgwall selbst bildet ein sehr großes, aufgeschüttetes Viereck, und ist so gut erhalten, wie kaum ein anderer Burgwall im ganzen Lande. Die Burgebene ragt ungefähr 18 Fuß aus der Wiesenfläche empor. Auf dem Rande steht ringsumher ein Wall, welcher sich ungefähr 8 Fuß über den innern Burgraum erhebt. Auf der südlichen Seite, nach Menkendorf hin, hat der Wall eine Oeffnung, welche die alte Auffahrt bildet; an der nördlichen Seite, Leussow gegenüber, finden sich in dem Ringwalle zwei Einschnitte, welche jedoch neuere Ausgrabungen zu sein scheinen. Von dem Burgwalle liegt nach Leussow hin auch ein Weg durch den Wiesengrund, welcher alt zu sein scheint. Die Fläche des ganzen Burgwalles hat einen Inhalt von 280 Quadratruthen und der innere Burgraum ist so groß, daß ein rostocker Scheffel Roggen darin gesäet werden kann, also etwa 60 bis 70 Quadratruthen groß.

Was den Burgwall vor den meisten im Lande auszeichnet, ist der Umstand, daß er sowohl in seinem ganzen Bau, als in dem Randwalle vollkommen wohl erhalten ist. Die Ursache hievon ist wohl die Lage in einer Gegend des Landes, welche große unfruchtbare Strecken und wenig Verkehr hat.

Nach der Lage und der Gestalt stammt dieser Burgwall aus der wendischen Zeit. Dies wird aber auch durch die auf denselben gefundenen zahlreichen Alterthümer bewiesen. Schon die Oberfläche ist mit einer unzähligen Menge

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von heidnischen Gefäßscherben bedeckt, welche nach heidnischer Weise mit Granitgrus) bereitet und mit wellenförmigen und andern Linien am Rande verziert sind, wie die Gefäßscherben der geschichtlich gesicherten Burgwälle des Landes. Häufig finden sich ausgebrannet Bruchstücke von den Lehmwänden ("Klehmstaken") der Gebäude, und Kohlen und Thierknochen liegen überall umher. Merkwürdig ist es aber, daß auch in dem Ringwalle überall sehr große Kohlenstücke stecken. Der Büdner (Namens Stöhlmaker), welcher den Burgwall in den letzten Jahren bebauet hat, versichert, in dem Ringwalle überall Kohlen gefunden und an der Auffahrt große Kohlenstücke ausgegraben zu haben. Auch der Herr Förster Wiegandt hat "größere verkohlte Stücke Tannenholz" ausgegraben, und ich selbst legte große Kohlenschichten bloß, als ich von der Spitze des Ringwalles hinunterstieg. Es ist also die Ansicht des Büdners nicht unwahrscheinlich, daß in alter Zeit der ganze Ringwall hohl und mit Holz ausgebauet gewesen und zu Wohnungen (Kasematten) oder Ställen benutzt worden sei. Andere Alterthümer sind bis jetzt noch nicht gefunden; nur versichert der Büdner, daß er, als er einmal mit seiner Frau im innern Burgraume gegraben, dort eine sehr verrostete Waffe, 2 Fuß lang, mit einem noch ganz "blanken, gelben Handgriffe mit zwei Bügeln gefunden habe", welche der frühere Förster an sich genommen habe.

Die Reste von den Gefäßen und Gebäuden sind ohne Zweifel heidnisch. Trotz aller wiederholten Forschungen hat sich auch nicht ein einziges Stück aus dem christlichen Mittelalter finden lassen, weder an Gefäßscherben, noch an Ziegeln und Kalk, vielmehr ist es offenbar und sicher, daß der Burgwall noch grade so steht, wie er in heidnischer Zeit zerstört und abgebrannt ist; es ist auch in den Flächen und Umwallungen des Burgwalles nirgends die geringste Spur zu finden, daß hier im christlichen Mittelalter je sollte gebauet sein.

Es ist daher außer allem Zweifel, daß diese Burg nicht die große Burg der mächtigen Familie von Rieben gewesen sein kann.

Im Gegentheil scheinen die Alterthümer des "Burgwalles" zu beweisen, daß die Zerstörung desselben in noch frühere Zeiten fällt, als die Zerstörung der Burgwälle durch Heinrich den Löwen, wie der Burgen Meklenburg, Schwerin, Dobin, Ilow, Werle und anderer. Die auf diesen Burgwällen gefundenen Gefäßscherben sind alle ganz gleich gearbeitet und verziert und neben ihnen finden sich hin und wieder doch einige Ueberbleibsel von christlichen Geräthen und Bauten, da diese Burgwälle in

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den ersten Zeiten des Christenthums noch einige Zeit bewohnt waren. Dagegen haben die auf dem "Burgwalle" von Glaisin gefundenen Scherben zwar auch dieselben, sicher wendischen Verzierungen, aber doch einen kräftigern, derbem und oft eigenthümlichen Charakter, so daß es scheint, daß sie älter sind und der Burgwall in früherer Zeit zerstört und wüst liegen geblieben ist, als die letzten Burgen des wendischen Königs Niklot. Dazu kommt, daß sich keine einzige Spur vom christlichen Mittelalter findet.

Der "Burgwall" wird also muthmaßlich eine andere Burg gewesen sein, als die Burg von Glaisin. Glücklicherweise findet sich ein Weg zu einer andern Deutung. Ich halte den "Burgwall" bei Glaisin für die berühmte, alte Connoburg .

Der Burgwall von Glaisin liegt zwischen den beiden alten wendischen Ländern Wehningen ("Waninke") und Jabel ("Jabele"), welche noch bis in das 16. Jahrhundert hinein wendisch waren, wie die gegenüber liegenden Gegenden am linken Ufer der Elbe. In der Mitte des südlichen Landes Wehningen, zwischen der Elde und der Rögnitz, erhebt sich ein gebirgsähnliches Land, der Mineraldistrict Meklenburgs, mit Mineralien, wie Braunkohlen, Gyps, Alaun, Salz. Diese Erhebung heißt seit alter Zeit der Wanzeberg oderWanzkeberg; die Form dieses Namens ist ohne Zweifel aus dem Namen Wehningen oder Waninke gebildet und aus Waninksberg entstanden. Auf der Höhe der Erhebung liegt das alte Dorf Konow , deren Pfarre fast alle Dörfer umfaßt, welche auf dem Wanzeberge liegen. Die Landschaft des hohen Wanzeberges fällt gegen Norden steil in das tiefe Flußthal der Rögnitz ab, in welchem der "Burgwall" von Glaisin liegt. Im Norden dieses Landes und der Rögnitz liegt das Land Jabel, eine über das Flußthal der Rögnitz erhobene sandige, dürre Kiefernebene, in deren Mitte das Kirchdorf Jabel liegt. Grade in der Mitte dieser beiden wendischen Länder liegt im sumpfigen Wiesenthale an dem südlichen Ufer der Rögnitz, nach Konow hin, der "Burgwall". In ältern Zeiten hatte das wendische Volk, welches diese Länder bewohnte, den Namen Smeldinger, welchen Beyer 1 ) so erklärt, daß er aus der wendischen Präposition Sa = jenseit (trans) und dem Flußnamen Elde gebildet sei und die Bedeutung: Uebereldinger (Trans-eldingii) habe. Auch macht v. Lede=


1) Vgl. Jahrbücher VI, S. 59.
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bur darauf aufmerksam, daß in dieser Gegend die Dörfer Gr. und Kl. Schmölen liegen. 1 )

Nun erzählt Einhard: 2 )

Thrasko, der Fürst der Obotriten, habe im J. 809 mit Hülfe der Sachsen seine Nachbaren die Wilzen angegriffen, ihre Aecker mit Feuer und Schwert verwüstet und große Beute heimgeführt; darauf habe er, nachdem er noch ein Mal kräftigere Hülfe von den Sachsen erhalten habe, die größte Burg der Smeldinger erobert,

und das Cbronicon Moissiacense: 3 ) der Kaiser Karl habe seine Schaaren in die Marken geschickt und die Sachsen seien über die Elbe gegangen und hätten mit den ihm zugethanen Wenden eine Burg gebrochen, welche Semeldinc=Connoburg heiße.

("Thrasco dux Abodritorum, colleda popularium manu et auxilio a Saxonibus accepto, vicinos suos Wiltzos adgressus, agros eorum ferro et igni vastat, regressusque domum cum ingenti praeda, accepto iterum a Saxonibus validiori auxilio, Smeldingorum maximam civitatem expugnat." (Einh.)

"Karolus Imperator in illa aestate misit scaras suas ad marchias. Et aliqui de illis Saxones venerunt ultra Albiam et fregerunt unam civitatem cum nostris Hwinidis, que appellatur Semeldinc-Connoburg." (Chron. Moiss.)

Diese Smelding=Connoburg, welche gewiß nicht sehr weit von der Elbe und nicht tief im Wendenlande lag, kann nun wohl keine andere sein, als der "Burgwall" von Glaisin oder Menkendorf. Die Höhe des Wanzeberges mit trockenem Boden eignet sich eben so wenig, als die dürre Jabelhaide zur Anlage einer wendischen Burg und kein Ort in einiger Entfernung von der Elbe ist geeigneter zu einer Wendenfeste, als eben die Stelle des Burgwalles, welche grade in der Mitte der beiden Länder Wehningen und Jabel oder des Smeldingervolkes liegt, jedoch an dem Ufer nach Konow hin. Und die Burg konnte sehr gut die Burg von Konow oder die Konnoburg sein, da das hoch gelegene Konow nicht viel weiter von dem Burgwalle entfernt ist, als das eben so alte Dorf Glaisin; der Burgwall ist von


1) Vgl. v. Ledebur's Feldzüge Karls des Großen, Berlin, 1829, S. 191.
2) Vgl. Wigger Meklenburgische Annalen bis zum Jahre 1066, S. 8-9, aus Pertz Mon. I, p. 196.
3) Wigger p. 91, aus Pertz Mon. II, p. 258.
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Konow ebenfalls nur eine "Stunde Weges" entfernt und zwischen dem Burgwall und Konow liegt nur die Feldmark Grebs mit Menkendorf, während sich zwischen dem Burgwall und Glaisin auch ein Stück von Karentz zwischenschiebt. Der Burgwall konnte also in alten Zeiten eben so gut nach Konow, als nach Glaisin benannt sein. Sehr wahrscheinlich ist es, daß auf dem "Burgwall" die Burg nach der Zerstörung im J. 809 nicht wieder aufgebauet ist, sondern der Burgwall noch heute so dasteht, wie er vor 1000 Jahren im J. 809 verlassen ist; das Alter der Gefäßscherben scheint hiefür zu sprechen.

Wenn nun auch die Umgebungen des Dorfes Konow nicht zur Aufführung einer großen wendischen Burg geeignet sind, so scheinen sich dort noch Merkwürdigkeiten zu finden, welche auf eine uralte Wichtigkeit des Ortes Konow hindeuten und dadurch die Annahme von der Connoburg sehr unterstützen.

Auf dem Plateau des Wanzeberges 1 ) erheben sich mehrere Spitzen auf der Feldmark von Karenz, namentlich an dem Wege von Karenz nach Maalk die sogenannte "Steinburg", 2 ) an deren Fuße das Dorf Karenz liegt. Diese Erhebung der "Steinburg" erscheint von Karenz aus als ein unregelmäßiges Achteck; die Plateaufläche beträgt ungefähr 13000 Quadratruthen, die eigentliche Spitze der Steinburg hat einen Flächeninhalt von 16 Quadratruthen. Die Nord= und Nordostseite der "Steinburg" sind sehr steil abfallend. Der östliche Abhang der "Steinburg", welcher noch Ueberreste einer Eichenwaldung trägt, führt den Namen Swantewit, auch Swantewiet oder Swanwit, und sollen hier dem Götzen gleiches Namens Opfer gebracht worden sein. Der Boden der Steinburg besteht aus Sand und Steinen, mit denen die Oberfläche wie übersäet erscheint. Durch Untersuchungen mehrerer Bergleute hat sich ergeben, daß unter dem Sande große Kies= und Thonlager liegen. Man sieht das ganze als ein Werk der Natur an und kennt durchaus nichts, woraus man schließen könnte, daß je Menschenhand hier thätig war, um Wallanlagen, Verschanzungen u. s. w. aufzuführen. Jedoch sind hier bei Ackerarbeiten viele Töpfe mit Asche und Knochen, auch Scherben von Gefäßen gefunden. In der Gegend bezeichnet die Sage die Steinburg als Begräb=


1) Das Folgende nach der Mittheilung des Küsters zu Konow.
2) Die Benennung "Steinburg" kommt im Lande öfter vor bei Anhöhen, auf denen viele, große Steinblöcke (Granitgerölle) liegen, und deutet daher nicht immer auf eine gemauerte Burg.
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nißort des alten Wendenkönigs Wanzka oder Wanze, von welchem der ganze Wanzeberg den Namen erhalten haben soll; dieser König Wanzka soll in einem dreifachen Sarge liegen, einem innern von Gold, einem mittlern von Silber, einem äußern von Kupfer, auf welchem Schild, Bogen und Schwert liegen sollen. Jedoch sind gleiche und ähnliche Sagen im ganzen Lande verbreitet. Auch der Herr Förster Wiegandt zu Glaisin berichtet, daß die Ackerkoppeln an der Steinburg den Namen "Swanzwit" führen.

Diese Ansicht über die Lage der Connoburg und das Land der Smeldinger theilt auch v. Ledebur in seiner Schrift über die Feldzüge Karls des Großen, 1829, S. 185 flgd und 176 flgd. Nachdem er alle Gründe dafür gründlich entwickelt und die frühern Meinungen beleuchtet hat, kommt er zu der Ansicht, daß die Connoburg nur bei Konow gelegen haben könne, womit auch die geographische Lage von Konoenon bei Ptolomäus übereinstimmt. Diese Ansichten theilt und untersucht genauer auch Wigger in den Meklenburgischen Annalen, I, 1860, S. 112. Der von Pertz in Mon. I, p. 309, Not. 61, aufgestellten Ansicht, daß die Conneburg bei Kurthschlag in der Nähe von Zehdenik, oder bei Conow in der Nähe von Feldberg gelegen haben möge, kann ich nicht beipflichten, da diese beiden Orte für einen Einfall in die Slavenläuder zu weit von der Elbe entfernt und gewiß nicht im ehemaligen Smeldingerlande liegen; eben so glaube ich auch nicht, daß, wie Pertz will, das Land der Obotriten südlich bis nach Konow bei Dömitz hinaufreichte. Die Untersuchungen über das Land der Smeldinger können hier nicht von neuem aufgenommen werden; ich nehme dafür die Forschungen von v. Ledebur und Wigger als die richtigem an.

Zum Schlusse gebe ich hiebei einen Plan von der Lage der in Frage stehenden Ortschaften mit ziemlich genauer Angabe der Entfernungen, nach dem Maaßstabe von 2 1/2 geographischen Meilen für die beiden angegebenen Flußlinien; für Wehningen, welches etwas weiter entfernt liegt, ist aber nur die Richtung angegeben.

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Lage der Connoburg

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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.


a) Weltliche Bauwerke.


Das Schloß Ankershagen.

Das Schloß zu Ankershagen bei Waren ist in der Sage vielfach im Lande besprochen. Es soll nach der Sage im 12. Jahrh. erbauet sein und an das noch stehende Gebäude knüpfen sich sehr schauerliche Erzählungen, welche jedoch nichts weiter sind als grundlose Dichtungen.

Man muß das alte und das neue Schloß unterscheiden. Von beiden sind ohne Zweifel die von Holstein Erbauer, deren altes und Hauptlehn seit dem 14. Jahrhundert das Gut Ankershagen war, von welchem der Hof mit dem Schlosse Wickenwerder, das davon getrennte, in einiger Entfernung liegende Kirchdorf Ankershagen hieß (vgl. Jahrb. VIII, S. 124). Die Gründer waren ohne Zweifel die von Anker, welche schon früh im 14. Jahrh. ausgestorben zu sein scheinen.

Das alte Schloß liegt unmittelbar neben dem neuen Schlosse. Es wird sehr groß und fest gewesen sein und die Ueberreste gehören zu den bedeutendsten Ritterburgruinen im Lande. Die Ueberreste der Wälle sind sehr mächtig und haben mit den Spuren der Gräben eine große Ausdehnung. An zwei Seiten stehen noch Ueberreste der Befestigungsmauern mit engen Schießscharten und weiten Brustwehren; neben dem neuen Schlosse steht noch das Erdgeschoß eines mächtigen viereckigen Thurmes. Das Mauerwerk ist aus großen Ziegeln und Feldsteinen zusammengesetzt und scheint aus der ersten Hälfte des 15. Jahrh. zu stammen.

Das neue Schloß ist ein Bau im Renaissance=Style, ungefähr 1550-1570 erbauet und über hohen, gewölbten Souterrains zwei und ein halb Geschosse hoch. Es hat eine einfache Fronte und ist mit Kalkputz übersetzt, welcher ungefähr

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im 17. Jahrh. ziemlich geschmacklos erneuert und späterhin in demselben Sinne restaurirt sein wird. An einem Ende springt ein kleiner Flügel vor, welcher ein kleines Gemach enthält. Im Innern zeigt der Bau aber entschieden den Renaissance=Styl des 16. Jahrhunderts. Die Verhältnisse der Räume sind alle sehr groß; die Außenmauern und Hauptzwischenwände sind alle ungewöhnlich dick, gut 6 Fuß dick; das ganze Schloß hat aber nur eine Tiefe von einem Zimmer und keine Längs= oder Nebengänge. Die Verbindungen zwischen unten und oben sind daher, außer durch die Haupttreppe, durch mehrere kleine Treppen bewerkstelligt, welche in den Wänden liegen. Dieselben Eigenthümlichkeiten der queer durchgehenden Räume und der Wandtreppen hat auch das um dieselbe Zeit erbauete Schloß zu Güstrow; ähnlich sind auch die um 1555 erbaueten Schlösser zu Wismar und Schwerin, mit dem Unterschiede, daß hier die vielen Wandtreppen fehlen. Es giebt auch einen directen Beweis für die Erbauung kurz nach der Mitte des 16. Jahrhunderts. Ueber einer ehemaligen, jetzt zugemauerten Pforte in der jetzigen Hinter= oder Gartenseite, welche in die Mitte des Hauses führte, jetzt aber ohne Treppe hoch in der Wand über den hohen Souterrains zu sehen ist, ist ein sehr großer viereckiger Ziegel mit dem Reliefbrustbilde eines Mannes in Hofkleidung, von einem Kranze umgeben, eingemauert. Dieser Reliefziegel ist an Größe, Arbeit und Styl ganz den Bildziegeln gleich, mit welchen die Schlösser zu Wismar und Schwerin 1555 geschmückt sind. Ich glaube jedoch nicht, daß dies einer von den schweriner Ziegeln, sondern daß er eigens für das Schloß zu Ankershagen modellirt ist und einen v. Holstein darstellen soll.

Es geht über dieses Ziegelbild im Lande die Sage, daß ein Ritter Henning v. Holstein, vor dem jetzt zugemauerten Kamine des Hauptzimmers sitzend, einen Schäfer in denselben geworfen und lebendig gebraten habe. Wegen dieser Blutschuld werde das Bildniß, so oft man es auch mit Kalk übertünche, immer wieder roth. Die Sache ist aber einfach die, daß das ganze Schloß mit Kalkmörtel übersetzt, das fest gebrannte, glatte Ziegelbild in früheren Zeiten aber roth geblieben und erst in neuern Zeiten dünne übertüncht ist, die Kalktünche auf demselben aber nicht recht haften will.

G. C. F. Lisch.     


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b) Kirchliche Bauwerke.


Die Glasmalereien
in
der Kirche zu Dargun.

von

G. C. F. Lisch.

Im Jahre 1464 ward, unter Beförderung des Herzogs Heinrich und seiner Söhne Albrecht, Johann, Magnus und Balthasar, der Ausbau der Kirche und des Klosters zu Dargun angefangen. Da das Schiff der Kirche ein in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vollendeter, alter Bau ist, so kann unter dem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ausgeführten Bau nur der Ausbau des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Chores mit dem Kreuzschiffe verstanden werden, und hiefür sprechen auch alle noch vorhandenen Denkmäler der Kirche. Der Ausbau des Chores erstreckte sich über die Gewölbe, die Fenster, die Deckung des nördlichen Kreuzschiffes ("ghevel tho klosterwardt"), den Thurm (Dachreiter), das Weihbecken ("handvath") der Kirche und das Schlafhaus und die Bibliothek ("liberye") des Klosters. Dieser Bau, und damit die schöne Klosterkirche, ward nach 15 Jahren im J. 1479 vollendet.

Zu diesem Bau leisteten viele adelige Geschlechter, namentlich aus dem benachbarten Lande Wenden, unter der Verwaltung des Ritters Ludolf Hahn auf Basedow, ansehnliche Hülfe ("hulpe und hantrekinge") und brachten eine große Summe Geldes zusammen, welche zu der Wölbung, der Dachdeckung und den Fenstern ("glasevinstern") der Kirche

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verwandt ward. Am Tage des H. Alexius (17. Julii) 1479 legte der Ritter Ludolf Hahn ("ein woldeder des gadeshuses") dem Abt und Convent des Klosters Rechnung ab, und zum andenken ward diese Rechenschaft auf ein Brett ("an disseme brede") gemalt, welches im südlichen Kreuzschiffe des Klosters aufgehängt ward, wo es noch an der westlichen Wand wohl erhalten zu sehen ist.

Diese in ihrer Art seltene Inschrift ist schon im Jahresberichte III, 1838, S. 177 flgd., mitgetheilt, jedoch an mehreren Stellen fehlerhaft und lückenhaft; namentlich ist dort eine große Stelle im Eingange, welche die Theilnahme der adeligen Geschlechter einleitet, ganz ausgelassen, so daß diese nach dem alten Abdruck nicht recht begründet erscheint, indem sie sich an die Beförderung durch die Herzoge ohne Ueberleitung anschließt; auch ist unter den Wohltätern "Henneke Bulow tho Zibbul XXX sundesche mr." ganz ausgelassen, mancher Lesefehler in den Namen nicht zu erwähnen. Deshalb und der Vollständigkeit wegen theile ich hier einen neuen Abdruck nach einer "srgfältigen und zwei Male verglichenen Abschrift" des Herrn Amtmanns von Pressentin zu Dargun mit und begleite die Inschrift mit folgender Beschreibung der Tafel von demselben. "Die Tafel ist von Eichenholz. Der im Grunde braun gestrichene und mit gelben Rosen und weißen Sternen verzierte Rahmen von 3 1/2 Zoll Breite umfaßt eine Füllung von 3 Fuß 6 Zoll Höhe und 6 Fuß 6 Zoll Breite. Diese Füllung ist durch sechs 1 1/2" breite, senkrechte, braune, mit gelben Nelken verzierte Striche in sieben Spalten getheilt, auf deren weißem Grunde sich die Inschrift befindet", deren große Anfangsbuchstaben und Schlußverzierungen in den einzelnen An= und Absätzen roth, deren kleine Buchstaben schwarz sind. "Die Buchstaben und die Ziffern sind gothische Minuskelschrift. Die Tafel hat, wie der Augenschein deutlich ergiebt, eine Renovation niemals erfahren und ist mit der Schrift sehr wohl erhalten."

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Denktafel

über

den Ausbau der Klosterkirche zu Dargun.

vom

Jahre 1479.

W y Johan . depzo w über w . abbet vnd gantzē Conuent to dargun / bekennen vor vns . vnse nak oe mlinge dat in den Jaren vnses lieren / M / CCCC / dar na in dem LXIIII / Jare / de was ein anbeginner der bu w über w ethe vnser kerkē. to dargun / vnse gnedige here / hertoghe hinrick . van meklēlburch / graue to swerin . forste to wenden / mit sinen leuen sons / vnsen gnedigen heren / hertoch Albrecht / hertoch Johan / hertoch magnus / hertoch baltzer / vmme erer selen salicheit willen / vnde oe rer olderen / mit mannigerleye g ue de / de se dar tho gedan hebben / vnde hir namals nocii wol donde werden / Des geliken hebben gedan de duchtigen manne / vnd ere almissen uas tlio hebben gegeuen / ock umme erer selē salicheyt willen / vnd ere olderen vnd alle ere slechte / so se hir na by namen gen oe met werden / ein Islick by sick / wo vele dat lie dar tho keret hefft In gades ere / Tho dem ersten hefft her

L udeke hane / wanhafftich tho basedow / veer


marck / vnd L sundesch / vnd XII gulden / de denne vordert hefft / geuordert dat vnse kercke rede worden is / vnd sodane gelt uorlonet hefft / [Vignette s. Originalseite]

A lso de guden menne / hir na ben oe met / dar tho gegeuen hebben / [Vignette s. Originalseite]

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D e duchtige man Ludeke moltzan / tho dem Grubenhagen / IIII mr mit Strich / vnd L sundesch / vnd XII gulden / vnd III gulden tho enem knope [Vignette s. Originalseite]

H enneke van der osten / tho karstorpe / XL mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

H inrik hane / tho kuchelmisse / IIII mr mit Strich / vnd L sundesche / vnd XII / gulden / [Vignette s. Originalseite]

O tte vnde clawes / veddern / geheten . de moltken / wanhaftich tho dem stritfelde / L / sundesche mark / [Vignette s. Originalseite]

R atke kerckdorp / tho nikur / L VI / mr mit Strich / sundesche [Vignette s. Originalseite]

V icke moltzan / einen gulden tho enem knope / [Vignette s. Originalseite]

C lawes en oldenborch tho gremmelin / IIII vnd LXX / sundesehe mark [Vignette s. Originalseite]

H er / Viuientz uan dem kalden / C / vnd XXX marck /

G herlich kallf / van malchī XX marck sundesche /


G unter Leuetzo w über w tho schorrentin . L . mr mit Strich . sund' /

M atthias grabow tho wusten / XV. sundesche mr mit Strich /

G unter Leuetzow tho merkow. L . sundesche marck [Vignette s. Originalseite]

H er . Jürgen grabow to gametow / XXX / sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

C lawes holste / wanhafftich tho wickenwerder / XXX sundesche marck / [Vignette s. Originalseite]

C lawes bardenvleth tho dem zarnde / XXX sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

R eimer plesse . tho zulo w über w XXX. sundesche marck / [Vignette s. Originalseite]

H ans vā retstorp / tho boltze / XXX / sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

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H enneken bulo w über w / tho zibbul / XXX. sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

H er / Nicola' breide / kerckhere . to malchin / XXX / mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

H er / Helmich vlotow / prawest tho dobertin / XXX / sundesche / mr / [Vignette s. Originalseite]

H er / Diderick sukow . prawest tho der Verchen / X / sundesche marek [Vignette s. Originalseite]

W edige buggenhagen / tho der neringe XV . sundesche marck / [Vignette s. Originalseite]


H enninck breide XV / mr . sundesche / [Vignette s. Originalseite]

A chim / vnde drewes / de Vlotowen / geheten / wanhafftig to dem sture / Jewehkes . XXII / sundesche mr mit Strich /

H inrick smeker tho dem wustenfelde / XV sundesche mr mit Strich /

B erndt van Lesten X mr mit Strich / sundesche [Vignette s. Originalseite]

J ohan van Lesten X . mr mit Strich alle wanhafftig to gottin /

V icke bere tho nuttzero w über w XV / sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

H ermen kerckdorp . tho webbekendorp . X . gulden / [Vignette s. Originalseite]

H inrich sch oe nefelt tho subbetzin / X . gulden /[Vignette s. Originalseite]

H ermen hageno w über w wanhafftig to parchim . X . gl /

A chim van Lesten / tho gottin / X / sundesche mr mit Strich / [Vignette s. Originalseite]

H yer . Peter warenstorp / prawest tho malcho w über w . X marc k über c .

H ermen hageno w über w tho parchim / X / gulden / [Vignette s. Originalseite]

H ans van retstorp / X / gulden / [Vignette s. Originalseite]

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E ggert stall X / Lubsche marck [Vignette s. Originalseite]

G unter van retstorp / ratman tho malchin / XX / lubsche marck [Vignette s. Originalseite]


J oachim van prenses . husfrou w über w e van wedendorp . X / lubesche marck [Vignette s. Originalseite]

T itke Loutzo w über w / tho Leuetzow . X . sundesche marck [Vignette s. Originalseite]

U lrick van Lesten / tho gottin / X / sundesche marck / [Vignette s. Originalseite]

H inrick hane / van arnsberghe . X lubsche mr mit Strich [Vignette s. Originalseite]

H ans van adrum / tho zirstorp / V. sundesche marck /

A chim vam hagen / tho bukow / X / sundesche mr mit Strich /

J ohan smeker / tho gustzo w über w / X. sundesche marck / [Vignette s. Originalseite]

I n den Jaren vnses heren / veertein hundert / dar na In dem Negen vnd S oe uentighesten Jare / In deme dage / alexius / des hilghen bichtegers / hefft de Strenghe ridder / unde wolduchtige man / her Ludeke hane / wanhafftich tho basedo w über w / ein woldeder des gadeshuses / Also heft he rekenschop gedan / dem Er w über w erdigen heren / heren Johan becker / abbet / vnd synem gantzem Conuent tho Dargun / van sodaner gifft de de guden manne an disseme brede ben oe met . vmme


salicheit willen erer seien hulpe / vnd hantrekinge gedan / des de szumme was sostein hundert marck / Acht vnd achtentich / mr mit Strich c welcker geldt merkliken kamen / vnde kerdt ys / In nutticheit des gadeshuses / N oe meliken / tho den glasevinstern / tho dem welffte . tho dem gheuele / tho kloster wardt / tho deckende / tho der Liberye /

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tho deme slaphuse / tho dem torne / midt handtuathe dat vorgan wasz.

B auen disse rekenscop . hefft vns her Ludeke Hane / In redem gelde vorantwerdet sostich Sundesche marck ock to kerende In behoff / des gadehusz / vor welcker hulpe vnde woldadt / desset Conuent vnd her n mit Querstrich godt / den hern vor ere sele vnd slechte flitigen bidden willen / [Vignette s. Originalseite]

Vignette

A l dit geldt / vorben oe met / Is gekamen tho der kercken tho deckende / tho den glasevinstern / vnd tho dem welffte / [Vignette s. Originalseite]

A lle desse Jennen / de hir vorbenomet sin / de ere allmissen hebben gegeuen / tho der buwethe tho hulpe . vnd ock de noch hir namals to geuende werden / de werden began alle weken midt vilgen vnd midt selemissen / mit vns tho dargun in der kercken / vnde werden delhafftich aller guden wercke / de mit vns sihen in allē tiden / vurder wordenen se sodane aflat . also dar de orden mede begifftiget is / van vnsen geistliken vederen / D / pawese / des doch . gantz vele is / vnd mit enem ringhen mach vordenen dat ewige rike / / dar vns godt alle tho helpe /

A M E N

Vignette
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In den Fenstern der Kirche zu Dargun saßen nun in den letzten Zeiten noch Reste von alten Glasmalereien, welche, außer den Bildern der Heiligen Katharine (nur zur obern Hälfte vorhandene und der Heiligen Barbara, aus Wappen bestanden, nämlich dem vollen Wappen des Herzogs Heinrich mit Schild und Helm, Resten von den Wappen seiner Söhne und 17 adeligen Wappen, welche offenbar aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammten und alle den auf der Denktafel aufgeführten Geschlechtern angehörten, mit Ausnahme eines Wappens des Geschlechts v. Hobe, welches noch nach der Rechnungsablegung eingesetzt sein wird, da es auf der Denktafel ausdrücklich heißt, daß auch derer im Kloster dankbar gedacht werden solle, "welche nachmals hiezu noch geben würden" (und ock de noch hir namals tho geuende werden. ") Von diesen 17 alten Wappen gehörten: 1v. Grabow, 3 Hahn, 1 Höbe, 2 v. Kalant, 3 v. Kardorf, 1 Lehsten, 4 v. Oldenburg, 2 v. d. Osten. Von diesen Wappen gehörten 10, nämlich 3 Hahn, 1 ) 1 Hobe, 2 v. Kalant, 2 v. Kardorf 2 ) und 2 v. d. Osten, dem Style nach zusammen; alle waren von gleicher Arbeit, gleich hoch, 7 1/4" hoch, von einem gleich verzierten blauen Kranze mit vier hervorragenden Blättern eingefaßt, und scheinen die ältesten und vorherrschenden gewesen zu sein, da sie den gleichzeitigen, datirten, schönen, im J. 1859 restaurirten 4 alten Wappen aus der Zeit des schweriner Bischofs Werner Wolmers (1458- 1473) in der Kirche zu Bützow gleichen. Die andern 7 Wappen sind 9" hoch; die 4 v. Oldenburg haben auch einen blauen Kranz, sind aber weniger gut gemalt; 1 v. Grabow und 1 Lehsten sind von einem weißen Kreise eingefaßt, auf welchem zwischen fünf Rosen der Name mit schwarzer Schrift steht; 1 v. Kardorf 3 ) ist jünger, da die Schildzeichen nur mit brauner Farbe auf weißem Glase ausgeführt sind.

Aus diesen letzten Resten der Wappenmalerei, von denen viele schon sehr stark mitgenommen und lückenhaft waren, ergab es sich mit Sicherheit, daß die Seitenfenster der Kirche nur von dickem grünen Glase gewesen waren und jede Fensterabtheilung wenigstens ein Wappen getragen hatte; in der ganzen Kirche ist keine Spur davon zu finden, daß je


1) Abgebildet in Farben in Lisch Geschichte des Geschl. Hahn, Bd. II, T. IV.
2) Abgebildet in Farben in Masch Geschichte der Familie v. Kardorf, T. IV.
3) Abgebildet in Farben in Masch Geschichte der Familie v. Kardorff, T. V.
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die ganzen Seitenfenster sollten gemalt gewesen sein, wie die Fenster der Kirche zu Doberan.

Da die Fenster der Kirche im Laufe der Zeiten sehr schadhaft geworden waren und deren Erneuerung beschlossen ward, so daß im J. 1859 die ersten zwei großen, viertheiligen Fenster des südlichen Kreuzschiffes neu hergestellt werden sollten, so galt es, die noch vorhandenen, seltenen Ueberreste der Wappenmalerei, welche schon sehr schwach im Blei hingen, zu retten, da sie unter keiner Bedingung in ihrem wandelbaren Zustaude wieder eingesetzt werden konnten. Ich faßte daher den Plan, nach erhaltener Billigung Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs, durch Hülfe der noch blühenden Familien, nicht allein die alten Wappen zu erhalten und zu restauriren, sondern auch die fehlenden Wappen, so weit es irgend möglich war, nach Anleitung der Denktafel im alten Geiste und nach alten Wappenbildern und Siegeln neu wiederherzustellen. Ich wandte mich daher an einzelne Personen der noch blühenden Familien, um für die Wiederherstellung des Ganzen, so weit es möglich war, Beiträge zu gewinnen, welche zwar je nach dem Grad und der Art der Theilnahme verschieden, jedoch hinreichend gewesen sind, um das Unternehmen glücklich zu Ende zu führen.

Das Unternehmen bot sehr große Schwierigkeiten dar. Die nächste Schwierigkeit lag in der Unterbringung und Anordnung der Wappen. Außer den drei Fenstern hinter dem Altare, welche für die landesherrliche Familie reservirt bleiben mußten, bot der Chor der Kirche 13 Fenster dar, welche verschieden getheilt und theils zwei=, theils drei=, theils viertheilig und zur Aufnahme zusammengehörender Wappen nach der Zahl der Theilungen oft ungünstig construirt waren; im Ganzen standen 42 Abtheilungen oder "Luchten" zu Gebote, es konnten also 42 Wappen aufgenommen werden. Die nächste Pflicht war, die alten Wappen zu erhalten; nun waren aber z. B. 4 alte Wappen der v. Oldenburg vorhanden, während die Tafel nur einen Oldenburg aufführt; es war ferner 1 v. Kalant, 1 v. Kardorf, 1 v. d. Osten mehr vorhanden, als die Tafel angiebt, und diese nahmen Raum weg. Daher mußten nach der Zahl einige Wappen wegbleiben, wenn eine geringere Betheiligung die Herstellung einer großen Zahl von Wappen verbot. Von anderer Seite erforderten die Wünsche derer Berücksichtigung, welche zu diesem Zwecke mehr als erforderlich beigesteuert hatten. Die zweckmäßige Zusammenstellung nach Größe und Farben mußte nothwendig auch berücksichtigt und dabei eine passende Gruppirung nach den

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Wohnsitzen der Familien und den in der Kirche vorhandenen Leichensteinen nicht übersehen werden. Eine sehr große Schwierigkeit lag aber in der Ermittelung der Wappen der ausgestorbenen Familien und deren Farben. Für die Familien v. Adrum, v. Breide, v. Hagen, v. Schönfeld und v. Schmeker ist die Ermittelung sicher gewesen. Für die Familien v. Barenfleth und v. Stal, für die Pröpste Dietrich Sukow zu Verchen und Peter Warenstorf zu Malchow, so wie für Gerlich Kalf zu Malchin ist die Feststellung unmöglich, für v. Hagenow schwierig gewesen; diese haben also wegbleiben müssen, zumal es für diese an Geld und besonders an Platz fehlte.

Die größte Schwierigkeit lag aber nicht allein in der dem alten Geiste und den alten Wappen gemäßen Herstellung der Wappenzeichen für die neuen Wappen, sondern auch in der so ungemein schwierigen technischen Ausführung, damit die neuen Wappen möglichst den alten auch an Ansehen gleich wurden. Und hiezu konnte ich nirgends bessern Beistand finden, als bei dem Geschichtsmaler Milde in Lübeck, welcher mir, bei aller Achtung vor andern Glasmalern, von allen Malern allein befähigt zu sein schien, ein so schwieriges Werk mit der Treue und Entsagung auszuführen, welche hiebei unbedingt gefordert wird. Tief eingedrungen in das Verständniß der alten Kunst und begabt mit der Kraft, sie auch nach Möglichkeit wiederherzustellen, völlig sicher in den strengen Formen der alten Heraldik und gereift in der alten Sphragistik, selbst Glasmaler, so daß vom ersten, jedesmal viel berathenen Entwurfe nach den besten gleichzeitigen Siegeln und Wappen bis zum fertigen Glasgemälde Alles in einer und derselben geübten Hand lag, war Milde der einzige Mann, mit dem ich von der ersten Idee bis zum Einrahmen und Einsetzen stets Hand in Hand gehen konnte, und daher habe ich auch nicht angestanden, ihm das Werk anzuvertrauen, um so mehr, da ihm in dem Glasermeister J. Achelius zu Lübeck ein mit der Technik der Glasmalerei vertraueter Mann für das Handwerkliche zur Seite stand.

Es mußte eine große Geschicklichkeit und eine vieljährige unverdrossene Sammlung von farbigen Gläsern aller Art vorausgehen, um die alten Farbentöne zu schaffen; viel zu den Wappen verwandtes farbiges Glas ist an Stellen und unter Verhältnissen gesucht und gefunden, wo es der Künstler sonst nicht zu suchen pflegt, da die schönsten, modernen Gläser nach dem Farbentone in der Regel nicht zu gebrauchen waren. Dazu kam, daß die alten farbigen Gläser oft sehr verschieden gefärbt und gebrannt sind, und sich in einer und derselben

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Kranzeinrahmung oft mehrere verschiedene Töne in einer und derselben Farbe finden, z. B. im Blau. Die schwere Aufgabe, den Schein des Alten zu erreichen, ist nach Möglichkeit erreicht. Erhalten sind die kleinsten Stücke von den alten Wappen, und es ist oft schwer zu ermitteln, was alt oder neu ist.

Die Wappen sind alle in gleicher Höhe eingesetzt und alle von außen durch 5 Quadratfuß große Gitter von Kupferdrath gesichert, welche freilich anderthalbmal so theuer sind, als eiserne, aber nach allen, weit reichenden Erfahrungen die größte Dauerhaftigkeit haben.

Für alle sorgfältigen Bemühungen beim Ausnehmen, Einsetzen und Sichern bin ich dem Herrn Amtmann von Pressentin und dem Herrn Baumeister Koch zu Dargun den größten Dank schuldig.

Da die kleinem Wappen von 7 1/4" Höhe, in dem blauen Kranze mit den vier hervorragenden Blättern, bei weitem die schönsten, besten und zahlreichsten und wahrscheinlich auch die ältesten und ursprünglichen waren, so wurden diese zum Muster für die meisten neu gemalten Wappen genommen, wenn nicht vorhandene alte Wappen von anderer Anordnung die Herstellung ähnlicher neuer gebot. Alle diese 32 Wappen von derselben Größe und mit derselben blauen Einfassung sind in die Fenster an der Südseite, zu den Seiten des Altarraumes und am Eingange in die Kirche gesetzt, da sie sich an diesen Stellen am ersten und meisten dem Anblicke darbieten; die übrigen 10 verschieden umrahmten Wappen haben Platz in den Fenstern an der weniger zur Ansicht kommenden Nordseite der Kirche gefunden. Die Wappen der v. Flotow, Hahn und Maltzan stehen über den alten Gräbern und Leichensteinen, welche diese Familien im Kreuzschiffe der Kirche haben, da die alten Hahnschen Wappen über den Hahnschen Leichensteinen standen. Ferner haben die alten Wappen und die dazu gehörenden neuen Wappen ihre Stelle in den Fenstern gefunden, in welchen die alten Wappen vorher standen. Endlich ist bei der Anordnung Rücksicht auf den Wohnsitz genommen, indem an der Südseite der Kirche die Wappen der Familien in dem östlichen Lande Werle oder Wenden und in der Nähe des Klosters im südlichen Kreuzschiffe, der Eingangspforte gegenüber, den Anfang machen und die Wappen der westlichen Familien des Landes Meklenburg neben dem Altare den Schluß bilden; dabei ist möglichst viel Rücksicht auf die Farben genommen, um neben dem Wechsel auch Glanz und Harmonie hervorzubringen.

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Die Zeichnung und Färbung der Wappen ist nach den besten und ausgebildetsten, möglichst gleichzeitigen Mustern des Mittelalters ausgeführt. Für die noch blühenden Familien waren die Hülfsmittel ausreichend, wenn auch schwer herbeizuschaffen und für Glasmalerei anzuwenden. Für die im Lande ausgestorbenen Familien war die Ermittelung der Wappen und deren Farben oft mit sehr großen und zeitraubenden Schwierigkeiten verbunden. Es ist jedoch geglückt, folgende Wappen ausgestorbener Familien, außer den noch vorhandenen alten Wappen, mit Sicherheit herzustellen:

v. Adrum auf Zierstorf: im silbernen Schilde drei schwarze Hahnenköpfe;

v. Breide auf Kittendorf: im rothen Schilde ein silberner Löwe mit goldener Krone;

v. Hagen auf Bukow: im silbernen Schilde drei schwarze Queerbalken;

v. Schmeker auf Wüstenfelde: im längs getheilten Schilde: rechts im blauen Felde ein halber schwarzer Adler, links im goldenen Felde eine halbe rothe Lilie;

v. Schönfeld auf Subzin: im silbernen Schilde ein schwarzer Queerbalken.

Die Farben der Wappen der ausgestorbenen Familien v. Barenfleth, v. Stal und v. Sukow konnten nicht mehr ermittelt werden.


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Folgendes Verzeichniß giebt eine Uebersicht über das ganze Unternehmen und die früher vorhanden gewesenen und die jetzt vorhandenen Wappen, mit Ausnahme der Wappen, deren Herstellung unmöglich gewesen ist:

Übersicht über Familien und Wappen

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Diese 42 Wappen sind folgendermaßen vertheilt und eingesetzt, wobei zu bemerken ist, daß die einzelnen Abtheilungen die 13 Fenster der Kirche bezeichnen.

Verteilung der Wappen

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Was schließlich die Kosten dieses Unternehmens betrifft, so haben die Beiträge dazu ausgereicht. Am 30. Nov. 1858 wandte ich mich unter Darlegung des Zustandes und des Planes schriftlich je an ein bekanntes Mitglied der betheiligten 18 noch blühenden Geschlechter, mit der Bitte, die Sache durch eigene Betheiligung und Verwendung bei andern Familiengliedern zu fördern, da ich unmöglich mit allen einzelnen Gliedern dieser Familien in weitläuftigen Briefwechsel treten konnte, der jedoch zum Theil doch nicht ausgeblieben ist. Mein Vortrag hatte, wenn auch verschiedenen, doch im allgemeinen günstigen Erfolg, so daß ich schon im März 1859 den Muth hatte, die Sache ernsthaft anzugreifen, welche in einem Jahre glücklich ausgeführt ist. Es sind von den Familien Behr, v. Bülow, v. Flotow, Hahn, v. Holstein, v. Kardorf, v. Lehsten, v. Lewetzow, v. Lowtzow, Maltzan, Moltke, v. Plessen und v. Restorf in sehr verschiedenen Beiträgen 678 Thlr. 38 ßl. Cour. in Einnahme gekommen, welche bei den in Lübeck und Dargun bedungenen Preisen vollkommen ausgereicht haben, um so mehr, da die Kirchenbaucasse die Kosten für die Fenster selbst und andere Nebenkosten zu nicht unbedeutendem Betrage bestritten hat. Ich mußte jedoch ganz darauf verzichten, die Preise für jedes einzelne Wappen zu berechnen, was auch schwer möglich gewesen wäre, sondern mußte, wenn das Unternehmen zur Ehre der Familien durchgesetzt werden sollte, die Sache auch als eine Ehrensache betrachten und alle Beiträge in "Einen Topf" werfen und die Kosten des Ganzen aus der Gesammtsumme bestreiten, was auch mehrere Familien wünschten.

Die Ausgaben sind folgende:

für den Glasmaler 188 Thlr. - ßl.,
für den Glaser 274 " -  "
für Emballage 1 " -  "
für Fracht 4 " 35 1/2  "
für das Einsetzen der Wappen 27 " 8  "
für kupferne Schutzgitter 52 " 24  "
für eiserne Rahmen 25 " 18  "
für Bemalen der Rahmen 3 " 35  "
für Reisen 54 " 8  "
für Copialien 4 " 11 1/2  "
für Porto 9 " 7  "
----- ------ ------ ---
644 Thlr. 3 ßl.

Es ergiebt sich hieraus, daß nach Bezahlung aller Rechnungen für die Glaswappen und deren Sicherung durch Kupferdrathgitter noch ein Cassenvorrath von 34 Thlr. 35 ßl.

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Cour. geblieben ist, welchen ich, da er unmöglich zu repartiren und zu restituiren war, im Geiste der betheiligten Familien und des Unternehmens für den Druck und die Versendung des gegenwärtigen Berichts, theils für baare Auslagen, theils als Entschädigung für den Verein für meklenburgische Geschichte laut Berechnung bei demselben verwandt habe.

Die Original=Hauptrechnung, welche ich von dem Herrn Amtmann von Pressentin zu Dargun habe revidiren lassen, steht mit den erwachsenen Acten den Betheiligten bei mir offen und werde ich die Zeichnungen, die Acten und die Rechnung demnächst im Archive niederzulegen Gelegenheit haben. Das Revisionszeugniß lautet folgendermaßen:

Durch Vermittelung des Herrn Archivrath Dr. Lisch zu Schwerin sind in den Fenstern der hiesigen Schloßkirche 42 adlige Wappen, 1 Helm und 2 Tafeln Inschriften theils restaurirt, theils - und meist - im Style der alten Wappen neu hergestellt. Die ganze Arbeit ist in gelungener Weise möglichst in Grundlage der in der Schloßkirche vorhandenen eichenen Denktafel von 1464 und der gezeichneten Beiträge im Sommer dieses Jahres vollendet, die Glastafeln sind in eiserne Rahme gefaßt und durch kupferne Drathgitter geschützt.

Nach der mir von Herrn Archivrath Lisch zugesandten und von mir genau revidirten Rechnung nebst Belägen hat die gesammte Einnahme betragen 678 Thlr. 38 ßl. Cour., die gesammte Ausgabe Ausgabe 644 Thlr. 3 ßl. Cour., so daß noch ein Cassenvorrath von 34 Thlr. 35 ßl. Cour. verbleibt. Dieser dürfte zweckmäßig zu einem correcten Druck der Denktafel=Inschrift von 1464 und eines ausführlichen Berichts in den Jahrbüchern für Mekl. Geschichte über das ganze mühsame und schwierige Unternehmen des Herrn Archivrath Lisch, so wie zum Ueberdruck des letzteren und der Versendung desselben an die Beitragenden verwendet werden.

Dargun, 2. November 1860.

C. v. Pressentin, Amtmann.     


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Nach Vollendung dieser Arbeiten, deren Ausführung zum Ueberblick des ganzen Schmuckes nöthig war, hat Se. Königliche Hoheit der Großherzog am 15. Dec. 1860 geruhet, die Wiederherstellung und Ergänzung der übrigen Reste der alten Glasmalereien zu befehlen und dem Glasmaler Gillmeister in Schwerin zu übertragen. Es waren im Chor der Kirche noch die drei Fenster hinter dem Altare ohne malerischen Schmuck übrig geblieben, von denen das mittlere gerade hinter dem Altare fünftheilig, die beiden Fenster zu den beiden Seiten zweitheilig sind. Es waren noch ansehnliche Ueberreste von zwei herzoglichen Wappen mit Helmen und von zwei Heiligenfiguren: die H. Katharina (halb) und die H. Barbara (ganz) vorhanden, schöne, achtungswerthe Arbeiten. Da nun nach der Denktafel fünf Herzoge: der Herzog Heinrich mit seinen vier Söhnen, Albrecht, Johann, Magnus und Balthasar, den Ausbau des Chores und der Fenster befördert haben, so schien es durchaus angemessen, die Wappenschilde und Helme dieser fünf Herzoge mit Unterschriften getreu nach den vorhandenen, ziemlich ausreichenden alten Ueberresten herzustellen und in die fünf Abtheilungen des Fensters zu stellen. Da die beiden Seitenfenster zweitheilig waren, so ward beschlossen, die beiden alten Figuren der H. Katharine und der H. Barbara in das eine Fenster zu setzen und für das andere zweitheilige Fenster die Figuren der beiden Schutzheiligen des Klosters Dargun, der Jungfrau Maria und des H. Benedict, im alten Style neu anzufertigen.


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Die Kirche zu Bernit
und
ihre Wandmalereien.

Die Kirche zu Bernit bei Bützow ist zwar in den Jahrbüchern XXII, 1857, S. 314 flgd. von C. D. W., und der Altar von mir in den Jahrb. XXIV, S. 344, gründlich beschrieben, bedarf aber jetzt einer ausführlichem Darstellung da die Kirche seitdem der Restauration unterworfen gewesen ist, bei welcher sehr seltene und merkwürdige Kunstwerke zum Vorschein gekommen sind. Die Kirche stand in alten Zeiten unter dem Patronat des Klosters Rühn, und daher mag die künstlerische Ausstattung derselben kommen.

Die Kirche besteht aus einem niedrigen rechteckigen Chor, welches mit einem Gewölbe bedeckt ist, und aus einem breitern und höhern Schiffe, welches aus zwei gewölbten Rechtecken in der Länge besteht, welche auch durch einen starken, breiten Bogen getrennt sind; das westliche Rechteck des Schiffes springt etwas vor dem östlichen vor. Der Triumphbogen zwischen Chor und Schiff hat, da der Chor sehr viel niedriger ist, als das Schiff, eine verhältnißmäßig sehr kleine Bogenöffnung, und daher wendet der Triumphbogen dem Schiffe eine sehr breite Seitenfläche zu. Aus den verschiedenen Breiten der drei Rechtecke und den beiden starken Bogen, durch welche sie getrennt sind, dürfte sich schließen lassen, daß die drei Rechtecke der Kirche zu verschiedenen Zeiten, wenn auch bald hintereinander, gebauet sind. Der Thurm ist ein etwas jüngerer Bau von gleicher Breite mit dem westlichen Ende des Schiffes.

Die ganze Kirche ist im Allgemeinen von gespaltenen und an den Ecken behauenen Feldsteinen gebauet und nur die Thür= und Fensteröffnungen und die Thurmspitze sind von Ziegeln aufgeführt; die Bogen und Gewölbe im Innern bestehen selbstverständlich aus Ziegeln.

Der Bau der Kirche stammt aus der Zeit des Uebergangsstyls und zwar aus der jüngern Zeit desselben. Die grade Altarwand hat zwei niedrige Fenster, eben so viel die südliche Chorwand. Alle diese Fenster sind ursprünglich im Uebergangsstyle gewölbt gewesen; es ist sehr viel daran geändert und herumgebauet, so daß rundbogige Wölbungen nur scheinbar sind. Das höhere Schiff hat ähnliche, jedoch etwas jüngere Fenster gehabt, von denen nur noch das westliche Fenster der Nordwand in der Construction erhalten, wenn auch jetzt mit Feldsteinen zugemauert ist. Unter jedem Gewölbe stand in jeder Wand ein gekuppeltem Doppelfenster wel=

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ches aus zwei hohem, schmalen Fenstern im Uebergangsstyle bestand, in deren oberm Zwickel eine kleine Rose oder ein Rundfenster angebracht ist. Diese Construction zeigt nur noch, wie gesagt, das westliche Fenster der nördlichen Schiffwand. Die übrigen drei Fenster des Schiffes sind in jüngern Zeiten ausgebrochen, und jedes zu einem, ungetheilten, rechtwinklig durch die Wand gehenden, ungegliederten Fenster umgestaltet, welches keine reine und ursprüngliche Wölbung mehr zeigt.

Alle Gewölbe haben Gewölberippen.

Die Pforten, Gurtbogen und Gewölbe sind ebenfalls im Uebergangsstyle aufgeführt. Der Chor hat einen Fries aus gestürzten Treppengiebeln auf Putzgrund. Der östliche Giebel hat an den Seiten einen Rundbogenfries aus flach aufgetragenem Kalkputz, "eine Eigenthümlichkeit, welche sonst im Lande noch nicht bemerkt" ist. Dies ist die einzige Andeutung an den romanischen Styl an der ganzen Kirche.

Ich halte dafür, daß die Kirche in den letzten Zeiten des Uebergangsstyls erbauet ist, oder vielmehr, daß der Chor in die letzte Zeit des Uebergangsstyls (etwa 1240) das Schiff in die erste Zeit des gothischen Styls (etwa 1280) fällt.

Dies ist im Allgemeinen der Styl, dessen Beschreibung zum Verständniß des Folgenden nothwendig ist.

Im Thurmgebäude liegt noch ein altes, würdig gestaltetes, großes Taufbecken aus Granit, dessen glockenförmiger Fuß zur Basis eines Pfostens im Thurmgebäude verwendet ist.

Von den drei Glocken hat die eine größere die Umschrift

Umschrift

und auf dem Mantel in Umrissen die Bilder der Jungfrau Maria und der H. Katharina. Die verzierten Buchstaben in gothischer Majuskel sind sehr schön und fallen wohl in den Anfang des 14. Jahrhunderts. Die zweite größere Glocke hat am obern Rande nur die Buchstaben A   M . Beide Glocken sind entweder zur Zeit der Erbauung des Schiffes oder bald darauf zur Zeit der Ausmalung desselben gegossen.

Die kleinste Glocke stammt aus jüngern Zeiten und hat die Inschrift:

Inschrift

Der aus dem Anfange des 16. Jahrh. stammende, große, gute Flügelaltar hat in der Vorderansicht in der Mitteltafel die Jungfrau Maria und die Heiligen Katharine, Georg und Erasmus und in den Flügeln die zwölf Apostel und wird gegenwärtig (1861) restaurirt.


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Diese Kirche ist nun höchst merkwürdig durch eine so alte, durchgehende und schöne Wandmalerei, 1 ) wie sie bisher sonst im Lande nicht gefunden ist. Diese Malerei findet sich jedoch nur im mittlern Rechteck der Kirche oder in der östlichen Hälfte des Schiffes, wodurch die Annahme bestätigt werden würde, daß die drei Rechtecke der Kirche zu verschiedenen Zeiten erbauet sind. Nach dem Grundsatze, daß in der Regel die innern Wände nach der Farbe des Baumaterials decorirt und die innern Wände der Feldsteinkirchen mit Kalkputz übertragen sind, ist die Kirche im Innern mit Kalk geputzt, welcher jetzt eine gelblich=graue Farbe erhalten hat. Auf diesen Kalkputz sind nun große figürliche Darstellungen gemalt, welche wahrscheinlich im Anfange des vorigen Jahrhunderts mit Weißkalk übertüncht sind. Das ganze mittlere Rechteck der Kirche ist in Einem, schönen Gedanken bemalt und die Malereien sind im Monate Julii 1859 frei gelegt. Im Chor und im westlichen Rechteck der Kirche sind keine Malereien aufgefunden.

Die Wandmalereien bestehen hauptsächlich aus figürlichen Darstellungen in Lebensgröße. Ich möchte diese Malereien in die Zeit der Erbauung des mittlern Rechtecks der Kirche, oder sonst in das Ende des 13. Jahrhunderts oder spätestens in den Anfang des 14. Jahrhunderts setzen. Dafür spricht der Styl in den edlen, langen Gestalten, in der Würde und Einfachheit der Technik und der Farben und in vielen Einzelnheiten der Ausstattung. Der H. Georg und die Krieger sind noch mit blauen Ringpanzern bekleidet, und die oft vorkommenden, zweischneidigen, nicht langen Schwerter haben einen kurzen Griff, einen großen, runden, platten Knopf und eine kurze Parierstange. Vor allen Dingen sind aber die oft vorkommenden Inschriften entscheidend, welche in gothischer Majuskelschrift gemalt sind, und zwar in den ältern Formen, indem N und N , T und t wechseln, M (statt M) gar nicht vorkommt, c und e aber durchgeführt erscheinen. Ich möchte daher die Malereien in die Zeit 1280-1320 setzen. Jedenfalls müssen sie vor dem Jahre 1350 ausgeführt sein, da um diese Zeit die Majuskel der Minuskel weicht.

Von der Sockelmalerei ist wenig zu erkennen. An einer Stelle ist etwa 6 Fuß hoch über dem Fußboden ein altes bischöfliches Weihkreuz gemalt. Daneben bemerkt man in gleicher Höhe am Triumphbogen Spuren von einem rauten=


1) Die erste Entdeckung dieser Wandmalereien machte der Herr Bauconducteur Studemund zu Bützow, welcher mit dem Ausbau der Kirchen zu Bützow und Bernit betraut war.
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förmigen Gitterwerk in schöner rother Farbe und über diesem einen rothen Fries oder eine Leiste. Der Triumphbogen ist mit gemalten, sehr großen Quadern in sehr schöner rother Farbe eingefaßt.

Ueber dem Fries, ungefähr in der Höhe, wo die Wölbung des Triumphbogens anfängt, beginnen die figürlichen Wandmalereien. Die Seitenwände sind auf ungefärbtem Kalkputz mit natürlichem Rankenwerk bemalt, die südliche Seitenwand mit Rosen (wahrscheinlich als Hindeutung auf Maria und deren Bilder), die nördliche Seitenwand mit Weinlaub (wahrscheinlich Hindeutung auf Christus). Von den figürlichen Malereien ist auf jede Seitenwand auf jeder Seite eines Fensters eine Gemäldegruppe vertheilt.

Auf der südlichen Seitenwand sind in der östlichen Hälfte unter Rosenranken zwei große Figuren neben einander sichtbar, welche neben einem architektonischen Kreuze aus rothen Grenzlinien mit langem Stamme und rosettenartig ausgeschweiften oder kleeblattförmigen Balkenenden stehen. Ganz gleich gemalte Kreuze sind zu gleicher Zeit von dem Maler Milde in dem Chorgewölbe der alten, romanischen Kirche zu Semlow in Pommern bei Marlow entdeckt. Die rechts stehende dieser beiden Figuren ist eine weibliche Figur, welche ein noch klar zu sehendes, aufgerichtetes Schwert hält, also ohne Zweifel die H. Katharine. Die Figur zur Linken ist nicht mehr erkennbar; vielleicht ist der H. Erasmus abgebildet gewesen, so daß auch auf den Seitenwänden die Hauptfiguren des Altars dargestellt gewesen sind; denn auf der Wand gegenüber steht der H. Georg. - Auf der westlichen Hälfte der südlichen Seitenwand ist kein Gemälde entdeckt, da hier eine Eingangsthür ist und die Wand darüber durch scheinbar wiederholte Veränderung und Erneuerung des Thürbogens wohl viel gelitten hat. Vielleicht hat dieser Theil der Wand auch nie ein Gemälde gehabt.

Die nördliche Seitenwand ist auf dem Kalkputze mit Weinranken, mit röthlichen Ranken und Blättern und mit jetzt schwarz gewordenen Trauben bemalt. In diesen Weinranken steht an jeder Seite des Fensters ein großes Gemälde: in der westlichen Hälfte der Wand der H. Georg zu Roß, wie er den Drachen tödtet, in der östlichen Hälfte die Kreuztragung Christi, von Kriegern geführt. Diese Gemälde sind jetzt durch die Emporen verdeckt, welche im J. 1859 errichtet sind.

Alle diese Figuren haben Lebensgröße.

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Die westliche, der Gemeinde zugekehrte Fläche des Triumphbogens, welche sehr weit in die Kirche hineinspringt, ist mit einem sehr großen Gemälde bedeckt gewesen, welches jedoch äußerst lückenhaft war. Das Ganze scheint den Sündenfall dargestellt zu haben. In der südlichen Hälfte scheint Gott in riesenmäßiger Gestalt und neben ihm ein Engel unter einem Baume dargestellt zu sein. In der nördlichen Hälfte ist noch der Baum des Paradieses erkennbar, um den sich die Schlange mit einem Menschenkopfe windet. Neben dem Baume stehen Adam und Eva. Ueber dem Baume hangen von oben herab zwei große Wageschalen, deren eine, welche Gott am fernsten steht, mit kleinen Gestalten gefüllt ist und von zwei Armen (eines Teufels?) mit Krallen herabgezogen wird. An jedem Ende der Wand des Triumphbogens ist eine große Heiligenfigur erkennbar. - In der Mitte des Triumphbogens steht hoch über der Bogenöffnung und unter dem in der darüber stehenden Gewölbekappe thronenden Christus die Jungfrau Maria mit dem Christkinde.

Der bedeutendste und noch ziemlich gut erhaltene Schmuck scheint aber in die Gewölbekappen verlegt zu sein.

In jedem untern Zwickel der Gewölbekappen, ungefähr in gleicher Höhe mit den Gemälden auf dem Triumphbogen, steht ein drachenähnliches Thier, welche alle verschieden sind. Diese Drachen oder Lindwürmer versinnbildlichen die Welt, die durch die Erlösung befreiet ist, welche durch die großen Gemälde in den Gewölbekappen nach rein biblischem Geiste dargestellt wird.

Von den Gewölberippen ist die von Südwest nach Nordost durchgehende grün, die von Nordwest nach Südost durchgehende roth bemalt gewesen. Das Gewölbe hat einen einfachen Schlußstein.

Die reichen Darstellungen der Gewölbekappen bestehen aus lebensgroßen Figuren, in einfachen Farben, roth gelb und grün, jedoch ist roth und gelb vorherrschend.

Die südliche Gewölbekappe, über der Eingangsthür, enthält zwei Darstellungen neben einander: Christi Geißelung und Christi Kreuztragung, jede aus drei Figuren bestehend. Zur Rechten, gegen Osten hin, ist Christi Geißelung: Christus ist an eine Säule gebunden; zur Rechten neben ihm steht ein Knecht mit Ruthe und Geißel, zur Linken ein Knecht mit einer Ruthe und einem Knüppel oder einer Gabel. Zur Linken, gegen Westen hin, ist Christi Kreuztragung: Christus trägt das Kreuz; zur Rechten steht ein Knecht mit

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einer Lanze, zur Linken ein Knecht mit einem Beil. - Zwei Knechte haben Spitzhüte auf den Köpfen.

Die nördliche Gewölbekappe enthält die Kreuzigung Christi und zwei Apostelfiguren, im Ganzen fünf Figuren. In der Mitte ist Christus am Kreuze auf der Schädelstätte, auf welcher am Kreuzesstamme ein Schädel liegt; die Füße Christi sind über einander gelegt. Zur Rechten steht Maria anbetend, zur Linken Johannes Ev. trauernd, mit einem Buche im Arme. Zu äußerst rechts steht der Apostel Bartholomäus, mit dem Messer in der rechten Hand und einem großen Spruchbande, auf welchem in großen Buchstaben das Wort S A N c TVS steht, in der linken Hand. Zu äußerst links steht der Apostel Jacobus d. ä., mit Hut, mit dem Pilgerstabe und Beutel, Hut und Beutel mit der Muschel verziert, in der linken Hand und mit einem gleichen Spruchbande mit dem Worte S A N c TVS in der rechten Hand.

Die westliche Gewölbekappe enthält drei Darstellungen. In der Mitte ist Christi Auferstehung: Christus mit der Siegesfahne tritt aus dem Grabe, neben welchem drei Kriegsknechte schlafend liegen, zwei vor dem Grabe und einer hinter dem Grabe. Die Kriegsknechte sind mit Ringpanzern bekleidet und haben kurze Schwerter und altförmige Schilde, beide in den Formen des 13. Jahrh., in den Händen. Zur Rechten davon ist Christi erste Erscheinung nach der Auferstehung am Ostermorgen vor der Maria Magdalena: Christus erhoben mit der Siegesfahne, segnend, zur Rechten von ihm eine anbetende weibliche Figur. Zur Linken davon ist Christi Höllenfahrt: Christus mit der Siegesfahne tritt vor den mit Teufeln besetzten Höllenrachen, den weit aufgerissenen Rachen eines großen Ungeheuers, aus welchem er einen bärtigen Mann mit einer Frau an der Hand, denen ein anderer bärtiger Mann folgt, herausholt.

Die östliche Gewölbekappe enthält den thronenden Christus und andere Figuren, im Ganzen fünf Figuren. In der Mitte in einer parabolischen Glorie (Osterei) oder einer alten architektonischen Einrahmung in parabolischer Form ohne Strahlen sitzt Christus auf einem Regenbogen, am Munde mit zwei kurzen Schwertern (nach der Offenbarung Johannis 1, 16: "Und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert"), die rechte Hand zum Segnen erhoben. An den vier Enden der parabolischen Einrahmung stehen die vier Evangelisten=Symbole, welche ein Spruchband mit dem Namen tragen, oben zur Rechten ein Mensch oder

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Engel mit Flügeln mit dem Namen M A t h e VS, oben zur Linken ein Adler mit dem Namen IOhI A N N e S, unten zur Rechten ein geflügelter Löwe mit dem Namen M A R c VS, unten zur Linken ein geflügelter Stier mit dem Namen LV c A S . e W A . An jeder Seite Christi knieet eine anbetende Figur, mit Heiligenschein, ohne Flügel, zur Rechten eine weibliche Figur (Maria), zur Linken eine bärtige männliche Figur (Johannes d. T.). Eine gleiche Darstellung war auf dem Altar in der fürstlichen Begräbnißkapelle zu Doberan, auf welcher auch ein thronender Christus mit zwei Schwertern am Munde und zur Rechten Maria, zur Linken sicher Johannes d. T., in Felle gekleidet, knieend dargestellt waren (Vgl. Jahrb. XIX, S. 365 - 366). - Zu äußerst rechts von Christus und den anbetenden Figuren steht der Apostel Petrus mit einem aufgerichteten großen Schlüssel in der rechten Hand und einem großen Spruchbande mit dem Namen S A N c TVS P e TRVS in der linken Hand. Zu äußerst links steht der Apostel Paulus mit einem Schwerte in der linken Hand und einem großen Spruchbande mit dem Namen S A N c TVS P A VLUS in der rechten Hand.

Die beiden untern Zwickel dieser östlichen Gewölbekappe und der östliche Zwickel der nordöstlichen Gewölbekappe enthalten von den übrigen etwas abweichende Darstellungen. Während die übrigen Zwickel kleine drachenartige Unthiere in roth und gelb enthalten, hat der nördliche Zwickel der östlichen Gewölbekappe ein weibliches Gebilde mit einem abgerundeten und zugespitzten Kleide, welches einen Pfeil vom Bogen geschossen hat, der Zwickel daneben in der nördlichen Kappe östlich ein ähnliches weibliches Gebilde, welches mit der ausholenden rechten Hand eine Handpauke schlägt, und der südliche Zwickel eine weibliche Figur, welche ein Faß anzapft, und hinter derselben einen kleinen grünen Teufel ("Grasteufel"?).

Diese Darstellungen gleichen ganz den Darstellungen auf den alten Antipendien aus der zweiten Hälfte des 13. oder der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, namentlich den Darstellungen auf dem Antipendium vor dem Altare in der Klosterkirche zu Lüne, welches Waagen in die Zeit um 1260 setzt und auf welchem die elliptische Einrahmung mit den Evangelisten=Symbolen (wenn auch mit anderer Hauptdarstellung nach der Bestimmung), Christi Geißelung, Kreuzigung, Auferstehung und Höllenfahrt fast ganz eben so, wie in Bernit, dargestellt ist; vgl. die Alterthümer der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne, herausgegeben vom Alterthumsvereine

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in Lüneburg, vierte Lieferung, Lüneburg, 1857, S. 5 flgd. und Abbildung.

Es ist gelungen, die Gemälde in den Gewölbekappen von der Kalktünche vollständig und klar zu befreien und gewissenhaft durch Ausbessern wiederherzustellen, 1 ) wozu das hohe Ministerium die Kosten außerordentlich bewilligt hat.

Auf dem östlichen Gewölbe über dem Altare und dem westlichen Gewölbe am Thurme, von denen das erstere älter, das letztere jünger ist, als das bemalte mittlere Gewölbe, sind bis jetzt nach genauen Untersuchungen keine Gemälde entdeckt.


Der Altar (vgl. Jahrbücher XXIV, S. 344 flgd.) welcher gegenwärtig restaurirt wird, ist ein ziemlich großer und gut gearbeiteter Flügelaltar, welcher nach den sich hier wiederholenden Eigenthümlichkeiten des im J. 1503 vollendeten großen Altars der Kirche zu Bützow sicher aus derselben Zeit stammt und wahrscheinlich von demselben Künstler gemacht ist. In der Mitteltafel stehen vier durchgehende große Figuren, in der Ansicht von der Linken zur Rechten: 1) der H. Erasmus, in einem Grapen stehend (vgl. Jahrb. a. a. O.), mit Bischofsmütze und Bischofsstab und mit der Winde in der linken Hand, 2) die Jungfrau Maria, auf dem Halbmond, mit dem Christkinde auf dem Arme, 3) die H. Katharina mit Schwert und Rad, 4) der H. Georg mit Lanze und Drachen. Diese Heiligenbilder scheinen auch auf den Seitenwänden der Kirche dargestellt gewesen zu sein. Die beiden weiblichen Heiligen sind dieselben, welche auf der großen Glocke stehen. Auf den queer getheilten Flügeln stehen die zwölf Apostel. Auf den Rückwänden der Flügel befinden sich vier ziemlich gute, jedoch schon verfallene Gemälde: 1) die Heimsuchung Maria, 2) die Verkündigung Maria, 3) die Anbetung der H. Drei Könige, 4) die Beschneidung Jesu.

Auf dem Schlußsteine des Chorgewölbes über dem Altare ist eine alte Gewölbescheibe aus Eichenholz angebracht,


1) Ich fühle mich verpflichtet, dem leitenden Herrn Bauconducteur Studemund zu Bützow für seinen lebhaften und gewissenhaften Eifer in der Entdeckung, dem Herrn Erbpächter Stoffer zu Bernit für seine rege Theilnahme und die vielfachen großen Opfer für die Sache und dem Herrn Maler Fr. Lange aus Bützow für die Treue und Geschicklichkeit bei der Wiederherstellung die aufrichtigste Anerkennung zu zollen.
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welche das Brustbild des Apostels Petrus in flachem Relief enthält. Die Zeichnung, namentlich in der Gewandung, ist sehr gut und die Reliefarbeit vortrefflich und verständig, wenn auch nach der Bestimmung flach, ausgeführt. Die Arbeit scheint aus dem Ende des 14. Jahrhunderts zu stammen.

Ein bis jetzt zurückgesetztes colossales Crucifix ist ebenfalls sehr gut gearbeitet.

Zur rechten Hand des Altars ist in der nördlichen Wand ein kleiner Monstranzschrein oder ein Tabernakel mit altem Eisenbeschlage. Die Mauernische ist inwendig blau bemalt und mit goldenen Sternen verziert und außer durch die Thür durch ein roth angestrichenes eisernes Gitter versichert. Die innere Fläche der Thür zeigt, wenn sie aufgeschlagen wird, die auf Goldgrund gemalte Darstellung des gegeißelten Christus.

In der Hinterwand rechts hinter dem Altare ist ein zweiter, kleiner, mit altem Eisenbeschlage stark versehener Wandschrein, wahrscheinlich ein Geldschrank.

Die Kirche besitzt auch noch einen theilweise alten Kelch, von dem jedoch nur noch der Griff alt ist; die Schale und der Fuß von Silber sind neu und ziemlich schlecht an den Griff gesetzt. Der Griff ist sehr kräftig und gut gearbeitet und hat wie gewöhnlich 6 Knöpfe, auf denen die Buchstaben des Namens ihecus (mit einem c) stehen. Zwischen je zwei Knöpfen sitzt vertieft ein kleines Marienbildchen. Der Griff ist stark vergoldet.

G. C. F. Lisch.     

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Glocke von Barnin.

Die im J. 1859 umgegossene Glocke 1 ) von Barnin hatte folgende Inschrift in einer Reihe:

Inschrift

jedoch kein Gießerzeichen.

D. C. W.     


1) Der Herr Dr. Crull zu Wismar hat den Sammlungen einen Gypsabguß von dem Stücke der zerschlagenen Glocke, welches die Jahreszahl und die Verzierungen enthält, geschenkt.
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III. Zur Münzkunde.


Der Silberfund von Schwaan,

beschrieben

von dem Archiv=Rath Dr. Lisch in Schwerin

und

dem Archiv=Rath Pastor Masch zu Demern.


Mit einer Kupferstichtafel.


Der Fund.

Am 18. October 1859 ward auf dem am linken Ufer der Warnow liegenden Theile der Feldmark der Stadt Schwaan in Meklenburg=Schwerin, auf dem Acker des Kaufmanns und Ackerbürgers Herrn Lewerenz, beim Pflügen ein thönernes Gefäß voll silberner Schmucksachen und Münzen gefunden. Der Acker liegt in der Linie zwischen der Stadt Schwaan und dem Kirchdorfe Neuenkirchen, also der am rechten Warnow=Ufer liegenden ehemaligen wendischen Fürstenburg Werle nahe schräg gegenüber, von welcher in alten Zeiten eine Brücke und ein Weg auf die Gegend von Neuenkirchen ging; der Fund kann also eben so gut mit Werle als mit Schwaan in Verbindung gebracht werden. Auf dem Acker lag ein großer Granitblock, welcher beim Vergraben des Schatzes ohne Zweifel als Merkstein benutzt war. Der Dienstknecht des Herrn Lewerenz pflügte diesmal sehr nahe an den Stein hinan, fühlte aber dabei ein Hemmniß und fand auf der Spitze der Pflugschar einen großen und dicken silbernen Kopfring und daneben mehrere silberne Münzen; er stellte daher die Pflugschar tiefer und warf nun das Gefäß mit dem übrigen Inhalt


*) Dieser Aufsatz ist auch gedruckt in Köhne Zeitschrift für Münz=, Siegel= und Wappenkunde, Neue Folge, Band I, 1861, 258 flgd.

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in die nächste Furche. Der Pflug hatte zuerst auch den obern Theil des Gefäßes mitgefaßt und zertrümmert und dabei den Ring, der obenauf gelegen hatte, aufgenommen. Der Stein ward nun von seinem alten Ruheplatze gebracht und die Stelle ganz umgegraben: es ward aber nichts weiter gefunden, als was das Gefäß enthalten hatte. Das Silber ist also ohne Zweifel ein in Zeiten der Gefahr vergrabener Schatz.

Der Herr Burgemeister Daniel zu Schwaan brachte in seiner eifrigen und theilnehmenden Sorge für die Denkmäler des Vaterlandes den ganzen Fund sogleich in obrigkeitliche Sicherheit, erstattete schleunigst Bericht und leiste eine angemessene Vermittelung ein, so daß die Erhaltung des seltenen Schatzes ihm zu verdanken ist. Herr Lewerenz erbot sich sogleich, den Fund, gegen Erstattung des reinen Metallwerthes, das Loth zu 3/4 Thaler, an ihn und seinen Dienstknecht, dem Staate abzutreten, wenn derselbe den öffentlichen Sammlungen einverleibt werden würde. Se. Königliche Hoheit der Großherzog geruhete daher, die abgeschätzte und geforderte Summe von 133 1/2 Thalern auszahlen zu lassen und den Fund der großherzoglichen Sammlung zu überweisen.

Es wurden nun aus dem ersten Funde von Herrn Lewerenz ausgeliefert:

1) ein Kopfring und drei Armringe 13 Loth
2) viele zerhackte Ringe, Barren und kleineres Geschmeide 48   "
3) ungefähr 850 ganze oder wenig beschädigte Silbermünzen 64   "
4) ungefähr 1550 zerschnittene und in kleine Stücke zerbrochene Münzen, auch zerbrochenes Geschmeide 50   "
5) ganz kleine Bruchstücke allerlei Art 3   "
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178 Loth
Bei der Umgrabung der Fundstelle wurden noch mehrere Münzen und Schmuckbruchstücke gefunden, welche Herr Lewerenz der Münzsammlung nachträglich am 5. Novbr. zum Geschenk machte 4 1/2   "
Der Herr Amts=Exspectant Kranitzky zu Schwaan fand auf der Fundstelle nachträglich noch 2 Münzen und mehrere kleine Schmuckbruchstücke, welche derselbe mit Wissen des Herrn Lewerenz am 7. Novbr. zum Geschenk einsandte 1/2   "
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183 Loth
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  183 Loth
Endlich hatte die Münzsammlung der Universität Rostock aus spätern Funden auf der Fundstelle noch 15 ganze Münzen, 37 Bruchstücke von Münzen und 20 kleine Bruchstücke von Schmucksachen nach und nach angekauft, welche dieselbe, da sie keinen besondern wissenschaftlichen Werth hatten, durch Vermittlung des Herrn Bibliothekars Barons Dr. v. Nettelbladt am 9. April 1860 der großherzoglichen Sammlung zum Geschenk machte 3   "
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Der ganze Fund, welcher ohne Zweifel ganz vollständig zusammengebracht ist, hatte also das Gewicht von 186  Loth

Es haben sich freilich die sehr vielen kleinen Bruchstücke nicht gleich vollständig scheiden lassen; es wird jedoch der Wahrheit ziemlich nahe kommen, wenn man annimmt, daß der Fund 66 Loth ganze und zerstückelte und zerbrochene Münzen enthielt. Von den Münzen mochten wohl 900 vollständig oder doch in Bruchstücken genau bestimmbar sein. Auf eine ganz genaue Bestimmung der Gewicht= und Zahlenverhältnisse kann es jedoch nicht ankommen, da der Fund eine sehr große Masse von ganz kleinen Bruchstücken enthält.

Das Thongefäß,

in welchem der Schatz gelegen hatte, war freilich in der obern Hälfte durch den Pflug zertrümmert; jedoch war die untere Hälfte, in welcher die Münzen und die Schmuckbruchstücke gelegen hatten, vollständig erhalten, und von der obern Hälfte wurden noch so viel zusammengehörende Bruchstücke gefunden, daß sich die Gestalt zu der hieneben stehenden Abbildung vollständig und sicher herstellen ließ. Das Ge=

Thongefäß
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fäß, 6 1/2" hoch und 7 1/2" weit, von dunkelbrauner Farbe, ist nach heidnischer Weise aus freier Hand ohne Töpferscheibe verfertigt, d. h. aus Thon mit Kies oder zerstampftem Granit durchknetet und nicht fest gebrannt, sondern nur am offenen Feuer gedörrt; es ist nach wendischer Weise am Rande mit Wellenlinien verziert, wie gewöhnlich die häuslichen Gefäße der Wenden, jedoch reicher als die gewöhnlichen wendischen Gefäße, so daß sich daraus wohl schließen läßt, daß es aus einem reichen Hause stammt. Das Gefäß hat insofern auch einen großen Werth, als sich durch die Münzen die Zeit der Verfertigung bestimmen läßt und daß es also ungefähr dem Jahre 1030 nach Chr. angehört.

Das Innere des Gefäßes bot aber auch eine andere, höchst merkwürdige Erscheinung dar. Das Gefäß war nämlich ganz mit Streifen von äußerst weißer Birkenrinde ausgelegt, welche sich noch jetzt genau den Formen des Gefäßes anschließen und das Innere vollständig bedecken und in sich zusammenhalten, so daß man diese ohne Heftung nur zusammengelegte Ausfutterung in der Gestalt des Gefäßes aus demselben herausheben kann. Diese Birkenrindenausfutterung ist nun vollkommen und ziemlich fest erhalten 1 ), so daß auch die eigenthümlichen Farben und Zeichnungen der Rinde unversehrt sind, obgleich das Gefäß mit der Oeffnung nach oben unbedeckt und ungeschützt ungefähr 1 Fuß tief unter der Erdoberfläche über 800 Jahre lang dem Einflusse der Erdfeuchtigkeit ausgesetzt gewesen ist. Es liegt sicher eine tiefere Absicht und Erfahrung bei diesem Verfahren zum Grunde, da die Birke bekanntlich viele erhaltende Eigenthümlichkeiten hat. Ob es der Birkenrinde zuzuschreiben ist, daß

das Silber

unter sehr ungünstigen Lagerungsverhältnissen, mit Ausnahme weniger Münzen, ganz frei von Rost war, läßt sich wohl schwer entscheiden; die Reinheit des Silbers wird nicht allein Ursache der Rostfreiheit sein, da dieselben Münzen unter andern Verhältnissen oft ziemlich stark oxydirt sind.


1) Zu Herzfelde, zwischen Boizenburg und Templin in der Ukermark, wurden 8 Fuß tief unter Moder fünf neben einander liegende Eichenstämme und unter denselben 40 Stück Bronzen aus der Bronzeperiode gefunden; "merkwürdig war noch eine große Menge von Birkenrinde, welche, wenig schwerer als die Rinde heutiger Bäume, Jahrhunderte hindurch unversehrt geblieben ist". Bericht des Superintendenten Kirchner zu Gransee, im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1860, Oct., Nr. 10, Beilage, S. 390-391.
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Vergleichung.

Der Fund von Schwaan hat eine sehr große Aehnlichkeit mit dem Funde von Vaalse auf Falster vom Jahre 1835 (beschrieben in Annaler of nordisk oldkyndighed, Kjöbenhavn, 1842-43, p. 22 flgld., mit Abbildungen) und dem Funde von Obrzycko vom Jahre 1842 (beschrieben von Dr. Julius Friedländer, Berlin, 1844), von denen der erstere keine nach 990 geprägte Münze enthält, der letztere spätestens 990 vergraben ist. Die Münzen des schwaaner Fundes gehen freilich in etwas jüngere Zeiten hinab, haben aber in mancher Hinsicht doch viel Uebereinstimmung mit den Münzen der genannten beiden Funde. Dagegen sind die Schmucksachen von Schwaan mit denen dieser beiden Funde ganz gleich, namentlich die größern und schwerern Sachen denen aus dem Funde von Vaalse, die kleinern und feinern denen aus dem Funde von Obrzycko. Auch der Fund von Farve 1847 (beschrieben von Julius Friedländer und Müllenhoff im fünfzehnten Bericht der schleswig=holstein=lauenburg. Gesellschaft für vaterländ. Alterthümer, 1850,) bietet manche Aehnlichkeit, jedoch sind die Münzen von Farve jünger, indem dieselben bis zum Jahre 1040 und weiter hinab reichen. Der Münzfund von Schwaan wird ungefähr zwischen die Funde von Vaalse und Farve fallen.


Schmuck-, Barren- und Ring-Silber.

I. Kopf= und Arm=Ringe.

Ziemlich vollständige, größere Schmucksachen:

1 Kopfring, 3 Armringe und 1 Endbruchstück von einem Kopfringe, im Ganzen über 13 Loth, richtiger 13 1/2 Loth schwer. Die einzelnen Gegenstände sind:

1) Ein Kopfring, 7" im Durchmesser, aus geflochtenem, nach den Enden hin dünner werdendem oder konischem Silberdrath, aus 6 Dräthen geflochten, welche in der Mitte glatt, an den Enden gewunden sind und deren Enden in ovale gravirte Platten mit einem Oehr und einem Haken auslaufen, 9 Loth schwer, ähnlich wie der Ring von Vaalse, Tab. III, Fig. 18, vgl. Worsaae Afbildninger, 1. Aufl. Nr. 356, 2. Aufl. Nr. 454.

2) Ein Armring von ähnlicher Arbeit, 2 3/4 im Durchmesser, aus sechs geflochtenen, konischen Silberdräthen geflochten,

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mit einein dünnen Perldrath durchflochten, 1 Loth schwer, beinahe ganz wie der oben in Abbildungen augeführte Kopfring von Vaalse.

3) Ein Armring, 3" im Durchmesser, aus zwei glatten Silberdräthen gewunden, 1/2 Loth schwer, ähnlich wie im Funde von Schwerin, Jahrb. IX, S. 390.

4) Ein Armring, 3" im Durchmesser, aus massivem Silberblech, mit eingeschlagenen Dreiecken mit Punkten verziert, 2 Loth schwer. Dieser Ring ist mit dem Ringe von Vaalse, welcher Annaler a. a. O. Tab. II, Fig. 21, und darnach in Worsaae Afbildninger 1. Aufl. Nr. 352, 2. Aufl. Nr. 450, abgebildet ist, völlig gleich. Beide höchst merkwürdigen Ringe können nur aus einer und derselben Werkstätte hervorgegangen sein und geben einen auffallenden Beweis von der weiten Verbreitung dieser Schmucksachen, welche nach den Münzen zu urtheilen sich zu sehr verschiedenen Zeiten zeigen und lange gehalten haben.

5) Ein Endbruchstück eines Kopfringes aus gewundenem, mit Perldrath durchflochtenem Silberdrath, mit ovalem, gravirtem Endstück, 1 Loth schwer, ähnlich wie Friedländer: Fund von Obrzycko, Taf. I.

6) Zwei ovale Enden von Kopfringen mit einem Oehr und einem Haken.

7) Bruchstücke von einem Armringe von dünnem Silberblech, wie im Funde von Vaalse, .Tab. III, Fig. 27.

II. Kleine Zierrathen.

8) Randbruchstücke von einem runden Spangenschilde mit Perlenrand, wie im Funde von Vaalse, Tab. II, Fig 8.

9) Bruchstücke von einem runden Spangenschilde, ganz wie im Funde von Vaalse, Tab. II, Fig. 11, rechts.

10) Viele Bruchstücke von runden, mit feiner Arbeit, wie Blumen, belegten Spangenschilden, ähnlich wie im Funde von Vaalse, Tab. II, Fig. 11-13.

11) Hohle, mit Filigransilber belegte Perlen, wie im Funde von Obrzycko, Taf. I, im Funde von Schwerin, Jahrb. IX, S. 390, und Holmboe: de prisca re mon. Norveg., T. VII, Fig. 17.

12) Hohle, mit Filigransilber belegte Perlen an Dräthen, wie im Funde von Obrzycko, Taf. I. (Nadelknöpfe ?)

13) Hohle, ganz mit Filigransilber belegte Perlen an Bügeln mit schlangenförmig gewundenem Drath, wie im Funde von Obrzycko, Taf. I.

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14) Hohle, glatte Perlen an Bügeln, wie im Funde von Obrzycko, Taf. I, im Funde von Remlin, Jahrb. IX, S. 391, und Holmboe, T. VII, Fig. 28.

15) Ein durchbrochener Nadelknopf.

16) Ohrringe mit einer halbkreisförmigen dünnen Scheibe, an welcher kleine Kettchen hangen, wie im Funde von Obrzycko, Taf. I, und im Funde von Remlin, Jahrb. IX, S. 392, welche am Ende kleine glatte Perlen tragen, wie im Funde von Remlin, Jahr. IX, S. 391; zerbrochen. Die Größe und Flechtarbeit der Kettchen ist denen von Farve (abgebildet T. II) ganz gleich.

17) Bruchstücke von einer großen, hohlen, mit Filigransilber belegten Perle, wie im Funde von Vaalse, Tab. II, Fig. 17, und die Silberperle von Gudow in Jahrb. XXV, S. 265.

18) Bruchstücke von einer großen, hohlen, mit hohlen Knöpfen besetzten Perle.

19) Acht Ohrringe von glattem, dünnem Silberdrath, deren eines spitzes Ende in eine breit gehämmerte Scheide am andern Ende gelegt wird.

20) Eine aus vielen feinen Dräthen nach "venetianischer Weise" geflochtene Kette, wie die goldene Kette aus dem Wendenkirchhofe von Wotenitz, Abbildung in Jahrb. XXV, S. 257, Bruchstück 3 Zoll lang.

21) Eine ebenso gearbeitete Kette, Bruchstück 1 1/4" lang.

22) Viele Bruchstücke von feinen, mit sehr feiner Filigranarbeit belegten Plättchen.

23) Viele ganz kleine Bruchstücke von feinem Filigransilber und verzierten kleinen Schmucksachen, 8 Loth.

III. Barrensilber.

24) Silberbarren, gehämmerte, zerhackte Barren, in Enden von 1/2 bis 1 1/2 Zoll lang, ungefähr 20 Stücke, im Ganzen 12 Loth schwer, ganz wie die Barrenstücke aus dem Funde von Vaalse, Annaler a. a. O. Tab. II, Fig. 2-7, namentlich wie Fig. 4 und 7.

IV. Platten= und Ring=Geld.

25) Ein verziertes, dickes, regelmäßig bearbeitetes, oblonges Silberstück, von einer Schmuckplatte abgehauen.

26) Vier viereckige, platte, an den Rändern eingekerbte Silberstücke, ungefähr 1/2" im Geviert: 2, 04 , 2, 17 , 3, 13 , 4, 04 Gramm schwer.

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27) Zwölf leichtere viereckige, platte, an den Rändern eingekerbte Silberstücke, gegen 1/2" im Geviert, welche in der Mehrzahl zwischen, 1, 41 und 1, 58 Gramm, das leichteste 1, 41 , das schwerste 1, 80 Gramm, alle zusammen 17, 58 Gramm, jedes durchschnittlich also 1, 46 Gramm wiegen, also ungefähr einem deutschen Denar an Gewicht gleich sind, so daß man allerdings Versucht sein kann, anzunehmen, daß diese Stückelung so vorgenommen sei, um die einzelnen Stücke dem Durchschnittsgewichte der Denare von Cöln oder Otto und Adelheid annähernd anzupassen.

28) Zwei gleiche runde Platten von demselben Gewicht.

29) Drei kleinere runde Platten, 0, 58 , 0, 47 , 0, 33 Gramm schwer.

30) Eine viereckige Silberstange, über 2" lang, so schwer wie 6 deutsche Denare.

31) Sechs kleine gebogene Ringe, von dickerem Drath, unter sich gleich schwer, zusammen 8, 05 Gramm, durchschnittlich 1, 34 Gramm schwer, von denen einer besonders merkwürdig ist, indem er aus einem nach beiden Enden hin konisch auslaufenden Silberdrath besteht und ursprünglich als Ringgeld gemacht zu sein scheint.

32) Sechs kleinere Drathringe, unter sich gleich schwer, zusammen 4, 02 Gramm, durchschnittlich 0, 67 Gramm schwer.

33) Sechs ähnliche kleine Drathringe, unter sich gleich schwer, zusammen 3, 52 , durchschnittlich 0, 59 Gramm schwer.

34) Sechs ähnliche Drathringe von verschiedenem Gewicht, zwischen 0, 26 und 1, 38 Gramm schwer.

35) Zwölf dünne Drathringe, unter sich ungefähr gleich schwer, zusammen 3, 99 Gramm, durchschnittlich 0, 33 Gramm, also jeder ungefähr ein Viertel=Denar schwer.

36) Vier ganz kleine Drathringe, 1/4" im Durchmesser, unter sich gleich schwer.

Ein bestimmtes Resultat für das Geldwesen zur Zeit der Vergrabung des Schatzes geht aus den angegebenen Gewichtsverhältnissen nicht hervor; jedoch scheinen einzelne der aufgeführten Classen mit Rücksicht auf das Gewicht der deutschen Denare gemacht zu sein, Wenn auch die übrige große Masse des zerstückelten Silbers nur zum Schätzen durch die Waage zerhackt zu sein scheint.

V. Ringsilber.

37) Zerhackte dünnere, runde, zum Theil gebogene Stangen, 7 Loth.

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38) Zerhackte und zum Theil zu kleinen Ringen gebogene Enden von geflochtenem, dickerem Schmuck, 8 1/2 Loth.

39) Zerhackte und zum Theil zu kleinen Ringen gebogene Enden von geflochtenem, dünnerem Schmuck, 13 Loth.

40) Abgehackte, platte Enden von Kopf= und Arm=Ringen, 6 1/2 Loth.


Münzen.

Deutschland.

Kaisermünzen ohne Prägeort und Nachbildungen.

1) Karolingische Nachbildung. Hs. Im Felde das Monogramm von Carolus, schon etwas mißverstanden gezeichnet. Von der Inschrift scheint - VON - gelesen werden zu können.

Rs. Kreuz, mit einer Kugel in jedem Winkel.
Diese Münze ist eine jüngere Abart karolingischer Münzen.

1 Stück.


Halbbracteaten.

Sehr dünne, nach Bracteaten Weise geprägte Münzen, in Bruchstücken. In dem Funde ist keine einzige ganze Münze dieser Art; alle sind entweder zerbrochen oder zerschnitten, mehrere offenbar und scharf halbirt oder geviertheilt.

2) Nachbildungen von Nachbildungen der Münzen Karls d. Gr. von Dorestat, welche sich auch im Funde von Vaalse fanden und in Annaler a. a. O. S. 37 flgd. beleuchtet und Tab. IV, Nr. 30, abgebildet sind. Diese Münzen mögen hundert Jahre jünger sein, als die Originalstücke.

15 Bruchstücke.

3) Aehnliche Münzen, welche mit den genannten Nachbildungen von Dorestat zusammen gefunden werden und auf der einen Seite ein scharf ausgeprägtes sogenanntes Jerusalems=Kreuz, auf der andern Seite gebogene Linien haben, wie im Funde von Vaalse S. 38 und Tab. IV, Nr. 31.

30 Bruchstücke.

4) Aehnliche Münzen mit einem gleichen Kreuze, verschiedener Größe, eine, wie es scheint, viereckige.

10 Bruchstücke.


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5) König Otto III. und Adelheid, 991-993. Die im Münzfunde von Obrzycko von Dr. Friedländer begründete Annahme, daß diese Münzen unter K. Otto III., und zwar während der Zeit von 991, wo seine Mutter Theophania starb, bis 993, wo seine Großmutter Adelheid ihn verließ, entstanden seien, ist neuerdings die allgemeinere geworden. Früher legte man sie K. Otto I. bei, wie solches auch im Münzfunde von Egersund (Grote, Münzbl. III, S. 139) geschieht und wie es Lelewel, monn. du moyen-âge, III, S. 130, weitläuftig ausführt. Cappe, XIII, 1, S. 46 flgd., der viele Typen nachweiset, hat sich der neuern ansicht angeschlossen und sie Otto III. beigelegt.

Hier fanden sich zwei Hauptclassen, mit Hälblingen und auch Nachbildungen des Typus, welcher, wie man nicht ohne Grund annimmt, in Sachsen und wahrscheinlich in Magdeburg gemünzt ward.

Die erste Classe hat auf der Hauptseite im Kreise ein Kreuz und in den Winkeln den Namen: ODDO vertheilt; Umschrift: Umschrift Auf der Rückseite ein Kirchengebäude, mit einem Punkt in der Mitte und dem Namen A T e A HLT, wobei gleich vorläufig bemerkt sei, daß auf keinem Exemplare beide Umschriften vollständig ausgeprägt waren.

Die Veränderungen auf der Hauptseite bestanden darin, daß eine Type unter dem Namen ein T und einen Strich wechselnd hat (Cappe, Nr. 304), dann, daß sich auch in den beiden O noch ein Punkt befand. In der Umschrift ist ein schräger Strich, bald zwischen DI, bald zwischen R A gestellt.

Die Rückseite mit dem Kirchengebäude hat

1) gar kein Beizeichen (Cappe, T. III, Nr. 11);
2) an jeder Seite einen Punkt, und war diese Type am zahlreichsten vertreten. Wenige Exemplare hatten
3) an der rechten Seite zwei Punkte, an der linken einen Punkt;
4) von dem Dache hingen Quäste herab (Cappe, Nr. 277).
5) Im Innern des Gebäudes waren fünf in Form eines Schrägkreuzes gestellte Punkte.
6) Es war begleitet mit einem A und M (Cappe, Nr. 304)
7) oder mit einem M und einem Bischofsstabe (Groschen=Cab. I, Suppl. T. II, Nr. 18).

Bruchstücke zeigten drei Punkte und einen Keil an der linken Seite. - Ein Exemplar war auf der Rückseite durch einen Sprung ganz unförmlich gestaltet.

Von denen mit der rücklaufenden Umschrift (Cappe, Nr. 267) fand sich hier auch ein Exemplar.

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Die zweite Hauptclasse ist auf der Hauptseite hinsichtlich des Bildes wie der Umschrift der vorigen gleich. Die Rückseite aber zeigt ein rechtsgekehrtes gekröntes Brustbild, mit der Umschrift: Umschrift

Es fanden sich von dieser Art und von verschiedenen Stempeln nur 2 Exemplare, und ein Bruchstück. Abbildung davon giebt Groschen=Cab. I, Suppl. T. II, Nr. 12, 13 und 14, und Cappe, Nr. 313 flgd., beschreibt mehrere Typen.

Die Hälblinge stimmen hinsichtlich der Formen mit den ganzen Münzen überein, es fanden sich aber von denen mit dem Kirchengebäude 2 nicht wesentlich verschiedene Exemplare, von denen mit dem Brustbilde ein zerbrochenes. Die Umschriften ließen auf die gewöhnlichen Legenden schließen.

Als Nachbildung ist die Form zu bezeichnen, wo statt der Buchstaben Kugeln gesetzt waren, und wo in der Mitte des Gebäudes ein Kreuz sich befand; von den Umschriften war kaum eine Spur zu finden. Es fanden sich ein ganzes Exemplar und 2 Bruchstücke.

Von diesen Münzen fanden sich 145 ganze, 31 halbe und 50 Viertel=Exemplare.

145 Stücke           
81 Bruchstücke.

6)Kaiser Heinrich II. (1002) 1014-1024. Hs - NHR - Kreuz mit einem Ringel und Punkt in der Mitte und Kugel in den Kreuzwinkeln.

Rs. Inschriftskreuz IMPE . . . . . Links gekehrter Kopf. Aehnlich wie in Cappe I, T. XVII, Nr. 285.

1 Stück.

Mark Verona.

7) Verona, Kaiser Otto HL (983) 996-1002.

Hs. OTTO IMP' A TOR. Kleines Kreuz.

Rs. Kleines Kreuz. Umschrift umher in dieser Folge:

Umschrift

Verprägtes Exemplar. Vgl. Köhne Z., III, S. 157, Nr. 60.

1 Stück.

Lothringen.

8) Herzog Theodorich, 984-1026. Hs. (T)HEODERICus dux. Linksgekehrter Kopf mit einem Diadem.

Abbildung Nr. 5.
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Rs. Auf den Armen eines aus punkirten Linien gebildeten Kreuzes scheint zu stehen:

Inschrift

jedoch möchte sich, wenn man die Münze umkehrt, auch herauslesen lassen: Inschrift ; es sind aber beide Lesarten nicht sicher.

Im letztern Falle wäre dies die bei Köhne Z., III, T. V, Nr. 10, abgebildete Münze, welche Thomsen S. 135 einem Münzmeister Sigibod in Eil zuschreibt. Dickpfennig, am Rande behackt. Vgl. Fund von Farve, Nr. 24, S. 32; Köhne Z., III, T. 5, Nr. 10, S. 135; Fund von Egersund, S. 144, Nr. 1-2, T. IV, Nr. 10. Alle diese haben aber den muthmaßlichen Prägeort unserer Münze, wenn richtig gelesen sein sollte, auch nicht.

1 Stück.

9) Verdun, König Heinrich I., 919-936. Hs. Im Felde REX.

Rs. Kreuz mit Kugel in den Winkeln. Umschrift zu kurz und ganz unleserlich. Dies ist dieselbe Münze, welche in Cappe I, T. 13, Nr. 207 (mit rückläufiger Umschrift) und mit derselben Prägeweise Nr. 209 abgebildet ist. Vgl. S. 27, Nr. 92, und S. 29, zu Nr. 100 und 101. Nachtrag ebenso in Cappe II, T. 22, Nr. 234 und 235. Diese Münze ist eine deutsche Nachbildung der Denare Heinriche I. von Verdun. Vgl. Fund von Obrzycko, T. II, Nr. 5.

1 Stück.

10) Verdun, Kaiser Otto III. (983) 996-1002.

Hs. oTTO s R A DI . . . Rechts gekehrter Kopf.

Rs. VVIR—NI. Im Felde: Inschrift Vgl. Fund von Farve, T. II, Nr. 13, S. 45, Nr. 58. Die hier abgebildete Münze scheint dieselbe zu sein. Vgl. die folgende Nummer,

1 Stück.

11) Verdun? Hs. Hechts gekehrter Kopf mit Diadem. Links über dem Kopfe ganz klar N(O?).

Rs. Im Felde in drei Zeilen: scA
MA
RIA

Umschrift ist gar nicht zu erkennen. Vgl. die vorhergehende Münze,

1 Bruchstück.

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12) Trier, Kaiser Otto I, (936) 962-973. Hs. Im Felde queer durchgehend ODDO, in den Zwischenräumen als Umschrift: im-pr-at-Or.

Rs. TR . . . . . Kreuz mit Kugel in den Winkeln. Sehr verdrückte Exemplare derselben Münze, welche in Cappe I, T. 17, Nr. 277, abgebildet ist; vgl. S. 40 zu Nr. 162.

2 Stücke.

13) Trier. Hs. —X, sehr deutlich. Der Stempel ist sehr unregelmäßig aufgesetzt, so daß der innere Rand um das Kreuz durch die Mitte der Münze geht.

Rs. Im Felde ein sehr großes A , nichts weiter zu erkennen. Ein sehr abgegriffenes Exemplar. Vgl. Fund von Egersund, S. 145, Nr. 16, wo die Münze dem Erzbischofe Poppo (1017-1047) zugeschrieben wird.

1 Stück.

14) Huy, König Otto III., 983-996 (1002). Hs. oTTo gra di rex. Kopf undeutlich. Sehr abgegriffen.

Rs. Inschrift , die letzte Hälfte rückläufig. Im Felde: HOIV M . Vgl. Köhne Z., IV, S. 40; Cappe I, T. XIV, Nr. 221, S. 74, Nr. 345; Fund von Egersund, S. 145, Nr. 11.

1 Stück.

15) Cöln, König Otto III., 983-1002. Die frühere Annahme (vgl. Götz, Cappe I, S. 38 u. A.), welche die mit ODDO) bezeichneten Otto I. zuwies, ist hier nicht gegeben, und Dr. Friedländer (Farve, S. 83) und Dannenberg, Mittheilungen der Numism. Gesellsch., III, S. 176) legen aus überwiegenden Gründen sie Otto III. bei; es fallen also diese Münzen, abgesehen von den Nachbildungen derselben, in die Zeit von 996-1002. — Das Bruchstück einer Münze von K. Heinrich führt bis 1014 hin.

A. Münzen mit ODDO REX und der allen gemeinschaftlichen, aber oft unvollständigen Inschrift: S COLONI A .

a. Im Kreise ein Kreuz mit einer Kugel in jedem Winkel. (7 Expl.) Vgl. Cappe I, T. II, Nr. 1, 2, 3, 4. Auch fand sich die in Grote Münzz. III, T. V, Nr. 84, gegebene Nachbildung.

b. Im Kreise ist das schärfer und schmaler geschnittene Kreuz in den Winkeln von Punkten begleitet. (5 Expl.) Vgl. Cappe I, T. II, Nr. 5.

c. Das Kreuz hat keine Beizeichen. (6 Expl.)

B. Münzen mit OTTO REX und neben dem A auf der Rückseite ein liegendes G. Cappe I, S. 36, zu

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Nr. 135 erwähnt, daß Mader I, S. 85, es für Agrippina lieset zweifelt aber an der richtigen Deutung, da das A doch nur als Endbuchstabe von Sancta anzusehen sei, weiß aber auch keine Deutung dieses Buchstabens.

d. Im Kreise das Kreuz mit Punkten in den Winkeln. (5 Expl.)

e. Im Kreise ist das Kreuz von drei Punkten und einem sogenannten Knoten begleitet. (1 Expl.)

f. Im Kreise das Kreuz von zwei Punkten begleitet. (1 Expl.)

g. Das Kreuz ohne Beizeichen. (3 Expl.)

h. Das Kreuz sehr flach, das große A auf der Rückseite ist in der obern Oeffnung mit einem, in der untern mit vier Punkten in Kreuzform geziert. (1 Expl.)

C. Münzen mit + ODDO + IMP AVG und ohne Beizeichen auf der Rückseite.

i. Ein starkes Kreuz, mit Kugeln in den Winkeln. (7 Expl.) Vgl. Cappe I, T. 2, Nr. 9.

D. Nachbildungen.

k. Die Hauptseite hat in einem Perlenkreise ein Ständerkreuz, ganz in der Form der wendischen Münzen; von der Umschrift sind nur einzelne Buchstaben deutlich, welche darauf hinweisen, daß ODDO REX zum Grunde gelegt ward. Auf der Rückseite ist das Monogramm ganz ohne Verständniß der Urform nachgebildet, was sich besonders durch das aus drei Keilen gebildete A beweiset. (19 Expl.)

16) Cöln, König Heinrich II., 1002-1014 (1024). Münze mit HENRICVS [REX]. Die Hauptseite hat einen ungekrönten Profilkopf; da aber nur ein Viertheil dieser Münze vorhanden ist, so sind nur einige Buchstaben des Namens erhalten. Auf der Rückseite ist das Colonia retrograd geschrieben. Vgl. Cappe I, Nr. 391, S. 86.

Von Münzen der Stadt Cöln fanden sich 59 ganze, 21 halbe und 5 Viertel=Exemplare.

59 Stück.          
26 Bruchstücke.

Allemannien.

17) Straßburg, Kaiser Otto III. (983)996-1002.

Hs. (O)T . . IM—. Im Felde eine Lilie.

Rs. A R s . . . . . . . IVl(T). Im Felde ein Kreuz, in dessen letztem Winkel ein sehr klarer, kleiner Bischofsstab steht. Selten, unedirt.

1 Stück.

Abbildung Nr. 8.
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Im Besitze des Herrn Kammerraths Herbst zu Kopenhagen befindet sich eine ähnliche Münze vollständig und klar:

Hs. Inschriftskreuz OT(T)O IMP. Rs. Inschriftskreuz A R s ENTIN A .

Abbildung Nr. 10.

18) Straßburg, Kaiser Otto III. (983) 996-1002.

Hs. . . . O IM. Im Felde eine Lilie.

Rs. A R . . . . . . . . Im Felde ein Kreuz, in dessen letztem Winkel noch gerade der Bischofsstab zu erkennen ist. Alles sehr klar. Vgl. die vorhergehende Münze. 1 Bruchstück.

Abbildung Nr. 9.

19) Straßburg, König Heinrich II. 1002-1014 (1024). Hs. (H)EINRICVS R(EX). Krone.

Rs. Im Kreuze: Inschrift mit halbem Perlenkreife mit Stern in den Kreuzwinkeln. Abgebildet in Cappe I, T. V, Nr. 80; vgl. S. 77 und 99.

1 Stück.        
1 Bruchstück.

20) Straßburg, König Heinrich II. 1002-1014 (1024). Hs. Inschriftskreuz . . . .R . HVEXI. Krone. Im Anfange der Umschrift über der Krone ein Inschriftskreuz .

Rs. Wie auf der vorhergehenden Münze, die Inschrift:
A R s ENTIN A im Kreuz, mit halbem Perlenkreise mit Stern in den Winkeln.

1 Stück.

21) Straßburg. Ein Bruchstück, ähnlich den beiden vorhergehenden Münzen.

1 Bruchstück.

22) Breisach, Kaiser Otto III. [?](983) 996-1002. Hs. OTTO (IIIPIIR . . . .). Kreuz, mit CRVX in den Winkeln.

Rs. Im Felde: Inschrift

Ganz wie im Funde von Farve, T. I, Nr. 6, S. 37. Nachahmung von der Münze in Köhne Z., III, S. 188. Vgl. Köhne Z, IV, S. 67-68, Nr. 294.

1 Stück.

23) Augsburg, Bischof Ulrich, 923-973. Hs. (vodalric)VS E(ps), sehr groß und klar. Kreuz mit Kugel in den Winkeln.

Rs. A (ug civita)S. Kirche mit V. unter dem Giebel.

1 Stück.

Diese Münze gehört wohl sicher dem Bischofe Ulrich von Augsburg.

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24) Augsburg, Bischof Bruno, 1006-1029. Hs. (pr)VNO (eps). Kreuz mit drei Kugeln, einem Ringe und zwei Keilen oder Dreiecken entgegengesetzt in den Winkeln.

Rs. AV(gsta civ). Kirche mit VV(I) unter dem Giebel. Die Hs. ist sehr scharf geprägt. Die Rs. ist aber halbbracteatenartig gehalten, indem das Gepräge der Hs. hier hohl liegt, die Rs. zwar noch deutlich, aber flach ist. Eine gleiche Münze war im Funde von Farve Nr. 37. Vgl. Köhne M., IV, S. 66, Nr. 289, T. XVI, Nr. 8; Lelewel T. XXI, Nr. 21.

1 Bruchstück.

25) Augsburg. Hs. CVN(O), ganz klar und scharf. Kreuz mit drei Kugeln, einem Ringe und zwei Keilen oder Dreiecken entgegengesetzt in den Winkeln.

Rs. .(V s ) . . . . . . . .S. Kirche, mit (A)ZZO unter dem Giebel.

Diese Münze hat nicht allein in der Wahl und Anordnung der Beizeichen, sondern auch in der Zeichnung und Technik derselben und des Kreuzes auf der Hs. ganz genau dasselbe Gepräge, wie die vorhergehende Münze des Bischofs Bruno von Augsburg 1006-1029 und scheint von derselben Hand gravirt zu sein. Jedenfalls gehört sie derselben Gegend an. Ueber die Augsburger Münzen mit AZZO vgl. Köhne Z., III, S. 186, Nr. 34.

1 Bruchstück.

Sollte die Münze von K. Conrad II., 1024-1027-1039, sein, wegen der Umschrift CVN, was jedoch nicht wahrscheinlich ist, so wäre diese Münze die einzige Münze von K. Conrad II. und seiner Zeit.

Franken.

26) Worms, Kaiser Otto I. [?] (936) 962-973. Hs. Umschrift ist nicht zu erkennen, nur ein V zu sehen. Kreuz mit einem Bischofsstabe im ersten Winkel und einer Kugel in den drei anderen Winkeln, wie bei Straßburg oben Nr. 17.

Abbildung Nr. 11.

Rs. (vvo)RMA(cia), sehr klar. Kirchengebäude mit Ring im Thor. Abgebildet bei Cappe I, T. 21, Nr. 373, S. 81, Nr. 363; Fund von Egersund T. III, Nr. 26; vgl. Fund von Farve S. 24, Nr. 9; Köhne M., III, S. 406. Es ist von manchen dieser Münzen oft irrthümlich gesagt, daß die vierte Kugel im Kreuze von einem Halbbogen oder Halbmond umschlossen sei. Auf unseren Stücken, welche den a. a. O. abgebildeten gleich sind, steht aber ganz klar und bestimmt ein Bischofsstab im Kreuzwinkel, wie auf den straßburger Münzen. Im Kirchenportale steht auf unseren Münzen ein

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Ring, keine Kugel. Die Umschriften sind auf einem Exemplare völlig abgegriffen, auf den anderen auf einer Seite nicht gekommen oder abgeschnitten. Die Buchstaben RMA sind aber ganz klar. Das abgegriffene Exemplar zeigt auf einer vertieften Stelle sehr feine Perlenlinien und Verzierungen, welche beweisen, daß diese Münze über ein älteres Gepräge nachgeprägt ist. Köhne a. a. O. (1849) hat schon auf einem Exemplare von Zwenigorod den Bischofsstab erkannt. Es giebt aber allerdings sicher ähnliche Münzen, welche einen Keil mit einem gestürzten Halbkreise darüber Keil mit Halbkreis in einem Kreuzwinkel haben. Vgl. die folgende Münze.

3 Stück.           
1 Bruchstück.

27) Worms? Hs. —A— Kirchengebäude mit Kreuz im Portal. Von der Umschrift ist nur ein A, aber sicher, zu sehen.

Abbildung Nr. 12.

Rs. Kreuz mit Kugel in drei Winkeln und einein Keil oder Dreieck mit einem gestürzten Halbkreise darüber ( Keil mit Halbkreis ) im vierten Winkel. Umschrift ist nicht zu sehen. Wahrscheinlich sind diese Münzen Nachbildungen der vorhergehenden Münze mit dem Bischofsstabe in einem Kreuzwinkel,

1 Stück.        
1 Bruchstück.

28) Mainz, Kaiser Otto I (936) 962-973. Hs. OTTO IMP AV s . Kreuz, mit Kugel in den Winkeln.

Rs. MOgONcIA CIVIT. Kirchengebäude mit Kreuz im Portal und auf dem Giebel. Vgl. Fund von Obrzycko, S. 7.

5 Stück.

29) Mainz, Kaiser Heinrich II. 1002, 1014-1024. Hs. HeINricVS (ein Exemplar HENI—). Kreuz mit einer großen Kugel und einer kleinen Kugel darunter in jedem Winkel.

Rs. MOgonCl A . Brustbild von vorn, mit kahlem Kopfe, in bischöflicher Kleidung. Vgl. Fund von Farve, S. 23, Nr. 5; eine ähnliche Münze ist abgebildet in Cappe I, T. 17, Nr. 287; Lelewel III, S. 144 (schlecht abgebildet); Groschen=Cabinet, Fach IX, Nr. 1.

5 Stück.

30) Mainz, Kaiser Heinrich II. (1002) 1014-1024. Hs. HEN C HV I—. Kreuz mit einer großen Kugel in jedem Winkel.

Rs. Inschriftskreuz MOGON . . . .IV rückläufig. Kirchengebäude mit einem Kreuz auf dem Giebel und einer dreizweigigen Blume oder Arabeske in dem Giebel, mit einem kahlen Menschenkopfe im Portale. Diese sehr scharf und gut gezeichneten und gravirten Münzen haben ganz den mainzer Typus. Die Arabesken=

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Verzierung in dem Kirchengiebel kommt auch auf mainzer Münzen Otto's III. vor; vgl. Köhne M., III, S. 394. Auch der Menschenkopf im Portale kommt auf mainzer Münzen des Erzbischofs Lupold (1051-1059) vor; vgl. Köhne Z. III, S. 175. Dieser Menschenkopf im Portale hat ganz den Typus des Kopfes des Brustbildes auf den mainzer Münzen mit dem bischöflichen Brustbilde auf der vorhergehenden Münze.

3 Stück.

31) Mainz, Kaiser Heinrich II. (1002) 1014-1024. Hs. H . . . . . . . Kreuz mit einer großen Kugel in jedem Winkel.

Rs. Inschriftskreuz MOG. . .IA. Kirchengebäude mit Kreuz auf dem Giebel und einer dreizweigigen Blume oder Arabeske in dem Giebel, mit einem kahlen Menschenkopfe. Diese Münze ist ganz der vorhergehenden gleich und weicht nur in der Umschrift der Rs. ab.

1 Stück.

32) Würzburg, Kaiser Otto III.. (983) 996-1002. Hs. —O— M . Kreuz mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. Ganz unklar. Vgl. Fund von Farve, S. 25, Nr. 10; Cappe I, T. 13, Nr. 214.

1 Stück.

Baiern.

33) Regensburg, Herzog Heinrich I, 947-953. Hs. HIRICVS . VIX Kreuz mit einem Ringe in einem Winkel und einer Kugel in jedem der übrigen Winkel.

Rs. REGINA CIVITAS Kirche mit IVAL unter dem Giebel. Vgl. Köhne M., IV; Nr. 78; Cappe Nr. 55.

1 Stück.           
1 Bruchstück.

34) Regensburg, Herzog Heinrich I., 947-953. Hs. . . . . . .S DV . Kreuz mit Kugel in den Winkeln.

Rs. REG . . . . . . . Kirche mit (VV)O unter dem Giebel.

1 Bruchstück.

35) Regensburg, Herzog Heinrich I, 947-953. Hs. HEINRICVS . . . Kreuz mit einem Ringe in einen Winkel und einer Kugel in jedem der übrigen Winkel.

Rs. . . . INA CIVITAS Kirche mit ELLIN unter dem Giebel. Vgl. Köhne M., IV, S. 77.

1 Stück.

36) Regensburg, Herzog Heinrich I., 947-953. Hs. . . NRTC . . . . Kreuz mit einem Keil oder Dreieck in einem Winkel.

Rs. . . . .NA CIVIT Kirche mit (E)NC unter dem Giebel. Vgl. Köhne M, IV, S. 79.

1 Bruchstück.

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37) Regensburg, Herzog Heinrich I, 947-953. Hs. HENCIDV NH mit Halbkreis S VCX, rückläufig. Kreuz mit Ring, Keil und zwei entgegengesetzten Kugeln in den Winkeln.

Rs. Inschrift As, rückläufig. Kirche mit ENC (rückläufig) unter dem Giebel. Einen ganz ähnlichen Hälbling hat Köhne M., IV, S. 78, Nr. 325. Vgl. Sedlmayer, T. III, Nr. 78-82; Cappe Baier. M., Nr. 56.

1 Stück.

38) ?— Herzog Heinrich I., 947-953. Hs. H . . . .CVS DVX Kreuz mit Kugel in den Winkeln.

Rs. Inschriftskreuz E . . . . . . CITS Kirche mit VVOL unter dem Giebel und Kreuz auf dem Giebel im Anfange der Umschrift, welche ganz klar mit E beginnt.

1 Stück.

39) ?—Herzog Heinrich I., 947-953. Hs. H E — — Kreuz mit einem Ringe und einem Punkt in zwei von den Winkeln, halbbracteatenartig geprägt.

Rs. Inschriftskreuz —RC am Ende, ganz klar. Kirche mit Kreuz auf dem Giebel im Anfange der Umschrift. Eine ähnliche Münze mit —RC am Ende der Umschrift der Rs. war auch im Funde von Egersund, S. 143, Nr. 3.

1 Bruchstück.

40) ? —Herzog Heinrich V, 1017-1027.

Hs. Inschrift in einem breiten, durchgehenden Kreuze, in dessen Winkeln ein Dreieck, mit einer Kugel an jeder Dreieckspitze, steht.

Rs. (I)NLCONRAT Punkte CONC, von außen links herum zu lesen, Kirche mit CON unter dem Giebel. Diese Münze scheint ganz dieselbe zu sein, welche aus dem Funde von Egersund T. IV, Nr. 51 abgebildet ist; wenigstens gehört sie in dieselbe Zeit und Münzstätte. In Köhne M, IV, S. 83 sind dieselben Münzen beschrieben. Auf der Rückseite unserer Münze wird ganz sicher und klar — CONRAT Punkte CONC gelesen. Vgl. Sedlmayer Nr. 100.

1 Stück.

41) Regensburg? Kaiser Heinrich II., 1002-1024. Hs. Gekrönter Kopf, rechts gekehrt. Hinter dem Kopfe EX , vor dem Kopfe Inschrift Das R zu EX fehlt sicher.

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Rs. RIN c SVE c NO, rückläufig, Kreuz mit einem Ringe, einem Keile oder Dreieck und zwei Mal drei Kugeln in den Winkeln. Diese Münze ist, mit Ausnahme der Umschrift der Rückseite, dieselbe Münze, welche Köhne Z., III, S. 189, Nr. 46, beschreibt. Vgl. Sedlmacher Nr. 67. Wahrscheinlich barbarisirte Nachbildung.

1 Stück.

42) ?—Kaiser Heinrich II., 1002-1024. Hs. Gekrönter Kopf, rechts gekehrt, roh gebildet. Hinter dem Kopfe Inschrift , vor dem Kopfe Inschrift

Rs. Inschrift Kreuz mit drei Kugeln im ersten Winkel und einer Kugel in jedem der übrigen Winkel. Vgl. Sedlmayer Nr. 70 bis 73. Ganz barbarische Nachbildung.

1 Stück.

43) Baiern, Bruchstücke von den vorstehenden ähnlichen Münzen, nicht zu bestimmen.

10 Bruchstücke.

44) Salzburg? Erzbischof Hartwig? 991-1023. Hs. Inschriftskreuz XHCERTEIVIIS Kreuz mit einem Ringe, zwei Keilen oder Dreiecken und drei Punkten in den Winkeln. Das Kreuz im Anfange der Umschrift hat in jedem Winkel einen Punkt.

Rs. Inschriftskreuz DC Inschriftskreuz VHCVNEVS Kirche mit Kreuz auf dem Giebel im Anfange der Umschrift und (N)I C I unter dem Giebel. Ueber die Münzen des Bischofs Hartwig von Bamberg und des Erzbischofs Hartwig von Salzburg vgl. Köhne M., III, S. 400 flgd. Unsere Münze hat ganz baierschen Typus. Wahrscheinlich barbarische Nachbildung.

1 Stück.

45) Salzburg? Erzbischof Günther? 1024-1025. Hs. Gekrönter Kopf, rechts gelehrt. Hinter den Kopfe I, vor dem Kopfe Inschrift König Conrad H. (?) 1024-1039.

Rs. S c S · RVODVDlOV (Rudpertus). Kreuz, in den Winkeln mit den Buchstaben Inschrift Diese Buchstaben GVNT in dem Kranze könnten den Erzbischof Günther von Salzburg bedeuten. Diese Münze scheint eine barbarisirte Nachbildung zu sein.

1 Bruchstück

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Böhmen.

Herzog BoleslaV II. der Gütige, 976-999.

46) Hs. OM(ER)IZ Inschrift A C, rückläufig. Brustbild mit Kreuz und liegendem Pfeil zu den Seiten.

Rs. Inschrift rückläufig. Segnende Hand, mit A M zu den Seiten. Vgl. Voigt, S. 123, Nr. 6 und 7.

1 Stück.

47) Hs. . . .RIZ P . . . . Brustbild.
Rs. BO. . . . . . .VX, rückläufig. Segnende Hand mit A M .

1 Bruchstück.

48) Hs. . . ERIZ, rückläufig. Brustbild.
Rs. . . . EZL, rückläufig. Segnende Hand.

1Bruchstück.

49) Hs. . . . . .R A C Brustbild.
Rs. . . . . . . . . S . . . Segnende Hand mit A M .

1 Bruchstück.

50) Hs. . BO — von außen zu lesen.
Rs. . . . .C A . . . . . . ., rückläufig. Segnende Hand.

1 Bruchstück.

51) Hs. Brustbild mit Kreuz vor sich.
Rs. Segnende Hand mit A M .

7 Bruchstücke.

52) Hs. OM . . . . .VX, rückläufig. Vogel, links schauend.
Rs. —OEX. Segnende Hand.

1 Bruchstück.

53) Hs. —ZDC, rückläufig. Brustbild.
Rs. . . . . AV S . . . Segnende Hand.

1 Bruchstück.

54) Hs. . . . . .VS:D . Brustbild.
Rs. . . . . . . . .S:DV. Selten.

1 Bruchstück

55) Hs. —CV Kirchengebäude.
Rs. —VIZ— Segnende Hand mit A .

1 Bruchstück.

56) Hs. . . .EZL A . . . . ., rückläufig Kreuz mit Kugeln in den Winkeln.
Rs. . . . . .CIVIT . ., rückläufig. Kirchengebäude mit . HO oder .NO unter dem Giebel.

1 Bruchstück.

57) Hs. Kreuz mit Pfeil Pfeil in zwei Winkeln.
Rs. Kirchengebäude mit VV( A ) unter dem Giebel.

1 Bruchstück.

58) Hs. . . . .Z. . . . Kreuz mit Kugel in den Winkeln.
Rs. P. . . . . . . .TR Kirchengebäude mit Kreuz auf dem Giebel und s N unter dem Giebel. Vgl. Cappe Nr. 21.

1 Bruchstück.

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Herzog Boleslav III. (?) 999 -1004.

59) Hs. . . . .AV. . ., von außen zu lesen. Im Felde ein Kreuz, in dessen Winkel ein Pfeil Pfeil steht.

Rs. Kirchengebäude mit Kreuz auf dem Giebel und den Buchstaben GN unter dem Giebel. Ganz wie im Fund von Farve Nr. 45, S. 40. Vgl. Köhne Z., IV, S. 95, Nr. 376-378.

2 Bruchstücke.

60) Hs. BO. . . . . . . . . . . .VX von außen zu lesen. Segnende Hand mit M .
Rs. . . . . . . . A CI. . . . von innen zu lesen. Kirchengebäude mit OH.

1 Bruchstück.

61) Hs. . . . . . . Z DV. Segnende Hand.
Rs. — —VB Kirchengebäude. Selten.

1 Bruchstück.

Herzog Jaromir, 1003-1005 († 1037).

62) Hs. I A ROMIR (DV)X Kleines, ungestaltetes Brustbild.
Rs. Inschrift . Roher Kirchengiebel. Selten. Vgl. Köhne M., S. 98, Nr. 385; ganz wie T. XIII, Nr. 6.

1 Stück.

63) Hs. Punkte I A ROMIR Punkte DVX. Im Felde Inschrift um einen Punkt.
Rs. :DEXTER A DEI Segnende Hand, ohne A M . Aehnlich Becker T. II, Nr. 57, S. 40; Köhne Z., III, T. VI, Nr. 3, S. 157.

1 Stück.

64) Hs. IA — —. Zwei Brustbilder über einem Gitter. Rs. IARO. . . .D E X. Rechts gekehrter Vogel. Selten.

1 Stück.

Abbildung Nr. 4 .

65) Hs. Gitter, wie auf der vorhergehenden Münze.
Rs. Im Felde —R—.

1 Bruchstück.

66) Hs. :I A . . . . . .VX. Im Felde PR—
Rs. : . . . . . . A DEI. Segnende Hand, ohne A M

1 Bruchstück.

67) Hs. . . . . MIR. . . Im Felde . . s A .
Rs. . . . . .DEI.

1 Bruchstück.

68) Hs. Im Felde Inschrift
Rs. Segnende Hand mit einem Krückenkreuze daneben. Wie Becker T. II, Nr. 57.

1 Bruchstück.

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69) Hs. —VX.
Rs. S . V— Krückenkreuz, wie auf der vorhergehenden Münze.

1 Bruchstück.

70) Hs. . . . .MIR. . .
Rs. R — — Am Rande drei Kreuze.

2 Bruchstücke.

71) Hs. Reste des Namens Praga im Felde

3 Bruchstücke.

Herzog Udalrich, 1004-1037.

72) Hs. OD A LRICVS DVX von außen zu lesen. Im Felde Inschrift

Rs. DEXTER A DEI von innen zu lesen. Segnende Hand ohne M . Ganz wie bei Voigt Nr. 7.

1 Stück.

Friesland.

73) Deventer, König Heinrich II., 1002-1024. Hs. HENRICVS. Im Felde Inschrift , nämlich A M und darüber ein kleines Dreieck und darunter ein liegendes S.

Rs. D A V A NTRI A Kreuz mit Kugel in jedem Winkel. Ganz wie in Köhne Z., III, T. V, Nr. 17, S. 152, und im Fund von Farve, S. 35, Nr. 34. Vgl. Cappe I, T. XIII, Nr. 225. Ueber die dieser Münze nachgebildeten Wendenpfenninge vgl. unten bei den Wendenpfenningen.

2 Stück.

Abbildung Nr. 13.

74) Utrecht, König Heinrich II., 1002-1014 (1024). Hs. HE. . .ICVS REX ganz deutlich. Vorwärts gekehrter gekrönter Kopf.

Rs. Inschriftskreuz XRIStiana reIGIO. Im Felde ein Kirchengebäude mit Kreuz auf dem Giebel im Anfange der Umschrift, im Kirchengebäude das Wort

Inschrift

Ganz wie in Cappe I, T. VI, Nr. 88, S. 109, Nr. 505. Diese Münze gehört jedenfalls Heinrich II., nicht Heinrich III, Wie Cappe will, da unser Fund keine einzige Münze aufzuweisen hat, welche so weit reicht. Ganz dasselbe Gepräge, jedoch vom Könige Conrad II. (1024-1027) war im Funde von Farve, abgebildet T. I, Nr. 5, vgl. S. 36, Nr. 36. Die

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drei Münzen im Funde von Egersund, Tab. IV, Nr. 65, sind dieselben, wie unsere; Grote legt sie auch Heinrich II. bei.

1 Stück.

Sachsen.

Herzog Bernhard.

In Sachsen folgte dem Hermann Billing, dem bekanntlich vom K. Otto das Herzogthum übergebn ward, sein Sohn Bernhard von 973-1011 und auf diesen dessen gleichnamiger Sohn Bernhard, der 1066 starb.

Früher legte man, und auch Lelewel III, S. 122 u. 123, dem ältern Bernhard alle mit dem Namen Bernhardus dux bezeichneten Münzen bei. Neuerdings hat Dr. Friedländer im Silberfund von Farve sie in der Art geschieden, wie sie auch hier geschieden sind. Auch Dannenberg, Mitth. der numism. Gesellschaft in Berlin, III, S. 161, scheidet sie eben so, bemerkt jedoch, daß es zweifelhaft sei, ob nicht Bernhard I. auch auf die dem II. in dieser Weise zugelegten Münzen Anspruch habe.

75) Herzog Bernhard I., 973-1011. Hs. Im Felde ein links gekehrtes Brustbild mit einem gestrichelten Helm. Die Umschrift giebt den Namen BERNHARDVS DUX.

Rs. Im Felde ein kleines Kreuz. Umschrift: IN NOMINE DNI AMEN. Auf keinem der hiesigen Exemplare ist die Umschrift vollständig.

Eine große Zahl ist nachgebildet, also daß die Bilder ziemlich deutlich hervortreten, jedoch die Buchstaben unter einander gemischt sind; andere sind als verwildert zu bezeichnen, indem das Brustbild nur mit einzelnen Buchstaben, das Kreuz mit einzelnen Zügen umgeben ist, bei flachem Gepräge. Andere, die man als barbarisirend bezeichnen kann, haben Kopf und Kreuz unförmlich, die Buchstaben sind dick und ohne Zusammenhang, die Perlen im Umkreise plump.

Nebenformen sind die, wo die Hauptseite den Namen ERNARDVS DVX hat, und dann die, wo das Brustbild fast unkenntlich ist. Beide sind flach und nähern sich durch den aufgebogenen Rand der Form der Wendenpfennige. Böhme Sächs. Groschen=Cab., I. Fach, T. I, Nr. 1 und 3; Lelewel Pl. XXI, Nr. 2; Orig. Guelf. II, p. 265. Silberfund von Farve, S. 23, Nr. 22. Dannenberg Mittheilungen, S. 162, hat die Nachbildungen augeführt.

79 Stück.        
17 Bruchstücke.

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76) Herzog Bernhard II., 1011-1066.

Erster Typus.

Hs. Im Kreise ein schwebendes Kreuz. Die Umschrift ist: BERNHARDVS DVX, auch BERNHAR und BERNHA; abweichend fand sich auch BERN, BER und retrograd BERN.

Rs. Im Kreise gleichfalls ein schwebendes Kreuz. Die schrift IN NOMINE DNI AM ist nur auf wenigen vollständig; die meisten haben nur einzelne Buchstaben derselben. Auch findet sich die Rückseite verwildert, flach und bracteatenartig durchgeschlagen.

Eine kleinere Form (15-17 Mm., während die andere 20 Mm. groß sind,) hat denselben Typus. Lelwel Pl. XXI, Nr. 3; Böhme T. I, Nr. 4, mit anderer Form des Kreuzes; Silberfund von Farve, S. 25, Nr. 13, mit denselben Abkürzungen und demselben verwilderten Gepräge, wie hier.

Zweiter Typus.

Die Zeichen sind auf der einen Seite ein Kreuz, auf der andern eine Kugel, und wechseln die dem vorigen Typus gleichen Inschriften, also daß man (bei 19 Exemplaren) die Kugelseite und (bei 9 Exemplaren) die Kreuzseite als Hauptseite ansehen kann.

Eine Anzahl kleiner Exemplare von 15 Mm., die jedoch wenig leichter sind, als die größern, und die man also nicht als Hälblinge ansehen darf, haben den Namen auf der Kreuzseite.

Silberfund von Farve, S. 26, Nr. 14, wo sich 115 von verschiedener Größe fanden. Dannenberg Mitth., S. 164, hat auch die wechselnde Namensstellung zum Bilde.

Drittem Typus.

Hs. Im geperlten Kreise eine Hand, die auf einem schmalen Kreuze liegt, neben derselben unten zwei Punkte Umschrift: BERNHARDVS.

Rs. Im geperlten Kreise ein schwebends Kreuz. Umschrift: LIVNIBVRII.

Abbildungen dieses Typus, der aber nicht ganz mit dem vorliegenden Exemplare, das nur einmal vorkam, übereinstimmt, sind in Seeländer, Böhme Sächs. Groschen=Cab., T. I, Nr. 1, S. 26, Orig. Guelf. II, S. 265, Lelewel III, S. 123.

Von diesen dem zweiten Bernhard beigelegten Münzen fanden sich 233 ganze und 72 Theile.

233 Stück.        
72 Bruchstücke.

77) Graf Wigman (944-968?) Hs. VVI s M A N COM. Krenz, mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. EERBIS │ DOR(M) oder H oder PH. Die Inschriften sind hier aus mehreren Exemplaren zusammenbracht. Einige Exemplare scheinen über ältere Münzen geprägt zu sein. Vgl.

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Köhne III, S. 178; Fund von Egersund, S. 145, Nr. 9; Fund von Farve, S. 30, Nr. 22. 5 Stück.

78) Dortmund, König Otto HIII., 983-996(1002).

Hs. Inschriftskreuz ODDO Inschriftskreuz REX. Kreuz mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. Im Felde: Inschrift

Das N schwankt zwischen H und N.

5 Bruchstücke.

79) Dortmund, Kaiser Otto III. (983) 996-1002. Hs. ODDO IMPERI A TOR Kreuz mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. tHerOTMANII, das M weit auseinander gezogen und das A daran gelehnt. Vgl. Fund von Farve, S. 26, Nr. 16; Köhne M. III, S. 414, Nr. 43.

2 Stück.

80) Dortmund, König Heinrich II., 1002-1014 (1024). Hs. HEN. . . . . . . X. Kopf.

Rs. . . . . .MON. . Kreuz. Vgl. Cappe I, Nr. 413.

1 Bruchstück.

81) Hildesheim, Bischof Bernward, 993-1022. Hs. -RDP S X. Kopf.

Rs. - Inschrift Kreuz.

Barbarisirt. Vgl. Köhne M. III, S. 121.

1 Bruchstück.

82) Hildesheim, Bischof Bernward, 993-1022. Hs. —RNVV A —. Kopf.

Rs. —ESHEV . Kreuz(?)

1 Bruchstück.

83) Hildesheim, Bischof Bernward, 993-1022.

Hs. —W A R—-

Rs. Inschrift .

In Meklenburg sind schon früher Münzen vom Bischofe Bernhard von Hildesheim gefunden, wie z. B. in dem Funde von Warlin aus dem Jahre 1050; vgl. Jahrbücher V, S. 134.

1 Bruchstück.

84) Hildesheim, Bischof Godehard, 1022-1038. Hs. goDEH A RDVs eps. Kopf.

Rs. HILDENESHEIM rückläufig. Ein rundes Gebäude mit drei hohen spitzen Thürmen. Zuerst aus dem Funde von Egersund T. IV, Nr. 60 abgebildet, vgl. S. 145, Nr. 10. Im Funde von Farve ein Exemplar, S. 27, Nr. 18. Vgl. Köhne M. III, 421, Nr. 61.

1 Stück.

Abbildung Nr. 6.
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85) Quedlinburg, König Otto I, 936-962 (973). Hs. DI[ s R A ]REX, rechtläufig. Kreuz, in den Winkeln mit [OD]DO.

Rs. [SCS]SERV A . . .[CIVS]. Kirche, mit drei Queerlinien und einem Punkte auf dem Thore und einem T an jeder Seite der Kirche. Dies ist, selbst in Einzelnheiten, dieselbe Münze, welche von Lelewel Pl. XX, 2, abgebildet ist, nur daß bei Lelewel die Umschriften rückläufig sind. Ueber die Bestimmung dieser Münze vgl. Köhne M. III, S. 425, Nr. 66. Vgl. auch Cappe M. des St. Quedlinburg Nr. 1, b.

1 Bruchstück.

86) Magdeburg, König Otto I. (?), 936-973. Hs. OTT— —. Kleines Kreuz, mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. M A —, oben rechts am Kirchengiebel anfangend. Kirche. Eine sehr klar und regelmäßig gravirte und geprägte Münze, ein seltenes Urstück unter den vielen Nachahmungen magdeburger Münzen.

1 Bruchstück.

Abbildung Nr. 7.

87) Magdeburg, König Otto I. (?), 936-973. Hs. dI s R A —. Kreuz, mit ODdo in den Winkeln.

Rs. Inschriftskreuz M . . . . . . . . . Kirche.

1 Bruchstück.

88) Wendenpfennige.

Von diesen bekannten, in allen Funden aus dem 10. und 11. Jahrhundert hierorts vorkommenden Münzen, die sich durch ihren aufgebogenen Rand und größtentheils aus Strichen bestehenden Umschriften charakterisiren, und über deren Entstehung Köhne Zeitschrift, III, S. 359, zu vergleichen ist, fanden sich in sechs nicht ungewöhnlichen Typen 170 ganze, 33 halbe und 19 viertel Exemplare, deren Größe 15-16 Mm., deren Gewicht 20-25 Aß beträgt.

Erster Typus.

Hs. In einem geperlten Kreise ein Ständerkreuz. Die Umschrift hat zwischen acht Strichen vier Buchstaben CRVX, jedoch nicht in der angegebenen Folge, sondern wechselnd vertheilt, das C mit der Oeffnung bald rechts, bald links gekehrt.

Rs. Im Perlenkreise ein gemeines schwebendes Kreuz, in den Winkeln von Ringeln begleitet. Die Umschrift im Charakter der andern Seite hat die Buchstaben H, R oder P und X. Lelewel, T. XXI, Nr 22, abgebildet. Cappe Kaisermünzen I, S. 87, Nr. 393, hat die Buchstaben Heinricus rex gedeutet.

Zweiter Typus.

Hs. Der vorigen Type gleich.

Rs. Im Perlenrande das schwebende Kreuz des vorigen Typus, jedoch ist es von zwei Puncten und zwei Ringeln, in

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denen Punkte sind, begleitet. Die Umschrift enthält auch zwölf Stellen, wo die Buchstaben des Wortes crux oder auch H . PI hervortreten. Münzfund von Farve, Nr. 97.

Dritter Typus.

Hs. Das Ständerkreuz in der gewöhnlichen Umgebung; in der Umschrift von zwölf Stellen sind die Buchstaben VHRE oder die des Wortes crux vertheilt.

Rs. Im Perlenkreise ein Kreuz, dessen Arme sich kleeblattartig mit drei Puncten schließen. In der Umschrift sind meistens die Buchstaben von crux unter Striche vertheilt. Lelewel, T. XXI, Nr. 23 u. 24, abgebildet. Münzfund von Farve, Nr. 95, mit dem Bemerken, daß VHRE noch nicht erklärt sei und daß v. Posern=Klett in der Münzgeschichte Sachsens diese und ähnliche Münzen nach Naumburg und Magdeburg stelle. T. XXXVI, Nr. 2-6, und S. 264. Cappe I, T. XV, Nr. 250 und S. 87 legt sie K. Heinrich II. bei und liest Heinricus imp Lelewel III, S. 157, hat gleichfalls den Namen Heinricus herausgebracht.

Vierter Typus.

Hs. Im Perlenkreise ein Ständerkreuz. Die Umschrift hat in verwilderten Buchstaben die Legende: in nomine dei angedeutet.

Rs. In Perlenkreise ein Kirchengebäude, in dessen Mitte ein Kreuz, an dessen Seiten meistens drei Puncte, auch wohl ein Kreuz. Die Umschrift enthält zwischen Strichen die Buchstaben M s D; das B, das Andere gefunden, fand sich auf keinem der hiesigen Exemplare. Dannenberg Mitth. der Berlin. numism. Gesellschaft III, S. 158, Nr. 22, sagt: der Name Magdeburg ist, wie auf ähnlichen Münzen (Cappe I, T. XV, Nr. 249) ziemlich deutlich; daß aber die Inschrift wirklich so heißen soll und daß die andere Seite den Spruch: in nomine domini amen, enthält, wird zur Gewißheit durch einen unedirten derartigen Pfennig seiner Sammlung, der beide Inschriften deutlich erkennen läßt. Lelewel III, S. 157, will moguncia civitas lesen. Im Münzfund von Farve, S. 55, Nr. 99, fand Dr. Friedländer auf keinem der zahlreichen Exemplare die Buchstaben, die Magdeburg bezeichnen. Cappe XV, Nr. 252.

Fünfter Typus.

Hs. Der vorigen gleich, jedoch enthält die Umschrift weniger bestimmte Buchstaben.

Rs. Im Kirchengebäude ist in der Mitte ein O und an dessen Seite Puncte. Die Umschrift ist unbestimmter, als bei

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der vorigen, und bei einer großen Anzahl ist die Vorderseite bracteatenmäßig durchgeschlagen. Cappe XV, Nr. 249.

Sechster Typus.

Hs. Im Perlenkreise ein Ständerkreuz; in der Umschrift ist ein V und ein R zu erkennen, also vielleicht crux.

Rs. Im Perlenkreise ein rechts gekehrter Bischofsstab. Die Umschrift mit einein H und V weifet auf das VHRE des dritten Typus hin. Es fand sich nur ein Exemplar dieses Typus.

170 Stück.        
52 Bruchstücke.

89) Wendenpfennige, Nachbildungen von Deventer=Münzen.

Abbildung Nr. 14.

Die oben bei Friesland Nr. 73 beschriebene Münze von Deventer, welche in den schwaaner Exemplaren sehr gut, scharf und klar gravirt und geprägt ist, ist aus einem Funde von Frankfurt a. O. im Jahre 1840 von Dr. Friedländer in Köhne Zeitschrift, III, 1843, S. 152, Nr. 32, zuerst bekannt gemacht und dazu T. V, Nr. 17, abgebildet (vgl. auch Abbildung bei Cappe I, T. XIII, Nr. 225, vgl. S. 83, Nr. 378). Darauf ward sie noch im Funde von Farve, S. 35, Nr. 34, gefunden. — Diese Münze scheint über die Nachbildungen oder sogenannten Wendenpfennige willkommen. Aufschluß zu geben und deshalb eine besondere Behandlung zu verdienen. In dem schwaaner Funde kommen wenigstens 18 Münzen vor, welche an Größe, Gewicht, Prägeweise und Ansehen den Wendenpfennigen völlig gleich sind; man sieht aber klar, daß sie nur mißverstandene Nachbildungen sind, und zwar der Münze von Deventer. Man hat die Zeichen im Felde der Hauptseite ohne Verständniß grade so nachgravirt, wie sie sich auf den ächten Münzen zeigen, und dadurch sind sie beim Abschlag verkehrt zu stehen gekommen; außerdem hat das M ein kleines Kreuz auf dem mittlern Balken; das S ist durchstrichen und geschnörkelt. Von den Buchstaben der Jnschriften treten nur einige Buchstaben hervor. Diese Münzen erscheinen in mehrern Abstufungen. Einige wenige haben noch klar:

Hs. Inschrift

Rs. Inschrift

Die Mehrzahl ist aber schon mehr verwildert und hat fast nur Striche ││││.

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Diese offenbaren Nachbildung im schwaaner Funde sind ohne Zweifel dieselben, von denen sich etwa 5 Loth im Funde von Farve (Nr. 101) fanden.

Neben diesen ganzen Pfenningen kamen noch vier Halblinge derselben Nachbildung vor, welche die Mehrzahl der wenigen kleinem Münzen im ganzen Funde bilden. Von diesen Dritttheilstücken hat ein einzig das Inschrift richtig gestellt, während alle andern, sowohl die ganzen, als die Dritttheilstücke, Inschrift haben.

22 Stück.

90) Hs. HIADMER[VS]. Kreuz, mit einer Kugel in jedem Winkel.

Rs. Der sogenannte gordische Knoten. Die Umschriften sind sehr undeutlich. Vgl. Fund von Farve S. 43, welcher 225 Stück enthielt, und T. I, Nr. 10. Auch früher oft in Meklenburg gefunden; Vgl. Jahresber. III, S. 105, und V, S. 137.

1 Stück.

91) Unbekannte Münze. Vielleicht Nachbildung von Bernhard=Münzen. Hs. Kopf, mit Kamm als Helm.

Rs. Kreuz.

Die Inschrift scheint auf beiden Seiten gleich zu sein. Die meisten Exemplare sind undeutlich geprägt. Auf einem Exemplare steht jedoch deutlich · VOI · IVOI · IOV. Dies ist dieselbe Münze, welche auch im Funde von Egersund war und dort T. V, Nr. 78 und S. 146, Nr. 6, VNOVNOVNO gelesen wird. Auch in ähnlichen, kleinern Funden in Meklenburg ist diese Münze vorgekommen; vgl. Meklenb. Jahresber. V, S. 138.

12 Stück.


England.

Nachdem B. E. Hildebrand in Anglosachcicka Mynt i Svenska kongl. Myntcabinettet, Stockholm, 1846, eine Menge Münzen der beiden Könige, die hier in Betracht kommen, bekannt gemacht hat, so genügt es, bei den Angaben der hiesigen auf jene zu verweisen und nur die dort fehlenden näher zu bezeichnen.

92) König Aethelred II., 978-1013, 1014-1016.

Erster Typus (Hildebrand A.).

Hs. Des Königs links gekehrtes Brustbild.

Rs. Ein kleines schwebendes Kreuz.
          Grosch=Cab. T. XX, Nr. 23.

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1) Lincoln. Hildebrand, Nr. 872, in 4 Bruchstücken.
2) Theodford. Hildebran, Nr. 1892, 1955 und 1956, letztere mit MON.
3) Winceaster. Hildebrand, Nr. 2222 mit Inschrift .
4) Eoferwic. Hildebrand, Nr. 482.
5) Eine falsche Münze, welche nach der Hildebrandschen Uebersicht S. XC zu Aa gehört, da die Hauptseite eine regulaire Inschrift hat.
          Bruchstücke dieses Typus fanden sich 6.

Zweiter Typus (Hildebrand B.).

Hs. Brustbild.

Rs. Eine niederwärts gekehrte Hand zwischen AM .
     Groschen = Cab. T. XX., Nr. 22

1) Gipeswic.

Inschrift
Ein Bruchstück.
Dritter Typus (Hildebrand C.).

Hs. Brustbild, ein Scepter mit 3 Knöpfen haltend.

Rs. Ein doppelte Kreuz, das durch die Umschrift geht, mit dem Worte Inschrift in den Winkeln.
     Groschen=Cab., T. XX, Nr. 25.

1) Eoferwic. Hildebrand, Nr. 362.
2) Grantabricge. Hildebrand, Nr. 606.
3) Lincolne.

Inschrift
Bruchstück von 970.

4) Oxnaford. Hildebrand, Nr. 1633.

In Bruchstücken fanden sich Münzen mit den Orten Aesthe (Nr. 2), Caentwarabyrig (Nr. 87, Ciceaster (Nr. 149), Eaxeceaster (Nr. 297), Gifelceaster (Nr. 542) Lundene (Nr. 1264, 1370, 1281 und 5 kleinere Bruchstücke), Northwic (Nr. 1592), Suthbyrig (Nr. 1815), Totanaes (Nr. 1958), Werham (Nr. 2028), Crocglade (Nr. 193), außerdem 53 kleinere Bruchstücke dieses Typus.

Vierter Typus (Hildebrand D.).

Hs. Das Brustbild.

Rs. Ein doppeltes Kreuz, das durch die Umschrift geht.
     Groschen=Cab. T. XX., Nr. 24.

1) Lincolne. Hildebrand, Nr. 846 und 851.
2) Lundene Hildebrand, Nr. 1111, 1512, 1229.

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3) Sitv. Hildebrand, Nr. 1735.
4) Theodford. Hildebrand, Nr. 1943 und 1935.

Dann ein Bruchstück von Eoferwic (Nr. 502) und 11 kleinere Fragmente.

Fünfter Typus (Hildebrand E.).

Hs. Das Brustbild.

Rs. Ein doppeltes Kreuz, in den Winkeln mit eingeborenen Ecken, die mit Knöpfen besetzt sind.
     Groschen=Cab. T. XXI, Nr. 26.

1) Lincolne, wie Nr. 1055, jedoch mit dem Namen des Münzmeisters Inschrift , während Hildebrand wulwgar hat.
2) Lundene, Nr. 1110, und 9 Fragmente dieses Typus.

20 Stück.          
201 Bruchstücke.

93) König Cnut. 1016-1035.

Erster Typus (Hildebrand E.).

Hs. Das gekrönte Brustbild in einem Kreise von vier Bogen. Rs. Ein doppeltes Kreuz, das durch die Umschrift geht, die von dem Felde durch einen Kreis von vier Bogen getrennt ist.
     Groschen=Cab. T. XXI, Nr. 27.

1) Lincolne. Hildebrand Nr. 668 und 540.
2) Haestinga. Hildebrand Nr. 397.
3) Snotingaham. Hildebrand Nr. 1171.

Von den beiden letztern nur unvollständige Theile und außerdem noch 6 Bruchstücke dieses Typus.

Zweiter Typus (Hildebrand G.).

Hs. Im Kreise das Brustbild mit Helm. Rs. Ein doppeltes Kreuz, dessen runde, durchbrochene Mitte einen Punct einschließt und das in den Winkeln von einem Punct in der Mitte begleitet ist.
     Groschen=Cab. T. XXI, Nr. 29.

1) Lundene. Hildebrand Nr. 824 und 723, mit 6 Bruchstücken.

5 Stück.          
34 Bruchstücke.

Von augelsächsischen Münzen fanden sich also:

1) von Aethelred: 20 ganze und 201 Bruchstücke.
2) von Cnut: 5 ganze und 34 Bruchstücke,
und ist es auffallend, daß verhältnißmäßig keine Münzclasse hier so viel zertheilt ist, als diese.

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Byzanz.

94) Kaiser Constantinus X. Porphyrogenitus und Romanus II., 948-959.

Hs. Im Felde: Inschrift

Rs. ihsus xristUs N IC A , im Felde ein Patriarchenkreuz.

Abbildung Nr. 1.

Nur ein Bruchstück, etwa 2/3, eine Münze, wie sise im Funde von Obrzycko in vielen Exemplaren vorkam und von Friedländer S. 22 beschrieben ist. Im Funde von Vaalse (S. 44) fand sich auch nur ein Bruchstück. Dieselbe Münze fand sich in Meklenburg schon einmal in einem kleineren ähnlichen Funde von Sternberg vom Jahre 1050 (vgl. Meklenburg. Jahresbericht III, S. 102, Nr. 1).

1 Stück.


Georgien.

95) Fürst David, 983-1001.

Abbildung Nr. 2.

In dem Funde befindet sich eine Münze, welche bis jetzt unbekannt, jedenfalls unedirt zu sein scheint und sehr schwer hat erklärt werden können, obgleich sie viel zur Ansicht versandt ist. Sehr namhafte Forscher hielten sie für "wirklich armenisch"; die Buchstaben schienen ihnen als "armenische" gelesen werden zu können, konnten aber nicht erklärt werden. Die Münze ist aber eine georgische. Wir verdanken die erste Erklärung dem Herrn Conferenzrath Thomsen zu Kopenhagen und der Beihülfe des Herrn Kammer=Assessors Lassoe daselbst, Beamten am Münzcabinet, welcher in Nachsuchungen eifrigst bemüht gewesen ist. Die Erklärung giebt das Werk von dem georgischen Fürsten Baratajeff * ) über georgische Münzen, mit dem Titel: Documents numismatiques du royaume de Géorgie par le prince Baratajeff. St. Petersburg, 1844. In diesem Werke kommt die Schwaaner Münze zwar nicht mit denselben Buchstaben vor, aber es sind dort


*) Der Herr Staatsrath v. Erdmann aus Kasan, ein Meklenburger, welcher im Juli 1860 in Schwerin war und die Münze besah, versicherte, daß die Arbeit des Fürsten Baratajeff, den er persönlich gekannt habe, gewiß völlig zuverlässig sei.
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andere Münzen bekannt gemacht, welche auf der Hauptseite die Buchstaben des Namens des Münzherrn Name haben, welche DawiTH gedeutet werden (vgl. III, S. 38) nämlich König David von Georgien. Die Lesung und Erklärung anderer Forscher wollte deshalb nicht glücken, weil sie die Inschrift verkehrt angesehen und auf den Kopf gestellt hatten. Die beiden hier Wiedergegebenen Buchstaben bilden aber nicht die obere, sondern die untere Zeile der Hauptseite, jeder der beiden Buchstaben unter einer Linie — — oder Abkürzungszeichen.

Die über diesen beiden Buchstaben unter den Abkürzungszeichen — — stehende Zeile, deren Buchstaben verbunden zu sein scheinen, ließen sich aber eben so wenig deuten, als die vier Buchstaben in den Winkeln des Kreuzes auf der Rückseite.

Die bisherigen Werke von Langlois über georgische und armenische Münzen, welche derselbe im Jahre 1852, nach Brosset Revue de la numismatique georgienne, 1846, herausgab, hatten keine so alte Münze.

Die georgische Münze von Schwaan hat ganz den Charakter der byzantinischen Münzen, wie sie bei de Sauley (Essai de classification des suiles monétaires Byzantines, Metz, 1836, Pl. XV, Nr. 9, XVI, Nr. 6, 8, XVII, Nr. 8, und so weiter bis XX, Nr. 6) dargestellt sind; die letzten sind von Romanus Lacapenus und seinen Söhnen 928-944.

Aber die georgische Münze stimmt auch noch zu der in demselben Funde daneben gefundenen Münze von Constantinus Porphyrogenitus und Romanus II. (948-958): Silber, Größe, Dicke, die Inschrift auf der Hauptseite und das Kreuz auf der Rückseite, Prägeweise, der mehrfache Perlenrand mit den von Entfernung zu Entfernung dazwischen gesetzten Kugeln: alles stimmt genau überein. Die georgische Münze ist also wohl ohne Zweifel dazu bestimmt gewesen, um mit den byzantinischen Münzen zu coursiren. Die georgische Münze unseres Fundes, von welcher ein kleines Stück abgehackt ist, hat ein Gewicht von 2 1/2 Grammen, eine byzantinische Münze von Constantinus Porphyrogenitus und Romanus aus einem andern Funde, hat ein Gewicht von 3 3/10 Grammen.

Die Zeit paßt auch vortrefflich, sowohl zu den übrigen Münzen des Fundes, von denen die meisten deutschen etwas jünger sind, als zu der byzantinischen (948-959) und der altrussischen (981-1015) Münze.

Während der letzten Redaction dieses Berichtes erscheint:

Essai de classification des suites monétaires de la Géorgie,

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par V. Langlois, Paris, 1860, worin Langlois offenbar unsere Münze als in der "Collection J. Friedländer à Berlin" bekannt macht und untersucht; dies wird aber ein Irrthum sein, da Langlois wahrscheinlich von Friedländer eine Zeichnung unserer Münze erhalten hat. Langlois schreibt unsere Münze dem Davith Curopalates (983-1001) von der Dynastie de la Géorgie méridionale zu, und weist nach, daß sie weder von dem Könige David I. (876-881), noch von dem Könige David II. (1089-1125) sein könne. Unsere Münze wird von Langlois für die älteste Nachahmung des byzantinischen Typus erklärt. Diese Bestimmung paßt sehr gut zu dem Funde von Schwaan: von David II. kann die Münze nicht sein, da der schwaaner Fund vor 1050 vergraben sein muß; für David I. würde sie wohl zu alt sein, da sie mit der Münze von Constantinus Porphyrogenitus (948-959) völlig übereinstimmt.- Langlois übersetzt die Inschrift der Hauptseite durch: "Christ aie pitié de Dawith" und die vier Buchstaben in den Winkeln des Kreuzes auf der Rückseite durch: C P als eine Abkürzung des Titels CuroPalaTI.           T I

Diese Erklärungen werden wohl richtig sein. Man könnte aber doch versucht werden, in den vier Buchstaben der Rückseite eine Hindeutung auf das Kreuz Christi zu suchen und die zwei ersten Buchstaben für die Anfangsbuchstaben des Namens Christus zu halten, also CP statt des griechischen XP (χρ) , so daß die vier Buchstaben: Christi heißen könnten, oder griechisch geschrieben XPιςTI . Jedoch soll dies nur als reine Muthmaßung gelten, auf welche gar kein Gewicht gelegt wird.

Beim Schlusse dieses Berichtes erscheint; A propos du livre intitulé: Essai de classificalion etc. par Langlois, par M. Brosset, in dem Bulletin de l'Academie Imp. des sciences de St. Petersbourg, T. III, 1861, p. 153 sq., wo Brosset sich P. 173 flgd. für die Ansichten von Langlois entscheidet. Auch der General Bartholomäi hat seine Zustimmung ertheilt.

Zu gleicher Zeit schreibt der Staatsrath Kunik in St. Petersburg: "Brosset und Bartholomäi, welche Ihre Münze aus Langlois kennen zu lernen Gelegenheit gehabt haben, sind mit der Deutung einverstanden und erkennen sie für die älteste georgische Münze;" die älteste bisher bekannte georgische Münze ist von Bagrat IV. (1028-1072). Brosset giebt außerdem noch eine Erklärung und lieset:

Hs. Inschrift (d. i. Kriste cheitsgale)
(d. i. Dawith)

d. i. Christ aie pitié de Dawith.

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Rs. Inschrift (d. i. Curopalati)

wahrscheinlich byzantinische Aussprache für Curopalates. Zu derselben Zeit regierte zu Lori der Curopalates Coric I., von welchem eine armenische Münze vorhanden ist mit der Inschrift in französischer Erklärung: "Seigneur, assiste Coric couropalate." Nach Brosset war Dawith der Große († 1001) nicht König, aber ein mächtiger Dynast, ein Bagratide, welcher das Land an den Quellen des Tehorokh, d. i. den Tao, und an den Quellen des Araxes, d. i. den Basian, also das Land zwischen Kars und Erzerum, vielleicht bis nach Bajazid, eroberte. Nach der großen georgischen Chronik: "Histoire de la Géorgie, traduite du géorgien par M. Brosset, I re partie, St. Petersbourg, 1849: David le grand, couropalate, roi de Tao, p. 281, 291; adopte Bagrat, prince d'Aplikhasie, p. 292; secourt Basile II, p. 293; sa mort, p. 297"; — nach den "Additions et Eclaircissements à l'Histoire de la Géorgie, St. Petersbourg, 1851: couropalate Ibérien, secourt Basile II, p. 176; reçoit plusieurs forteresses, p. 178; prend la ville de Manazcert, p. 181; bat Mamlan, p. 182; sa mort, p. 184.

1 Stück.


Rußland.

96) Großfürst Wladimir Swjätoslawitsch d. H., 981-1015.

Hs. Inschrift

Eine menschliche Figur, sitzend oder Kniestück, mit einer Krone auf dem Haupte und mit einem aus Perlen gebildeten Heiligenscheine um das Haupt, mit der rechten Hand einen Kreuzstab haltend, die linke Hand auf die Brust legend, welche am Halse mit Punkte verziert ist. Kopf und Oberleib sind sehr groß und gehen bis an den Rand der Münze. Unten sind Andeutungen von den Knieen oder Füßen und zu den Seiten der Hüften charakteristische Verzierungen von zwei Ringeln Ringe , welche wohl die Lehnen eines Sessels andeuten sollen, so daß die Figur sitzend dargestellt sein soll. Die Umschrift beginnt unten links unter der rechten Hand und geht rechts hin weiter bis gegen den linken Elbogen.

Rs. Inschrift

in drei Absätzen, oben rechts anfangend, so daß Inschrift unten von den übrigen Buchstaben auf beiden Seiten getrennt stehen.

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Im Felde eine Figur, welche Einige für einen Kirchenleuchter (?) ausgegeben haben, Köhne aber für die rohe Gestalt eines Vogels mit ausgebreiteten Flügeln (des altdänischen Raben) erklärt. Vielleicht sind beide Ansichten nicht richtig.

Abbildung Nr. 3.

Die Münze ist nicht ganz vollständig, da links neben dem Kopfe der Figur auf der Hauptseite ein Stück, etwa 1/5 oder 1/6, mit einem Theile der Umschrift, fehlt.

Thomsen in Kopenhagen, dem wir über diese seltene Münze manche Aufklärung verdanken, ist der Ansicht, (welche wir ganz theilen) daß diese altrussischen Münzen bestimmt gewesen seien, um mit den kufischen Silbermünzen zu coursiren. Von den byzantinischen Münzen weichen diese altrussischen Münzen in vielen Stücken ab.

Die sehr seltne Münze ist eine altrussische Münze. Altrussische Münzen sind als solche schon von Chaudoir (Aperçu sur les monnaies Russes etc. par le baron S. de Chaudoir, Petersburg et Paris, 1836 et 1837,) bekannt gemacht, und Grote hat in den Blättern für Münzkunde, Bd. IV, 1844, Nr. 6, S. 110 flgd., und Taf. III, den Hauptinhalt dieses Werkes mit Abbildungen weiter verbreitet. Chaudoir nimmt, gewiß mit Unrecht, an, daß bis zum Ende des 13. Jahrhunderts vor dem großen Tatareneinfall die Russen im Lande kein eigenes Geld geschlagen haben, und meint, diese Münzen seien zu augenscheinlich Nachahmungen byzantinischer Münzen, als daß man glauben könne, sie seien in Rußland geprägt, vielmehr seien sie dem Anscheine nach von Griechen gemacht, um bei besonderen Veranlassungen vertheilt zu werden (Grote a. a. O. S. 116). Andere gingen noch weiter, indem sie diese Münzen ganz aus Rußland verweisen wollten.

Im Jahre 1852 wurden bei Neshin ungefähr 200 altrussische Münzen gefunden, von denen die meisten die Inschrift Wladimir haben. Seit der Zeit ging man in der altrussischen Numismatik, nachdem der Fund von Woloschinski, Conservator des Münzcabinets zu Kiew, beschrieben war, weiter, schrieb aber diese Wladimir=Münzen dem Großfürsten Wladimir Monomach (1113-1125) zu. Man vgl. auch Kunik: Ueber die russisch=byzantinischen Münzen Jaroslaw's I. Wladimirowitsch, Petersburg, 1860.

In unseren Tagen hat Köhne (Zeitschrift für Münz=, Siegel= und Wappenkunde, Neue Folge, Bd. I, Heft 2, 1859, S. 72 flgd.) diese Forschungen wieder aufgenommen und weiter geführt, nachdem man ihm in Stockholm eine alte russische Münze in zwei Exemplaren mitgetheilt hatte. Er hat die

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Stockholmer Münzen dem Könige oder Großfürsten Oleg (879-912) zugeschrieben, aber viel Widerspruch erfahren. Dieser Streit hat aber keinen anderen Einfluß auf unsere Münze, als daß er diese genauer bestimmen hilft.

Wir schreiben die schwaaner Münze dem Wladimir Swjätoslawitsch dem Heiligen zu. Chaudoir und Grote (Taf. III, Nr. 41) und Köhne (Taf. VI, Nr. 4) haben jeder eine ganz ähnliche, ja fast gleiche Münze abbilden lassen. Auf beiden Münzen ist der Name Wladimir deutlich ausgeprägt; die ganze Umschrift der Hauptseite lautet aber: "Wladimir na stolä", d. h. Wladimir auf dem Throne. Diese Umschrift hat die Hauptseite unserer Münze aber nicht ganz. Im Anfange ist deutlich ein B zu lesen, obwohl der untere Theil des B etwas verkümmert und verdrückt ist. Weiterhin läßt sich ein L und ein A erkennen. Man wird daher die Buchstaben B( L )A für den Anfang des Namens Wladimir halten müssen. Der Schluß der Umschrift ist aber völlig klar Inschrift geprägt. Diese Buchstaben scheinen dunkel im Sinne zu sein. Kunik sagt brieflich, daß die Endsylbe -mir in Wladimir oft auch -mer geschrieben wird. Köhne erklärt brieflich die Endung -era für das Ende der Genitivform des Namens Wladimir:

Inschrift , "des Wladimir".

Mehr Umschrift hat die Hauptseite nicht gehabt. In Folge dieser Erklärung möchten wir auch das Brustbild auf der Hauptseite, welches einen Heiligenschein hat, für das Bild des H. Georg halten.

Die Rückseite der beiden erwähnten Münzen ist der Rückseite unserer Münze, namentlich in der kaum zn erkennenden Darstellung des "Vogels", völlig gleich. Die Umschrift unserer Münze ist völlig klar:

Inschrift

welche nach den übrigen Münzen zu ergänzen ist:

Inschrift

und zu lesen:

a se ego srbro Inschrift

und zu übersetzen:

"und dies ist sein Silber".

Wir schreiben unsere Münze um so mehr dem Wladimir Swjätoslawitsch dem Heiligen zu, als sie für den Fall der wohl nicht zu bezweifelnden Richtigkeit der Bestimmung ungefähr 25 bis 30 Jahre vor dem Vergraben des shwaaner Fundes geprägt sein wird, zu gleicher Zeit mit der altgeorgischen Münze dieses Fundes. Wir haben hier also einen ganz bestimmten Anhalt für das Alter der ältesten

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russischen Münzen. So viel ist sicher, daß unsere Münze älter sein muß, als die jüngsten Münzen unseres Fundes, und keinem anderen Wladimir angehören kann. Für die russische Münzkunde ist aber diese Münze von der allergrößten Wichtigkeit, da sie durch den unzweifelhaft sicher bestimmten Fund von Schwaan eine feste Stelle erhält.

Auf die im Jahre 1852 bei Neshin gefundenen altrussischen Münzen wirft unsere Münze ein helles Licht. Von den in der russischen "Beschreibung der altrussischen Münzen, welche dem Münzcabinet der kaiserlichen Wladimir=Universität gehören, aus der Zahl der bei Neshin im Mai 1852 gefundenen Münzen, ausgearbeitet von Jacob Woloschinski, Kiew, 1853", in den "Arbeiten der Commission zur Bearbeitung des Gouvernements des Kiewer Lehrbezirks", abgebildeten Münzen ist die Münze Nr. 14, Taf. II, welche auch die charakteristischen Ringel ( Ringe ) am Gürtel des Bildes der Hauptseite hat, der unsrigen sicher völlig gleich, gehört also gewiß Wladimir dem Heiligen; ebenso scheint Nr. 18, vielleicht auch Nr. 17, gleiches Gepräge zu haben, und bei genauerer Forschung werden sich noch mehr Münzen dieser Gattung in dem gedachten Funde finden.

1 Stück.


Arabische Münzen.

Die kufischen Dirheme kamen seit dem 8. Jahrhundert, in großen Massen in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, nach Rußland und von dort wieder in den Occident. Die Zufuhr hörte im Anfange des 11. Jahrhunderts durch das Vordringen türkischer Horden plötzlich auf. Daher waren die kufischen Münzen in Rußland gewiß noch unter Wladimir Swjätoslawitsch d. H. (981-1015) in Umlauf, jedoch schon sehr zerstückelt und abgegriffen.

1. Abassiden. * )

97) 295-320 n. H., 908-932 n. C. Von der Jahreszahl ist noch zu lesen: "Geschlagen im Jahre zwei hundert und" — — —, auf der andern Seite vielleicht der Rest des Chalifennamens: Al Moktadir billah (908-932).

1 Bruchstück.


*) Die folgende Erklärung der arabischen Münzen verdanken wir dem verewigten Professor Dr. Kosegarten zu Greifswald.
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98) Al radhi-billah, 322-329 n. H. 934-941 n. C. 32(3) = 93(5). Hs. zeigt in der inneren Randschrift deutlich die Jahreszahl "zwanzig und dreihundert"; vor "zwanzig" ist die Einerziffer abgebrochen.

Rs. Al râdi.
Vgl. Tornberg Symbolae, T. I, Nr. 4.

1 Bruchstück.

99) Al Mottaki lillah, 329-333 n. H., 941-944 n. C.; 330 = 942: zu Basra 330 geschlagen, wie ganz deutlich zu lesen ist.

Hs. Abu Manssûr ben
emîr al mumenîn
(Abu Manssur Sohn des Beherrschers der Gläubigen.)

Rs. Al Mottaki lillah.
Vgl. Möller numi orientales, p. 88, und Hallenberg numi or. I, p. 168.
Diese Münze ist die einzige vollständig erhaltene kufische Münze des ganzen Fundes.

1 Stück.

2. Samaniden.

100) (2)9(0) = (9)0(2).

Man erkennt von der Jahreszahl noch den Zehner neunzig; vor neunzig kann auch noch ein Einer gestanden haben.

1 Bruchstück.

101) 301-322 = 914-943.

Nasr ben Achmed

Es scheint unten der Rest des Namens Nasr ben Achmed zu stehen.

2 Bruchstücke.

102) 33(0) = 94(1).

Man erkennt von der Jahreszahl noch: dreihundert dreißig; der Einer fehlt.

1 Bruchstück.

103) 34(0) = 95(2).

Von der Jahreszahl ist noch die Zahl: dreihundert und vierzig und . . . . . . zu erkennen.

1 Bruchstück.

104) ? Samarkand scheint der Prägeort zu sein.

1 Bruchstück.

105) Ungewisse Bruchstücke.

8 Bruchstücke.

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3. Buwaihiden.

106) Moïss eddaula, 334-356 n. H., 946-967 n. C. (344) = 956).

Hs. Al Hossain Buwaih, als Ueberrest des ganzen Namens Moïss eddaula Abu al Hossain Buwaih

Rs. al Motî
rk, d. i. Rokn eddaula.

Die Jahreszahl ist nicht mehr vorhanden; aber die Namen stimmen ganz zu Frähn's Münze vom Jahre 344; vgl. Frähn, S. 598.

1 Bruchstück.

107) Jahr ungewiß.

Man erkennt in der inneren Randschrift deutlich "Samarkand", häufig bei den Samaniden.

Unter dem Prägeort stehen Buchstaben, welche der Rest von "al Hossain Buwaih" sein könnten, in welchem Falle die Münze zu den Buwaihiden gehören würde.

1 Bruchstück.

4. Edrisiden.

108) 177—213 = 794—829.

Zwei Bruchstücke mit einem Baumzweige über der Inschrift, wie dies auf den Münzen der Edrisiden vorkommt; vgl. Frähn, Recensio, p. 13*** und 27**, und Tornberg, numi cufici, p. 128, Nr. 8.

2 Bruchstücke.

5. Hamdaniden.

109) 330—356 = 941—967.

Zeit ungewiß. Vielleicht Stück eines Hamdaniden.

1 Bruchstück.

6. Ungewiß.

110) Wahrscheinlich zu al Schâsch geschlagen, von welchem Namen noch der letzte Buchstabe zu erkennen ist.

1 Bruchstück.

111) Arrâfika, scheint der Prägeort zu sein, ein Beiname der Stadt Arrakka in Mesopotamien.

1 Bruchstück.

112) Schwer zu bestimmende Bruchstücke, alle sehr klein und abgegriffen, von denen die meisten viel behandelt zu sein scheinen

über 200 Bruchstücke.


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113) Unbekannte , undeutliche und unerklärte occidentalische Münzen.

27 Stück.

114) Ungeprägte oder zum Prägen überarbeitete glatte Rundstücke.

10 Stück.


Schluß.

Der Fund von Schwaan enthält also
845 ganze Münzen
und 828 bestimmbare Münzbruchstücke,
------
giebt also 1673 bestimmbare Münzen,
zu denen noch ungefähr 1567 unbestimmbare Bruchstücke
von verschiedenen einzelnen Münzen kommen, so daß der Fund ungefähr ------
3240 Münzen repräsentirt.

Die Beschreibung, welche oben gegeben ist, erläutert fast alle Münzen, und es sind nur 27 Münzen (Nr. 113) unerklärt geblieben, welche selten zu sein scheinen, in den Umschriften aber so sehr mangelhaft sind, daß sie wohl nur durch Hülfe gleicher vollständiger Exemplare bestimmt werden können.

Ueber das Gewicht sind zu anderen umfassenden Forschungen besondere Untersuchungen in Schwerin angestellt, indem der Herr Dr. Soetbeer aus Hamburg, unter dem Beistande der Herren Major Köhler, Rechnungsrath Vogler und Oberlehrer Dr. Hartwig zu Schwerin, so wie meiner Person, mit sehr genauen Waagen sowohl den Silberschmuck, als auch die Münzen, in einzelnen Stücken, so wie in verschiedenen bestimmten Massen, durchgewogen und berechnet hat. Aus diesen Untersuchungen ist hervorgegangen, daß von den für Niederdeutschland wichtigen und in größerer Menge in dem Funde vertretenen Münzen das Durchschnittsgewicht

eines alten Denars von Cöln 1, 41  Gramm,
eines Denars von Otto und Adelheid 1, 32     "
eines Denars von Herzog Bernhard 1, 24     "
eines Wendenpfennigs 1, 14     "
beträgt. Im besonderen beträgt das Durchschnittsgewicht von
10 Stück schweren, alten Denaren von Cöln 14, 47  Gramm,
10 Stück gewöhnlichen, alten Denaren von Cöln 13, 92     "
10 Stück gewöhnlichen, alten Denaren von Cöln 13, 85     "
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Von großer Wichtigkeit für die Münzgeschichte ist die Zeitbestimmung der Vergrabung des Fundes von Schwaan. Sie wird leicht durch die Lebenszeit derjenigen Münzherren, deren Münzen sich sicher und fest bestimmen lassen. Die sicheren jüngsten Münzen in dem Funde sind von:

Kaiser Heinrich II. von Deutschland 1002-1024,
Herzog Theodorich von Lothringen  984-1026,
Bischof Bruno von Augsburg 1006-1029,
König Cnut von England 1016-1035,
Bischof Godehard von Hildesheim 1022-1038.

Die Münzen der deutschen Kaiser Otto III. (983- 1002) und Heinrich II. (1002-1021) sind in den einzelnen bestimmbaren Geprägen bei weitem überwiegend in dem Funde. Dagegen enthält der Fund keine einzige Münze von dem Kaiser Conrad II (1024-1039) und von Conrad II. und dem Erzbischofe Piligrim von Cöln (1027-1036) und Anderen, und es müßte wunderbar zugehen, daß diese Münzen in dem großen Funde nicht zu finden wären, wenn dieser zu oder bald nach ihrer Zeit vergraben wäre; diese häufig vorkommenden Münzen sind geeignet, den Ausschlag für die Zeitbestimmung zu geben. Der Fund wird also um das Jahr 1025 oder etwas später vergraben sein. Die deutschen Kaisermünzen sind noch immer nicht fest genug bestimmt. Da in unserem Funde die Münzen von Otto und Heinrich vorwiegend sind, so wird es gerathen sein, die Mehrzahl derselben für diesen Fund Otto III. und Heinrich II. zuzuschreiben. Durch die Vergleichung mehrerer umfassender Funde aus verschiedenen Zeiten wird es allein möglich sein, die Münzen der Kaiser nach ihrer Reihenfolge fest zu bestimmen. - Ein gleiches Resultat geben die angelsächsischen Münzen. König Ethelred II (978-1016) ist in dem Funde von Schwaan verhältnißmäßig stark vertreten; von König Cnut dem Großen (1016-1035) sind nur wenige Münzen zu finden, und von den Typen, welche derselbe in seinen letzten Regierungsjahren gebrauchte, ist keine einzige vorhanden. Dagegen sind keine Münzen von Cnut's Söhnen vorhanden und es fehlen z. B. Münzen von Harthacuut (1039 -1042) ganz. - Eben so verhält es sich mit den böhmischen Münzen, welche ziemlich zahlreich in dem Funde sind. Es sind Münzen von den Herzogen Boleslav II., Jaromir und Udalrich (1004-1037) vorhanden; aber es findet sich keine Münze von deren Nachfolger Bracislav (1037-1055), obgleich diese in etwas jüngeren Funden nicht selten sind. - Da also, wenn der Fund jünger wäre als 1025, Münzen von

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Kaiser Conrad II. von Deutschland 1024-1039,
Herzog Bracislav von Böhmen 1037-1055,
König Harthacnut von England 1039-1042,

welche sicher in dem Funde erwartet werden müßten, fehlen, so läßt sich leicht schließen, daß der Fund bald nach 1025, oder, wenn man den damals langsamern Umlauf in Anschlag bringt, gegen das Jahr 1030 vergraben ist, also ungefähr zehn Jahre jünger ist, als der Fund von Farve.

Und hierzu stimmen auch die übrigen jüngsten Münzen von Theodorich von Lothringen (984-1026), Bruno von Augsburg (1006-1029) und Godehard von Hildesheim (1022-1038).

Eine ganz besondere Wichtigkeit gewinnt der Fund von Schwaan durch die in demselben aufgefundene altrussische Münze von Wladimir (Nr. 96), welche nach der nicht zu bezweifelnden Zeitbestimmung vor dem Jahre 1030 geprägt sein muß, also ohne Zweifel Wladimir Swjätoslawitsch d. H. angehört und daher durch die jetzt mögliche Bestimmung aller ähnlichen Münzen den bedeutendsten Einfluß auf die ganze altrussische Münzkunde haben wird, auf deren Felde gerade jetzt eine ungewöhnliche Bewegung herrscht. Nicht minder wichtig wird der Fund auch durch die altgeorgische Münze (Nr. 95) von dem Kuropalaten David.

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Münzfund von Schwaan.
Münzfund von Schwaan
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IV. Zur Geschlechter= und Wappenkunde.


Bronzenes Tauffaß
in
der St. Michaeliskirche zu Lüneburg

von

den Grafen von Schwerin.

Die St. Michaeliskirche zu Lüneburg besaß ein altes, mit Bildwerk gegossenes Tauffaß aus Bronze, welches im Jahre 1792 bei der Restauration der Kirche, ungewiß wohin, veräußert und wahrscheinlich eingeschmolzen ist. Die Bilder und Wappen sind jedoch auf 7 Seiten in Folio sauber gezeichnet in Gebhardi's Collectaneen, Band VI, S. 438 flgd., auf der königl. Bibliothek zu Hannover, mit weiteren Nachrichten S. 524. An diesem Tauffaß fanden sich außer den herzoglich braunschweig=lüneburgischen und mehreren andern Wappen auch die Wappen der Grafen von Schwerin und Danneberg und der Ritter Grote, vom Berge, von Estorf u. s. w., so daß es scheint, daß sämmtliche Burgmänner der Burg Lüneburg diese Taufe mitgeschenkt haben. Das Wappen der Grafen von Schwerin enthält in einer rosenartigen Einfassung von sechs mit Perlen besetzten Bogen zwei Lindwürmer an einem Baume, das Wappen der Grafen von Danneberg in einer gleichen, mit Rosen besetzten Einfassung zwei Löwen an einem Baume. Nach Gebhardi's Ansicht stammt diese Taufe nach dem Styl des Ganzen und den Zügen der Buchstaben der Inschrift aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts. Vorstehende Nachrichten und die Zeichnungen der Wappen der Grafen von Schwerin und Danneberg nach Gebhardi hat der Herr Staatsminister a. D. Freiherr v. Hammerstein zu Verden dem Vereine gegeben, und der Herr Archiv=Secretair Dr. Grotefend zu Hannover durch Beschreibung des Tauffasses vervollständigt.

Das Tauffaß war sehr reich mit figürlichen Darstellungen geschmückt, jedoch nichts wie es scheint, nach einer bestimmten

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Ordnung. Der Hauptinhalt der Darstellungen ist eine rein biblische Folge: Johannes d. T. (?), Verkündigung Maria, Geburt Christi, Anbetung der Heil. Drei Könige, Einzug Christi, Christus vor Pilatus, Christi Kreuztragung, Geißelung, Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung, Christus umgeben von den vier Evangelisten, außerdem Maria mit dem Christkinde vier Male, Christus am Kreuze zwei Male, Christus drei Male; diese Darstellungen sind ungefähr dieselben, welche auf den Gewölben der Kirche zu Bernit stehen, welche ungefähr aus derselben Zeit stammen. Dann kommen vor die Heiligen: St. Michael, St. Georg, St. Katharine, ein Bischof, ein Abt und zwei andere Heilige. Ein Löwe, reißend und schreitend, kommt fünf Male vor, ein Adler ein Mal. An Ornamenten: Rose, Lilie, Stern. Wappen sind dargestellt: ein Adler (?), der Löwe (oft, an sieben Mal), der Doppeladler, die Wappen der Grafen von Schwerin und von Danneberg, vom Berge, Grote, gekrönte Harpye, Löwenkopf, sechsblätterige Rose, drei Mühlräder auf einem Schrägebalken mit einem Helme mit einem Adlerauge und dazwischen ein Beil, Wappen mit einem Löwen, ein Helm mit zwei Sicheln (zwei Mal).

G. C. F. Lisch.

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Das Wappen der Grafen von Lüchow,

welche oft in der altern norddeutschen Geschichte in den Elbgegenden erscheinen und für die Erkenntniß der früheren Zustände wichtig sind, scheint noch nicht bekannt zu sein; wenigstens ist mir nichts darüber bekannt geworden, wenn auch hannoversche Forscher im Besitze ausreichender Kenntniß sein mögen. Jedoch spricht noch v. Hammerstein in seiner Darstellung der Besitzungen der Grafen von Schwerin am linken Elbufer in der Zeitschrift des hannoverschen Vereins, Jahrg. 1857, Hannover, 1859, S. 184 den Wunsch aus, daß es ein "Geschichtsforscher versuchen möge, endlich die Siegel der Grafen von Lüchow und der Grafen von Warpcke festzustellen", und nennt den Schild mit Rauten den "anscheinend (!) den Grafen von Lüchow angehörigen Schild". Sollte bisher noch keine Nachricht aufgefunden sein, so bin ich im Stande, eine Nachweisung zu geben. Als ich im Jahre 1851 bei dem Herrn Landschaftsdirector v. Hodenberg zu Lüneburg, von dessen ungewöhnlicher Theilnahme unterstützt, die Urkunden der lüneburgischen Klöster für die meklenburgische Geschichte studirte, fand ich einige wohlerhaltene Siegel der Grafen

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von Lüchow, welche ich bei der großen Menge der mir vorgelegten Urkunden und der mir knapp zugemessenen Zeit nur im Allgemeinen und leicht verzeichnet, jedoch sicher bemerkt habe und deren ich mich klar erinnere. Bei den Urkunden des Klosters Medingen (und vielleicht auch des Klosters Lüne?) ist wenigstens eine Urkunde, an welcher ein gut erhaltenes und sehr schön gearbeitetes gräflich lüchowsches Siegel hängt; jedoch habe ich weder das Jahr der Urkunde, noch den Namen des Grafen angezeichnet.

Das einfach, aber vortrefflich gearbeitete Siegel ist schildförmig und sehr groß, gegen 3 Zoll hamburger Maaß oder 7 Centimeter hoch und im Schildeshaupte ungefähr eben so breit. Es enthält im leeren Felde vier Rauten Rauten , so viel ich mir angemerkt habe und mich erinnere; es ist möglich, daß ich mich irre und daß der Schild nur drei Rauten Rauten enthält, jedoch glaube ich dies nicht, da ich mir die Form des Schildes mit vier Rauten leicht aufgezeichnet habe.

Es wird den hannoverschen Forschern leicht sein, Zugang zu diesen Urkunden und Zeichnung eines Siegels zu gewinnen.

Vielleicht führt dieses Siegel zu weiterer Erkenntniß, indem die Edlen von Diepholz und die Grafen von Osterburg einen queer getheilten Schild führen, dessen untere Hälfte drei Rauten enthält; vgl. v. Ledebur Märkische Forschungen III, S. 360 flgd. Mir ist unter den lüneburgischen Klosterurkunden ein Siegel des Johannes dicius Diepliolz vom Jahre 1256 vor Augen gekommen, welches einen queer getheilten Schild hat, in der untern Hälfte mit drei Rauten, in der obern Hälfte queer getheilt, so daß die obere Hälfte des Schildeshauptes schraffirt, die untere Hälfte leer ist.


Während der Correctur dieser Zeilen erscheint der Anzeiger des german. Museums, 1861, Nr. 6, in welchem S. 196 der vortreffliche Baumeister Adler zu Berlin Nachricht und Zeichnung von einem durch ihn in der Kirche des ehemaligen Klosters Diesorf in der Altmark entdeckten Leichenstein des Grafen Heinrich von Lüchow, † 1273, mittheilt. Auf diesem ist das Bild des Grafen in eingegrabenen Linien mit einem ganz gerauteten Schilde dargestellt, und stimmt dies also nach alter Weise mit dem Rautenschilde überein.

G. C. F. Lisch.

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Das Wappen der Familie von Flotow,

von

G. C. F. Lisch.

Mit einem Holzschnitt.

Das Schildzeichen der alten meklenburgischen Familie von Flotow ist jetzt ein grades Kreuz + mit vier Ringen in den Schildwinkeln.

In alten Zeiten war das Kreuz ohne Abweichung ein Andreaskreuz Andreaskreuz . Dies beweisen sowohl zahlreiche Siegel im großherzoglichen Staats=Archive zu Schwerin und im Archive des Klosters Malchow, als auch der schöne Leichenstein des Ritters Andreas Flotow vom Jahre 1367 in der Abteikirche zu Dargun (Jahresber. VI, S. 99), und in diesem Sinne sind auch die drei flotowschen Glaswappen über diesem Leichensteine in derselben Kirche (vgl. Jahrb. XXVI, S. 225 flgd.) eben so dargestellt. Im Laufe der Zeiten während des 14. und 15. Jahrhunderts stellte man die Wappenschilde vorherrschend rechts gelehnt dar, und dadurch kam es, daß das Kreuz, welches auf dem Schilde noch immer ein Andreaskreuz war, in der Ansicht grade aufgerichtet erschien. Dies scheint die Veranlassung gewesen zu sein, daß seit dem 16. Jahrhundert das Kreuz immer als ein grades, rechtwinkliges dargestellt worden ist.

Die ältesten Siegel der noch blühenden alten meklenburgischen Adelsfamilien gehören zu den allergrößten Seltenheiten. Daß ein altes Siegel der Familie von Flotow vorhanden gewesen sei, ward durch eine Urkunde vom März 1277 bezeugt, durch welche die Fürsten Heinrich und Johann von Werle dem Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock das Eigenthum von 6 Hufen in Damm verleihen, welche früher dem Ritter Heinrich von Flotow gehört hatten; diese Urkunde war nicht allein von den beiden Fürsten, sondern auch von dem Ritter Heinrich von Flotow besiegelt ("sigillorum nostrorum appensionibus et Henrici de Vlotowe roboratum"); vgl. Lisch Geschichte des Geschl. Hahn, I, B., S. 69, Nr. 30. Nachdem die Urkunden des Klosters zum Heiligen Kreuze in den neuesten Zeiten wieder ans Licht gezogen sind, entdeckte ich zu meiner freudigen Ueberraschung, daß das Siegel des Ritters Heinrich von Flotow noch ziemlich wohl erhalten an der Urkunde von 1277 hing. Der Ritter Heinrich von Flotow ist der älteste des Geschlechts; er erscheint sehr häufig in der Zeit von 1230 bis 1287 und wird als der Stammvater des Geschlechts be=

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trachtet; vgl. Gustav von Flotow Beiträge zur Geschichte der Familie von Flotow, Dresden, 1844, S. 22. Es ist nun freilich möglich, daß in diesem Namen zwei Personen gleiches Namens Vater und Sohn, stecken, von denen der jüngere auch fürstlicher Vogt in Röbel war; jedenfalls sind beide aber die ältesten des Geschlechts, und das Siegel, welches der Ritter Heinrich von Flotow im Jahre 1277 führt, deutet durch seinen Styl auf eine sehr ferne Zeit zurück und wird ohne Zweifel der älteste und einzige Abdruck, also sicher das älteste flotowsche Siegel sein, welches noch vorhanden ist. Dieses Siegel ist nun ungewöhnlich groß, wie häufig die Siegel aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert und zeigt einen Schild mit einem Andreaskreuze, welches mehr zwei nach verschiedenen Seiten hin gerichteten Schrägebalken ähnlich erscheint, mit vier Ringen (nicht Kugeln) in den Kreuzwinkeln. In Erkenntniß der großen Seltenheit und Wichtigkeit dieses Siegels für die Familie hat der Herr von Flotow auf Kogel die Kosten zur Zeichnung und zum Holzschnitt dieses Siegels hergegeben, und ich theile hier zur Erhaltung dieser Seltenheit einen Abdruck der Urkunde vom Jahre 1277 mit der Abbildung des daran hangenden Siegels des Ritters Heinrich von Flotow mit.

Heinrich und Johann, Fürsten von Werle, verkaufen dem Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock 6 Hufen in Damm, welche früher dem Ritter Heinrich von Flotow gehört haben, mit Zustimmung desselben.

D. d. Güstrow. 1277. März.

In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Heinricus et Iohannes dei gracia domini de Werle vniuersis Christi fidelibus presens scriptum visuris imperpetuum. Propter labilem memoriam variasque hominum voluntates dignum duximus estimandum, vt ea, que debent inconwlsa manere, litterarum testimonio roborentur, quatinus exinde habeatur cognicio veritatis, si super hiis, que acta sunt, suboriri contingat aliquid questionis. Scire igitur volumus tam natos, quam nascituros vniuersos Christi fideles, nos, ob reuerentiam dei omnipotentis et beate Marie, ex consensu vnanimi, prehabito mature deliberationis consilio, vendidisse cenobio sanctemonialium Sancte Crucis in Rozstok sex mansos in villa Damme, qui quondam fuerant Henrici de Vlotov militis nostri, pro ducentis marcis et X marcis

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denariorum, soluentes annis singulis viginti marcas, cum omni iure et proprietate integra, quemadmodum iam fate sanctemoniales villam Bandowe in suis terminis possidere dinoscuntur, accedenle ad lioc libera voluntate memorati Heinrici militis de Vlotov heredumque suorum, libere imperpetuum possidendos. Ne autem hoc factum nostrum racionabile per processum temporis a nobis aut nostris posteris vel dicti Heinrici heredibus aliquatenus valeat irritari, presens scriptum inde confectum sigillorum nostrorum appensionibus et Heinrici fecimus in testimonium roborari. Testes huius rei sunt: Heinricus ecclesie sancte Marie plebanus in Rozstok, Heinricus plebanus de sancto Iacobo, Wolterus de sancto Petro, Lodowicus de sancto Nicolao, magister Theodoricus de Repin, clerici; Nicolaus Gallus, Heinricus de Vlotov, Iordanus de Kropelin, Iohannes de Antiqua Ciuitate, Heinricus de Kremun, Raddagus, Godeco Luch, milites; burgenses vero: Heinricus filius Adolphi, Iohannes Aurifaber, Iohannes filius Iken, Heinricus Miles, Hermannus Psalme et alii quam plures. Datum Guzterowe, anno gracie M °. ducentesimo septuagesimo septimo, mense Marcio.

Nach dem Original im Archive des Klosters zum Heiligen Kreuz in Rostock. An Schnüren von rother und gelber Seide hangen 3 Siegel:

1) ein schildförmiges Siegel mit dem fürstlich werleschen Stierkopfe und der Umschrift:

Umschrift

2) ein gleiches Siegel, mit Sonne, Mond und Stern in den Schildwinkeln, mit der Umschrift:

Umschrift

3) ein schildförmiges Siegel mit einem Andreaskreuze und einem Ringe in jedem Winkel, mit der Umschrift:

Umschrift

wie es hieneben abgebildet ist.

Siegel
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V. Zur Kunstgeschichte.


Bronzener Thürring

an der Sacristei der St. Petrikirche zu Lübeck,

gezeichnet

und

dem Verein für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde

am Tage seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens
am 24. April 1860

gewidmet

von

C. J. Milde, Maler
und correspondirendem Mitgliede des Vereins.

Mit einer Steindrucktafel.

Beifolgende Tafel giebt in möglichst treuer Abbildung einen Thürring in Bronzeguß, der an der älteren Thür der Sacristei der St. Petrikirche in Lübeck angebracht ist. In der Mitte tritt ein gekrönter Stierkopf stark hervor und trägt in dem Maule einen Ring, der hier zum Anziehen der Thür bestimmt war und wohl nichts mit dem Nasenring der späteren meklenburgischen Fürstensiegel gemein hat. Der Kopf ist von einem flachen Kreis umgeben, der durch einfache Verbindungsäste mit ihm zusammenhängt, und innerhalb dessen vier Wappenschilde in alter Schildform angebracht sind, die alle wieder den Stierkopf gravirt enthalten, und zwar in der Form, wie ihn die Herren von Werle im Siegel führten, mit geschlossenem Maule und vorhangender Zunge. Eines der Wappenschilde ist verloren gegangen. Das Ganze ist in Bronze gegossen

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und mißt 13 1/2 Zoll im Durchmesser; die Arbeit, besonders die des Kopfes selbst, ist sorgfältig, wenn auch die Umgebung noch einfach und unbeholfen behandelt ist. Der Charakter des Kopfes aber und namentlich die Krone so wie die Umgebung lassen jedenfalls auf das 13. Jahrhundert als die Zeit der Entstehung des Werkes schließen. Das Kunstwerk wäre demnach so alt, als die nach dem Brande von 1276 erneuerte Petrikirche; von der früheren Kirche, die schon 1170 genannt wird, haben sich nur wenige Spuren in der Nähe der Thurmthür erhalten. Die Thür der Sacristei, worauf der Ring jetzt angebracht ist, scheint jünger als der Ring zu sein; nach den Schloßblechen und Hespen zu urtheilen, möchte sie dem Ausgange des 15. Jahrhunderts angehören. Demnach könnte der Ring auch früher anderswo angebracht gewesen sein, doch fehlt hierüber, so wie über die Entstehung des Kunstwerkes überhaupt jedweder historische Nachweis, und die ganze Frage bleibt somit noch der Forschung offen.


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Bronzener Thürring.
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Die

Bilder der Königin Margaretha Spraengest
von Dänemark.


1. Die hölzerne Bildsäule in der Kirche zu Doberan.

Berühmt ist die dänische Königin Margaretha Sambiria, welche auch Margaretha Spraenghest (Sprengpferd, wegen ihres kühnen Reitens,) und "Schwarze Grete" genannt ward. Sie war die Tochter des Herzogs Sambor von Pommern und dem Könige Christoph I. von Dänemark († 1259) vermählt, mit welchem sie 1252 gekrönt ward. Nach ihres Gemahls Tode führte sie mit kräftiger Hand während ihres Sohnes Erich Glipping Minderjährigkeit die Regierung und starb am 1. December 1282 in Rostock und ward in der Klosterkirche zu Doberan begraben (vgl. Königsfeldt genealogisk=historiske Tabeller, Kopenhagen 1856, S. 29), wo noch ihre gewiß sehr alte, roh gearbeitete, fast lebensgroße Bildsäule aus Holz (wahrscheinlich von dem ursprünglichen Grabdenkmale) gezeigt wird.

2. Das Siegelbild vom Jahre 1270.

Nach vielen Kämpfen mit der Geistlichkeit, in welchen auch viele Klöster hart gelitten hatten, machte sie eine Wallfahrt nach Rom und kehrte mit Absolution und einem Stücke von dem Heiligen Kreuze zurück, welches ihr der Papst zum Geschenk gemacht hatte, und wollte mit diesem Schatze und der Absicht der Wiederherstellung der Klöster von Rostock nach Dänemark hinüberschiffen. Sie ward aber drei Male durch die gefährlichsten Stürme immer wieder an die meklenburgische Küste zurückgeworfen, da das Interdict über Dänemark ausgesprochen war, und konnte das dänische Land nicht erreichen. Da stiftete sie am 22. September 1270 in Rostock das Jungfrauenkloster zum Heiligen Kreuze, welchem sie die Reliquie zur Aufbewahrung übergab, und darnach gelangte sie auf ruhigen Wellen nach Dänemark.

Die Stiftungsurkunde dieses Klosters ist nun mit einem höchst merkwürdigen Siegel besiegelt. Das gewöhnliche große Siegel der Königin, welches in Thorkelin Diplomatarium Arna Magnaeanum I, Tab. IV, Nr. 4, abgebildet ist, ist den Siegeln der übrigen Königinnen ähnlich. Die zu Rostock am

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22. September 1270 ausgestellte Urkunde (in Schröder's Papistischem Meklenburg I, S. 722, und sonst oft gedruckt) ist aber mit dem hier nach dem Originale abgebildeten Siegel

Siegel

besiegelt, welches von allen andern Siegeln in jeder Hinsicht abweicht. Das Siegel ist eine dicke, viereckige Platte aus rothem Wachs, auf welcher das sehr hoch modellirte Brustbild der Königin, ohne Wappen und Umschrift und ohne irgend eine sphragistische Andeutung zu sehen ist. Eben so merkwürdig und selten ist es, daß sie, welche offenbar kein Siegel zur Hand hatte, dieses Siegel in der Urkunde selbst beschreibt, indem sie sagt, daß sie "diese Stiftung durch ihr "Siegel bekräftigt habe, welches das Bild ihres in seiner Majestät thronenden Hauptes enthalte", um auszusprechen, daß sie ihr Siegel nicht bei sich gehabt habe:

"Fundationem nostri sigilli munimine continentis formam capitis regine in majestate sua residentis roboramus".

Ohne Zweifel ist diese hier zum Besiegeln benutzte Platte aber die Form eines kleinen Reliefportraits der Königin, welches sie sich wahrscheinlich zu Rom hatte machen lassen. Wir besitzen in dieser Seltenheit also nicht nur ein Bild der Königin, welches wohl Anspruch auf Aehnlichkeit gemacht haben mag, sondern auch ein in seiner Art seltenes Kunstwerk aus dem 13. Jahrhundert.

Uebrigens hat schon Thorkelin a. a. O. I, Tab. IV, Nr. 5, eine ziemlich getreue Abbildung dieses Siegels gegeben.

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3. Das Oelgemälde im Kloster zum Heiligen Kreuz.

Das Kloster zum Heiligen Kreuz in Rostock besitzt ein auf Holz gemaltes Oelgemälde, welches das Bild der Königin in ganzer Figur in Lebensgröße zeigt, so dargestellt, daß sie in der rechten Hand das Modell der Klosterkirche, in der linken Hand ein Scepter hält. Dieses Bild ist nicht alt; zu den Füßen der Figur steht:

EMANVEL BLOCK
FECIT ET DEDIT.
Ao. 1673.

Dieser Emanuel Block war vielleicht ein Sohn des Malers Daniel Block in Schwerin, welcher Hofmaler des Herzogs Adolph Friedrich war. Emanuel Block lebte noch im Jahre 1688 in einem Alter von 80 Jahren in Dürftigkeit in Rostock und erhielt fürstliche Unterstützung. Das Bild ist also kein Original, auch kein altes Bild, scheint aber doch eine Copie von einem alten Bilde zu sein, wenn auch nicht von dem Originale, da so weit keine Bilder dieser Art zurückreichen. Unter der Figur steht eine Inschrift, welche also beginnt:

Bidded gnade alletid vor de leve koniginnen u. s. w.

Sprache und Schreibung dieser Inschrift deuten auf ein Vorbild, welches wenigstens bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückreicht; im Jahre 1673 wurde die alte plattdeutsche Sprache nicht mehr zu Inschriften gebraucht. Auch ist die Inschrift bei der Malung des Bildes nicht mehr mit rechtem Verständniß copirt, da sie mit den Worten: Bidded gnade, statt: gade, beginnt. In dem zweiten Viertheil des 19. Jahrhunderts ist das Bild gereinigt, neu gefirnißt, vielleicht auch restaurirt.

G. C. F. Lisch.


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Der Brand des Schlosses Frederiksborg.

In dem Brande des großartigen und schönen Schlosses Frederiksborg am 17. December 1859 ist eine ungewöhnlich große Menge der vortrefflichsten Kunstschätze untergegangen. In dem Schlosse waren auch viele schöne Bilder meklenburgischer Persönlichkeiten. So befanden sich dort auch die lebensgroßen Bilder in ganzer Figur des Herzogs Ulrich von Meklenburg und seiner guten, klugen und schönen Tochter Sophie, Gemahlin des Königs Friederich II. und Mutter des Königs Christian IV., ferner die kleinen Bilder in ganzer Figur: des Herzogs Magnus von Meklenburg und seiner Gemahlin Sophie, des Herzogs Ulrich von Meklenburg und seiner Gemahlin Elisabeth, des Königs Friederich II. von Dänemark und seiner Gemahlin Sophie, des Herzogs Johann Albrecht II. von Meklenburg und seiner Gemahlin Eleonore Marie, des Herzogs August Johann von Sachsen und seiner Gemahlin Anna Marie von Meklenburg. Im Corridor des dritten Stocks hingen die lebensgroßen Brustbilder auf Einer Tafel von "Dr. Simon Pauli Prof. Anat." und "Elisabeth D. Jac. Fabricii Rstoch. Datter", nach den gleichzeitigen Beischriften. Im Saale über der Auffahrt war ein großes Gemälde darstellend die Belagerung von Wismar.

Diese Bilder habe ich selbst im Jahre 1845 zu Frederiksborg katalogisirt.

Das große, schöne und geschätzte Bild des Herzogs Ulrich war dem vortrefflichen Bilde des Herzog, welches in der Kirche zu Doberan hängt, völlig gleich. Das doberaner Bild ist von dem niederländischen Maler Cornelius Krommony, Hofmaler des Herzogs Ulrich, im Jahre 1587 gemalt, und ohne Zweifel war das frederiksborger Bild von demselben Künstler gemalt und von dem Herzoge seiner Tochter geschenkt. Dieses Bild ist nach mir gewordenen Mittheilungen verbrannt. Das doberaner Bild und eine getreue Copie von demselben in der Ahnengallerie des Schlosses zu Schwerin haben jetzt also einen noch hohem Werth.

Das große und schöne Bild der Königin Sophie als Wittwe war von einem vorzüglichen holländischen Meister gemalt. Auch dieses Bild ist verbrannt. In der Kirche zu Doberan hängt ein gleiches Bild, welches vielleicht von demselben Meister gemalt oder nach demselben copirt und sicher von der Königin Sophie nach Doberan geschenkt ist. Dieses

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Bild hat also auch durch den unglücklichen Brand von Frederiksborg einen höhern Werth erhalten.

Die kleinen fürstlichen Bilder, welche sicher von der Herzogin Sophie, zum Theil zum Zweck einer Ahnentafel in Bildern, gesammelt sind, sind nach sichern Mittheilungen alle verbrannt. Von diesen Bildern habe ich von dem Bilde des Herzogs Magnus II. († 1503) im Jahre 1852 eine sorgfältige Copie für das schweriner Schloß nehmen und darnach ein lebensgroßes Gemälde für die Ahnengallerie daselbst ausführen lassen. Die Copie wird gegenwärtig im großherzoglichen Antiquarium zu Schwerin aufbewahrt. Das Originabild dieses Herzogs Magnus II. in Frederiksborg ist, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe, verbrannt, und daher sind die Copien in Schwerin jetzt die einzigen Bilder des Herzogs. Ueberhaupt sind die meisten Fürstenbilder verbrannt; dagegen sind viele Bilder berühmter Männer, welche in den Corridoren hingen, gerettet.

Durch den Brand von Frederiksborg hat nun ein anderes großes Denkmal in Dänemark eine große Wichtigkeit für Deutschland erhalten. In der Stadtkirche zu Nykjöbing auf Falster findet sich eine auf Holz gemalte, über 16 Ellen lange und über 6 Ellen hohe Ahnentafel der Königin Sophie, welche die Königin, die am 4. October 1631 auf dem Schlosse zu Nykjöbing starb, im Jahre 1627 hat ausführen lassen. Auf dieser Tafel sind die Ahnen der Königin 5 Generationen aufwärts, bis zu 32 Ahnen in der obersten Generation, in Brustbildern mit Wappen und Namen dargestellt. Das Bild der Königin ist ein Kniestück in Lebensgröße; auch die Eltern der Königin sind in Lebensgröße gemalt; höher hinauf werden die Bilder immer kleiner. Ohne Zweifel hat die Königin zu dieser Ahnentafel auch die kleinen Bilder benutzt, welche im Schlosse zu Frederiksborg hingen. Die alabasternen Ahnentafeln des Herzogs Ulrich in der Domkirche zu Güstrow geben hiezu Anhaltspunkte, wenn sie auch lange nicht den Werth der Bilder haben.

Ob meklenburgische Privat=Portraits in Frederiksborg gerettet sind, weiß ich noch nicht. Es sind im Ganzen ungefähr 300 Gemälde gerettet, und unter diesen namentlich "viele Portraits berühmter Privatpersonen", wie ich aus guter Quelle erfahren habe.

G. C. F. Lisch.


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VI. Zur Naturkunde.


Rennthiergeweih von Güstrow.

Auf dem Gebiete des Landarbeitshauses (ehemaligen Schlosses) zu Güstrow ward im Jahre 1860 beim Ausgraben von Kalk und Ziegelerde ein schönes Rennthierhorn gefunden und von dem Herrn Ober=Inspector von Sprewitz den Sammlungen zu Schwerin übergeben. Von dem "Sumpfsee" her erstreckt sich bis zum Schlosse eine große Wiesenniederung, in welche vom Bauhofe bis zum Stadtgraben ein langer, schmaler, fester Hügelrücken hineinragt und ein Stück der Niederung abschneidet, welche dem Landarbeitshause zur Benutzung überwiesen ist. In diesem Abschnitt der Niederung außerhalb des Stadtgrabens, in der Nähe des sogenannten "Pfaffenbruches", liegen folgende Erdschichten in nachstehender Folge und Mächtigkeit über einander: oben Torf 3 Fuß, darunter Sand 2 Fuß, darunter Wiesenkalk 10 Fuß, darunter Ziegelerde, auf welcher also ungefähr 15 Fuß Schichten jüngerer, fest gewordener Bildung liegen. Das Rennthierhorn lag 14 bis 15 Fuß tief unten im Kalk auf der Ziegelerde, ist also in alter Zeit so tief durchgesunken, bis es auf feste Erde gekommen ist, worauf sich die obern, früher weichem Schichten nach und nach theils befestigt, theils gebildet haben.

An dem Abhange des festen Hügelrückens, nach der Seite hin, wo das Rennthiergeweih gefunden ward, fand sich im Jahre 1861 unter dem Abraum 3 Fuß tief eine geschlagene Wurfspießspitze von Feuerstein, im Ganzen 6 Zoll, in der scharfen Spitze 4 Zoll lang und in der Mitte etwa 1 Zoll breit, welche vielleicht mit dem Rennthiergeweih aus gleicher Zeit stammen und mit der Tödtung des Thieres in Verbindung stehen mag. Neben dem Wurfspieß lagen viele Knochen, welche jedoch leider von den Arbeitern verworfen und verloren sind, ehe wissenschaftliche Untersuchung kam.

Das Rennthierhorn ist nur eine Stange, und zwar die der linken Seite, aber äußerst schön gebildet und erhalten.

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Es hat als charakteristisches Kennzeichen eine glatte, glänzende Oberfläche von gelblichgrauer Farbe (vgl. Jahrbücher XI, S. 496, und Naturgesch. Archiv, V, S. 116). Auf der Stange und den Sprossen liegen Längsfurchen, welche sehr klar und vollständig ausgebildet sind. Die ganze, noch vollständige, stark und bis zum rechten Winkel gekrümmte Stange ist in grader Richtung 3 Fuß 2 Zoll hamburg. Maaß und nach der starken Biegung 4 Fuß 2 Zoll lang; in der Mitte ist sie dünn. Unmittelbar über der Rose, welche keine Perlen hat, steht die wagerecht nach vorne gerichtete, 1 Fuß lange Augensprosse in Gestalt einer am Ende 9 Zoll breiten, ausgezinkten Schaufel. Etwa 2 bis 3 Zoll darüber steht, nach innen gekrümmt, ebenfalls etwas nach vorne gerichtet, der Eissprießel, welcher am Ende flach und nur 2 1/2 Zoll breit wird und zwei Zinken von 1 1/4 Zoll und 3 1/2 Zoll Länge hat. Weiter hat die Stange bis zur Krone keine Verästelungen oder Zinken, als am Ende die Krone, welche 1 1/2 Fuß lang, bis gegen 3 Zoll breit, flach und nach innen gekehrt ist und an der Seite drei Zweige von 8, 10, 12 Zoll Länge und auf der Spitze zwei Zweige von 2 und 3 Zoll Länge hat; das gewöhnliche eine Ende in der Mitte der glatten Stange fehlt und ist nie vorhanden gewesen.


Es sind bis jetzt, so viel bekannt ist, folgende Rennthiergeweihe in Meklenburg und in den Nachbarländern gefunden, und zwar alle im Moor oder Moder:

1) zu Lutterstorf bei Wismar, im Torf, jetzt im Besitze der Bürgerschule zu Wismar (Archiv für Naturgeschichte, V, S. 116, mit Abbildung);

2) zu Gerdshagen bei Güstrow, im Moder, jetzt im Besitze des geschichtlichen Vereins (Jahresbericht II, S. 114, Jahrbücher XI, S. 496, und Archiv etc. . VII, S. 8);

3) zu Karlow, bei Ratzeburg, im Moor, jetzt im Besitze des Herrn Pastors Masch zu Demern (Archiv VII, S. 8);

4) zu Cummerow in Hinterpommern, im Moor, jetzt im Besitze des meklenburgischen Staatsministers a. D. Herrn Grafen von Bülow auf Cummerow (Archiv VII, S. 8);

5) zu Kölpin bei Neubrandenburg, im Moder (Archiv II, S. 25);

6) zu Milzow bei Woldeck (Archiv II, S. 25);

7) zu Hinrichshagen bei Woldeck, im Moder, jetzt im Besitze des Herrn Baumeisters Koch zu Dargun (Archiv V, S. 10);

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8) zu Gädebehn bei Stavenhagen, im Moder, in der Sammlung des Herrn Dr. Brückner zu Neubrandenburg (Archiv V, S. 118);

9) zu Ganschendorf in Pommern bei Demmin, im Moder, jetzt im Besitze des naturgeschichtlichen Vereins (Archiv XI, S. 152);

10) zu Bützow, im Moor, jetzt im Besitze des geschichtlichen Vereins (Jahrbücher XX, S. 368);

11) zu Bützow, im Moor, jetzt im Besitze des geschichtlichen Vereins (Jahrbücher folgd. Seite);

12) zu Güstrow, im Moor, jetzt im Besitze des geschichtlichen Vereins.

Aus den Fundorten im Moor oder Moder, welche allerdings in der Regel oft sehr tief hinabreichen, scheint mit Sicherheit hervorzugehen, daß Rennthiere während der jetzigen Schöpfungsperiode in Meklenburg gelebt haben, aber wohl früh ausgestorben sind, da die Knochen vorherrschend ein sehr altes Ansehen und mürbes Gefüge haben.

Die bei Bützow gefundene Rennthierschaufel Nr. 10 (Jahrb. XX, S. 368) ist offensichtlich durch steinerne Geräthe abgekeilt, um sie zu Werkzeugen zu benutzen; sie fällt also sicher in die Zeit, in welcher in der Steinperiode hier schon Menschen lebten. Eine vortreffliche Vergleichung für die Anwendung solcher Knochen zu Geräthen durch Menschen in der Steinperiode geben die zahlreichen knöchernen Geräthe und bearbeiteten Geweihe aus den Pfahlbauten der Schweiz.

Zu Mallin bei Penzlin ward tief unter Moder und Wiesenkalk ein abgearbeitetes dreizackige Stück von einem Geweih gefunden, so daß von der Stange an der Stelle des Eissprießels zwei Enden und von dem Eissprießel auch ein Ende, jedes von ungefähr 2 1/2 Zoll Länge, stehen geblieben sind. Das Stück, in den Sammlungen des geschichtlichen Vereins zu Schwerin, ist in der Mitte durchbohrt; jedes der drei Enden ist ausgehöhlt, um in der Höhlung ein (vielleicht steinerner Geräth zu befestigen. Vgl. Jahrb. XV, S. 263. Der Herr Professor Nilsson aus Lund erklärte diesen seltenen Griff im Sommer 1860 in Schwerin für ein Stück von einem Rennthiergeweih. In den Pfahlbauten der Schweiz haben sich gleiche Geräthe gefunden.

In der Sammlung zu Kopenhagen befindet sich auch eine Hacke oder Axt aus einem Rennthiergeweih. Vgl. Oversigt over det kgl. danske Videnskabernes selskabs forhandlingar, 1848, p. 12.

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Eine in den Sammlungen des geschichtlichen Vereins zu Schwerin aufbewahrte Schaufel von einem Eissprießel, welche Spuren eines verwachsenen, durchgehenden Hiebes zeigte scheint auch einem Rennthier anzugehören.

Es lebten also sicher während der jetzigen Schöpfungsperiode Rennthiere in Deutschland, wenn auch vielleicht nur im nördlichen Deutschland und von anderer Gattung als die lappländischen Rennthiere. In den Austerschalenhaufen Dänemarks und den Pfahlbauten der Schweiz haben sich keine Rennthierknochen gefunden, wenn auch einzelne Stücke sich in Dänemark und in der Schweiz, auch in Frankreich und Belgien gefunden haben. Ich kann aber wegen der norddeutschen Funde dem Professor Morlot in Bern nicht beistimmen, wenn er meint, daß diese in Mitteleuropa gefundenen Ueberreste von Rennthieren "vielleicht aus der Eisperiode stammen und also "älter sein könnten, als das Erscheinen der Menschen in Europa". Vgl. A. Morlot: Etudes géologico=archéologiques en Danemark et en Suisse, Bulletin de la société Vaudoise des sciences naturelles, Tome VI, Bull. No. 46, Lausanne, Mars 1860, p. 280 et 321.

G. C. F. Lisch.

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Rennthiergeweih von Bützow.

In dem Torfmoore auf der "Sührung" im "Sandfeldsbruch" der Stadt Bützow ward beim Torf stechen ein 10 Zoll langes Bruchstück von einem ganz dünnen Rennthiergeweih gefunden und von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow geschenkt. In demselben Torfmoore wurden auch ein mit Feuersteingeräthen abgehacktes Hirschhornende, zwei granitne Rollkugeln und ein Feuersteinmesser gefunden. Man vgl. auch das Rennthiergeweih von Güstrow, oben.

G. C. F. Lisch.

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Elengerippe von Ankershagen.

Zu Ankershagen bei Penzlin wurden in zwei verschiedenen Modergruben in einer Tiefe von ungefähr 10 Fuß folgende Knochen gefunden und von dem Herrn Gutsbesitzer Voß auf Ankershagen dem Vereine geschenkt:

1) Eine Geweihschaufel, Kinnladen und viele zerbrochene Knochen, alle Stücke, wahrscheinlich zusammengehörend, von

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einem Elen, welches wahrscheinlich in den Sumpf versunken und so umgekommen ist.

2) Eine wahrscheinlich abgeworfene Geweihschaufel ebenfalls von einem Elen.

In einer der Modergruben ward auch noch ein altes, Zerbrochenes, starkes Hirschhorn gefunden.

G. C. F. Lisch.

Elengeweih von Kaltenhof.

Eine Schaufel von einem kleinen Elengeweih, gefunden vor ungefähr 15 Jahren zu Kaltenhof an der Elbe beim Steinbrechen unter einem großen Steine, ward von dem Herrn Förster Grohmann zu Altona bei Eldena geschenkt.

Elengeweih von Güstrow.

Eine Schaufel von einem kleinen Elengeweih, gefunden bei Güstrow in dem Torfmoore vor dem Primer Thore, nicht weit von der Klues, 2 Fuß tief, schenkte der Herr Senator Seitz zu Güstrow.

Einen Elenschädel

von einem jungen Thier, ohne Geweih, gefunden zu Müsselmow, ungefähr 12 Fuß tief im Torfmoor, schenkte der Herr Wiechmann auf Kadow.

Ein Elenschädel

von einem großen, kräftigen Thiere, gefunden bei der Klues bei Güstrow, schenkte der Gymnasiast Diederichs zu Güstrow.

Urstier=Zähne von Schloß Grubenhagen.

Zu Schloß Grubenhagen wurden im Jahre 1858 beim Drainiren acht große Zähne vom Urstier (bos primigenius) ausgegraben, von denen der Herr Kammerherr Baron v. Maltzan auf Schloß Grubenhagen drei Stück an den Verein einsandte. wahrscheinlich hat bei den Zähnen auch das ganze Gerippe gelegen, da die Arbeiter beim Durchstechen der Erde gefühlt haben, daß sie etwas Festeres, als Erde, durchstochen haben.


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Nachtrag.


Das Schloß Kobelbrück,

von

G. C. F. Lisch.

Oben S. 76 und 96 ist die urkundliche Entdeckung eines werleschen Schlosses Kobelbrück mitgetheilt, welches im Jahre 1292 erbauet ward. Es ist nun auch eine Nachricht über die im Jahre 1315 vorgenommene Zerstörung dieses Schlosses gefunden. In dem im Staatsarchive zu Schwerin aufbewahrten Original=Vertrage von Bruderstorf vom 10. Junii (dingesdages vor sunte Vites dage) 1315 zwischen den Markgrafen von Brandenburg und dem Könige von Dänemark heißt es:

"Die hus twe, die vor dem Sunde nies ge-buwet sin, vnde dat livs, dat die von dem Sunde vp dat lant t v Ruien gebuwet hebben, vnde Hitzacker vnde Weningen, vnde dat hus, dat tů der Eldenenbrůgge nv gebuwet is, vnde Kobelenbruke die scal man beginnen tů brekende n v in vridage vnde scolen binnen achte dagen dar na gebroken wesen."

Diese Urkunde war bisher nur nach einer dänischen Uebersetzung des Inhalts in Huitfeld Danmarkis Rigis Kronike I, p. 371, wahrscheinlich nach einer Original=Ausfertigung im dänischen Archive, bekannt, welche voll der größten Entstellungen ist und auch die Urkunde vom Jahre 1314 datirt. In dieser Uebersetzung werden die Burgen "Hirdisacker, Veninge und Koblenebro genannt, das Schloß an der Eldenbrücke aber: "det hus hos den gamle Bronyes bygd"; dies soll nun heißen: "det hus hos den gamle bro nyes bygd" d. i. "das Haus an der alten Brucke neu gebauet". Huitfeld hat also aus der "eldenenbrůgge" (Eldenbrücke) eine alte Brücke ("gamle bro") gemacht, also irrthümlich "olden brugge" statt "eldenenbrugge" gelesen und dann aus den zwei Worten "bro nyes" einen Eigennamen "Bronyes" gemacht. Diese Uebersetzung verwirrt aber die Einsicht in die geographische Aufeinanderfolge dieser Schlösser.

Die in dem bruderstorfer Frieden genannten Festungen scheinen, mit Ausnahme der zuerst genannten Festungen bei Stralsund, in geographischer Aufeinanderfolge von Westen

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nach Osten gelegen zu haben, nämlich Hitzacker, Wehningen (bei Dömitz), Eldenbrücke (Eldenburg bei Waren) und Kobelbruck. Wenn sich dies so verhält, so wird Kobelbruck im östlichen Theile des Landes Werle, vielleicht in der Gegend von Penzlin, gelegen haben.

Die meisten dieser Festungen wurden in Folge des bruderstorfer Vertrages im Jahre 1315 geschleift. Nur Hitzacker war nach den Verhandlungen des Friedens nicht gebrochen.

Der Name des Schlosses Kobelbruck scheint richtiger Kobelbrôk oder Kavelbrôk von Brook (= Moor) zu lauten; im Jahre 1292 wird es Cobelbruck und im Jahre 1315 Kobelenbruke genannt; das Wort "bruk" wird hier: Brook, oder Moor bedeuten, und nicht Brücke, da in der Originalurkunde vom Jahre 1315 das Wort Brücke: "brugge" geschrieben wird, dicht neben "bruke"; auch heißt nach vielen andern Urkunden eine Brucke plattdeutsch nie "bruke", sondern immer "brugge".

Der Name Kavelbrôk, wie er heute plattdeutsch lauten würde, findet sich noch heute im Lande häufig im Munde der Landbewohner. Es wird aber nie ein bestimmter Wohnort damit bezeichnet, sondern gewöhnlich die Strecke, wo grade ein bestimmtes Revier (Kavel) Holz im Bruche (Weichholz) abgeräumt wird.

Wenn sich in der Gegend von Penzlin die Lage des Schlosses Kavelbrok vermuthen läßt, so dürfte das Schloß bei Lapitz auf der "wendischen Stadt bei Lapitz", welche in Jahrb. XXV, S. 279 flgd. beschrieben ist, gelegen haben und hier auf einer alten wendischen Anlage aufgeführt sein. Auf diesem alten "Stadtgebiete" stehen noch im weiten Wiesengrunde die Reste einer hohen Burg, welche nach dem Ziegelschutt und christlich=mittelalterlichen Alterthümern noch in alter christlicher Zeit befestigt war. Nahe dabei liegen noch die Ueberreste weiter Befestigungen, welche nach der Lage offenbar mittelalterlich sind, wenn sie sich auch nicht genau bestimmen lassen. An der einen Seite liegt diese Befestigung noch heute an einem "Bruche".

Das "hus to der K v über o ghelen, welches am 19. April 1306 dem Fürsten Heinrich von Meklenburg zur "Willkür" gestellt ward (vgl. Höfer Auswahl deutscher Urk., S. 353), mag vielleicht Kabelbrok sein.

Die Stelle des Schlosses Wehningen ist in neuester Zeit bei Broda zwischen Dömitz und Wehningen entdeckt.

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