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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. Friedrich Lisch,

großherzoglich meklenburgischem Archiv=Rath,
Conservator der geschichtlichen Kunstdenkmäler des Landes, Regierungs=Bibliothekar,
Direktor der großherzoglichen Alterthümer= und Münzen=Sammlungen zu Schwerin,
Ritter des königl. preußischen Rothen Adler=Ordens 4. Cl., Inhaber der großherzoglich=meklenburgischen goldenen Verdienstmedaille und der königlich hannoverschen goldenen Ehrenmedaille für Wissenschaft und Kunst und der kaiserl. russischen großen goldenen Verdienstmedaille für Wissenschaft
correspondirendem Mitgliede der königl. Akademien der Wissenschaften zu Göttingen und zu Stockholm, der kaiserl. archäologischen Gesellschaft zu St. Petersburg und der oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz, Ehrenmitgliede der deutschen Gesellschaft zu Leipzig und Ehrencorrespondenten der kaiserl. Bibliothek zu St. Petersburg, Mitvorsteher des naturgeschichtlichen Vereins für Mecklenburg,
Ehrenmitgliede,
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Dresden, Mainz, Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Sinsheim, Königsberg, Lüneburg, Luxemburg und Christiania,
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover, Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau, Cassel, Regensburg, Kopenhagen, Graz, Reval, Riga, Leyden, Antwerpen, Kopenhagen
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Vierundzwanzigster Jahrgang.


Mit einer Kupfertafel und vier Holzschnitten.
Mit angehängten Jahresberichte.

Auf Kosten des Vereins.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung (Didier Otto).

Schwerin, 1859.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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Inhaltsanzeige.


A.     Jahrbücher für Geschichte. Seite
I. Der söndervissingsche Runenstein, von dem Etatsrath Rafn zu Kopenhagen 1
       Nachtrag S. 194.
Mit einem Holzschnitt.
II. Ueber die Runen der köbelicher Urne, von Wocel und Hanus 16
Mit einem Holzschnitt.
III. Bischof Nicolaus Böddeker von Schwerin, von D. C. W. 24
IV. Die letzte Residenz der Fürsten von Werle, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 44
V. Ueber die Reformation der Kirche zu Grubenhagen und Dietrich Maltzan, von demselben 54
VI. Beiträge zu der Geschichte der evangelischen Kirchen-Reformation in Oesterreich, von demselben 70
VII. Der Zwist der evangelischen Prediger zu Rostock im J. 1531, von Wiechmann=Kadow 140
VIII. Ueber des Syndicus Dr. Johann Oldendorp Weggang aus Rostock, von demselben 156
IX. Geistliche Lieder auf die Wahlsprüche meklenburgischer Fürsten, von demselben 162
X. Zur Kenntniß der ältesten Rassenschädel, von dem Professor Dr. Schaaffhausen zu Bonn 167
Mit einer Kupfertafel.
XI. Die Drachen, aus dem Volksaberglauben, von dem Pastor Günther zu Groß=Methling 189
XII. Nachtrag zu den Abhandlungen über den söndervissingschen Runenstein 194
XIII. Urkunden=Sammlung:
     A. Urkunde über den Kauf der Grafschaft Schwerin, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 197
     B. Urkunden-Sammlung zu Bischof Nicolaus Böddeker von Schwerin, von C. D. W 213
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B. Jahrbücher für Alterthumskunde. Seite
   I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne. 259
       1. Vorchristliche Zeit. 259
          a. Zeit der Hünengräber 259
          b. Zeit der Kegelgräber 267
          c. Zeit der Wendengräber 277
             Wendengräber von Cörlin in Pommern, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 282
             Ueber das heilige Hakenkreuz 286
          d. Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker 277
             Römisches aus Norddeutschland, vom Professor Mommsen zu Berlin 292
             Urnen von Dresden und Kinderurnen, von dem Archiv=Rath Dr. Lisch 295
Mit zwei Holzschnitten.
       2. Alterthümer des christlichen Mittelalters und der neuern Zeit 298
  II. Zur Baukunde 302
       1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit. 302
       2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters 306
          a. Weltliche Bauwerke 306
          b. Kichliche Bauwerke 309
          Die Kirche zu Bützow, vom dem Archiv=Rath Dr. Lisch 313
          Die Kirche zu Gägelow, von demselben 336
          Die Kirche und das Antipendium zu Dänschenburg, von demselben und dem Dr. Hüen zu Marlow 347

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Inhalt:

A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Der söndervissingsche Runenstein.


I m J. 1838 ward im Dorfe Söndervissing in Jütland, zwischen Horsens und Skanderborg, ein merkwürdiger Runenstein entdeckt, welcher von einer Frau Tufa, Mistivis Tochter und Haralds Gormssohns Frau, errichtet ist. Die Ansicht, daß diese Frau eines obotritischen Fürsten Mistevoi Tochter gewesen sei, sprach sich bald nach der Entdeckung von allen Forschern aus und hat sich bis heute ungeschwächt erhalten.

Bald nach der Entdeckung erschien im J. 1839 zu Kopenhagen über diesen Runenstein von dem Unterbibliothekar Thorsen in Kopenhagen eine Schrift unter dem Titel:

Beskrivelse og Forklaring af den söndervissingske Runesten, af P. G. Thorsen, Cand. theol., Underbibliotekar ved Universitetsbiblioteket, Kjöbenhavn, 1839,

welche in einer Uebersetzung von unserm verstorbenen correspondirenden Mitgliede A. G. Masch zu Neu=Ruppin in unsere Jahrbücher XII, S. 123 flgd., mit einer Abbildung des Steines, aufgenommen ist, unter dem Titel:

Beschreibung und Erklärung des söndervissingschen Runensteins, von P. G. Thorsen, Candidaten der Theologie und Unterbibliothekar an der Universitäts=Bibliothek zu Kopenhagen, Kopenhagen, 1839.

Späterhin machte auch der erfahrene General=Conservator der alterthümlichen Denkmale Dänemarks Worsaae das Denkmal in seinem Buche über "Dänemarks Vorzeit", 1844, S. 96 flgd., zum Gegenstande seiner Untersuchungen und stimmt in Folge derselben mit den übrigen Forschern überein (vgl. Jahrb. XVI, S. 173).

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In den neuesten Zeiten hat der dänische Geschichtsforscher, Etatsrath und Professor Rafn zu Kopenhagen, diesen Stein wieder zum Gegenstande seiner Forschungen gemacht und denselben fester zu bestimmen gesucht. In der Antiquarisk Tidsskrift der nordischen Alterthums=Gesellschaft, 1852 - 1854, Kiöbenhavn, 1854, S. 278, ist eine Abhandlung in dänischer Sprache von Rafn über die Runensteine aus Harald Blaatands Zeit:

Runestene fra Harald Blaatands Tidsalder, ved Carl C. Rafn,

und in derselben auch S. 289 - 298 eine Abhandlung über den söndervissingschen Runenstein erschienen, welche auch in einem Separatabdrucke unter dem Titel:

Bemaerkninger om en Runesteen i Danmark over en Obodritisk Fyrstinde, af Carl Christian Rafn, Kjöbenhavn, 1854,

ausgegeben ist.

Ein Auszug aus dieser Abhandlung in englischer Sprache ist auch in den Mémoires de la société royale des antiquaires du Nord, 1848 - 1849, Copenhague, 1852, p. 329, erschienen.

Da nun die Forschungen über diesen Stein für Meklenburgs Geschichte von großer Bedeutung sind, so habe ich mich nach Kräften bemüht, auch die erwähnte Abhandlung Rafn's den Freunden meklenburgischer Geschichte zugänglich zu machen. Es ist mir nicht allein gelungen, von einem gelehrten Freunde dieser Forschungen eine wissenschaftliche deutsche Uebersetzung der Abhandlung Rafn's zu gewinnen, sondern die königlich dänische Gesellschaft der nordischen Alterthumsforscher zu Kopenhagen hat auch die große Freundlichkeit gehabt, unserm Vereine die Runentypen zur Herstellung der Inschrift in großen Runen nach Rafn's Darstellung zu leihen. Unser Verein theilt daher, mit diesen Hülfsmitteln ausgerüstet, die neuesten Forschungen im Folgenden mit und giebt im Nachstehenden

1) einen wiederholten Abdruck der Darstellung des söndervissingschen Runensteins, wie er in Thorsen's Abhandlung zuerst bekannt gemacht und in unsern Jahrbüchern XII, S. 129 wiedergegeben ist, und

2) eine Uebersetzung der Abhandlung Rafn's mit einer Darstellung der Runeninschrift in den kopenhagener Runentypen.

G. C. F. Lisch.

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1.

Der söndervissingsche Runenstein,

nach P. G. Thorsen's Abbildung,

auf folgender Seite.

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Der söndervissingsche Runenstein
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2.

Der Söndervissing=Stein,

von

Carl Christian Rafn.

S. 289.

Söndervissing liegt im District Tyrsting, Amt Skanderborg, 2 3/4 Meilen westlich von Skanderborg und wenig weiter nordwestlich von Horsens.

Im Jahre 1838 ward hier ein früher unbekannter Runenstein in der Ostseite des Kirchhofsdammes, an der Pforte zum Kirchhofe gefunden, deren einen Seitenstein er ausmachte. Dahin ist er wahrscheinlich von einem Grabe in Egnen gebracht, wo er ursprünglich errichtet gewesen. Nachdem die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung dieses Steines gelenkt war 1 ), ist er unter Dach gebracht und steht jetzt in weiterer sicherer Verwahrung im Waffenhaus (Vaabenhuus )) der Kirche.

Der Landprediger in Söndervissing und der Meierei Voer, Herr J. L. Tommerup, hat mir in Betreff dieses merkwürdigen Runensteins weitere Auskunft gegeben, die zu fernerer Orientirung dient. Er ist von grauem Granit, 8 Fuß hoch, 4 Fuß breit und 7 Zoll dick. Die Inschrift ist in drei vollen Zeilen mit einer vierten Supplirungs= oder Schlußzeile angebracht. Zwischen den beiden ersten und den beiden letzten Zeilen ist ein Abstand ungefähr von der Breite einer der anderen Zeilen. Die Runen sind von einer recht ansehnlichen Höhe von 5 3/4 Zoll, doch sind die in der vierten Zeile einen halben Zoll niedriger; sie sind zwischen Strichen angebracht, die zu Anfang der ersten Zeile mit einem Zirkelschlag und bei den anderen Zeilen mit einem graden Strich verbunden sind. Am Schlusse der Zeilen sieht man keine solche Verbindung, allein am Schlusse der ersten oben den Anfang zu einer solchen, oder wahrscheinlicher ein Trennungszeichen; an

S. 290.

dem Schlusse der anderen Zeilen ist kein Trennungszeichen wahrzunehmen. Dagegen sieht man am Schlusse der dritten eine Verzierung von der angedeuteten Figur, welche wahrschein=


1) Besonders durch eine 1839 einzeln herausgegebene Beschreibung und Erklärung dieses Steines von P. G. Thorsen; S. 10 wird hier eine gute Abbildung mitgetheilt, welche die verschiedenen Formen der Runen Rune und Rune zeigt.
†) Vaabenhuus kann Waffen= und Wappenhaus bedeuten. D. Uebers.
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lich andeuten soll, daß das in der vierten Zeile angebrachte Schlußwort mit dem vorhergehenden zu verbinden sei.

Die Inschrift ist folgende:

Inschrift

Das in der vierten Zeile ergänzte Wort hat den Verbindungsstrich zwischen den Linien vorne und hinten, und das Schlußwort in derselben Zeile hat vorne eine Hinweisungsklammer und hinten ein Schlußzeichen für die ganze Inschrift.

Mit lateinischen Versalien bezeichnet werden sie folgendermaßen gelesen:
TUFA : LET : GAURVA : KU M BL : MISTIVIS : DUT T IR : UFT : MUÞUR : SINA : KUNA : HARA L DS : HINS : GUÞA :GURMS-SUNAR.
und mit der üblichen isländischen Rechtschreibung:

Tôfa lêt görva kumbl: Tofa ließ machen das Grab:
Mistivis dôttir Mistivis Tochter
eft ir môdhur sîna, Nach ihrer Mutter,
(kona) Hara l ds hins gôdha Haralds des guten
Gormssunar Gormssons Weib.

Tofa war also Harald Gormssons Weib.

Nach dem ersten Satze folgt hier eine alliterirte * ) Halbstrophe, worin kona mehr des Sinnes als des Versmaaßes wegen später zugefügt ist. Das Verhältniß ist hier dasselbe, wie auf den Aspa= und Kjulasteinen (L. 868, B. 807; L. 979, B. 753), wo nach der Lesart, die ich vorschlagen will 1 ), auf den ersten Satz eine achtzeilige volle Strophe folgt.


*) Die Inschrift steht nach den Originalzeilen auf dem Steine also:
   tufa let gaurva kumbl
   mistivis duttir uft mudhur
 
   sina haralds hins gudha gurms
          kuna          sunar
Rafn theilt diese Inschrift richtig in alliterirende Verse und fügt das auf dem Steine untergeschriebene Wort kuna vor dem Worte haralds (  ...  )
1) Vgl. Mémoires des Antiquaires du Nord, 1845 - 1849, p. 338 - 339, 344.
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S. 291.

Tufa. Der Frauenname Tufa, Tôfa, wie der Mannsname Tôfi, kommt oft in des Nordens, besonders Dänemarks älterer Geschichte vor, ebenso auf verschiedenen Runensteinen, immer wie auf diesem geschrieben, z. B. auf dem Komstad=Stein in Njudingen (L. 1241); auf dem Valkärra=Stein in Schonen (L. 1444); auf dem einen Hjermind=Stein im Amte Wiborg (L. 1512, W, addit. 24); auf dem Gröndal=Stein im Kirchspiel Ulstrup, ebenfalls im Amte Wiborg (L. 1528, W, 305); auf dem einen Gunderup=Stein in der Herrschaft Fleskum, Amt Aalborg, kommt die Gegenstandsform Runen vor.

In der ältesten Recension der Hervarar=Saga, die in einem vortrefflichen Hauksbók 1 ) aufbewahrt ist, heißt des Helden Angantyrs Weib, eine Tochter des Iarl Bjartmar von Aldeiguborg, Tofa, welche die spätere Recension Svafa nennt. In den historischen Quellen kommt dieser Name ebenfalls vor, wiewohl nicht sehr gewöhnlich. Es führte denselben auch im zehnten Jahrhundert eine Tochter des Iarl Strutharald in Schonen oder Seeland, welche mit dem einen Sohne des Häuptlings Vesete auf Bornholm, Sigurd Kapa, vermählt ward, der nach seinem Vater auf dieser Insel mit seinem Weibe Tofa wohnte und daselbst ein ansehnliches Geschlecht hinterließ 2 ). Eine Tochter des unter Olaf dem Heiligen bekannten Sighvat Skjald, welche der König und seine Tochter Astrid zur Taufe hielten, erhielt ebenfalls diesen Namen 3 ), den man ebenso im 11. Jahrhundert auf Island angewendet sieht 4 ). Im zwölften findet man Stig Hvitaleder, der wahrscheinlich von Skjalm Hvides Geschlecht war, mit einer Tove 5 ) vermählt, und in der Geschichte Waldemar's I. Geliebte dieses Namens erwähnt, die Mutter Herzog Christoph's, der für seinen Vater starb.


(  ...  ) ein. Ein gelehrter Freund des Vereins hält aber das Wort kuna für das letzte Wort der ganzen Inschrift und stellt die beiden letzten Verse so:
   haralds hins gudha         Haralds des guten
   gurmssunar kuna.          Gormssohns Weib.
Schon der Schlußstrich hinter kuna auf dem Steine scheint anzudeuten, daß kuna ursprünglich das letzte Wort der Inschrift sein sollte. Wenn nachträglich ein Wort eingehauen ist, so ist es das untergestellte Wort sunar, welches im Nothfall auch fehlen konnte. - D. Red.
1) Arn. Magn. Nr. 544 in Quart, s. meine Ausgaben der Saga in Fornaldar Sögur Nordrlanda I, p. 519, und in Antiquités Russes et Orientales I, p. 121. -
2) Fornmanna Sögur I, p. 155; II, p. 77, 87-88, 115, 157. -
3) Das. 5, p. 177. -
4) Landn. V, 10. Islendînga Sögur I, p. 304. -
5) Beide zufolge des Danske Atlas in der Effenbeker Klosterkirche begraben, s. Suhms Hist. af Danmark, VI, p. 93, vgl. V, p. 573.
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S. 292.

Vor allen lebt aber in Sagen und Volksweisen die schöne Tofa, gewöhnlich Tovelille genannt, mit welcher Waldemar Atterdag in Liebesverhältniß stand und welche den Sagen zufolge theils zu Hjortholm bei Fursö, theils auf dem anmuthigen Gurre im Kirchspiel Tikjöb wohnte 1 ); man nimmt an, sie sei von Rügen und vom Geschlecht der Podebusk, die von den alten rügenschen Fürsten abstammten.

Man hat den Namen Tofa von dûfa (Taube) ableiten wollen 2 ) und gemeint, daß Tovelille dasselbe sei wie Dyveke, von dem man annimmt, es bedeute Dyfken (Täubchen), oder ihn, so wie auch den Mannsnamen Tofi, durch "rauhe, zottige" erklären 3 ), womit man das Isländische Rune ôfi (eine wollene Decke) und Rune ûfa, schwedisch tufva (eine Bülte) zusammenstellte. Nach den oben angeführten Citaten scheint, wenn nicht den ersten aus der mythischen Zeit, doch den letzten der genannten Personen aus dem 14. Jahrhundert, eine slavische Herkunft zuzuschreiben zu sein; und ungeachtet der Name, soweit mir bekannt, in slavischen Quellen nicht vorkommt, könnte er wohl einen slavischen Ursprung haben, vielleicht in der Bedeutung: "gut, bequem, zur Zeit passend", vom russischen doba: Zeit, rechte Zeit, oder von dem böhmischen djewa: ein Mädchen, oder divá: die Wilde, Fremde.

Mistivis. In der eben citirten Monographie über den Söndervissing=Stein wird dieses Wort Mistiris als Genitiv von "einem Eigennamen Mistirir oder Mistiris, welcher anderswoher nicht bekannt ist", angesehen, wobei wir jedoch darauf aufmerksam gemacht werden, "daß die sechste Rune gern, wie die Abbildung auch ausweist, ein Rune (v) sein kann". Pastor Tommerup bemerkt, daß diese Rune, "welche für ein Rune (r) angesehen worden, größere Gleichheit mit einem Rune (v) hat; sie ist ziemlich schmal und hat eine, aber höchst unbedeutende Biegung an dem hinteren Strich". Er bemerkt dabei, daß über der siebenten Rune ein, jedoch ziemlich seiner Querstrich ( Rune )

S. 293.

und über der zweiten Rune "ein sehr deutlicher", in derselben Richtung, ist, welche doch kaum etwas anderes sein können, als zufällige Ritzen, und in der Abbildung des Steins auch nicht wiedergegeben sind.


1) Siehe Nachrichten über Hjortholm und Gurre und den Theil von Waldemar Atterdags Sagengeschichte, welcher sein Verhältniß zu Tovelille angeht, bei Vedel Simonsen, Annaler for nord. Oldkyndighed, 1838 - 1839, S. 261 - 319, 337 - 341. -
2) Vedel Simonsen a. a. O. S. 269. -
3) U. W. Dieterich, Runen=Wörterbuch S. 314 - 315.
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Den Namen muß man unzweifelhaft Mistivis lesen, Genitiv von Mistivi, welcher große Aehnlichkeit mit dem wendischen Namen Mistui hat, welcher einem Fürsten zugehörte, der über die Bodrizen oder Obodriten in Meklenburg von 960 - 985 herrschte, mit vielen seiner Unterthanen Christ ward, aber später vom Christenthume wieder abfiel, und der, nachdem er früher vermählt gewesen, im Jahre 973 eine zweite Ehe mit einer Schwester des Bischofs Wago von Starigard oder Oldenborg einging, die ihm die Tochter Hodica gab, welche Aebtissin in dem in Meklenburg errichteten Jungfrauenkloster ward. Der Name dieses obodritischen Fürsten wird von älteren Schriftstellern auf verschiedene Weise geschrieben: Thietmar von Merseburg 1 ) nennt ihn Mistui; bei anderen Schriftstellern kommen folgende Schreibweisen dieses Namens vor: Mistowi 2 ), Mistav 3 ), Mistiwoi 4 ), Mistowoi 5 ), Mistuwoj, Mystuwoi, Mistuuoi, Mistuiuoi, Mistuvuoi 6 ), Mistavus, Mistivojus 7 ), Mistobogius 8 ).

Abweichend von diesen verschiedenen Schreibweisen nennt Schafarik 9 ) ihn Mestiwoj I. und ebenso seinen Enkel Mestiwoj II. Der ausgezeichnete slavische Linguist und Archäolog hat sicher Recht darin, diesen beiden obodritischen Fürsten ** ) einen und denselben Namen beizulegen und nicht, wie Rudloff und andere, ihnen verschiedene Namen zu geben: Mistui

S. 294.

oder Mistav (Billug), und Mistewoy. Des Namens Ableitung und ursprüngliche Bedeutung zu bestimmen, muß ich slavischen Sprachforschern überlassen. Auch in dieser Hinsicht dürfte wohl die Schreibweise des Namens auf dem Runenstein eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, da sie sicher älter ist als die bekannten Quellenschriften, und uns dabei zeigt, wie die Dänen den Namen geschrieben und ausgesprochen haben.


1) L. II, c. 9; vgl. L. IV, c. 2, Monum. Germ. histor. ed. Pertz T. V, p. 748, 768. -
2) Annalista Saxo, Corpus historicum medii aevi, ed. J. G. Eccard T. I, col. 305, 336, 337, 342. -
3) Widukindi res gestae Saxon. ed. D. G. Waitz, Mon. Germ. histor. T. V, p. 463. Annalista Saxo 1. c. col. 313. -
4) Georg. Fabricii Orig. Saxon. L. II, fol. 313. -
5) Chronicon Magdeburgense. -
6) Thietm. Merseb. chron. L. III, c. II. 1. c. p. 764, 765. -
7) Chronica Slavorum Helmoldi et Arnoldi, ed. H. Bangertus, Lubecae 1659, p. 39, 51; Dubravii Hist. Bohem., L. 3, p. 100, 101. -
8) Abrah. Frencel, in Westphalen Mon. rer. Germ. T. II, col. 2411. -
9) Slawische Alterthümer, B. II, S. 531 - 533.
**) F. Boll hat in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburg. (Geschichte etc. . XVIII, S. 160 flgd. nachgewiesen, daß die beiden früher angenommenen Obotritenfürsten Mistewoi I. und II. eine und dieselbe Person (vor 967 bis nach 1000) sind. - Ueber Mistewoi und den söndervissingschen Runenstein vgl. man auch meine Bemerkungen in Jahrb. XVI, S. 173 und 203.
                   G. C. F. Lisch.
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Jünger als der Runenstein ist ohne Zweifel der Hauptscribent Thietmar von Merseburg, aber er kommt doch dem Zeitalter des erstgenannten Mistui sehr nahe und war jedenfalls vor dessen Tode geboren (976). Hiezu kam, daß dieser hinsichtlich der wendischen Verhältnisse so gut unterrichtete Schriftsteller einen Gewährsmann hat, welchen er bei einem einzigen, gerade diesen Mistui betreffenden Berichte nennt, nämlich Avico, welcher mit diesem selben Fürsten genau bekannt sein mußte, da er früher sein Capellan gewesen war, aber später Thietmars geistlicher Bruder ward. Von ihm hat er gewiß auch den Namen des Fürsten schriftlich erhalten. Der Name bei Thietmar, Mistui oder Mistivi, stimmt ziemlich überein mit der Schreibweise des dänischen Runensteins Mistivi.

Ein slavischer Sprachforscher muß die ursprüngliche Bedeutung des Namens entscheiden, ob man ihn vielleicht ableiten kann von dem wendischen mest, böhmisch msta, russisch miestj: Rache, oder von dem wendischen und böhmischen mjesto, misto, russisch miesto, polnisch miasto: Ort, Stadt, Hauptstadt; ob man in diesem Falle denken könnte an die Adjectiva mstiwy, rachsüchtig, oder mjestowy, mistowy, localis , dem Orte, der Stadt oder dem Platze zugehörig, was der Schreibweise des Runensteins und Thietmars am nächsten käme; ob man, was doch kaum wahrscheinlich ist, sich einen Mannsnamen davon gebildet denken könnte; oder, wenn das Wort zusammengesetzt ist, ob das letzte Wort in der Zusammensetzung an Bedeutung entsprechen könnte dem polnischen bóy, russisch boi, ganz das griechische βοή , Kampf, clamor, pugna, oder dem russischen voi, Geschrei, oder vôi, ein Heer. Unter der Form Mistobog hat man vielleicht sich den Namen von

S. 295.

dem polnischen bóg, russisch bog'', Gott, gebildet gedacht, ebenfalls entweder einen Gott des Ortes, den man an einer gewissen Stätte verehrte, oder auch einen, der an Gottes Stelle war, bedeutend. Mistobog müßte dann in der Aussprache übergegangen sein in Mistovoj, Mistwoi, Mistivi oder Mistvi, nach dem gewöhnlichen Uebergangsgesetz in der slavischen Sprache von o in i, b in w oder v, und g in j oder i. Am wahrscheinlichsten ist wohl mittlerweile anzunehmen, der letzte Theil der Zusammensetzung bezeichne einen Krieger, und die Bedeutung des Namens sei: der (Missethaten) rächende Krieger.

Kuna. Dieses ausgelassene Wort ist in der Supplirungszeile an der Stelle angebracht, wo es einzusetzen ist. Da das Wort Nominativ ist (kuna und nicht kunu), so geht es auf Tufa, und nicht aus mudhur.

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Harads muß man Haralds lesen; es ist unzweifelhaft kein Schreibfehler, sondern entweder eine Ligatur, so daß der Runenhauer nämlich die beiden Runen Rune und Rune zu dem einen Runencharakter Rune verbunden hat; oder auch, was wahrscheinlicher ist, die Liquida ist nach dem Schreibbrauch jener Zeit ausgelassen und muß man sie hinzugefügt denken, wovon man mehrere Beispiele hat, z. B. auf dem einen Husby=Stein (L. 608): Runen , d. i. Jûtla n di; auf dem Bekke=Stein Runen , d. i. ga r thu; auf den Jellinge=Steinen Runen , d. i. konû n gr; Rune , d. i. ku m bl.

Harald Gormsson ist sicher Harald Blaatand. Da nicht konûngs hinzugefügt ist, so muß man die Inschrift abgefaßt annehmen, bevor er nach des Vaters Tode die Regierung antrat, und von der Inschrift lernen wir, was man sonst nicht wußte, daß er hinn godhi benannt gewesen, wie sein Bruder Knud den Beinamen Danaâst führte. Haralds Schwiegermutter hat sich wahrscheinlich hier in Dänemark aufgehalten und ist (daselbst) gestorben, und hat die Tochter Tofa ein Denkmal (kumbl) ihrer Mutter aufführen lassen, oder einen Grabhügel, worauf dieser Gedenkstein errichtet ward.

Nehmen wir an, der auf dem Runenstein genannte Haraldr hinn godhi sei Harald blâtönn, und die Inschrift abgefaßt, bevor er König ward, so kann sein genannter Schwie=


***) Die bisherige Erklärung der ganzen Inschrift beruhet vorzüglich auf der Erklärung des Wortes uft (efter) = nach. Man übersetzt nun: "Tufa, Mistives Tochter, nach ihrer Mutter, Haralds des guten Gormssohns Frau, ließ diesen Hügel machen", und erklärt dann, daß dies nach dem Tode der Mutter, also zum Andenken derselben, geschehen sei. Der oben erwähnte Freund unsers Vereins findet es aber, wohl mit Recht, sehr auffallend, daß der Name der Mutter, welcher die Inschrift gesetzt sein soll, nicht genannt ist, während alle andern Namen der Betheiligten ausgedrückt sind. Er erklärt daher, nach dem Vorgange der althochdeutschen Sprache, das Wort uft (efter) = nach, nicht durch: später (post), wie bisher, sondern durch: in Gemäßheit (secundum). Dann ist der Sinn: Tufa, Tochter des Mistivi von ihrer Mutter u. s. w. Dies ist freilich auch auffallend, da es dem Sinne nach überflüssig ist; aber es war wegen der dichterischen Form der Alliteration nothwendig. Nimmt man dies an, so fehlt freilich die Bezeichnung der Person, welcher zu Ehren der Stein gesetzt ward, und zugleich liegt dann in der Inschrift nicht der Beweis, das Tufa's Mutter unter dem Steine begraben war. Man muß dann zu der Annahme greifen, daß ein zweiter Stein, welcher die Fortsetzung der Inschrift enthielt, bis jetzt nicht aufgefunden ist.
Wenn nun auch das Begräbniß der Mutter Tufa's ungewiß ist, so leidet es doch jetzt wohl keinen Zweifel mehr, daß "Tufa Mistivis Tochter und Haralds Gormssohns Frau" war.- D. Red.

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S. 296.

gervater nicht, wie einige gewollt haben 1 ), der Fürst der Obodriten Mistui oder Mestiwoj I, dessen Regierungszeit von 960 - 985 gerechnet wird, und noch minder sein Enkel desselben Namens sein, welcher von 1018 - 1025 regierte. Der erstgenannte Mistui kann kaum viel früher als 920 geboren sein. Setzt man Harald Blauzahns Todesjahr auf 985, so muß er, da er 50 Jahr regierte, 935 König geworden sein; er ist vor der Zeit 15 Jahre (einige Quellen geben jedoch 30 Jahre an) Mitregent des Vaters gewesen; sein Geburtsjahr kann deshalb nicht wohl später, als etwa 900 gesetzt werden, was auch Bekräftigung zu finden scheint, wenn man seinen älteren Bruder Knud Danaâst um 889 geboren annimmt, da ein größerer Unterschied zwischen dem Alter der beiden leiblichen Brüder kaum wahrscheinlich ist. Wir müssen also an einen älteren Mistui denken, sicher von demselben Geschlecht und ebenso Obodritenfürst. Auf den erstgenannten Mistui, den ersten dieses Namens, in dem eigentlich historischen Zeitalter, folgte in der Regierung sein Sohn erster Ehe Mitzlaf oder Metschislav (985 - 1018), und diesem folgte wieder dessen Sohn Mistui oder Mestiwoj II. (1018 - 1025). Der Name, sieht man also, hat mehreren derselben Familie 2 ) angehört, und so wie des erstgenannten Mistui's Enkel ihn trug, so hat sicher auch sein Vater oder wahrscheinlicher sein Großvater ihn getragen und ist ebenso Fürst der Obodriten gewesen vor der Zeit, von welcher die Quellen zuverlässige Nachrichten mittheilen. War des erstgenannten Mistui's Großvater 870 ge=

S. 297.

boren, so kann die Tofa des Runensteins sehr wohl seine Tochter, und zwar eine Reihe von Jahren nach Harald Blaatand geboren sein.

Wir kennen nur wenige der Namen der obodritischen Fürsten, welche vor dem Mistui regierten, der 960 die Regierung antrat. Ein Jahrhundert früher, 862, wird Tabamvizil genannt, den König Ludwig der Deutsche damals bezwang, aber diese Unterwerfung war doch nicht von Dauer, und Ludwig der jüngere sandte wiederholte Male Truppen gegen die Obodriten, ohne sich wesentliche Vortheile erkämpfen zu können. Auch Arnulf, der nach dem Abgange der Karolinger zum deut=


1) Jahrbücher des Vereins für Meklenb. Gesch. etc. . XII, S. 124, 135, und XVI, S. 173 - 174, 203. -
2) Dieser Name hat sich auch in der folgenden Zeit erhalten. Helmold (Cap. 37) erwähnt einen Mistue, einen Sohn Heinrichs, Gottschalks jüngern Sohns, welcher im J. 1116 an der Spitze eines vereinigten sächsisch=wendischen Heeres die Linonen dem obodritischen Scepter unterwarf. Der Fürst, der im J. 1210 als Herr von Pomerellen genannt wird, heißt in Chron. Dan. (Langebek scr. rer. Dan. III, p. 259) Mistwi oder Mistvin; in den andern nordischen Annalen ist der Name falsch geschrieben, s. Antiquités Russes et Orient., II., p. 375.
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schen Könige gewählt ward, machte 889 mit einem großen Heere einen Zug gegen sie, der einen sehr unglücklichen Ausgang hatte, da das Heer zerstreut und vollständig in die Flucht geschlagen ward. Dies hatte zur Folge, daß die Angriffe der Deutschen auf die Obodriten für sehr lange Zeit aufhörten. Selbst hatte dieses Volk keine Scribenten, und bei den deutschen Annalisten findet man lange nichts weiter von ihnen aufgezeichnet, als daß sie mit Hülfe der Dänen anfingen, selbst die Sachsen auf beiden Seiten der Elbe zu beunruhigen 1 ). Nachdem Heinrich I, der Sachse, 931 mehrere slavische Volksstämme, namentlich in Brandenburg und Pommern, bezwungen hatte, wandte er sich gegen die Obodriten, und, wie mehrere Annalen berichten 2 ), bekehrte er sowohl deren König, als auch den König der Dänen zum Christenthume. In einer Anmerkung zu Helmolds Chronik zu Leibnitz's Ausgabe wird dieser Obodritenkönig Micisla 3 ) genannt, was unzweifelhaft derselbe Name als Mitzlaf ist. Die Quelle dieser Angabe des

S. 298.

Namens kenne ich nicht, aber es ist höchst wahrscheinlich, daß des erstgenannten Mistui Vater in jener Zeit regiert und diesen Namen getragen hat, so daß sein Sohn nach seinem Großvater benannt ist, und wir haben gleichfalls allen Grund anzunehmen, daß dieses Micislavs oder Mitzlafs Vaters Name, wie der seines Sohnes, ebenfalls Mistui gewesen.

Vignette

1) Lambert. Schafnaburgensis v. J. 902. Pistorii Scr. rer. Germ. I, p. 313. Adami Brem. hist. eccl. L. I, c. 48.. S. Rudloffs Meklenb. Gesch. I, S. 23 ff. -
2) "Henricus rex regem Abodritorum et regem Danorum efficit Christianos"; so Cont. Reginonis nach Annales Augienses, welcher jedoch für "regem Danorum" "regem Nordmannorum" hat. -
3) Kramer (bei Eccard II, p. 523) hat wohl diese Anmerkung zum Helmold benutzt, schreibt den Namen aber fälschlich Mirilla anstatt Micisla, d. i. Micislav; vgl. Jahrbücher des deutschen Reichs unter dem sächsischen Hause, herausg. von L. Ranke, I, S. 164.
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II.

Ueber die Runen der köbelicher Urne.

I.

Ueber die Runen der köbelicher Urne

von

Joh. Erasmus Wocel.


A uf dem neu=köbelicher Felde * ) im Amte Stargard in Meklenburg=Strelitz wurde vor einigen Jahren von Arbeitern beim Sandgraben eine Thonurne mit Runenzeichen gefunden, welche allerdings geeignet ist, die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher in hohem Grade zu fesseln. Herr Gentzen, Bibliothekar zu Neu=Strelitz, übersandte diese Urne an Herrn Schafarik nach Prag, mit dem Ersuchen, daß dieser ausgezeichnete Slavist im Vereine mit anderen Gelehrten seine Meinung über den Sinn und die Bedeutung der Runenzüge des antiken Gefäßes abgeben möge. Dem zufolge wurden die Runen von mehreren Mitgliedern der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Schafarik, Hanka, Erben, Hanus, Wocel) genau untersucht und von jedem derselben abgezeichnet. Nach einer sorgfältigen Confrontation der gemachten Zeichnungen stellte sich folgende, auf den oberen Rande der Urne enthaltene Runenreihe dar:

Runenreihe

*) Dieser Aufsatz ist in den Mémoires de la société royale des antiquaires du Nord, 1848b - 1849, Copenhague, 1852, S. 353 - 357, gedruckt. Die königliche Gesellschaft für nordische Alterthumskunde zu Kopenhagen hat die große Freundlichkeit gehabt, unserm Vereine den hier gebrauchten Holzschnitt der auf der neu=köbelicher Urne stehenden Charaktere zur Benutzung zu leihen. - D. Red.
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Ich wurde darauf von den Mitgliedern der philologischen Section der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften ersucht, diese Runenschrift einer genauen Prüfung zu unterziehen und das Resultat meiner Forschung der Gesellschaft sowohl als auch dem Bibliothekar Herrn Gentzen mitzutheilen. - Ehe ich meine Meinung über die Bedeutung dieser Runenzüge ausspreche, muß ich daran erinnern, daß diese Urne auf dem für die slavische Alterthumsforschung höchst wichtigen Gebiete der alten Rhedarier gefunden wurde, auf welchem Sponholz die viel besprochenen Idole von Rhetra (Prilwitz), wie auch die Runensteine, die das Museum zu Strelitz bewahrt, gefunden haben soll. Die Zweifel und Bedenken, welche gegen die Aechtheit der Prilwitzer Idole erhoben wurden, sind bekannt; die Mehrzahl dieser Broncefiguren scheint offenbar ein späteres Fabrikat zu sein; ob man aber allen den uralten stavischen Ursprung absprechen dürfe, ist eine bis jetzt noch nicht gelöste Frage. Bekannt ist es ferner, daß die Runenzeichen auf den Prilwitzer Idolen mit den nordischen und angelsächsischen Runen bedeutende Aehnlichkeit haben und daß einige der Prilwitzer Runen eigenthümliche Formen weisen, wie namentlich das B, welches häufig unter dem Zeichen Rune , und das E, welches in der Gestalt Rune auf den Prilwitzer Idolen dargestellt wird. - Jene Runensteine im Museum zu Strelitz soll Sponholz theils auf dem Prilwitzer, theils auf dem Neukirchner und Stargarder Felde, also immer in der Nähe des alten Rhetra gefunden haben; auch stimmen diese Runen, mit welchen diese Steine bezeichnet sind, mit den Runenzeichen der Prilwitzer Idole überein. W. Grimm hat in seiner Abhandlung: "zur Literatur der Runen" in den Wien. Jahrb. der Liter., 43. Band, seine Meinung über diesen Gegenstand in folgendem Schlußsatze zusammengefaßt: "Hat Sponholz in einem bestimmten Umkreise allein 14 Runensteine entdeckt, so wäre es ein höchst unwahrscheinlicher Zufall, wenn gerade nur diese in Grabhügeln vorhanden und überhaupt die einzigen sollen gewesen sein. Es kommt also auf weitere Nachgrabungen vorzüglich in jenen Gegenden an, die von doppelter Wichtigkeit sein werden. Finden sich abermals ähnliche Runen (in jener Gegend), so werden die Einwendungen gegen die Aechtheit sämmtlicher slavischen Denkmäler zu Strelitz wegfallen". Nun ist nach H. Gentzen's Bericht die besprochene Thonurne in der Nähe des Stargarder Feldes bei Köbelich ausgegraben worden, und da die Runenzeichen derselben, namentlich Rune und Rune , mit den entsprechenden Runen der Prilwitzer Idole überein=

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stimmen, so ruht in diesem Umstande ein wichtiger Grund, den altslavischen Ursprung wenigstens einiger der Rhetraischen Idole - denn die übrigen, stark verdächtigten mögen neuere, von Sponholz verfertigte Nachbildungen der wenigen Originale sein - nicht länger in Abrede zu stellen.

Nach diesen vorläufigen Andeutungen will ich es versuchen, die Züge der Urnenaufschrift zu deuten wobei ich bemerke, daß ich die Runen von links nach rechts lese, mit dem Zeichen Rune anfange und die demselben vorangehenden, mir wenigstens unverständlichen Charaktere außer Acht lasse.

Rune ist das E der Prilwitzer Runen, entsprechend dem Rune (is) der ältesten nordischen Runen 1 ).

Rune halte ich für das B der Prilwitzer Runen.

Rune ist das A der nordischen Runenschrift. Diese drei Runen geben das Wort EBA.

Rune stellt sich als die punktirte Rune Rune (kaun) Rune dar, die somit den Buchstaben G ausdrückt.

Rune kommt als A unter den Runen von Rhetra vor.

Rune entspricht dem M desselben Runensystems.

Rune ist das N der nordischen und Prilwitzer Runenreihe.

Der Ouerzug des Rune durchschneidet zwar die folgende Rune, doch erscheint die letztere als eine selbstständige unter der Form Rune , welche abermals dem A entspricht.

Das zweite Wort lese ich daher: GAMNA.

Die nächstfolgende Rune ist das kaun Rune ; auf diese folgt ein N (sól), sodann das ar Rune ; alle drei in derselben Form, wie sie die nordische Runenreihe und auch jene der Rhetraischen Idole darstellt.

Das darauf folgende Zeichen Rune halte ich für eine Binderune; darauf scheint wenigstens der kleine Bindestrich hinzudeuten, und löse sie auf in Rune N (naudh) und Rune (sól). Das nächste Zeichen Rune entspricht dem o, (ós) (Rhetra. und nord. Rune), und endlich erscheint, größtentheils hinter dem Bruchspalt der Urne die Rune Rune (ár). Diese sieben Runen bilden das Wort KSANSOA.

Die zwei nächstfolgenden und die Spuren der übrigen, nur fragmentarisch erhaltenen Zeichen vermag ich nicht zu


1) S. Deutsche Alterthümer v. Fr. Kruse, I. Bd. V, Tab. I, Fig. 2.
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deuten. Die aus den erwähnten Runenzeichen gefügten Worte bilden nun folgende Legende: EBA (eva) GAMNA KSANSOA . . . d.i.: Dieses Grab des Fürsten (Priesters) . . . Hoc sepulcrum principis (sacerdotis) . . . .

Dieses erhellt deutlich aus der philologischen Prüfung der einzelnen Wörter:

EBA so viel als EVA; die Lippenbuchstaben B und v gehen im Slavischen häufig in einander über 1 ). EVA von EV EVA, EVO, statt ov, OVA, ovo, dieser, diese, dieses; das o geht in den slavischen Sprachen nicht selten in E über: z. B. odin = jedin (unus), olen = jelen (cervus), olej = elej (oleum), ozero = jezero (palus). Beispiele dieser Umwandlung findet man auch in den Sprachdenkmalen der Elbeslaven: z. B. resa = rosa (ros), smela = smola (pix), nes = nos (nasus).

GAMNA (lies jamna) anstatt gamina. Das i wird hier, wie dieses in andern slavischen Sprachen vorkommt, elidirt. Das G steht da anstatt J, wie es aus Analogien, welche altpolnische und altböhmische Schriftdenkmale in großer Menge darbieten, ersichtlich ist. Das Primitivum dieses Wortes ist jama, d. i. fovea, antrum, sepulcrum, Grube. Davon werden abgeleitet jamina, jamica, jamka. In der Bedeutung von Grab erscheint dieses Wort:

1) Jomo, bei den alten Elbeslaven (Jomó, Grab; s. das Verzeichniß der lüneburgisch=wendischen Wörter in Dobrovsky's Slovanka).

2) Jama, bei den Slaven in Steiermark, Kärnten, Krain (sepulcrum, Grab; s. Wörterbuch von Gutsmann und Murko).

3) Jama bei den Kroaten (gewölbtes oder gemauertes Grab, wozu die Belege bei Bčlostenec und Jambresič).

4) Jamka, Grab, sepulcrum bei den Russen in der Provinz Kaluga, bei den übrigen Russen wird Grab, sepulcrum, mogila genannt (s. Russisches Provinzialwörterbuch vom J. 1852).

Die Form Jamina ist noch bis jetzt bei den Russen, den Slowenen in Krain, Kärnten und Steiermark, wie auch in Illyrien und Dalmatien bekannt und gebräuchlich.

KSANSOA; eigentlich ksansoua, ist entweder der Nom. des Beiwortes im weibl. Geschlecht: gamina ksansoua, d. i. das fürstliche Grab, oder, was dem ältesten Sprachgebrauche mehr entspricht, der Genit. des männl. Beiwortes: gamina ksansoua . . . (darauf der Name des Fürsten ebenfalls im


1) Vergl. Šafařik: Počátkowé staročeské mluwnice. Wýbor z it. české. p. 22.
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Genit.). - Die Form des Wortes ksans (in späterer Zeit erst ksanź) ist polnisch, denn in den übrigen slavischen Sprachen lautet dieses Wort knanź, knąz, knęz, knez, knčz. Die Sprache der Bodriten und der Lutitzer Slaven hatte gleich der polnischen den Rhinismus und überdies noch anderweitige polnische Lautformen 1 ).

Das Wort ksans ist übrigens verwandt mit dem germanischen kuning, kuniges, dän. Konge, König, eigentlich procer, dynasta, princeps, Fürst, Vornehmer; sodann auch sacerdos, Priester; bei den Slaven waren, wie bekannt, häufig beide Würden in einer Person vereint.

Die Version der Worte eba gamna ksansoa . . . lautet daher: Dieses Grab des Fürsten (Priesters . . .); darauf folgte wahrscheinlich auf dem leider abgebrochenen Stücke der Urne der Personenname selbst. Die hier angeführte Erklärung der Runenaufschrift findet in dem Urtheile unseres als wissenschaftliche Autorität allgemein anerkannten Slavisten Schafarik ihre volle Begründung und Rechtfertigung.



1) Vergl. Šafařik's Slovanský Národopis (Slavische Ethnographie) S. 109, und Wocel's Památky Lutických Slovanů (Denkmale der Lutitzer Slaven) in der böhmischen Museumszeitschrift 1849.
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2.

Die Runen auf der Meklenburger Aschenurne,

von

Ignaz J. Hanus.

Im Jahre 1852 wurde eine auf dem Köbelicher Felde * ) bei Stargard in Meklenburg=Strelitz ausgegrabene Aschenurne von Thon zum Behufe einer controlirenden Lesung ihrer Runen an Schafarik nach Prag gesendet. Da die Urne unter amtlicher Aufsicht ausgegraben und unter amtlicher Obhut aufbewahrt wurde, so ist sie vielleicht das einzige ächte Denkmal, das man bis jetzt mit Runenaufschrift in ehemals slavischen Ländern Deutschlands auffand. Man las schon in Meklenburg deren Runen, als belbog kleal kaja, was mir bis auf "belbog" weiß Gott unverständlich ist. Wolanski las aber sogar: "Nana kochamcie", Nana ich liebe dich, was besonders deshalb interessant ist, weil man dadurch erfährt, daß die alten heidnischen Polaber schon die neuere Orthographie der Polen gekannt hatten.

In Prag hatte nur der Conservator Wocel den Muth zu lesen, und zwar Anfangs: knesa sona, Frau des Fürsten, dann aber: eva gamna ksansoa, dies das Grab des Fürsten (Sitzungsber. der k. böhm. Gesellsch. der Wissensch. zu Prag vom 14. Febr. 1853, VIII. Bd., S. 34, 35 und "Ueber die Runen der Köbelicher Urne" in den "Mémoires de la société royale des antiquaires du nord. 1845 - 49. Copenhague 1852", S. 353 - 357, sammt einer Abbildung).

Es verhielt sich aber mit der Lesung dieser Runen eigent=


*) Dieser Aufsatz ist gedruckt im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, herausgegeben von der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Band XVIII, 1, Wien, 1857, S. 21 - 23, unter dem Titel der Abhandlung: Zur slavischen Runen - Frage mit besonderer Rücksicht auf die obotritischen Runen - Alterthümer, von Dr. Ignaz J. Hanuš, Bibliothekar der k. böhm, Gesellschaft der Wissenschaften in Prag. - D. Red.
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lich so: Als Schafarik die Urne nach Prag bekam, benachrichtigte er davon einige Archäologen. Diese zeichneten sich so sorgfältig als möglich, und zwar jeder, ohne seine Zeichnung mit der des andern zu conferiren, die Runenbilder für sich ab. Als aber der Tag gemeinsamer Zusammenkunft und Deutung herankam, staunten Alle, als sie sahen, daß ihre Zeichnungen nicht ganz harmonirten. Der Grund davon lag in dem Chaos der Züge der gebrechlichen Urnenscherben, worin schwer zu entscheiden war, welche Vertiefungen und Ritzen die Natur und der Zufall, und welche die menschliche Hand gethan. Bei so bewandten Umständen standen alle von einer Deutung ab, nur Archäolog Wocel ging an das nicht leichte Geschäft des Lesens, welches besonders dadurch erschwert wurde, daß der Wirrwarr der Züge und Ritzen fast lauter gebundene Runen giebt, sohin es meist dem Belieben des Lesers überläßt, die einzelnen Runen auszuwählen, wie es auch die verschiedenen Leseversuche bewiesen, die, wenn sie so, wie hier, bedeutend auseinandergehen, immer ein mißliches Zeichen sind. Aber auch abgesehen davon, will es mich bedünken, daß innere Gründe die Wahrscheinlichkeit der letzten Leseart Professor Wocel's untergraben, da man wohl eine solche Aufschrift: "Dies (ist) das Grab des Fürsten", nicht hinein ins Grab und nicht auf eine so winzige Urne gesetzt hätte. Wollte man Inschriften innen ins Grab geben, so wählte man dazu Steintafeln, die über die Todten=Urnen gelegt wurden (Wiener Jahrbücher, 43. B., S. 31, W. Grimm, über die Runen).

Auch ist die Schreibweise "gamna" für jamna (und dies für jamina) ein wenig glaubwürdiger Anachronimus, da man sich bei einer heidnischen Urne wohl nicht, wie Wocel that, auf "Analogien, welche altpolnische und altböhmische Schriftdenkmale in großer Menge darbieten", berufen kann, abgesehen davon, daß das Stammwort jama eigentlich nur eine leere Grube fovea, nicht Grab bedeutet (Mikl. rad. 110). Die uns erhaltenen polabischen Wörterbücher unterscheiden diese Begriffe scharf, obschon Genauigkeit sonst nicht ihre Tugend zu sein pflegt. So sagt Henning ausdrücklich: "Grab, worin ein Körper liegt, migkola, das noch ledig ist, gómo, Accus. Gomung". Das Wort migkola ist das bekannte altslavische mogyla, f. tumulus, für ursprünglicheres magulà, wobei also die Elbeslaven nach ihren Lautgesetzen das o in i wandelten und das u der Urform ebenso zu o abschwächten, wie es selbst im altslavischen schon zu y abgeschwächt ist. Die alten Elbeslaven behielten aber noch das o in mogyla, so kömmt in alten Urkunden Anno 1173 wiederholt mogela

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vor, wobei e den eigenthümlichen y - Ton andeutet, wie er noch heut zu Tage in Polen und hie und da in Mähren gehört wird (Lisch, S. 9, 10), "gómo" des Henning ist jáma, wobei die Schreibart g statt j nicht etwa alterthümlich ist, sondern nur von Henning ungeschickt den Böhmen abgemerkt ist, wie er auch z. B. inconsequent den angedeuteten Accusativ von jama, d. i. jama in g auslauten läßt, das hier seinen Gutturalton behält; Henning konnte nämlich den Rhinismus ą oder un, d. i. Rune , nicht anders geben, als durch ung, der selbst für ursprüngliches am steht (vergl. skr. vidhavâm, lat. viduam, altslav. vdovąa statt vdovan, vdovam). Den Graben unterscheiden noch die Wörterbücher von migola und jomo als gróvo, grobo, und zwar Henning, Pfeffinger und Domeier. Grobo ist altslavisch ГРОБЪ, grobu sepulchrum ursprünglich grabas, das sich, aber in der Bedeutung Sarg, rein im Litauischen grabas erhielt. Das Wort grobъ ist den alten Elbeslaven auch als Ortsname sattsam bekannt, wie z. B. Hasselbach's Codex (I, 55) "uilla groben", "in grobe", welche Formen als Schwächungen des ursprünglichen Auslautes as in den Naselauten en, ç, е, ъ linguistisches Interesse bieten. - Ueber den altslavischen Namen knęz, wie er bei den Polabern lautete, wird noch weiter unten eigens gesprochen werden.


Zusatz *** )

Wie sehr man sich hüten müsse, selbst sonderbare Urnenverzierungen, die scheinbar Lettern gleichen, schlechthin schon für Lettern zu nehmen, zeigen Seidel's Beiträge, Bd. XV. des Archivs für österreichische Geschichtsquellen, 2. Heft, S. 327, und Estorff's heidnische Alterthümer, Hannover 1846, Taf. XIV - XVI, S. 107.


Vignette

***) Dieser Zusatz ist gedruckt a. a. O. S. 112. - D. Red.
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III.

Bischof Nicolaus Böddeker von Schwerin.

Von

D. C. W.


B ischof Hermann III. von Schwerin starb am 3. Januar 1444 mit dem Nachruhme einer tüchtigen Verwaltung der weltlichen Güter seiner Kirche, der ihm freilich streitig gemacht und für einen seiner Vorgänger in Anspruch genommen worden ist. Gewiß wird aber sein, daß er einen Schatz an Büchern und Werthgegenständen hinterließ, welcher ansehnlich genug war, um das Dom=Capitel zur Abfassung eines Statuts zu veranlassen, nach dem jene Sachen ohne des Capitels Einwilligung nicht veräußert werden sollten 1 ). Gleichzeitig erweiterte oder erneuerte man die bei der Wahl des verstorbenen Bischofs aufgesetzte Capitulation vom 6. Julii 1429 2 ) und erhob alsdann den M. Nicolaus Böddeker, nachdem derselbe die Capitulation beschworen, auf den bischöflichen Stuhl. Am 17. März 1444 wurde ihm die Confirmation ertheilt.

Bischof Nicolaus I. war aus Wismar gebürtig 3 ). Sein Vater hieß ebenfalls Nicolaus, seine Mutter Alheidis. Ersterer hatte einen Bruder, Namens Jacob, welcher Priester


1) A. Krantzii Metrop. L. XI, c. 33. Hederichs Verzeichn. d. Bisch. z. Schwerin in Gerdes Nützl. Sammlung. S. 453 und N. b. ebendort.
2) Verhältn. zw. d. Hgth. Mecklenburg u. d. Bisth. Schwerin, Beil. III.
3) Ueber Herkunft u. s. w. vgl. Schröders Pap. Mecklenb. S. 2020 ff.
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war, und die Mutter wird eine Schwester des Pfarrherrn zu U. L. Frauen zu Wismar Johann Sadelmann gewesen sein 1 ), welche Verwandtschaft wohl Anlaß gab, daß nicht allein der ältere Sohn, Nicolaus, sondern auch der Bruder, Konrad, beide sich in den geistlichen Stand begaben. Uebrigens war die Familie Böddeker (Böttcher) keineswegs eine hervorragende, denn was die Personen anlangt, welche der Sammlerfleiß als zu ihr gehörig verzeichnet hat, so darf man unbedenklich die Hälfte derselben für wirkliche Faßbinder halten, und daß gar das vermeintliche Geschlecht einer Straße in Wismar den Namen gegeben haben sollte, entbehrt vollends aller Begründung; es läßt sich sogar urkundlich nachweisen, daß grade viele Böttcher von je in der platea dolificum, doliatorum, der Bottichmacher= oder Böttcher=Straße, gewohnt und ihr Handwerk getrieben haben.

M. Nicolaus soll zuerst 1425 und zwar als Pfarrherr zu S. Marien in Wismar genannt werden, aus welchem Umstande man wohl mit Recht geschlossen hat, daß seine Geburt in das vorletzte Jahrzehend des vierzehnten Jahrhunderts falle; die Pfarren in den größeren Städten waren Stellen von Bedeutung, die man schwerlich einem eben erst geweiheten Priester, ohne Verbindungen und unerprobt, gegeben haben wird. Jedenfalls aber bekleidete M. Nicolaus jenes Amt am 14. März 1429 und war zugleich Decan des minderen Kalands, in welcher Eigenschaft er eben an jenem Tage einen Priester zu einer erledigten Vicarie präsentirte. Er war auch Mitglied des großen Kalands, doch ist es nicht sicher (wenn es auch wahrscheinlich ist), ob er dies als wismarscher Pfarrherr war, da die Matrikel der Brüderschaft mit ihm beginnt und ihn als bereits Bischof bezeichnet. Uebrigens tritt M. Nicolaus als Pfarrherr nicht weiter hervor, und man könnte muthmaßen, daß er sich die Zeit über zu Hamburg für gewöhnlich aufgehalten, wo er, unbekannt wann, Domscholasticus gewesen ist 2 ), wenn nicht eben seine Stellung als Kalandsdecan, so wie, wenn man will, eine später von ihm als Bischof erlassene Verordnung 3 ) Grund zu glauben gäben, daß er sein Amt in Person verwaltete. Ein Andenken, welches alle Verwüstungen der sogenannten "Renovationen" glücklich überstanden, hat er sich dadurch gestiftet, daß er eine der Chor=


1) Jener, als Vatersbruder verbürgt, wird "Vetter", dieser "Oheim" des Bischofs genannt. S. Urk. Samml. Nr. XV.
2) S. Urk. Samml. Nr. XIV.
3) Stat. synod. d. a. 1444, §. 16, in Westph. Mon. ined. T. IV, p. 1068.
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schranken in derselben und zwar die südöstlich hinter dem Altare befindliche verfertigen ließ, wie sein darauf angebrachtes Wappen beweis't; dasselbe zeigt einen Schwan im blauen Felde, welcher nach einem Bande (außerhalb des Schildes!) schnappt, auf dem das Wort fides gelesen wird. Wie lange M. Nicolaus Pfarrherr zu Wismar war, muß dahin gestellt bleiben; sein nächst genannter Nachfolger war Gerd Schröder, 1446 1 ). Erst 1435 im October erscheint M. Nicolaus wieder und zwar als Domherr von Lübek in Magdeburg, wo er einen silbernen Becher erwarb, der seinem Oheim Johann Sadelmann, vormals Canonicus daselbst 2 ), gehört hatte 3 ). Als dann 1439 der "gelehrte und erfahrene" Decan zu Lübek M. Nicolaus Zachow zum Bischofe daselbst erwählt worden war, wird M. Nicolaus Böddeker der unmittelbare Nachfolger desselben in seinem Amte geworden sein, da er bereits 1440 als Inhaber desselben bezeichnet wird 4 ). Als lübischer Decan kaufte er auch am 13. Januar 1441 vom Rathe zu Lüneburg 50 Fl. Lübisch Rente für 800 Fl., in welcher nicht unbedeutenden Summe wohl ein Theil der väterlichen Erbschaft entstammte, über die er sich im Vorjahre mit seinem Bruder Konrad, dem schwerinschen Scholasticus, geeinigt hatte. Auch von Johann Wolters, Cantor zu Schwerin und Canonicus zu Lübek, wird M. Nicolaus 1441 Decan genannt 5 ), und endlich wird diese seine Würde durch das lübische Memorialbuch bestätigt 6 ), während für die eines Domherrn von Schwerin, welche ihm beigelegt ist 7 ), ein urkundliches Zeugniß bisher nicht vorliegt. Mag M. Nicolaus nun aber in diesem engeren Verhältnisse zum schwerinschen Dome gestanden haben oder nicht, jedenfalls war er dem Cantor bekannt und der Scholasticus wird es nicht haben fehlen lassen, dem Bruder das Wort zu reden, dessen Befähigung ohnehin der Nähe Lübeks wegen leicht dem Capitel zur Kunde kommen konnte. Außer diesen beiden Personen haben muthmaßlich an der Wahl Theil genommen der Decan Hermann Robin, Hinrich Raven, Archidiaconus zu Tribsees, Woldemer Moltke, Archidiaconus zu Waren, Johannes Wendland, Johannes Erd=


1) Schröder a. a. O. S. 2037.
2) Ebd. S. 1704.
3) S. Urk. Samml. Nr. I.
4) Schröder a. a. O. S. 2022.
5) S. Urk. Samml. Nr. II.
6) Jahrb. XXI, S. 178.
7) Hederich a. a. O. S. 453.
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wan, Hinrich Plote und Johannes Werner, die wenigstens im September 1444 als Capitularen genannt werden 1 ).

Die Confirmation des Bischofs Nicolaus I. soll, wie bereits angegeben, am 17. März 1444 erfolgt sein, während derselbe erst am 27. August desselben Jahres seinem Metropolitan seine eidliche Verpflichtung im Schlosse zu Bützow ausstellte 2 ).

Mag nun Bischof Nicolaus die weltlichen Güter seiner Kirche mehr oder minder gut in Stande gefunden haben oder nicht, die Zucht und Ordnung unter der Geistlichkeit seines Bisthums befand sich offenbar in einem keineswegs tadellosen Zustande und dies veranlaßte ihn ohne Zweifel, daß er noch im Herbste desselben Jahres, in welchem er den bischöflichen Stuhl bestieg, eine Synode nach Bützow einberief, deren Beschlüsse alle offenbar darauf hinausgehen, den bestehenden Schäden der Geistlichkeit Abhülfe zu leisten und dem eingerissenen Unwesen in den Sitten und der kirchlichen Ordnung einen Damm zu setzen, wie sich aus folgendem Auszuge der Beschlüsse 3 ) ergiebt.

§ 1. Rechtsverletzungen sollen innerhalb 30 Tagen, nachdem sie ruchbar geworden, zur Untersuchung gezogen werden. - § 2. Des Gottesdienstes soll bei Nacht und bei Tag, öffentlich wie im Hause, fleißig gewartet werden. - § 3. Alles kirchliche Geräth und Geschmuck soll sorgsam und nicht von Weibern, sondern von den Ministranten gereinigt werden. - § 4. Wer Kirchen, Kapellen oder Altäre inne hat, soll keinen Geistlichen oder Priester eines fremden Sprengels ohne höhere Erlaubniß als Stellvertreter anstellen bei Strafe von 10 Mark. - § 5. Niemand soll ohne bischöfliche Confirmation ein Lehn übernehmen. - §. 7. Wenn ein Unberechtigter sich mit der Handhabung eines solchen abgiebt, so


1) Westphalen I. c. p. 1067.
2) Schröder (a. a. O. S. 2035) und Beehr (Rer. Meclb. L. IV. p. 519) setzen beide, wahrscheinlich nach Leibnitz (Scr. rer. Brunsv. T. II, n. 23, p. 257), den letzterer anzieht, die Eidesleistung in das Jahr 1445, während Rudloff (Mecklenb. Gesch. Th. II, S. 767) das Jahr 1444 angiebt, Da eine so späte Ableistung des Juraments jedenfalls höchst auffallend sein und man in Beihalt von Decret. Greg. h. II, t. XXIV, c. IV., wohin auch Beehr a. a. O. weis't, annehmen muß, daß jener eidliche Revers nichts anderes ist, als der Eid, welchen alle Bischöfe der bremischen Erzdiöcese zu leisten hatten, auch Rudloffs Autorität die gewichtigere ist, so schien es gerathen, diesem hier zu folgen.
3) Westphalen I. c. p. 1063 seq. Dorther ist die Eintheilung der Paragraphen beibehalten.
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soll, wenn er auf dreimalige Aufforderung nicht davon abläßt, der Gottesdienst in dem Kirchspiele gelegt werden. - § 8. Die Eucharistie soll frei ausgestellt, die Fünte unter Verschluß gehalten und sie, wie die übrigen Sacramente, umsonst gespendet werden. - § 9. Die Absolution einer Sünde wegen soll kein Priester, welches Standes und Ranges derselbe auch immer, dem anderen oder sonst wem ertheilen, ohne besondere Erlaubniß vom apostolischen Stuhle, dem Bischofe oder dem Ortsgeistlichen in geringeren, oder vom apostolischen Stuhle oder dem Bischofe in bischöflichen Fällen zu haben. In den Pönitenzkammern soll nur in Nothfällen das Sacrament gereicht werden. - § 10. Der bischöflichen Absolution unterliegen folgende Fälle: Excommunication durch das Gericht oder die Synode, Lästerung Gottes und der Heiligen, heimliche oder gegen das Verbot der Kirche eingegangene Ehen, Brandstiftung, Sacrilegium, Zauberei, Ketzerei, Nothzucht, Ehebruch, Mord, Waisenbedrückung, Fälschung, Meineid, Mißhandlung der Eltern, Sodomiterei und Sünden wider die Natur. - § 11. In Erneuerung des unter Vorsitz des Cardinal=Legaten Guido (1266) gefaßten Provinzialsynoden=Beschlusses soll keiner weder bei sich noch sonst wo eine Beischläferin haben; dem dawider handelnden soll sein kirchliches Beneficium genommen und einem anderen zugetheilt werden. - § 12. Geistliche, welche kein Beneficium haben, sollen wegen des gedachten Vergehens von ihren Oberen nach Maaßgabe des Delicts und der Person gestraft werden; für die Beurtheilung des Thatbestandes ist das Decret des Baseler Concils maaßgebend. - § 13. Geistliche sollen für Völlerei und Trunkenheit außer der gesetzlichen Strafe einer Buße von 5 Mark Lüb. unterliegen. Kein Geistlicher soll außer auf der Reise Krüge besuchen; sie sollen mäßig trinken und in keinen anderen dringen, daß er trinke, sonst sollen sie außer der Strafe des Ungehorsams eine Pön von 5 Mark zu tragen haben. Auch soll die Geistlichkeit durch die Beichte gegen das Saufen bei Hoch und Gering unter den Laien zu wirken suchen und hartnäckigen Trunkenbolden das Sacrament verweigern. - § 14. In Grundlage der allgemeinen Vorschriften und Beschlüsse des constanzer Concils wird verboten: kein Geistlicher soll in scheinenden oder schmutzigen Kleidern, grüner oder rother Farbe, durch Kürze oder Abgetragenheit auffällig, einhergehen; keiner soll goldene oder silberne oder auch nur messingene Hefteln oder Gürtel tragen, herunter hangende Aermel oder geschlitzte Röcke oder umgekrämpte Säume, alles außer der gewöhnlichen Strafe bei Buße von 3 Markt. Nur Domherren

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der Kathedralkirche, Magister, Doctoren und Licentiaten dürfen mit Buntwerk oder Seide gefutterte Kleider tragen, und niemand darf einen Ring führen, wenn ihm nicht derselbe von früher her gestattet ist, alles bei vorhin genannter Strafe. - § 15. Die Notare müssen vom Bischofe, dem Official oder dem schwerinschen Kapitel zur Ausübung ihres Amtes autorisirt sein bei Strafe von 10 Mark. - Wer ein Lehn hat und auf die Dauer seiner Abwesenheit keinen Stellvertreter hält, soll während der Zeit die Einkünfte des Lehns nicht genießen. - Jeder Beneficiat soll innerhalb dreier Monate eine Copie des Stiftungsbriefes seiner Commende in das Meßbuch eintragen, wenn derselbe zu haben ist, damit man daraus ersehen kann, was stiftungsmäßig zu leisten ist, bei Strafe von 1 Mark Lübisch. § 16. Alle, denen Pfarrkirchen oder Beneficien verliehen sind, welche persönliche Verwaltung fordern, sollen sich binnen sechs Monaten bei denselben einfinden und dabei bleiben. Beneficiaten, welche die Weihen noch nicht haben, sollen sich in derselben Frist solche ertheilen lassen, bei Strafe von Einziehung der Aufkünfte des Lehns. - §. 17. Der alte Gebrauch in Bezug auf Todtschläger soll aufrecht erhalten werden, nämlich daß ihnen das Betreten der Kirche und kirchliches Begräbniß vorenthalten bleibt, wenn sie nicht die Absolution des Bischofs erlangen, was durch dessen oder des Curaten Attest darzuthun ist. - § 18. In Betreff der Nonnen werden die allgemeinen und besonderen Bestimmungen in Erinnerung gebracht, so wie auch, § 19, der Legaten Bischofs Johannes von Tusculum und Guido's, Cardinal=Priesters zu S. Lorenz, und der früheren Bischöfe Statuten überhaupt erneuert worden. - § 20. Jeder Pfarrherr soll sich innerhalb sechs Wochen eine Abschrift dieser Beschlüsse anschaffen und dieselbe an dem Versammlungsorte seines Klerus anschlagen bei Strafe von 1 Mark.

Die Synode wurde am 15. September 1444 geschlossen, wobei die schon oben erwähnten schwerinschen Domherren, mit Ausnahme des Cantors und des Scholasticus, als anwesend genannt worden. Bischof Nicolaus legte diese Statuten später dem Legaten Nicolaus von Cufa, Cardinal=Priester zu S. Peter in Banden zu Rom, zur Bestätigung vor, der solche am 26. September 1451 vollzog und noch in Sonderheit bestimmte, - § 21 - daß, wenn ein Weltpriester von seinem Lehn abwesend sei, er einen Priester derselben Kirche zu seinem Stellvertreter zu nehmen und diesen auf seine Kosten zu unterhalten habe 1 ). Uebrigens waren diese Statuten nicht alle


1) Westphalen I. c. p. 1069. Die Bezeichnung "von Cufa" giebt dem Legaten Rudloff a. a. O. S. 767.
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jetzt erst festgesetzt, wie zum Theil auch ausdrücklich bemerkt wird, sondern rührten vielmehr auch von Vorgängern des Bischofs her, wie die Einleitung besagt, während nach derselben aber offenbar die Geldstrafen neu waren, von denen Bischof Nicolaus klagt, daß sie mehr empfunden würden, als andere. Wenige der Statuten beziehen sich unmittelbar auf die Laien, während eine zweite Synode, die 1452 zu Bützow abgehalten wurde, sie mehr berücksichtigte. Beschlossen wurde dort folgendes.

§ 22. Kebsweiber, welche in der ihnen bestimmten Zeit dem sträflichen Umgange nicht entsagen, sollen excommunicirt werden, und, wenn sie verstorben, soll ihnen kirchliches Begräbniß versagt sein. - § 23. Die unteren Prälaten sollen gegen Idolatrie zu wirken suchen. - § 24. Es soll binnen einem Monate eine Uebersicht über die verbotenen Grade, welche publicirt wird, in allen Kirchen angeschlagen werden bei Strafe von 1 Mark Lübisch. - § 25. Die Pfarrherren sollen in ihren Predigten ihre Gemeinden über die verbotenen Grade unterrichten. - § 26. Wegen Schuld soll kein Interdict ausgesprochen werden, ausgenommen bei Zehnten und kirchlichen Renten und bei solchen, die ein Jahr excommunicirt sind und denen die Entschuldigung der Armuth nicht zur Seite steht. - § 27. Ein Gebet für den Pabst soll gesprochen und Ablaß dafür gewährt werden. - § 28. Testamentsvollstrecker sollen ihre Obliegenheiten als solche binnen einem Jahre zu Ende führen; wo nicht, so werden der Bischof oder seine Unterprälaten, wenn kein gegründetes Hemmniß vorhanden, die Sache in die Hand nehmen. Auch sollen sie über ihre Verwaltung Buch führen. - § 29. Wegen Güterabtretungen von Laien an Geistliche oder zu frommen Zwecken in betrügerischer Absicht wird sowohl für den Cedenten wie für den Cessionar bei Güterabtretungen ein vorgeschriebener Eid angeordnet. - §§ 30. 31. enthalten nähere Instruction deswegen für die Richter, um sie abzuhalten, daß sie sich zu bereitwillig auf derlei Sachen einlassen. - § 32. An Sonn= und Festtagen soll außer mit der täglichen Leibesnahrung kein Handel getrieben werden und haben die Pfarrherrn dies in ihren Kirchen zu verbieten. - § 33 Das Statut des Bischofs gegen Meineid und gegen Wucher wird in Erinnerung gebracht. - § 34. Das Statut wird erneuert, nach dem Weiber, die ihren Männern entlaufen sind und in Ehebruch oder Concubinat verharren, binnen zehn Tagen zu ihren Männern zurück kehren, und die Männer ihre Kebsweiber in derselben Frist wegschicken und keine wieder nehmen sollen, bei

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Strafe der Excommunication. - § 35. Kein Pfarrherr oder Priester soll in Fällen, die dem Bischofe vorbehalten sind, die Absolution ertheilen, ohne dazu vom Bischofe oder dessen Bevollmächtigten Erlaubniß erhalten zu haben, bei Strafe der Excommunication. Bei gleicher Strafe sollen letztere über betreffende Gesuche Register führen. - § 36. Niemand soll sich vor Beendigung der Synode ohne Erlaubniß des Bischofs oder seines Secretärs entfernen, bei Strafe der Excommunication. - Bei gleicher Strafe soll jeder für seine Kirche eine Copie dieser und aller anderen Statuten von dem Secretär nehmen 1 ).

Diese Synode wurde im Chore der Kirche zu Bützow am 10. März 1452 geschlossen. Ob der Bischof noch öfter Diöcesansynoden versammelt, muß dahin gestellt bleiben; Nachricht von solchen hat sich nicht weiter erhalten, und während die §§ 33. 34 dafür sprechen, scheinen doch dem Legaten 1451 nur die Beschlüsse der ersten Synode vorgelegen zu haben.

So wie der Bischof nun in solcher Weise die Ordnung in der Kirche herzustellen und die Zucht unter der Weltgeistlichkeit zu heben suchte, so ließ er auch die Klöster nicht außer Acht, wie im Allgemeinen oben § 18 und in Sonderheit seine für die Cistercienser=Nonnen zum h. Kreuz in Rostock am 19. März 1453 erlassenen Verordnungen lehren, mittelst welcher die eingerissene laxere Beobachtung der Regel und unstatthafte Gewohnheiten beseitigt werden sollten. Diese Verordnungen wurden am Schlusse einer Visitation des Klosters gegeben und waren bei derselben zugegen der Prior der Karthäuser von Marienehe, der doberansche Kellner Johannes Wilkens, D. Hinrich Bekelin, Andreas Wulf und Peter Brandt, Domherren beziehentlich zu Schwerin und Bützow 2 ).

Auch in anderer Weise finden wir Bischof Nicolaus den Gottesdienst fördernd. So weihete er ein Bild der h. Jungfrau der Mutter Gottes in deren Kirche zu Wismar zum Besten der Brüderschaft U. L. Frauen und S. Gertrudis daselbst und ertheilte unter Voraussetzung der Genehmigung des Diöcesans, welche auch am 3. Juni 1445 erfolgte, am 1. December 1444 allen denen Ablaß, welche vor diesem Bilde ihre


1) Westphalen I. c. p. 1070. Eine wörtliche Uebersetzung dieser Synodalstatuten würde, abgesehen von ihrem Umfange, schon des schlechten Textes wegen unthunlich gewesen sein, und eine Verarbeitung dürfte an diesem Orte zu weit von dem eigentlichen Gegenstande abgeführt haben, weshalb eine Billigung der Mittheilung durch Auszüge hoffentlich nicht entstehen wird.
2) Ibid. p. 1073.
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Andacht verrichten würden. Am 1. Februar 1449 gab er zu Bützow einen Ablaßbrief zum Besten der S. Jürgens=Kirche zu Wismar, und am 20. Julii 1450 einen solchen für alle die, welche im Laufe des Jahres die Kirche zu Doberan und die Kapelle an der Pforte derselben, so wie die Kapelle zu Althof besuchen und mit Gaben bedenken würden 1 ). Am 28. August 1446 bestätigte er die von dem Priester Nicolaus Kummerow für sein und seines Vaters Seelenheil in der S. Jürgens=Kapelle vor Bützow gestifteten Almissen 2 ) und am 12. März 1455 eine erneuerte Vicarie am Altare des h. Kreuzes in der Kirche zu Plau 3 ), so wie in demselben Jahre eine dritte, welche der Probst zum h. Kreuz in Rostock Nicolaus Sukow und der Pfarrherr zu Frauenmark Arnold Plawe fundirt hatten 4 ).

Wie überhaupt in der Zeit, wo Bischof Nicolaus auf dem Stuhle von Schwerin saß, bedeutendere Ereignisse das Land nicht bewegten, so wurde auch das Leben in der Kirche nicht durch wichtigere Vorgänge gestört. Anders freilich würde es gewesen sein, wenn Herzog Heinrich seinen (übrigens ziemlich unverbürgten) Plan, in Rostock ein Domcapitel zu errichten, ausgeführt hätte, ein Plan, dem Bischof Nicolaus, in dessen erstes Regierungsjahr derselbe gesetzt wird 5 ), nicht fremd geblieben sein möchte, da das Verhältniß zu dem herzoglichen Hause überhaupt ein freundliches war. Die Herzogin Dorothea sowohl als ihr Gemahl Herzog Heinrich fanden wiederholt bei ihrem "Gevatter" dem Bischofe Hülfe in ihren Verlegenheiten, und während jene denselben beschenkte 6 ), räumte der Herzog ihm die Wedem zu S. Nicolaus in Rostock sammt dem Rechte die Pfarre zu besetzen auf Lebenszeit ein 7 ), von welcher Erlaubniß der Bischof aber nur einen beschränkten Gebrauch gemacht haben wird, da seine bekannten Urkunden sämmtlich aus dem Schlosse zu Bützow datirt sind. Während der Regierung des Bischofs Nicolaus, 1449, wurde dem Herzoge eine Tochter, Elisabeth, geboren, die er zum Dienste der h. Clara weihete. Dieselbe wurde dreijährig 1452 im Julii von dem Vater mit großem Gepränge nach Ribnitz ins Kloster gebracht und dort zwei Jahre später am 15. September 1454


1) Jahrb. XIX, S. 141.
2) Schröder a. a. O. S. 2038.
3) Jahrb. XVII, S. 344.
4) Schröder a. a. O. S. 3147.
5) Ebd. S. 2028.
6) S. Urk. Samml. Nr. V, VII, VIII, XI und XII.
7) Gerdes a. a. O., N. c.
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in Gegenwart vieler vornehmen Geistlichen und Laien von Bischof Nicolaus unter Assistenz seines Weihbischofs des Augustiners Heinrich, Bischofs von Sebaste 1 ), eingekleidet 2 ).

Man könnte glauben, daß das gute Einvernehmen zwischen dem Bischofe und dem Schirmvogte des Stiftes von jenem nur im Interesse der Sicherheit gesucht, von diesem in seiner Gutmüthigkeit nicht gestört worden sei, aber es war in der That das Bestreben des Bischofs überall auf ein gutes Verhältniß zwischen der Pfaffheit und den Laien gerichtet, wie nicht allein seine eigenen Worte bezeugen 3 ), sondern auch die freundlichen Beziehungen, in denen er zu seinen Lehnleuten und Nachbaren stand. Als Otto Vieregge an den Hof nach Schwerin will, fragt er an, ob er beim Herzoge Schritte thun solle, damit der Bischof die ihm zu Warnow entwendeten Pferde wiederbekomme 4 ), und er sowohl als Hinrich v. Bülow zu Zibühl, wie auch dessen Hausfrau, erhalten wiederholt vom Bischofe Geld angeliehen 5 ). Mit dem letztgenannten hatte der Bischof übrigens einen Streit wegen des Feldes zum Dretze, des parumschen Sees u. s. w., der jedoch durch Schiedsrichter ausgeglichen zu sein scheint 6 ). Händel, welche das Dom=Capitel zu Schwerin mit Heinrich v. Stralendorf und dessen Brüdern zu Crivitz wegen des Dorfes Brahlstorf zu seiner Zeit hatte 7 ), berührten den Bischof nicht näher.

Wenn nun Bischof Nicolaus bei diesen Verhältnissen von seinen Nachbaren nichts Uebeles zu befürchten hatte, so verabsäumte er doch keineswegs solche Maaßnahmen zu treffen, welche ihm und seinem Stifte gehörige Sicherheit zu geben versprachen vor allen Anfechtungen, wie sie bei jenen geschwinden Zeitläuften im Schwange waren. Inschriften und Wappenziegel, theilweise auch urkundliches Zeugniß 8 ) haben uns berichtet, daß er in den Jahren 1447 und 1448 die Festigkeit des Schlosses zu Bützow durch einen Thurm verstärkte 9 ), wie nicht minder in denselben Jahren unter Leitung des Probstes


1) S. Urk. Samml Nr. XVI.
2) Slaggerti Chron. Riben. ap. Westph. I. c. p. 872. Uebrigens wimmelt diese Stelle in Bezug auf die dort angeführten Personen von Unrichtigkeiten.
3) Stat. synod. I. c. p. 1072, § 29.
4) S. Urk. Samml. Nr. IV.
5) S. Urk. Samml. Nr. VI. und IX.
6) Schröder a. a. O. S. 2069.
7) Hist. Nachr. v. d. Verfaß. d. Fstth. Schwerin, Beil. O.
8) S. Urk. Samml. Nr. XXVIII.
9) Francks A. u. N. Meklenb., Buch VIII, S. 69. Bütz. Ruhest., Th. III, S. 6.
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Heinrich das bischöfliche Schloß zu Warin wieder in guten Stand setzen und dasselbe durch einen mächtigen Bau noch erweitern ließ 1 ), und schließlich auch für die Festigkeit der Stadt Bützow sorgte 2 ). Die Streifereien und Raubzüge im südlichen und westlichen Meklenburg erstreckten sich freilich nicht in die Stiftslande, wohl aber mochten die verstärkten Burgen demselben bei den bald ausbrechenden Fehden zwischen den meklenburgischen und pommerschen Herzogen das Gefühl der Sicherheit und zuverlässiger Stützen geben.

Diese Fehden werden denn auch Anlaß gewesen sein zu dem Verbündniß, welches die Geistlichkeit des Archidiaconats Tribsees am 28. October 1454 in der Pfarrkirche zu Richtenberg abschloß 3 ), falls nicht etwa Verhältnisse vorhanden und Ereignisse vorgefallen waren, die eine Spannung mit dem Bischofe herbeigeführt hatten. Eine Kunde von solchen hat sich aber nicht erhalten und wenn man aus den gegebenen Zügen überhaupt einen milden Sinn bei dem Kirchenfürsten erkennen will und weiterhin Beweise von dem guten Einvernehmen zwischen dem Bischofe und seiner Geistlichkeit finden wird, so nöthigt auch der Laut jenes Vertrages nicht schlechterdings zu der Annahme, daß derselbe grade gegen ihn errichtet worden sei.

Nachrichten über seine Regierung der Stiftslande sind kaum vorhanden, höchstens daß man sagen kann, der Bischof habe für ihre Sicherheit und gehörige Rechtspflege Sorge getragen, insofern er die Gerichte überall zur Thätigkeit aufforderte 4 ) und im Besonderen am 3. Januar 1449 mit Zustimmung des Capitels die Jurisdictionsverhältnisse in Bützow ordnete 5 ). Ein concretes Beispiel seiner Thätigkeit in Bezug auf die Justiz hat sich in den Urfehden erhalten, welche die von ihm wegen Raubes und Mordes in Redewekestorp festgehaltenen Hartig und Hans Gebrüder Bouseke und Märten Preen dem Bischofe Johannes III. von Ratzeburg und dessen Capitel am 17. Junii 1456 schwören mußten 6 ). Ganz besonders hervortretend erscheint aber die Tüchtigkeit des Bischofs Nicolaus in der Verwaltung des weltlichen Gutes. Bereits


1) Jahresb. III, S. 166. IV, S. 87. Eine Abbildung befindet sich in Lisch's Meklenb. i. Bildern.
2) Bütz. Ruhest., Th. XX, S. 7.
3) Schröder a. a. O. S. 2080.
4) Stat. synod. I. c. § 1.
5) Bütz. Ruhest., Th. XX, S. 7.
6) Im ratzeburgischen Archive nach gefälliger Mittheilung des Hrn. Pastors Masch.
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im ersten Jahre seines Pontifikates löste er mit eigenen Mitteln das von seinen Vorgängern dem sundischen Rathmanne Bernd Zutfeld versetzte, zur bischöflichen Tafel gehörende Bischofsdorf bei Stralsund für 1400 Mark dortiger Münze wieder ein 1 ). Er konnte weiter seiner Freundschaft in Wismar ansehnliche Summen zuwenden 2 ), konnte drei Termine seiner beim Rathe zu Lüneburg gekauften Rente entbehren und zum Hauptstuhle schlagen lassen, und allein bei geistlichen Körperschaften für ungefähr 800 Mark Renten dazu kaufen. Dann erwarb er ferner zu Wismar ein Haus neben dem Thorwege der S. Jürgens=Wedem, welches aber nicht auf seinen Namen zu Stadtbuch geschrieben wurde, für 250 Mark 3 ), that daneben eine Summe von 1000 Fl. aus, kaufte verschiedene Renten aus den Stiftsgütern am schweriner See und in der Vogtei Bützow zurück, verwendete bedeutende Gelder auf die bischöflichen Schlösser und unternahm endlich noch die Einlösung des bischöflichen Tafelgutes Pennewitte 4 ). Dazu scheint Bischof Nicolaus es verstanden zu haben, tüchtige Männer zu wählen, welche seinem Willen gute und gewissenhafte Ausführung geben mochten. Der spätere Bischof Werner Wolmers war Anfangs sein Secretair, Peter Brandt sein Notar 5 ). Nachdem jener zum Probst zu Schwerin erwählt worden war, wird dieser Secretair und Arnold Mesen bischöflicher Notar geworden sein. Peter Brandt erscheint denn später anscheinend auch bei Bischof Gottfried, sicher bei Bischof Werner ebenfalls als Secretair 6 ) und Arnold Mesen als sein Nachfolger in diesem Amte 7 ). Hat nun diesen Bestellungen keine hergebrachte Sitte oder feste Ordnung zum Grunde gelegen, was doch nicht wohl anzunehmen ist, so kann man daraus, daß der Secretair zum Domprobst und dann zum Bischofe gewählt wurde, und daß die neuen Bischöfe die Diener ihres Vorgängers beibehielten, wohl mit Zuversicht schließen, daß Bischof Nicolaus es verstand, sich der rechten Leute zu bedienen.

Bei der Eifersucht und dem Unfrieden aber, welche so häufig zwischen den Bischöfen und den Capiteln herrschten, liegt der beste Beweis für das Vertrauen, welches der Charakter und die Verwaltung des Bischofs genoß, in der Will=


1) S. Urk. Samml. Nr. III.
2) Schröder a. a. O. S. 2022.
3) S. Urk. Samml. Nr. XXII.
4) S. Urk. Samml. Nr. XXVIII.
5) S. Urk. Samml. Nr. VI und XI.
6) Schröder a. a. O. S. 2133.
7) Ebd. S. 2190.
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fährigkeit, mit dem das Capitel seinen Wünschen entgegen kam. Dasselbe ertheilte ihm nämlich bereits am 18. Mai 1446, als er Bischofsdorf, wie gemeldet, wieder eingelöst hatte, die Erlaubniß, Zeit seines Lebens des bereits eingelösten sowohl, als auch des etwa noch einzulösenden oder neu anzukaufenden Gutes frei zu genießen, sogar dann, wenn er das Bisthum verließe oder desselben in irgend einer Weise verlustig ginge, wie auch darüber zu frommen Zwecken für die schwerinsche Kirche frei Verfügungen zu machen, welche gültig und unangefochten bleiben sollten selbst für den Fall, daß sie der gesetzlichen Form entbehrten, nur bedingend, daß den Nachfolgern des Bischofs die Macht bleibe, die eingelösten Güter für die von ihm gezahlten Summen wieder an sich zu bringen 1 ). Gleiches Vertrauen bewiesen ihm nicht minder seine Nachfolger, Bischof Gottfried, welcher diese vorstehende Erlaubniß am 2. August 1457 einfach bestätigte 2 ), und Bischof Werner, der sammt dem Capitel dieselbe am 21. August 1459 umfänglich erneuerte 3 ). Aber ein noch glänzenderes Zeugniß hat das Capitel seinem Oberhirten dadurch gegeben, daß es auf dessen wiederholtes Andringen am 3. Januar 1449 nicht allein seine Einwilligung gab, daß derselbe sein Bisthum resignire, sondern auch zugleich ihm anheim gab, für die schwerinsche Kirche zu sorgen 4 ). Ein Beschluß von solcher Wichtigkeit konnte unmöglich anders gefaßt werden, als bei unverkennbarer Einsicht und zweifelloser Trefflichkeit des Charakters.

Weshalb Bischof Nicolaus sein Amt niederzulegen wünschte, ist nicht zu ermitteln. Ob Verhältnisse vorhanden waren, denen er sich nicht gewachsen fühlte, ob Leibes Schwachheit ihn, welcher damals bereits 60 bis 70 Jahre zählen mußte, zu diesem Schritte bewog, oder ob er dem Treiben dieser Welt entsagend, seinen Geist ausschließlich dem Jenseits zuzuwenden wünschte: jene Gründe mochten mitbestimmend wirken, aber die Sorge für sein Seelenheil scheint dem Prälaten vorzugsweise am Herzen gelegen zu haben. Einen Beweis hiefür finden wir darin, daß er seit der Zeit, als er die beregte Erlaubniß erhalten hatte, anfing, bei geistlichen Körperschaften, besonders solchen, zu denen er in näherem Verhältnisse gestanden hatte oder noch stand, Renten zu kaufen, welche er nach seinem Tode zu Memorien und Seelenmessen für ihn, für


1) S. Urk. Samml. Nr. III.
2) S. Urk. Samml. Nr. III.
3) S. Urk. Samml. Nr. XXVIII.
4) S. Urk. Samml. Nr. X.
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seine Aeltern, seine Blutsfreunde bestimmte. So kaufte er am 13. November 1451 vom hamburgischen Dom=Capitel, dessen Scholasticus er gewesen, eine Rente von 7 Mr. 1 ), am 31. December 1453 von dem Kalande des Landes Bresen zu Wismar, als dessen Mitglied er aufgeführt wird, 2 1/2 Mr. Rente 2 ), am 11. November 1454 von dem Klerus zu S. Peter in Lübek, welche Pfarre er, wahrscheinlich als lübischer Canonicus, besessen hatte, 3 Mr. Rente 3 ), am 13. November 1455 vom Dom=Capitel zu Güstrow, mit dem er durch seine Residenz zu Bützow in Beziehungen getreten sein mochte, 4 Mr. Rente 4 ), 1456 Ende März von der Geistlichkeit zu S. Nicolaus zu Wismar 7 1/2 Mr. Rente, in demselben Jahre am 19. April von der zu S. Jürgen daselbst 8 1/2 Mr., am 10. Mai von dem Kloster Tempzin 4 Mr. 5 ), am 27. Julii vom minderen Kalande zu Wismar 2 1/2 Mr. Lübisch und endlich am 21. December vom Collegiatstifte zu Bützow 20 Mr. 16 Wt. Stralenmünze 6 ), und gewann so gleichzeitig Gebete für das Heil seiner Seele und ein freundliches Andenken bei der ihm einst verbundenen Geistlichkeit. Im Dome zu Lübek 7 ), dessen Decan er gewesen, in seiner ehemaligen Pfarrkirche zu U. L. Frauen in Wismar und bei dem Capitel seiner Kathedralkirche sorgte er für sein Gedächtniß theils durch eine gleiche Stiftung, theils auf andere schon oben angegebene Weise.

Bischof Nicolaus erhielt also 1449 die Erlaubniß zum Resigniren, aber er benutzte dieselbe nicht etwa alsogleich "zur Ruhe eilend", sondern fuhr fort seinem Amte sorglich vorzustehen, da "er es vor dem Allerhöchsten verantworten wollte und mußte", und konnte erst im Sommer 1456 zu ernsten Verhandlungen über die Abtretung seines bischöflichen Stuhles gelangen. Es war der D. D. Gottfried Lange, Domherr zu Lübek und Vicar zu Lüneburg 8 ), ein Sohn des Bürgermeisters Heinrich Lange daselbst, welcher zur Uebernahme des Hirtenstabes der schwerinschen Kirche geeignet erschien, und mit dem


1) S. Urk. Samml. Nr. XIV.
2) S. Urk. Samml. Nr. XV.
3) S. Urk. Samml. Nr. XVII.
4) S. Urk. Samml. Nr. XVIII.
5) S. Urk. Samml. Nr. XIX.
6) S. Urk. Samml. Nr. XXIII.
7) Dort dotirte er seine Memorie mit 11 Mr. Rente. Jahrbb. XXI, S. 178.
8) Büttner, Geneal. d. Lüneb. patr. Geschl., Lüneb. 1704, nennt ihn auch Domherrn zu Schwerin, Chemnitz bei Gerdes a. a. O. S. 455, N. Domherrn zu Lüneburg.
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und dessen Vater, welchen er seit länger kannte, Bischof Nicolaus, unter Beistand des Decans zu Lübek Nicolaus von der Mölen, dem lüneburgischen Geschlechte vermuthlich angehörend, und des schwerinschen Probstes M. Werner Wolmers, am 9. August des gedachten Jahres folgenden dahin gerichteten Vertrag abschloß.

Erstlich schickt Bischof Nicolaus mit D. Gottfried Lange einen seiner Kapellane nach Rom, um die schwerinsche Kirche in die Hände des Pabstes zu resigniren, von. welchem D. Gottfried sie auf eigene Kosten wiedergewinnen mag.

Zweitens weist D. Gottfried Lange dem Bischofe Nicolaus eine Hebung von 200 Fl. im Stifte Schwerin an und zwar in der Weise, wie der lübische Decan, M. Werner Wolmers und D. Gottfried's Vater es für recht halten.

Drittens leiht Bischof Nicolaus dem D. Gottfried bei Antritt der Reise 1000 Fl. Rh. oder 1437 Mr. 8 Sch. Lüb., für welche letzterer mit seinem Vater gute Sicherheit bestellen soll. Stürbe nun D. Gottfried auf der Reise oder zu Rom, ehe er die Kirche erhalten, und vor der Resignation, so zahlt der Vater die 1000 Fl. zurück; stirbt D. Gottfried jedoch nachdem, aber bevor er in sein Stift gekommen, so braucht Heinrich Lange nur 500 Fl. zurückzugeben. Uebrigens soll Bischof Nicolaus denselben mit der Zahlung im ersten Jahre nicht drängen. Gelangt D. Gottfried aber zum Besitze der schwerinschen Kirche, so soll er seinem Vorgänger im ersten Jahre 437 Mr. 8 Sch. Lüb. und den Rest dann in den nächsten fünf Jahren, jedes Jahr mit 200 Mr., abtragen 1 ).

Außer den oben genannten Personen war beim Abschlusse dieses Vertrages auch Peter Brandt zugegen, der als Notar fungirte. Der Ort, wo der Vertrag abgeschlossen wurde, ist nicht bekannt, doch muß es wohl irgendwo auf dem Lande und man überhaupt nicht vollständig darauf vorbereitet gewesen sein, da der Vertrag - man pflegte sonst eben nicht mit Pergament zu geizen - auf Papier geschrieben ist, ebenso wie die gleichzeitig ausgestellte Schuldurkunde D. Gottfrieds und seines Vaters, aus welcher erhellt, daß letzterer als Sicherheit einen Brief auf eine halbe Pfanne Herrschaft im Hause Ditmering auf der Sülze zu Lüneburg bei dem lübischen Decan zu treuer Hand niederlegte 2 ).


1) S. Urk. Samml. Nr. XX.
2) S. Urk. Samml. Nr. XXI.
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Wann D. Gottfried seine Reise über Berg antrat, ist nicht zu ermitteln, wahrscheinlich aber war es im Herbste desselben Jahres. Begleitet wurde er von dem bevollmächtigten Kapellan des Bischofs, dem mehrgedachten bützowschen Domherrn Peter Brandt, und Nicolaus v. d. Mölen, dem lübischen Decan. Am 26. Mai 1457 war D. Gottfried bereits consecrirt, aber noch nicht heimgekehrt. Außer anderen Zögerungen, welche eingetreten sein mögen, fand man auch, daß man die Kosten zu niedrig angeschlagen hatte, denn unter dem 28. Mai desselben Jahres bat Heinrich Lange den Bischof um ein weiteres Darlehen von 4 - 500 Fl., da sein Sohn noch 1000 Fl. bedürfe, indem er zu Rom 600 Duc., jeden zu 37, oder wie er ein ander Mal schreibt, 39 Sch. gerechnet, zahlen müsse 1 ), was Bischof Nicolaus übrigens ablehnte. Auch schuldigte der neue Bischof seinen Freunden 150 Duc. und der Vater klagte, wenn er gewußt hätte, daß die Kosten sich zu solcher Höhe belaufen würden, so würde er sich in keiner Weise auf die Sache eingelassen haben; sein Sohn, der lübische Decan und Peter Brandt hätten sich zu Rom bei Strafe der Excommunication verpflichtet, binnen zwei Monaten die 600 Ducaten zu zahlen, und solle diese vermieden werden, die ihnen Hohn und Schande bringen würde, so müsse er sich jetzt auf das Aeußerste anstrengen 2 ).

Am 28. Julii d. J. war Bischof Gottfried, auf dem kürzesten Wege - er reiste über das Kloster Walkenried am Harz - zurückkehrend, wahrscheinlich schon in sein Stift eingezogen, da der Bürgermeister den Bischof Nicolaus zu einer Unterredung mit seinem Sohne auffordert und ihn als gewesenen Bischof bezeichnet 3 ). Diese Unterredung sollte die Versorgung des Bischofs Nicolaus mit einem geistlichen Amte zum Gegenstande haben, welche sich gewissermaßen vernothwendigen mochte, da es nicht wohl schicklich erschien, für den ehemaligen Oberhirten ohne ein solches zu leben. Bereits bei Abschluß des Contractes wegen Uebertragung des Bisthums war auch dieser Punkt schon zur Sprache gekommen, und man hatte sich auch dahin geeinigt, daß D. Gottfried seine Präbende zu Lübek auf des Bischofs Kosten für diesen vom Pabste erwerben solle, doch wurde dieser Artikel sofort wieder gestrichen 4 ), da Bedenken wegen Aufnahme desselben in den


1) S. Urk. Samml. Nr. XXIV.
2) S. Urk. Samml. Nr. XXV.
3) S. Urk. Samml. Nr. XXV.
4) S. Urk. Samml. Nr. XX.
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Vertrag entstehen mochten, und derselbe bloß durch Verabredung festgestellt, ebenso wie, daß Johannes Lange, der jüngere Sohn des Bürgermeisters, die Vicarie seines Bruders zu S. Johannes in Lüneburg erhalten solle. D. Gottfried und der Bevollmächtigte des Bischofs konnten jedoch für dies Abkommen die Einwilligung des h. Stuhles nicht gewinnen, vielmehr wurde bestimmt, daß Bischof Nicolaus die lüneburgische Vicarie haben solle 1 ). Dies war aber dem Interesse beider Theile nicht entsprechend, und, während wahrscheinlich Bischof Nikolaus die Vicarie Johannes Lange überließ, gelang es die Präbende Bischof Gottfrieds ihm zu erwerben. Bischof Nicolaus ging also nach Lübek, wo er früher längere Zeit eine hervorragende Stellung bekleidete und namentlich noch 1449 bei der Consecration des Bischofs Arnold functionirt hatte 2 ), und bezog dort einen frei gewordenen Hof auf der Ecke im Vegevür am Kirchhofe 3 ), wo er sein Leben in Ruhe und Zurückgezogenheit zu beschließen gedachte. So schien also diese Angelegenheit zu Aller Zufriedenheit zu Ende geführt und geordnet. Es kam aber anders noch, als man vorgesehen hatte. Bischof Gottfried erkrankte in den ersten Tagen des Julii 1458 und starb am 8. desselben Monats. Umsonst fast hatte also der Vater die Kosten seines Studiums zu Erfurt und Bononien getragen, umsonst die lübische Präbende erworben und sich mit einer Schuldenlast von 1000 Fl. Rh. und 1580 Mr. Lüb. beladen 4 ).

Durch den Tod des Bischofs Gottfried vernothwendigte sich eine neue Wahl und jetzt erkor das Capitel den Domprobst M. Werner Wolmers zum Oberhirten der schwerinschen Kirche. Gleich seinem Vorgänger bestätige dieser, wie oben schon gemeldet, am 21. August 1459 seinem ehemaligen Herrn die freie Disposition über das von demselben eingelöste Kirchengut und zwar in ausgedehntester Weise, nachdem bereits im Vorjahre unter dem 28. December Bischof Arnold von Lübek dem ehemaligen Kirchenfürsten und nunmehrigen Domherrn, der die Annäherung des Todes fühlen mochte, die Erlaubniß ertheilt hatte, über sein kirchliches und weltliches Gut zu testiren und sein Testament zu erneuern oder abzuändern, wann und so oft er wolle 5 ). Die Bestätigung des Bischofs Werner erfreute noch die letzten Stunden des Greises und so konnte


1) S. Urk. Samml. Nr. XXV.
2) Masch, Gesch. d. Bisth. Ratzeb., S. 346.
3) Jahrb. XXI, S. 178.
4) S. Urk. Samml. Nr. XXVI.
5) S. Urk. Samml. Nr. XXVII.
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derselbe als ein getreuer Knecht Gottes in Hoffnung auf die Gebete seiner Priester in Frieden entschlummern. Er starb 1459 am 3. September. Man begrub ihn im Dome zu Lübek in einer Kapelle ostwärts der Gerbekammer, wo noch heute ein Leichenstein mit seinem Bilde das Andenken an den Verstorbenen bewahrt 1 ).

Das Testament des Bischofs Böddeker hat sich nicht erhalten. Gewiß ist aber, daß er in demselben Marien=Zeiten zu S. Jürgen in Wismar fundirte, zu denen er außer den beim Rathe zu Lüneburg gekauften Renten die 1000 Fl., welche er Bischof Gottfried vorgestreckt hatte, und die einjährige Hebung aus dem schwerinschen Stifte bestimmte. Ueber das Zustandekommen dieser Marien=Zeiten konnte jedoch Bischof Nicolaus bei seinem Absterben nicht vollkommen beruhigt sein, da er selbst es für nöthig hielt, die Verlassenschaft seines Nachfolgers mit Arrest zu belegen. Der Vater desselben schickte im Mai 1459 den Priester Johann Wandsleve an Peter Brandt mit dem Ersuchen sich bei Bischof Werner bemühen zu wollen, daß er die Bücher, das Tafelsilber - 80 Mr. an Gewicht - und anderes Geräth, welches sein Sohn von ihm geliehen, zurückerhalte; er habe längst nach Lübek zu Bischof Nicolaus wollen, um mit ihm zu reden, nur daß das Interdict, mit welchem Lüneburg seit 1453 belegt war, ihn daran hindere. Der Bürgermeister kam aber nicht zu dieser Reise, da Bischof Nicolaus bereits vor Aufhebung des Interdictes verstarb. Nach Eröffnung seines Testamentes wendeten sich nun die Vollstrecker desselben, der lübische Decan Nicolaus v. d. Mölen, der lübische Domherr M. Albert v. Rethem, M. Gerd Werkmann, Pfarrherr zu S. Jürgen in Wismar, M. Conrad Böddeker, des Verstorbenen Bruder, und Peter Brandt mit der Aufforderung an Heinrich Lange, die seinem Sohne vom Bischofe Nicolaus vorgeschossenen 1000 Fl. und die rückständigen 200 Fl. Hebung aus dem Stifte ihnen auszuzahlen. Während aber Heinrich Lange früher bei Lebzeiten seines Sohnes sich gegen M. Peter Brandt wenigstens in Beziehung auf die


1) Jahrbb. X, S. 195. XVI, S. 175, XXI, S. 178. Auch im Dome zu Schwerin legte man ihm einen Stein, dessen Inschrift aber etwas anders gefaßt wurde, als die auf dem Steine zu Lübek. Vgl. Hederich ap. Westphalen I. c. T. III, p. 1714. Uebrigens war das Legen eines Grabsteins Sache der Angehörigen eines verstorbenen Bischofs, nicht etwa des Stiftes. Dies erhellt theils aus der Erwähnung der Großnichte Bischofs Böddeker und ihres Ehemannes auf beiden Steinen, theils aus der Bitte Hinrich Lange's an Peter Brandt, einen solchen für seinen Sohn zu besorgen.
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1000 Fl. für verpflichten erklärt hatte, bestritt er jetzt wiederholt, daß er aus dem mit Bischof Nicolaus errichteten Vertrage jene Summen schuldig sei. Man hielt deswegen am 21. Julii 1460 in S. Jürgen=Kirche zu Wismar eine Besprechung, zu welcher Heinrich Lange den M. Johann Maler, D. D., als seinen Bevollmächtigen gesendet hatte, doch kam man zu keinem Resultate und verabredete eine neue Tagefahrt auf den 30. August d. J., um mit Hülfe des Bischofs von Lübek, des lübischen Syndicus M. Simon Batz, I. U. D., und des D. Heinrich v. Hachede eine Einigung herbeizuführen. Diese Zusammenkunft wird aber nicht stattgefunden oder doch nicht den beabsichtigten Erfolg gehabt haben, denn sowohl unter dem 24. November d. J., wie auch am 6. Februar 1461 fordert der Bürgermeister wiederholt die Aufhebung des Arrestes von den Testamentarien; er sei kein Vorflüchtiger (profugus), sein Grundbesitz habe mehr Werth als 1000 Fl., die Forderung sei auf diese, nicht auf die arrestirten Sachen gerichtet, und der Brief auf die halbe Pfanne Herrschaft liege noch bei dem lübischen Decan zu treuen Händen. Auch schrieb er unter dem 9. August d. J. durch den halberstädter Official Johannes Retzkow an Bischof Werner und erklärte sich zu einem in Lübek abzuhaltenden Schiedsgerichte bereit, wobei er schließlich dem Bischofe eine Forderung an das Stift Schwerin von 1580 Mr. insinuirte, welche er in den Nutzen desselben, nämlich für die Confirmation und Consecration seines Sohnes, diesem vorgestreckt, und für welche letzterer ihm am 14. August 1457 eine Obligation auf sich und seine Nachfolger, abzutragen binnen sechs Jahren, ausgestellt habe. Mittlerweile scheint ein Theil der Testamentarien gestorben und zurückgetreten zu sein, nämlich die außerhalb Wismar wohnhaften, da außer den genannten M. Gerd Werkmann, M. Conrad Böddeker, jetzt auch Hartwig Bone, Vicar zu U. L. Frauen, Marquard Langediederik, I. U. B. und Rathmann, und Johannes Munt, Vicar zu S. Nicolaus in Wismar, den Vertrag zwischen Bischof Nicolaus und den Lange, so wie die Obligation auf die 1000 Fl. von dem bischöflichen Official zu Wismar Gerd Swengel transsumiren ließen 1 ). Auch gegen diese erklärte Heinrich Lange sich zu einem Compromisse bereit, wenn vorher der Arrest aufgehoben würde. Darnach wird die Sache an den römischen Hof gebracht sein, da der päbstliche Auditor Johannes de Ceretanis am 24. Mai 1465 in derselben becretirte, aber auch dort muß sie keinen Fortgang ge=


1) S. Urk Samml. Nr. XXIX.
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nommen haben, da Herzog Heinrich, der auch mit den Testamentarien Geldgeschäfte gemacht und ihnen die Orbör zu Rostock versetzt hatte 1 ), am 2. Mai 1466 ein Vorschreiben an den Rath zu Lüneburg wegen dieser Angelegenheit ausfertigen ließ. In diesem Jahre starb nun aber der Bürgermeister vor beendigter Sache, von welcher erst im Jahre 1469 wieder Kunde ist, da am 29. Julii die bischöflichen Testamentarien Johann Weitendorp, Vicar zu S. Nicolaus in Wismar, und und M. Marquard Langediederik, einerseits, und der lübische Domherr M. Johannes Lange und Conrad Lange von Lüneburg, als Erben des Bürgermeisters, andererseits, auf den lübischen Probst D. Diederik v. Calven, den Domherrn D. Conrad Loste, D. Johannes Stamel und D. Arnold Samervot als Schiedsrichter compromittirten. Ob durch diese eine Einigung erreicht und die Angelegenheit zu Ende gebracht wurde, ist nicht sicher, doch scheint es so, da in demselben Jahre der bischöfliche Official Arnold Thewes die ordnungsmäßige Wahl dreier Testamentsverweser attestirt und die Rentenkäufe für die Marien=Zeiten bald nachher begonnen haben.

Mindestens zehn Jahre nach Bischofs Nicolaus Tode also, nach vielem Hader und Streit, nach großen Mühen und nicht geringem Schaden wird diese Stiftung zu S. Jürgen in Wismar in der Kapelle nordwärts am Thurme ins Leben getreten sein, freilich nur um bereits nach zwei Menschenaltern sammt fast allen übrigen frommen Stiftungen in Wismar ein schleuniges Ende zu nehmen. Was aus dem Vermögen der Marien=Zeiten geworden, läßt sich natürlich nicht mehr nachweisen. Die Kapelle hat ihre Einrichtung nicht mehr; eine alte kaum bekannte Inschrift nur bewahrt, fast verblichen, das Andenken an Bischof Nicolaus und seine Stiftung, mit welcher er sich in freundlicher Erinnerung in seiner Vaterstadt zu erhalten gedachte. Statt der Hymnen und frommen Gebete schallt dort die Axt und kratzt der Hobel des Zimmermanns, der auch sein Vaterunser längst vergessen hat, kurz nichts ist übrig von dem Ganzen als eine moderige und verstäubte Rumpelkammer: eine unter den tausend und aber tausend Proben, wie es mit der Sicherheit ewiger Stiftungen und testamentarischer Verfügungen bestellt ist.

Vignette

1) S. Urk. Samml Nr. XXX.
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IV.

Die

letzte Residenz der Fürsten von Werle.

Von

G. C. F. Lisch.


D er Meisterbau des Schlosses (jetzigen Landarbeitshauses) zu Güstrow, ein Ehrendenkmal des thatkräftigen Herzogs Ulrich, läßt kaum ahnen, wie es in alter Zeit an der Stelle desselben ausgesehen hat. Ohne Zweifel ist das Schloß auf dem alten heidnischen Burgwalle aufgeführt, der zur Herrschaft Werle gehörte, und ward in frühern Zeiten die Hauptresidenz der fürstlichen Linie Werle; daher ist Güstrow noch jetzt die "Vorderstadt" des werleschen oder "wendischen" Kreises. Die ganze Lage, an einem Ende einer weit gestreckten sumpfigen Wiese, rings von sumpfigen Tiefen umgeben, und an einer Seite doch dem festen Lande nahe, zeigt auf den ersten Blick, daß das Schloß eine uralte Anlage sei, von der freilich, wie beim schweriner Schlosse, die Beweise nur noch unter den Fundamenten liegen. Der Fürst Heinrich Borwin II., dessen Vater Borwin noch das Heidenthum in seinen letzten Zuckungen gesehen hatte, nahm mitunter wohl seine Residenz auf dem alten Burgwalle und gründete bei seinem Scheiden aus dieser Welt im J. 1226 auf dem festen Lande dem Schlosse gegenüber die Dom=Kirche mit dem Domherrenstifte. Die im J. 1222 gegründete deutsche Stadt Güstrow lag am rechten Ufer

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des Nebelflusses, wo jetzt die Mühlenthorvorstadt von Güstrow ist; die Burg und der Dom mit den dazu nöthigen Nebengebäuden lagen aber am linken Ufer der Nebel. Zwar entstand hier auch bald eine neue Stadt; jedoch konnten die Bürger der alten Stadt es noch im J. 1248 erwirken, daß der Abbruch der neuen und die Vergrößerung der alten Stadt erlaubt 1 ) ward. Hieraus ward jedoch nichts und die alte Stadt am rechten Nebelufer ging allmälig ihrem Untergange entgegen. Die Fürsten von Werle machten aber thatsächlich die Burg zu Güstrow zu ihrer Hauptresidenz.

Der Raum zwischen dem Schlosse und dem nahen Dome und um den Dom gehörte den Fürsten und dem Dom=Capitel, und bildete in den neuern Zeiten die Burg= und Dom=Freiheit. Der Raum vom Schlosse bis zum Dome, d. h. dessen Ostende, gehörte zum Schlosse, die drei andern Seiten um den Dom zum Dome, so daß also der Raum um den Dom nicht ganz dem Dom=Capitel gehörte, sondern die östliche Gebäudereihe am Domkirchhofe im Besitze der Landesherren war.

So laut redende Beweise einer kräftigen Regierung das Fürstenhaus Werle auch in seinen Anfängen giebt (während die Linien Rostock und Richenberg=Parchim in großer Schwäche bald untergingen), so wenig ist von seinem Ende im J. 1436 bekannt geworden. Die endlose Theilung der Herrschaft und die dadurch bewirkte Zersplitterung der Macht beförderte die nach und nach einreißende Schwäche der Glieder des Fürstenhauses, welches allmälig seiner Auflösung entgegenging, freilich der Geistlichkeit ergeben, die aber den Fall nicht hindern konnte. Bei dieser immer zunehmenden Zersplitterung und Schwächung mochten sie denn auch ihre alten großen Stammburgen nicht mehr erhalten können, und wenn sich auch die letzten Fürsten immer mehr nach Güstrow, wo sie ausstarben, zurückzogen, so waren sie doch wahrscheinlich nicht im Stande oder nicht mehr geneigt, die mit ihrem Stamme verfallenden Stammburgen zu stützen und fürstlich zu erhalten. Sie zogen es daher vor, auf einem kleinem Hofe neben der Domgeistlichkeit zu wohnen. Der letzte Fürst von Werle, Wilhelm, war in jüngeren Jahren selbst Domherr und Propst zu Güstrow gewesen.

An der Süd=, West= und Nord=Seite um den Dom lagen die dem Dom=Capitel gehörenden Domherrenhöfe und sonstigen Dom=Gebäude. Leider sind die meisten Urkunden des güstrowschen Dom=Capitels untergegangen. Jedoch läßt sich doch noch


1) Vgl. Jahrb. X, S. 186 flgd.
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ein ziemlich klares Bild der Umgebungen des Doms in alter Zeit entwerfen. An der Westseite des Domes, dem Thurme gegenüber, lagen im 14. Jahrhundert die Schule und die Küsterei und andere Domherrenhöfe. Die noch erhaltenen Urkundenverzeichnisse geben hierüber folgenden Bericht:

"Johannis Sterneberg's, Canonici zu Güstrow und Pfarhern zu Teterow, Testament, darin er in die ehre S. Thomae 4 Mark jerlicher Hebung verordnet, die von seinem Hofe, belegen zwischen der Schulen vnd Cüsterey bei der Kirchen nach dem Nidergange, solen gegeben werden etc. . Datum et actum Guzstrow 1350, in octaua assumptionis Mariae virginis."

"Johannis Sterneberg's Canonici zu Güstrow Testament, darin er unter andern zur Thumbkirchen gibt 4 Mk. wendisch jerlicher Hebung vor 60 Mk., dafür er den halben teil seiner wonung zu Güstrow belegen zwischen der Schulen vnd Cüsterey bei der Kirchen an der Nordenseit nach dem westen gekaufft hat, welche 4 Mk. jerlichs von den Einwonern des Hauses gegeben sollen werden. Actum 1359, in crastino annunc. domini."

"Conradus Preen Canonicus zu Güstrow hat mit willen der andern Capitularen hern Gerardo von Strunken Thesaurario 2 Mk. jerlicher Hebung verkaufft vor 20 Mk., welche 2 Mk. erwenter Gherardus vnd das Capitel jerlichs zu S. Michaelistage von seinem Hofe belegen nach dem nidergange der Sonnen gegen der Schulen auffheben sollen. Datum Gustrow 1364."

Noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. wird genannt:

"Die alte schuele hinter dem glockthurm, daran ein besonder hauß zum backhause. 10 Bueden unter einem tache" u. s. w."

An der Südseite des Domes standen die Propstei und Dechanei und andere Domherrenhöfe. So heißt es im J. 1580: "Der Hof gegen der Kirchen über, welcher vormals die Dechanei gewesen". So stand an der südöstlichen Ecke ein Domherrenhof welcher nach der Einziehung den v. Grabow verliehen ward, auf dem Platze, auf welchem Herzog Ulrich die jetzt noch stehenden Schule 1 ) erbauen ließ:

"Der Grabowischen hof ist die schule".


1) Vgl. auch Raspe Einladung zur Jubelfeier etc. . der Domschule zu Güstrow. 1853. S. 52 flgd.
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Die Ostseite des Domkirchhofes gehörte den werleschen Fürsten, und hier wohnten sie zuletzt. Es wird im J. 1554

"der Domhof zu Güstrow an der Ecke am Domkirchhofe gelegen, welchen wailand die Herren von Werle bewohnet,"

ausdrücklich genannt, und dieser wird weiter unten vorzüglich zur Untersuchung kommen. Die Forschung über diese Gegend wird den gebildetern Bewohnern von Güstrow nicht unwillkommen sein, da sie eine der wenigen geschichtlichen Stätten der Stadt ist.

Hier hatten die Fürsten von Werle auch ihren Marstall und ihr Hundehaus. Schon im J. 1361 schenkte, nach den Urkundenverzeichnissen, der Fürst Lorenz von Werle der Domkirche einen Hof an der südlichen Ecke ("Ort") der Ostseite, beim Marstall:

"Laurentius her von Werle hat gegeben zur Thumbkirchen zu Güstrow einen hoff belegen im orte beim Marstall mit aller freyheit vnd gerechticheit, also das derjenige, so darauff wohnen wirt, jerlichs 4 Mk. wendisch den Canonicis dauon geben soll. Datum Gustrow 1361, ipso die beati Jeronimi conf."

"Laurentius her von Werle gibt Hinrico Wenemer Kirchhern zu Kobendin den eigenthumb eines hauses vnd den gantzen hoff, welcher zu dem Hundehause gehoret zwischen dem Marstalles vnd Ghunter Vyneken houe belegen. Datum 1362, des Sontages vor Mitfasten."

Nach dem Aussterben des fürstlichen Hauses Werle wird der Hof wahrscheinlich durch Geschenk an das Dom=Capitel gekommen sein, von welchem es nach der Aufhebung desselben im J. 1552 wieder an die Herzoge von Meklenburg zurückfiel.

Ganz klar wird dieses Verhältniß durch folgende Verleihung. Nachdem das Dom=Capitel im J. 1552 aufgehoben und dessen Hab und Gut eingezogen war, verlieh 1 ) der Herzog Johann Allbrecht I. am 11. Februar 1554 dem Jürgen von Rathenow, Vogte zu Doberan,

"den Thumhoff zu Gustrow vffm orte (d. Ecke) am thumbkirchhoff gelegen, welchen weylant die heren von Werle bewohnet,"


1) Vgl. die Urkunde unten.
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den seine Frau Elisabeth von Bülow auf ihre Lebenszeit gekauft hatte, - auf ihrer beider Lebenszeit, doch so daß wenn er ohne männliche Leibeserben sterben würde, der Hof an die Landesherren zurückfallen, er aber während seiner Lebenszeit den Hof in baulichem Zustande erhalten solle. Dieser Hof stand also an der nördlichen Ecke der Ostseite des Domkirchhofes, der jetzigen Schule gegenüber. In dieser Reihe hatten die Herzoge zu derselben Zeit noch einen Hof, da es bald darauf in einem Register heißt:

"M. G. F. hoff sampt der Boden Wonungen fur Doctor Conrades haue.
Jurgen Ratenowen hoff".

Wo früher der werlesche Marstall gewesen war, stand damals die herzogliche Schmiede.

Jürgen von Rathenow ward bei der Säcularisirung des Klosters Doberan im J. 1552, die er mit ausführte, Vogt von Doberan und hatte bis zum J. 1557 den doberanschen Hof zu Rostock inne; darauf ward er Amtmann zu Schwan. Jürgen v.Rathenow starb vor dem J. 1580 und seine Wittwe nicht lange darauf, vor dem J. 1583, worauf der Hof von dem Herzoge Ulrich für den Dom wieder eingezogen ward. Am 13. April 1583 klagten die Domvorsteher bei dem Herzoge, daß Rathenow's Wittwe bei ihrem Leben nicht das Geringste habe bauen oder bessern lassen, wodurch der Hof sehr baufällig geworden sei, und wurden hierauf angewiesen, mit den Erben wegen Erstattung der Schäden nach Billigkeit zu verhandeln.

Dieser rathenowsche, früher fürstlich werlesche Hof muß sehr groß gewesen sein, da im J. 1580 der Platz südlich neben demselben, wo das frühere Hof= und Landgerichts=, spätere Justiz=Canzlei=Gebäude steht, an Joachim von der Lühe verkauft ward und die Hofplätze hinten nach der Domstraße, wo dazu gehörige Buden und Scheuren standen, durchgingen, wie es noch heute theilweise der Fall ist.

Am 19. Februar 1584 verkauften die Domvorsteher den rathenowschen Hof:

"den Thumbhoff am orte (Ecke) gegen der Schulen uber, wie der jetzo zwischen des Hofmarschalls Jochim von der Luhe Hofe und dem Hofe, so wail. Er Mag. Henricus Piperites († 1583) seel. gewesener Pastor der Thumbkirchen besessen und seine nachgelassene Wittwe jetzo inne hat, und auch dem Häuselein, so Hans Dessin itzo bewohnet, belegen ist, wie er durch tödtlichen Abgang wail. Elsen von Bulowen, Georgen Rathenowen nachgelassenen Wittwen, erledigt ist,"

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an den Kammerherrn (Kämmerer, Kämmerling) Jochim von Stralendorf auf Greven, Vicken sel. Sohn. Der Hof blieb nun fast ein Jahrhundert lang bei der Familie von Stralendorf auf Greven, deren Glieder in grader Linie waren: Joachim † 1608 (Gem. 1. Anna v. Linstow. 2. Anna v. Rotermund), Joachim Dietrich † 1635 (Gem. Anna v. Bassewitz), Joachim † 1673 (Gem. Dorothea v. Blücher), Joachim (Gem. (Sophie v. Restorff) † ohne Leibeserben.

Bald nach dem Tode des Joachim v. Stralendorf † 1673 kaufte das Haus der Geheime=Rath Georg von Meklenburg, 1658 Hauptmann zu Stargard, darauf Hauptmann zu Dargun, 1667 auf Teschow, des Herzogs Johann Albrecht II. von Güstrow natürlicher Sohn, und nachgehends dessen zweite Frau und Wittwe Hedwig Margarethe von Lowtzow, Oberhofmeisterin zu Dargun (lebte noch 1730). Georg v. Meklenburg wird dieses Haus zwischen 26. Nov. 1674, da damals ein Käufer gesucht ward, und 31. Mai 1675, an welchem Tage Georg von Meklenburg starb, gekauft haben. Von diesem erbten dessen zweite Tochter erster Ehe Sybille Marie v. Meklenburg und mit ihr deren Mann, der Obristlieutenant Adam Heinrich v. Vieregge auf Zierstorf, dieses

"in der Schulstraße auf der Ecke zwischen I. Fürstl. Durchl. Justiz=Canzellei und Canzellei=Raths Johann Cothmann belegenes Haus mit Thorhaus, Ställen, Gärten, wie es von seinem Schwiegervater Geheimen=Rath Georg von Meklenburg und nachgehends dessen Wittwe, auch von ihm selber besessen."

Am Osterabend 1681 verkaufte v. Vieregge das Haus an den Geheimen=Kammerrath Heinrich Christoph Kruse. Dieser vererbte es auf seine Tochter Christine Louise, welche an den königl. schwedischen General=Lieutenant Baron von Schoultze verheirathet war, von welchem es auf dessen Tochter Fräulein Christine Louise Baronesse von Schoultze überging.

Am 21. März 1742 kaufte der gewesene Kaufmann Johann Georg Schaumburg oder Schauenburg das Haus von dem Fräulein von Schoultze für 1400 Thlr. Dieser wird das Haus neu gebauet und an die Straße gesetzt haben, da dasselbe früher einen Hof bildete, der noch im J. 1681 ein Thorhaus hatte. An dem Hause stehen noch jetzt die Wappen des Johann Georg Schauenburg, mit einer Burg im Schilde und einem Vogel auf dem Helme, und seiner Frau, mit einem Vogel im Schilde und einer wachsenden Fortuna auf dem Helme, mit den Inschriften:

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IOHAN GEORG ANNA DOROTHEA
SCHAUENBURG SCHAUENBURGEN
ANNO 1742. GEB. STELENERTEN.

Hierauf ging das Haus über:

1786 an den Hofrath Hansen durch Kauf,
1822 an den Burgemeister, Geheimen=Hofrath Trotsche durch Vererbung,
1836 an dessen Neffen, den damaligen Canzlei=Registrator und Hofrath, etzigen Ober=Appellations=Gerichts=Vice=Präsidenten Trotsche und dessen Frau, geborne Canzler, durch Vererbung,
darauf an den Vice=Canzlei=Director von Suckow durch Kauf,
darauf an den Vice=Canzlei=Director von Bassewitz durch Kauf.

Von geschichtlicher Bedeutung ist das südlich daran grenzende Haus am Domkirchhofe, welches auf einem Platze steht, der früher zu dem werleschen Fürstenhofe gehörte. Am 27. Oct. 1580 verkauften die Domvorsteher dem Joachim von der Lühe auf Püttelkow, herzoglich meklenburgischem Hofmarschall und Klosterhauptmann zu Dobbertin:

"einen zur Thumbkirchen gehörigen ledigen Raum oder Platz, auf der einen Seiten nach Else von Bülowen, wailand Jürgen Rathenowen seel. nachgelassenen Wittwen, so auch denselben Platz bis dahin in Besitz gehabt, an der andern Seiten nach des Hofraths Esaie Hoffmanns der Rechte Doctorn Wohnhof an der Thumbkirchen belegen, mit dem an einem Ort nach dem Kirchhofe wärts darauf stehenden alten Mauerwerk und einem Häuselein in Holzwerk gebauet, so hinten im Garten stehet, desgleichen zween Buden, welche zu Endes nach der andern Straßen auf diesen Platz stoßen, endlich mit der Zusage, daß nach Jürgen Rathenowen Wittwen tödtlichen Abgang der Hofmarschall v. d. Lühe drei Gebind an ihrer jetzt innehabenden Küche und also den ganzen Schornstein haben solle, inmaßen solcher um mehrerer Nachrichtung willen jetzo allbereit auswendig mit einem Gelinde abgezeichnet und umfangen ist".

Das auf diesem Platze erbauete Haus am Domkirchhofe zwischen Joachim Dietrich v. Stralendorfs und des Herzogs Hause belegen, mit Hof und Garten, so wie den an der Domstraße belegenen Buden und Thorwege, verkaufte am 28. Febr. 1629 Dietrich Hobe auf Wastow dem Herzoge Albrecht von Friedland zur Justiz=Canzlei. Dieses Gebäude

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blieb der Sitz der Justiz=Canzlei und des Hof= und Land=Gerichts bis auf die neuern Zeiten, in welchen ein Schulhaus daraus geworden ist.


Mit diesen beiden Häusern hängt das hinter denselben an der Domstraße belegene Eckhaus zusammen. In alten Zeiten lagen hier Buden, Gärten und Scheure, welche zu dem ehemaligen fürstlich werleschen Hofe, spätern Dom= und rathenowschen Hofe gehörten. Hier war schon bald nach der Reformation ein Haus gebauet, welches vor 1584 von dem Domprediger Mag. Hinricus Piperites und 1598 von dem Domprediger Erhardus Martelius bewohnt ward. Am 31. Mai 1598 verkauften die Domvorsteher dem Christoph Rohr, fürstlichen Hauptmann zu Güstrow,

"das der Thumbkirchen zuständige Wohnhaus, welches auf der Thumbfreiheit auf der Ecke negst an Jochim von Stralendorfs zu Greven Behausung belegen und jetzo von dem Thumbkirchen=Prediger Erhardo Martelio bewohnet wird, samt dazu gehörigen Garten und einer dahinten anliegenden Bude."

Am 12. April 1605 verkauften die Domvorsteher dem Ghristoph Rohr dazu noch eine der Domkirche zuständige Bude, allernächst des Christoph Rohr Wohnhaus". Am 6. Februar 1618 verkaufte Eva von Oldenburg, des Christoph Rohr ehemalige Ehefrau, welche damals an Mathias v. Bülow wieder verheirathet war, für sich und ihre Kinder, das Haus mit den beiden Buden an den fürstlichen Rath und nachmaligen rostocker Professor Dr. Laurentius Stephani, der es am 2. Januar 1623 seinem Schwager, dem berühmten fürstlichen Rath und nachmaligen Canzler Johann Cothmann wieder verkaufte; diesem verkauften dazu die Vormünder der Kinder des wailand Joachim Dietrich Stralendorf ein Stück Garten und eine Scheurenstätte an ihren beiderseitigen Grenzen belegen.

Jetzt ist der Platz mit einem großen Eckhause bebauet, welches im Besitze des Advocaten Diederichs ist.

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Urkunde.


Der Herzog Johann Albrecht verleiht dem Jürgen von Rathenow, Vogte zu Doberan, und dessen Frau Elisabeth von Bülow für sie und ihre männlichen Leibeserben einen Domhof zu Güstrow, welchen früher die Fürsten von Werle bewohnt haben.

D. d. Güstrow. 1554. Febr. 11.

Von gots gnaden Wir Johans Albrecht Herzogk zu Meckelnburg, Furste zu Wenden, Graue zu Schwerin, Rostock vnd Stargardt der Lande herre, Bekennen hiermit offentlich vor vns vnd vnser erben, Als die Erbare, vnsere liebe Andechtige Elisabeth van Bulowen, des Erbarn vnsers Vogts zu Dobbran vnd lieben getrewen Jurgen Rathenowen eheliche hausfrawe, den Thumbhoff alhier zu Gustrow vffm orte am thumbkirchhoff gelegen, welchen weylant die heren van Werle bewohnet, vff Ihr lebenlangk gekaufft, das wir gedachtem vnserm Vogte vnd seinen leibeserben menlichen geschlechts, so er gedachter seiner hausfrawen todlichen abgang erleben wurde, vmb seiner getrewen diensthe willen, die er vnserm lieben vettern hern Heinrichen, weilant hertzogen zu Meckelnburgk etc. . hochloblicher seliger gedechtnus, vnd vns etzlich jar her gethan vnd vns vnd vnsern lieben Brudern vnd erben hinfurder dester vleissiger vnd getrewlicher thuen sol, kan vnd wil, gegeben vnd verschrieben haben, Vnd wo er ohn leibs erben menlichs geschlechts nach dem willen des Almechtigen durch todt wurde abgehen vnd der berurte hoff bawfellig, vnd er ine nach notturfft zu bawen vnd in wesentlichem baw zu erhalten bewilliget, so sollen vnd wollen wir oder vnser erben,

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so den hoff vff den fal wider zu vns bekomen werden, seinen erben das bawgelt, was er so beweysslich dran verbawet, wider herausgeben, wie wir vns des vor vns vnd vnser erben hiemit wissentlich verpflichten, in crafft vnd macht diesess vnsers brieues. Des zu vrkunt mit vnserm anhangenden vffgedruckten pitzschier versiegelt vnd eigener handt vnderschrieben vnd geben ist zu Gustrow, am eilfften monatstag Februarii, nach Christi vnsers seligmachers geburt funffzehenhundert vnd im vier vnd funffzigsten Jare.

Nach dem Concept im grossherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin, von des herzogl. Secretairs M. Simon Leupold Hand.

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V.

Ueber

die Reformation

der Kirche zu Grubenhagen

und

Dietrich Maltzahn,

von

G. C. F. Lisch.


D ietrich Maltzan auf Grubenhagen soll der erste meklenburgische Edelmann gewesen sein, welcher die lutherische Kirchenreformation angenommen hat. Dietrich Maltzan war jedenfalls ein bedeutender, gelehrter und gebildeter, klar und eifrig protestantisch gesinnter und für die Durchführung der Reformation in Meklenburg und die Neugestaltung der Landesverwaltung äußerst wichtiger Mann; aber die Behauptung, daß er der erste lutherische Edelmann Meklenburgs gewesen sei, ist noch nirgends erwiesen und dürfte sich nur durch die Geschichte der Reformation seines Wohnortes Grubenhagen annähernd beweisen lassen, ein Unternehmen, welches bei der Spärlichkeit der Geschichtsquellen aus der Reformationszeit äußerst schwierig ist. Die alte Geschichte der Pfarre Grubenhagen ist bis jetzt völlig dunkel gewesen. Cleemann sagt in seinem Archiv=Lexicon S. 258, daß in der Kirche zu Grubenhagen eine Inschrift mit einem "richtigen Verzeichniß der Prediger" vorhanden sei, beginnt aber die Reihe der Prediger erst mit Martin Brasch 1580; ebenso sind keine Kirchen=Visitations=Protocolle von 1534 und 1541 vorhanden, obgleich dies Cleemann angiebt wahrscheinlich aus dem Grunde, weil in diesen Jahren im

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Lande allgemeine Kirchen=Visitationen gehalten sind, welche sich jedoch nicht über alle Kirchen des Landes ohne Ausnahme, z. B. nicht über Grubenhagen, erstreckt haben. Auch an den "vielen Schriften auf der Pfarre", deren Cleemann erwähnt, fehlt es gänzlich, da sie wahrscheinlich am 26. Oct. 1672 vernichtet sind, als das Pfarrhaus vollständig abbrannte 1 ). Die Staats=Archiv=Acten über die Kirche und Pfarre zu Grubenhagen endlich sind so unbedeutend, daß sie kaum der Rede werth sind. Unter so mißlichen Umständen blieb nur der Weg übrig, besondere Forschungen anzubahnen und einzelne glückliche Entdeckungen zu benutzen.

Dietrich Maltzan war der dritte Sohn des Landmarschalls Wedege Maltzan auf Grubenhagen († 1525 - 26) und nach seinem Vater Besitzer des großen Gutes Grubenhagen. Seit Ostern 1514 hatte er auf der Universität Wittenberg 2 ) und darauf zu Padua studirt und sich eine bedeutende Bildung und Gelehrsamkeit erworben 3 ). Seine Gelehrsamkeit, Weisheit, Seelengröße, seine Liebe zum Lutherthum werden , in allen Schriften des 16. Jahrhunderts laut gepriesen. Sicher ist, daß er ein sehr mächtiger Hebel zur Erhebung der protestantischen Fürsten gegen den Kaiser Carl V. war und daß er außer den Fürsten und dem Canzler allein um die geheimen Vorbereitungen zur Rettung des deutschen Reiches und des Glaubens wußte. Nach der Schlacht bei Mühlberg und dem Erlaß des Interims bot er dem wittenberger Professor Johann Lucka 4 ) eine gastliche Freistätte in seinem Hause zu Grubenhagen und empfahl ihn dem Herzoge Johann Albrecht zum Canzler. Dietrich Maltzan war früh Landrath geworden, und konnte daher im Vereine mit dem Herzoge Johann Albrecht und dem Canzler Johann Lucka und anderen verdienten Männern bedeutend für das Vaterland wirken. Dietrich Maltzan starb am 3. Febr. 1563. Wenn ihm auch der Herzog am 23. Jan. 1550 ein Ehrengeschenk von 3000 Gulden für seine getreuen Dienste 5 ) machte, so setzte er ihm doch ein erhabeneres Denkmal in seinen Tagebüchern: der Herzog schreibt eigenhändig in seinen Kalender:


1) Nach der Mittheilung des Herrn Pastors Hoyer zu Grubenhagen.
2) Vgl Lisch Maltzan Urk. IV, S. 437, und Album academiae Vitebergensis, p. 51 a. In dem Album acad. Viteb. ist ein Fehler, wenn Dietrich Maltzan "nobilis diocesis Swerinensis" genannt wird; Grubenhagen lag im Bisthume Camin.
3) Vgl Jahrb. XVIII, S. 8 flgd.
4) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. IV, S. 539.
5) Vgl. Das. S. 543.
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"1563. Febr. 3. den tag ist mein lieber alter Ratt Ditrich Moltzan zum Grubenhagen gestorben, dem gott gnade."

und in sein Tagebuch über seine Reise nach Königsberg und Warschau:

"1564 den 4. Februarii ist eben heutte ein jar, da "Ditrich Moltzan der gute man starb, da ehr zu mir, als gestern, sagte, Herzog Christoffer werde sich in den Hagen verknicken, das er noch hinder sich, noch vor sich konte."

Unter solchen Umständen ist es denn allerdings höchst wahrscheinlich, daß Dietrich Maltzan sich sehr früh zum protestantischen Glauben bekannt habe; schon das redet dafür, daß er ein vertrauter und hoch geachteter Freund Luthers war.

Die Reformationsgeschichte der Pfarre zu Grubenhagen, deren Patrone die Maltzan sind, wird die Verdienste des Landraths Dietrich Maltzan um die Beförderung der protestantischen Kirche in ein helleres Licht setzen.

Der Vater Dietrichs Maltzan, der Marschall Wedege Maltzan, war ebenfalls ein ausgezeichneter, kräftiger und verdienter Mann, der zur katholischen Zeit nicht weniger um die Hebung der Kirche zu Grubenhagen sehr bemühet war. Er machte in seinen besten Jahren eine Stiftung 1 ), welche von wesentlichem Einflusse auf die folgenden protestantischen Zeiten ward. Im Jahre 1494 schenkte er der Kirche zu Grubenhagen anderthalb Hufen, wofür der Pfarrer mit allen seinen Vikaren jährlich vier Mal Seelenmessen mit Vigilien für die Verstorbenen lesen sollte. Am 16. Aug. 1494 bestätigte der Bischof Benedict von Camin persönlich zu Grubenhagen nicht allein diese neue Schenkung, sondern auch sämmtliche Kirchen= und Pfarr=Güter und Gerechtsame, über welche keine Urkunden mehr beigebracht werden konnten. Aus den Verhandlungen des 16. Jahrhunderts geht hervor, daß, da die Pfarre Grubenhagen so sehr groß war, der Pfarrer vier Vikare zur Hülfe hatte; es waren in Grubenhagen vier Vikarienhäuser, an welche die geschenkte volle Hufe, welche "nach dem Namen der Kirche zu Grubenhagen die S. Johannis=Hufe genannt ward", vertheilt ward. Das Dorf Grubenhagen ist noch heute bedeutend und hält, was in Meklenburg sehr selten ist, drei Jahrmärkte, deren Ursprung vielleicht in katholischen Kirchfesten zu suchen ist.


1) Vgl. Beilage Nr. 1.
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Da ziemlich früh Nachrichten über protestantische Prediger in Grubenhagen vorkommen, so ist es wahrscheinlich, daß Dietrich Maltzan sehr früh die Reformation in Grubenhagen einführte, und leicht möglich, daß er der erste protestantische Edelmann in Meklenburg war.

1. Pfarrer Balthasar N. N.

† 1543.

Am 16. August 1543 schreibt 1 ) Martin Luther an seinen gelehrten, theuren Freund Dietrich Maltzan, daß er sich Mühe geben werde, ihm an die Stelle des seligen ("sancti") Balthasar einen andern Mann zu senden, obgleich er glaube, daß der "Schulmeister" nach seiner Gelehrsamkeit an Balthasars Stelle berufen werden könne. In einem folgenden Briefe 2 ) vom 18. Aug. nennt Luther den Balthasar einen verstorbenen und spricht von dem Pfarramte; es wird hier also ohne Zweifel über die Besetzung der Pfarre zu Grubenhagen verhandelt. Da Balthasar, dessen Zuname und Geburtsort leider noch nicht zu ermitteln sind, im J. 1543 in Grubenhagen als Pfarrer starb, so ist wohl anzunehmen, daß er der erste protestantische Prediger in Grubenhagen gewesen ist. Weiter ist über ihn nichts bekannt. Luther ertheilt in dem Briefe dem Dietrich Maltzan, den er in der Aufschrift wegen seiner Gelehrsamkeit und Frömmigkeit ("eruditione et pietate nobilissimo") rühmt, die größten Lobsprüche, da Gott ihn, wie eine Perle der Kirche, aus dem Haufen der Edelleute, welche wie Wilde gegen Gott und Menschen wütheten, auserwählt habe.

2. Pfarrer M. Johannes Frisius.

1543.

Nachdem Luther am 16. Aug. 1543 dem Dietrich Maltzan versprochen hatte, sich nach einem Prediger für ihn umzusehen, sendet er 3 ) ihm an die Stelle des verstorbenen Balthasar ("Balthasaris defuncti") schon am 18. Aug. 1543 mit Empfehlungen der Würdigkeit den Mag. Johannes Frisius, in der Hoffnung, daß dieser ihm willkommen sein


1) Vgl. Beilage Nr. 2.
2) Ich verdanke Mittheilungen über diese Briefe Luthers dem Herrn Pastor Seidemann zu Eschdorf bei Dresden, dem gelehrten Fortsetzer der von De Wette herausgegebenen Briefe Luthers.
3) Vgl. Beilage Nr. 3.
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werde, da er ihn schon vorher gekannt habe. Dieser M. Johannes Frisius ist wahrscheinlich derselbe "Frisius", von welchem Melanthon am 22. Aug. 1543 an Johann Lange zu Erfurt schreibt 1 ), daß er ihn einige Monate vorher mit Empfehlungen nach Erfurt gesandt habe; dieser Frisius war "Helo Frisius", ein Friese, war Abt des großen Klosters Atwerden in Friesland gewesen und im J. 1543 mit Melanthon am Rhein bekannt geworden 2 ); er wollte lieber eine Heerde Christi hüten, als Würde und Wohlleben genießen, und lieber mit dem Lazarus die Wahrheit bekennen, als mit dem reichen Manne und dem Vater der Lügen in gefährlicher Ueppigkeit leben. Seinen Vor= und Geschlechtsnamen hatte Melanthon vergessen, und daher wird er immer nur "Frisius", = der Friese, genannt. Diesen Frisius hält Bretschneider (Corpus Reform. V, p. 161, Not.) für denselben M. Johannes Frisius, welchen Luther dem Dietrich Maltzan zum Pfarrer empfiehlt. Dies ist auch wahrscheinlich, da die Zeiten und Umstände zusammentreffen. Frisius war ein begabter, gelehrter, sittenreiner Mensch; aber er hatte eine schlechte Aussprache (Corp. Ref. p. 162), welche ihm schon vorher an der Erlangung eines Amtes hinderlich gewesen war.

Dies wird denn auch sicher die Veranlassung gewesen sein, daß er sich nicht lange in Grubenhagen halten konnte, wenn er hier überall zum Amte gekommen ist. Denn sicher schon am 23. Aug. 1546 war Sebastian Bock Pfarrer zu Grubenhagen.

3. Pfarrer Sebastian Bock.

1546 - 1551.

Schon am 23. August 1546 wird "Sebastian Bock Pfarrherr zu Grubenhagen" genannt, als die Brüder und Vettern Dietrich und Chrysostomus und Ulrich Maltzan zu Grubenhagen eine für die Pfarrverwaltung wichtige Bestimmung trafen. Da der Pfarrsprengel von Grubenhagen sehr groß war, so bevollmächtigten 3 ) die genannten Maltzan den Pfarrer Sebastian Bock, für die Pfarre einen Capellan oder Diakonus neben dem Pastor zu bestellen, und setzten zu dessen Unterhaltung die von Wedege Maltzan im J. 1494 ausgeführte Vikarienstiftung in folgender Weise aus: der Capellan sollte eins von den vier


1) Vgl. Bretschneider Corpus Reformatorum (Ph. Melanthonis opera), Vol. V, 1838, p. 161 - 162, Nr. 2743.
2) Vgl daselbst p. 142 - 143, Nr. 2725.
3) Vgl. Beilage Nr. 4.
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Vikarienhäusern mit den dazu gehörigen Aeckern, Gärten und sonstigen Zubehörungen erhalten und unter diesen die Wahl haben, die andern drei Vikarienhäuser sollte der Capellan mit frommen, tüchtigen Handwerkern oder Arbeitsleuten besetzen können, welche ihm jährlich gebührlichen Zins und Miethe entrichten sollten; außerdem sollten dem Capellan jährlich auf Martini 15 Gulden baar gezahlt werden, wie es scheint, aus dem Vermögen der Kirche, da hinzugefügt wird, daß, wenn sich das Kirchenvermögen mehren werde, was zu hoffen sei und in Aussicht stehe, der Ueberschuß (?) unter dem Pfarrer, Capellan und Schulmeister nach ihrer eigenen "Ermäßigung" getheilt werden solle. Die Errichtung eines Diakonats oder zweiten Predigeramtes in einer Dorfgemeinde ist in protestantischer Zeit in Meklenburg äußerst selten. Der erste Diakon ist aber nicht bekannt geworden.

Ohne Zweifel war es eine Empfehlung zum Diakonat in Grubenhagen, wenn Philipp Melanthon dem S. Bock im J. 1551 den Joachim mit Empfehlungen und einem Zeugnisse zusandte. Am 24. Aug. 1551 schrieb Melanthon an den durch Gelehrsamkeit und Würdigkeit ausgezeichneten Pastor Sebastian N. in der Stadt ("oppido") Grubenhagen 1 ); diese Stadt Grubenhagen kann kein anderer Ort als das große meklenburgische Pfarrdorf Grubenhagen sein, da durch die Urkunde vom 23. Aug. 1546 Sebastian Bock als Pfarrer zu Grubenhagen festgestellt ist. Melanthon sandte ihm den Mag. Joachim, aus Magdeburg oder Lüneburg gebürtig, eine Waise und von allen verlassen, der zwei Jahre auf der Universität Wittenberg mit großem Lobe der Bescheidenheit und des Fleißes studirt hatte und zum Predigtamte reif war; Melanthon hatte ihm die Stelle angetragen, dieser hatte es aber abgelehnt, so weit zu reisen; dennoch hatte Melanthon ihn allen andern vorgezogen, da er begabt und gelehrt war, und glaubte, daß er seiner Kirche von Nutzen sein werde. Außerdem gab Melanthon dem Mag. Joachim eine offene lateinische Empfehlung 2 ) zur Reise.

Späterhin wird noch in den Archiv=Acten im J. 1607 gesagt, daß "ungefähr 50 Jahre vorher" Sebastian Bock Pastor zu Grubenhagen gewesen sei.

Es leidet also keinen Zweifel, daß in einer sehr wichtigen Zeit, wenigstens 1546 - 1551, Sebastian Bock Pastor zu Grubenhagen war.


1) Vgl. Beilage Nr. 5.
2) Vgl. Beilage Nr. 6.
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So sind denn drei ausgezeichnete Prediger zu Grubenhagen bekannt geworden, welche unmittelbar von den Reformatoren Luther und Melanthon kamen und durch den gefeierten Landrath Dietrich Maltzan zum Pfarramte befördert wurden.

Diakonus M. Joachim N. N.

1551.

Dieser Mag. Joachim, welcher von Philipp Melanthon gesandt und empfohlen war, ist wahrscheinlich Diakonus zu Grubenhagen unter dem Pastor Sebastian Bock gewesen, bei welchem alles geschildert ist, was sich von ihm sagen läßt.

4. Pfarrer M. Martin Brasch.

15(60) † 1592.

Ohne Zweifel folgte auf den Pastor Sebastian Bock der Mag. Martinus Braschius als Pfarrer zu Grubenhagen. Mit ihm beginnt die Reihe der Pfarrer zu Grubenhagen, welche auf einer Gedenktafel in der Kirche zu Grubenhagen verzeichnet sind. Diese Inschrift 1 ) beginnt also:

"Von den Pastoribus und Diaconis, vulgo Capellanen, welche nach der heilsamen Reformation an dem grubenhagenschen Zion als geistliche Seelen=Wächter bestellt gewesen, deren Gedächtniß wir billig in Seegen zu erhalten haben.
Pastores sind hieselbst, so viel bisher Nachricht davon haben können, in nachstehender Ordnung seit der Reformation gewesen.

"1. M. Martinus Brasche,

vocirt von Herrn Theodorico Moltzan, Landrath und Hofmarschall, wann? weiß man nicht eben, hat 1580 in seinem hohen Alter die formula concordiae, und zwar in Güstrow, unterschrieben. Ist gestorben 1592."

Das Jahr seiner Berufung ist also nicht bekannt, wird sich jedoch annähernd erforschen lassen. Das Jahr 1580, welches Cleemann, der auch die Reihe der Prediger mit ihm beginnt, annimmt, ist das Jahr, in welchem er die formula concordiae unterschrieb.


1) Nach der Mittheilung des Herrn Pastors Hoyer in Grubenhagen.
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Martin Brasch, in der Stadt Greifswald geboren, ward im Julii 1553 Lector der Grammatik an der Universität zu Greifswald 1 ). Er folgte im J. 1556 dem Superintendenten Johannes Frederus aus Stralsund und Pommern nach Meklenburg 2 ) und heirathete entweder schon vorher oder bald darauf dessen einzige Tochter Sophie 3 ). In Meklenburg ward Mag. Martin Brasch Pastor zu Grubenhagen. Die Zeit seiner Berufung zu diesem Pfarramte läßt sich nicht genau angeben; jedenfalls wird er aber lange vor dem J. 1580 berufen sein. Der hochgefeierte rostocker Professor David Chyträus sagt von ihm in einem Originalbriefe an den Herzog mit der Empfehlung seines Sohnes, daß "M. Martinus Braschius von den gelartesten Pastoren in E. F. G. Land zu Grubenhagen gewesen sei".

Der Pastor Mag. Martin Brasch hatte einen Sohn gleiches Namens. Dieser besuchte die Schule zu Stralsund und die Universität Rostock, ward hier 1586 Magister, 1589 Conrector in Malchin, Johannis 1592 Subrector an der Schule zu Stralsund und Michaelis 1593 Professor der Logik zu Rostock 4 ). Dieser Mag. Martin Brasch der jüngere starb im Jahre 1601 in einem Alter von 36 Jahren 5 ). Dieser Professor M. Brasch d. j. schrieb im J. 1600 ein Ehrengedächtniß auf Dietrich Maltzan auf Ulrichshusen († 29. Nov. 1599): "De vita et morte Theodorici Moltzanii in Ulrichshusen", welches David Chyträus im Namen der Universität Rostock einleitete und dabei über den Professor M. Brasch d. j. sagt, daß er in Grubenhagen geboren und ein Freund Maltzan's gewesen sei, seine Aeltern aber in vertrauten Verhältnissen mit demselben gestanden hätten: "qui (M. Martinus Braschius, professor,) et natus est in illo loco (Grubenhagen) et hoc nobili heroë familiariter vsus, parentes vero eius familiarissime".

Da nun der jüngere Martin Brasch im J. 1601 in einem Alter von 36 Jahren starb und in Grubenhagen geboren war, so muß er im J. 1565 zu Grubenhagen geboren sein. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß


1) Vgl. Kosegarten Geschichte der Universität Greifswald, I, 1857, S. 204.
2) Vgl. Johannes Frederus, von Mohnike, Stralsund, I, 1837, S. 41 und 57, 36 - 37 und 56, Not. 4.
3) Vgl. daselbst I, S. 41, und II, S. 21 und 56, Not. 4.
4) Vgl. Zober Geschichte des stralsunder Gymnasiums, II, 1841, S. 30.
5) Das auf ihn geschriebene Leichen=Programm von Dr. Barthol. Cling ist gedruckt in Rostocker Etwas, 1739, S. 273 flgd. Vgl. Zober a. a. O. Not. S. 87.
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der Pastor M. Martin Brasch d. ä. schon vor dem J. 1565 Pastor zu Grubenhagen geworden und gewiß noch von dem großen Landrath Dietrich Maltzan, welcher am 3. Febr. 1563 starb, zum Pfarramte berufen ist, wie auch die Gedächtnißtafel in der Kirche zu Grubenhagen berichtet; vielleicht ward er bald nach seiner Einwanderung in Meklenburg 1556 Pastor zu Grubenhagen.

Martin Brasch starb im J. 1592 "sehr alt".

Die hinterlassene Wittwe des Pastors Brasch, wahrscheinlich aus zweiter Ehe, heirathete den Amtsnachfolger ihres Mannes, den Pastor Westerhausen, wieder, indem dessen Frau den M. Brasch "ihren seligen Herrn, so daselbst auch Pastor gewesen", nennt.

Diakonus Thomas Schult.

1580.

Unter dem Pastor Mag. Martin Brasch war, nach Cleemann, Thomas Schult im J. 1580 Capellan.

Diakonus Johannes Capobus.

1581.

Unter dem Pastor Mag. Martin Brasch im J. 1581 war Johannes Capobus Diakonus in Grubenhagen. Capobus ward später Pastor zu Bellin, wo er noch im J. 1603 lebte.

5. Pfarrer M. Eberhard Westerhausen.

1593 † 1612.

Im J. 1593 ward Mag. Eberhard Westerhausen, "von Eilburg aus Geldern gebürtig", zum Pfarramte zu Grubenhagen berufen; im J. 1607 war er 57 Jahre alt. Er hatte die Wittwe seines Vorgängers geheirathet und starb im J. 1612.

Diakonus Joachim Colberg

und

Diakonus Johann Bolte

waren unter dem Pastor Westerhausen Diakonen zu Grubenhagen. Bolte war von Rostock gebürtig und hatte im J. 1607 ein Alter von 42 Jahren. Seine Frau war Sophie

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Barkow aus Plau, im J. 1607 30 Jahre alt, die Tochter eines Barbiers Barthold Barkow aus Plau, welcher um das Jahr 1587 von Plau nach Grubenhagen gezogen war und eines von den Vikarienhäusern erhalten hatte.

6. Pfarrer M. Sebastian Peschelius.

1613 † 1625,

Dem Pastor Westerhausen folgte der Mag. Sebastian Peschelius, welcher vorher Lehrer an der Domschule zu Güstrow gewesen war; am 11. Februar 1613 bewarb er sich um die Pfarre zu Grubenhagen, da "der Prediger neulicher Zeit Todes "verfahren" war. Nach Cleemann starb er im J. 1625. Mit dem Pastor Peschelius beginnen erst die Archiv=Acten über die Prediger zu Grubenhagen.

Diakonus Johann Kohlhof.

Unter dem Pastor Peschelius war, nach Cleemann, Johann Kohlhof Diakonus.

Nach diesem Diakonus Kohlhof wird kein Diakonus weiter genannt und scheint das Amt der Diakone oder Capellane zu Grubenhagen im dreißigjährigen Kriege untergegangen zu sein.

~~~~~~~
Beilagen.


Nr. 1.

Der Bischof Benedict von Camin bestätigt die durch den Marschall Wedege Maltzan auf Grubenhagen geschehene Schenkung von 1 1/2 Hufen an die Kirche zu Grubenhagen, wofür der Pfarrer und die Vikare jährlich vier Male Seelenmessen lesen sollen.

D. d. Grubenhagen. 1494. Aug. 16.

Nach einer beglaubigten Abschrift im grossherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin.


Benedictus, dei et apostolicae sedis gratia episcopus ecclesiae Camminensis. Quia nobilis ac strenuus miles dominus Wedige Molzan in Grubenhagen,

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marscallus, salutis propriae non immemor, omnes mansos et bona ac possessiones immobiles, quae per progenitores suos ecclesiae in villa Grubenhagen donata existunt, super qua donatione documenta plenaria minime ostendi possunt, tanquam patronus et haeres ac dominus fundi dictarumque donationum manutentor huiusmodi donationes nouis suis literis confirmauit et approbauit et nihilominus ultra ea, quae inantea dictae ecclesiae in Grubenhagen donata sunt, unum mansum cum medio praedictae ueteri doti et prouisioni ac possessionibus dictae ecclesiae in Grubenhagen noua donatione addidit, applicauit et incorporauit, pro qua quidem noua donatione et prouisione plebanus, qui pro tempore fuerit, cum vicariis suis vniuersis quater in anno in vespere quidem vigilias defunctorum cantare et in crastino missas defunctorum legere tenebuntur, quibus vicariis plebanus post officium missae summae, quae per unum ex vicariis de domina nostra solenniter cantari debet, prandium et solennem refectionem cum propina decenti quater in anno, ut praefertur, facere tenebitur: quae omnia et singula, prout supra describuntur, tam ueterem et nouam patroni dotem, quam onera plebani praesentibus nostris literis auctoritate ordinaria ratificamus, approbamus et confirmamus, ordinationem quoque praedictam decernimus et uolumus perpetuis temporibus firmiter sub poenis debitis arbitrio nostro et successorum nostrorum reseruatis obseruari. In quorum fidem praesentia signeti nostri communis appensione ac nostrae manus volumus appositione communiri. Datum Grubenhagen, annorum millesimo quadringentesimo nonagesimo quarto, die 16. mensis Augusti.

Ita est. Benedictus episcopus
Caminensis manu propria.

Nach einer im J. 1607 genommenen gerichtlichen Abschrift von einer beglaubigten Abschrift des Kirchen - Visitations - Secretairs Mag. Simon Leupold, im grossherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin.


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Nr. 2.

Martin Luther an Dietrich Maltzan zu Grubenhagen.

D. d. Wittenberg. 1543. August 16.

Imaginibus et stemmate nobili viro, sed eruditione et pietate nobilissimo D. Theodoro a Moltzan, amico in Domino charissimo.

Gratiam et pacem in Domino. Literae tuae, Vir optime, invenerunt me capite laborantem, ut non potuerim citius et prolixius respondere. Gavisus sum autem vehementer ac paene retractus sum tam laetis literis, quales mihi legere aut videre rarissimum est, scilicet in nobilitate adhuc superesse tam beatas reliquias, quas Deus elegerit ex tot nobilium vulgo, qui ita insaniunt in Deum et homines, ut furiis similiores videantur, quam hominibus. Sunt et apud nos aliqui, sed pauci sunt, quos ut gemmas ecclesiae nobilissimas colimus. Christus te et gentem tuam servet, qui et reddet opulenter omnia. Spiritus S. enim donum est, quod in nobis coepit, idem perficiet. Quam felici compendio idem facerent reliqui omnes, qui tanto dispendio contra et frustra nituntur, et, ut olim, multo difficiliore opera infernum, quam coelum merentur. Alias plura. Dabimus operam, ut virum alium habeatis in locum sancti viri Balthasaris. Debitores enim nos agnoscimus maxime tam fidelibus Christi domesticis, ut serviamus, quibus modis possumus. Caeterum excusari me cupio, quod nec plura ludimagistro scripserim, quem, ut sua est eruditio, cupio in locum Balthasaris vocari, quo facto non opus fuerit altero, de qua re esto judicium vestrum. Witenbergae, 16. Augusti, anno MDXLIII.

T. Martinus Luther Doctor.   

Aus Aurifabers ungedruckter Sarnmlung fol. 408 bei Schütze I, 270. Gedruckt in Dr. Martin Luther's Briefen, gesammelt von De Wette, Th. V, Berlin, 1828, S. 583, Nr. 2158.


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Nr. 3.

Martin Luther an Dietrich Maltzan zu Grubenhagen.

D. d. 1543. August 18.

Gratiam et pacem in Christo. Ut promisimus alium virum in locum Balthasaris defuncti, ornatissime vir, ita nunc mittimus et dirigimus ad te optimum hominem M. Johannem Frisium, quem et hoc nomine T. H. gratiorem et commodatiorem fore, quod et antea fuerit H. T. notus. Accipit igitur H. T. hominem quam commendatissimum, quem nos dignum judicamus ista vocatione, quantum apud nos homines esse licet et datum est. Nam quis ministerio per se est idoneus satis? ait Paulus. Verbum est Dei, Sacramenta sunt Dei, Ecclesia est Dei, ut Angeli sese non dignos hoc officio existiment et cupiant semper in ea, quae dicuntur, proficere. Dominus, qui vocat eum, donet ei Spiritui sancto fructum multum ferre, qui maneat in aeternum, in quo bene valeat H. T. Amen. 18. Augusti, anno MDXLIII.

T. Martinus Luther D.   

Aus Aurifabers ungedruckter Sammlung fol. 409 bei Schütze I, 271. Gedruckt in Dr. Martin Luther's Briefen, gesammelt von De Wette, Th. V, Berlin, 1828, S. 585, Nr. 2160.


Nr. 4.

Die Brüder und Vettern Dietrich, Chrysostomus und Ulrich Maltzan auf Grubenhagen bevollmächtigen ihren Pfarrer Sebastian Bock, einen Capellan bei der Pfarre zu Grubenhagen zu bestellen, und setzen zu dessen Unterhaltung die vier Vikarienhäuser zu Grubenhagen und andere Einkünfte aus.

D. d. 1546. Aug. 23.

Nach einer beglaubigten Abschrift im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


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Folgendermassen haben wir Dietrich, Chrisostomus vnd Ulrich gebruedere und vettern die Molzane zum Grubenhagen den wirdigen ern Sebastian Bock vnserm pfarherrn alhie vnsere volnkommene macht gegeben, einen christlichen frommen man zu einem caplan in vnser pfarr alhie zum Grubenhagen zu bestellen vnd zu bedingen, das wir ihme getrewlichen vnd vngeferlich wollen halten vnd alles wircklich volnziehen: erstlich soll der caplan vnter vier vicarien heusern mit ihren garten vnd bequemigkeiten, auch zugehörigen acker, seine wohnunge darinne zu haben, die wahle nehmen; die andern drey heuser mit ihrer zugehörung vnd gerechtigkeiten soll der caplan mit frommen duchtigen handtwerck- oder arbeitsleuten besetzen, die ime von solcher wohnung vnd gerechtigkeiten alle iahr geburlichen zins vnd hausmiedt geben vnd bezalen sollen, an welchem wir obgemeltem Molzane keine dienste, ohne als viell ihre handtwerck vnd belonung erfurdert, vns anmaszen wollen, auszgeschloszen hohe vnd nidrige gerichtsgewaldt vnd beleh[n]ung zu solchen heusern, dero wir hiemit vnbegeben sein; ferner sollen obgemeltem caplan alle iahr auff Matini funfzehen gulden muntze landtswehrung gegeben vnd bezalet werden; wurde sich aber der kirchen vermugen mehren, wie solches verhoffentlich vnd auf guetem wege ist, sollen vnter denn pfarherrn, caplan und schulmeistern irer selbst ermessigung distribuiret vnd geteilet werden. Alles getrewlich vnd ohngefehrlichen. Zu vrkundt mit vnsern pitschaften versiegelt. Actum vnd datum in vigilia S. Bartholomei apostoli, anno 46.

Nach einer im J. 1607 genommenen gerichtlichen Abschrift von einer beglaubigten Abschrift des Kirchen - Visitations - Secretairs Mag. Simon Leupold im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


Nr. 5.

Philipp Melanthon an den Pastor Sebastian Bock zu Grubenhagen.

D. d. 1551. Aug. 24.

S. d. Venerande vir. Immensum dei beneficium est, quod in ministerio euangelii etiam per eos vult esse efficax,

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qui piorum conciliis electi et vocati sunt ad docendum. Pro hoc beneficio et gratias agamus ac eligere mediocres studeo. Hortatus sum quemdam magistrum, cuius aetas matura est ministerio; sed is recusabat, tam procul proficisci. Quamquam autem et de aliis cogitaui, tamen hunc Joachimum aliis praetuli; crescit enim aetas, et ingeniosus est et eruditus et est orphanus, nunc ab omnibus desertus. Sunt autem orphani curae deo, et vult eos deus nobis curae esse, et spero, tibi obsequentem fore. Sed tamen arbitrio vestro permitto, vt ipsi statuatis, quod ecclesiae vestrae profuturum videbitur. Tibi tamen hunc Joachimum orphanum commendo, et tuas litteras expecto. Bene vale. Die Bartolomei 1551.

Philippus Melanthon.   

Venerando viro eruditione et virtute prestanti domine Sebastiano N. pastori ecclesie dei in oppido Grubenhagen, amico suo.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


Nr. 6.

Philipp Melanthon empfiehlt den Joachim N. N.

D. d. 1551. Aug. 24.

Philippus Melanthon.

Salutem dicit omnibus lecturis has litteras. Hic adolescens N. Magdeburgensis etc. . vel Luneburgensis etc. . in academia nostra circiter biennium cum magna laude modestiae et diligentiae in litterarum studiis versatus est. Orphanus est et a me ad amicos missus, vt seruiat studiis. Cum igitur habeat honestam peregrinationis causam et mores eius sint honesti, oro omnes, ad quos veniet, vt ei hospitalia officia prestent. Ipse vicissim iusticiam et modestiam apud hospites prestabit, et spes est, eius ingenium vsui fore ecclesiae dei. Datae [r]a[pti]m etc., die Bartolemei apostoli 1551.

Philippus Melanthon.   

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im grossherzogl. meklenburgischen Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


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Nr. 7.

Philipp Melanthon an Dietrich Maltzan zu Grubenhagen.

D. d. (1543). Sept. 13.

Ad Dieterichum a Molza
haereditarium mareschalcum in Wenden
Philippus Melanchthon s.

Clarissime Vir, generis nobilitate et virtute praestans. Non excusabo me apud virum sapientem et candidum prolixe, tantum hoc oro, ut unico verbo illius epistolae opponantur alii multi mei de Luthero honorifici sermones, scripti in multis locis post ipsius mortem, in funebri laudatione, in praefatione in tomum proxime editum. Deinde cur excerpitur illa una vox ex ea epistola, cum alia multa contra adversarios graviter ibi dicta sint et quidem in epistola ad eum virum scripta, cujus judicium et voluntatem non ignoras? Et in fine affirmo, me veritatem antelaturum esse vitae meae. Quid requirunt amplius a me illi Aristarchi nostri, qui tam acerbe de ea epistola judicant, et fortasse, quid significet φιλόνειχος, non considerant? Non est crimen, sed πάδος usitatum heroicis naturis, quod nominatim Pericli, Lysandro, Agesilao tribuunt scriptores. Et omnino erant in Luthero heroici impetus. Nec mirum est, nos, quorum naturae sunt segniores, interdum mirari illam vehementiam, praesertim cum multis controversiis motis quaedam haereant, de quibus malim tecum coram loqui, quam in epistola instituere vel querelam vel disputationem. Mitto tibi orationem de Crucigero ac tibi pro tuo munere gratias ago, teque oro virum gravissimum, ne voluntatem tuam a me alienari sinas, dum quidem et mediocriter studiis literarum servio et in explicatione rerum difficillimarum constantiam praesto, et quia tam multas controversias satis involutas non sine periculo evolvi. Bene vale.

XIII. Septemb.   

Zum ersten Male ist dieser Brief gedruckt in "Philophilipporum defensio Philippi Melanthonis" p. 95; der jüngste Abdruck steht in Bretschneider Corpus Reformatorum, Vol. VII, pag. 461. Vgl. Lisch Maltzan Urk. IV, pag. 542, und v. Langenn: Christoph von Carlowitz, S. 172.

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VI.

Beiträge

zu der Geschichte

der

evangelischen Kirchen=Reformation
in Oesterreich

durch

die Herzoge von Meklenburg

und

die Universität Rostock,

namentlich durch

Dr. David Chyträus,

von

G. C. F. Lisch.


Z u den glänzendsten Erscheinungen in dem Leben der herzoglichen Brüder Johann Albrecht I. und Ulrich von Meklenburg gehört die Wirksamkeit derselben für die Ausbreitung und Ordnung der Reformation in fremden Ländern, namentlich in den österreichischen, belgischen und östlichen Ostsee=Ländern, die vorzüglich von der durch sie mit besonderer Vorliebe gepflegten Universität Rostock ausgeführt ward, welche sich unter diesen Fürsten eines strahlenden Ruhmes und einer ganz außerordentlichen Wirksamkeit erfreute. Und hier war es vor allen der Liebling der Fürsten, der Professor Dr. David Chyträus, welcher, die größte Zierde der Universität, mit einer unerschöpflichen Gelehrsamkeit, Weisheit, Kraft und Milde alles durchführte, was nur von ihm gewünscht ward. David Chyträus war aber auch der Mann, der so riesigen Aufgaben gewachsen war. Aufgewachsen

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und ausgebildet in den hochgehenden geistigen Wogen der Reformation, trat er als Jüngling auf den Lehrstuhl der Universität, als eben der Sieg der Reformation durch Geist und Schwert vorzüglich durch den hochbegeisterten, jugendlichen Herzog Johann Albrecht errungen war und durch das Wort gesichert werden sollte. Hinter, neben und in sich hatte er den tiefen Geist der humanistischen Bildung jener Zeit und die Fülle einer reinen theologischen Anschauung; was ihn aber besonders groß machte, war, daß er nicht allein Theologe, sondern auch eben so großer Philologe, Historiker und Staatsmann war; was ihn lieb machte, war der weise Geist der Mäßigung und der frischen Bildung, die keinem edlen Worte das Ohr verschloß. Man muß über die Fülle seiner exegetischen und rednerischen Werke, die er neben seinen ausgebreiteten Geschäften vollenden konnte, wahrhaft erstaunen. Daher gelang ihm auch alles, was er anfaßte, und daher ist sein Andenken drei Jahrhunderte hindurch auch in hohen Ehren geblieben bis auf den heutigen Tag.


Besonders wichtig und merkwürdig ist das Wirken des Professors David Chyträus für die Reformation in Oesterreich, eine Wirksamkeit, welche eben so schwierig, als gefahrvoll und mißlich war. David Chyträus war zu diesem Zwecke zwei Male selbst in Oesterreich, ein Mal für die Reformation in dem Erzherzogthume Oesterreich im Jahre 1569, das andere Mal für die Ordnung der kirchlichen Zustände in Steiermark im Jahre 1574.

Die erste Reise nach Oesterreich ist in den Lebensbeschreibungen des David Chyträus ziemlich gründlich und vollständig dargestellt. 1 ) Ueber die zweite Reise nach Steiermark habe ich unter verworfenen und zerstreuten Papieren manche werth=


1) Besonders werthvoll und ausführlich in Hinsicht auf die Bemühungen für Oesterreich ist das Leben des David Chyträus von Schütz (Otto. Frid. Schützi de vita Davidis Chytraei commentariorum libri quatuor), zu welchem die zahlreichen Schriften über die österreichischen Reisen fleißig benutzt sind. Jedoch verdiente die Sache wohl noch eine umfassendere Darstellung. - Die Beschreibung der ersten Reise von seinem Begleiter Joachim Edeling (Joachim Edelingi Pomerani hodoeporicon, Rostochii, 1571) befindet sich auf der Universitäts=Bibliothek zu Rostock mit Nathanis Chytraei Hodoeporicon und andern ähnlichen Werken zusammengebunden C. II. f. 3041 1 - 6. Vgl. auch Krabbe Gesch. der Universität Rostock, I., S. 645 flgd., welcher jedoch die Sache sehr kurz behandelt.
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volle Beiträge entdeckt, welche ein helles Licht auf die Bemühungen werfen und das Bild des großen Herzogs Johann Albrecht I. zu vervollständigen im Stande sind. Daher mag es nicht unwillkommen sein, die Geschichte der steierschen Reise 1 ) des David Chyträus zu beleuchten und zu vervollständigen.


Zum besseren Verständniß möge aber ein kurzer Abriß der ersten Reise nach Oesterreich voraufgehen.

Trotz alles Widerstrebens war die Reformation in das Erzherzogthum Oesterreich an vielen Orten, namentlich in die berühmten Häuser des Adels 2 ) des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, kräftig eingedrungen; im Allgemeinen aber hatte die Reformation in allen deutschen Ländern Oesterreichs die lebhafteste Theilnahme gefunden. Fast der ganze österreichische Adel benahm sich dabei auf eine einsichtsvolle, geistreiche und kräftige Weise. Der katholische Geschichtschreiber Joseph Gaisberger, Chorherr zu St. Florian, k. k. Rath und Professor, sagt 3 ) über das Eindringen der Reformation in Oesterreich Folgendes: "Beinahe um dieselbe Zeit, wo die "Kirchentrennung", durch mancherlei Umstände begünstigt, auch in diesem Lande tiefere Wurzel schlug und besonders bei dem Adel Eingang und Unterstützung fand, errichteten die der "neuen Lehre" ergebenen Stände eine Landschaftsschule, die um 1550 in Linz eröffnet, im Jahre 1567 in das verlassene Minoritenkloster zu Ens und um Martini 1574 wieder nach Linz in das neu erbauete Landhaus übertragen wurde und hier durch das Zusammenwirken mehrerer Ursachen einen erheblichen Aufschwung nahm. Der ob der ensische Adel, schon zum großen Theile der neuen Lehre mit


1) Die Geschichte der lutherischen Reformation in den innerösterreichischen, deutschen Erblanden ist von der größten Wichtigkeit, aber eine Arbeit, welche schon wegen der Zusammenbringung des vollständigen Materials viel Zeit und große Kraft erfordert. Es liegt nur in meiner Absicht, die wichtigsten Begebenheiten festzustellen und anzudeuten und neu entdeckte Beweisstücke zu veröffentlichen.
2) Hieraus erklärt es sich auch, woher der berühmte österreichische Oberst=Feldmarschall Ritter Joachim Maltzan, welcher zur Zeit der Verbreitung der Reformation in Oesterreich in österreichischen Diensten stand, so früh und fest protestantisch ward. Vgl. Jahrb. XX, S. 43 flgd.
3) Vgl. Geschichte des k. k. akademischen Gymnasiums zu Linz, von Joseph Gaisberger. regul. Chorherrn zu St. Florian etc. ., im Funfzehnten Bericht über das Museum Francisco - Carolinum zu Linz, nebst der zehnten Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns, Linz, 1855, S. 8 flgd.
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Eifer zugethan, erkannte in einer gut eingerichteten und wohl geleiteten Schule ein Hauptmittel, jener einen fruchtbaren Boden zu bereiten. Durch Vermächtnisse wurde allmählig eine reiche Schulcasse geschaffen, deren Einkünfte es möglich machten, einige ausgezeichnete Lehrkräfte von den protestantischen Hochschulen hieher zu ziehen und hier festzuhalten.

Die unter solchen Lehrern in der Landschaftsschule gebildeten adeligen Jünglinge setzten auf protestantischen Universitäten ihre höhern Studien fort, machten Bekanntschaft und schlossen Freundschaft mit andern gleichgesinnten Jünglingen, die ihnen nach deren Abgange von der Universität häufig in ihre Heimath folgten und hier als Lehrer, Erzieher, Hofmeister und Prädicanten um so leichter eine Unterkunft finden konnten, je weiter die beiden obern politischen Stände ihre Macht und ihren Einfluß ausgedehnt, und was noch mit Entschiedenheit der katholischen Kirche anhing, zu entfernen und durch Gleichgesinnte zu ersetzen gestrebt hatten."

"Aber auch die protestantischen Universitäten, Wittenberg, Rostock, Frankfurt a. O., Jena, unterließen nicht, die enge Verbindung mit dem österreichischen Adel zu nähren und dadurch herzuhalten, daß sie die Wahl junger und adeliger Männer, die sie in ihrem Schooße gebildet, zu Rectoren und Prorectoren begünstigten und ob solcher Auszeichnung hinwieder für Schützlinge Gefälligkeiten, für Unternehmungen Hülfe und Unterstützung wünschten und auch erhielten."

"Durch solche Einwanderer von protestantischen Hochschulen ward es möglich, den in den Klöstern noch bestehenden Schulen in mehrern Städten protestantische entgegenzustellen, um hierdurch alles Entgegenstreben, zumal das des Prälatenstandes, zu paralysiren und den kaiserlichen Befehlen, durch welche die Uebergriffe der protestantischen Stände in die gesetzlichen Schranken zurückgewiesen werden sollten, offenen "Trotz" zu bieten. Unter so "betrübenden Umständen" 1 ) ging das 16. Jahrhundert zu Ende."


1) Im Jahre 1600 rückten die Jesuiten in Linz ein, an deren Spitze der Prediger Georg Scherer, früher Professor und Hofprediger zu Wien, stand, welcher den Katholicismus wieder in Linz stärkte und die Jesuiten daselbst einführte. Im Jahre 1608 ward der protestantischen Schule entgegen der Grund zu dem katholischen Gymnasium in Linz gelegt, welches vorherrschend den Jesuiten angehörte und großen Ruf erlangte. - Merkwürdig ist es, daß, so wie Meklenburg im 16. Jahrhundert für die Reformation in Oesterreich wirkte, das katholische Gymnasium zu Linz im 18. Jahrhundert mit der jungen katholischen Kirche in Schwerin in Verbindung trat.
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Man kann hiergegen sagen, daß die hohe Bildung, Begeisterung, Kraft und Mäßigung des österreichischen Adels jener Zeit eine wahrhaft erhebende Begebenheit in der Geschichte ist und zum Beispiel aufgestellt zu werden verdient.

Nachdem endlich nach langen und harten Kämpfen der Kaiser Maximilian II. am 18. August 1568 den lutherischen Landständen freie Religionsübung nach dem Sinne der augsburgischen Confession zu gewähren sich genöthigt gesehen hatte, machten die Landstände auch sogleich Anstalt, die evangelische Kirche durch Kirchen= und andere Ordnungen zu sichern, und brachten schon im September 1568 auf dem österreichischen Landtage zu Wien die Sache zur Verhandlung. Der Kaiser bewilligte hier denselben "in gemeiner Landtagsversammlung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens die Verfassung einer gottseligen Agende ungefähr nach dem Gebrauch der ältesten augsburgischen Confession verwandten Kirchen", und die Stände gingen sogleich auf demselben Landtage ans Werk. Die Landstände erwählten und bestätigten dazu einen Ausschuß, welcher aus Gliedern berühmter alter Adelsgeschlechter; aus dem kaiserlichen Rath Hans Wilhelm Freiherrn zu Rogendorf, obersten Erblandhofmeister in Oesterreich und Landmarschall in Oesterreich unter der Ens, ferner aus den Deputirten der Ritterschaft: Rüdiger Herrn von Stahremberg zu Schönpühl, Leopold Grabner zu Rosenberg und Wolf Christoph von Enzersdorf im Langen Thal, endlich aus dem Professor Dr. David Chyträus und dem grabnerschen Prädicanten Christoph Reiter zu Rosenberg bestand. Am 22. September 1568 erließen die auf dem Landtage noch gegenwärtigen Herren eine Instruction 1 ) für diesen Ausschuß, nach welcher derselbe an einem bestimmten Tage in Wien zusammentreten sollte, um dasWerk "nach der augsburgischen Confession und derselben lautern Inhalt" auszuführen, und fertigten sogleich "einen ehrlichen vom Adel des Landes Herrn Wolf Christoph Maiminger 2 ) zu Nusdorf an der Traisam" nach Meklenburg ab, um den Dr. David Chyträus möglichst bald nach Oesterreich zu bringen. Der Kaiser gab dem Maiminger am 25. Sept. ein Empfehlungs=


1) Vgl.Anlage Nr. 1.
2) Der österreichische Gesandte unterschreibt sich in seinem Originalschreiben Maininger, wird auch in den meisten österreichischen, auch meklenburgischen Originalschreiben Maininger genannt. Die Schreibung Maiminger, welche hiernach ursprünglich wohl nicht ganz richtig ist, findet sich aber schon bei Edeling und bei Ctyträus. Die Familie ward später Mamming genannt.
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schreiben 1 ) an die Herzoge von Meklenburg mit, durch welsches er den Dr. Chyträus zu der Arbeit losbat, und der Ausschuß erließ am 30. Sept. ein ähnliches Schreiben 2 ) an die Herzoge und an Chyträus; das Schreiben an die Herzoge ist von Hans Wilhelm Freiherrn von Rogendorf, Wolf Christoph von Enzersdorf, Leopold Grabener zu Rosenberg, Veit Albrecht von Puchhaim und Rüdiger von Stahremberg besiegelt 3 ). Maiminger kam in Begleitung seines Vetters schon am Ende des Monats October in Schwerin bei dem Herzoge Johann Albrecht an, welcher über die Werbung hoch erfreut war. Der Herzog theilte die Werbung bald seinem Bruder in Güstrow mit und schickte ihm am 31. October mit der Erklärung seiner Bereitwilligkeit den Gesandten zu. Der Herzog Ulrich empfing die Nachricht "mit Freuden" und gab am 10. November seine Einwilligung zu der Beurlaubung des Professors Chyträus, welchen der Herzog Johann Albrecht sogleich nach Schwerin berief, nachdem Maiminger dahin zurückgekehrt war. Chyträus eilte nach Schwerin; der Herzog Johann Albrecht war aber an dem Tage grade zu Bantschow, zwei Meilen von Schwerin, und hatte den Chyträus dahin beschieden. Als nun aber Chyträus den Herzog nicht in Schwerin traf, so reiste er wieder nach Rostock zurück. Der Herzog bemerkte es "über seine Zuversicht und nicht ohne Mißfallen", daß Chyträus ihm die wenigen Meilen nicht nachgereist war, und schrieb ihm am 12. November, daß er dem Christoph Maiminger erlaubt habe, sich nach Rostock zu Chyträus zu begeben. Zugleich gab der Herzog dem Chyträus zu erkennen, daß er "diesfalls Gottes Ehre und der christlichen Kirche Nutzen mehr als irgend eine andere Privatsache ansehen und sich darnach achten solle, daß er so bald als immer möglich mit dem Gesandten unversäumt nach Oesterreich ziehe und daselbst das christliche und gottselige Werk verrichte, jedoch vor der Reise bei dem Herzoge, wo dieser auch sein möge, vorkehre."

So sehr aber auch Maiminger auf die Abreise drang, so verzögerte sie sich doch von Woche zu Woche. Chyträus war vor der damals sehr großen und beschwerlichen Reise, vor dem


1) Vgl. Anlage Nr. 2.
2) Vgl. Anlage Nr. 3.
3) Die Geschlechter der Rogendorf, Puchaim und Stahremberg sind berühmt. Das Geschlecht der v. Enzersdorf ist im 17. Jahrhundert ausgestorben. Das alte Geschlecht der Grabener wanderte später der evangelischen Religion wegen aus Oesterreich aus und erlosch im 17. Jahrhundert in Franken. Leopold Grabener war einer der eifrigsten Anhänger der Reformation in Oesterreich.
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schwierigen Geschäfte und den zu erwartenden Kämpfen im feindlichen Lager bange und wäre "viel lieber in seinem befohlenen Schulamt, Gott und der Jugend zu dienen, geblieben"; er wollte daher nicht ohne Begleitung eines "treuen Freundes reisen, von dem er Rath, Hülfe und Trost haben möge". Am 24. und 27. November bat er den Herzog Ulrich wiederholt, daß dieser den Superintendenten Dr. Conrad Becker zu Güstrow zur Begleitung beurlauben möge. Maiminger drängte unablässig, erklärte wiederholt, nicht ohne Chyträus abreisen zu wollen, und bat am 29. November selbst um Beurlaubung des Dr. C. Becker 1 ), da von den österreichischen Ständen vorhergesehen sei, daß Chyträus wohl einen Begleiter mit sich zu nehmen wünsche, und erbot sich, die Verantwortlichkeit und die Kosten auf sich zu nehmen, bat jedoch wiederholt dringend um baldige Abfertigung. Der Herzog Ulrich schlug jedoch am 1. December dem österreichischen Gesandten die Bitte ab, da Becker in seinen Amtsgeschäften nicht gut zu entbehren sei und der Kaiser nur um Chyträus gebeten habe, "stellte es aber in sein Bedenken, was er für seine Person" thun wolle. Chyträus nahm nun statt einen, zwei Begleiter von Rostock mit sich: den Professor Johann Posselius d. ä., Professor der griechischen Literatur an der Universität Rostock, und den Joachim Edeling 2 ), einen jungen Pomeraner, welcher späterhin die Reise in einem lateinischen Gedichte beschrieb. Am 3. December 1568, bei starker Winterkälte, reiste die Gesellschaft von Rostock auf Befehl des Herzogs Johann Albrecht nach Wismar, von wo sie aber nach Wittenburg berufen ward, wohin sich der Herzog begeben hatte. Maiminger reiste nach Lübeck, Chyträus über Schwerin nach Wittenburg, wo beide verabredungsmäßig wieder zusammentrafen. Am 7. December kam Chyträus in Wittenburg an, um mit dem Herzoge Johann Albrecht und dessen Räthen Joachim Kruse, Heinrich Husan und Andreas Mylius Unterredung zu halten. Maiminger hatte schon vorher Antwortschreiben von beiden Herzogen an die österreichischen Stände eingehändigt erhalten, durch die sie die Wünsche derselben gerne erfüllen zu wollen erklärten, Herzog Ulrich (d. d. 28. Novbr. 1568): "damit der erste Stein der Kirche Gottes an denselbi=


1) Vgl. Anlage Nr. 4.
2) Am 24. August 1580 schreibt Petrus Edeling, Superintendent zu Colberg, an seinen Lehrer David Chyträus:
     "Accidit fratrem meum unicum et longe carissimum quod Tua Praestantia deo sic disponente comitem sibi in reformatione religionis in Austria elegerit".
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gen Orten gelegt werde", Herzog Johann Albrecht (d. d. Wittenburg, 8. December 1558), "um von dem Licht des gnadenreichen und allein selig machenden Wortes Gottes, welches uns seine Allmacht in dieser letzten Zeit und Finsterniß der Welt erscheinen und leuchten lassen, auch Andern einen Anblick zu entzünden und mitzutheilen." An den Kaiser schrieb aber der Herzog Johann Albrecht zu Wittenburg am 8. Dec. 1568, daß "er mit Freuden und Frohlockung vernommen, daß die Kaiserliche Majestät nach dem löblichen, weit berühmten Exempel Ihrer Vorfahren am heiligen Reiche, als des frommen christlichen Kaisers Constantini Magni, Theodosii und anderer von Gott begabten und erleuchteten hohen Potentaten und heilsamen Regenten, dieses herrliche, vortreffliche, gottselige, auch lange Zeit gewünschte und gehoffte Werk mit christlicher Mildigkeit angegriffen und zur Pflanzung und Ausbreitung der wahren Erkenntniß und Ehre des Sohnes Gottes unsers einzigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi an ihrem Allergnädigsten Fleiß, Vorschub und Handreichung nichts mangeln lassen, und den Allmächtigen von Grund des Herzens bitte, er wolle der Kaiserlichen Majestät mit seinem heiligen Geiste hierin behülflich und beiständig sein, damit diese angefangene christliche Reformation zu einem seligen, fruchtbaren, guten Ende gebracht, sein Name geheiligt werde, sein Reich zukomme und sein Wille geschehe überall auf Erden, wie im Himmel". Am 9. December 1568 fuhr die Gesellschaft von Wittenburg ab (nicht am 8., da Chyträus noch "Datum Witteborch 9 Decembris 1568" ein Schreiben an den Herzog Ulrich richtet); sie nahmen den Weg über Boizenburg, Lüneburg, Wolfenbüttel, Halberstadt, Quedlinburg, Leipzig, wo sie am 21. und 22. December mit Joachim Camerarius Unterredung hielten, Grimma, Meißen, Dresden, Pirna, Königstein, Peterswalde, Aussig, Prag (am 1. Januar 1569), Czaslau, Iglau, Jamnitz, und kamen am 10. Januar 1569 in der Stadt Krems an der Donau an, in deren Nähe Maiminger wohnte. Chyträus war zuerst nach Krems gegangen, weil der eine der Deputirten, Leopold Grabener, Herr zu Rosenberg, und sein erwählter Mitarbeiter, Christoph Reiter, Grabener's Prädicant zu Rosenberg, welcher schon 24 Jahre lang die Reformation in Oesterreich gepredigt hatte, in der Nähe wohnten. In Krems blieben sie 9 Tage zusammen. Während der Zeit sandte Chyträus die Briefe an den Kaiser zu Händen des Canzlers Johann Ulrich Zasius nach Wien. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, suchte Chyträus einen stillen, angenehmen Ort, um seine Arbeiten ungestört

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ausführen zu können. Er wählte Spitz an der Donau, nicht weit oberhalb von Krems, wo er bei dem Edlen Leonhard von Kirchberg gastliche Ausnahme fand. Chyträus hatte vier Schriften auszuarbeiten: eine Kirchenordnung oder Agende, eine Superintendenten= und Consistorial=Ordnung, in Oesterreich Deputations=Ordnung genannt, eine Erklärung der augsburgischen Confession (Doctrinale) und einen Auszug aus dieser Erklärung (Examen ordinandorum). Am Ende des Monats Februar konnte das erste Buch der Agende und nicht lange darauf die Superintendenten=Ordnung dem Kaiser durch den Freiherrn Johann Wilhelm von Rogendorf vorgelegt werden; die Agende empfahl Chyträus von Spitz am 26. Februar 1569 auch dem Canzler Zasius 1 ). Gegen Ende des Monats März konnte Chyträus, nachdem er alle Arbeiten vollendet hatte, nach Wien gerufen werden, um den Berathungen über die Kirchen=Ordnung beizuwohnen. Die Landstände überreichten bald dem Kaiser das Werk, welcher sich jedoch nicht gleich erklärte. Die Verhandlungen und die Antwort des Kaisers verzögerten sich bis in den Monat Juni, während welcher Zeit die dagegen arbeitende katholische Partei auch nicht müßig blieb. Während der Zeit machte Chyträus in der ersten Hälfte des Monats Mai Ausflüge in die Umgegend von Wien und nach Mähren und trat am 25. Mai eine Reise nach Ungarn an, über Presburg bis Komorn, damals der äußersten christlichen Veste, und zurück über Neusiedel, Oedenburg, Eisenstadt und Neustadt nach Wien. Als sich die Erklärung des Kaisers noch immer hinzog, ging Chyträus auf einige Zeit nach Spitz zurück, und von dort nach Wien. Chyträus sehnte sich nach Rostock zurück, da ihm während seiner Abwesenheit ein Sohn geboren und seine Frau schwächlich, er selbst auch zuweilen kränklich gewesen war, endlich er es für seine Pflicht hielt, seine Dienste der Universität und dem Vaterlande nicht länger zu entziehen. Seine Rückreise war schon auf den 30. Julii bestimmt; aber die katholische Parthei hatte den Kaiser noch immer hinzuhalten gewußt. Der Kaiser hatte dem Chyträus selbst persönlich seinen Fleiß und seine Gewissenhaftigkeit in der Ausarbeitung der Kirchen=Ordnung gelobt, aber dabei ausgesprochen, daß manches mehr den Stempel der Ansichten der Landstände, als seiner eigenen Ansichten trage,hatte jedoch keinen Punct besonders berührt; einige hatten dies und jenes auszusetzen, andere verlangten mehr äußere Ceremonie beim Gottesdienst, kurz es erhoben sich fort


1) Vgl. Anlage Nr. 5.
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und fort Bedenken gegen die Bewilligung. Chyträus ward daher dringend gebeten, noch einige Zeit zu bleiben: Zasius rieth, einen baldigen günstigen Ausgang abzuwarten und selbst der Kaiser ließ den Chyträus bitten, die Reise noch einige Tage aufzuschieben. Am 1. August 1569 meldete Chyträus dies den Herzogen 1 ), nachdem er den Bitten nachgegeben hatte. Endlich bewilligte der Kaiser den österreichischen Ständen am 13. August 1569 freie Religionsübung in Grundlage der ausgearbeiteten Kirchen=Ordnung, ertheilte jedoch keine förmliche Anerkennung derselben und gestattete keinen öffentlichen Gottesdienst in der Stadt Wien. Erst am 30. Mai 1570 erreichten die Stände die kaiserliche Bestätigung der Kirchen=Ordnung, welche im Jahre 1571 "nach manchen Aenderungen" unter dem Titel "Christliche Kirchen=Agenda" im Druck erschien 2 ). Am 3. Februar 1572 nahmen die versammelten Stände den Bericht des erwählten Ausschusses entgegen und die im Druck erschienene Agende an, und bevollmächtigten den Ausschuß, allen Fleiß anzuwenden, daß auch das Doctrinal ausgeführt werde 3 ).

Am 15. August 1569 entließ der Kaiser den Chyträus mit Dankschreiben 4 ) an den Herzog Johann Albrecht und an die Universität 5 ), in welchen der Kaiser auch ausspricht, daß Chyträus "sich dermaßen geflissen, gehorsamlich und gutwillig erzeigt, und mit Bescheinung seines besondern, vortrefflichen Eifers, den er zur Besserung des gemeinen heilsamen Religionswesens und zur Stiftung guter Ordnung habe, dermaßen und also verhalten habe, daß nicht allein die Landstände, sondern auch Er, der Kaiser, ein besonderes gnädiges Wohlgefallen darob empfangen" habe.

An demselben Tage, den 15. August 1569, trat Chyträus mit seinen Gefährten Possel und Edeling in Begleitung von vier österreichischen Edlen die Rückreise von Wien an, über Znaym, Deutsch Brod, Czaslau, Kollin, Böhmisch Brod, Prag, Welwarn, Leitmeritz, Aussig, Peterswalde, Pirna, Dresden, Elsterwerda, Dobrilug, Dahme, Baruth, Mittenwalde, Berlin, Spandau, Fehrbellin, Witstock, Plau, Güstrow, nach Rostock, wo um den 6. Sept. 1569 die Universität die Heimkehrenden mit Freude und Stolz empfing. Die österreichischen


1) Vgl. Anlage Nr. 6, vgl. Nr. 8.
2) Vgl. Schützii vita Dav. Chytraei. II. Appendix p. 1. sq.
3) Vgl. Anlage Nr. 9.
4) Vgl. Anlage Nr. 7.
5) Schützii Vita Dav. Chytraei II. p. 70 - 73.
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edlen Begleiter kehrten am 15. September von Rostock in ihr Vaterland zurück.

So hatte David Chyträus ein großes Werk und eine große Reise in neun Monaten mit Ehren und nach Möglichkeit ausgeführt.

Jedoch gerieth die protestantische Kirche im Erzherzogthum Oesterreich bald in Verwirrung und Unsicherheit. Auf seiner steierschen Reise im Jahre 1574 gab Chyträus zu Stein am 15. Junii mit mehreren Predigern ein gegründetes Bedenken 1 ) über zehn ihnen vorgelegte Artikel.

So lange David Chyträus lebte, blieben auch die Stände Oesterreichs unter der Ens mit demselben in Verbindung. Der protestantische Gottesdienst ward nach dem Tode des Kaisers Maximilian († 1576) durch die katholischen Bestrebungen vielfach verkümmert; so ward den Protestanten die Uebung des evangelischen Gottesdienstes in der Stadt Wien untersagt. Der katholische Geschichtschreiber Joseph Gaisberger 2 ) sagt in seinem Sinne: "Die protestantischen Stände des Landes ob der Ens hatten die von Maximilian II. am 7. Decbr. 1568 ertheilte Religions=Concession vielfältig überschritten. Immer "unverschleierter" trat ihr Bestreben hervor, die "katholische Lehre" zu verdrängen und "ihre festeste Stütze, das Haus Habsburg, zu stürzen" (!?) Kaum war daher die Statthalterschaft in dem Erzherzogthume an den thätigen Bruder des Kaisers Rudolph II., Mathias, übertragen, erließ dieser strenge Befehle, die geschehenen Uebergriffe sogleich abzustellen, die von seinem Vater getroffenen Anordnungen zu erfüllen und so die gesetzlichen Schranken einzuhalten. Darum wurde auf den Pfarren des Landesfürsten und der geistlichen Stände, wo diese Uebergriffe und Vergewaltigungen stattgefunden, das protestantische Exercitium und Schulwesen aufgehoben, die protestantischen Prädicanten und Lehrer entfernt und wieder katholische Geistliche an ihre Stelle gesetzt."

In diesen "gar besorglichen Läuften" wandten sich die evangelischen Stände des Landes unter der Ens am 24. Junii 1579 wieder an D. Chyträus und schickten darauf seinen alten Bekannten Wolf Christoph v. Maiminger als Gesandten wieder nach Meklenburg, um einen Superintendenten für das Land von der Universität Rostock zu erwerben, damit "die reine, gesunde Lehre ferner gegen allerhand neue einreißende Corruptelen unverfälscht erhalten und vertheidigt werden


1) Vgl. unten.
2) Vgl. Geschichte des akademischen Gymnasiums zu Linz a. a. O. S. 10.
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möchte". Ihr Wunsch ging auf Dr. Martin Chemnitz, Dr. Lucas Backmeister oder Dr. Simon Pauli, besonders auf Dr. Lucas Backmeister. Maiminger kam am Christabend 1579 in Rostock bei Chyträus an und dieser reiste mit ihm nach Bützow, wo er ihn am 30. December dem Herzoge Ulrich, der sich damals dort aufhielt, schriftlich empfahl, welcher jedoch am letzten December bedauerte, "daß er wenig dazu werde thun können, da Dr. Lucas Backmeister des Rathes der Stadt Rostock Diener" sei. Nachdem diese Sendung mißlungen war, schickten die Stände mit einem Schreiben vom 4. Octbr. 1580 einen zweiten Gesandten in der Person des Edlen Christoph Talhamer, Mitgliedes und Ober=Secretarius der Stände, nach Meklenburg, um den Dr. Lucas Backmeister entweder ganz oder auf eine austrägliche, geraume Jahrschar loszubitten. Talhamer stellte am 10. November seinen Antrag, erreichte aber eben so wenig sein Ziel, als Maiminger. Der Herzog Ulrich bevorwortete die österreichische Bitte am 10. November auf das dringendste und sehr ausführlich bei dem Rath der Stadt Rostock: aber dieser schlug die Bitte am 21. November 1580 in einer ausführlichen Erklärung entschieden ab, "da Dr. Backmeister dem Rathe in der Universität als ein Professor der Theologie und in der Pfarrkirche zu St. Marien als ein bestallter Prediger verwandt sei und der Rath den Ständen unmöglich willfahren könne." Die rostocker Rathsprotocolle 1 ) sagen: "1580 den 12. November. Die österreichischen Stände halten an, Dr. Backmeistern über die bereits accordirten 9 Monate noch länger zu erlauben, dortiges evangelisches Kirchenwesen in Ordnung zu bringen. Den 21. November. Denen österreichischen Gesandten wird ihre Bitte wegen Dr. Lucas Backmeisters temporeller Beurlaubung, weil weder Senatus, noch das Kirchspiel darin willigen wollen, abgeschlagen."


Eben so wichtig und bedeutend, wie die Bemühungen für die Neugestaltung der evangelischen Kirche im Erzherzogthume Oesterreich, waren die Arbeiten für die Reformation des Herzogthums Steyermark.

Ueber die Einführung der Reformation in die südlich von dem Erzherzogthume Oesterreich gelegenen österreichischen Erb=


1) Vgl. Neue wöchentl. Rostock. Nachrichten, 1839, Nr. 29.
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lande berichtet ein katholischer Geschichtschreiber 1 ) Folgendes. "Bald drangen Luthers Lehren und Lehrer in unser Vaterland, die höheren Volksclassen begünstigten ihre Verbreitung, die unteren nahmen es bei der geringen Zahl der katholischen Priester mit der Glaubensmeinung ihrer Seelsorger nicht so genau, und daher geschah es, daß 1531 der Domherr von Laibach Primus Truber 2 ) in der Domkirche zu Laibach der Erste Luthers Lehre öffentlich zu predigen anfing und bald viele Anhänger gewann. Man untersagt ihm bei Strafe die Kanzel und entsetzt ihn des Amtes: aber mit Genehmigung der krainischen Landschaft und des Rathes von Laibach wird ihm die bürgerliche Spitalkirche (jetzt ein Waarengewölb im k. k. Kreisamts=Gebäude) eingeräumt. Von hier auf Betrieb des laibacher Bischofes Franz von Katzianer und den diesfalls erlassenen Befehl des römischen Königs Ferdinand I. entfernt, wird Truber 1540 von seinen Gönnern in die erledigte Pfarr Lack übersetzt, aber von da durch Anordnung des Bischofes von Freisingen, dem diese Pfarr und Herrschaft gehörte, so auch später von den Pfarren Tüffer und Ratschach entfernt."

"Inzwischen entspannen sich durch die zuwachsende Zahl der "neuen Sectirer" in Steiern, Kärnten, Krain und Görz nothwendig mehrfache Zwiste und Beschwerden zwischen den beiden Religionsparteien. In Laibach und am Lande gewann unter hohen und niedern Ständen die neue Lehre immer festeren Fuß. Der Laibacher Domherr Paul Wiener wurde der katholischen Kirche abtrünnig, aber darob auch 1547 aus Krain verwiesen. Desgleichen erging es im nämlichen Jahre dem vorerwähnten evangelischen Prediger Primus Truber, der indessen Pfarrer in St. Barthelmä geworden; denn es wurden ihm auf Betrieb des Fürstbischofes Urban und den hierauf erflossenen unmittelbaren Befehl Kaisers Carl V. bei Verlust seiner Freiheit die Gränzen der österreichischen Erbländer untersagt und seine Bücher und Schriften verbrannt. Truber, mit dem Kirchenbanne belegt, flüchtete sich ins deutsche Reich, wo er in verschiedenen Städten, nämlich: in Rottenburg an der Tauber, in Kempten und Harrach durch vierzehn Jahre (bis 1561) als Prediger verweilte."

"Indessen predigten und wirkten Truber's Freunde und Nachfolger: Johann Scherer und Georg Jereschiz, dann


1) In Mittheilungen des historischen Vereins für Krain, Laibach, 1851, Juli, S. 47 flgd.
2) Vgl. "Primus Truber, der erste Kirchen=Reformator in Krain", von Dr. Klun, im Deutschen Museum, Zeitschrift für Literatur, Kunst, 1857, Nr. 33, 13. August.
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Caspar Pokauz in Krainburg noch immer öffentlich oder geheim für die neue Lehre. Da erging 1554 neuerdings ein scharfes landesherrliches Verbot. Die Austheilung der Sacramente nach evangelischem Ritus wurde bei hoher Strafe untersagt und dem Fürstbischofe die thätigste Sorge zur Vertilgung alles Irrglaubens empfohlen."

"Diese Verfügungen bewirkten aber nur den offenen Bruch zwischen beiden Religionsparteien. Beinahe sämmtliche Landstände von Steiern, Kärnten und Krain, mit Ausnahme des geistlichen Standes, bekannten sich 1555 in einer dem Landesfürsten und deutschen Könige Ferdinand I. unterlegten Klageschrift zur evangelischen Kirche und baten um unbedingte Religionsfreiheit und um rückhaltlosen Schutz für die evangelischen Kirchen= und Schuldiener. Der 1547 nach Deutschland geflüchtete Primus Truber erschien 1561 auf die schriftliche Einladung der krainischen Landstände wieder in Krain, brachte den ersten Buchdrucker (Johann Mandel oder Manlius) und das schon 1553 zu Tübingen in windischer und croatischer Sprache mit lateinischen Lettern von ihm herausgegebene neue Testament und den Pfalter, dann die Evangelien und den Katechismus von Luther in's Land und wurde zum besoldeten ständischen Prediger in Laibach ernannt." (Vgl. nachträgliche Note unten zu S. 94).

Aber nicht lange wieder blieb Truber unangefochten. Kaum in Laibach angelangt, mußte er zur Prüfung seiner Lehrsätze zwei Mal (1561 und 1562) vor dem Fürstbischofe erscheinen. In Gegenwart des Landesverwesers und des Stadtmagistrats, der ständischen Verordneten und anderer Herren wurde er über 24 Glaubenssätze zur Rede gestellt und als Ketzer erklärt. Demungeachtet bewilligten ihm 1563 die Stände wegen zunehmender Zahl der neuen Bekenner sogar einen Amtsgehilfen in dem Prediger Sebastian Crellius. Man errichtete eine evangelische Schule in Laibach und unterstützte aller Orten und Maßen die Verbreitung der neuen Lehre".

"Da begann 1565 nach dem Absterben Kaisers Ferdinand I., dessen Sohn Erzherzog Carl die Regierung in Steiern, Kärnten und Krain mit den nachdrücklichsten Befehlen zur Unterdrückung der evangelischen Lehre. Dem ständischen Prediger Primus Truber wurde, trotz der schriftlichen Einrede der Landstände, die Weisung ertheilt, binnen zwei Monaten mit Familie und Habe das Land zu räumen. Er wanderte wieder nach Würtemberg, Wo er Pfarrer zu Deverdingen bei Tübingen ward und 1586 starb."

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"Indessen weilten und wirkten noch immer mehrere Prediger und Anhänger für die neue Lehre in Krain, besonders der nach Truber's Landesverweisung zum Superintendenten in Laibach ernannte Sebastian Crellius. Nach dessen Tode (1569) wurde Christoph Spindler, auf Ansuchen der evangelischen Bekenner in Krain, von Truber aus Deutschland hereingesendet und zum Superintendenten in Laibach ernannt. In diesem Jahre zählte man bereits im ganzen Lande bei 24 evangelische Prediger. Doch setzten ihren Bestrebungen die katholischen Priester einen festen Damm entgegen."

"Auf den Landtagen wurden, statt anderer nicht minder wichtiger Fragen, fast ausschließend nur heftige Streitreden über Religionsfreiheit gepflegt. Die fortwährenden Türkeneinfälle und übrigen Zeitwirren nöthigten der katholischen Regierung und Kirche zeitweise Nachgiebigkeit ab, wodurch die evangelische Partei, zumeist aus dem mächtigen Herren= und Ritterstande bestehend, zu immer höherem Begehren ermuthigt wurde. So kam endlich 1572 ein Religionsvergleich zu Stande, welcher der neuen Lehre in Steiern, Kärnten und Krain Duldung und Schutz versprach, und auch auf dem wegen eines neuen Türkeneinbruches in Croatien nach Bruck an der Mur ausgeschriebenen General=Landtag 1578 die wiederholte Genehmigung des Landesfürsten Erzherzogs Carl erhielt."

So standen im Jahre 1572 die Sachen in Steiermark, Kärnthen und namentlich in Krain im Allgemeinen. In Klagenfurt, der Hauptstadt Kärnthens, wurden protestantische Prediger auf Kosten der Landstände gehalten. In Gratz, der Hauptstadt Steiermarks, hatten die zahlreichen und vornehmen Anhänger der Reformation eine Kirche, und an derselben einen Prediger M. Georg Cunno und außer diesem noch drei andere Prädicanten 1 ). Daneben hatten die Stände eine große, fürstlich eingerichtete Schule vorzüglich für die Söhne des Adels.

Die protestantische Kirche und Schule in Gratz hatte jedoch noch keine feste und sichere Ordnung und ward zumeist nach der würtembergischen Kirchenordnung gehandhabt, neben welcher manches Herkömmliche und Willkührliche galt. Nachdem die steierschen Landstände im Jahr 1572 Duldung und Schutz erreicht hatten, strebten sie mit Kraft darnach, ihrer Kirche eine feste Ordnung zu verschaffen, und warfen dabei nach dem Vorgange der österreichischen Stände auf den rostocker Professor David Chyträus ihr Auge. Im Jahre 1573 schickten


1) Vgl Schützi Vita Dav. Chytraei, II, S. 274.
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die steierschen Stände ihren Secretair Matthäus Amman nach Rostock, um den Chyräus zu einer Reise nach Steiermark zu bewegen, zu welcher dieser sich auch im Anfang Mai bereit erklärte. So groß auch zuerst die Bedenken waren, welche Chyträus hegte, so überwand doch endlich sein ernster Eifer für die Sache alle Hindernisse; er entschloß sich endlich zu dem Unternehmen, nachdem er sich gewisse Aufklärungen und genügende Sicherheit ausgebeten hatte. Nachdem der Herzog Johann Albrecht I. im Junii 1573 seine Einwilligung zu der Reise gegeben hatte, erschien der Hauptmann der steierschen Landschaft, Bernhard Lerch, ein ausgezeichneter Mann, früher in Kriegsdiensten gegen Frankreich und Dänemark, 1 ) darauf österreichischer Hauptmann der Festung Komorn, später Hauptmann zu Wien, wo Chyträus ihn genau kennen gelernt hatte, im Julii 1573 als Gesandter der steierschen Landschaft in Rostock, um den Chyträus nach Steiermark zu führen 2 ). Die Reise, verzögerte sich aber längere Zeit, da Bernhard Lerch im Auftrage der steierschen Landschaft in Berlin, wohin er von Rostock zurückgereiset war, zu verhandeln hatte. Während der Zeit der Vorbereitung zur Reise traten jedoch noch andere Zwischenfälle ein, welche sehr unangenehm waren. In Gratz hatte der Prediger Georg Cunno, ein beredter, aber ehrgeiziger und verschlagener Mensch, Bedenken und Unruhe gegen Chyträus erhoben, da er dessen Einsicht, Untersuchung und Anordnung fürchtete. In Berlin hatte Georg Cölestinus, Propst zu Cölln an der Spree, ein habgieriger, zanksüchtiger und eitler Mensch, Wünsche geäußert, welche die Beschleunigung der Reise zum Ziele hatten. Georg Cölestinus war nämlich dazu ausersehen, die Reise nach Steiermark mitzumachen und vielleicht dort zu bleiben; er hatte einen Bruder Johann Friedrich Cölestinus, welcher damals in Oesterreich Prediger war und als eifriger Vertheidiger des Flacius dort viele Gegner hatte. Deshalb suchte Georg Cölestinus die Reise zu betreiben, damit Chyträus seinem Bruder zu Hülfe kommen könne, während Cunno die Reise zu verhindern suchte; indessen war Bernhard Lerch noch immer durch Geschäfte aufgehalten. Mittlerweile war die Jahreszeit vorgerückt und Chyträus selbst hatte nicht recht Neigung, dem Winter entgegen zu reisen.

Endlich ging die Reise im Monat September 1573 vor sich. Bernhard Lerch war im August wieder nach Meklenburg


1) Gallia conspicuum nitidis te vidit in armis,
     Dania scit dextrae fortia facta tuae      Joh. Frederus.
2) Vgl. Schützi Vita D. Chytraei II, p. 253, 259 sq.
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gekommen und hatte namentlich zu Güstrow mit dem Herzoge Johann Albrecht eine Unterredung gehabt, welcher ihm auch den Wunsch zu erkennen gegeben hatte, einen leichten Trab= oder Feldharnisch von der berühmten steierschen Stahlarbeit zu besitzen. Lerch kam am 5. Sept. in Rostock an 1 ) und reiste am 8. Sept. von Rostock nach Berlin ab; Johannes Frederus gab dazu einen dichterischen lateinischen Abschiedsgruß 2 ) im Namen der Universität Rostock heraus. Auch Chyträus reiste bald darauf ab, über Parchim, wo er am 20. Septbr. war, nach Salzwedel, um sich hier mit Martin Chemnitz über den Stand der österreichischen Kirche zu bereden. Am Michaelistage war Chyträus in Berlin. Hier mußte er aber zwei Monate lang im Hause des Georg Cölestinus liegen, da Lerch einen Boten nach Steiermark abgefertigt hatte, dessen Rückkehr er erst abwarten mußte.

Während der Zeit trat noch ein Briefwechsel mit der steierschen Landschaft ein. Bernhard Lerch hatte sich bei der Beurlaubung des Chyträus verpflichten müssen, dafür zu sorgen, daß dieser "nicht länger als ein halbes Jahr aufgehalten werde". Hiergegen bat die steiersche Landschaft am 19. Oct. 1573, unter den Siegeln der Edlen Wolf Zwickel, v. Rindscheidt, Erasmus v. Saurau und Erasmus Stadtler 3 ), den Herzog Johann Albrecht, "die Zeit etwas länger erstrecken" zu wollen, worauf der Herzog am 19. Nov. "zur Beförderung des gottseligen Werkes" die Frist auf drei Monate über ein halbes Jahr ausdehnte. Zugleich bat der Herzog am 20. November den Bernhard Lerch, ihm auf seine Kosten einen Harnisch in Steiermark machen zu lassen: der Herzog "hatte zwar einen guten Harnischmacher in seinem Hofdienste; jedoch trug er nicht wenig Verlangen, von einem gewissen berühmten steierschen Meister einen feinen, leichten Trabharnisch oder Feldküraß von guten, reinen steierschen stählernen Platten, der vorne einen ziemlichen Schuß aushalte, zu besitzen, um so mehr da des Herzogs Harnische, die er früher zu seinem Leibe habe schlagen lassen, jetzt fast zu enge geworden" seien.


1) Vgl. Anlage Nr. 10.
2) Unter dem Titel:
     Nobili et fortissimo heroi, d. Bernhardo Lerchero, inclyti ducatus Stiriae capitaneo, domino colendo. Rostochii, VI idus Septemb. Johannes Frederus. Rostochii excudebant Johannes Stokelman et Andreas Gutterwitz. Anno M. D. LXXIII. ein Bogen, in Patentform, mit Zierleisten eingefaßt, im großherzogl. Archive zu Schwerin.
3) Vgl. Anlage Nr. 11.
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Zugleich bat der Herzog den B. Lerch, ihm außerdem 12 steiersche Platten zu kaufen und nach der Vollendung Alles nach Leipzig an Hans Fürstenhäuser zu schicken, welcher die Sachen weiter befördern und die Bezahlung besorgen werde.

Endlich trat die Gesellschaft am 1. December 1573 von Berlin die Reise an; sie bestand aus Bernhard Lerch, David Chyträus, Georg Cölestinus, David Schröder (dem Amanuensis des David Chyträus) und Hieronymus Osius (dem künftigen Rector der neuen Schule zu Gratz). Bernhard Lerch führte die Gesellschaft mit großer Aufopferung und Aufmerksamkeit, indem er z. B. jeden Tag einen reitenden Boten voraufschickte, um bei der Winterkälte geheizte Zimmer zu bestellen.

Es offenbarte sich jedoch bald, daß Georg Cölestinus nicht der Mann war, in eine junge, bewegte Kirche Ordnung und Ruhe bringen zu helfen. Schon in Berlin betrug er sich so daß er die Gemüther von sich entfernte; kaum aber war die Reise angetreten, als alle seine ungezügelten Leidenschaften, Streitsucht, Eigensinn, Wankelmüthigkeit, Geldgier und viele andere, mit großer Heftigkeit hervortraten. Namentlich wollte er in einem eigenen Wagen allein seinen eigenen Weg reisen, entfernte sich auch auf der Reise nach Dresden von der Gesellschaft und nahm in Dresden seine eigene Herberge. Während Chyträus "mit zwei Dienern" zufrieden war, hatte er sich fünf oder sechs Diener aufgenommen und zwei besondere Reitpferde, die auf ihn allein neben seinem Wagen warten mußten. Als nun Lerch sah, daß der Mann nicht zu gebrauchen und mit ihm nicht auszukommen sei, er auch vielfach gewarnt wurde und fürchten mußte, Unheil durch ihn anzurichten, so entließ er ihn am 8. December 1573 zu Pirna und meldete diese Entlassung 1 ) dem Kurfürsten von Brandenburg und dessen Kanzler Lambert Diestelmeyer und rechtfertigte sich über dieses Verfahren vor der steierschen Landschaft in den härtesten Ausdrücken über Cölestinus 2 ), indem er ihn einen "unbeständigen, geld= und ehrsüchtigen, ungehaltenen, seltsamen Kopf, einen hochmüthigen, nichtigen Abentheurer und zänkischen, hoffärtigen Narren, einen gottlosen, wucherischen Mann" nennt. Von Pirna ging die Reise über Prag, wo, wie überall, Chyträus auf die ehrendste Weise aufgenommen ward; so besuchte ihn zu Prag der Rector der Universität mit allen Professoren und die Directoren und Lehrer der Schulen der 18 Pfarren der Stadt empfingen ihn durch einen feierlichen Redeact.


1) Vgl. Anlage Nr. 12.
2) Vgl. Anlage Nr. 13.
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Von Prag ging die Reise über Tabor und Budweiß nach Linz, von hier durch das schneegefüllte Gebirge nach Rotman in Steiermark, wo die Gesellschaft fünf Tage verweilte, um das Weihnachtsfest in Ruhe zu feiern, sich von der mühseligen Reise zu erholen und ihre baldige Ankunft in Gratz anzumelden.

Am 2. Januar 1574 zog Chyträus in Gratz ein und ward hier von der steierschen Landschaft auf die liebevollste und aufmerksamste Weise empfangen. - Am 30. December 1573 warnte B. Lerch von Gratz den kaiserlichen Canzler Weber vor Georg Cölestinus, welcher ein Privilegium zur Einführung mehrerer unter seinem Namen erschienenen Bücher 1 ) zu erreichen suchte.

In Gratz hatte Chyträus einen harten Stand. Der Erzherzog Carl, dessen Hof in Gratz von Jesuiten umgeben war, hatte im November 1573, als die bevorstehende Ankunft des berühmten Chyträus bekannt geworden war, auf Betrieb der Jesuiten eine Protestation gegen die Berufung des Chyträus an die Landstände erlassen. Nachdem diese aber den Fürsten zu beruhigen gewußt hatten, eröffneten die Jesuiten am 23. November feierlich eine Schule, welche der Erzherzog mit seiner Gemahlin, einer baierschen Prinzessin, am 8. Jan. 1574 besuchte.

Auf dem Landtage, der damals gehalten ward, ward ein Ausschuß für das Kirchen= und Schulwesen, bestehend aus 20 Edelleuten und den Städten Gratz und Marburg erwählt; zugleich wurden aus der Ritterschaft sechs adelige Inspectoren des Kirchen= und Schulwesens des Landes ernannt, nämlich der Landesverweser Freiherr Johann Friedrich Hofman, der Landesvizthum Georg Siegfrid v. Trübeneg zu Schwarzenstein, Felician Freiherr v. Herberstein, Erasmus Stadler zu Petter (?), Franz Neuhaus und Hector v. Trübeneg 2 ), welche das ganze Kirchen= und Schulwesen regieren sollten.

Zuerst wandte Chyträus mit den Inspectoren seine Sorgfalt der Schule 3 ) zu, um den Jesuiten einen Damm entgegen=


1) Vgl. Anlage Nr. 14.
2) So unterzeichnen und besiegeln sie eigenhändig das Schreiben vom 1. Junii 1574 (vgl. unten Anlage Nr. 20). Schütz in dem Leben des Chyträus hat diese Namen mangelhaft und falsch gegeben, richtig sind hier nur Hofman und Herberstein; den Vizthum nennt er nur mit Vornamen Georg Sifrid; Stadtler, Neuhaus und Hector v. Trübeneg fehlen ganz, und Christoph v. Kaknitz ist wahrscheinlich falsch gelesen.
3) Mehrere neuere katholische Schriftsteller über die österreichischen Kirchen= und Schulangelegenheiten, z. B. die hier angeführten, erwähnen die Kirchen= und Schulordnung und die Bemühunger des Chyträus gar nicht, (  ...  )
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zusetzen. Zum Rector der Schule ward Hieronymus Osius, früher Rector zu Regensburg, den Chyträus mitgebracht hatte, bestellt; Conrector ward Philipp Marbach von Straßburg, seit 1573 Licentiat der Theologie und Schüler des Chyträus von der Universität Rostock: Marbach stand in so großem Ansehen bei Chyträus, daß dieser ihn im Jahre 1592 an erster Stelle zum Professor der Theologie an der Universität Rostock nach dem Tode des Professors Simon Pauli vorschlug, da er "von vielen vortrefflichen Theologen keinen besser kenne", als Marbach 1 ). Chyträus entwarf eine Schulordnung und brachte die Pflanzung in geregelten Gang, so daß er sie noch persönlich eröffnen konnte.

Schwieriger war die Ordnung der Kirche, da Chyträus hier innerhalb derselben Hemmungen fand. Der Pastor Cunno, ein beredter und gewandter Mann, der die steiersche Kirche von sich allein abhängig glaubte, war von vorne herein gegen die Berufung des Chyträus eingenommen. Er zürnte nicht allein darüber, daß Chyträus eine Kirchenordnung entwerfen sollte, daß die Schule seiner Aufsicht und Leitung entrückt und daß eine Oberaufsichtsbehörde über Kirche und Schule eingesetzt war, sondern war auch mit allen Andern über manche Lehrsätze nicht einig, obgleich Chyträus alle zur Einigkeit und zum Frieden zu führen gewußt und auch den Cunno unverdrossen zur Einigkeit zu bringen gesucht hatte. Unerwartet legte Cunno, unzufrieden mit dem Gange der Angelegenheiten, sein Amt am 23. Mai freiwillig nieder.

Während der Zeit hatte Chyträus seine Arbeiten zu Ende gebracht. Gegen Ende des Monats Mai 1574 übergab Chyträus der Landschaft die von ihm ausgearbeitete Kirchenordnung, welche, sammt der Schulordnung, als ein "christlich, hochnothwendig und aus der heiligen Schrift wohl fundirtes Werk" von der Landschaft "approbirt und ratificirt" ward. Am 27. Mai eröffnete er, unter großer Theilnahme des Adels und der Bürger, feierlich die von ihm eingerichtete Schule,


(  ...  ) sei es aus Absicht oder aus Unkenntniß, sie nennen nicht einmal den Namen Chyträus.
1) Nach dem Empfehlungsschreiben des Dr. Chyträus vom 24. Febr. 1592 war Dr. Philipp Marbach in Rostock promovirt, zuerst in Gratz zum Lehrer bestellt, von hier nach Heidelberg zum Professor der Theologie berufen, darauf "vom Rath der Stadt Straßburg stattlich vocirt", von hier aber, "von seinem Schwäher und seiner Hausmutter bewogen", wieder nach Steiermark gezogen und war im Jahr 1572 "Rector Gymnasii zu Klagenfurt in Kärnthen." Im Predigtamt hatte er sich nicht geübt, sondern allein mit Lesen den Schulen gedient." - Die Professur in Rostock erhielt Johannes Frederus (vgl. Krabbe Geschichte der Universität Rostock, I, S. 668).
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bei welcher Gelegenheit Chyträus 1 ), Osius und Marbach lateinische Reden hielten. Damit die Schule nicht hinter der Jesuitenschule zurückstände, ward am 31. Mai in derselben ein öffentlicher Schulact gehalten, auf welchem ein steierscher Jüngling von Adel, Sigismund von Saurau 2 ), eine von Chyträus verfaßte lateinische Rede 3 ) über den Kaiser Ferdinand hielt, welche mit frommen Wünschen für den Erzherzog Carl schloß.

Mit diesen Werken hatte Chyträus seine Aufgabe vollständig erfüllt. Während der Arbeit hatte Chyträus am 20. März 1574 an den Herzog Johann Albrecht Bericht 4 ) erstattet und dieser am 23. April denselben nach der bald bevorstehenden Vollendung der Aufgabe zur Rückkehr aufgefordert, mit dem Wunsche, daß das Werk "Gott zu Ehren, Pflanzung seines heiligen Wortes und den guten Leuten des Orts zum Heil und zu ewiger Wohlfahrt gereichen möge." Auch der Herzog Ulrich schrieb am 23. April mit dem Wunsche, daß das "christliche Beginnen und Vorhaben zu Ehren des heiligen Namens Gottes und Ausbreitung seines allein selig machenden Wortes des heiligen Evangelii, auch nicht allein zu derselben löblichen Provinzien, sondern auch anderer mehr umliegender Herrschaften Aufnehmen, Gedeihen und vieler Menschen Wohlfahrt beständiglich gereichen und viel Frucht schaffen möge."

Am 29. Mai 1574 übergaben "der Landschaft des Fürstenthums Speier Verordnete und in Schulen= und Kirchensachen geordnete Inspectoren" dem Chyträus außer einem reichen Geschenke eine feierliche Dank= und Anerkennungs=Urkunde 5 ), in welcher sie bekennen, daß er ihre "Kirchen= und Schulordnung mit allem emsigen Fleiß schriftlich verfasset, daran sie ein gutes Begnügen und Wohlgefallen trügen",


1) "Oratio Davidis Chytraei, recitans illustria aliquot testimonia de Deo. Graeciae, quae est metropolis Styriae, impressum a Zacharia Bartsch anno 1574". Angehängt ist ein Brief "nobilitate generis, doctrina, humanitate et fide praestanti d. d. Christophoro Gabelchovero, provinciae Stiriae medico, amico suo."
2) Ein Erasmus v. Saurau saß am 18. April 1574 im ständischen Ausschusse von Steiermark.
3) Diese Rede ist gedruckt in: "De tribus nostrae aetatis Caesaribus Augustis, Carolo V, Ferdinando I, Maximiliano II, Orationes a Davide Chytraeo datae adolescentibus in schola recitandae, Witebergae, 1583", und führt den Titel:
     De Ferdinando Caesare, Archiduce Austriae et Stiriae principe etc, Oratio a nobili adolescente Sigismundo a Saurau quatridio post introductionem Scholae provincialium Graeciae in Stiria recitata, 1574, die 31 Maii.
4) Vgl. Anlage Nr. 15.
5) Vgl. Anlage Nr. 19.
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und daß sie seinen "gehabten Fleiß, Mühe und christliche Verrichtung mit großem Dank angenommen."

Aber nicht allein gegen den Dr. David Chyträus, sondern auch gegen den Herzog Johann Albrecht, den begeistertsten und aufopferndsten Fürsten der protestantischen Kirche, zeigte sich die steiersche Landschaft mit feiner und edler Anerkennung dankbar. Da der Herzog dem Landeshauptmann Bernhard Lerch den Auftrag gegeben hatte, ihm in Steiermark einen "leichten Trabharnisch oder Feldküriß" machen zu lassen, so nahm die Landschaft diese Gelegenheit wahr, demselben in dankbarer Anerkennung zwei steiersche Harnische, einen "Küriß" und einen "Trabharnisch", alles mit "carmoisinrothem Sammet unterzogen und mit gutem Golde vergoldet" 1 ), zum Geschenke anzubieten. Am 18. April 1574 bat die steiersche Landschaft 2 ) unter den Siegeln der Edlen Hector v. Trübeneg, F. v. Rindscheidt, Erasmus v. Saurau, Erasmus Stadtler und Franz v. Neuhaus, von denen Trübeneg, Stadtler und Neuhaus auch zu den Kirchen= und Schul=Inspectoren gehörten, den Herzog, "solche geringe Rüstung von der Landschaft des Fürstenthums Steyer zum Gedächtniß mit fürstlichen "Gnaden anzunehmen". Bernard Lerch entledigte sich durch Uebermittelung dieses Geschenks seines Auftrages am 19. April 3 ) und übersandte dem Herzoge ein Verzeichniß der reichen steierschen Rüstung, "welche einen guten Schuß aushalte, wie er sie selbst mit einem langen gezogenen Rohr und gutem, körnigem Pulver beschossen habe und zu sehen" sei. Diese Darbringung ist ein edles, rührendes Denkmal in der Geschichte unsers Landes und der Reformation und namentlich bei veränderten Verhältnissen wohl des Gedächtnisses werth. Der Herzog nahm am 19. Mai die Rüstungen "zu sonderlichem angenehmen Wohlgefallen und mit gnädiger Danksagung an 4 ), da er ungerne den Verdacht auf sich laden wolle, als verschmähe er solche wohlgemeinte Anzeigung ihrer Zuneigung, obwohl er die Rüstung nicht in der Meinung bestellt habe, als wolle er sie umsonst oder zur Verehrung annehmen, sondern sie mit Dank ganz gern zu bezahlen bedacht" gewesen sei.

Am 1. Junii 1574 entließ die steiersche Landschaft den Dr. Chyträus mit einem innigen Dankschreiben 5 ) der aus der


1) Der Herzog hatte den Harnisch "nur schlecht blau zu färben und nicht zu vergolden" bestellt.
2) Vgl. Anlage Nr. 16.
3) Vgl. Anlage Nr. 17.
4) Vgl. Anlage Nr. 18.
5) Vgl. Anlage Nr. 20.
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Landschaft für die Kirchen= und Schulsachen verordneten Inspectoren an den Herzog Johann Albrecht, daß, nachdem Chyträus "durch Abfassung ihrer Kirchen= und Schulordnung dermaßen treulich, fleißig, christlich und emsig dem allmächtigen Gott zu Ehren und zur Erbauung und Fortpflanzung ihrer Kirchen und Schulen Alles verrichtet habe, daran der Augsburgischen Confession Verwandte von der Landschaft ein christliches und herzliches Wohlgefallen trügen und ganz wohl zufrieden seien, sie und ihre Nachkommen solches alles an dem Herzog und seinen Erben mit allem Gehorsam willig und bereit verdienen wollten".

Die Landschaft beauftragte darauf den Landeshauptmann Bernhard Lerch, den Dr. David Chyträus in seine Heimath zurück zu geleiten. Die Rückreise ging zunächst über Stein an der Donau, wo Chyträus mit Christoph Reiter, seinem frühern Mitarbeiter an der Reformation des Erzherzogthums, Oesterreich, verhandelte. In die österreichische Kirche, in welche sich viele unruhige Geister aus dem übrigen Deutschland eingedrängt hatten, war viel Verwirrung, Zank und Willkühr eingerissen. Chyträus verhandelte in Stein mit andern Theologen über zehn von den Landesdeputirten ihnen vorgelegte Artikel und gab darauf zu Stein am 15. Junii 1574 seine Bedenken 1 ) schriftlich ab. Da er Eile hatte, so gewann er es über sich, seine Freunde in Wien nicht zu sehen, sondern begnügte sich damit, sie durch seinen Amanuensis David Schröder begrüßen zu lassen. Er ging durch Böhmen, Mähren über Olmütz (22. Junii), Schlesien, über Liegnitz, und Sachsen, über Dresden, zurück und langte am 10. Julii 1574 glücklich wieder in Rostock an 2 ), wo er die Seinigen gesund vorfand.

Bernhard Lerch sagte den Herzogen im Namen der Landschaft den aufrichtigsten Dank, beurlaubte sich aber bei dem Herzoge Ulrich, den er zu Güstrow nicht getroffen hatte und sonst nicht anzutreffen wußte, am 16. Julii 1574 zu Rostock schriftlich 3 ) und zog in seine Heimath zurück.


Wie sich leicht denken läßt, blieb Chyträus während seines Lebens in innigem Verkehr mit den steierschen Ständen, welche ihre Söhne und Verwandten fortwährend auf die protestanti=


1) Vgl. Schützi Vita Dav. Chytraei, II, Appendix, p. 12 sp.
2) Vgl. Anlage Nr. 21.
3) Vgl. Anlage Nr. 22.
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schen Universitäten Wittenberg und Rostock schickten und zum Theil dem Chyträus anvertrauten 1 ). Als er im Jahre 1583 die drei Reden auf die drei Kaiser seiner Zeit, welche er zum Vortrage durch drei Jünglinge aus fremden Landen ausgearbeitet hatte 2 ), in den Druck gab, widmete er sie den Edlen des Landes Steier ("nobilissimis inclyti ducatus Stiriae proceribus"): Balthasar und Georg Wagen, Johann v. Stybich, Adam und Georg v. Lengheim und Georg, Heinrich und Paul v. Bibeswald ("dominis et patronis reverenter colendis" 3 ).


Das Glück der Protestanten in den österreichischen Landen dauerte nicht lange. Der katholische Geschichtschreiber 4 ) sagt weiter: "Die " "katholische Gegenreformation" " (?) gewann durch die landesherrlichen Verordnungen, wodurch den Evangelischen mehrfache Hemmnisse unterlegt worden, immer weitere Wirksamkeit. Da übernahm nach dem Absterben Erzherzogs Carl dessen Sohn Erzherzog Ferdinand (später Ferdinand II. als römisch=deutscher Kaiser) die Regierung der innerösterreichischen Lande mit den bestimmtesten Anordnungen zur Unterdrückung der evangelischen Lehre. Den 13. Sept. 1598 erging an die Stände von Steiern der Befehl, alle evangelischen Kirchen= und Schullehrer in Gratz, Judenburg und andern Orten binnen vierzehn Tagen aus dem Lande zu schaffen, ihre Kirchen zu sperren, die Bücher und Schriften aber in Beschlag zu nehmen. Den 30. October nämlichen Jahres erhielten die evangelischen Prediger und Schullehrer in Laibach die Weisung, noch vor Sonnenuntergang an diesem Tage die Stadt, in drei Tagen aber das Land zu räumen.


1) Möchte doch die vollständige Herausgabe der Matrikel der Universität Rostock, welche für die Bildungsgeschichte eines großen Theils von Europa so wichtig ist, nicht lange auf sich warten lassen.
2) Vgl. oben S. 90, Note 3.
3) Die Rede auf den Kaiser Carl V. war von einem belgischen Jünglinge, die Rede auf den Kaiser Ferdinand I. am 31. Mai 1574 zu Gratz von dem steierschen Jünglinge Sigismund v. Saurau vorgetragen. Die dritte Rede auf den Kaiser Maximilian II. war von dem jungen österreichischen Freiherrn Johannes Cyriacus v.Polheim und Wartenburg am 25. Jan. 1577 auf der Universität Rostock gehalten, dessen Mutter eine Freiin v. Weispriach war; er studirte zu Straßburg, Wittenberg und Rostock, ward in Rostock zum Rector erwählt und hielt als solcher diese Rede auf den Kaiser Maximilian, der sein Pathe war. Der viel versprechende Jüngling, der einzige Sohn seines Vaters, starb nicht lange nach seiner Heimkehr in sein Vaterland.
4) Vgl. Mittheilungen des historischen Vereins für Krain a. a. O. S. 49.
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Mit gleicher Strenge wurden sie im December desselben Jahres in Kärnten über die Gränzen gewiesen".

"Vergebens hatten im folgenden Jahre 1599 auf dem nach Gratz ausgeschriebenen Landtage die evangelischen Stände dieser drei Provinzen ihre Klage erhoben. In Gratz selbst wurden zehn Wagen voll evangelischer Bücher aus den Buchhandlungen weggenommen, die Kirchen geschlossen, in Laibach aber alle vorhandenen Bücher und Schriften zusammengesucht, zum Theil auf offenem Platze, verbrannt oder aber auf das Landhaus gebracht und auch von hier später (1616) gehoben und in dem Jesuiten=Collegium verwahrt 1 ). Endlich erhielt die evangelische Lehre in Krain ihren letzten Stoß, als im Jahr 1601 durch die vom Landesfürsten bestellte katholische " "Gegenreformations=Commission" " den evangelischen Bekennern jedes Standes die strengste Weisung ertheilt wurde, entweder ihrem Glauben zu entsagen, oder binnen sechs Wochen und drei Tagen ihre Güter zu verkaufen, ihre Schulden einzulösen oder zu bezahlen, den zehnten Auswanderungspfennig abzutragen und dann alle innerösterreichischen Provinzen zu räumen. Sechs Bürger von Laibach kehrten zur katholischen Kirche zurück, die übrigen verließen nach Verlauf dieser Zeitfrist das Land und zogen großen Theils nach Böhmen, Ungarn und "Deutschland". Die in Krain hie und da noch verweilenden Prediger wurden aufgesucht und auf das Hauptschloß nach Laibach in Haft gebracht."

Der andere katholische Geschichtschreiber 2 ) berichtet weiter: "Die Hoffnung, der Muth der Protestanten in dem Lande ob der Ens hob sich in eben dem Maaße, in welchem die Spannung zwischen den beiden habsburgischen Brüdern, Kaiser


1) Viele reformatorische Schriften in slavischer Sprache wurden von. P. Truber verfaßt. "Der erste und eifrigste Slavist, der sich schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. mit der slavischen Sprache zu beschäftigen anfing, war P. Truber, der krainische Religions=Reformator; er schrieb mehrere Werke ascetischen Inhalts in dem krainischen Dialekte, die er in Würtemberg auflegen ließ. Er brachte im J. 1561 von der benannten Stadt den Buchdrucker Johann Manlius (Hans Manel) nach Laibach und ließ anfänglich nur kleinere Schriften und Aufsätze, d. i. Lieder, Predigten und Zeitschriften, daselbst auflegen. Von diesen kleinen Schriften sind aber die wenigsten auf uns gekommen. Die scharfen Maßregeln, welche zur Vertilgung der sich einwurzelnden Religions=Grundsätze eingeleitet wurden, haben uns die literarischen Denkmäler beinahe ganz entrissen. Von den größern Werken aus der Manliusschen Druckerei ist keines aufzufinden; es scheint übrigens auch, daß Manlius nicht über 20 Jahre in Laibach geblieben sei, wahrscheinlich mußte er es wegen der Religion wieder verlassen." G. Kosmac, die k. k. Lyceal=Bibliothek in Laibach, in den Mittheilungen des histor. Vereins für Krain, 1857, Mai, S. 63.
2) Vgl. J. Gaisberger a. a. O. S. 13 flgd.
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Rudolph II. und Erzherzog Mathias, zunahm. Sie näherten sich jetzt dem Erzherzoge, schlossen sich bald näher und enger an ihn an und brachten es in Verbindung mit den Ungarn und den protestantischen Ständen des Landes unter der Ens dahin, daß der Kaiser seinem Bruder auch das Land ob der Ens förmlich überlassen mußte (17. Junius 1608)".

"Für so viele Unterstützung erwarteten sie nun auch Erkenntlichkeit und ertrotzten sich, als ihren Wünschen zu willfahren gezögert ward, die sogenannte Capitulations=Resolution, in der ihnen außer andern die landesherrliche Gewalt lähmenden Bewilligungen ausgedehnte Religionsfreiheit zugestanden werden mußte. Ihrer Sache ganz sicher und als ob es keinen Landesfürsten gäbe (?), hatten sie schon vorher die entwichenen Prädicanten, die sie durch jüngere Kräfte verstärkten, zurückberufen und einer geheimen zu Linz abgehaltenen Verabredung gemäß am 13. Sonntage Trinitatis (31. August 1608) das evangelische Religions=Exercitium im ganzen Lande wieder eingeführt. Von neuem begann auch das protestantische Schulwesen in Steier unter Aegyd Weichselberger, der ihm von 1608 - 1624 vorstand, wie im Landhaus zu Linz, wohin außer dem frühern Rector Dr. Math. Anomäus einige vorzügliche Lehrkräfte gezogen den Jesuiten in Kirche und Schule die Stellung auf jede Weise zu erschweren suchten. Sie ward noch mehr gefährdet seit dem verhängnißvollen Ereignisse im prager Schlosse am 23. Mai 1618 und dem im folgenden Jahre eingetretenen Hinscheiden des Kaisers Mathias".

Alle diese Unterdrückungen waren das Werk der Jesuiten. Nach vielen Kämpfen mußten die Stände, die im Lande bleiben wollten, sich fügen, worauf am 27. Februar 1625 die kaiserliche Pardonirungs=Resolution erfolgte, in welcher die Begnadigung der Stände auch an die Bedingung geknüpft ward, daß in Religionssachen der Kaiser der angefangenen (katholischen) Reformation ihren ungehinderten Fortgang lassen und die ständische Schulcasse nur zu frommen Zwecken verwenden wolle. Die vollige Verdrängung der Protestanten ward durch den dreißigjährigen Rachekrieg und die Jesuiten leicht gefördert. Bekanntlich schreiben viele katholische Schriftsteller diesen verheerenden, alles vernichtenden Krieg dem Protestantismus zu; ja J. Gaisberger sagt 1855: "die protestantischen Stände traten sogar in hochverrätherische Verbindungen mit den aufrührerischen Böhmen, Mähren, den Generalstaaten, und verhehlten es nicht, das habsburgische Haus vernichten zu wollen."


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Anlagen.


Nr. 1.

D. d. Wien. 1568. September 22.

Instruction vnnd Gewallt, was die wolgebornen, Gestrengen, Edlen vnnd Ehrnuehesten herrn, her Hanß Wilhalbm Freyher zu Rogendorff vnnd Mollenburgk, Obrister Erblandhoffmaister in Osterreich, Rom. Key. M. Rath vnnd Landtmarschalck in Osterreich vnder der Ennß, Herr Ruediger herr von Starhenbergk auff Schonpuchel, herr Leopoldt Grabner zu Rosenberg vnnd Pottenbrun vnnd herr Wolff Christoff von Entzestorff im langen taall, all drey ainer Erhsamen Landschafft in Osterreich vnder der Enß verordente, Alls von beiden Standen der herrn vnnd Ritterschafft zu dieser sachen in gegenwurtigem Landtagk Insonders datzu erkhuesste Ausschuss, sambt beiden von gemelten zwaien stenden hiertzu Deputirten vnnd uon der Romis. kay. Matt., auch zu Hungern vnnd Bohem Kunig. May. zugelassnen Theologen, dem Erwirdigen vnnd gelerten herrn Doctor Dauidten Chytraeo, Theologo vnd Professore der Uniuersitet Rostog, oder im faal da gedachter Chytraeus nicht hergebracht werden möchte, ein Ander tauglicher Auslendiger Theologus der deputierten herrn guetachten nach, Vnnd Christoffen Reuter, Grabnerischen Predicanten zu Rosenburgk, auff Hochsternenter Kays. May. begern, deren Nunmehr (Gottlob) den Zwaien Stendten von Herrn vnnd der Ritterschafft zugelassnen Augspurgischen Confession vnnd auffrichtung ainer Christlichen vnnd der Augspurgischen Confession gemassen Agenda vnnd Kirchenordnung halben, Neben hochstgedachter Keiserlichen Maiest. etc. Gehaimen Ratth Vnnd in der sachen benenten Presidenten, auch Andern datzu deputirten Irer Kays. May. etc. . Rathen vnnd Theologis handlen, schliessen, thun vnnd lassen, doch alles auff hinder sich bringen der zwayer Stennde oder derselben sonderer Ausschusß, auff welche dieser Sachen halben ein sonderer gewaltt gefertigt worden.

Erstlich sollen obbenante von den zween Stenden deputirte herrn Ausschusß, Sambt beyden Theologen, auff den bestimpten tag, So uon der Rom. Kay. Mat. auff Jetzschierest khomenden aindlifften Nouembriß benent ist, Oder da auff einen oder den andern thail erhebliche vrsachen fuerfielen, das

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die Tractation verschoben werden muste, Auff einen Andern bestimbten tagk, gewisslich allhie in Wienn zusamen komen vnnd erscheinen, der handlung vnnd Tractation mit hohesten vleisß beywonhen, auch ein Jeder frey vnd one scheuch sein Mainung auff die Artikel, so furbracht werden mochten, antzaigen, Vnnd da widerwertige Argumenta auff die bann khemen, dieselben nach seiner gab vnnd Mass mit grundt vnnd zimlicher beschaidenheit ablainen vnnd widersprechen, auch ahn Inen, was diesen handl Imers zum besten furdern kan, nichtes erwinden lassen, auff das es an einen gueten vnnd Christlichen Verstandt gebracht vnnd dadurch der Heubtsache . . . . der Christlichen Religion, freyhaiten vnnd Augspurgischen Confession mit den Mittldingen vnnd Ceremonien nicht derogert werde etc. .

Weitter sollen der zwayen Stende Deputirte herrn vnnd Theologen mit vleisß gedacht sein, die Augspurgische Confession in der Tractation durch den andern teill in kheinen frembden verstandt ziehen oder deutten lassen, Sondern das allerdings auff die Confession vnnd derselben lauter Inhalten den Puechstaben gegangen vnnd gedrungen werde, Wie sie Kayser Karll dem funfften im verschinen dreissigsten Jhar zu Augspurgk vberantworttet, dauon sie sich nicht In nichte abweisen lassen sollen.

Vnd weil das disputat in dieser furgenommenen Tractation am meisten der Ceremonien vnnd Mittlding halben sein wirdt, Sollen der zwaien Stende deputirte herrn vnd Theologi gut auffsehen haben vnd endtlich dahin gedacht sein, das sie Inen nicht solche vormainte Adiaphora einraumen lassen, welche austruckhlich nach dem Bapstumb riechen vnnd maltzaigen des AntiChrists seyen, die auch ettwo alls vnnotig schon gefallen weren, Also sollen sie auch nit alle Mittldinge verwilligen, welche dafür angedeitet werden wolten, Sondern es sollen allein solche Adiaphora vnnd Ceremonien angenommen oder zugelassen werden, die sich austrugklich mitt dem Wortt Gottes vnd obuermelter Augspurgischen Confession inhalt des Sibenden vnd funffzehnten Artikel vergleichen, die auch zu beforderung Gottlicher ehr vnnd Christlicher andacht raichen, Aber zu beschwär der gewissen vnd Ergernusß nit Vrsach geben, Indem allein nun die Christliche freyhait erhalten vnd mit nicht geschmelert werden soll.

Denn was anlangt andere stück vnd Ceremonien, die aintweder mit dieser lehr nicht vbereinstimmen oder sonst alles notig vnnd fur Gottes dienst auffgedrungen werden wollten, darInnen sollen der Stendte deputirte herrn vnnd Theologoß allerdings bey dem, des derhalben oben uermeldet ist, verhar=

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ren, Sonderlich weil dieselben Ceremonien merers thaill bey der Stendte Kirchen mit guter vorbetrachtung vnd vnderrichtung abgethan worden vnnd gefallen, auch Ihr der Stendt Ministri vnnd Kirchendiener mehrers thaills von denen ortten beruefft, da solche Ceremonieen gleichsfals ab vnnd gefallen sein, Derhalben sie ohn Ergernusß nicht mehr angenomen werden Khunen, vnnd solches vmb so uiel mer, weil die Stendte auff einen solchen fall zu uerfolgung Irer Prediger vnd Kirchendiener nicht geringe Vrsach geben, welches sie aber mit ehren vnnd gutem gewissen vor Gott vnd der Wellt nimmer Veranttwortten Konten, Doch in dem Fall abermalln die Christliche freyheit lauter vorbehalten vnd derselben hiedurch gar nichtes benomen.

Vnd ob gleich der Ander thail in der Tractation so hoch auf die Ceremoninn dringen wolte, also daß auch der Stendte Deputirte Herrn vnd Theologen vberstimbet werden mochten, Sollen sie doch bei abgehorter Mainung gentzlich verharren, angesehen das es ain Religion vnnd nicht profan Tractation ist.

Dabey auch ein Ordnung für die Ministros vnd Kirchendiener gemacht werden mochte, damit dieselben ettwas vleissiger in Irem Ampt vnnd Administration der heiligen Sacrament, dan es bey Inen ainßtheils beschiehet, befunden, Also das uon Inen alles, was zur besserung vnnd auferbawung der Kirchen Gottes auch Christlicher Andacht dienen khan, aus faulheit oder nachlassigkeit nicht vnderlassen werde,

Derhalben vnd da es die zeitt vnd gelegenheit geben wolte, sollen die deputierten herrn sambt Iren zugeordneten Theologen; aines Consistory Sonderlich uon wegen der Kirchendiener, so der Augspurgischen Confession zugethan vnd verwandt der hohen notdurfft nach gedacht sein vnnd dieses alls ain furnembes, dem handel anhengings Stuckh bei Irer Kei. Matt. etc. zu erlangen, auch solch Consistorium dergestallt aufzerichten, das der Bapbst, die Bischof, Geistlichen Ordinari, Official vnd Ir zugethone, dabey nichtes vber die dieser Religion verwonte Prediger vnd Kirchendiener zu gebieten, Dergleichen in glawbens, Kirchenbreuchen, Ceremonien, bestellung der Ministerien vnd Ordinationen, also auch in Prophansachen, die Stendt vnnd Ire Kirchendiener betreffend durchauß nichts zu thun haben, Sonder das solches alles in seinem freyen gang bleiben muge.

Daruber vnnd wo es zu ainer solchen Vergleichung kumbt soll auch Ihr Kai. M. etc. . von wegen eines Super Intendenten, dessen man beyde des Consistory vnnd dann auch. Der vnfleissigen Ministri halben hochnottdurfftig, angelangt

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werden, welcher Superintendent aber allein dieser der Stendt Religion verwandt, Auch sonst niemandts, als den baiden Stenden verpflicht sein solle.

Vnnd nachdem der zwaier Stendte sambt Irer Nachkhumben vnnd Erben, Also auch derselben Christlichen prediger vnnd Kirchendiener nottdurfft erfordert, der bekhenten zugelassnen Religion, Kirchengebreuch vnnd Ceremonien, auch bestellung der Ministerien, Consistorien vnnd Superintendens halben, wo es denn verhoffentlichen beschlusß erraicht, von Irer Kays. May. etc. . gnugsam assecuriret zu sein, So sollen die Deputirten herrn vnnd Ire zuegebne Theologi dieselb assecuration zu erlangen kheinen vleisß sparen.

Wann dann auß Gottes gnedigem gedeyen zu seinem hohesten lob vnnd ehr seines Heiligen Namens die tractation also Christlich vnnd fruchtberlich abgieng, Sollen der Stendte Deputirte herrn vnnd Theologi die Rom. Kay. May. etc. . In bayder Stendte namen vnderthenigst vmb ein offne Kirchen allhie in der Stadt vnnd ainen Prediger Irer Confession gmass ersuchen, In Ansehung das viell Landtleut, so in Ambtern das mehrer thail im Jhar allhie sein mussen, Vnnd da Ihr May. etc. . der Kirchen halben Ihe bedenkhen hette, das doch der Stendte Predicant frey offentlich im landthauss predigen vnd sein Ministerium exerciern mochte.

Dieses vnd alles Anders mehr, was doch zu dieser sachen dienstlich, sollen der beyde Stendte deputirten Herrn vnd Theologi Irem hochsten verstandt vnd vermugen nach trewlich vnd vleissig handlen, wie der Stendt vertrawen zu Inen stehet vnd doch in diesem allem nicht vollig beschliessen, Sonder die gantze handlung vnnd sachen allein abreden und alsdann der zwaien Stendte zu dieser Sach Insonders erkhiessten herrn aufschuffen vmb Iren verrern Rath, gutbedunken vnnd endtlichen beschlusß fuerbringen, der Stendte deputirte Herrn vnnd Theologen sollen auch diese Instruction in guter gehaim halten vnnd die an sonder hohe Vrsach In der tractation handlung nicht furlegen. Vnnd was sie also vernommen gestallt handlen, darumb sollen sie von Stendten ohn allen Schaden gehalten werden. Alles trewlich vnnd vngeuerlich.

Zu Vrkunth geben baide Ständt vom Herrn vnnd Ritterschafft den obbemelten zu diser sach dieputierten herrn vnnd Theologen diesen gewallt Mit deren hieunter verzaichneten vnd der Zeitt ausser deren zu dieser Sach Erkhiessten herrn Außschusß Noch gegenwurtigen herrn Landleuth, auß gedachten beeden Stenden aignen Handtschrifften vnnd Angebornen Pethschaden verfertigt.

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Actum Wien, den zwen vnd zwantzigsten tag Septembris des ain tausent funffhundert acht und sechsssigsten Jars nach der geburt Christi des Herrn.

Eckh Graff Niclaß Graff zu Salbm. Hannß von
zu Salbm. Weisspriach freyherr.
Oswallt Freyherr von Veyt Albrecht
Eytzung. von Puechem.
Pilgram von Christoff von Oberhaimb Hans Funff=
Sintzendorff. Landundermarschalk. kircher.
Wolff Christoff Hanns
Maininger Victor von Maiming.
zu Nusdorff. Stockharner.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 2.

D. d. Wien. 1568. September 25.
Maximilian von Gottes gnaden Erwelter Röm. Kaiser, zu Allen zeiten mehrer des Reichs etc. .

Hochgeborne, liebe Oheim vnd fürsten. Nachdem wir uns itzo in gemeiner Landtags vorsamblung vnsers Ertzhertzogthumbs Osterreich vnder der Enns auf der besondern zweier loblichen Stende der heren vnnd Ritterschaft vielfeltig flehenlich vnd embsig suchen, anhalten vnd bitten, ihnen die Augspurgische Confession, weilandt Kaiser Carolen dem fünften, vnserm geliebten hern vater, vettern vnd Schwehern hochlöblicher vnd gotseliger gedechtnus in dem zu Augspurg gehaltenen Reichstage, Anno etc. . 30 von etlichen Churfürsten, fürsten vnd Stedten des Reichs vberreicht, mit gnaden zuzulassen ercleret, Auch es numehr so weit gericht, das es allerdings vnd allein an vergleichung vnd verfassung einer gotsehligen Agend (nach deren inhalt die kirchenzucht vnd andere ritus vnd Ceremonien zu Kirchen vnd Schulen, vngefehrlich nach dem gebrauch der eltisten Augspurgischen Confessionsverwandten Kirchen angestelt werden solle) erwinden vnd gelegen sein will, Vnd wir dan zu Tractation solchs löblichs vnd Christlichen werks ye gerne gelerte, bescheidene, friedtliebende vnd hierin vnaffectionirte deputaten allerseits zu gebrauchen fürgenommen wissen wollen vnd vns derwegen vnter andern der Professor bei der Rostogkischen

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Vniuersitet Doctor Dauidt Chytraeus von guten örten woll berümbt worden, welchen wir ihnen obbemelten vnsern beiden getrewen Landt=Stenden auch fürgeschlagen vndt sie ihnen den nicht misfallen lassen, Sonder darauf zu desto fürderlicher erlangung vnd alherbringung desselben anitzo vnd hiemit gegenwertigen brifs zeigern aus ihrem mittell vnsern getrewen, lieben Wolf Christoffen Maininger zu Nustorf abfertigen vnd vns selbst solch gotsehlig werck dahin guthertzig vnd embsig obliegt vnd beuohlen, Das wir es zugleich, wie vorbemelte beide Landt=Stende, nach müglicheit befürdert werden gnediglich gerne sehen,

So wolten wir demnach E. L b hiemit gnediglich begerendt ersuchen, das sie ihrestheils vns zu furder angenemen gnedigem gefallen, vf gedachtes Wolf Christoffen Mainingers Anhalten, bedacht sein wolten, ihne Doctorem Chytraeum zu vmweigerlicher folge weisen, anhalten vnd also vermügen zu lassen, das ehr sich alsbaldt vnd zu stundt an (alle andere vngelegenheiten, ausser Gottes gewalt, bei seits gestelt) mit ihme, Maininger, von Rostogk erheben vnd alher in vnser Stadt Wien mit dem allereilendtsten begeben vnd sich, als itzt gemelt, daran gar nichts abhalten oder verhindern lassen wolle. Wo ihme auch in solchen Vorhinderungen ausser leibesschwachheit oblegen, deren hinlegung vnd richtigmachung bei E. L b stünden, so vorsehen wir vns, begern es Auch An E. L b nachmaln gantz gnediglich, sie werden Am selben allen vns zu sonderer dancknemen wilfarung dahin nichts erwinden lassen, damit ihne Doctorem Chytraeum gar nichts wieder lang noch kurtz aufhalten müge. Das wollen wir vmb E. L b deren wir ohne das mit Kaiserlichen gnaden zum besten gemaint, wiederumb zu erkennen vnd zu bedencken gantz vnuorgessen bleiben. Geben in vnser Stadt Wien, den fünf vnd zwantzigsten Tag des Monats Septembris, Anno etc. . im Acht vnd Sechzigsten, vuserer Reiche des Römischen vnd hungerischen im Sechsten, vnd des Boheimischen im zwantzigsten.

Maximilian.
t über V J. v. Zasius. Ad mandatum sacrae Caes ae
M tis proprium.
W. Vnuerzagt.

Den hochgebornen Johans Albrechten vnd Ulrichen, Hertzogen zu Mekelnburg, vnsern lieben Oheimen vnd fursten.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 3.

D. d. Wien. 1568. September 30.

Durchleüchtige, hochgebornne Füerssten, Genedige Fuerssten vnnd herrn. Eur Fuersstlichen Gnaden Sindt vnnsere Gehorsame diennst beuor. Nachdem die Rom. Kay. Auch zw Hungern vnnd Bohemb Khn. Mt. etc. . vnnser allergenedigister herr vnd Lanndtßfuersst In Jetzo alhie zw Wienn gehaltner Lanndtagsversamblung Denen zwayen Stenndten von herrn vnd der Ritterschafft dises Ertzhertzogthumb Oesterreich vnnder der Enns auf derselben von lanngen Jaren heer Offtermallen gethane vnnderthenige Anrueffen vnnd bitten die Cristliche ware Religon, nach Innhalt der Confession, So Kaiser Carolen dem Fünfften hochloblicher gedechtnus Im verschinen dreissigisten Jar auf dem Reichstag zw Augspurg durch etlich ansechlich Churfuerssten, fuerssten vnnd Stett des heilligen Reichs vbergeben worden, hinfueron In disem Lanndt zuegelassen allergenedigist verwilligt, Dergestalt das solche Sachen nummer so weitt gelanngt, das es allerdings vnnd allain an vergleichvnd verfassung ainer Agennd oder Khirchenordnung, welche beruerter Augspurgerischen Coufession gleichmässig sey, Erwinden thuet vnd gelegen ist, Zw deme aber auch Ir Rom. Kay. Mt. etc. . derselben ansechliche Räth Sambt anndern fuertrefflichen vnnd gelerten personen alberait deputiert, Danebens gedachten zwayen Stenndten mit gnaden zuegelassen, das Sy aus Irem Mitl ain gleiche autzall der Personnen vnd vnnder denen ainen außlenndigen gelerten Cristlichen Theologen deputiern vnd bey vermelter aufrichtung der Agend haben mugen, Wie dann Ir Rom. Kay. Mt. denen Stenndten hiertzue den Erwierdigen Hochgelerten herrn doctor Dauidten Chytreum, Professorem der Vniuersitet zw Rosstockh genedigclich fuergeschlagen, Darumben vnd weil nun Jetzternennter Herr Chytreus denen zwaien Stenndten von gueten Orten fur ainen Christlichen angeregter Augspurgerischen Confession verwannten Rainen Leerer des heilligen waren wort Gottes vnd sonnst solchermassen geruembt wierdt, Das Si Ine vor anndern Ires thaills bei dem Tractat zu uergleichung der Agend ze haben Sonnderlich vnnd mit hohem verlanngen nach seiner Person genuglich enntschlossen vnnd begierig seyen, So haben Sy ainen Erlichen vom Adl dises Lanndts, alls herrn Wolf Cristoffen Maininger zw Nustorf an der Traisen, weiser gegenwuerttigen briefs, abgeferttigt, Ernennten herrn doctor Chytreum mit Ehister muglichait hieheer ze bringen. Auf das aber gedachter Mai=

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ninger deß Jhenig, welches Er hierInnen Im beuelch hat, dessto fruchtberlicher verrichten khundt, Ist bey denen zwayen Stenndten für ain notturfft angesehen worden, E. F. G. durch dits Schreiben zu ersuechen vnd Gehorsamblich ze bitten, Nachdem E. Fr. G. dise Sachen genedigclich wol befüerdern mugen, darInnen auch an E. Fr. G. gar vill gelegen, Vnnd dann menigclich bewisst, das E. F. G. mit allen gnaden genaigt seyen, zw Jederzeit desJhenig, welches zw erhalttung der Rainen waren Cristlichen Religion vnnd in annder weg zw Gemainer wolfart Raichen khann, zw befüerdern, Das auch E. Fr. G. hierauf genedigclich verwilligen und behülfflich sein wolten, damit der herr doctor Chytreus vnwaigerlich vnd mit aller Ehistem durch den abgeferttigten Maininger hieheer In die Stat Wienn auf vnnser Chossten ze khumen bewegt wuerdte, Vnnd das Er sich an disem Cristlichen Notwenndigen werckh gar nichts, alles Gottes gewalt verhindern lassen wolte, wie dann die Röm. Kay. Mt. etc. . E. Fr. G. durch ain sonnder schreiben, welches dieselben vom Maininger Emphachen werden desthalben auch genedigclich ersuecht Vnd wir an E. F. G. genedigen bewilligung hilff vnnd fuerderung zw gegenwuertigem Gotselligen Hanndl gar nicht zweifeln. E. Fr. G. Mugen sich auch genedigclich versehen, das der herr Chytreus, da Er Sich also guetwillig hieheer begibt, wider sein gelegenhait vnd sonnst alhie nicht aufgehalten, Sonnder mit verleichung Götlicher gnaden In khuerzem wider anhaimbs In sein Sichere Gewarsamb gebracht werden solle, Vnnd wo die zwen Stenndt von herrn sambt der Ritterschafft vnd wir solches vmb E. Fr. G. mit Gehorsamer dannckhperlicher diennstperkhait khunfftig beschulden khünnen, soll es mit allem vnnderthenigem muglichem guetten Gemueth beschechen. Hiemit thuen E. Fr. G. die mergenennten zwen Stenndt vnd wir vnns Gehorsamblich beuelchen. Datum Wienn, am dreissigisten tag Sebtembris, Anno etc. . Im Achtundsechtzigisten.

E. Fr. G.

Gehorsambe

Rom. Khay. Mt. Rath vnnd Lanndt=
marschalch, Auch der Zwayen Stenndte
von herrn vnd der Ritterschafft des
Erzherzogthumb Osterreich vnnder der
Enns verordenndten.

Denen Durchleüchtigen, Hochgebornnen Füerssten vnnd herrn, herrn Johanns Albrechten vnd herrn Vlrichen, Hertzogen

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zu Mächeburg, Füerssten zu Wennden, Grauen zu Schwerin, Rosstockh, Stargardten vnnd der Lanndte herrn, vnnsern genedigen Füerssten vnnd Herrn.

(L. S.)     (L. S.)     (L. S.)     (L. S.)     (L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. u. Haupt=Archive zu Schwerin, auf Einem Streifen Papier mit 5 Siegeln neben einander besiegelt, in folgender Ordnung:
1) ein quadrirter Schild, im 2. und 4. Felde eine rechts gekehrte Gans, 2. und 3 drei mal gespalten; über dem Schilde die Buchstaben:
W. C. V. E. (= Wolf Christoph Von Enzersdorf);
2) ein Schild mit einem rechten Schrägebalken; über dem Schilde die Buchstaben:
L. G. Z. R. (= Leopold Grabener Zu Rosenberg);
3) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 drei Garben, in 2 und 3 ein Ouerbalken; über dem Schilde die Buchstaben:
V. A. H. V. P. (= Veit Albrecht Herr Von Puchaim);
4) ein quadrirter Schild: 1 einmal gespalten, 2 sechs mal gestreift mit einem darüber gelegten Sparren, in 3 ein Anker (?), in 4 ein rechts gekehrter, sich krümmender Wurm, mit einem Mittelschilde, der getheilt ist und oben einen wachsenden Panther (?) hat; über dem Schilde die Buchstaben: R. H. V. S. (= Rüdiger Herr Von Stahremberg);
5) das fünfte Siegel ist ganz platt gedrückt und durchaus nicht zu erkennen; nach der Unterschrift besiegelte aber ohne Zweifel der
= Herr Hans Wilhelm Freiherr zu Rogendorf,
welcher in der Instruction vom 22. Sept. 1568 "Röm. Kais. M. "Rath und Landmarschall in Oesterreich unter der Ens" genannt wird.

Nr. 4.

D. d. Rostock. 1568. November 29.

Durchleuchtiger, Hochgebornher Fürst, Gnediger Herr. E. F. G. sind mein gehorsame vnterthenige dienst allezeitt beuohr. Gnediger Herr. Als ich von der Romischen Kayserlichen Matt., meynem allergnedigsten Herrn, vnnd den beyden loblichen Stenden der Herrn vnnd Ritterschafft in den Nider=Osterreichischen Landen vor zweyen Monaten befehel entpfangen, von E. F. G. iren diener Doctorem Dauidem Chytraeum loßzubitten vnnd mit myr in Osterreych zu füren: Ist von den Stenden selbst dazumal bedacht vnnd myr mit befehelich gethan worden, so er Jemand nach seyner gelegenheitt fur eyn geferten zu sich nehmen und mittbryngenn würde, daß ich denselbigen neben im freundlich auffnemen vnnd vff dem weg vnnd sonst mit nottdurfftiger Zerung vorsehen solte, Achteten auch,

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daß solcheß der Rom. Kay. Mayestet nicht zuwider, wenn derselbige Doctor Dauids freündt vnd geferte one Irer Kays. Matt. vnnd der Stende vorwissen vnnd bewilligung sich zu der deputirten berathschlagungen nit eynnotigen wurde.

Deweill nu Doctor Dauid vnter andern vielen vrsachen, warumb im diese reise furzunhemen gantz beschwerlich, auch diese angezeiget hat, daß er in keynen wege one eynen bekanten freundt, zu dem er sich in allerley zufellen sonderlicher trew vnnd Trosts zu uersehen hette, sich vff die ferne reyse begeben könne vnnd myr derhalbenn letzlich eynen mit namen Doctorem Conradum, zu dem er sich alles gueten versehe, fürgeschlagen, byn ich fur mein Person, auch von der loblichen Stende wegen, die mich abgesandt, gantz wol mit demselbigen Man friedlich gewesen, Bin auch solcheß bey eyner Loblichen Lanndschafft vnnd neben der Lanndschafft bey der Kayserlichen Matt., meynem allergnedigsten Herrn, allervnterthenigst zu uerantwortten erbotig, Bitte derhalben E. F. G. vnterthönig vnnd gantz vleissig, E. F. G. wollen gemeltem Irem diener Doctori Conrado gnediglich nachgeben vnnd befhelenn, daß er sich ohn allen verzug, wie er denn vor ettlichen tagen daruff verwarnet, mit Doctor Dauiden vff die vorstehende reyse begebe. Vnnd dieweill E. F. G. ann Doctor Dauiden gnediglich schreyben, daß sie auff sein vnterthonige gantz vleissige bitte solches geschehen lassen: so bitte Ich von der Loblichen Osterreychischen Landschafft vnnd meynet wegenn vff daß allervleyssigst, C. F. G. wollen vnß zu guedigem gefallen gemelten E. F. G. diener Doctori Conrado befehlen, daß er sich ohn allen vorzug vff den zuuor von Doctor Dauiden im angezeigten tagk zur reyse gefasst mache. Waß den Durchleuchten vnnd Hochgebornhen Fürsten Herrn Johannß Albrechten belangett, will ich in vnterthonigkeitt mich vorsehen, eß sollen I. F. G. mich meyner bitte gnediglich geweren, Vernime auch, daß des Doctors Conradi stedt allda durch seyne mitgehulffen one der Kyrchen nachteill khan verwaltet werden. Bitte derhalben noch eyn mal zum allervleissigsten, E. F. G. wolten mich zu bevorderung dieses hohen Chrystlichen vnnd heilsamen werks, darum ich von der Kaiserlichen Mayestatt vnnd der Osterreychischen Landschafft abgesandt, nicht lenger vffhalten, sonder diesem Irem diener Doctori Conrado sich mit Doctor Dauidten auff den weg zu begeben gnediglich erlauben vnnd befehelenn. Daß byn neben eyner gantzen Erbarn Lanndschafft in Osterreich ich mit allem vnterthonigen willen vnd diensten gegen E. F. G. zu uerschulden allezeitt gantz willig vnnd erbotig, Erwarte bey gegenwertigen meynem freunde, den ich der vrsach halben ab=

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gefertiget, E. F. G. gnedige furderliche vnnd vnabschlegliche anttwortt. Datum Rostogk, 29. Novembris, Anno 1568.

E. F. G.

Gehorsamer

Wolf Cristoff Maininger
zu Nusdorff.         
mppria.

Dem durchleuchtigenn, Hochgebornen Furstenn vnnd Herrn, Herrn Vlrychen, Hertzogenn tzu Mekalnburgk, Fursten tzu Wenden, Grauen tzu Schweryn, der Lande Rostogk vnnd Stargard Herrn, meynem gnedigen Fursten vnnd Herrn.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Das Siegel hat einen queer getheilten Schild, welcher mit einem Andreaskreuze belegt ist, das oben vertieft, unten erhaben ist; über und neben dem Schilde stehen die Buchstaben:

W  C   M
Z         N

Nr. 5.

D. d. Spitz, 1569. Februar 26.
ZASIO.

S. D. Generose et illustris domine, cancellarie amplissime, patrone colende. Delineauimus iussu delectorum ordinem concionum. missarum, dierum festorum, precum matutinarum et vespertinarum, lectionum, cantionum, ceremoniarum baptismi, examinis in confirmatione, confessionis et absolutionis priuatae et caeterorum rituum seruandorum in ecclesiis, quibus Augustanam Confessionem inuictissimus imperator permisit, ac ut mandatum fuit ab imperatore, exemplum agendae uetustiss. Augustanae Confessionis ecclesiarum Saxonicae inprimis et Brandeburgensis cum Noribergensi coniunctae secuti sumus. Plures etiam ceremonias et exercitia quotidianae in templis psalmorum, lectionum et precum recitationis pastoribus praescripsimus, quam agendae illae suis pastoribus unquam imposuerunt.

Nam et ipsi ordinis elegantiam in publicis congressibus ecclesiae et pias, utiles, elegantes ac conformes cere-

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monias conseruari optamus, dolemusque in multis locis etiam utiles ritus priuatae absolutionis, piarum cantionum et similes abolitos esse, et inuictissimi imperatoris pietatem, sapientiam, moderationem et studium ueris ac piis rationibus iuuandae et ornandae ecclesiae Christi reuerenter probamus et admiramur, quod nec fanaticis opinionibus locum in suis ditionibus praebere, nec manifestos abusus et superstititiones, quae superioribus seculis in ecclesiam irrepserunt, crudeliter defendere, sed in dogmatibus ueterem apostolicae et catholicae ecclesiae consensum constanter tueri et in ceremoniis ordinem concinnum et utilem ad aedificationem, ut Paulus loquitur, ad exitandam in auditoribus pietatem, ad docendos rudiores et augendam religionis reuerentiam ac ut omnia decenter et grauiter in ecclesia fiant, retinere instituit.

Nec profecto ulla maiora excellentis imperatoris decora sunt, quam talibus consiliis Christi summi imperatoris gloriam illustrare et saluti totius ecclesiae et patriae consulere, ac, ut ille in tragoedia inquit: Parcere ciuibus, fera caede abstinere, mores regere, reddere orbi quietem, seculo pacem suo: haec summa virtus, petitur hac coelum via.

Toto igitur pectore deum precamur, ut inuictissimum imperatorem haec summa bona orbi christiano impertientem et tuentem seruet incolumem ac florentem et gubernet ad communem patriae et imperii salutem et illustrandam ac ornandam gloriam dei.

Reuerenter etiam uestrae Celsitudini gratias agimus, quod sanctissima haec inuictissimi imperatoris consilia et purae religionis causam huc usque prouexit, ac submisse oramus, ut Cels do V. hoc officium domino deo gratum, ecclesiae salutare et Cels ni V. ad omnem posteritatem gloriosum fideliter pertexat et delineatam a nobis iussu ordinum agendam inuictissimo imperatori reuerenter commendet totumque hoc religionis negotium pie et feliciter perfici et ad exitum salutarem et optatum perduci sedulo curet.

Nobis in descriptione agendae ratio earum, quae sub baronibus et nobilibus sunt, ecclesiarum praecipue habenda fuit. Alioqui in vrbium et collegiatis ecclesiis ceremoniae plures et splendidiores ordinari potuissent. Nam et missam totam in coenobiis et cathedralibus ecclesiis latine celebrari et in urbibus cantiones latinas passim misceri, et horas canonicas de tempore cani et alios ritus ueteres

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et in ecclesia usitatos sine impietate retineri non dissuaderemus.

Sed in pagis nobilium et baronum ministri pauciores sunt et latinam linguam paucissimi norunt et ritus aliqui inutiles, iamdudum aboliti, et spreti, non sine summo scandalo restitui possunt. Itaque mentes et manus nostrae in hac . . scriptione ad normam verbi diuini et harum ecclesiarum salutem, quietem et tranquillitatem directae fuerunt, quam inutilium rituum, qui iam dudum usurpari desierunt, restitutione non necessaria turbari nollemus. Bene et feliciter Cels. V. ualeat. Spizae, die 26. Februa., Anno 1569.

Nach dem von der Hand des Amanuensis des Dr. David Chyträus geschriebenen Concepte im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 6.

D. d. Wien. 1569. August 1.

S. D. Illustrissime princeps, domine clementissime. Etsi saepe imperator in priuatis cum supremo collega nostro Johanne Wilelmo barone a Roggendorff, supremo equitum Austriae magistro, sermonibus clementissime et de ordine agendorum et superintendente ac consistorio in duorum statuum ecclesiis instituendo ac confirmando locutus est, tamen in scriptis resolutionibus nihil hactenus respondit melius, quam se et doctrinam et ritus Augustanae confessioni congruentes (qui etiam in libro agendorum recitati sunt) in ecclesiis duorum statuum Austriae tolerare et permittere et aduersus ecclesiasticos ac politicos aduersantes defendere et tueri velle. Quod ego quidem magnum et singulare Dei et imperatoris beneficium esse iudico, quod nemini doctrinae causa molestiam exhibet et liberam euangelii praedicationem non in procerum solummodo ditionibus, verum etiam in suis vrbibus plerisque tolerat. Cum autem duorum statuum delecti non modo tolerari, verum etiam authoritate imperatoris sibi ac haeredibus suis confirmari librum agendorum et templum in hac vrbe publicum concedi et superintendentis ac consistorii et scholae theologicae in hac vrbe instituendae facultatem

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praeberi petiuissent: vicit primum consiliariorum, intimi senatus (cum quo totam causam imperator, secus ac initio supremo collegae nostro ostensum erat, communicauit,) sententia, quae rem tantam et cum summo periculo coniunctam accuratius et diutius considerari et differri suadebat. Vrgentibus vero procerum delectis, vt ante discessum suum imperator categorice responderet, imporator si confirmari sua authoritate publica librum vellet, quaedam mutanda esse ostendit, quorum catalogum hodie a doctore Webero, quem precipue ordinum petitioni aduersari intelligo, expectamus. Coniectant aliqui nudam recitationem rituum, praecisis omnibus, prooemiis aliisque explicationibus dogmaticis et abusuum indicationibus, ex toto libro agendorum extractum et concessu imperatoris publicatum iri. Alii suspicantur petiturum imp., vt iuxta postremae paginae confessionis Augustanae praescriptum, episcopis ordinariis non persequentibus aut impedientibus euangelion, nec impias obligationes in ordinatione addentibus ministri procerum obedientiam praestent et ordinationem ab eis petant et in missae celebratione plures ritus, eleuationem praecipue et ornatum ac lychnos restituant. Quod vt recipiatur, ego suadere nunquam potero. Mihi ante quatriduum inter caetera imperator sua voce dixit, probari ipsi diligentiam et fidem in agendorum libro praestitam etc., sed videre se quaedam ad prouincialium arbitrium magis, quam meo iudicio scripta esse. Etsi autem in specie nihil expressit, tamen hoc ipsum mihi suspicionem mouet, vt de his ipsis ritibus apud nos vsitatis et in libro agendorum a me praeteritis eum sensisse existimem. Alii imperatorem inter sacrum et saxum haerere et ita in hoc negocio deliberationes instituere aiunt, vt simul et promissum ordinibus factum seruet et pontifici Romano ac Hispaniarum regi sua consilia et actiones probet. Ad eum finem mirabilis tela consiliorum in hoc ipso negocio instituta est, quae ad meas regulas theologicas parum congruit. Ego, cum lentius omnia procederent, aliquoties iam me in scholam meam Rostochiensem remitti petiui et literas ab imperatore et ordinibus ad V. Celss. flagitaui, quibus et emansio mea adeo diuturna excusaretur et officium Celsitudinum V. V. ipsis non ingratum fuisse ostenderetur. Cumque dies 30 Julii profectioni nostrae constituta fuisset, ordines quidem suas mihi literas tradiderunt, sed Zasius, qui se in meliore forma scripturum esse promiserat, pridie eius diei me

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hortatus est, vt aliquod adhuc dies manerem et exitum huius caussae felicem expectarem, nec ante se daturum literas imperatoris ostendit, quam in huius caussae tractatione conclusum esset. Postridie etiam baro Richardus Streinius significat, imperatorem clementissime petere, vt aliquot adhuc dies profectionem differam. Etsi autem quid hisce spebus, quae toties nos fefellerunt, tribuendum sit, ignoro: tamen nunc quidem me manere necesse est. Spero tamaen, imperatore ad comitia Vngarica hoc mense indicta Posonium proficiscente, nos iter ingressuros esse. Bene et feliciter Celss. V. V. valeant. Viennae, calendis Augusti, anno MDLXIX.

Illustriss. Cels. V.

reuerenter colens

Dauid   
Chytraeus.

Den Durchleuchtigen, Hochgebornen Fursten vnnd Herrnn, Herrn Johanns Albrechten vnnd Herrn Vlrichen, Hertzogen zu Mechälburg, Fürsten zue Wenden, Grauen zue Schwerinn, der Lannde Rostogkh vnnd Stargardt Herrnn, meinen gnedigen Fursten vnnd Herrn.

Nach dem von der Hand des Amanuensis des Dr. David Chyträus geschriebenen, von Chyträus vom Datum an aber eigenhändig unterschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Besiegelt ist der Brief mit einem Ringsiegel, welches auf einem Schilde das Lamm Gottes mit der Siegesfahne enthält und über dem Schilde die Buchstaben:

D. CHY

Nr. 7.

D. d. Wien. 1569. August 15.

Maximilian der Ander, von Gottes gnaden Erwöllter Römischer Kayser, zu allen zeiten Meerer des Reichs etc. .

Hochgeborner, lieber Öhaim vnd Fürst. Demnach vnns D. L. auf Anhalten, Bitt vnd beger der zwayer Stende ainer Ersamen vnnserer Lanndtschafft dits vnsern Ertzherzogthumbs

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Österreich vnder der Ennß von Herrn vnd der Ritterschafft zu berathschlagung allerley Religionsachen den Ersamen vnd gelerten Dauidem Chytraeum Alher zu kommen vnd sich seinem besondern verstand nach gebrauchen zu lassen vergonnt vnd bewilliget, welcher sich dann dermassen geflissen, gehorsamblich vnd guetwillig ertzaigt vnd mit bescheinung seines sondern fürtrefflichen Eyfers, den Er zu besserung des gemainen hailsamen Religionwesens vnd zu stifftung gueter Ordnung hat, dermassen vnd also verhalten, Das nit allain Sy, vnser Landstende, sonder auch wir selbst ain sonders, gnedigs wolgefallen darob empfangen, So bedanckhen wir vnns gegen D r. L. solcher Zulassung gantz gnedigclich vnd wolten vorder gern gesehen haben, das ermelter Chytraeus Zeitlicher widerumben zu D r . L. Uniuersitet zu Rostockh kommen vnd daselbsten sein function mit frucht continuiern mögen, Wie Er dann mermalß vmb dieselb zeitlichere vnd fürdersamere dimission, Erlassung und widerabfertigung vilfeltigs vnd embsig angehalten, Weil aber solches aus allerhand verhinderung ehender nit geschehen künden, So versehen wir vnns, begern es auch an D. L. gantz gnedigclich, Sy wellen Ine Chytraeum desselben verlengerten Alhiebleibens für sich vnd sonst Allenthalben entschuldigt nemen, vnd Ine bey angeregter Irer Uniuersitet zu Rostockh, wo vonnötten, Auch notturfftigclich entschuldigen, Insonderhait aber auch Ine Chytraeum sonst anderwerts zu seiner verrnern befürderung (deren Er zumal gantz wol würdig) Im besten beuolhen haben, Daran ertzaigen vnns D. L. ain vorder an= vnd danckhnemes wolgefallen, Vnd wir wollen es vmb dieselb D. L. in Kayserlichen gnaden, darmit wir D. L. one das gewegen, widerumben erkennen vnd bedenckhen. Geben in vnser Statt Wienn, den XV ten Augusti, Anno etc. . im LXIX ten , Vnserer Reiche des Römischen im sibenden, des Hungerischen im sechsten Und des Behemischen im XXI ten .

Maximilian.
t über V J. v. Zasius. Ad mandatum sacrae Caes ae
M tis proprium.     
W. Vnuerzagt.

Dem Hochgebornen Johanns Albrechten, Hertzogen zu Mechelnburg, vnnserm lieben Öhaim vnd Fürsten.

Nach dem mit dem kaiserlichen Siegel besiegelten Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 8.

D. d. Prag. 1571. Januar 14.

Wir Maximilian der ander, von Gottes genaden Erwölterr Römischer Kayser, zu allen zeiten mehrer des Reichs, zu Germanienn, zu Hungarn vndt Boheimb, Dolmatien vndt Schlauonien König, Ertzhertzog zu Osterreich, Herzog zu Burgundt, Steyr, Carndten, Crainn vndt Wirtenberg, Graue zu Tyrol etc. ., Bekennenn, nachdem vnsere getreue zwei Stendt von Herrn vndt Ritterschafft unsers Ertzhertzogthumbs Österreich vndter der Enß nun viel lange Jahr sowohll bey Regierungszeitt weillandt vnsers Lieben Hrn. vndt Vatters Kayser Verdinandten, Gotseeliger vnd hochlöblicher gedechtnus, als nachmahls bey vns selbst nach eintrettung vnsers Kayserthumbs vnd Furstl. Regimendts vndterthenigst undt vnaufhörlich gebettenn, Ihnen genediglich zu vergönnenn, doßie sich des Exercitii Religionis als in verkhundtung des Götlichen wortts, Raichung der Sacramenta vndt anstellung der Caeremonien nach ausweißung der Augspurgischen Confession, wie die Anno dreißig unsern auch in Gott ruhenden lieben Hrn. Vettern, Schweher vndt Vattern, Kayser Carolo den Funfften Hochlobl. gedechtnus uon Etlichen Churfurstenn, Furstenn undt Städten des Reichs vberreicht wordenn, gebrauchen möchten undt wir darauff die sachen mehrmallen zu zeitlichen Rahtt gezogenn, das wir darauf Letzlich ermelten Baiden Ständenn aus uillen Hochbeweglichen Vrsachen. sonderlich aber, damit den Beschwerlichenn Jetz hin vndt wieder schwebendtenn Secten desto mehr in vnsernn N. Ö. Landten gewährdt würde, genediglich Bewilligt, uergönt vnd Endtlich zuegelaßenn, das Sy, wie wir Ihnen dann des hiemit Bewilligen, vergönnen und zulaßen, sich auf undt In allen Ihren schlossernn, Heußern vndt gueternn (doch außer unserer Städt vndt Märckt) fur sich selbst, Ihr gesindt undt Ihre zugehörige Kirchen, zugleich auch für Ihre Vndterthanen solche Confession vndt uberreichter durch sie, stende, gefertigter Agenda frey gebrauchen mögenn undt derselbigenn gemeß und nit zuwider, sowoll die Lehr, als die Caeremonien anstellen vndt in das werck ziehen mögenn, Alles bis zu einer allgemeinenn Christlichen Reformation und Gotseeligenn uergleichung der Religion in Teutscher nation, Darauf sich gemeldte zwei Stende gehorsamblich erbottenn, kein andere Lehr, Gottsdienst, noch Caeremonien, als die angeregte Augspurgische Confession vndt Agenda In Ihrer, der zwayer Stendte, Kirchenn weder einzufuhrenn, noch zu Laydenn, Auch sich Keines andernn gebrauchs weder In der

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Lehr, noch Caeremonien, dann wie solche Confession und Agenda außweiset und mitbringt, anzumaßen, sondern das gegen denen, so sich eines andern undterstehen wurden, mit Ernstlicher Straff uerfahren werdenn soll, Vndt dann auch die gedachten zwen Landtstende, noch Jemandts der Ihrigen, Geistlichen Vndt weldtlichenn, der Catholischen Religionn zugethann, In zeitlichen, noch Leiblichenn gar nit zuwieder seinn oder uon Vndterschiedt wegen des glaubens was gegen Ihnen furnembenn oder thuenn, sondern es Ihnen als Ihren Liebenn Mitgliedernn treulich meinen vndt sonderlich an Ihren Kirchen geb[äu]den khainen Troz, gewaldt, noch fräuel beweißen, Noch an Ihrem zeitlichenn einkomben Ichtes außer Recht entziehenn, Wie sey dann dergleichen uon dem andernn In gleichen fall auch allendthalbenn gewertig seinn mögen und sollen, Vndt wir Sy Vndt Jeden, Insonderheit auch Ihre Erbenn Vndt nachkommenn, samb Ihrem farhern, Kirchenn undt Schullenn all Ihr Vndterthahenen Vndt zugehörungenn solcher unserer bewilligung halber mit Rechten wißenn und zeitigenn gutenn bedacht aus Kayserlicher undt Landesfurstlicher macht fur vns, alle unsere Erbenn und Nachkommenn hiemit assecuriren undt uersichernn, Also undt dergestaldt, das sy sich derhalben weder bey uns, unsern Erbenn undt nachkombenn und unsern Vndt derselbenn vnserer Erbenn nach gesetzen, obrigkaitenn ainiger Vngnad, gefahr oder ander wiederwertigkhait zu besorgen haben, sondern derwegen vor meniglich Geistliches oder Weldtliches Stands uersichert undt uergewiß sein und bleiben sollen, Alß Bey unsern Kayserl. Wordtenn, darwider Jetz noch kunfftiglich weder aus Kayserlicher oder Landsfurstlicher macht, dispensation, Indult oder Absolution nicht zu thuen, noch zu thuenn gestattenn, so lang vndt viell bis zu ainer algemeinen Christlichen reformation vndt Gotseelig Verleihung der Heiligen Religionn In Teutscher Nation, Ohn geuerde. Zu Vhrkundt besiegeldt mit unserm anhangenten Insiegell Vndt geben auf unserm Kayserl. Schlos Prag, denn Vierzehendenn Tag des Monaths January, Anno etc. . Im ein vndt siebenzigisten, Vnserer Reiche des Röm. Im Neundenn, des Hungarischen Im Achtenn undt des Boheimbischenn im zwey vndt zwanzigstenn.

Maximilian.
t über V Jo. Bap. Weber D. Ad mandatum sacrae caes ae
Maiestatis proprium.     
W. Vnuerzagt.

Nach einer am 5. Dec. 1618 zu Wien in der österreichischen Regierungs=Canzlei von dem Originale genommenen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.

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Nr. 9.

D. d. 1572. Februar 3.

An heut den dritten tag Februarii Anno etc. . Im zway vndt siebenzigstenn Haben die Hern der zwayer Ständt von Hernn vnd der Ritterschafft dieses Ertzhertzogthumbs Österreich, welche in ainer Ansehlichenn Anzahll Beysamenn gewest, Der Hern von Ihnen den zwayen Ständenn Im verscheinen Acht und Sechßigistenn Jahr zu verfaßung ainer Christl. Kirchenordnung der Agenda deputierten gethane Relation Ihrer außrichtung Gleichfals etlicher Predicantenn Im Landt furgebrachte gen. . . . In der Verglichnen, nunmehr In druck gebrachtenn Agenda Vndt der Hernn deputirten Appologia Schriefft darauff Nach lengs Angehört Vndt weill sie die Hernn der zwayer Ständt zu erindernn wißenn, das von Ihnen auch In gemelten Acht vndt sechistenn Jar ein statlich auschos mit Vollkommenn Gewaldt verordent, welches auschus die agenda Nach Ihrer verfaßung mit den Hrn. deputirten vonn Ihr der zwayer Stendt wegenn Endtlich schließen Mügenn Vndt sollenn, Inhaldt des Verfertigten Gewalts, der darumbenn verhandenn, vndt auff solches die hern deputiertenn gedachten Hrn. Auschüßenn die Agenda nach Ihrer verfaßung hievor furgebracht, die Sie auch nach lengst abgehört, Notturfftigelich beratschlagt vndt der heil. Biblischenn, Provetischenn, Euangel., Apostolischenn schriefftenn, Sambt der Augspurg. Confession gleichmeßig geachtet vndt erkundt, darauff dan gefolgt, das die Herrn deputirten solche durch die Herrn Auschus Approbierte agenda der Rom. Kayserl. Mtt vnsern Allergnedigesten hern gehorsamblich vbergebenn vnd nach vieller bemühung auch Bey Ihrer Kayserl. Maytt. So Viel erhaldtenn, das Berurte Agenda mit Ihrer Kyl. Maytt. gäntzlich verglichenn vndt nunmehr in offnen Druck gebracht, vber das auch solche Agenda, alles den zweyenn Ständenn furkumbt, von etl. furnemenn Evangel. Vniversiteten vnd andernn Christl. gelerten Persohnen fuer Christlich, der Biblischenn Evangel. schriefft vnd Augspurgerischenn Confession gleichmeßig erkent vndt gereumbt wirdt, So wollen dem allen nach die herrn der zwayen Stendt Abbegriffenn Agenda vngeachtet der Agendt, die Jetzo darwieder von etl. angezogenn vndt kunfftig auff solche weg enkummen möchten, Nach zeitiger wolbedächtiger beratschlagung hiemit auch angenommenn habenn, die auch bey Ihren Kirchenn mit Negster gelegenheit Ins werck richtenn vndt dabey bleibenn, So lange vnd Viell die durch ordenl. Mitl. v. weg der heil. Götl. Biblischenn vnd Euangel.

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schriefft sambt der Augspurgischen Confeßion gemes nicht fur Irrig oder wiederwertig erkhandt vndt billich verworffen wirdt.

Was nachmahlen belangt die Mengl, welche wieder die Agenda von etl. Predicantenn furkhumen sein vnd Noch furkhumen möchten, In demselben die Hern Deputierten gedacht seinn, das sie denenn, welche also Mengl habenn vermeinenn auf ehr ersuchenn allen Notwendigen Berichtuen, Ob es nit Ihnen zu Richtigkeitt gebracht werden möchte.

Also sollen auch die Herrn Deputierten Allen müglichen fleis fuerwenden, Damit daß Doctrinal mit ehister gelegenheit verglichen vndt Ins werck gericht, Aber vor seinem Beschlues denn Ständenn zu ersehen furgebracht werde.

Zu Vhrkundt Vndt mehrer Becrefftigung deßen, das die zwen Stendt die Agenda mit obbegrieffner Condition dieser zeit Angenommenn, haben sich die hievnten Verzeignete hern aus Beiden Stendenn mit eignenn handen vndterschriebenn.

Actum vt supra.

Hans Wilhelm Hr. Niclas Salm. Wilhelm Hoffman.
zu Rogendorff, Landt=
marschalch.
Rath (?) von Puchem. Gabriel Stein (?). Heinrich von
Starhenberg.
Hans Wolffart Hr. Rüdiger H. von Hart. H. v. Lich=
zu Schwarznau. Starhemberg. tenstein.
Adam von Puchem. Wolffhard Sigm (?). Ludewig Behem
v. Friedenheimb.
Christoff Stricks (?). Christoff Ober= Christoff Puben.
heim, LMarschalck.
Wolff Christoff Mainnig Christoff v. Kunig= Hans Ruber.
zu Rußdorff. sperg von Pergen (?).
Victor von M(ainigger). Siegmundt Leise. Leopold Grabner
zu Rosenberg.
Michael Lossperger (?). Christoff Wolthaus.
v. Durn.
Wolff Freyberger (?).

Nach einer Abschrift, wahrscheinlich aus Wien vom J. 1618, im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.
Die Handschrift ist sehr undeutlich, namentlich in den Unterschriften der Namen, welche von dem Abschreiber sicher nicht alle verstanden sind; es ist hier gegeben, was zu entziffern möglich war, ohne jedoch die Richtigkeit anzunehmen. Die Personen können wohl nur nach Original =Acten und Unterschriften sicher gestellt werden.


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Nr. 10.

D. d. Rostock. 1573. Sept. 9.

S. D. Illustrissime princeps, domine clementissime. Ante triduum aduenit ex Stiria legatus ordinum prouinciae, qui iuxta concessam superiori mense Junio ab illustriss. Cels. V. mihi abeundi facultatem me illuc deducat. Vir nobilis est et eruditus ac industrius, quem praefectum arci Gomorrhae in Vngaria et postea Viennae ante quadriennium familiariter noui. De saluo conductu archiducis Caroli, quem petieram, respondent delecti prouincialium; se ultra viginti annos, etiam sub caesare Ferdinando, facultatem uocandi ecclesiarum et scholarum ministros liberam habuisse ac suae libertati et iuri praeiudicium allatum, iri si ab aula saluum conductum suarum ecclesiarum ministris petere incipiant. Promittunt autem, nisi deus nos morbis uel aliis inexpectatis casibus urgeat, securitatem eandem, qua ipsi fruantur. Hunc uero nobilem in reliquo itinere ducem et custodem nobis adiungunt. Decreui igitur, deo ducente et iuuante et Cels. V. clementissime assentiente, proximis diebus iter cum ipso ingredi, et interea, dum legatus negocia, quae in Marchia suorum mandatu expedire iussus est, tractabit, cum D. Kemnicio de scriptis quibusdam ad nos missis aliquot diesconferam. Deum aeternum patrem domini nostri Jesu Christi toto pectore precor, ut inclytam Cels. V. cum illustrissima coniuge et generosissimis filiis, gubernationi patriae ad posteritatem diuinitus destinatis, incolumes et florentes seruet et meum hoc iter ac consilia actionesque omnes ad suam gloriam et ecclesiae salutem gubernet. Datae Rostochii, postridie Natiuitatis Mariae, Anno 1573.

Illustriss. Cels. V.

reuerenter colens

Dauid Chytraeus.    

Illustrissimo principi et domino, d. Johanni Alberto, duci Megapolensi, principi gentis Henetae, comiti Suerini, domino Rostochii et Stargardiae, domino suo clementissimo,

Nach dem von der Hand des Amanuensis des Dr. David Chyträus geschriebenen, von Chyträus vom Datum an aber eigenhändig unterschriebenen Originale im großherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 11.

D. d. Gratz. 1573. Oct. 19.

Durchleüchtiger, Hochgeborner Fürst, Gnediger Herr. Eur Fr. g. etc. . sinndt vnnser gantz willige vnd beflissene gehorsame dienst yederzeit berait zuuor. Auf Eur Fr. g. etc. . hieuor beschehene gnädige vertrostung vnd bewilligung, Vnnd das sie dem H. Doctor Dauidt Chytreo auf vnnser in namen Einer Ersamen Lanndtschafft gantz dienstlichs vnd hochvleissigs anlangen ein khurze Zeit zu Reformirung vnd anrichtung vnnserer Christlichen Schuelen vnd Khirchen alheer zu vnnß zu khummen mit gnaden erlaubt, dessen wir vnnß dan in namen wolermelter Einer Ersamen Lanndtschafft gantz freuntlich vnd gehorsambs vleiß thuen bedankhen, Haben wir alberait alle guette fürsehung vnd Verordnung gethan, damit er vnd seine gefertten sicher alheer gebracht mochten werden, Der Allmechtig Gott der wolle Ime vnd seine gefertten nur sunst für vnfal vnd etwan zusteunden vnglückh gnedigelich verhütten, Dieweil sich aber Bernhardt Lerch, Einer Ersamen Lanndtschafft bestelter Hauptman vnnd vnnser gesandter gegen Euer Fr. g. an vnnser stabt Reuersiren müssen, das ernenter H. Chytreus lenger nit, dan ein halbes Jar alhie bey.vnnß aufgehalten solle werden, Vnnd nunmehr von wegen weitte des weegs ein Zimbliche Zeit verstrichen, Auch des hin vnd widerraisens noch mehr Zeit hingehn wirdt, Haben wir demnach nit mügen vnterlassen, Eur Fr. g. hiemit gantz dienstlich vnd gehorsambs vleiß zu pitten, Die wollen Einer Ersamen Lanndtschafft in Steyr Vnd dem gantzen wesen, welches allain zu lob vnd preiß des Allmechtigen thuet gedeyen, so guetwillig vnd gnedig erscheinen, Vnnd die Zeit noch etwas lenger erstrekhen, Oder do ernenter H. Chytreus sich darüber lenger saumen vnd zugleich den verschribenen Termin nit erraichen wurde, Das es Eur Fr. g. khainen fürsetzlichen auftzug oder das wir ichtes wider die gegebene verschreibung gehandlet solten haben zumessen wolten, Verhoffentlich weil Eur Fr. g. das maiste bewilligt, Die werden vmb ein Claines, do der Termin so gar praecise nit gehalten wurde, nit reden oder ainich anders nachgedenkhen machen, Sundern denselben aus obertzelten vrsachen noch weitter mit gnaden, wie obsteht, erstrekhen, Sunst sollen vnd wollen wir allen andern Püncten, Inmassen des Lerchen gegebene Verschreibung vermag, aller mügligkhait nach außer Gottes gwaldt treulich nachkhommen, Solchs alles wirdt Ein Ersa. Landt. neben andern ditzfals durch Eur Fr. g.

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ertzaigten wolthaten Ires hochsten vermügens in gehorsam zu uerdienen yederzeit willig vnd beflissen sein, Eur Fr. g. vnns daneben dienstlich beuelhendt. Datum Grätz, den 19. Octobr. Anno etc. . Im 73t en .

Eur Fr. G.

Dienstwillige

Einer Ersamen Landtschafft des     
Hertzogthumbs Steyer Verordendte.

Dem Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten vnd herrn, herrn Johan Albrechten, Hertzogen zu Mechelburg, Fürsten zu Wenden, Grauen zu Schwerin, der Lannde Rostockh vnd Stargarden herrn etc. ., vnnserm genedigen Fursten vnd herrn.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.
Der Brief ist auf Einem Streifen Papier mit 4 Siegeln auf rothem Wachs besiegelt:
1) ein Schild mit zwei schräge rechts gelegten Fäden, zwischen denen drei mit den Spitzen nach unten gekehrte Keile stehen, über dem Schilde die Buchstaben:
. W . . (= Wolf Zwickel)
Wolf Zwickel wird 9. Febr. 1578 in der steierschen Landschaft genannt. Die Zwickel waren ein steiersches Geschlecht, das auch freiherrlich und gräflich war, jetzt ausgestorben;
2) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 ein einwärts sehender Adler, in 2 und 3 ein rechts gekehrtes, springendes Schwein, darüber zwei Helme, rechts mit einem einwärts gekehrten Mannes=Rumpf mit Mütze, links mit dem wachsenden Schwein. Buchstaben sind nicht zu erkennen. Dies ist das volle Wappen der
= von Rindscheidt,
eines steierschen Geschlechts, das die Herrschaften Schichtleiten und Feldberg besaß. Dieses Siegel ist ein anderes, als das Siegel Nr. 2 an dem Briefe vom 18. April 1574;
3) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 mit einer Spitze, in 2 und 3 mit einer vorwärts gekehrten, die Flügel ausbreitenden Eule, über dem Schilde die Buchstaben:
E. V. S. (= Erasmus Von Saurau).
Dies ist ein anderes Siegel, als das Siegel Nr. 3, mit welchem der Brief vom 18. April 1574 besiegelt ist; vgl. daselbst:
4) ein Schild mit drei queer liegenden, rechts gekehrten, bekleideten Armen mit flacher Hand, über einander, darüber ein Helm mit zwei gegen einander gekehrten Armen, welche drei Straußfedern halten, neben dem Helme die Buchstaben:
E V │ S P (= Erasmus Von Stadtler [Peter?]).
Dies ist dasselbe Siegel, mit dem auch die Briefe vom 18. April und 1. Junii 1574 besiegelt sind. Die feste Bestimmung der Siegel verdanke ich meinem Freunde Masch.

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Nr. 12.

D. d. Pirna. 1573. Decbr. 8.

S. D. Magnifice domine cancellarie, patrone colende. Quem cui commendes, etiam atque etiam aspice, ne mox incutiant aliena tibi peccata pudorem. Id D. Chytraeo accidit, cum D. Coelestinum saepe ab ipso coram et per literas petentem ac urgentem Austriacis et Stiriis vocandum proposuit. Nunc non modo iudicii et doctrinae inopiam, verum etiam mores scurriles, inconsideratos et vehementes impetus, Thrasonicum fastum, quo se in itinere aliquoties mihi plane friuolis et futilibus de causis opposuit, denique vanissimam iactantiam et arrogantiam et impudentissimum pecuniae et quaestus multo maius quam gloriae dei studium multo plus dedecoris, infamiae et labis, quam praesidii, honoris ac emolumenti tenerae ecclesiae nostrae et ipsi Chytraeo et toti causae, ad quam vocantur, allaturam esse praeuideo. Itaque iis causis, quas in literis ad illustriss. electorem Brandeburgensem exposui, adductus, Coelestinum a me dimisi et literas reuersales illustriss. Cels ni ipsius renunciaui, praesertim cum non isthic solum, sed Dresdae inprimis a uiris grauibus et generosis praemonitus sim, ut hanc labem a me remouerem. Itaque ex Austria etiam, quo nunc iter intendit, quam primum eum reuocari utile esset, ne illic etiam uiros optimos et uerae religionis studiosissimos sua importunitate turbaret, et teneris illis ecclesiis maculam inureret et ipsum Chytraeum nimis in hoc homine commendando facilem deformaret. Haec bono studio M. V. significo et reuerenter oro, ut ea optimam in partem accipiat. Bene ualete. Birnae 8. Decembris.

Bernhardus Lerche.      

D. Lamperto Distelmayr,
Cancellario electoris Brandenburgensis.

Nach einer Abschrift von der Hand des Amanuensis des Dr. David Chyträus im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 13.

Zu 1573. Dec. 8.

Die Vrsachen, darumb Ich Georgium Coelestinum nicht hab wöllen noch sollen weiter mit in Steyermarckh füeren, sinndt dise.

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Erstlich Das ich befunnden, wie Er mit listickhlichen Practicierten Vocationibus Zugleich in Ossterreich vnnd Steyer beiden Lanndschafften auf eine Zeit dienst zuegesagt vnnd also mit einer raise vnnd einer Zeit von beiden Lanndtschafften doppelten sold erwiischen wöllen. Hat darumb, vnangesehen das ich in meiner Instruction einen gewissen weeg verzaichnet vnnd Er denselben mit mier zw reisen etlichmall zuegesagt, dennoch Immerdar auff Wienn die raise zu nemben von newen angehallten vnnd gedrewet, mit dem Anhange, das Er darumb eigene Pferdt vnnd wagen hette, das er wölle raisen, wo es Im hin geliebet vnnd nicht, wo es einem anndern gefalle.

Zwm anndern hab ich vermög meiner habennden Instruction von seiner gelegenhait, leben vnnd wanndel trewlich nachgefraget vnnd von viellen fürnemben Leüthen vernomben, auch selbst villfeltig erfahren, das er ein vnbestenndiger, gelt = vnnd Ehrsichtiger, vngehalltner, seltzamer khopf ist, der da was er heut redet, morgen baldt wider leugkhnet etc. ., Das er auch, wie mier die Churfl. Brand. Räthe auff mein anbringen selbs gesagt, zu den sachen, dartzue er erfordert, wenig oder nichts diennstlich wäre, wie ich denn selbst gesehen, das man im zu Berlin ganntz vnnd gar khaine Superintendentz oder auffsicht auff anndere khirchen in der Marckh, ia auch nicht vber seine eigene Chorschueler vnnd Thuempfaffen vertrawet, Demnach hat mier Dr. Chyträus dises damit außgeredet, das Er Chyträus mit Gottes hulff die arbeit für im thuen, vnnd im die Ehr, ansehen vnnd wert gern laßen wölle, Hoffe auch, er Cölestinus solt seinen vermanungen, wie er im offt zuegesagt, sonnst folgen, wölliches Ich doch ganntz vnnd gar nichts spüren hab khönnen, das er also in Steyermarckht wenig nutz sein, vnnd vill mer die khirchen zerbrechen vnnd zerstören, alls bößern vnnd auffpawen wurde.

Zum dritten hab ich auff disem ganntzem weeg erfaren, das er nicht alls ein Theologus, sonnder als ein hoffertiger, nichtiger Thraso sich gebaret, denn da Dr. Chyträus mit zwayen Dienern zufriden, hat er fünff oder Sechß auffgenomben, hat darneben zwey besonndere reitpferdt, die auff Ine allein neben seinen wagen warten müessen, er reget auch in herbergen auß nichtigen vrsachen vnnöthigs muetwilligs gezenckh seines gesinndts halben, schreiet wie ein vngehaltner, toller mensch, ietz hat er nicht wein, ietzt gefellt im das essen nicht, ietz sitzt sein khnecht so bequem nicht alls die meine.

Zum vierdten siche ich, das es Im alles allein vmb gellt (das im stets on vnndterlaß vill mer denn Gottes ehr vnnd der khirchen haill im maull liget) zu thuen ist vnnd das

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Er durch dise mit list durch sich selbst erpracticierteVocationes nicht annders, alß gelt vnnd eitele ehr vnnd rhuem suechet, wie er denn, alls baldt im ain schreiben auß Ossterreich zuegekhomen, solliches offentlich durch den druckh Jederman verkhündiget hat.

Zum fünfften hab ich zw Berlin selbs gesehen, das er von seinen eigenen leuthen, von den Curfl. Brannd. Räthen nur für einen Stockhfisch vnnd freidenmacher gehallten wierdt, damit sie in ieren Collationibus die zeit vertreiben vnnd seiner Scurrilischen Zotten vnnd boßen lachen, Einen sollichen Mann findet man in Steyermarckh woll, Das nicht not, mit so grossen vnkhosten einen auß der Marckh zu hollen, wurde auch den khirchen daselbst wenig erlich vnnd dienstlich sein.

Zum Sechsten ist Coelestinus den 5. Decembris auff dem weeg nach Dreesen im feldt von vnns geritten, zu Dreesen sein eigene Herberg genomben vnnd mir nicht mit einem wort antzaigen laßen, wo er were vnnd alß ich den andern tag auff sein wöllen vnnd zu seinem gesindt (das er in meine Herberg losieret) ettlichmall geschickht, das Jemandt, den ich vom Coelestino fragen khonnte, wo er were vnnd ob er mit auff sein wollte, zu mier kheme, haben sie mier spöttlich ansagen lassen, sie haben mit mier nichts zu thuen, Sy haben ieren Herren, darauf sy warten.

Das Ich nun ein sollichen hochmuetigen, nichtigen Abentewerer vnnd zenckhischen, hoffertigen Narren auff ewer G. vnnkhost lennger bei mier nicht halten konnen, hoffe ich bei Euer G. entschuldigt zu sein, Hette Ime auch für der Zeit, ehe wier geen Birnna khommen, vnd noch woll zw Berlin eben den Abschidt gegeben, wo nicht Dr. Chytraeus darfür gepetten, dieweill er sowoll, alls Chytraeus Vociert vnnd vom Churfürsten begeret vnnd erlaubt were, das sie nicht woll one grossen schimpf khonnten getrennet werden, wie er Ime denn selbst in allen dingen den Vortzug vnnd ehr gonnete.

Nachdem Ich aber erstlich zw Berlin von fürnemen verstenndigen Mennern vnnd sonnderlich darnach zw Dresen von zwayen Ansehenlichen grossen leuthen, denen er Coelestinus bösser, denn Dr. Chytraeo vnnd mier bekhandt, auff das allervleissigist bin verwarnet worden, das ich mich des gottlosen wuecherischen Manns loß machen sollte, vnnd ich selbs zw Berlin vnnd auff dem wege Coelestinum, wie er mier von anndern beschriben, in der That Erkhennet habe.

Zw dem vnnd vber das alles, das er mich im ersten mit seinen falschen betrüeglichen vnnd listigen worten eingenomben vnnd betrogen, das er ihe vnnd alle mall hoch vnnd seer ge=

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rhumbt, er were mit dem Herren Chytraeo in dem vertrawen vnnd verainigung, das er Herr Chytraeus on Im weder in Austriam, Stiriam oder annderstwohin zoge, vnnd wiewoll ich auß seinem leichtfertigem gottlosem leben hernach verstannden vnnd mier zum taill seine Hanndlungen nicht haben gefallen wöllen, hab ich doch, wie gern ichs offtmalls gethan hette, dem Herren Chytraeo wögen seines falschen gemelten angebenß nichts sagen dörffen vnnd hierinnen des Herren Chytraei verschonet, weillen er Coelestinus den schalckh vor Ime so maisterlich hat khünen verbergen.

Nun hat gedachter betrogner Coelestinus mich nicht allain mit seinem erdichten fürgeben auff sollichen wahn gesetzt, sonndern noch darüber ettlichmall an den Herren Chytraeum begehrt, Er wölle solliches, das der Chyträus ohn Im nirgents hin raisen wollt, auch an den Brandeburgischen Churfürstlichen Cantzler durch ein schrifften vermelden vnnd in Summa mit diser ganutzen action vnnd seinen falschen erpracticierten Vocationibus nichts annderst gesuecht, weillen Er ein grober vngelerter Esel ist, seinen herren vnnd Churfürsten damit zu persuadirn, alls wer an Ime, der so weit von frembden Nationen Vociert wurde, so gar vill gelegen, oder aber Ihre Churfl. g. seine besoldung, der er one das den halben sechsten taill nicht wierdig, zu staigern zu vberreden.

Wie er Coelestinus auch mit dem gueten, allten, fromen weiterkhannten Mann Luca Loszio sambt seinem Aiden vnnder beiden Einer Er. Lanndtschafft in Ossterreich vnd Steyer Namen ist vmbganngen, sollt sich billich ein ehrlicher Mann, was Er Coelestinus gethan, zu thuen hochlich schemen. Dann er die gueten leuth gleichwoll auff begeren der Hertzogin von Luneburg, hochermelten Churfürsten von Brandeburg schwöster, geen Berlin erfordert, wie sie aber dahin khomen, hat er sie in ein wiertshauß furiert, vnnd nachdem sie dasienig, was hochgedachte Fürsten begert, verreicht haben, hat ire Furst. G. die zerung auch ierent halben auffgehaben, Nicht desto weniger aber hat der vnuerschambte Mann Coelestinus die sachen dahin dirigiert vnnd mit seiner auffrechten Erbarkhait Practiciert, das er die Zerung, so die baiden Herren gethan, alls weren sie in den Össterreichischen vnnd Steirischen sachen alda gewösen, den Stenden in Ossterreich aufflegen vnnd auch eben mier im namen Einer Ersamen Lanndtschafft in Steyer dieselbe Zörung auch zuesetzen wöllen, wöllichs aber herr Chytraeus, der dise seine falsche list vnnd betrug nicht hat guet khönnen haissen, nicht hat gestatten wöllen, sonnder mier solliches

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angezaigt. Ob nun solliches einem Erlichen Man gebürt, khan leichtlich erkhannt werden.

Letzlich Auch hat er zween Anndere Magister eine geraume zeit zw Berlin an der zerung bei einem wiert gehabt, wölliche zerung ich im Namen der Stendt in Steyer, vnangesehen Ich mit den Magistris nichts zu thuen gehabt, sambt Anndern Costen vnnötiger weiß hab vberschwenckhlich zallen müessen, vnnd hat sein Raitungen dermassen vnnd Erbar gestöllt, das ich biß auff dato dieselb nicht hab khönnen von Im bringen, noch vill weniger den Erbarn wiert, wollicher des Coelestini gesell vnnd in gleichen Ehren stehen, wie Ich in betzallen wöllen, khönnen im Hauß finnden oder zu worten khomen, was ich aber hernach betzallt hab, ist geschechen darumb das ich meinen genedigen Herren, Einer Ersamen Lanndtschafft von dem Bestia Coelestino nichts vnbillichs wollt lassen nachreden, Dann vnuerschamptern Theologum hab ich mein leblanng nit gesehen.

Sollt Ich nun, gnedig vnnd gepiettendt herren, sollichen hochtrabendenn Thrasonem vnnd geitzigen, gottlosen, leichtfertigen vnnd vnbestendigen menschen haben daher gebracht, wist ich für Gott oder E. G. vnnd Hrn. nimmermer zu uerantworten. Dann laider wer vnuonötten, das E. g. vmb solliche Leuth, alls Coelestinus ainer vnnd allenthalben beschrieren ist, so weit sollten schickhen, weill man dergleichen im Lanndt woll finden khonnt, vnnd Pitt gehorsamlich, E. g. wöllen mich also des Goelestini halben genedickhlich enndtschuldigt haben.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.
Auf der Rückseite steht die Registratur:
1574. Bernhartt lerchen berichtt, aus was vrsachen er Doctorem Celestinum nicht hatt in die steyr Marckh gestatten wollen.


Nr. 14.

D. d. Gratz. 1573. December 30.

Magnifice domine cancellarie, patrone colende. Initio M. V rae mea studia et officia omnia cum debita subiectione et obseruantia defero. Deinde reuerenter M. V. gratias ago, quod me singulari humanitate et clementia superioribus mensibus Jonae Offenburgeri literas exhibentem M a.

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V. audire suamque mihi beneuolentiam et officia clementer deferre dignata est. Cumque existimem dignitatis vestrae in hoc aulae caesareae fastigio et reipublicae etiam interesse, ne Thrasones inepti et arrogantes, alienis plumis se uenditantes vestris etiam testimoniis et priuilegiis, magis inflentur et insolescant: significandum vobis duxi, Georgium Coelestinum quendam, electoris Brandeburgensis concionatorem, literas sui electoris nomine scriptas Caes. M ti exhibiturum esse, quibus priuilegia petuntur pro libris, quos ipse nec composuit, nec tantum iudicii et doctrinae habet, ut componere eos unquam possit. Nam quae in historia deliberationum et actorum de religione in comitiis anni 1530 inchoata sunt, ea D. Chytraeum digessisse et concinnasse omnia intelligo. Edidit et antea libellum Germanicum: Von der Thumstifft vrsprung vnd furnemsten Emptern der Thumherrn, in quo nullum ipsius verbum proprium est, praeter epistolam dedicatoriam fortasse, caetera enim a D. Chytcraeo etiam scripta esse scio. Cantica veteris ecclesiae, de quibus multos iam annos insolenter passim gloriatus est, nondum colligi coepta sunt, nec, etiamsi facilis et nullius fere ingenii labor est, colligi ab ipso possunt. Significabit igitur M. V a. huic Thrasoni, ut libros illos, de quibus priuilegia petit, a se ipso compositos et absolutos Caes. M ti censendos exhibeat, tum M tiam V. ea quae conueniat responsuram esse, sed rectius fortasse in usitata forma duobus verbis statim ipsi negabitur. Nam tales asinos priuilegiis ornari, nec ecclesiae catholicae honori, nec reipublicae utile est. Haec bono et simplici studio M. V. indico, quae ut in bonam partem M. V. accipiat, reuerenter oro. Bene et feliciter ualete. Graezae, III. Cal. Januarii inchoantis annum 1574.

M. V.

addictiss.

Bernh. Lerch.     

Magnifico et amplissimo domino nobilitate generis, sapientia, virtute et dignitate praestanti D. Johanni Baptistae Webero, sacrae Caesareae Maiestatis cancellario, domino suo et patrono reuerenter colendo.

Nach einem durch eigenhändige Unterschrift originalisirten, jedoch nicht besiegelten, also sicher nicht abgeschickten Exemplare im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 15.

D. d. Gratz. 1574. März 20.

Illustrissime princeps, domine clementissime. Graeciam, Stiriae metropolin, die 2 Januarii primum deo ducente perueni. Morae causa fuit, quod legato Stiriaco, ductori meo, praeter expectationem quaedam inciderent, vt pegasario cursu sibi in Stiriam eundum et redeundum iudicaret, priusquam vna iter institutum ingrederemur. Coloniae igitur ad Sueuum interea, quae ad futuras deliberationes pertinere arbitrabar, apparaui. Tandem calendis Decembris inde digressi, pridie Natalis Christi Pyrenaeum Stiriae transcendimus ac in Anasi valle aliquot dies, tum propter ferias γενεδλίων filii dei, tum propter niuium in angustis montium vallibus vias obstruentium copiam, praecipue vero, quod obuiam nobis cum literis prouincialium ad Danubium missi in itinere a nobis aberrauerant, commorati sumus. Tandem denuo Graeciam recta contendere iussi, postquam eo postridie cal. Januarii peruenimus, a delectis ordinum prouinciae et aliis amantissime excepti sumus, ac statim mandata delecti dederunt, vt arma Celsitudini V. cuderentur, quae et firmitate, sustinendi machinarum ictus probata et auro eleganter splendideque insignita spero Cels. V. non improbatum iri.

Archidux Carolus, qui aulae sedem in hac vrbe habet, cum de vocatione nostra cognouisset, mense Nouembri ad prouinciales decretum, vt hic nominant, ex aula misit, cuius exemplum literis adiunxi. Sed responso prouincialium postea placatus nihil mouit praeterea. Verum eodem mense Nouembri Jesuitae multo ante ab ipso vocati scholam inchoarunt prope templum parochiale, palatio principis fere contiguum, quam die 8 Januarii archidux ipse cum coniuge Bauarica inuisit et pueros praescriptis oratiunculis Latina, Graeca, Ebraea et Germanica ipsum alloquentes audiuit. Prouinciales proprium in hac vrbe templum ad moenia vrbis Murae fl. contigua habent, in quo summa cum voluptate et admiratione frequentiam procerum et populi ad conciones euangelii publicas stipatis agminibus conuenientem spectaui. Pastorem habent virum eloquentem, qui Jacobi Micylli gener est et Heidelbergae olim D. Heshusii collega fuit. Ministri ecclesiae quatuor sunt, qui eandem euangelii vocem, quae in Cels. V. ecclesiis sonat, in hac vrbe propagant et abusus ponti-

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ficios non minus libere quam nostri taxant. Domus nouae scholae amplissima et plane regia templo fere contigua est, in quam prouincialium scholam, quae hactenus nobilium solummodo filiis patuit, transferre et ciuium etiam liberis ac peregrinis patefacere decreuerunt. Deliberationibus de ecclesia et schola prouincialium institutis moram attulerunt comitia huius ducatus publica, in sextam hebdomadam producta, in quibus tum alia ad defensionem patriae et alenda militum praesidia in finibus vicinae Sclauoniae et Croatiae et alia communia talium couentuum argumenta pecuniaria tractata, tum vero viginti barones et nobiles et duae urbes, Graecia et Marchburgum ad Draui ripam situm, delecti sunt, quibus plena potestas nomine totius prouinciae de ecclesiasticis et scholasticis rebus constituendi tributa est. Nunc igitur actiones illae deo iuuante inchoatae sunt et inter varias tot capitum sententias et difficultates alias, ut solent negocia dei gloriae et ecclesiae saluti seruientia, lente quidem procedunt, sed tamen procedunt deo gubernante, vt sperem, etsi sunt χρόνια τά τοΰ Θεοΰ, tamen έσ τέλοσ όνχ άσδενή futura esse. Nam et de norma doctrinae, quod ego praecipuum esse arbitror, conuenit, et constituti inspectores supremi quatuor, qui consistorii seu summi senatus et iudicii ecclesiastici locum obtinent, cum consistorii nomen vsurpare propter archiducem et episcopos ordinarios non liceat. De ceremoniis noui aliquid ordinari pastor non patietur, qui nunc etiam constituto senatu ecclesiastico authoritatem suam imminui fremit. Nec ego de ceremoniis quidquam litigabo. Spero igitur, si viuam et valebo, me breui post pascha susceptos labores absoluturum esse. Cumque in Austriam denuo reuocer, reuerenter peto, vt per hunc equitem a prouincialibus Stiriae isthuc missum, vt de familiae meae statu inquirat, discedere me ex Stiria Cels do V. iubeat, cum sex menses, quibus abesse mihi in Stiria per Cels. V. licuit, iam dudum effluxerint, et si initio Maii hinc discedam, nouem integros menses Stiriorum causa domo abfuerim, cum tamen a Cels. V. fratre non plures quam sex menses mihi concessi sunt. Sed haec relinquo.

Imperator superiore anno Dauidem Vngnad baronem, qui his diebus ad me Constantinopoli scripsit, ad Turcicum tyrannum misit, vt induciarum, quae hoc anno exibunt, prorogationem conficeret. Turcus. initio decennii pacem promisit, sed hac conditione, si Jaurinum seu Raba

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et Gomorrha et vicina insula Schytia ipsi ab imp. traderentur. Ea postulata cum nimis dura et iniqua nostris viderentur, rusticos in finibus vtriusque imperii, vtrique imperatori pariter iuratos, sibi soli relinqui petiuit. Hi ad 50000 esse dicuntur. Sed imp. noster prioris pacis conditiones retinere petiuit et insuper pecuniae summam honorarii loco obtulit mense Januario. Turcus nondum respondit, sed classem ingentem in mare deduxisse scribitur, qua Cretam insulam oppugnaturus sit. Veneti desperata pace, quam diligentiss. vrserunt, Sfortiam Palauicinum ducem cum classe in Cretam miserunt. Pontifex milites Rhodienses ex tota Europa in Maltam euocauit et Venetos in foedus illud, quod sanctum nominant, recipere cupit. Eius belli apparatus pacem his regionibus allaturus esse existimatur. Sed in media pace excursiones et direptiones oppidorum excitandae in praesidiariis et exercendae virtutis bellicae causa nihilominus assidue fiunt, vt nuper in bacchanalibus nostris somno uinoque sepultis oppidum arci Canisae adiunctum, quod 18 tantum milliaribus a Graecia distat, a Turcis combustum et multi milites ac ciues partim trucidati, partim abducti sunt. Qua de re literas praefecti Canisae ad comitem a Serino, filium herois illius in expugnatione Zygethi interfecti, scriptas, Cels ni V. mitto, vna cum narratione, quam Julius Zara, arcis Graecensis praefectus, ab archiduce Carolo explorandi accurate totius negotii causa Canisam missus descripsit. Nunc commissarii imp. et archiducis Caroli et cum his Bernardus Lerch, qui me isthinc abduxit, ad inspiciendam Canisam et reliquas arces in finibus sitas et conferenda consilia de Canisae oppido praecipue firmius muniendo missi sunt. De Polonica coronatione Cels nem V. isthic certiora habere non dubito. Sed tamen pagellam Vienna ad me missam literis adiunxi. Nec de ineptiis indulgentiarum pontificiarum legato reginae Sueciae a papa Gregorio XIII datarum quidquam scribere libet, nisi quod multi in aula archiducis Caroli et iesuitae magnopere gloriati sunt, totum regnum Sueciae ad Romanae sedis obedientiam rediisse. Quidam illarum gentium ignari regem Daniae nominabant. Sed illis ipsis diebus a rege Daniae nobilis quidam missus, vt archiducem salutaret et duos generosos equos Walachos peteret: vanitatem rumoris de suo rege sparsi refutauit et cum equis etiam Turcam captiuum, recens ex Croatia adductum, dono accepit. Sed de his etiam satis.

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Mitto Cels ni V. pagellas, si eas inspicere fortasse libeat, et reuerenter oro, vt clementer Cels do V. ueniam mihi dare dignetur, quod aliquot iam menses certorum hominum isthuc iter habentium inopia nihil scripsi. Deum oro, vt Cels. V. incolumem et florentem diutissime seruet. Datae Graeciae in Stiria, die 20 Martii, Anno MDLXXIIII.

Illustriss mam Cels. V.

Reuerenter
Colens

Dauid     
Chytraeus.

Illustrissimo principi et domino, d. Johanni Alberto, duci Megapolensi, principi gentis Henetae, comiti Suerini, domino Rostochii et Stargardiae, domino suo clementissimo.

Nach dem von der Hand des Amanuensis des Dr. David Chyträus geschriebene, von Chyträus vom Datum an aber eigenhändig unterschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 16.

D. d. Gratz. 1574. April 18.

Durchleüchtiger, hochgeborner Fürst, genediger Herr. Eur Fürl. G. sindt vnnser willige vnd beflissene dienst yeder Zeit berait zuuor. Wir haben von Bernhardten Lerchen, vnnsern bestelten haubtman, vernumen, als er Jüngst bey Eur Furl. G. gewesen, das von Ime begert worden, Das er derselben von guetten Zeug ein fetdtKhüriß alhie bestellen vnd machen lassen solle, welches er dan alßbaldt gethan, Vnd weill wir gesehen, das Eur Fürl. G. zu den Steyrischen Zeug vnd arbeit im gefallen tragen etc. , Haben wir nit mügen vndterlassen, Eur Furl. G. etc. . zu dienstlichen gefallen bey vnnsern bestelten Plattner von guettem Zeug, auffs böstes die khurtze Zeit vnd gelegenhait geben, Einen feldtKhüriß sambt den dartzue gehörigen stuckhen vnd ein drabRüsstung schlahen zu lassen, Vnd wiewol solche Rüstungen stadtlicher vnd bösser der gebür nach gemacht sein solle, So hatt es doch in eill der Zeitt anders nit sein khünnen, vnd bitten allain Eur Furl. G. dienstlichs vnd gehorsambs vleiß, die wöllen solche geringe Rüsstung

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von Einer Er. Landtschafft des Fürsstenthumbs Steyr gedächtnuß wegen mit Fürstlichen gnaden annemen, Vnd derselben yedertzeit zu fürfallender gelegenhaidt im bessten darbey ingedengckh sein, Daneben khainen verdruß oder misfallen haben, Do herr Doctor Dauidt Chytreus, derselben Professor zu Rosstockh, etwas wenig lenger vber den bewilligten Termin außbleiben wurde, dan er embsig In werckh, die Khirchen= vnd Schuel=Ordnung alhie vnnsern vertrauen nach zu Lob, Ehr vnd Preiß des heilligen Göttlichen namens zu bestellen vnd anzuordnen, Vnd soll mit dem Eheisten wiederumben mit besster gelegenhaidt zu hauß gebracht werden, Eur Furl. G. etc. . wir vns hieneben gehorsambs Vleiß dienstlich beuelhendt. Gratz, den Achtzehenden Apprilis, Anno etc. . Im Viervndsybentzigisten.

Eur Furl. G.

Gehorsame vnd
Dienstwillige

N. Einer Ersamen Landschafft des
Fursstenthumbs Steyr Verordenten.

Dem Durchleüchtigen, hochgebornen Fürsten vnd herrn, herrn Johan Albrechten, Hertzogen zu Mechelburg, Fürsten zu Wenden, Grauen zu Schwerin, der Lande Rostockh vnd Stargarden herrn etc. ., vnserm genedigen herrn.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.
Dieser Brief ist mit 5 Siegeln auf rothem Wachs auf Einem Streifen Papier besiegelt. Diese Siegel, aus denen sich die damaligen Vertreter der steierschen Landschaft erkennen lassen, sind folgende:
1) ein Schild mit einem rechts gekehrten, aufgerichteten Leoparden, darüber ein Helm mit einem wachsenden Leoparden, neben dem Helme die Buchstaben:
HE mit Bogen verbunden V I T (= Hector Von Trübeneg).
Vgl. das Siegel Nr. 1 des Briefes vom 1. Junii 1574.
2) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 ein einwärts sehender Adler, in 2 und 3 ein rechts gekehrtes, springendes Schwein, über dem Schilde die Buchstaben:
F R Z F (= F. Rindtscheidt Zu Feldberg).
Dies ist ein anderes Siegel als das Siegel Nr. 2 an dem Briefe vom 19. Octbr. 1573. Die v. Rindscheidt zu Feldberg waren ein steiersches adeliges Geschlecht, welches die Herrschaften Schichleiten und Feldberg besaß.
3) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 eine vorwärts gekehrte, die Flügel ausbreitende, gekrönte Eule, in 2 und 3 eine Spitze, über dem Schilde die Buchstaben:
E V S (= Erasmus Von Saurau).
Erasmus von Saurau wird 9. Febr. 1578 genannt. Das alte Geschlecht der von Saurau ward 1553 freiherrlich, 1629 gräflich, erhielt 1625 das
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Obererblandmarschallamt von Steiermark. Dieses Siegel ist ein anderes, als das Siegel Nr. 3, mit welchem der Brief vom 19. Oct. 1573 besiegelt ist; auf dem letztgenannten stehen 1 und 4 die Spitzen, 2 und 3 die Eulen.
4) ein Schild mit drei quer liegenden, rechts gekehrten, bekleideten Armen mit flacher Hand, über einander, darüber ein Helm mit zwei gegen einander gekehrten Armen, welche drei Straußfedern halten, neben dem Helme die Buchstaben:
E V │ [S P] (= Erasmus Von Stadler).
Dies ist dasselbe Siegel, mit welchem auch die Briefe vom 19. Octbr 1573 und 1. Junii 1574 besiegelt sind; vgl. zum 1. Junii 1574.
5) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 mit einem gekrönten, die Flügel ausbreitenden Adler, in 2 und 3 mit einer rechts gekehrten Spitze, über dem Schilde die Buchstaben:
H F V N (= Hans [?] Franz Von Neuhaus).
Mit demselben Siegel ist auch der Brief vom 1 Junii 1574 besiegelt.
Die Bestimmung der Siegel verdanke ich meinem Freunde Masch.

Nr. 17.

D. d. Gratz. 1574. April 19.

Durchleuchtiger, Hochgeborner Furst, genediger herr. E. F. g. sein meine Vnderthenig, willig vnnd gefließen dienst besten Vermugennß bereit, Vnnd soll Eur fr. g. vnderthenigklich nicht Vorhalten, Demnach ich auf derselben gnedigß sinnen vnnd begeren alßpaldt zu meiner haimbkhunfft hieher auch nach meinem gehorsamen erpietten denn Küriß bey einen Plattner bestellt vnnd machen hab laßen wollen, Daß sollichß meine gnedige vnnd gepiettendt hr. Einer Ersamen Landtschafft in Steir verordenntte Ehrinnertt, Derwegen mir beuolehen, nach Eur fr. g. vberschickten Leibmaß einen ganntzen gerinngen oder leichten Velldtkhuriß sambt seiner Zwgehörung vnd darnach einen Trabharnisch sambt seinen beßondern khragen vnnd sturmbhawben schlagen zw laßen, Wie Eur f. g. auß Wollgedachter meiner g. hr. beiliegenden schreiben mit merern, darnach auch wieuiell stuckh bey einem Jeden harnisch sein, auß meiner Vertzeichnnß gnediglich zu ersehen habenn.

So uiel an mir geweßen, hatt es am fleiß nicht gemanglt, damit sy nach der rechten Maß von guetten reinen Zeug vnnd sauber gemachedt wurden. Es sollt auch mein vorigß Zwsagen gewißlich in den, das ich sie negsten Marckh gheen Lienntz vnnd so fortt gheen Leiptzig geschikt wollt haben, vollntzogen sein, So sich der Laidige fahl mit Canissa nicht hette zwge=

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tragen, Alda ich neben anndern von Irer Fr. Dr. abgeßandten hin verreißen mußen, Das ich also auff dießelbe zeitt nicht verhannden geweßen, Derwegen vnderthenigkhlicher Zuuorsicht, Eur Fr. g. werden mich dißfalß gnediglich entschuldigt haben etc. .

Damit aber nun gleichwoll hierinnen nichts versaumbt vnnd die harnisch Eur fr. g. mit ehester gelegenheit zwkhomen khondten, hab ich sy von hin auf Praagg vnnd von dannen auf Dreßden vorttgeschickt vnd do ich sie gerne weitter hätt wollen befurdern, hab ich die gelegenheit nit weitter gewüst. Zw Dreßden aber werden sie Eur fr. g. erfragen laßen pei dem Churfurstlichen Zeugschreiber daßelbst Veiten Clementen, vnnd sie sein woll verwharret, eingemacht in zween sueße Weinlageln.

Waß belangt Eur Fr. g. ander begeren wegen der Steirischen Platten, Bitt ich Eur Fr. g. vndertheniglich, die wollen dißfalß gar eine kleine gedullt tragenn, dan umb willen man dießelben Platten, so weit vnnd Prait fur die Pesten gerümbt werden, 16 meill vonn hinnen in einem gepürg vnd abweg, zum Rottenman genandt, gemacht. hab ich sie auff dißmalß nicht so paldt khönnen zw hannden pringen, Aber mit allererster gelegenheit will ich Eur fr. g. einen ganntzen Sawm gheen Leiptzig dem Furstenheußer zuschickhen.

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Thu hiemit Eur fe. g. dem reichen seegen vnnd schuetz gottiß vnnd mich Eur fr. g. zu vndertheniger Diensterpiettung Jedertzeit gehorsamblich beuellen. Datum Grätz, den 19. Aprilis, A o 74 ten .

F. F. G.

vnnderthaniger

Bernhardt Lerch mppria.     

Dem Durchleuchtigen, hochgebornen Fursten vnnd hern, hern Johann Allbrechten, hertzogen zu Mechelburg, Fursten zw Wennden, Grawenn zw Schwerin, der Lande Rostockh vnnd Stargarden hrn, Meinem gnedigen Furstenn vnnd hernn etc. .


Die stuckh vonn Küriß.

1 Eine Viesierhawben mit einen Monttell
1 Ein khragenn ohnn Achßeln
2 Ruckh vnnd Krebß
1 Ein Reittgschoß

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2 Ein Par Tieling
2 Ein Par halb schinnen
3 Drei Spangrell Achßeln
2 Ein Par Armzeug
2 Ein gefingert Par handtschueh
1 Ein gerist vorn auf die Prust
1 Ein Stirn zum Gawll
1 Ein Prehscheiben

Die stuckh zum Trabharnisch.

1 Eine offne Sturmhoben
1 Ein Pardt mit einem schlueß auf die Prust
1 Ein khragen mit lanngen Achßeln
2 Ruckh vnnd krebß
2 Ein Par hanndtschueh vorn auß mit lanngen velgen vnnd mit lanngen scherren.

Alles sambt mit rotten Carmeßin sammet vndertzogen vnnd mit guetten golldt verguldt.

Vnnd. hellt der khuriß vorn an der Prust allein, Aber der trabharnisch hinden vnnd forne, auch der Pardt vor einen guetten schueß, wie ichs selbst mit einen langen getzognen Ror vnnd guetten khörnigh Puluer beschoßen hab, vnd zu sehen ist. Vnnd daucht mich an nodt zu sein weitter zw beschißen, dan die schueß, so in Peiden harnischen gefunden werden, sein nicht außgeschlagen, sonndern stheen noch, wie sie auß dem Ror angangen sein. etc. .

Nach dem Originale, ganz von Bernhard Lerch's Hand, im großherzogl meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit einem Siegel, auf rothem Wachs, welches auf Schild und Helm ein Hirschgeweih, wie es scheint, trägt. Neben dem Helme stehen die Buchstaben:

B | L

Nr. 18.

D. d. Schwerin. 1574. Mai 10.

Vnsern gunstigen grus vnd geneigten Willen zuuor. Wolgeporne, edle, Veste vnd Ersame, besondere liebe. Vns ist ewer schreiben, des datum stehet Gräcz den 18 Aprilis iungst verschinen, wol zukommen, Daraus wir verstanden, welcher

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gestaldt Ihr vns mit einem feldtkuriß sampt den dazu gehörigen Stucken vnd einem Drabkuriß, die wir durch den erbarn vnd vesten vnsern auch lieben besondern Bernhart Lerche, Steirischen landthauptman, vor vnsern leip von Steirischem zeug schlagen zu lassen bestellet, Verehren vnd daneben bitten thuet, dieselbige rustungen von einer erbarn Landtschaft des furstentumbs Steyr zum geschenck anzunehmen vnd derselbigen Jderzeit zu furfallender gelegenheit im besten dabei ingedenck zu sein, Auch daneben keinen verdruß, noch mißfallen zu tragen, da der wirdig vnd hochgelart vnser professor in vnser hohen schul zu Rostock vnd lieber getreuer Dauid Chytraeus, der heiligen schrifft Doctor etwas lenger, dan der termin bewilligt gewesen, auspleiben wurde.

Nun haben wir gancz gern vernommen, das solche Rustung gefertigt, haben aber dieselbige Im wenigsten nicht der mainung bestellet, Das wir die vmbsonst oder zur verehrung anzunemen bedacht, Sondern wolten die zu sonderem danck gancz gern bezalen, Wie es dan auch diser gutwilligen erzeigung gemainer Steirischen landtschafft gegen vns gar nicht bedurft, Dan wir ohne das an derselbigen zu vns tragendem geneigten gemuth nie gezweiffelt. Dieweil aber doch Eine erbare landtschafft solche Ihre Zunaigung noch weiter vnd mit diser verehrung gegen vns beweislich machen vnd darthun Vnd wir vngern den verdacht auf vns laden wolten, als verschmaheten wir solche wolmeinliche anzeigung, So nemen wir dieselbigen Rustungen von Einer erbaren Steirischen landtschaft zu sonderlichem angenemen Wolgefallen vnd mit gnebiger dancksagung an, Wollen auch in kein vergessen stellen, sondern vns bemuhen, gegen gedachter Landtschaft vnd allen dero stendent verwanten vnd Zugehörigen sampt vnd sonderlich dise gutwilligkeit In allen gnaden vnd gutem iderzeit zu erkennen vnd zu verschulden. So vil dan D. Chytraeum anlangt, lassen wir gnediglich vnd wol geschehen, das er zu verrichtung des angefangnen Christlichen löblichen wercks der bestellung kirchen vnd schulen ordnung noch ein wenig lenger bei gemainer Landtschaft des Furstenthums Steier verharre. Wolten wir euch hinwider zu gnediger antwort nicht bergen, vnd seint euch mit allen gnaden vnd gutem wol gewogen vnd genaigt.

Datum Schwerin, den 19. Maii, Anno etc. . 74.

An die Verordente gemainer landtschafft
              des furstentumbs Steir.

Nach dem Coucepte im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 19.

D. d. Gratz. 1574. Mai 29.

Wir einer Ersamen Landschafft des Fürstenthumbs Steyr Verordneten unnd in Schuelen unnd Kirchen=Sachen geordente Inspectores Bekennen und thun Kund fur Menigelich, Nachdem der Almechtig, Ewig, Guttig und Barmhertzige Gott dieses Furstenthumb Steir, unser liebes Vatterlandt, aus lauter Gnad mit dem heiligen Evangelio und rechter, warer Lehr begabet, und aus dem Finsternus Baal mit dem Licht seines hailigen Göttlichen Worts, deren Summa in der Confession, so Kayser Carolo dem Funfften Anno MD im Dreyßigisten zu Augspurg durch die Stände deß Römischen Reichß Deutscher Nation ubergeben unnd hernach mit mehrern erclaret, begriffen ist, gerissen unnd gefreyet hat, unnd dann ein Ersame Lanndtschafft deß Furstenthumbs Steyr, auß hochbeweglichen Vrsachen, in Derselben Kirchen unnd Schuelen alles mit guetter unnd erprießlicher Ordnung anzurichten unnd zu halten begert unnd furgenommen, auch darauf denn Erwurdigen, Hochgelerten Herrn Davidt Chytraeo, der Heiligen Schrifft Doctorn unnd Professorn auf der Universitet zu Rostockh, alheer erfordert, welcher dann mit Bewilligung seiner Lanndts=Fursten der Hertzogen von Meckhlenburg alher kommen unnd auf unnser begeren unnserer Kirchen unnd Schuel Ordnung mit allem embsigen Fleiß schrifftlich verfasset, daran wir in Namen einer Ersamen Lanndtschafft ein guettes Benuegen unnd hertzlichs Wohlgefallen tragen, Welches alles wir dann in Namen einer Ersamen Lanndtschafft als ein Christlich, hochnottwendig unnd aus der hayligen Schrifft wohl fundirtes Werckh approbirt unnd ratificiert, darnach sich auch unsere Kirchen unnd Schuelen als nach einer rechten unnd gewissen Richtschnuer in alweg reguliren unnd richten sollen, Unnd weil dann ernennter Doctor Chytraeus nunmehr solche mit der Hilff deß allmächtigen Gottes unnd mit zeitlichen guetten Rath verfaste schrifftliche Christliche Kirchen= unnd Schuel=Ordnung unns übergeben, unnd die Zeit seiner vonn hochermelten Hertzogen vonn Meckhlburg gehapten Erlaubnis sein Endschafft erreicht unnd wir Ime daruber unnserm gethanen zusagen nach verrer nit aufhalten künnen, Dem allem nach so haben wir von Ime diesen gehabten Fleiß, Mühe und Christliche Verrichtung nit allein mit grossen Danckh angenummen, Sonndern ime auch deßwegen unnder unsern anhanngenden Pedtschadten unndergestelten aigenen Hanndtschrifft dise Urkhund gefertigt. Geschehen

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zue Grätz, denn Neun und zwaintzigsten Tag Monats May, Nach Christi unnsers lieben Herrn unnd Seeligmachers Gepurt, als man zalt Ain tausenndt funffhundert vier unnd sybentzig Jar.

H. Fridrich Hofman F. Er. Stadler (z.) Petter.
Landsuerweser in Steyr.
G. S. v. Truebnegk H. Franntz von Neuhaus.
z. Schwarzenstein.
Felician Fr. zv Herberstein. Hector v. Truebenneg.

Nach dem von dem Originale genommenen Abdruck ("Copia ex originali expressa") in Schützi Vita Dav. Chytraei, II, p. 293 sq. Schütz hatte das Original aus dem Nachlasse des Rostocker Professors Dr. Johann Fecht durch dessen Sohn M. Gustav Friedrich Fecht mitgetheilt erhalten.
Die Unterschriften dieses Abdrucks stimmen mit den Unterschriften des Briefes vom 1. Junii 1574 im wesentlichen überein, nur sind von Schütz manche Buchstaben falsch gelesen, er liest z. B. beide Male Truebnaghz (statt: Truebeneg), Schwartenstein (statt: Schwarzenstein), Fr. Stadtler Zu Petter (statt: Er. Stadler Z. Petter). Die Orthographie ist hier daher nach den Originalunterschriften verbessert.


Nr. 20.

D. d. Gratz. 1574. Junii 1.

Durchleuchtiger Hochgeborner Fürst, G. Herr. Eur Fürsl. G. sindt vnnser beflissene vnd willige dienst berait zuuor. Auf das Eur Fürsl. G. khurtz verschiner Zeitt auf vnnser In namen Einer Er. La. des Hertzogthumbs Steyr Vleissigs vnd dienstlich anlangen vnd bitten, Dem Erwürdigen vnd hochgelertten herrn Dauidt Chytreum Doctorn auf ein gewisse vnd bestimbte Zeit zu vns zu khummen erlaubt, In welcher Zeitt er dan alles das Jenig, darumben wir seiner gegenwürt alhie notturfftig gewesen, als mit schriftlicher Verfassung vnnserer Christlichen Khirchen= vnd Schuellenordnung, dermassen treulich, vleissig, Christlich vnd Embsig dem almechtigen Gott zu ehren vnd zu erbawung vnd fortphlantzung vnnserer Khirchen vnd Schuelen Verricht vnd Zu ortt abgehandlet, daran ein Er. La. der Augspurgischen Confession Verwante ein Christlichs vnd hertzlichs wollgefallen tragen Vnd gantz woll zufriden vnd benuegig sein, Derwegen dann Eur Fürsl. G. wir in namen

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Einer Er. La. für solche disem Landt ertzaigte gnadt vnd guetthat gantz Vleissigen vnd gehorsamen danckh sagen, Neben erbiettung Vnnserer gantz beflissenen vnd willigen Diensten, Wo Ein Er. La. vnd wir in namen derselben, Auch vnnsere Nachkhommen solches alles vmb Eur. Fürsl. G. vnd derselben Fürstlichen Erben verdienen vnd beschulden khünnen, das wir solchs mit allen gehorsam willig vnd berait thuen wöllen, Vnnd haben auch ernenten Herrn Doctorn Durch Bernhardt Lerchen, Einer Er. Lanndtschafft bestelten Haubtman, welchen wir Ime zur belaittung zuegeordnet, an sein sicher ortt füren vnd liifern lassen, Eur Furl. G. wir vns hieneben dienstlichs vnd bestes Vleiß beuelhendt. Datum Grätz, den Ersten Juni, Anno [Symbo etc] Im Viervndsybentzigisten.

Eur Fürl. G. etc.

Ghorsame vnd
dienstwillige

Einer Er. Landtschafft des Hertzogthumbs Steyr ver=
ordente vnd in Khirchen= vnd Schuelsachen geordnete
             Inspectores

H. Fridrich Hofman F. Er. Stadler (z.) Petter.
Landsuerweser in Steyr.
G. S. v. Truebnegk z. H. Franntz von Neuhaus.
Schwarzenstain.
Landsvizdom in Steyr.
Felician Fr. zv. Hector v. Truebenneg.
Herberstein.

Dem Durchleuchtigen, Hochgebornnen Fürsten vnnd Herren, Herrn Ulrichen, Hertzogen zu Meckhelburg, Fürsten zu Wenden, Grafen zu Schwerin, der Land Rostockh vnnd Stargardt Herren, Vnserm Genedigen Herren.

(L. S.)   (L. S.)   (L. S.)   (L. S.)   (L. S.)   (L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.

Der Brief ist auf Einem Streifen Papier mit 6 Siegeln auf rothem Wachs besiegelt:
1) ein Schild mit einem rechts gekehrten, aufgerichteten Leoparden, darüber ein Helm mit einem wachsenden Leoparden, neben dem Helme die Buchstaben:
HE V | T (= Hector Von Trübeneg).
Mit demselben Siegel ist auch der Brief vom 18. April 1574 besiegelt. Die Herren von Triebenegg besaßen die Herrschaften Trübeneg und Schwarzenstein in Steiermark und wurden 1616 in den Freiherrnstand erhoben.
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2) ein Schild mit drei quer liegenden, rechts gekehrten, bekleideten Armen mit flacher Hand, über einander, darüber: ein Helm mit zwei gegen einander gekehrten Armen, welche drei Straußfedern halten, neben dem Helme die Buchstaben:
E V | S P (= Erasmus Von Stadler [Petter?]).
Mit demselben Siegel sind auch die Briefe vom 19. Oct. 1574 und 18. April 1574 besiegelt. Erasmus von Stadler kommt mit diesem Vornamen um jene Zeit öfter vor. Das P am Ende scheint klar zu sein, ist aber nicht zu erklären; in der Unterschrift, welche auch undeutlich ist, scheint "Petter" gelesen werden zu müssen, wenn man auch versucht ist "Retter" oder "Ritter" zu lesen. Die Familie auf der Herrschaft gleiches Namens ward 1597 in den Freiherrnstand erhoben.
3) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 mit einem zum Fluge sich anschickenden gekrönten Adler (mit einem Ringe im Schnabel), in 2 und 3 eine rechts gekehrte Spitze, über dem Schilde die Buchstaben:
H F | V N (= Herr oder Hans Franz Von Neuhaus).
Mit demselben Siegel ist auch der Brief vom 18. April 1574 besiegelt. Am 9. Febr. 1578 kommt ein "Hans Franz von Neuhaus" vor. Die Familie ist eine ausgestorbene freiherrliche Familie in Steier und Kärnthen.
4) ein quadrirter Schild, in 1 und 4 mit einem Sparren, 2 und 3 gespalten, vorne mit einem Thurme, hinten mit einem Balken, (aus den Wappen von Castilien und Oesterreich seit 1522), über dem Schilde die Buchstaben:
F F | Z H (= Felician Freiherr Zu Herberstein).
Ein bekanntes, noch als gräflich blühendes Geschlecht.
5) ein Schild und Helm, wie 1, neben dem Helme die Buchstaben:
G | S (= Georg Sigfrid Von Trübeneg Zu
V T | Z S Schwarzenstein).
6) ein quadrirter Schild, mit Mittelschild, in 1 und 4 ein links gekehrter, gekrönter Bock, in 2 und 3 eine Garbe, im Mittelschilde ein rechts gekehrter, gekrönter Löwe, über dem Schilde mit drei Helmen, auf dem mittelsten der Löwe, an jeder Seite mit drei Pfauenfedern besteckt, auf dem rechten der Bock, auf dem linken die Garbe, neben dem Helme der Buchstabe:
H | ` (= Herr Friedrich Hofmann).
Die Freiherrn v. Hofmann hatten 1540 - 1627 das Erblandhofmeisteramt in Steiermark.

Ich verdanke die Bestimmung der Wappenbilder größtentheils meinem Freunde Masch.

Man vgl. auch die Schreiben vom 19. Oct. 1573 und 18. April 574.


Nr. 21.

D. d. Rostock. 1574. Julii 16.

S. D. Illustrissime princeps, domine clementissime. Dei beneficio saluus et incolumis in Cels. V. Academiam Rostochiensem reductus sum a Bernardo Lerchio, prouincialium Stiriae conducto capitaneo, qui superiore anno

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me ex his regionibus in Stiriam deducturus, fidem suam de, me iterum sistendo obligarat. Quare et domino deo, custodi animae et corporum nostrorum, et inclytae Cels ni V. quam paterna mei cura affici intellexi et ipsi Bernardo Lerchio gratiam me debere confiteor. - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Deum oro, ut pacem nobis salutarem largiatur. Exitus negociorum ecclesiae et scholae Stiriacae, ad quae superiori anno vocatus sum, dei beneficio talis fuit, ut bonitati et lomnipotentiae ipsius mirandae gratias merito agamus. Spero etiam proceribus, qui me accersiuerant, fidem et diligentiam nostram non improbatam fuisse.

Nunc in Cels nis V. academia deo iuuante operas scholasticas qua possum assiduitate et fide denuo aliquantisper faciam; verum ut ex concilio academiae et consistorio mihi abesse deinceps liceat, ac ut alius in meum locum substituatur, reuerenter peto. Deum oro, ut Cels. V. incolumem et florentena perpetuo seruet, et illustrissimae Cels ni V. omnia studia et officia mea subiectissime defero. Datae in Cels. V. urbe Rostochio, die XVI.Julii, anno 1574.

Illustriss. Cels. V.

reuererenter colens      
Dauid Chytraeus.

Illustrissimo principi et domino, d. Vlrico, duci Megapolensi, principi Henetorum, comiti Suerini, domino Rostochii dt Stargardiae, domino clementissimo.

Auszug aus dem ganz, auch in der Unterschrift, von einer fremden Hand geschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit dem Siegel des Dr. David Chyträus mit dem Agnus Dei.


Nr. 22.

D. d. Rostock. 1574. Julii 16.

Durchleuchtiger, hochgeborner Fürst, gnediger herr. E. F. G. sein meine vnderthenig, willig dienst beuor. Gnediger Herr. Die wolgeborne, Gestreng, Edle vnd Ernvest N. N., loblichen Landschafft des Fürstenthumb Steier Verordente,

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Demnach der Erwirdig, hochgelarter herr Doctor Dauid Chytraeus die sachen vnd geschaift, darzu er von inen geruffen, dem allmechtigen Gott zu lob vnd ehren vnd gemainer Landschafft vnd andern vielen Christen zu Iren selen nutz vnd heill trewlich vnd vleissig verricht, haben Ime Herrn Chytraeum numher vermug iren zusagen von Inen widerrumb gunstiglich erlassen und durch mich widerumb daher in sein gewarsam bringen vnd belaiten lassen, Dafür dem allmechtigen lob vnd danck gesagt sey.

Vnd obwol wollgedachter Landschafft Verordenten mir beuolen vnd vfferlegt, mich wegen vnderthenigen Dancksagung in Irem Namen bey E. F. G. anzumelden, hab ich solchem vleissig nachsetzen wollen, Aber E. F. G. zu Gustrow nicht angetroffen, Weiln ich mich dan mit dem ersten widerumb haimwarts zu erheben vrsachen hab, Auch dißmall nicht eigentlich E. F. G. anzutreffen waiß, Thue ich mich hiemit in Namen vnd von wegen einer Ersamen Landschafft in Steier gegen E. F. G. der erzaigten gnad, das dieselben zu disem volnzogenen Christlichen werckh sich so Christlich vnd mildiglich erzaigt vnd die geraume zeit vorbemelten Herrn Doctorem Chytraeum zu Ihnen zu khomen gnediglich erlaubt haben, wie solliche dancksagung E. F. G. auß wolermelter Landschafft beyverwartem schreiben mit merern zu befinden, gantz vndertheniglich bedanckhen, Daneben gantz vndertheniglich pittend, E. F. G. wollen mir den gegebnen Reuerß widerumb gnediglich lassen zustellen. E. F. G. hiemit zu glucklicher Regierung vnd aller wolfart dem Raichen schutz Gottes vnd mich daneben E. F. G. vndertheniglich beuelend. Datum Rostock, den 16. Julii, Anno 74.

E. F. G.

vndertheniger

Bernhardt Lerch mppria.

Dem durchleuchtigen, Hochgebornen Fursten vnd Herrn, Herrn Vlrichen, Hertzogen zu Mechelburg, Fürsten zu Wenden, Grafen zu Schwerin der Lande Rostock vnd Stargarden Herrn, meinem gnedigen Fürsten vnd Herrn.

Nach dem von einer fremden Hand geschriebenen, aber von Bernhard Lerch eigenhändig unterschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit dem Siegel des Bernhard Lerch, mit einem Hirschgeweih im Schilde und auf dem Helme, neben dem Helme mit den Buchstaben:

B | L.
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VII.

Der

Zwist der evangelischen Prediger

zu Rostock im Jahre 1531

und

Johann Bugenhagen's Gutachten

darüber.

 

Mitgetheilt

von

Wiechmann = Kadow.


D ie Einführung der Reformation in Rostock ist in neuerer Zeit mehrfach ein Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gewesen; Arndt 1 ), Serrius 2 ), Wiggers 3 ) und Krabbe 4 ) haben theils das Bekannte zusammengetragen, theils Neues hinzugefügt. Besonders ist es aber der hochverdiente Archivrath Lisch zu Schwerin, der in einer Abhandlung: Beiträge zur Geschichte der Reformation in Rostock und des Dom=Capitels daselbst im 16. Bande der Jahrbücher des Vereins für meklenburgische Geschichte, 1851, aus den Original=Urkunden dargethan hat, wie die Lehre Luthers 1531 zu Rostock siegreich durchgedrungen, und der erste


1) M. Joachim Schlüter, erster Eangelischer Prediger zu Rostock. Lübeck 1832, 8°.
2) M. Joachim Schlüter oder die Reformation in Rostock. Rostock, 1840, 8°.
3) Kirchengeschichte Meklenburgs. Parchim und Ludwigslust, 1840, 8°, S. 99 flgd.
4) Die Universität Rostock im 15. u. 16. Jahrhundert. Rostock, 1854, 8°, S. 364 flgd.
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April als der eigentliche Tag des Sieges anzusehen sei. Auf diese Abhandlung, so wie auf die genannten Schriftsteller verweise ich und bitte, daß es mir vergönnt sei, von einem Ereignisse zu reden, welches noch im Jahre 1531 die junge Kirche Rostocks heftig zu erschüttern drohte und den Rath daselbst in nicht geringe Besorgniß versetzte.

Schon Nicolaus Gryse erzählt in seiner Historia, Van der Lere, Leuende vnd Dode M. Joachimi Slüters, Rostock 1593, Bl. 71, daß die evangelischen Geistlichen Rostock's im Jahre 1531 darüber unter sich uneinig wurden, ob beim Gottesdienst allein deutsche, oder auch lateinische Lieder gesungen werden sollten. Slüter verlangte das Erstere, gab aber so weit nach, daß bei den größtentheils nur von den Schülern besuchten Metten und Vespern auch die älteren lateinischen Gesänge in Gebrauch blieben. Weiter berichtet Gryse über den Zwist Nichts. Die jüngeren Schrifsteller, denen der im Rostocker Etwas, Jahrg. 1, 1737, S. 705 flgd. und dann mehrfach gedruckte Brief von Luther und Melanchthon an den Rath zu Rostock (d. d. Wittenberg, den 10. November, 1531) vorlag, ersahen aus diesem, daß der Zwiespalt der Prediger noch andere Ursachen haben müsse, konnten jedoch keine nähere Auskunft ertheilen. So erwähnt z. B. Serrius (a. a. O., S. 74): "Daß aber auch noch andere Mißhelligkeiten unter den evangelischen Predigern vorgefallen sind, geht klar aus einem Briefe Luthers und Melanchthons an E. E. Rath zu Rostock anno 1531 hervor; jedoch wurde Alles beigelegt, so daß höchst wahrscheinlich nie spezielle Gegenstände davon zur Oeffentlichkeit gelangten, geschweige der Nachwelt überliefert worden wären", u. s. w.

Und dennoch sind außer dem erwähnten Briefe mehrere Actenstücke bis auf den heutigen Tag erhalten, welche nicht allein über den in Rede stehenden Streit willkommens Licht verbreiten, sondern auch durch verschiedene Einzelnheiten einen hohen Werth haben, nämlich zwei Gutachten, welche Johannes Bugenhagen und Urbanus Rhegius auf Bitte des Rathes zu Rostock über die Lehren der dortigen Geistlichen abgaben. Sie sind datirt: Lübeck, d. 24. November 1531 und: Celle, d. 8. November 1531 und befinden sich beide im rostocker Stadt=Archive 1 ). Als drittes Actenstück nenne ich eine von der Hand des Syndicus Dr. Johann Oldendorp herrührende Zusammenstellung derjenigen Lehrpunkte, über welche die


1) Herr Senator Dr. Crumbiegel in Rostock hatte die Güte, mir beide Gutachten mitzutheilen.
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Geistlichen uneins waren, mit der Aufschrift: Irrung vnb Zwispalt vnder den Evangelischen predicanten zu Rostock. Diese Zusammenstellung (ein Bogen in Folio) darf wohl als ein Entwurf des Berichtes angesehen werden, den der Rath an die genannten Coryphäen der Theologie sandte; sie wird durch die Gutachten fast entbehrlich 1 ).

Im Jahre 1531 trat zu Rostock ein evangelischer Prediger auf, der in seinen Lehren mehrfach von dem damaligen Dogma der lutherischen Kirche abwich, außerdem aber seine Amtsgenossen bei dem gemeinen Volke zu verdächtigen und dieses aufzuregen sich bemühte. Er verwirft die Privatbeichte als papistisch, ertheilt den Communicanten ohne Verhör die Absolution, indem er zugleich behauptet, daß die übrigen Prediger die Beichte nur des Beichtpfennings wegen in Schutz nehmen; er tadelt die eingeführten Ceremonien, will die lateinische Sprache gänzlich aus dem Gottesdienst entfernt wissen und verlangt, daß die katholischen Geistlichen, die Luther's Lehre angenommen, nicht zum Singen in der Kirche zugelassen werden sollen.

Das Treiben dieses Irrlehrers, seine Anfeindungen mußten die Prediger mit gerechtem Unwillen erfüllen; es folgte ein heftiger Streit, der von beiden Seiten mit Erbitterung geführt wurde und dem Rathe der Stadt Rostock lebhafte Besorgnisse einflößte, besonders da der Anhang jenes Mannes nicht unbedeutend gewesen zu sein scheint. So sagt auch Oldendorp, daß der Prediger seine Amtsgenossen der Gemeinde verdächtig mache mit großer Bewegung und Aergerniß und das heilige Evangelium selbst in Verdächtigung bringe, und Rhegius erklärt ihn für einen Schwindelgeist, wie der Müntzer, Cartstadt, und was solcher aufrührerischer Clamanten sind. Der Rath wandte sich nun an die berühmten Theologen mit der Bitte, die Lehren beider Parteien zu prüfen und zu beur=


1) Den Entwurf, der mich zunächst zu weiterem Nachforschen anregte, besitze ich in einer kleinen Sammlung von Schriftstücken, welche sich auf verschiedene Verhältnisse der Stadt Rostock aus den Jahren 1531 - 1534 beziehen, als Notizen über einzelne Rathsverhandlungen, Verordnungen, Entwürfe von Briefen an die meklenburgischen Herzoge u. s. w. Die Stücke sind theils von Oldendorp selbst geschrieben, theils betreffen sie seine Angelegenheiten, so daß man glauben möchte, daß sie einst von ihm selbst gesammelt wurden, zumal da ein Blatt von seiner Hand mit der Bemerkung "tho myne ßake nha lubeke" versehen ist, und die Sammlung gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts von Lübeck nach Rehna gekommen sein soll. Von den meisten Manuscripten besitzt das rostocker Archiv eine gleichzeitige Abschrift oder verbesserte Reinschrift.
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theilen, worauf denn die einstimmige Antwort erfolgte, daß der Sectirer, welcher die Beichte verwerfe, nicht ferner zu dulden sei.

Wer war aber jener Mann? Es ist wahrlich zu bedauern, daß sein Name, den der Rath "wohl um der Ehre willen" verschweigt, in den vorhandenen Actenstücken nicht vorkommt; auch Oldendorp übergeht ihn absichtlich und redet immer nur von dem "vorgedachten Predicanten". Bugenhagen spricht seine Vermuthungen aus und gelangt zu dem Gedanken, ob wohl Joachim Slüter , der gleichfalls gegen den Kirchengesang in lateinischer Sprache aufgetreten war, der "widerwillige Prediger" sei. Dann erzählt er ausführlich, wie Slüter zu ihm nach Lübeck gekommen sei, und er diesem wegen seines Eifers gegen die lateinischen Gesänge und des daraus entstandenen Zwistes harte Vorwürfe gemacht und ihn ernstlich ermahnt habe, worauf Slüter seine Ermahnungen mit Dank angenommen und ihm versprochen habe, Neuerungen und Zänkereien in jeder Hinsicht zu meiden und in Betreff der Ceremonien und Lieder so viel als möglich der lübischen Kirchenordnung zu folgen. Dann fährt Bugenhagen fort, er könne nach dieser Unterredung unmöglich glauben, daß Slüter derjenige sei, der jetzt zu Rostock seine Amtsbrüder wegen des Beichtpfennigs verdächtige und das arme Volk verführe. Indessen scheint es fast so, als ob Luther gleichfalls Slüter im Auge hat, wenn er in dem Briefe an den Rath sagt: "so möget Ihr ihn dennoch anzeigen, von mir Martino Luthero, daß ich ihn freundlich ermahne, als derjenige so nun lange Zeit das Predigtampt durch Gottes Gnade geführet vnd versuchet habe, wie ihn auch D. Pomeranus (d. i. Bugenhagen) zuvor vermahnet hat, daß er in geistlichen Sachen nicht zu kühn sey." Bugenhagen schließt seine Vermuthungen mit dem Ausspruche, daß der rostocker Irrlehrer ein Gefährte Never's und aus Wismar gekommen sein werde, denn dort würden ähnliche Reden vom Beichtpfennig geführt.

Es folgt nun das Gutachten Bugenhagen's, eine treffliche Denkschrift, die ohne Zweifel von des berühmten Mannes eigener Hand herrührt und vier und einen halben Bogen in Folio ausfüllt. Die letzte Seite des fünften Bogens enthält die Aufschrift:

Den Erbarn Ersamen wisen Heren Borgermeystern vnde Radtmannen der Stad Rostock, mynen gunstigen heren vnde frunden:

Die Einleitung mag hier wegfallen, In derselben spricht der

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Verfasser seine Freude darüber aus, wie das Evangelium auch in Rostock lauter verkündet werde, und bedauert dagegen, daß sich dort falsche Lehren, ein Werk des Teufels, einschleichen wollten. Er ermahnt zum reuigen Bekenntniß der Sünden, und daß man im eifrigen Gebete Gott um gute Seelsorger bitten solle, welche alsdann gebührend geehrt und gut gehalten werden müßten, damit sie nicht zum Fortgehen genöthigt würden, was leider oft geschähe. Dadurch werde Gottes Zorn gereizt, und schicke er den Undankbaren falsche Lehrer. Darauf geht Bugenhagen zu den einzelnen Lehrpunkten über.

Van der lere ouerst der predicanten by Iw vnde des eynen, de alleyne twedracht dar wedder maket, alse I. E. scrifft, antwerde ick also, dat de predicanten van der bicht vnde Ceremonien vnde tungen 1 ) na allen wörden, alse I.E. to my de lere vortekent gesand hefft, recht vnde Christlick leren, vnde weddervm dat de eyne, den I. E. nicht nömet, de wedder prediget, alse I. E. ock vortekent to my gesand hefft, mit sulker wise nicht to duldende is, wen he sick nicht wil beteren vnde Gade syne ehre vnde Christo syne warheyt laten; wente he leret jn den stucken nicht alleyne vnrecht, sunder bruket ock mit synem vnchristliken haderende nicht anders wen freuel motwillen; wente id schynet, dat he snlkes nicht vth vnwetenheit deyt.

Int erste van der bicht.

Dat de predicanten de bicht lauen vnde maken doch nicht darvth Conscientien stricke mit ertellinge aller sunden, jn sunderheit de Absolutie to halende vth Gades worde, dar dohn se sere Christlick anne, alse wy dat in vnsen scrifften vth Gades worde so bewiset hebben, dat sunder twiuel Christene lüde dar anne eyn wolgevallen hebben vnde vor vnrecht bekennen, dat me de Christlike bicht scholde alse vnchristlick vorwerpen. Rad vth Gades worde vnde des geliken trost der Conscientien schal io nemand vorachten, wor me de men halen kan. Me kan ouerst rad vnde trost in vnser bicht halen.dar anders neyn rad werd gegeuen den vnvorstendigen, wen vth Gades worde dar ock anders neyn trost werd gegeuen den bebröueden vnde angevechten Conscientien, wen vth Gades worde. Darvm werd dar ock dem, de Gades worde löuet, eyne vullenkamen Absolutie mit dem Euangelio Christi gespra=


1) Sprachen. Hier ist besonders die lateinische Sprache gemeint.
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ken: "Dyne sunden sind dy vorgeuen, Ga hen vnde sundige nicht mehr". Dat ordel geyt vp erden vnde mot jm hemmele gelden. Mit der eddelen gaue hefft Christus syne Christenheit geehret, Matth. rvj. rviij. Jo. rr. Dar tho hebbe ick dat vordehl, dat ick frylick tom Sacramente ga, wen myn prediker na vorhörder conscientie to my spreckt: "Ga tom Sacramente jn Gades namen", vnde richtet mit dem worde, dat my arme sundere dat Sacramente togehöret, vnde wo wol ick ane sulke vormaninge, "Ga tom Sacramente etc. .", mach dat Sacramente nehmen na rechter pröuinge der Conscientien, so nehme ick doch sulks ock mit alse eyn word, dat Christus mit my redet. Wente ick twiuele nicht, wat de prediker Christi mit my apenbar edder heymelick redet vam Euangelio edder van der vorgeuinge der sunden vnde van den Sacramenten, vns van Christo bevalen, dat sulk alles Christus suluest mit my redet dorch den mund des predikers. Paulus secht ij. Corin. v: "Alle dink jn Christo hebbe wy van Gade, de vns sich suluest vorsönet hefft dorch Christum, vnde hefft vns gegeuen dat Ampt der vorsöninge, vnde Got was jn Cristo vnde vorönede sick suluest de werld, dar mid dat he en nicht torekent ere sunden, vnde hefft in vns gesettet dat word der vorsöninge, darvm bruke wy vnser legatie edder bödeschop jn Christus stede, also dat Got dorch vns vormanet etc. ." Wy hebben ok vele andere tröstlike tosagen. Christi, Matth. rviij vnde anderswor bescreuen, dar vp ick wol darff mynem predicanten edder vorstendigen brodere bichten; wo wol se alleyne vp de bicht nicht gesecht sind, so sind se doch ock war jn vnser Christliken bicht.

Dat me öuerst mit sulker wise nicht mochte meynen, dat sulke gnade alleyne were gebunden an de heymelike bicht, so leren jwe predicanten ock, alse I. E. scrifft, de gemeyne Absolutie, de me entfenget vth der gemeynen predikye des Euangelij, so me der gelöuet, alse Christus secht: "De myne worde höret vnde löuet dem, de my gesand hefft, de hefft dat ewige leuent". Querst is dat war, wen my Gades word jm hnuen vorkundiget werd, worvm scholde id my nicht vele mehr angan, wen id my besundergen alleyne wedder myne sunderge sunde vnde noth vorkundiget werd?

Wy vormanen ock dat volk ane dwanck vnde ane conscientien stricke to der bicht vnde nehmen dar mede neynen ringen arbeid an vns, dem volke to sunderge vnder=

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richtinge vnde den angevechteden vnde beswarden conscientien to sundergem troste vnde Absolutien, alse gesecht. Vnde leren, dat se alleyne scholen ehre sunderge noth klagen, de se dach vnde nacht sunderlick drucket vnde wat se allermeyst anvechtet, alse ere sunderge noth vohr droch de Cananeische frowe van erer besetenen dochter, vnde de blinde sprack: "Id feylet my an dem gesichte, jck wolde gerne sehn etc. ." Id kumpt ock to tiden, dat etlike lüde jn sulke anvechtinge vnde jamer kamen, dat se gantz nicht to freden konen werden, ock wen se de gemeynen prediken hören. De dünel behenget ere herte mit nide, hate, opinien edder vortwiuelinge. Dem sulk wedder varet, de kan nicht beter dohn, wen dat he nicht lange dat vür so heymelick late by sick bernen, id mochte ein mal to grot werden, sunder he spreke: "Kum düuel, wy willen beyde alleyne vor mynes salichmakers richte stul gan, du scholdest dy benögen laten an gemeynem landrechte, dat is an der gemeynen predikye, dat du van my wekest, de wile du neyn recht hest an eynem mynschen, de in Christum gedöpet is; ouerst de wile du mit my mit gewalt varest, so kum vor dat Euangelion, vnse predicante schal dy vnde my eyn ordel spreken vth dem Euangelio." Dar spöret me ersten, wo sick de düuel wehret. Du ouerst, leue Christen, vare vorth vnde klage dem predicanten jn Christus stede dyne noth mit ernste, he werd dy in Christus stede eyn gnaden ordel sprekende, dat dem düuele nicht wol werd gevallen. Dat nym an vnde dancke Gade dorch Christum. De nicht bichten wil, de late id; du ouerst vorsüme nicht sulken trost etc. . Ick bün ock nicht an de heymelike bicht gebunden, doch wil ick to tiden sulke gnade nicht vorachten, sunder bruken.

Dar na, alse I. E. scrifft, leren ock jwe predicanten also. Wen Jemand rede 1 ) nichts sunderges to bichtende hedde, so scholde he doch kamen to dem predicanten vor der Sacrament entfanginge vnde bekennen, wat he löuet vnde wor vm he wil tom Sacramente gan, dat se weten, wen se tom Sacramente scholen heten gan, edder dar van bliuen; wente vnrüwige sundere edder schwermere willen se dar nicht heten togan, so lange dat se sich beteren. Kamen se gelike wol, dat sta vp erer kappe; lopt ock eyn heymelick Judas dar mede, dar sehe he vp. Sulk alle is so recht vnde Christlick, dat id my wundert dar ane


1) bereits, schon.
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to twiuelende, de wile me ock to dissem Sacramente brod vnde wyn mot hebben vor de jennen, de dar willen communiceren. Vnde wy konen by disser tid neyne andere Excommunicatio holden wedder de freuel schandsunders, ock is dat eine gute wise, eynen jeweliken to wernende, dat he werdich tom Sacramente ga etc. . Den armen sundern, de sick betern willen vnde löuen vorgeuinge der sunden jn Christo, höret dat Sacramente tho.

Hyr wedder, alse I. E. scrifft leret eyn van den Euangelischen predicanten, dat sulke bicht papistisch sy, vnde de so leren sind hüchelere vnde söken den bichtpenninck. Tom ersten. Ick hebbe tovorn bewiset, dat se Christen is vude Euangelisch; schal se ouerst papistisch syn, war sind denne de satisfactiones, aflates breue, vegevüres Missen, formae semel in vita et semel in mortis articulo etc. .? Sulke dinck hören tor papistischen bicht mit dem bylouen, dat dy dyne sunden vorgeuen werden darvm, dat du se altomale sechst etc. . Tom andern. Id ist wunder, dat dat hüchelers scholen syn, de de lüde gerne annehmen to lerende, to tröstende, to vormanende vnde vorderen se to sich sunderlick antonemende mit Gades worde. Id sind io nicht monneke herten, de sick wech sluten, wen se dat glas vp dem predickstole vmme gekeret hebben, dat dar na nemand erer gebetert is. So höre ick wol, dat to Rostock möten hüchelers heten, de mit sulker Christliker moye dorch dat Evangelion den armen lüden raden willen. Tom drudden. Dat he secht, se söken den bichtpenninck, dat redet he sunder twiuel nicht vth guder meyninge vor dem volke, dat nu gerne de hand toslut vnd gifft noch den predicanten, noch den armen: darvm hefft he dat volk van den andern guden predicanten gut aftowisende mit sulken lögen wörden. Neen, lewe düuel, wen me so dat Euangelion heymelick vnde apenbar leret, so volget noch bichtpenninck, noch offerpenninck, edder votinen. Querst van sulkem erlagenen bichtpenninge wil ick jnt ende mehr seggen.

Ane dit, so scrifft I. E. ock van dem suluigen predicanten, dat he de Communicanten nympt vnde spreckt en ane vorhöret eyne Absolutie to samende. Dat benympt em werlick vele moye vnde scheldet de wile de andern, de eren schapen trüwelick reden vnde laten sich nicht vordreten. Querst wat is sulker Absolutien van nöden? Wente, wen me jnt gemeyne an der Absolutien sick benögen laten wil, so wet ick neyne beter Absolutie, wen de ge=

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meyne predikye des Euangelij: "De dar gelöuet, de is salich; de ouers nicht löuet, de is vordömet." Also hefft Christus jnt gemeyne geprediget dat Euangelion; de dem löuede, de hedde eyne gude absolutie, nomelick dat ewige leuent; de dar löuede, de krech. Querst sunderlick tröstede he vnde absoluerede, de sunderlick to em quemen. Id were denne, dat disse predicante nicht dat Euangelion predikede, sunder brachte de stunde tho alleyne mit sulkem haderende van den fryen Cerimonien, so bedrafften syne schölere werlick wol eyne betere absolutie. Ick fruchte, dat he vnnodige nygeringe gerne socht to ergernisse vnde lichtverdicheit des volkes; dat is mi van herten leyd. Wen de predicante Got fruchtede vnde dede sulks jn erdome, so wolde wy alle to syner beteringe helpen mit bedende vnde vormaninge etc. .

Tom andern, van den fryen
Ceremonien vnde tungen.

I. E. scrifft, dat de predicanten leren, jn den fryen Cerimonien ergernisse der swaken to vermidende, vnde dat mit tungen reden vth der hilgen scrifft, schal vnvorbaden syn, j. Cor. riiij, so verne dat dat Volk mit Gades worde düdesch vnderrichtet werde vnde ordentlick ock mit Christlikem düdeschen sange Got lauen. Der wegen se ock dat Testament Christi düdesch holden vnde dudesch döpen. Sulk is alle recht, alse ick van den Cerimonien jn der lubeschen ordeninge 1 ) vnde noch mehr jn dem boke vth den dren ordeningen 2 ) bescreuen hebbe, vnde is wunder, dat ehn Christen dar wedder schelden moge. Noch scrifft I. E., dat de genante prediker ane vnderlat


1) Der Kayser | liken Stadt Lübeck | Christlike Ordeninge, | tho denste dem hilgen | Euangelio, Christliker | leue, tucht, frede vende | enichyt, vor de y oe get | yn eyner guden Schole | tho lerende. |Vnde de Kercken denere vnd | rechten armen Christlick | tho vorsorgende. | Dorch Jo. Bugen. Pom. | beschreuen. 1531.
Am Ende: Gedrucket yn der Key = | serliken Stadt Lubeck | dorch Johan Balhorn | M. D. XXXI. - 8°. - 96 Bl.
2) Van menni = | gerleie Christliken sake | tröstlike lere, genamen | vth der Lübeker, Ham | borger vnde der Brune | siviker Ordenininge || Dorch Joannem | Bugenhagen Pomern. || M. D. XXXI.
Am Ende: In der Keyserliken Stadt Lübeck by | Joan Balhorn (by der Abtekenn wa = | nende) gedrücket, jm jar na Chri | sti vnses heilandes | gebort. | M. D. XXXI. - 8°. - 276 Bl.
Eine hochdeutsche Ausgabe (34 Bogen in 4°) erschien in Wittenberg, 1531.
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dar wedder hadert, bespottet de bunte Misse, alse he se nömet. Id were beter, dat he syn volk mit dem Euangelio lerede, wen dat he so hadert vmme syne sunderge ehre, alse id schynet. Worvmme dat he ock de papen nicht hebben will by sulken fryen Cerimonien, de sick bekeren to dem Euangelio Christi, dat kan ick nicht vorstan. Ock is nicht vnchristlick jwe ordeninge vam dageliken sange, dat etlike psalme latinisch vnde düdesch, responsoria de tempore, Te deum etc. . werden gesungen, latinische vnde düdesche lectien dorch de jungen vth der biblie gelesen. Noch scrifft I. E., dat he dar wedder scryet; Ick weth nicht worvm.

Van den tungen, dat is dat me redet vth der hilgen scrifft vnde lest vnde leret myt anderen tungen, wen mit düdescher, segge ick vp dit mal also. Do Got wolde, dat dat Euangelion Christi ersten scholde vthgan jn de gantze werld, do gaff he dar tho mennigerleye tungen, Act. ij, de wile me mennigerleye tungen prediken scholde. Nu ouerst jn dissen letsten tiden, do Got wolde dat Euangelion Christi wedder klar an den dach bringen, gaff he vns wedder de spraken, dar mede de hilge scrifft gescreuen is, nomelik de hebreische vnde de grekische: de hebreische tom olden Testamente, de grekische tom nyen Testamente. Ock gaff he vns wedder de reyne latinische sprake, dat wy latinischen deste beth mit der latinischen sprake sulke scrifft den latinischen konden vohrholden. Sulk is nu so sere am dage, dat me sick des vorwunderen mach; vorlöchenen kan me id nicht. Gades gauen sind id, to denste dem Euangelio vorschaffet vnde geschencket, so wol alse de druckerye. De nu sulke tungen nicht liden kan, de schendet Gade syne gauen, hatet dat Euangelion vnde wil, dat dat Euangelion nicht lange bliuen schal. So werd denne eyn jewelick swermer lerende, wat he wil, wen nemand krefftich mit Gades worde wehret. Sulke haderers konen alle dinck vorwerpen, ouerst wen noth hyr an kumpt mit kettertye, so weten se nichts; ja se fragen dar ock nicht vele na, se laten wol dat water ouer berch vnde böme gan. So moten denne de tungen vnde eddelen Gades gauen, de wile wy se noch hebben, hervohr treden etc. .

Darvmme de eyn Euangelisch prediker wil jn eyner Stad syn vnde sorget nicht mit groten vlite vor de arme jöget, dat gude kynder Scholen wedder werden vpgerichtet, dar vth wy mögen krigen mit der tid gelerde lüde tom werliken vnde geistliken regimente - de is eyn sachte

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leuent vnde nicht eyner bonen werd vnde deyt groten schaden, wente dar na wil eyne grote vnwetenheit vnde düsternisse kamen, to vordunckerende dat Euangelion Christi. Ick swige nu, wo grot sulke ere egene eselye vnde vnvorstand an den dach geuen, wen se so vnbescheydich vor dem armen volke darwedder plapperen. Ick wolde en raden, dat se sick recht vnderrichten leten vnde dat se leten andere lüde seggen van sulken saken, dar se nicht van weten.

Sulck antwerde ick I. E. vp I. E. scrifft van beyderleye predicanten jwer Stad tom besten vnde, alse ick höpe, ock dem jrrigen predicanten tor beteringe, so he anders God mehr leff hefft, wen syne egene ehre. Wen he sick ouerst nicht wolde beteren van synem vnchristliken haderende vnde twedracht jn jwer Stad to makende, so moste me en slicht affetten, alse Christus leret vam oge, dat vns ergert etc. .

Ouerst Ersamen, wisen heren, de wile gy velichte vmme ehre willen den wedderwilligen predicanten nicht hebben genömet, hebbe ick mennige gedanken gekregen. Wente ick kenne men twe predicanten by jw, de hyr by my sind geweset; de eyne het Er Valentin Cordman 1 ), dar hefft me newerlde sulks van gefecht hyr by vns, vnde id stund darop, dat me en hyr gerne hedde gehat to einem predicanten. De andere het Magister Jochim 2 ), van dem is hyr wol gesecht tovorne des geliken, alse I. E. scrifft. Ouerst dar na quam he suluest hyr hehr to my, vnde ick nam en jn myne slapkamere vnde redede en an so groff mit aller mate, alse van em gesecht was. Van sulken worden klagede he, dat em etlike vnrecht weren ouergesecht; etlike ouers bestund 3 ) he etliker mate vnde na Christliker vnde fruntliker vormaninge sede he my tho, dat he vnnödige nygeringe edder twedrechtige nicht wolde maken, sunder latin laten singen, wen de leyen nicht vorhanden weren, to öuinge der hilgen scrifft, ock latin vnde düdesch vorordenen helpen to singende vnde Got to lauende vnde, wor dat by jw deenstlick wurde syn, der lubeschen Ordeningen na tho volgende, wo he id denne mit den andern predicanten ouer eyn queme vnde


1) Bugenhagen nennt Valentin Korte (Prediger zu St. Marien) wohl nur durch ein Versehen Cordmann.
2) Daß mit "Magister Jochim" Joachim Slüter gemeint ist, wird schwerlich Jemand bezweifeln können.
3) bestehen = gestehen. Vgl. Grimm's deutsches Wörterbuch, Bd. 1, S. 1672.
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sick wol schicken wolde; ock mit allem vlite vnde rade vnde so vele by em vprichten, dat de jöget nicht so schendich wurde vorsümet, vnde namals ock mochten lüde syn, de der werld mochten denen. Item der bicht haluen was he vns mit neynem worde enjegen, ock bekande he, dat he id des Sacramentes haluen mit den Sacramentesschenderen nicht heelde; he wuste ock wol, dat em her haluen nemand wurde schuld geuende. Van der ouericheit handelde ick ock mit em, vnde he lauede, sich richtig darjnne toholdende; wat geschehn were, dat hedde de noth des Euangelii jnt erste gevordert. Summa, he was mit my na syner bekentnisse jn dissen genömeden stücken eyndrechtich vnde nam mit dancke alle myne vormaninge alse Christlick an, besundergen dat he sich vnnütten scheldendes gerne wolde entholden vnde nicht alleine sick slan mit den wüluen, sunder ock gedencken syne schape vlytich to weydende, dem vorholden dat gesette, de sunde to erkennende, dat Euangelion to troste vnde to vorgeuinge der sunden. Dar na nam ick en alse mynen leuen broder vnde medehulper der Euangelij to mynem dische vnde was frölick ouer sulker sake vnses Heren Christi. Sulk alles werd he sunder twiuel so mit my bekennende, he wet wol, dat ick hyr ane nicht vnrechts segge. Wol is denne de wedderwillige predicante? Ick achte io, dat Magister Jochim na sulker fruntliken vnderrede vnde tosage nicht so giftig scholde wedder vns reden der bicht haluen, dat he vns ock vohr holden scholde den bichtpenninck wedder vnse schuld. Ick holde, wen he id van eynem anderen hörede, he wurde vns dar jnne vordegedingen vnde schelden en vor eynen vnvorschemeden lögener. Wente wat jwe predicanten leren van der bicht na I. E. scriuende, dat is na allen worden vnse lere, vnde geyt vns an, wat der haluen jwen predicanten ouer dem stucke weddervaret. Darvm make ick gissinge 1 ) (ick mochte ock wol feylen), dat de wedderwillige predicante sy to Iw gekamen van der Wismar vnde sy Neuers geselle; dar gan sulke worde vam bichtpenninge wedder vns, alse ick I. E. tor warninge klagen wil. Tor Wismar is de Stad vul lesteringe Gades des Sacramentes haluen. Wat Christus ia secht, dat seggen se neyn vnde sind der wegen vthermathen geistlick. Vnde wy möten fleschlick syn, de wy Christum ehren vnde syne warheit bekennen jn synen wor=


1) Vermuthung. Holländisch giffen; englisch to guess.
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den vnde bevehle vam Sacramente. Neuer de leret se, wen me de worde Christi "Dit is myn liff, dit is min blut" vorsteyt alse se luden, so is id Litera occidens, de dödende bockstaff; wen me ouerst Christo wedder blerret "Neen Christe, id is nicht dyn liff, id is nicht dyn blut, sunder id is men eyn betekent liff vnde blut", so is id Spiritus viuificans, de leuendichmakende geist. Dat is nicht alleyne lesteringe, sunder ock graue eselye; solke esele scholde me ersten tor Scholen vören, dat se lereden, wat litera vnde wat Spiritus sy, vnde bereden ersten Got fruchten, ehr se so hervth varen mit mynschen dancken, de armen lüde to vorvörende. Dar na breckt he sick mit groter kunst vnde gedencket, wor he Christus liff henne sette jm hemmele, dat syn liff vns io nicht hyndere jm Sacramente, alse sulkes alles na wiset syn egene bökeken 1 ), van sulker kunst vnde lesteringe vt andern tohope geslagen. Ick vermanede en mit eyner latinischen scrifft vth Hamborch 2 ); id halp nichts. Ere egene ehre vnde kop is den lüden so leeff, Gades ehre mach bliuen, wor se kan. Dar tho, nu nicht lange vorgan, reyseden twe Magistri


1) Gedruckte Schriften Never's waren bis dahin nicht aufzufinden, auch weiß man nicht, ob die beiden in Schröder's Kirchen=Historie des Evangelischen Meklenburgs, S. 153 erwähnten Abhandlungen über das Abendmahl und die beiden Naturen Christi durch die Presse verbreitet wurden. Daß aber Ludwig Dietz zu Rostock ein Werk Never's gedruckt hat, geht aus einem Schreiben hervor, welches die Herzoge Heinrich und Albrecht von Meklenburg am 6. Mai 1530 an den Rath der Stadt Rostock richteten. In demselben machen die Herzoge dem Rathe die Anzeige:

wie Er Heinrich Never zur Wißmar ein newes Buchlein widder das heilige Hochwirdigk Sacrament des fleisches vnnd blutes Cristi itzt gemacht, des willens, solches jn druck offentlichen außgehen zu lassen. Dweil dan vns, als der obrigkeit, dasselb also zu dulden vnd zutzesehen nicht getzimen noch gepuren wil vnd wir vns befaren, das er solich buchlein Ludwigen Dietz (der jme in selben sachen vorhin auch gedient) oder sunsten bey euch zu trucken zustellen mocht, Szo haben wir Ludwigen Dietz, auch den fratribus zu sant Michel hirbey jnliegendes lauts geschrieben, Begern derwegen gutlich, Wollet Ine solich vnser schreiben behendigen, mit Ernste befehlen, das angetzeigte buchlein, ob sie es bekomenn werden, oder andere materj in der heiligen schrifft, zuvor vnd ehe sie vns, als der obirkeit, soliches zu besichtigen zugestelt, nicht trucken u. s. w.

Die Briefe befinden sich im Archive zu Rostock.
2) Bugenhagen hielt sich vom 9. October 1528 bis zum 9. Juni 1529 in Hamburg auf. - Die hier in Rede stehende Schrift erwähnt Jäncken im Leben Bugenhagens (Gelehrtes Pommer=Land), 1734, S. 138. Nr. XLII. also: Jo. Bugenhagius contra Lib. Henr. Never ad Wismar. fratres. 1529. 8°. citatur in Biblioth. Mayeri p. 768. Nr. 4.
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van hyr vth der lübeschen Scholen na der Wismar, de wolden mit Neuer reden vnde en vnderrichten; he hedde nicht de tid, se konden nicht mit en tor saken kamen. De eyne Magister is Erasmus, by jw wol bekand, geleret jn synen kunsten vnde artibus, dar tho eyn gud Theologus vnde bekenner der warheit. Wat scholde wy dem Neuer mehr dohn? Ad propositum. Do de beyden Magistri jn eyner gemeinen herberge weren, vnde wurd wat gudes van framen lüden gesecht van vnsem Euangelio, dar hoff an de werd vnde lesterde mit gruweliken worden wedder vns, vnde manck andern worden loch he unvorschemet disse vnvorschemede lögene: "Me plach twe penninge to bichtende geuen, nu möt me den predicanten to lübeke jn der bicht suluerne bekere vnde suluerne lepele geuen". Dar öuer redede de hilge man so gruwelick, dat de beyden Magistri Gade danckeden, dat se vth der lesteringe wech quemen. Worvmme lücht me vns sulke vnvorschemede lögene ouer wedder alle wetent der lüde? Alleyne darvm, dat wy nicht mit en willen Sacramentschendere syn. Se sehen wol, dat ere vulen Argumente wedder dat Sacramente Christi nicht helpen willen, so sind nu sulk storment vnde vnvorschemede lögene ere besten argumente; ick hape, id scholen ock de lesten syn. Ick hebbe hyr sulke lögene to lubeke vp dem predickstole apenbare dem volke geklaget, wo sulke lögene tor Wismar van vns werde apenbar gesecht vam bichtpenninge vnde suluernen geschencken jn der bicht, dat arme volk van vnsem Euangelio aftowendende, vnde hebbe der wegen der lögene trotz gebaden, dat eyn mynsche mochte kamen vnde seggen, ick hedde eynen scherff van em genamen, ick swige denne mehr; dat kan Got sy gelauet nemand dohn. Sulk klage ick I. E. ock, wente ick sehe vnde vorsta, dat sulke lögene to jw ock gekamen is. Mynent haluen wolde ick sulke lögene wol laten vor öuer gan, wente Got is richter, öuerst vmme des armen volkes willen, dat vorvöret werd, schal ick nicht swigen. Ach Here Got, kan nemand der guden Stad Wismar helpen edder raden? Wente Got kan io tom lesten sulke motwillige lesteringe synes bevehles vam Sacramente nicht liden. Neuer mit synen Scholeren lestert, de papen hebben jn dissen jare ere vegevöres Missen dar wedder jngebracht vnde lesteren ock, dat kan Neuer wol liden. Got wende io aff sulken erdom vnde alles böses van der Stad! Ick vorsehe my, dat dar ock io borgere vnde lüde sind, de Christum mit synem reynen

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Euangelio leeff hebben, den sunder triuel sulke lesteringe leyd is vnde bidden Got dar wedder vnde vmme gnade. Ick bidde alle dage vor se, wente wen sulks nicht gebetert wurde, so mochte de gantze Stad ock jn leffliken vordarff dar ouer kamen; jck drage eyn hertlick medelident mit en, alse mit vnsen leuen nabers. Christus schende de motwilligen tor beteringe vnde erlüchte de errigen, de id nicht beter weten, Amen. J. E. holde my dissen anhanck to gude, wente ick wolde so gerne dar den errigen helpen, alse by Jw den twedrechtigen na der gnade Gades dorch Jesum Christum, vnsen Heren, Amen. Christus sy mit jw jn ewicheit. Screuen to lübeke Mdxxxj. xxiiij. Nouebr.

J. E. Willige

Joannes Bugenhagen,    
Pomer.                   

Das Gutachten des Urbanus Rhegius nimmt vier Bogen in Folio ein; nur die letzte Seite hat der Verfasser selbst geschrieben. Rhegius stimmt in seinem Urtheil über die Lehren der Rostocker Prediger ganz mit Bugenhagen überein, so daß es unnöthig erscheint, das Gutachten vollständig mitzutheilen. Als Probe mag jedoch ein kurzer Abschnitt hier eingeschaltet werden.

Von Sprachen.

Paulus 1. Cor. 14 spricht: "Lieben brüder, vleissigt ench des weissagens vnd weret nicht mit zungen reden". Das ist des heiligen geists ordnung, der wil die sprachen in der gmein gebrucht haben, doch das man sie zur besserung vslege. Weil nun die Biblj in lateinische sprach verfast ist, sol man die latinische sprach in der kirchen gebruchen vnd nit verpieten, dan die diener das Euangelij werden dodurch geübet, das si zur vßlegung vnd leer dester geschickter werden. Eur prediger ist frilich ein Teutscher here, den solten jer gen Rhodis schicken, Dan er kan villeicht des lateins nit vil. Last den Blindenfierer gehn!

Schließlich soll noch darauf aufmerksam gemacht werden, ob die im Jahre 1531 erfolgte Suspension Matth. Eddeler's


1) Bei dem Abdruck des Gutachtens habe ich die nöthige Interpunction hinzugefügt, die Abkürzungen aufgelös't, dabei aber die durch die Auflösung entstehende Verdoppelung der Consonanten am Ende eines Wortes weggelassen.

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zu Rostock 1 ) vielleicht mit dem Zwiste der Rostocker Prediger in Verbindung steht. Auch über den Ausgang des Streites vermag ich eben so wenig Nachricht zu geben, als über den Namen des Mannes, der ihn ins Leben rief. Den Wunsch, daß ein anderer Forscher hierin glücklicher sein möge, werden meine Leser theilen; denn man begehrt mit Recht zu erfahren, in welcher Beziehung jener Mann, den alle Meklenburger verehren, zu dem Kampfe der rostocker Geistlichen gestanden hat, - ich meine Joachim Slüter.

Vignette

1) Man vgl. rostocker Etwas, 1740, S. 345, und Wiggers, Geschichte u. Urkunden der Stadt Gnoyen, 1855, S. 121 flgd.
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VIII.

Ueber

des Syndicus Dr. Johann Oldendorp

Weggang von Rostock.

Mitgetheilt

von

Wiechmann = Kadow.


M an nimmt allgemein an, daß Dr. Johann Oldendorp gegen das Ende des Jahres 1533 oder im ersten Viertel des Jahres 1534 Rostock verlassen hat, um nach Lübeck zu gehen 1 ), ohne daß er, wie besonders Waitz 2 ) hervorhebt, seine Beziehungen zu der erstgenannten Stadt völlig gelös't hatte und des Amtes als städtischer Syndicus entlassen war.

Daß Oldendorp schon Johannis 1534 im Dienste Lübecks auswärts thätig war, ergiebt der Bericht des stralsundischen Chronikanten Johann Berchmann 3 ), der zu diesem Jahre erzählt:

Anno 1534 des mandages vor Johannis baptistae waß thom Sunde dat aller schwarste grußam regiment twischenn dem rade vnnd borgerenn, nicht gehortt; dar quemenn de borger thoßamende vp dat


1) Vgl. Krabbe, die Universität Rostock im 15. u. 16. Jahrhundert, 1854, S. 405 flgd., und Harder, Joh. Oldendorp, biographischer Versuch, in der Zeitschrift d. Vereins f. Hamburgische Geschichte, neue Folge, Bd. 1, S. 441 flgd.
2) Waitz, Lübeck unter Jürgen Wullenwever, 1855, Vd. 1, S. 194 flgd.
3) J. Berchmann's stralsundische Chronik, herausgegeb. Von Mohnike u. Zober, 1833, S. 46.
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rathuß schir inn vntidt. Dar quam doctor Oldendorp, ein kleinn mennekenn 1 ), men groth jn der schalckheitt, der Lubeschen sindicus vnnd ein rhatman: de brochtenn breue geschreuenn ahn de gemeine; de worden up dem rathuße geleßenn, wo sick de stadt vorbunden hedde ane der gemeine willen.

Dieselbe Sendung erwähnt auch Thomas Kantzow 2 ), welcher bei der Gelegenheit Oldendorp als einen Mann schildert, "de van Natur ein vprurisch, vnstille gemote hedde, vnd deshalffen ersten vam Gripswalde, darnha van Rostock verjaget was."

Aus einem kürzlich im Stadt=Archive zu Rostock aufgefundenen eigenhändigen Schreiben Oldendorp's geht hervor, daß derselbe erst im Jahre 1534 aus Rostock zog. In jenem Briefe, den Oldendorp am 12. April von Lübeck aus an den rostocker Rath richtete, bittet er um die Entlassung aus seinem Dienste als Syndicus und begründet diese Bitte durch die von allen Seiten ihn bedrohenden Verfolgungen, gegen welche ihm ein so wenig sicherer Schutz zu Theil werde. Wäre er schon 1533 aus Rostock gegangen, so konnte er doch unmöglich erst im April des darauf folgenden Jahres seine Amtsentlassung nachsuchen. Dazu stimmt auch die Angabe von Waitz (a. a. O. S. 234), daß der Rath Lübeck's, wahrscheinlich auf Wullenwever's Veranlassung, im Februar 1534 (zweimal, am 10. und am 13.) sich Oldendorp von der Stadt Rostock erbat, damit er auf der Versammlung zu Hamburg, welche den Frieden zwischen den Niederländern und Lübeckern zu Stande bringen sollte, für Lübeck und die verbündeten Städte das Wort führen möge. Der rostocker Syndicus kam jedoch nicht nach Hamburg, da der Herzog Albrecht ihm das Geleite verweigerte.

Erwägt man, wie viel Oldendorp während der letzten Zeit seines Aufenthaltes in Rostock zu dulden hatte, bedenkt man, daß der Herzog Albrecht von Meklenburg seine - des Aufrührers - gefängliche Einziehung und Bestrafung ernstlich forderte, daß die noch immer mächtige katholische Partei in ihren Schmähbriefen drohte, ihm "das Herz im Leibe zu erstechen" 3 ), und daß endlich sein häusliches Leben kein er=


1) Ein Bildniß Oldendorp's (Holzschnitt von oder nach Tobias Stimmer) findet sich in Reusner's Portraitsammlung: Icones sive imagines virorum literis illustrium, etc. Argentorati, 1590, 8°, S. 240.
2) Th. Kantzow's Chronik von Pommern in Niederdeutscher Mundart. Herausgegeben von W. Böhmer, 1835, S. 210.
3) Vgl. Warhafftige entschuldinge Doct. Johann Oldendorp, Syn= (  ...  )
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freuliches war, so wird man zugeben müssen, daß er wohl Gründe genug hatte, von Rostock fort zu trachten. Waitz geht jedenfalls in seinem Urtheile zu weit, wenn er Oldendorp deswegen der Gewissenlosigkeit anklagt, und hat auch Harder schon die Vertheidigung des verdienstvollen Mannes übernommen.

Oldendorp's Gesuch um seine Entlassung hatte keinen besondern Erfolg, denn er wurde von dem damals in Rostock mächtigen Bürgerausschusse, den Vier und Sechzigern, zurückverlangt, in deren Protocoll vom 7. Juli 1534 sich die Bemerkung findet, daß der Syndicus Oldendorp bereit sei, das frühere Amt in Rostock wieder zu übernehmen, wenn sein Haus gegen die Besuche des Predigers Valentin bei seiner Ehefrau sicher gestellt werde 1 ). Er kehrte jedoch nicht nach Rostock zurück; aber aus der Einlage des erwähnten Briefes, der hier vollständig mitgetheilt werden soll, ersieht man, daß Oldendorp auch während seines Aufenthaltes in Lübeck das Interesse der Stadt Rostock im Auge behielt.

Daß ein Mann des 16. Jahrhunderts bald diesem, bald jenem Herrn diente, kann ihn nicht verdammen, und wir dürfen nicht aufhören, Johann Oldendorp als den thätigen Beförderer der Reformation in Rostock gebührend zu verehren.

Dr. Johann Oldendorp's
Schreiben an den Rath der Stadt Rostock,
d. d. Lübeck, 12. April,
1534.

Mynen fruntlichen gruth vnd deinsth jn Christo thouörn, Erßam vorßichtige herren. Ick achtet van vnnöden nach der lenge tho schryuen, wyle gy ßuluest mede angeßen hebben, wo mith my bünnen vnd buten der Stadt Rostock gehandelt js worden. Szonderlich ouerst in Religionßaken, de jck stedes thom myddelwege na rechter warheyt vnd beuele gehandelt, hebben jtlike vnmylde lude schandbreue auer my gedichtet, als scholde jck de papisterige bössliker wyße hanthaben etc. . De andern weddervmb hebben darvp geschulden, dath ick alleinen ein houetman were aller handelinge wedder papen vnd mönneke, wolde


(  ...  ) dici tho Roszock. Wedder de mortgirigen vprorschen schandtdichter u. s. w. 1533, 8°, Bl. 2a.
1) Vgl. Krabbe a. a. O. S. 406. Waitz möchte Oldendorp dieser Bedingung wegen für einen Feigling halten und vergißt dabei, daß derselbe seines unbedeutenden Körpers wegen nicht im Stande war, sich durch eigene Gewalt im Hause Recht zu verschaffen.
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den börgern ere lehne affdregen etc. . Ick ßwyge nu van Hertoch Albrechte, de my vmb jwer ßake wyllen geschulden vnd nagetrachtet ane alle rede vnd orßake; Summa, jck hebbe nichts ock thor alder besten meyninge in der Stadt namen handelen möghen, eth sy denne vp mynen armen rugge gelecht vnd tho quade gedudeth, alßo dath ick langest wol gude orßake gehat, jwes deinsth möde tho werden vnd anich tho blyuen, als my warlick Godt van hemmel vnd jwe conscientie werdt betughen. Szo hebbe jck doch van mer glymps weghen geduldeth vnd beteringe vorhapeth, mydtler tydt vele puffe, als de scho dath ßmer vpgefreten, vnd dar durch myn lyff vnd leuenth jn bytterheyt vorßweketh. Thom latesten öuersth, als jck vormarkt, dath men nicht alleinen tho reddinge mynes vngefals weynich getrachtet, beßonder ock dath ander lude, de doch dem gemeynen besten vnd jwe kynderen truwlick gedeihneth, mynet haluen geßmeheth vnd jnt elende voriagt ßynth worden mith aller vorfolginge, Szo hefft warlick ßölich jammer, schendenth vnd bedruck my vororßaketh, leuer tho wyken, dan stedes tho hadern. Vnd begere höchlick, gy wyllen jw nicht entieghen ßyn lathen, dath ick mynes Syndicats vnd deinstes jtzunder by jw vorlöff hebbe vnd frig blyue, Denne ßo vele alß vnßen vpgerichteden bescheydt belangt, wyle myner perßonen vnd andern framen luden, de my truwlick gunnen frede vnd wolfarth, beschuttinge vnd ßekerheyt nicht werdt tho geholden, byllich, dath jck ock des nicht wedder holdens ßy entschuldigt, vnd möthen alßo beyder ßyts de schult dem Duuel vnd jtliken bößhafftigen luden heym stellen. Ick vorhape ock, gy werden vp ferner anßöken vnd gnögßame quitantie mynen haluen zolt vnd anders darthostrecken nicht wethen tho weygeren, Szusth jw vnd dem gemeynen besten tho deinen byn nicht vngenegt Vnd begere des ein antwerdt. Dat. Lubeck Sondags Quasi modo geniti Anno xv°. xxxiiij.

Johan oldendorp,
doctor.        

Der vorstehende Brief enthält folgende Einlage:

De sache j. Erß. börgere mith dem Engelschen Legaten 1 ) hebbe ick na mögeliken flyte vortgeßettet, ock alßo,


1) Es wird sich hier wahrscheinlich um die Privilegien der deutschen Kaufleute in England handeln. Vgl. Lappenberg, Actenstücke über die Verhandlungen König Heinrich VIII. von England mit Lübeck (  ...  )
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dat men nicht alleinen schryuen, beßonder ock den Szendebade, ßo ein Erbar Radt to schycken gemeynet, mede beuelen werdt. De herre Orator js dem donde gantz genegt, vnd were nicht vnradtßam, dath vnder geßelschop der Steder ßendebade ein van iwer börger weghen des weghes henvth reyßede, vpßenth mede tho hebbende vnd erjnneringe tho donde, dath de dynge ein mal thom ende quemen mith hulpe vnd wyllen Gades almechtich, de vns allen jn vnßen billichen handelen vnd anlyggen gnediglick helpen möche. Dat. vts in lris 1 ).

Der Brief trägt die Aufschrift:

Den Erßamen, vorßichtigen, wyßen herren Burgermeystern vnd Radtmannen der Stadt Rostock, ßamptlich vnd Szonderlich

jn eghene hanth.

Darunter die Registratur:

doctor oldendorpes breef vā der designatie synes Syndicats A° 1534 dinxtedages na Misericordias do m mit Querstrich .

Das aus schwärzlichem Wachs bestehende kleine ovale Siegel Oldendorp's zeigt einen quer getheilten Schild, welcher unten zwei neben einander stehende Tulpen und oben eine solche enthält. Ueber dem Schilde die Buchstaben:

DIO

Anhang.

Waitz Lübeck unter Jürgen Wullenwever, Bd. 1, S. 195, u. Bd 3, S. 9 u. 51) bemerkt mehrfach, daß es fast scheine, als ob Johann Oldendorp sich zu der Lehre der Wiedertäufer hingeneigt habe, und schließt dies daraus, weil jener auf dem Hansetage zu Hamburg im Jahre 1535 vor allzu strengen Maßregeln gegen die Wiedertäufer und Sacramentirer warnte und Wullenwever auf der Folter ihn als Sectirer bezeichnete. Wullenwever's Aussagen, welche widerrufen wurden, können


(  ...  ) und Hamburg 1535 flgd. in der Zeitschrift des Vereins f. Hamburg. Geschichte, Bd. 3, S. 188 flgd.
1) Abkürzung für: ut supra in litteris.
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nicht als Beweis gelten, und Oldendorp's Rath zur Mäßigung gegen die Wiedertäufer muß bei Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse in den verbündeten Städten (besonders in Wismar) als ein weiser betrachtet werden. Auffallend ist es jedoch, daß der Rostocker Syndicus schon 1530 als Anhänger der Lehre Zwingli's verdächtigt wurde.

Aus einem Briefe vom 4. Novbr. 1530, den der Herzog Heinrich der Friedfertige nach seiner Rückkehr vom Reichstage zu Augsburg an den Rath der Stadt Rostock richtete, erfährt man, daß Oldendorp bei dem genannten Herzoge als Zwinglianer angegeben sein soll. In diesem Briefe heißt es, daß der Rath sich beklagt habe,

wie einer den hochgelarten vnsern lieben getrewen Ern Johan Oldendorf, der rechte Doctorn, das er der verfhuerischen des Zwinglins opinion vom hochwirdigen Sacrament des fleischs vnd bluths Christj anhengigh, angegeben haben solte.

Dann versichert der Herzog:

Souiel aber gedachten ewren Sindicum berurth, konnen wir vns in warhait kainer reden, die Ime zu nachteil gescheen sein, Vnnd derwegen keines arghwans, dene wir zu Ime tragen mochten, besinnen. Dan wir Ine nicht allein der berurthen verfh ue rischen leidigen Swinglischen secten entkegen, besunder als ainen redlichen, frommen, ehrnliebenden Christen der Euangelischen warhait gneigten vnnd bewagenen altzait wir noch funden vnnd erkhanden.

Der Brief wird im Stadt=Archive zu Rostock aufbewahrt.

Vignette
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IX.

Geistliche Lieder

auf die Wahlsprüche mehrerer

Glieder des meklenburgischen Fürstenhauses.

Mitgetheilt

von

Wiechmann = Kadow.


N achdem durch die Reformation der Kirchengesang in deutscher Sprache zur allgemeinen Geltung gelangt war, entstand auch bald die Sitte, geistliche Lieder zu dichten, deren Strophenanfänge den Namen einer fürstlichen Person wiedergeben. Diese sogenannten Namenlieder, welche ziemlich zahlreich vorhanden sind, stellt Gödeke in seinem Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, 1857, §. 129, zusammen und bemerkt dabei mit Recht, daß solche Gedichte keineswegs von denjenigen Personen herrühren, deren Namen sie akrostichisch darbieten. Später traten die Wahlsprüche (Symbola) der Fürsten und Fürstinnen an die Stelle der Namen, und es entstand eine große Reihe Symbollieder, die entweder einzeln in die gewöhnlichen Gesangbücher aufgenommen wurden, oder als besondere Sammlungen erschienen. Man vgl. Gödeke a. a. O. §. 129, 10 - 17.

Für uns haben drei jener Symbollieder ein näheres Interesse, nämlich die Lieder auf den Wahlspruch

des Herzogs Ulrich von Meklenburg († 9. Febr. 1603): Herr Gott Verleih Uns Gnade,

der Königin Sophie von Dänemark, Tochter des Herzogs Ulrich († 4. Oct 1631): Gott Verläßt Die Seinen Nicht,

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der Herzogin Elisabeth, (ersten) Gemahlin des Herzogs Ulrich († 15. Oct. 1586): Alles Nach Gottes Willen.

Das erste Lied, von Wilhelm Bidenbach gedichtet, findet sich in Heubolt's Allerhand Trostreiche vnd in Reymen verfaßte Spruch vnnd Gebetlein, 1596 und 1620 1 ), im barther Gesangbuche von 1591 und im greifswalder Liederbuche von 1592 2 ).

Das zweite Lied, dessen Dichter sich E. J. Rerauius nennt, kommt in dem Lübecker Gesangbuche von 1577 3 ) und in den beiden eben erwähnten pommerschen Liederbüchern vor.

Das dritte Lied kenne ich nur aus den Nachrichten, welche Oelrichs in seinem Beytrag zur Geschichte der Buchdruckerey zu Bard, Bützow u. Wismar, 1764, S. 8 flgd. über das jetzt verschollene barther Gesangbuch von 1591 giebt 4 ). Es heißt dort:

Nr. CXXXI. Ein Lied auf der hochgebornen Fürstin, Frau Elizabethen seligen, gemeltes Hertzog Ulrich erste Gemahlin Reim: Alles nach Gottes Willen.

Vers 1: Alles was ich hie bin und hab
" 2: Nach weltlicher Ehr und großer Pracht
" 3: Gottes Geist, gnad, hülff, Trost und heil
" 4: Willen und Hertz, gib mir mein Herr. 5 )

Es folgen nun die beiden ersten Lieder nach dem greifswalder Gesangbuche 6 ) in unverändertem Abdrucke; nur die Verszeilen sind hergestellt, und ist die nöthige Interpunction hinzugefügt.


1) Wackernagel, Bibliographie d. deutschen Kirchenliedes, 1855, Nr. 1041, und Gödeke a. a. O. §. 129, 13.
2) Wackernagel Nr. 1022.
3) Gödeke §. 129, 10.
4) Auch Cless, Elenchus consumatissimus, 1602, II, S. 91 führt das barther Liederbuch von 1591 auf.
5) Die von mir deshalb befragten Hymnologen Wackernagel und Geffcken kannten das Lied auch nicht.
6) Von dem greifswalder Gesangbuche (gedruckt durch Augustin Ferber zu Greifswald. 1592) existirt nur das nicht ganz vollständige Exemplar der Universitäts=Bibliothek zu Greifswald.
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Hertzog Ulrichs zu Mechelnburg
Symbolum oder reim:
HERR GOTT VERLEIHE
UNS GNAD.

HERR GOTT, Vater unnd Heiland mein,
Wie sol ich dich preisen
Für all Wolthat vnd Gaben dein,
Die du mir hast lassen weisen!
Ich bitte dich,
Erleuchte mich,
Daß ich hie möchte geraten
Nach deim Wort schlecht,
Dich preisen recht;
Dazu, Herr Gott, verley vns gnad.

VERLEIHE mir den heilgen Geist,
Das ich zum letzten ende
Auffs ewig Leben gedencke meist,
Damit mich nicht abwende,
Was Weltlich ist
Vnd Teuffels list.
Hilff das ich nicht vberlade
Den Leichnam mein
Mit Geitz vnd Wein;
Dazu, Herr Gott, verley vns gnad.

UNS ist doch nötig Weltlich Gut
Zu erhaltung dieses Lebens,
Drumb bitte ich mit freyem muth,
Du wolst vns gnade geben.
Was mir ist nütz,
Mich auch beschütz
Für vnglücke, schand vnd schad,
Für allem vnfall
Behüt vns allzeit;
Dazu, Herr Gott, verley vns gnad.

GNAD, hülff vnd beystand gib du mir,
Dieweil hie ich sol leben,
Das ich dem Volck, welchs du ja mir
Auß miltigkeit hast geben,
In gerechtigkeit
Vnnd friedsamkeit
Regieren könne mit gnaden.

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Damit dein Ehr
Gemehrt werd;
Dazu, Herr Gott, verley vns gnad 1 )

Der Hochgebornen Fürstinnen Fr. Sophia, Königlichen
Witwen in Dennemarcken reim:

GOTT VERLEST DIE
SEINEN NICHT. 2 )

GOTT ist mein Heil, Glück, Hülff vnnd Trost,
Mein hoffnung vnd vertrawen;
Er hat mich durch sein Sohn erlöst,
Auff jn wil ich fest bawen.
Er hilfft mir auß aller noth
Vnnd steht mir bey im Leben vnd Todt.
Drum hab ich diese zuuersicht
Vnd bins bericht,
Das Gott verlest die seinen nicht.

VERLEST mich Welt, Freund, Hab vn Gut
Vnd was sonst ist auff Erden,
So glaub ich doch mit freyem muth,
Von Gott sol mir hülff werden.
Er wil vns weder hie noch dort
Verlassen, wie er vns im Wort
Durch seinen lieben Sohn zuspricht;
Es treugt vns nicht,
Denn Gott verlest die seinen nicht.

DIE SEINEN hat der liebe HERR
Allzeit auß noth gerissen,
Wie Daniel vnd andere mehr
Thun offenbar zuwissen.
Der fromme Joseph war in noth,
Moses deßgleichen,
Aber zu Gott hatten sie all jr zuuersicht;
Dz band zerbricht,
Den Gott verlest die seinen nicht.


1) Der Name des Dichters findet sich nach Gödeke in Heubolt's Sammlung.
2) Die Königin Sophie verband mitunter ihren Wahlspruch mit dem ihres Gemahls, des Königs Friedrich II. von Dänemark, also: Trew ist wiltbrett, aber gott verlest die seinen nicht.
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NICHT mehr beger ich hie von Gott,
Denn das ich mög erwerben
Ein ehrlich leben nach seinem Gebot
Vnd darnach selig sterben;
Das ich hie leb nach seinem Wort,
Also das ich auch lebe dort,
Wen er wird kommen zum Gericht,
Damit man sicht,
Das Gott verlest die seinen nicht. 1 )


Schließlich sollen aus dem greifswalder Gesangbuche noch folgende bei Gödeke fehlende Namen= und Symbollieder erwähnt werden.

Ein Lied auff des Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürsten vnd Herrn, Herrn Ernst Ludwigen, Hertzogen zu Stettin Pommern, etc. . Hochseligen gedechtniß Namen, von S. F. G. gelassenen Fürstlichen Widwen, der Durchleuchtigen Hochgebornen Fürstin vnd Frawen Sophia Hedwig, gebornen zu Braunswig etc. . gemacht.

Die Strophenanfänge geben:

VON GOTTS GNAD ERSNT LUDWICH HERTZOG ZV STETTIN POMMEHRN.
Herrn Bugslaffen, Hertzog zu Stettin Pommern Symbolum: HILF MIR MEIN GOTT, Im thon, Ein feste Burgk.

Herrn Ernst Ludwigen Weiland, Hertzogen zu Stettin Pomern, hochseliger gedechtnuß, Symbolum gesangsweise, Im thon, Erzürn dich nicht du frommer Christ: WER GOTT VERTRAWT HAT WOL GEBAWT.

Alle diese Lieder bilden im greifswalder Gesangbuche einen besonderen Abschnitt mit der Ueberschrift: Folgen etlicher Könige vnd Herrn Christliche Lieder (Bl. 352-365).

Vignette

1) Der Dichter wird im lübecker Liederbuche von 1677 genannt.
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X.

Zur

Kenntniß der ältesten Rassenschädel.

Von

Professor Dr. Schaaffhausen in Bonn.

Hierzu eine Kupfertafel XVII.


A ls zu Anfang des Jahres 1857 der Fund eines menschlichen Skeletes in einer Kalkhöhle des Neanderthales bei Hochdal zwischen Düsseldorf und Elberfeld bekannt wurde, gelang es mir nur einen in Elberfeld gefertigten Gypsabguß der Hirnschale zu erhalten, über deren auffallende Bildung ich zuerst in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft für Natur= und Heilkunde in Bonn am 4. Febr. 1857 berichtet habe 1 ). Hierauf brachte Herr Dr. Fuhlrott aus Elberfeld, dem es zu danken ist, daß diese Anfangs für Thierknochen gehaltenen Gebeine in Sicherheit gebracht und der Wissenschaft erhalten worden sind, und dem es später gelang, die Knochen in seinen Besitz zu bringen, dieselben nach Bonn und überließ sie mir zur genaueren anatomischen Untersuchung. Bei Gelegenheit der Generalversammlung des naturhistorischen Vereins der preuß. Rheinlande und Westphalens in Bonn am 2. Juni 1857 2 )


Diese Abhandlung des Herrn Professors Dr. Schaaffhausen in Bonn, der schon in der Versammlung deutscher Naturforscher zu Bonn am 24. Septbr. 1857 einen Vortrag über die "Entwickelung des Menschengeschlechts und die Bildungsfähigkeit seiner Rassen" (gedruckt im Deutschen


1) Vgl. Verhandlungen des naturhist. Vereins der preuß. Rheinlande und Westphalens, XIV. Bonn 1857.
2) Ebendaselbst, Correspondenzbl. Nr. 2.
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gab Herr Dr Fuhlrott eine ausführliche Darstellung des Fundortes und eine Beschreibung der Auffindung selbst; er glaubte diese menschlichen Gebeine als fossile bezeichnen zu dürfen und legte in dieser Beziehung besondern Werth auf die von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Mayer zuerst beobachteten Dendriten, welche diese Knochen überall bedecken. Dieser Mittheilung ließ ich einen kurzen Bericht über die von mir angestellte anatomische Untersuchuug der Knochen folgen, als deren Ergebniß ich die Behauptung aufstellte, daß die auffallende Form dieses Schädels für eine natürliche Bildung zu halten sei, welche bisher nicht bekannt geworden sei, auch bei den rohesten Rassen sich nicht finde, daß diese merkwürdigen menschlichen Ueberreste einem höheren Alterthume als der Zeit der Celten und Germanen angehörten, vielleicht von einem jener wilden Stämme des nordwestlichen Europa herrührten, von denen römische Schriftsteller Nachricht geben und welche die indogermanische Einwanderung als Autochthonen vorfand, und daß die Möglichkeit, diese menschlichen Gebeine stammten aus einer Zeit, in der die zuletzt verschwundenen Thiere des Diluvium auch noch lebten, nicht bestritten werden könne, ein Beweis für diese Annahme, also für die sogenannte Fossilität der Knochen, in den Umständen der Auffindung aber nicht vorliege. Da Herr Dr. Fuhlrott eine Beschreibung derselben noch nicht veröffentlicht hat, so entlehne ich einer brieflichen Mittheilung desselben die folgenden Angaben: "Eine kleine, etwa 15 Fuß tiefe, an der Mündung 7 bis 8 Fuß breite, mannshöhe Höhle oder Grotte liegt in der südlichen


Museum von R. Prutz, 1858, Nr. 5) gehalten hat, ist durch das Studium der ältesten menschlichen Schädel in der Sammlung des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin, welche dem Herrn Verfasser bereitwillig zur Vergleichung übersandt sind, kräftig befördert worden und fühlt der Verein sich gegen den Herrn Verfasser für die wissenschaftliche Bestimmung dieser merkwürdigen und wichtigen Schädel zum lebhaften Danke verpflichtet. Dagegen hat es sowohl der Herr Verfasser gütigst erlaubt, diese für unsern Verein und für die Alterthumsforschung so wichtige Abhandlung, welche im

Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, herausgegeben von wail. Dr. Johannes Müller, Jahrgang 1858, Heft 5, S. 453 - 478, Verlag von Veit und Comp.,

erschienen ist, für unsere Jahrbücher zu benutzen, als auch der Herr Verleger Dr. Veit zu Berlin mit höchst anerkennenswerther Bereitwilligkeit nicht allein seine Zustimmung dazu gegeben, sondern auch dem Vereine für dessen Jahrbücher eine Auflage von 750 Exemplaren des Kupferstiches der Schädel gegen den niedrigen Kostenpreis des Mehrabdrucks für den Kupferdrucker überlassen hat. Den Herren Dr. Schaaffhausen und Dr. Veit gebührt daher der warme Dank des Vereins.

Die Redaction.

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Wand der sogenannten Neanderthaler Schlucht, etwa 100 Fuß von der Düssel entfernt und etwa 60 Fuß über der Thalsohle des Baches. In ihrem früheren unversehrten Zustande mündete dieselbe auf ein schmales ihr vorliegendes Plateau, von welchem dann die Felswand fast senkrecht in die Tiefe abschoß, und war von oben herab, wenn auch mit Schwierigkeit, zugänglich. Ihre unebene Bodenfläche war mit einer 4 bis 5 Fuß mächtigen, mit rundlichen Hornstein=Fragmenten sparsam gemengten Lehmablagerung bedeckt, bei deren Wegräumung die fraglichen Gebeine, und zwar von der Mündung der Grotte aus zuerst der Schädel, dann weiter nach Innen in gleicher horizontaler Lage mit jenem die übrigen Gebeine aufgefunden wurden. So haben zwei Arbeiter, welche die Ausräumung der Grotte besorgt und die von mir an Ort und Stelle darüber vernommen wurden, auf das Bestimmteste versichert. Die Knochen wurden anfänglich gar nicht für menschliche gehalten, und erst mehrere Wochen nach ihrer Auffindung von mir dafür erkannt und in Sicherheit gebracht. Weil man aber die Wichtigkeit des Fundes nicht achtete, so verfuhren die Arbeiter beim Einsammeln der Knochen sehr nachlässig und sammelten vorzugsweise die größeren, welchem Umstande es zuzuschreiben, daß das wahrscheinlich vollständige Skelett nur sehr fragmentarisch in meine Hände gekommen ist".

Das Ergebniß der von mir vorgenommenen anatomischen Untersuchung dieser Gebeine ist das folgende.

Die Hirnschale ist von ungewöhnlicher Größe und von lang elliptischer Form. Am meisten fällt sogleich als besondere Eigenthümlichkeit die außerordentlich starke Entwickelung der Stirnhöhlen auf, wodurch die Augenbrauenbogen, welche in der Mitte ganz mit einander verschmolzen sind, so vorspringend werden, daß über oder vielmehr hinter ihnen das Stirnbein eine beträchtliche Einsenkung zeigt und ebenso in der Gegend der Nasenwurzel ein tiefer Einschnitt gebildet wird. Die Stirn ist schmal und flach, die mittleren und hinteren Theile des Schädelgewölbes sind indessen gut entwickelt. Leider ist die Hirnschale nur bis zur Höhe der oberen Augenhöhlenwand des Stirnbeins und der sehr stark ausgebildeten und fast zu einem horizontalen Wulst vereinigten oberen halbkreisförmigen Linie der Hinterhauptsschuppe erhalten; sie besteht aus dem fast vollständigen Stirnbein, beiden Scheitelbeinen, einem kleinen Stücke der einen Schläfenschuppe und dem obern Drittheil des Hinterhauptbeins. Frische Bruchflächen an den Schädelknochen beweisen, daß der Schädel beim Auffinden zerschlagen worden ist. Die Hirnschale faßte 16876 Gran Wasser,

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woraus sich ein Inhalt von 57,64 K. Z. = 1033,24 C. C. M. berechnet. Hierbei stand der Wasserspiegel gleich mit der obern Orbitalwand des Stirnbeins, mit dem höchsten Ausschnitt des Schuppenrandes der Scheitelbeine und mit den oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts. Mit Hirse gemessen war der Inhalt gleich 31 Unzen Preuß. Med. Gew. Die halbkreisförmige Linie, welche den obern Ansatz des Schläfenmuskels bezeichnet, ist zwar nicht stark entwickelt, reicht aber bis über die Hälfte der Scheitelbeine hinauf. Auf dem rechten Orbitalrande befindet sich eine schräge Furche, die auf eine Verletzung während des Lebens deutet; auf dem rechten Scheitelbein eine erbsengroße Vertiefung. Die Kronennaht und die Pfeilnaht sind außen beinahe, auf der Innenfläche des Schädels spurlos verwachsen, die lambdaförmige Naht indessen gar nicht. Die Gruben für die Pachionischen Drüsen sind tief und zahlreich; ungewöhnlich ist eine tiefe Gefäßrinne, die gerade hinter der Kronennaht liegt und in einem Loche endigt, also den Verlauf einer vena emissaria bezeichnet. Die Stirnnaht ist äußerlich als eine leise Erhebung bemerklich; da wo sie auf die Kronennaht stößt, zeigt auch diese sich wulstig erhoben, die Pfeilnaht ist vertieft und über der Spitze der Hinterhauptsschuppe sind die Scheitelbeine eingedrückt. Die Länge des Schädels von dem Nasenfortsatz über den Scheitel bis zu den oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts gemessen,

beträgt 303 Mm.
Länge des Schädeldurchmessers von der Glabella bis zum Hinterhaupte 203 "
der Umfang der Hirnschale über die Augenbrauenbogen und die obern halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts so gemessen, daß das Band überall anlag 590 "
Breite des Stirnbeins von der Mitte des Schläfengrubenrandes einer Seite zur andern 104 "
Länge des Stirnbeins vom Nasenfortsatz bis zur Kronennaht 133 "
Größte Breite der Stirnbeinhöhlen 25 "
Scheitelhöhe über der Linie, welche den höchsten Ausschnitt der Schläfenränder beider Scheitelbeine verbindet 70 "
Breite des Hinterhaupts von einem Scheitelhöcker zum andern 138 "
Die Spitze der Schuppe ist von der obern halbkreisförmigen Linie des Hinterhaupts entfernt 51 "
Dicke des Schädels in der Gegend der Scheitelhöcker 8 "
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an der Spitze der Hinterhauptsschuppe 9 Mm.
in der Gegend der oberen halbkreisförmigen Linien des Hinterhaupts 10 "

Außer der Hirnschale sind folgende Knochen vorhanden:

1) Die zwei ganz erhaltenen Oberschenkelbeine; sie zeichnen sich wie die Hirnschale und alle übrigen Knochen durch ungewöhnliche Dicke und durch die starke Ausbildung aller Höcker, Gräten und Leisten, die dem Ansatze der Muskeln dienen, aus. In dem anatomischen Museum von Bonn befinden sich als sogenannte Riesenknochen zwei Oberschenkelbeine aus neuerer Zeit, mit denen die vorliegenden an Dicke ziemlich genau übereinstimmen, wiewohl sie an Länge von jenen übertroffen werden.

Länge der Riesenknochen 542 Mm. Länge dieser 438 Mm.
Dicke des Oberschenkelkopfes im Durchmesser 54 " bei diesen 53 "
Dicke des untern Gelenkendes von einem Condylus zum andern 89 " bei diesen 87 "
Dicke des Oberschenkelknochens in der Mitte 33 " bei diesen 30 "

2) Ein ganz erhaltener rechter Oberarmknochen, dessen Größe ihn als zu den Oberschenkelknochen gehörig erkennen läßt.

Länge des Oberarmbeins 312 Mm.
Dicke in der Mitte desselben 26 "
Durchmesser des Gelenkkopfes 49 "

Ferner eine vollständige rechte Speiche von entsprechender Größe und das obere Drittheil eines rechten Ellenbogenbeins, welches zum Oberarmbein und zur Speiche paßt.

3) Ein linkes Oberarmbein, an dem das obere Drittheil fehlt und welches so viel dünner ist, daß es von einem andern Menschen herzurühren scheint; ein linkes Ellenbogenbein, das zwar vollständig, aber krankhaft verbildet ist, in dem der proc. coronoideus durch Exostose so vergrößert ist, daß die Beugung gegen den Oberarmknochen, dessen zur Aufnahme jenes Fortsatzes bestimmte fossa ant. major auch durch Knochenwucherung verschwunden ist, nur bis zum rechten Winkel möglich war. Dabei ist der proc. anconaeus stark nach unten gekrümmt. Da der Knochen keine Spuren rhachitischer Erkrankung zeigt, so ist anzunehmen, daß eine Verletzung während des Lebens Ursache der Ankylose war. Diese linke Ulna mit dem rechten Radius verglichen läßt auf den ersten Blick vermuthen, daß beide Knochen verschiedenen Individuen angehört

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haben, denn die Ulna ist für die Verbindung mit einem solchen Radius um mehr als einen halben Zoll zu kurz. Aber es ist klar, daß diese Verkürzung so wie die Schwäche des linken Oberarmbeins Folgen der angeführten krankhaften Bildung sind.

4) Ein linkes Darmbein, fast vollständig und zu dem Oberschenkelknochen gehörig, ein Bruchstück des rechten Schulterblattes, ein fast vollständiges rechtes Schlüsselbein, das vordere Ende einer Rippe rechter Seite und dasselbe einer Rippe linker Seite, ein hinteres Rippenstück von der rechten Seite, endlich zwei kurze hintere und ein mittleres Rippenstück, die ihrer ungewöhnlichen abgerundeten Form und starken Krümmung wegen fast mehr Aehnlichkeit mit den Rippen eines Fleischfressers als mit denen des Menschen haben. Doch wagte auch Herr H. v. Meyer, um dessen Urtheil ich gebeten, nicht, sie für Thierrippen zu erklären, und es bleibt nur anzunehmen übrig, daß eine ungewöhnlich stark entwickelte Muskulatur des Thorax diese Abweichung der Form bedingt hat.

Die Knochen kleben sehr stark an der Zunge, der Knochenknorpel ist indessen, wie die chemische Behandlung derselben mit Salzsäure lehrt, zum größten Theil erhalten, nur scheint derselbe jene Umwandlung in Leim erfahren zu haben, welche v. Bibra an fossilen Knochen beobachtet hat. Die Oberfläche aller Knochen ist an vielen Stellen mit kleinen schwarzen Flecken bedeckt, die, namentlich mit der Loupe betrachtet, sich als sehr zierliche Dendriten erkennen lassen und zuerst von Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Mayer hierselbst an denselben beobachtet worden sind. Auf der innern Seite der Schädelknochen sind sie am deutlichsten. Sie bestehen aus einer Eisenverbindung und ihre schwarze Farbe läßt Mangan als Bestandtheil vermuthen. Derartige dendritische Bildungen finden sich nicht selten auch auf Gesteinschichten und kommen meist auf kleinen Rissen und Spalten hervor. Mayer theilte in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft in Bonn am 1. April 1857 mit, daß er im Museum zu Poppelsdorf an mehreren fossilen Thierknochen, namentlich von Ursus spelaeus, solche dendritische Krystallisationen gefunden habe, am zahlreichsten und schönsten aber an den fossilen Knochen und Zähnen von Equus adam., Elephas primig. u. s. w. aus den Höhlen von Balve und Sundwig; eine schwache Andeutung solcher Dendriten zeigte sich an einem Römerschädel aus Siegburg, während andere alte Schädel, die Jahrhunderte lang in der Erde gelegen, keine Spur derselben zeigten 1 ). Herrn H. v. Meyer verdanke ich darüber


1) Verh. des naturhist. Vereins in Bonn XIV, 1857.
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folgende briefliche Bemerkung: "Interessant ist die bereits begonnene Dendritenbildung, die ehedem als ein Zeichen wirklich fossilen Zustandes angesehen wurde. Man glaubte namentlich bei Diluvialablagerungen sich der Dendriten bedienen zu können, um etwa später dem Diluvium beigemengte Knochen von den wirktich diluvialen mit Sicherheit zu unterscheiden, indem man die Dendriten ersteren absprach. Doch habe ich mich längst überzeugt, daß weder der Mangel an Dendriten für die Jugend, noch deren Gegenwart für höheres Alter einen sichern Beweis abgiebt. Ich habe selbst auf Papier, das kaum über ein Jahr alt sein konnte, Dendriten wahrgenommen, die von denen auf fossilen Knochen nicht zu unterscheiden waren. So besitze ich auch einen Hundeschädel aus der römischen Niederlassung des benachbarten Heddersheim, Castrum Hadrianum, der von den fossilen Knochen aus den fränkischen Höhlen sich in nichts unterscheidet, er zeigt dieselbe Farbe und haftet an der Zunge wie diese, so daß auch dieses Kennzeichen, welches auf der frühern Versammlung der deutschen Naturforscher in Bonn zu ergötzlichen Scenen zwischen Buckland und Schmerling führte, seinen Werth verloren hat. Es läßt sich sonach in streitigen Fällen kaum durch die Beschaffenheit des Knochens mit Sicherheit entscheiden, ob er fossil, eigentlich ob ihm ein geologisches Alter zustehe, oder ob er aus historischer Zeit stamme".

Da wir die Vorwelt nicht mehr wie einen ganz andern Zustand der Dinge betrachten können, aus dem kein Uebergang in das organische Leben der Gegenwart stattfand, so hat die Bezeichnung der Fossilität eines Knochens nicht mehr den Sinn wie zu Cuvier's Zeit. Es sind der Gründe genug vorhanden für die Annahme, daß der Mensch schon mit den Thieren des Diluviums gelebt hat, und mancher rohe Stamm mag vor aller geschichtlichen Zeit mit den Thieren des Urwaldes verschwunden sein, während die durch Bildung veredelten Rassen das Geschlecht erhalten haben. Die vorliegenden Knochen besitzen Eigenschaften, die, wiewohl sie nicht entscheidend für ein geologisches Alter sind, doch jedenfalls für ein sehr hohes Alter derselben sprechen. Es sei noch bemerkt, daß, so gewöhnlich auch das Vorkommen diluvialer Thierknochen in den Lehmablagerungen der Kalkhöhlen ist, solche bis jetzt in den Höhlen des Neanderthales nicht gefunden worden sind, und daß die Knochen unter einem nur 4 bis 5 Fuß mächtigen Lehmlager ohne eine schützende Stalagmitendecke den größten Theil ihrer organischen Substanz behalten haben.

Diese Umstände können gegen die Wahrscheinlichkeit eines geologischen Alters angeführt werden. Auch würde es nicht

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zu rechtfertigen sein, in dem Schädelbau etwa den rohesten Urtypus des Menschengeschlechtes erkennen zu wollen, denn es giebt von den lebenden Wilden Schädel, die, wenn sie auch eine so auffallende Stirnbildung, die in der That an das Gesicht des großen Affen erinnert, nicht aufweisen, doch in anderer Beziehung, z. B. in der größeren Tiefe der Schläfengruben und den grätenartig vorspringenden Schläfenlinien und einer im Ganzen kleineren Schädelhöhle, auf einer eben so tiefen Stufe der Entwickelung stehen. Die stark eingedrückte Stirn für eine künstliche Abflachung zu halten, wie sie bei rohen Völkern der neuen und alten Welt vielfach geübt wurde, dazu fehlt jeder Anlaß; der Schädel ist ganz symmetrisch gebildet, während nach Morton an den Flachköpfen des Columbia Stirn und Scheitelbeine immer unsymmetrisch sind, und zeigt keine Spur eines Gegendrucks in der Hinterhauptsgegend. Seine Bildung zeigt jene geringe Entwickelung des Vorderkopfes, die so häufig schon an sehr alten Schädeln gefunden wurde und einer der sprechendsten Beweise für den Einfluß der Cultur und Civilisation auf die Gestalt des menschlichen Schädels ist. Abbé Frère 1 ), dessen Schädelsammlung aus den verschiedenen Jahrhunderten unserer Zeitrechnung jetzt in dem neuen anthropologischen Museum des Jardin des Plantes zu Paris aufgestellt ist, kam zu dem Ergebniß, daß bei den ältesten Schädeln das Hinterhaupt am stärksten, die Stirngegend am schwächsten entwickelt sei, und die zunehmende Erhebung dieser den Uebergang roher Völker zur Civilisation kundgebe. Schon Blumenbach fand einen alten Dänenschädel, dessen Gesichtswinkel so gering war wie beim Neger. In den Grabhügeln bei Amberg in der Oberpfalz, bei Witterswyl in der Schweiz und an andern Orten in Deutschland sind Schädel mit auffallend geringer Entwickelung des Vorderhauptes gefunden worden 2 ). Hyrtl beschreibt einen in Hallstadt gefundenen Celtenschädel, es ist ein Langkopf mit geradem Gebiß, die Schneide= und Mahlzähne sind ganz abgenutzt, das Stirnbein stark nach hinten geneigt 3 ). Die in Nieder=Oesterreich bei Grafenegg und später zu Atzgersdorf gefundenen Schädel mit niederliegender Stirn werden für Avarenschädel gehalten, aber ihre sehr abweichende Form, die sie den Peruanerschädeln ähnlich macht, und die sich auch an den von Rathke und Meyer in dieser


1) Vgl. Serres, gaz. méd. de Paris, 1852, Nr. 31.
2) Jahresberichte der Sinsheimer Gesellschaft zur Erforschung der vaterländischen Denkmale der Vorzeit von K. Wilhelmi. 1831 - 46.
3) Jahrbücher der k. k. geologischen Reichsanstalt. Wien 1850. I, p. 352.
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Zeitschrift beschriebenen Schädelbruchstücken aus der Krimm wiederfindet, ist durch künstliche Entstellung hervorgebracht 1 ). Auch in vielen Fällen, wo Menschenknochen als die ältesten Spuren von dem Dasein unseres Geschlechtes auf der Erde mit den Knochen ausgestorbener Thiere zusammenliegend gefunden worden sind, zeigte sich eine unentwickelte primitive Schädelform. Unter den Schädeln, die Schlotheim aus den Gypshöhlen bei Köstritz sammelte, fand Link einen mit merwürdiger Abplattung der Stirn. Lund fand in einer Knochenhöhle Brasiliens Menschenschädel mit vorweltlichen Thierknochen gemengt, die eine gleich vom Gesicht an zurückweichende Stirn zeigten, eine Bildung, die man auch auf alten mexikanischen Denkmalen dargestellt sieht. Castelnau hat in Felsenhöhlen der peruanischen Anden Menschenschädel von ähnlicher stark nach hinten verlängerter Form unter denselben Verhältnissen entdeckt. Schmerling nennt den in der Höhle von Engis bei Lüttich mit fossilen Thierknochen gefundenen Schädel länglich, mit geringer Erhebung und Schmalheit des Stirnbeins und einer Form der Augenhöhlen, die ihn mehr dem Negerschädel als dem des Europäers nähert. Spring hat in der Höhle von Chavaux bei Namur unter zahlreichen zerbrochenen Menschenknochen die Hälfte eines Schädels gefunden, dessen Stirn so zurückweichend, die Aveolarbogen so vorstehend waren, daß der Gesichtswinkel nicht mehr als 70° betrug. Die Angaben Rasoumovsky's über die am Calvarienberge bei Baden gefundenen angeblich fossilen Schädel, die bald mit dem Neger =, bald mit dem Caraibenschädel verglichen wurden, hat Fitzinger berichtigt und dieselben mit Hyrtl nach der von Retzius gegebenen Beschreibung des Czechenschädels für Slavenschädel erklärt 2 ).

In= und ausländische Zeitschriften brachten einen Bericht über die 1853 in Tübingen abgehaltene Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, wonach Fraas daselbst einen versteinerten Menschenschädel aus der schwäbischen Alp von länglicher Form mit vorspringendem Gebiß, abgeriebenen Zähnen, zurückliegendem Stirnbein, starken Stirnhöhlen und stark entwickelten Muskelansätzen vorgezeigt haben sollte 3 ). Dieser Bericht ist irrig und beruht auf einer Verwechslung. Es wurden bei jener Gelegenheit alte Schädel aus keltischen Grä=


1) Fitzinger, Sitzungsber. der k. Akad. der Wissensch. Math. naturw. Kl. VII. B. 1851. p. 271.
2) Denkschr. der k. Akad. der Wissensch. Wien 1853. V.
3) Vgl. die Abbildung in der Leipz. Ill. Zeit. vom 26. Nov. 1853.
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bern von Sigmaringen vorgezeigt, und dann war von den angeblich fossilen Menschenzähnen der Bohnerzgruben von Melchingen in der schwäbischen Alp die Rede 1 ).

Die ungewöhnliche Entwickelung der Stirnhöhlen an dem so merkwürdigen Schädel aus dem Neanderthale nur für eine individuelle oder pathologische Abweichung zu halten, dazu fehlt ebenfalls jeder Grund; sie ist unverkennbar ein Rassentypus und steht mit der auffallenden Stärke der übrigen Knochen des Skeletes, welche das gewöhnliche Maaß um etwa 1/3 übertrifft, in einem physiologischen Zusammenhange. Diese Ausdehnung der Stirnhöhlen, welche Anhänge der Athemwege sind, deutet ebenso auf eine ungewöhnliche Kraft und Ausdauer der Körperbewegungen, wie die Stärke aller Gräten und Leisten, welche dem Ansatze der Muskeln dienen, an diesen Knochen darauf schließen läßt. Daß große Stirnhöhlen und eine dadurch veranlaßte stärkere Wölbung der untern Stirngegend diese Bedeutung haben, wird durch andere Beobachtungen vielfach bestätigt. Dadurch unterscheidet sich nach Pallas das verwilderte Pferd vom zahmen, nach Cuvier der fossile Höhlenbär von jeder jetzt lebenden Bärenart, nach Roulin das in Amerika verwilderte und dem Eber wieder ähnlich gewordene Schwein von dem zahmen, die Gemse von der Ziege, endlich die durch den starken Knochen= und Muskelbau ausgezeichnete Bulldogge von allen andern Hunden. An dem vorliegenden Schädel den Gesichtswinkel zu bestimmen, der nach R. Owen auch bei den großen Affen wegen der stark vorstehenden obern Augenhöhlengräte schwer anzugeben ist, wird noch dadurch erschwert, weil sowohl die Ohröffnung als der Nasenstachel fehlt; benutzt man die zum Theil erhaltene obere Augenhöhlenwand zur richtigen Stellung des Schädels gegen die Horizontalebene und legt man die aufsteigende Linie an die Stirnfläche hinter dem Wulste der Augenbrauenbogen, so beträgt der Gesichtswinkel nicht mehr als 56°. Leider ist nichts von den Gesichtsknochen erhalten, deren Bildung für die Gestalt und den Ausdruck des Kopfes so bestimmend ist. Die Schädelhöhle läßt mit Rücksicht auf die ungemeine Kraft des Körperbaues auf eine geringe Hirnentwickelung schließen. Die Hirnschale faßt 31 Unzen Hirse; da für die ganze Hirnhöhle nach Verhältniß der fehlenden Knochen des Schädelgrundes etwa 6 Unzen hinzuzurechnen wären, so würde sich ein Schädelinhalt von 37 Unzen Hirse ergeben. Tiedemann giebt für den Schädelinhalt von Negern 40, 38 und 35 Unzen


1) Morgenblatt 1858, Nr. 4 u. 5 "vom fossilen Menschen".
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Hirse an. Wasser faßt die Hirnschale etwas mehr als 35 Unzen, welche einem Inhalt von 1033,24 C. C. M. entsprechen.

Huschke führt den Schädelinhalt einer Negerin mit 1127 C. C. M., den eines alten Negers mit 1146 C. C. M. an. Der Inhalt von Malaienschädeln mit Wasser gemessen ergab 36 bis 33 Unzen, der der klein gebaueten Hindus vermindert sich sogar bis zu 27 Unzen.

Es mußte von größtem Interesse sein, zu erfahren, ob eine ähnliche Schädelbildung schon beobachtet sei, ob sie vielleicht auch gerade an Schädeln, denen ein hohes Alter zuzuschreiben ist, vorkomme, ob bei einem Funde dieser Art vielleicht Beobachtungen gemacht wurden, die im Stande sind, das Ergebniß der vorstehenden Untersuchung zu ergänzen, die daraus gezogenen Schlüsse zu bestätigen oder zu widerlegen. Starke Stirnhöhlen kommen freilich zuweilen an Schädeln vor, aber das sind immer nur schwache Andeutungen der auffallenden Bildung, die dem vorliegenden Schädel einen so thierischen Ausdruck giebt. In den Museen des Collegiums der Wundärzte in London, des Pflanzengartens in Paris, der Universitäten in Göttingen, Berlin und Bonn ist nichts vorhanden, was sich damit vergleichen ließe; die durch Retzius, Eschricht u. A. beschriebenen altnordischen Schädel zeigen auch eine solche Bildung nicht. Bemerkenswerth und für die Deutung dieser Bildung wichtig ist es indessen, daß ein, wenn auch viel geringeres Vortreten der Augenbrauenbogen zumeist an den Schädeln wilder Rassen, so wie an sehr alten Schädeln gefunden worden ist. So bildet Sandifort 1 ) einen Schädel von einem Nord=Amerikaner aus einem alten Grabe am New=Norfolksunde als Cranium Schitgagani ab mit ähnlichem, aber weit unbedeutenderem Vortreten der Augenbrauenbogen. In Morton's Werke 2 ) zeigen ungewöhnlich stark entwickelte Augenbrauenbogen der Peruaner, tab. 6, die Mexikaner, tab. 16, 17, 18, der Seminole, tab. 24, und die Schädel anderer Stämme auf tab. 25, 34, 35, 36, 37, 52, 57, 63 und 66, von diesen sind einige alten Gräbern entnommen. Lucae 3 ) bildet einen sehr thierischen Papusschädel der Senkenbergischen Sammlung ab mit starken zusammenlaufenden Arcus superciliares. Schon Bory St. Vincent gab als Kennzeichen des celtischen Stammes eine verlängerte Schädelform, gegen die Schläfe etwas niedergedrückte Stirn, tiefe Einsenkung zwischen


1) Tabulae caniorum, Lugd. Bat. 1838.
2) Crania americana, London 1839.
3) Zur organischen Formenlehre, Frankfurt 1844. Taf. XI.
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Stirn und Nase, sehr ausgesprochene Augenbrauenbogen und abgenutzte Zähne an. Eschricht untersuchte die Schädel aus den Hünengräbern der Insel Möen 1 ), dieselben sind auffallend klein, besonders der Gesichtstheil, das Hinterhaupt sehr kurz, die Augenhöhlen ungewöhnlich klein, die Augenbrauenbogen dagegen ungemein groß, die Nasenknochen stehen stark hervor und zwischen Augenbrauenbogen und Nasenknochen ist eine so tiefe Einsenkung, daß sie den Zeigefinger eines Erwachsenen in sich aufnehmen kann, die Spuren der Gesichtsmuskeln sind stark ausgeprägt, die Zahnhöhlenränder vorstehend, die Zähne quer abgenutzt. Später erhielt Eschricht aus den Hünengräbern von Möen ganz anders geformte Schädel von bedeutender Länge, vortretendem Hinterhaupt, platt eingedrücktem Scheitel, wenig ausgeprägten Gesichtszügen; ein solcher von der dänischen Insel Työr hat am Hinterhaupt einen Knochenstachel, seine 20 3/4 Zoll langen Schenkelknochen deuten auf eine Körperlänge von 6 Fuß 3 Zoll. Prichard hat einen runden Schädel mit wulstigen Augenbrauenbogen aus der Sammlung des Collegiums der Wundärzte als Cimbernschädel abgebildet 2 ). Ein zu Nogent les vierges, Oise=Dep., in einem alten Grabe gefundener Schädel hat, wie ein ähnlicher von Auduze, eine verlängerte Form, gegen die Schläfen niedergedrückte Stirn, starke Augenbrauenbogen, abgenutzte Zähne 3 ). Der brachycephalische alte Brittenschädel aus Ballidon Moor, den Davis beschreibt 4 ), hat große Stirnhöhlen, vorragende Augenbrauenhöcker und starke Spuren der Muskelwirkung an den Gesichtsknochen; weniger stark ist das Vortreten der Orbitalgegend an dem ebenfalls runden altbrittischen Schädel, den Retzius beschreibt; auch ein altirländischer Schädel von rundlicher Form zeigt große, vor die Stirn vorspringende und untereinander zusammenlaufende Augenbrauenbogen und eine niedrige Stirn 5 ). Wie Nilsson für die Urbewohner Skandinaviens einen ältesten brachycephalischen und einen jüngern dolichocephalischen Typus der Schädelbildung annimmt, indem die langovalen Schädel der ersten Art in Gräbern mit metallenen Waffen gefunden werden, die kleinen rundlichen Schädel der zweiten Art aus ältern Gräbern mit Steinwaffen und Knochengeräthen stammen, so behauptet


1) Vgl. Amtl. Bericht über die 22ste Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Bremen, 1844.
2) The natural List of man, London 1845, pag. 206, pl. VIII.
3) Vgl. v. Leonhard und Bronn Jahrb. für Mineralogie u. s. w. 1833, pag. 370.
4) Vgl. Maury, Indig. races of the earth, London 1857, pag. 297.
5) Retzius, Kraniologisches in Müll. Arch. 1849, pag. 554 u. 571.
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D. Wilson auch für Schottland zwei Rassen, die den Celten vorausgegangen sein sollen; der von ihm beschriebene Schädel von Fifeshire ist länglich schmal, der dolichocephalischen Rasse Skandinaviens entsprechend, der von Montrose rund mit besserer Stirnbildung, beide zeigen starke Stirnhöhlen 1 ). Die in Cannstadt bei der Uffkirche vor einigen Jahren ausgegrabenen Schädel, die in germanischen Gräbern mit Thongefäßen, Waffen und Schmuckgegenständen gefunden worden sind, welche keine Spur römischer Kunst zeigten, und von denen mir zwei durch die Güte des Herrn Hofrath Dr. Veiel zugesandt waren, sind von länglicher Form, mit geradem Gebiß, stark vorstehendem Hinterkopf, großen namentlich von oben nach unten erweiterten Augenhöhlen, die Augenbrauenhöcker sind wulstig vorspringend, die Nasenwurzel tief eingeschnitten. Fünf altdeutsche Schädel von Selsen, die sich in römisch=germanischen Museum zu Mainz befinden und von denen zwei prognathes Gebiß haben, zeigen dieselben wulstigen Augenbrauenbogen, ebenso ein daselbst befindlicher, in Oberingelheim ohne jede Zugabe von Waffen tief in der Erde gefundener sehr alter Schädel, sowie ein vor kurzem bei Engers am Rhein auf einer seit längerer Zeit bekannten alten Grabstätte gefundener Schädel germanischer Abkunft. In dem Museum zu Poppelsdorf befindet sich ein Schädel, auf dem von des verstorbenen Goldfuß Hand die Worte "aus vulkanischem Tuff" geschrieben stehen, ohne daß über dessen Herkunft irgend etwas Näheres zu ermitteln wäre. Er hat die beträchtliche Länge von 198 Mm., von der Glabella bis zur vorspringenden Hinterhauptsschuppe gemessen, die Stirn ist kurz und etwas zurückliegend, die Augenbrauenbogen wulstig und verschmolzen, die Augenhöhlen sehr weit, der Oberkiefer prognath, die Muskelansätze an den Gesichtsknochen stark ausgeprägt, von den Nähten ist nur die Pfeilnaht verwachsen, die Knochen sind dünn, theilweise kalcinirt, sie kleben stark an der Zunge, der Unterkiefer fehlt. Auch mehrere der bei Sigmaringen gefundenen, der fürstlichen Sammlung daselbst angehörigen und durch Vermittelung des Herrn Dr. Fuhlrott an mich gelangten germanischen Schädel haben starke Augenbrauenbogen, aber mehr oder weniger gut entwickelte Stirngegend und gute Gesichtswinkel, wie denn auch die in der Stuttgarter Sammlung befindlichen Sinsheimer Schädel eine edle kaukasische Bildung zeigen. Es ist gewiß, daß schon im Alterthum die verschiedenen germanischen Stämme, je nachdem sie ihre Abstammung rein erhalten oder mit den Resten einer Urbe=


1) Maury a. a. O. pag. 294.
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völkerung oder gar mit römischem Blute sich vermischt hatten und je nachdem sie eine rohe oder schon gesittetere Lebensweise führten, eine verschiedene Körperbeschaffenheit so wie Gesichts und Kopfbildung hatten. Die Verschiedenheit der Schädelbildung spricht sich am meisten in der stärkeren oder geringeren Entwickelung des Vorderkopfes und in der Stellung des Gebisses aus, das zuweilen etwas vorspringend ist, wie es noch jetzt bei einigen deutschen Stämmen, z. B. in Hessen und dem Westerwald, nicht selten gefunden wird. Huschke 1 ) bildet einen unter der Stadtkirche zu Jena mit mehreren anderen von derselben eigenthümlichen Form gefundenen Schädel als Eimbernschädel ab, er ist dem Negerschädel ähnlich, von dem er sich aber durch das gerade Gebiß und die senkrechte Stirn unterscheidet, die Orbitalgegend ist wenig vortretend, die halbkreisförmige Schläfenlinie reicht bis 1 Zoll Abstand von der Pfeilnaht hinauf; seine Länge beträgt 196 Mm. Retzius 2 ) beschreibt Schädel aus uralten, tausendjährigen skandinavischen Gräbern als langoval mit stark verlängertem Hinterhaupte, guter Stirn, geraden Zähnen, mit dem heutigen Schwedenschädel fast übereinstimmend; ein alter norwegischer und ein isländischer Schädel hatten dieselbe Form. Später hat Retzius 3 ) die kleinen runden Schädel aus sehr alten Gräbern mit steinernen Waffen als Schädel der Iberier beschrieben, er rechnet dahin die von Eschricht und Nilsson in alten Grabhügeln gefundenen Schädel, auch den von Wilde abgebildeten angeblich fossilen irländischen, der bei Dublin gefunden ist, und noch zwei andere ebendaselbst gefundene; auch die bei Meudon und Marly im Jahre 1845 von Serres mit steinernen Geräthen ausgegrabenen Schädel. Derselbe Forscher führt in seiner Abhandlung über die Schädelform der Nordbewohner an, daß die Augenbrauenhöcker bei den jetzigen Schweden, Slaven und Finnen stark entwickelt sind; von den Esthen sagt Hueck dasselbe; bei den Lappen fehlen sie oder sind wenig entwickelt, auch die der Gronländer sind klein. In dem neuesten Verzeichnisse der ehemals Morton'schen Sammlung 4 ) werden als Schädel mit auffallend vortretender Orbitalgegend erwähnt der eines englischen Soldaten mit celtischem Typus, Nr. 21, der eines Norwegers, Nr. 1260, und der eines Finnen, Nr. 1537,


1) E. Huschke, Schädel, Hirn und Seele des Menschen und der Thiere. Jena 1854.
2) Müller's Archiv 1845, pag. 84.
3) Ebendaselbst 1847, pag. 499.
4) Aitken Meigs, catal. of human crania in the collecttion of the Acad. of nat. science of Philadelphia, 1857.
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beide nach Abgüssen von Retzius, ferner der von Davis und Squier im Sciotothale, Ohio, in einem rohen Steingrabe gefundene eines Uramerikaners, Nr. 1512, von runder Form mit hohem Scheitel, der eines Calmücken, Nr. 1533, und der eines Eskimo, Nr. 1558, abgebildet.

Wenn nun aus den mitgetheilten zahlreichen Beispielen hervorgeht, daß am häufigsten an Schädeln roher und zumal nordischer Völker, denen zum Theil ein hohes Alterthum zugeschrieben wird, ein starkes Vortreten der Augenbrauengegend sich findet, dessen Spuren sich bis in die Gegenwart verfolgen lassen, so darf man vermuthen, daß eine solche Bildung der schwache Rest eines uralten Typus ist, der uns in dem Schädel aus dem Neanderthale in der auffallendsten Weise entgegentritt und dem menschlichen Antlitz einen ungemein wilden Ausdruck gegeben haben muß. Man darf diesen Ausdruck einen thierischen nennen, weil der vorspringende obere Augenhöhlenrand auch für die Gesichtsbildung der großen Affen bezeichnend ist, wiewohl er hier nicht durch die Ausdehnung der Sinus frontales bedingt wird. Diese hat R. Owen wie am Gorilla =, so auch an zwei Tasmanen= und einem Australierschädel ganz vermißt, was dem schwächlichen Körperbau dieser Wilden entsprechend ist.

Die Nachrichten, welche uns römische und griechische Schriftsteller von der Körperbeschaffenheit und den Sitten der rohen Völker des alten Europa hinterlassen haben, gewinnen durch die Auffindung solcher Schädel ein unerwartetes Licht. Selbst von den Germanen sagt Caesar, daß die römischen Soldaten das Antlitz derselben und den Blitz der Augen nicht ertragen konnten und plötzlicher Schreck das Heer ergriffen habe. Auch von den Galliern sagt Ammianus Marcellinus: sie sind schrecklich wegen der Wildheit ihrer Augen. Als viel roher werden uns aber die alten Britten und Irländer, die Belgier, die Finnen und Scythen geschildert. Nach Strabo sind die Irländer gierige Cannibalen und halten es für etwas Löbliches, die Leichname ihrer Eltern zu essen; so schildert sie auch Diodor; der h. Hieronymus will es sogar in Gallien gesehen haben, daß die Scoten Menschenfleisch aßen. Tacitus sagt von den Finnen, daß sie in einem Zustand von erstaunlicher Wildheit leben, ihre Nahrung sind wilde Kräuter, ihre Kleider Felle, sie haben nur knöcherne Pfeilspitzen und für ihre Kinder und Greise kein anderes Obdach, als eine Hütte aus geflochtenen Zweigen. Adam von Bremen erzählt, daß noch im 11. Jahrhundert die sogenannten Jotunen, die älteste Beölkerung Skandinaviens, in den Gebirgen und Wäldern wohn=

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ten, in Thierfelle gekleidet, und Töne von sich gebend, die mehr dem Geschrei wilder Thiere als der menschlichen Sprache glichen; ihre Besiegung und Vertilgung wird in den Gedichten der Skalden gefeiert 1 ). Isigonus von Nicäa, den Plinius 2 ) anführt, sagt, daß ein Scythenstamm, der zehn Tagereisen vom Dnieper nordwärts wohne, der Menschenfresserei ergeben sei, aus Menschenschädeln trinke und die Haut mit dem Kopfhaar der Erschlagenen auf der Brust trage. Wie in den deutschen Sagen und Mährchen manche Züge des Lebens unserer Vorfahren aus der heidnischen Zeit erhalten sind, so mag auch die Sage von dem Menschenfresser, die nach Grimm's Untersuchungen, wie sie schon bei Homer in der Geschichte des Polyphem erzählt wird, so in den Sagen finnischer, tatarischer und germanischer Völker viel verbreitet ist, in der wirklichen Erinnerung solcher Gräuel ihren Ursprung haben.

Die Betrachtungen, zu denen uns ein Vergleich des Schädels aus dem Neanderthale mit den ältesten Rassenschädeln geführt hat, finden aber auch noch eine Bestätigung in der nun zu erwähnenden Auffindung von Schädeln, die mit jenen eine viel größere Uebereinstimmung zeigen, als die bisher genannten.

In der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft vom 9. Juli 1857 theilte Geh. Oberbergrath Nöggerath mit, daß in den Verhandlungen der kaiserlich russischen mineralogischen Gesellschaft zu St. Petersburg vom Jahre 1842 sich eine Nachricht von Dr. S. Kutorga über zwei Menschenschädel aus dem Gouvernement Minsk finde, und daß der eine der dort abgebildeten Schädel eine große Aehnlichkeit mit dem im Neanderthale gefundenen zeige. Beide Schädel sind bei Bobruysk gefunden, der eine im sandigen Boden einer Vertiefung, die ein altes Flußbett zu sein scheint. An dieser Stelle werden seit längster Zeit sehr viele Menschenknochen gefunden, und der Sage nach stand hier eine Stadt, die durch Ueberschwemmung zerstört wurde. Dieser Schädel bietet nur das Stirnbein und die beiden Scheitelbeine dar, das Stirnbein, ist stark niedergedrückt, die Arcus superciliares ragen sammt den oberen Augenhöhlenrändern wie zwei starke Wülste hervor, die beiden Seiten des Stirnbeins sind unsymmetrisch, auch die Scheitelbeine ungleich und die Pfeilnaht sichtbar flach gedrückt. Kutorga hält es für sehr wahrscheinlich, daß künst=


1) Vgl. J. C. Prichard Naturgeschichte des Menschengeschlechts, deutsch von R. Wagner und Will. Leipzig 1842. III. 1. pag. 301.
2) Plinii Sec. hist. nat. VII. 2.
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licher Druck diese Schädelform hervorgebracht hat; die beigegebene Zeichnung macht indessen nicht den bestimmten Eindruck einer künstlichen Entstellung. Der andere Schädel aus einem alten Grabhügel derselben Gegend zeigt eine gut entwickelte Stirn, Stirn und Scheitelbeine sind aber noch unsymmetrischer als beim ersten Schädel; auf der rechten Seite ist ein sehr entwickeltes Tuber frontale, auf der linken fehlt es ganz, auch das linke Scheitelbein ist kleiner als das rechte.

Bald darauf, im September 1857, wurde ich in dem römisch=germanischen Central=Museum zu Mainz von Herrn L. Lindenschmit auf den Gypsabguß eines ganz ähnlich gebildeten Stirnbeins aufmerksam gemacht, das von einem bei Plau in Meklenburg gefundenen Schädel stammte. Bei Gelegenheit der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Bonn im September 1857 wurden diese eigenthümlichen Schädelbildungen in Abgüssen vorgezeigt, die Verschiedenheit derselben von anderen niederen Rassenschädeln hervorgehoben, und die Ansicht wiederholt, daß diese bisher unbekannte Schädelform wohl einem in Nordeuropa vor der germanischen Einwanderung ansässigen Urvolke angehöre. Nachdem ich mich hierauf an Herrn Archivrath Dr. Lisch in Schwerin gewendet, wo die Schädel in der großherzoglichen Sammlung sich befinden, erhielt ich genaue Auskunft über den Fund von Plau und die Schädelbruchstücke wurden mir nebst ähnlichen bei Schwaan und an anderen Orten Meklenburgs gefundenen bereitwilligst zugesendet, worüber ein kurzer Bericht in der Sitzung der niederrheinischen Gesellschaft vom 3. Febr. 1858 gegeben wurde 1 ). Es wurde nämlich bei Plau 2 ) im Kiessande 6 Fuß tief unter der Oberfläche ein menschliches Gerippe in hockender, fast knieender Stellung mit aus Knochen gearbeiteten Geräthschaften, einer Streitaxt aus Hirschhorn, zwei aufgeschnittenen Eberhauern und drei an der Wurzel durchbohrten Schneidezähnen vom Hirsch gefunden. Diesem Grabe wurde ein sehr hohes Alter zugeschrieben, weil jeder Schutz desselben durch Steinbauten, jede Spur eines Leichenbrandes und jedes Geräth aus Stein, Thon oder Metall fehlte. Herr Dr. Lisch, dem die ungewöhnlich stark hervorragende Augenbrauengegend, die breite Nasenwurzel und die fast ganz hintenüberliegende Stirn auffiel, begleitet die Angabe des


1) Verhandl. des naturhistorischen Vereins der preuß. Rheinl. u. Westph. 1858. XV.
2) Jahrbücher des Vereins für meklenburg. Geschichte und Alterthumskunde, herausg. von G. C. F. Lisch. Schwerin 1847. XII, S. 400.
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Fundes mit der Bemerkung: "Die Bildung des Schädels weist auf eine sehr ferne Periode zurück, in welcher der Mensch auf einer sehr niedrigen Stufe der Entwickelung stand. Wahrscheinlich gehört dies Grab dem Autochthonenvolke an". Es gelang mir mit Mühe, den Schädel, der mit dem Gerippe von den Arbeitern zerschlagen worden, aus den mir übersendeten 22 Bruchstücken wieder zusammenzusetzen. So ähnlich die Stirnbildung dieses Schädels dem aus dem Neanderthale ist, so ist der Wulst der Augenbrauenbogen bei dem letzteren doch stärker und mit dem obern Orbitalrand ganz verschmolzen, was an jenem nicht der Fall ist; die Schädel unterscheiden sich aber wesentlich durch die allgemeine Form, die bei diesem langelliptisch, bei jenem abgerundet ist. Am plauer Schädel ist ein Theil des Oberkiefers mit den Zähnen und der ganze Unterkiefer erhalten; das Gebiß ist gerade. Die Knochen sind dick, aber sehr leicht und kleben stark an der Zunge. Die Muskelansätze am Hinterhaupt und über dem Zitzenfortsatz sind sehr stark entwickelt, die Nähte des Schädels noch ganz unverknöchert, der letzte obere Backenzahn rechts ist noch nicht durchgebrochen, die Zähne sind abgeschliffen, an einigen Mahlzähnen fast die ganzen Kronen verschwunden, die unteren Eckzähne sind viel größer als die Schneidezähne und stehen über die Zahnreihe vor; das Foramen incisivum am Oberkiefer ist sehr groß, über 4 Mm. weit. Der aufsteigende Ast des Unterkiefers geht rechtwinklig ab, ist breit und kurz; auch an dem Unterkiefer sind die Rauhigkeiten für die Muskelansätze stark ausgebildet. Auf dem rechten Scheitelbein ist ein länglicher Eindruck wie von einem Schlage. Die Größenverhältnisse ergeben sich aus folgenden Maaßen:

Umfang des Schädels über die Augenbrauenbogen und obere halbkreisförmige Linien des Hinterhaupts gemessen 445 Mm.
Von der Nasenwurzel über den Scheitel bis zur obern halbkreisförmigen Linie 320 "
Von der Nasenwurzel über den Scheitel bis zum Hinterhauptsloch 380 "
Länge des Schädels von der Glabella bis zum Hinterhaupt 168 "
Breite des Stirnbeins 107 "
Schädelhöhe von einer Linie, welche die Schläfenränder der Scheitelbeine verbindet, bis zur Mitte der Pfeilnaht 80 "
Vom Hinterhauptsloch ebendahin 122 "
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Breite des Hinterhaupts von einem Scheitelhöcker zum andern 138 Mm.
Breite der Schädelbasis von einem Zitzenfortsatz zum andern 155 "
Dicke des Stirnbeins und der Scheitelbeine in der Mitte der Knochen 9 "

Der Schädelinhalt mit Hirse gemessen beträgt 36 Unzen 3 1/2 Drachmen preuß. Med. Gew.

Ein anderer Fund in Meklenburg bietet noch einmal diese Schädelform; die Umstände der Auffindung lassen wiederum ein hohes Alter dieser Ueberreste voraussetzen 1 ). Im Jahre 1852 nämlich wurde in einem "der Herrberg" genannten Kegelgrabe von Schwaan unter einem mit einem Erdhügel bedeckten Steinkegel ein menschliches Gerippe mit kupfernem Schwert gefunden; der Schädel derselben zeigte eine regelmäßige kaukasische Form. Unter dem Steindamme, auf dem diese Leiche ausgestreckt lag, fand man acht in gleicher Richtung liegende Schädel, das Gesicht nach Westen gerichtet, unter diesen eine nicht zu zählende Menge über einander liegender Gebeine, die Armröhren anscheinend über den Schenkelknochen, als seien an dieser Stelle acht Leichen im Urboden in hockender Stellung beigesetzt. Diese Knochen waren so mürbe, daß nur wenige gerettet werden konnten. Ein Stirnbein, das mir ebenfalls von Herrn Dr. Lisch zugesendet worden, zeigte in der Erhöhung der Augenbrauen, der kurzen zurückliegenden (Stirn, der breiten Nasenwurzel große Aehnlichkeit mit dem Schädel von Plau; doch waren diese Hervorragungen viel schwächer und der dünne Knochen mit verschmolzener Kronennaht schien von einem jugendlichen oder weiblichen Schädel herzurühren; er klebt an der Zunge wie jener von Plau. Die Annahme, daß die acht im Urboden bestatteten Leichen einer älteren Zeit angehören, als die Hauptleiche, läßt sich durch die schlechtere Erhaltung jener Knochen nicht rechtfertigen, denn diese hängt lediglich von der Art ihrer Lagerung ab; es liegt vielmehr nahe, in jenen acht Leichen die bei der Bestattung des Helden mitgeopferten Sclaven zu erkennen. Daß die Germanen bei ihrer Einwanderung in Deutschland eine Bevölkerung vorfanden, ist nach geschichtlichen und sprachlichen Andeutungen nicht zweifelhaft; die Bestattung in hockender Stellung ist nicht germanisch, sie deutet auf ein höheres Alterthum und mag sich mit den Resten der Urbevölkerung auch in der Zeit


1) Jahrbücher des Vereins für meklenburg. Geschichte und Alterthumskunde, 1854, XIX, S. 297.
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der Germanen noch erhalten haben. Wie die Todten der Eskimos und Grönländer und vieler amerikanischen Stämme in ihren Gräbern sitzen, so kommen nach Nilsson 1 ) hockende menschliche Gerippe nur in den ältesten Gräbern Skandinaviens vor, z. B. auf der Axevalla=Haide; diese Urgräber sind mit großen Steinen bedeckt; in ihnen kommen nie Metalle, nie eine Spur des Leichenbrandes vor, nur knöcherne und steinerne Geräthe. Die Schädel dieser Leichen sollen durch die Kronennaht in zwei gleiche Theile getheilt sein, von denen der hinterste breiter als der vordere ist; sie sind auffallend klein, kugelförmig fast rund, die Kinnbackenknochen und das Nasenbein stehen sehr weit vor, am meisten unterscheiden sie sich von den Schädeln anderer Stämme durch die niedrige, sehr zurückgeschobene Stirn. Eschricht giebt eine damit übereinstimmende oben mitgetheilte Beschreibung der Schädel aus den Hünengräbern Dänemarks. A. G. Masch verweist auf einen solchen in einem Urgrabe auf der Insel Möen gefundenen und Dagen, dansk folkeblad 15. Sept. 1837, abgebildeten Schädel, so wie auf eine bei Fehrbellin 2 ) gefundene Hirnschale, die alle Zeichen des Schädels von Plau tragen soll, und wahrscheinlich ein Trinkschädel ist. Auch J. Ritter 3 ) giebt Nachricht von einem bei Plau gefundenen Hünengrabe, der Schädel lag einen Fuß höher als das übrige Gerippe, dem Anscheine nach war die Leiche in sitzender Stellung beigesetzt. Die Stirnbildung des Schädels wird als auffallend flach angegeben. Wie in Skandinavien hat man auch in Frankreich und Deutschland in alten Gräbern menschliche Skelete in hockender Stellung gefunden. Tschudi hat bekanntlich solche Mumien aus Peru gebracht und Troyou sah dasselbe in den ältesten Gräbern des Kanton Wallis. Mit dem Schädel von Plau und dem Stirnbein von Schwaan, die eine dem Schädel aus dem Neanderthale entsprechende Bildung zeigen, haben indessen die beiden ebenfalls in der großherzoglichen Sammlung in Schwerin befindlichen Stirnbeine von Pisede 4 ) nur eine entfernte Aehnlichkeit; das eine Stirnbein ist dick mit wulstigen Augenbrauenbogen, niedriger zurückliegender Stirn, die Knochenleiste für den Schläfenmuskel geht hoch hinauf und reicht bis zur Kronennaht, das zweite Stirnbein hat glatte Augenbrauenbogen, aber die Gegend der Glabella ist auffallend vor=


1) Jahrbücher des Vereins für meklenburg. Geschichte und Alterthumskunde, 1849, XIV, S 301.
2) Ebend. 1844, IX, S. 361.
3) Ebend. 1846, XI, S. 348.
4) Ebend. 1856, XXI, S. 235.
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springend, die Stirn etwas besser gewölbt. Ein alter Schädel derselben Sammlung, der tief im Moore von Sülz gefunden worden und von dem ich durch Herrn Dr. Lisch einen Gypsabguß erhielt, hat eine abweichende und sehr eigenthümliche Bildung, er ist klein und länglich, von der Seite gesehen auffallend rund, er hat eine schmale aber gut gewölbte Stirn, kleine aber wulstige Augenbrauenbogen, die Nähte sind offen, die Gegend der Pfeilnaht kielförmig vorspringend, wie an den sogenannten kahnförmigen Schädeln, das Hinterhaupt stark vorragend mit einer sehr entwickelten scharfen Spina.

Als schließliches Ergebniß aus der vorstehenden Untersuchung möchten die folgenden Sätze zu betrachten sein.

Die Schädelbruchstücke von Schwaan und Plau dürfen mit Wahrscheinlichkeit sowohl der anatomischen Bildung wegen, als nach den Umständen ihrer Auffindung einem rohen Urvolke zugeschrieben werden, welches vor den Germanen das nördliche Europa bewohnt hat, und, wie die ähnlichen Funde von Minsk in Rußland und in dem Neanderthale bei Elberfeld beweisen, eine weite Verbreitung hatte und mit der Urbevölkerung von Britannien, Irland und Skandinavien, wie die Schädelform derselben vermuthen läßt, verwandt war. Während die Knochen von Schwaan in einem germanischen Steingrabe beigesetzt waren, also noch mit der geschichtlichen Zeit in einer Beziehung stehen, wurden die Gebeine von Plau nur im Sande mit den knöchernen Geräthen der unvollkommensten Cultur gefunden, eben so der eine Schädel von Minsk im Sande eines alten Flußbettes. Die menschlichen Gebeine und der Schädel aus dem Neanderthale übertreffen aber alle die anderen an jenen Eigenthümlichkeiten der Bildung, die auf ein rohes und wildes Volk schließen lassen; sie dürfen, sei nun die Kalkhöhle, in der sie ohne jede Spur menschlicher Cultur gefunden worden sind, der Ort ihrer Bestattung gewesen, oder seien sie wie anderwärts die Knochen erloschener Thiergeschlechter in dieselbe hineingeschwemmt worden, für das älteste Denkmal der früheren Bewohner Europa's gehalten werden.


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Erklärung der Abbildungen,
die nach photographischen Aufnahmen gezeichnet sind.

Fig. 1. Ansicht des Schädels aus dem Neanderthale von vorn.
Fig. 2. Seitenansicht desselben.
Fig. 3. Ansicht der Schädeldecke von innen.
Fig. 4. Ansicht des plauer Schädels von vorn.
Fig. 5. Seitenansicht desselben; dieser Schädel, an dem das linke Scheitelbein fehlt, ist in der Zeichnung einigermaßen ergänzt.
Fig. 6. Ansicht dieses Schädels von hinten, wobei derselbe etwas nach vorn geneigt ist, um die ganze Hinterhauptsgegend sehen zu können.

Die Figuren 1, 2, 4 und 5 sind nach der natürlichen Stellung des Schädels im Leben gezeichnet.

Bemerkung. Da zur richtigen Beurtheilung des Gesichtswinkels der Schädel dieselben nicht, wie gewöhnlich der Fall ist, auf dem Unterkiefer und dem Hinterhaupte ruhen dürfen, sondern in die Stellung gebracht werden müssen, wie sie im Leben von der Wirbelsäule getragen werden, so ist für die Aufstellung der Schädel in Sammlungen die einfache Vorrichtung, die Herr Bildhauer von der Launitz in Frankfurt am Main den von ihm gefertigten Abgüssen seltener Schädel giebt, sehr empfehlenswerth.

Vignette
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Abbildung zur Kenntniß der ältesten Rassenschädel
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XI.

Die Drachen.

Ein Beitrag zur Schilderung des meklenburgischen Volksaberglauben 1 )

vom

Pastor Günther zu Groß=Methling.


De Draken.

D er Teufel ist ein gar großer Herr und wie sich die großen Herren ihre Diener hatten, so hat auch der Teufel seine Diener. Es würde ihm viel zu ungelegen sein, sollte er alle seine Dinge selbst beschicken; nein, vieles läßt er durch seine Domestiken ausrichten, die wir Menschenkinder "de Draken" nennen. Draken sind aber nicht des Teufels Bartscherer, Stiefelputzer, Perrückenmacher oder sonst eine Art von Leibgesinde, wie manche unerfahrne Leute meinen, - besonders die pfiffigen Stadtleute mit ihrer knirpelkleinen, nicht über die Stadtmauer hinaussehenden Weisheit in solchen Dingen. Nein, den Dienst am eigenen Leibe verrichtet der Böse eigenhändig, und Dienerschaft hält er sich nur um seiner Freunde und Feinde willen. Des Teufels Freunden tragen die Draken Gold und Silber, Stroh und Futter, Korn und Flachs, Milch und Butter, Reis und


1) Einsender gedachte bei der Schilderung dieses Gegenstandes in den Jahrbüchern VIII, S. 202 flgd., nur beiläufig der "Draken" und geht hier auf die Stellung, die sie im Aberglauben unsers Volkes einnehmen, noch etwas ausführlicher ein.
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Fleisch, Backobst und andere Nahrungsmittel zu und die nämlichen Dinge nehmen sie ihres Herrn Feinden weg, wie das uns Landbewohnern oft genug vor Augen und zu Ohren kommt.

Zu Bresegard wohnte einmal ein Bauer, der hatte allezeit die fettesten Pferde, die blanksten Kühe, und Korn und Futter wurde ihm nimmer all. Wenn's in den Scheunen anderer Bauern heller Tag war, waren in der seinigen kaum die Abseiten leer, und das Viehsterben, das oft der Reihe nach die Nachbaren traf, ging an seiner Hofstelle allemal vorüber. Und Geld hatte er, wie wenn's ihm auf den Bäumen wüchse. Wenn andere Bauern beim "Mühlenfahren" nicht selten sich den "Mahlschilling" leihen mußten, hatte er so viel, daß er wohl für alle hätte zahlen können. Natürlich war dies den übrigen Dorfleuten auffällig genug und selten unterließ man es, des fetten Bauern zu gedenken, wenn die Nachbarsfrauen zusammenkamen. Da rieth man hin und her und kreuz und quer, woher gerade diesem Bauern all das Glück komme, und wenn's auch allen klar war wie das Sonnenlicht, daß hier nicht alles mit rechten Dingen sei, so wußte doch niemand der Sache völlig auf den Grund zu kommen. Es war aber noch nicht des fetten Bauern aller Tage Abend und "nichts ist so fein gesponnen, 's kommt doch endlich an die Sonnen", sagt die Weisheit auf der Straße, und - "Sprichwort ist Wahrwort!"

"Schultenvatter" war zur Stadt gegangen und hatte sich so sehr verspätet, daß er erst zur Nachtzeit wieder auf den Rückweg kam. Sein langes Ausbleiben machte "Schultenmutter" unruhig und sie schickte ihm, just als ob es so hätte sein sollen, statt des Knechts ihren Schwager entgegen, der ein Zwillingsbruder ihres Mannes war. Als nun beide Brüder dem Dorfe nahe kamen, da schaueten sie in weiter Ferne einen Feuerstreifen am Himmel, der lang war wie ein Wiesebaum und eiligen Fluges auf das Dorf zuzog. Er kam ihnen immer näher und näher, und je näher er kam, desto heller leuchtete er um sie, und als er über ihre Häupter dahinflog, da konnten sie ganz deutlich gewahr werden des feurigen Drachen hell leuchtende Augen und seinen weit aufgesperrten Rachen mit der flammenden Zunge und seinen lang gestreckten glühenden Leib mit dem dünnen beweglichen Schwanze, und eben so deutlich sahen sie es, wie er auf die Hofstelle des reichen Bauern zuzog und durch's "Eulenloch" in's Haus einging. Das also war der saubere Teufelsgeselle, mit dem der Bauer im Bunde stand, wie nun am Tage lag, und der ihm zuführte, was andern Leuten fehlte. Des Bauern ehrbarer Wandel, den er als Christenmensch bislang geführt hatte, war also nichts denn

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eitel Blendwerk gewesen, bloß um die Leute hinter's Licht zu führen, was bis zur Stunde ihm auch gut genug gelungen war. Aber von nun an "pfiff er aus dem letzten Loche", denn diesmal "war seine Sache just vor die rechte Schmiede gekommen". "Vör Unrath is ümmer ok Rath, wenn man' t blôt wêt", sprach ein Zwillingsbruder zu dem andern und beide faßten den Beschluß, den Draken im Hause des gottlosen Bauern "zu bannen". Sie machten sich eilig zu dessen Hofstelle hin, zogen von dem dort stehenden Wagen die Räder ab und schoben sie dergestalt auf die Schenkel, daß die concaven Seiten nach innen waren, und rückten den Wagen hart vor die "große Thür" des Hauses hin. Durch ein solches Mittel können Zwillingsbrüder ein Haus, in welchem ein Drake sitzt, so fest für ihn versperren, daß selbst der Teufel nicht den Bann zu lösen im Stande ist. Folglich mußte auch hier der Drake gebannt bleiben und konnte weder durch die "Oken", noch durch die "Rauch= und Eulenlöcher" in's Freie kommen, durch welche er sonst seine Passage zu nehmen pflegt. Allein das Haus vermochte auf die Dauer der großen Gluth nicht Widerstand zu leisten, die der geängstigte Drake von sich blies, und derselbe hatte, ehe noch der Hahn den Morgen ankrähete, "einen rothen Hahn auf das Dach gesetzt". Er selbst jedoch war "feuerfest". Aus den lodernden Flammen entsprang er in eine große schwarze Sau verwandelt, umkreiste in dieser Gestalt noch siebenmal das Haus und machte dann vor aller Augen sich unsichtbar.

Aber wie ging es nun dem fetten und gottvergessenen Bauern? "As ick minen Rock holl, sitt he in de Foll" und "wie man's treibt, so geh's". Er hatte vom Bösen sich dienen lassen, so mußte er nun ihm wieder dienen. Sein Leib kam jämmerlich in dem durch Teufelsgewalt entstandenen Feuer um und die Seele kam in's höllische Feuer, - dem Teufel zur Lust, wie dieser ihm zur Lust gewesen war.

Dem Draken aber war der langgewohnte Aufenthalt im Dorfe lieb geworden. Schon in den nächsten Nächten machte er sich wieder sichtbar und zog abermals über das Dorf hin, um neue Freunde für seinen Herrn zu gewinnen. Doch diesmal "kam er an wie die Sau im Judenhause", - es sollte ihm nicht glücken. Der Schweinehirte, ein kluger und dreister Mann, verstand es mit ihm umzugehen und ließ ihn "abladen", ohne dafür sein Freund zu werden. Alle Draken sind nicht bloß von ärgerlicher, sondern auch von neulicher und eitler Natur und mögen sich fast eben so gern im Spiegel beschauen, als unsere junge und ältere Damenwelt. Dies war dem Hirten

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wohl bekannt und hierauf bauend stellte er sich zur Nachtzeit unter das vorspringende Dach des Hirtenkatens hin, um des Draken Ankunft abzuwarten. Als dieser nun nach kurzer Zeit herangezogen kam, da machte der Hirte, nachdem er ihm den Rücken zugekehrt, sofort einen gewissen Theil seines Leibes bloß, hockte nieder und hielt ihn dem Draken zum Spiegel vor Augen. Und, siehe, der ungewohnte, neckische Anblick versetzte den ärgerlichen Draken in eine so gräuliche Wuth, daß er sich aufblies, wie ein Blasebalg, bis sein Leib immer dicker und dicker wurde und zuletzt zerplatzte und alles, was er geladen hatte, auf die Straße fallen ließ. Der kluge Hirte blieb aber wohlweislich unter dem schützenden Dache des Katens stehen. Wäre er im Freien gewesen, der erzürnte Drake würde unzweifelhaft ein schlimmes Spiel mit ihm getrieben haben. Die ganze Ladung würde er auf ihn geworfen haben und zwar zu einer Substanz verwandelt von so anklebender und ekelhafter Natur, daß er allseinlebtag den Schmutz und Gestank derselben nicht wieder los geworden wäre. So aber, o Jemine, was gab's für ein Wundern und Handschlagen unter Klein und Groß der guten Dorfleute über die Menge des Hafers, den man am andern Morgen auf der Straße fand, wo der gefoppte Drake abgeladen hatte. Wohl manchem stand der Sinn darnach, das schöne Korn an sich zu nehmen. Doch that man's nicht, und niemand machte sich durch dessen Annahme dem Bösen unterthan, sondern alles ließ man ruhig liegen, bis nach und nach des Hirten Schweine es verzehrten.

Das war nun aber ganz und gar nicht nach des Draken Sinn gethan. "Er schleift nicht gerne ohne Wasser" und "schmeißt nur mit der Mettwurst, wenn er den Schinken damit treffen kann". Und doch war's ihm hier nicht gelungen, für all seinen schönen Hafer auch nur eine einzige Seele für seinen Herrn zu gewinnen. Den schweren Aerger über dies und alles, was man ihm im Dorfe hatte angethan, wußte er nun aber auch den armen Dorfbewohnern gründlich einzutränken. War er bisher ein "zutragender Drake" gewesen, so wurde er nun ein "wegtragender" und stahl den Leuten alles, was er nur erwischen konnte. Es währte nichts, so war das ganze Dorf im Aufruhr wegen der zahllosen Diebereien, die allenthalben auf Aeckern und Wiesen, in Häusern, Scheunen und Gärten verübt wurden, ohne daß man sich dagegen zu schützen wußte. Denn da jeder Drake die Teufelskunst besitzt, sich in alle möglichen Gestalten zu verwandeln, wenn er auf Diebeswegen aus ist, so hält es schwer, vor seinen Spitzbübereien sich in Acht zu nehmen. Die Enten= und Hechts=Gestalt kann er freilich

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nicht annehmen, denn der Hecht trägt in seinem Kopfe, die Ente vor ihrem Kopfe das Zeichen des mächtigen Kreuzes, vor dem auch Satanas sammt allen seinen Dienern zukreuzekriechen muß. Dagegen aber machte sich unser Drake bald zum "Heister" und bald zum Hasen, bald zum "Währwolf" und bald zum Fuder Heu und nahm in solcher Verkleidung selbst bei hellem Tage den Leuten alles unter den Händen weg. Was Wunder, wenn die ganze Dorfschaft auf nah und fern und weit und breit nach Rath aus war, wie dieser heillosen Wirthschaft ein Ende zu machen sei. Doch wollte das lange Zeit nicht glücken, bis man endlich zu einem Weibe kam, das einer im Walde hausenden "Tater=Bande" angehörte. Die kluge Frau ließ zur Vertreibung des Draken erstlich alles Feuer auslöschen, was im ganzen Dorfe sich befand. Darauf ließ sie ein dürres Holzstück so anhaltend und kräftig reiben bis es Feuer fing und mußten alle Dorffrauen von diesem "Nothfeuer" sich das Feuer für ihren Herd anholen. Ueber solches Feuer mußte jede Hausfrau ihren größten Kessel, gefüllt mit fließendem Wasser und "Hexenkraut", in das dritte Gelenk der Kesselkette hängen und mußte den Kessel kochen lassen unaufhörlich, drei Tage und drei Nächte lang. Und wirklich durch all den Dampf, der aus allen diesen Kesseln aufstieg, wurde der Drake richtig "ausgeräuchert".

Das Mittel war freilich ein wenig unbequem, dazu nicht ohne Ausgaben, denn die Zigeunermutter ließ sich gut begaben; aber dafür war es auch probat, denn von Stund an ließ der Drake das Dieben sein und wird vermuthlich bis zum heutigen Tage die guten Bresegarder nicht weiter belästiget haben.

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XII.

Nachtrag

zu

den Abhandlungen

über

den söndervissingschen Runenstein.


D er Herr Professor und Bibliothekar Dr. Thorsen zu Kopenhagen schreibt am 30. October 1858:

"Ueber den Runenstein von Söndervissing bin ich jetzt im Stande, Beweise dafür zu geben, daß es König Harald ist und daß der Name Mistivis weit später dahin gebracht ist. In jedem Fall wird das Denkmal in dem von mir vorbereiteten Werke über die dänischen Runendenkmäler behandelt werden".

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XIII.

Urkunden - Sammlung.


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A.

URKUNDE

über

DEN KAUF

DER GRAFSCHAFT SCHWERIN

am

7. December 1358,

zur

Erinnerung

an

die vor fünfhundert Jahren

vollbrachte

Wiedererwerbung der Grafschaft

durch

die Herzoge von Meklenburg,

herausgegeben

von

Dr. G. C. F. Lisch,
grossherzoglich - meklenburgischem Archiv - Rath.


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Die Herzoge von Meklenburg, Albrecht und dessen Sohn Heinrich, kaufen von den Grafen von Schwerin und Tecklenburg, Nicolaus und dessen Sohn Otto, die Grafschaft Schwerin.

D. d. Plüschow. 1358. Dec. 7.

In godes namen, Amen. Wi her Alberd vnd iunkhere Hinrick, vnsse sone, van godes gnaden herthoghen to Mekelenborch, to Stargarde vnd to Rozstok heren, bekennen vnd betughen openbare in dessem ieghenwardeghen breue vor vns vnd vnse eruen, dat wi na vulborde vnser neghesten vnd rade vnser raatgheuen hebben ghekoft vnd kopen in dessem ieghenwardeghen breue alle de herschap vnd de ghanzen graueschop to Zwerin, mit steden, huseren, mannen vnd landen, alse bi namen Zwerin, Wittenborch, Nyestat vnd Mernitze vnd dat halue land to Lentzen, vnd vortmer alle ansprake vnd rechtecheyt, oft welke de edelen lude Claws vnd Otte,sin sone, greuen to Tekeneborch, eder ere voruarnen ghehat hebben eder hebben an Boycenborch vnd an Crywizze, alse de herschap vnd graueschap mit al eren tobehorenden gheestlik vnd werlik binnen erer schede licht vnd oldinghes gheleghen heft, vnd kopen vorbat alle vorderunghe, ansprake vnd alle breue, de de suluen greuen vnd ere voruarnden gi ghehat hebben vnd hebben van der greueschap weghene to Zwerin, vor twintich dusent lodeghe mark suluers van den vorbenomeden edelen luden Clawese vnd Otten, synen sone, greuen to Tekeneborch, vnd eren rechten eruen. Des schole wi en de vorbenomeden twintich dusent lodeghe mark bereden vnd betalen in der wys, alse hir na screuen steyt. To den ersten schole wi en bereden, antworden vnd betalen des anderen sundaghes in der

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vastene, de nu neghest to komende is, vyff dusent lodeghe mark suluers in desser stede een, L ue beke, Hamborch, Lunenborch eder Boycenborch, wor se dat leuest hebben willen, vnd dat scholen se vns veer wekene vor to wetende doen, vnd vor desse vyf dusent lodeghe mark to vorholdende desse vorbenomede tyd went in de vastene, alse vorscreuen is, schole wi gheuen den vorbenomeden greuen anderhalf hundert lodeghe mark, de schole wi en bereden vnd betalen vp ene tyd, alse vns greue Cord van den Redberghe secht. Vortmer schole wi en bereden vnd betalen to sunte Nicolaweses daghe, de neghest to kumpt, vyf dusent lodeghe mark, dar wi vns mit druttich ridderen vnd knechten, de se kesen in vnsen landen, den vorbenomeden greue Clawese, sinen sone vnd eren eruen sekeren vnd sweren in breuen, mid hande vnd mid munde, mid vpgherichteden vingheren vp de hilleghen ene rechte vengknisse; were dat wi vppe den vorbenomeden dach en de vorbenomeden vif dusent lodeghe mark nicht betaleden in der vorbenomeden stede een, dar id en willest were, se vns dat veer wekenen vor to kundeghende mid eren breuen eder warafteghen boden, so schole wi vnuorthoghet binnen den neghesten verten nachten dar na komen alle sament to Tekeneborch in dat slot vnd holden vnd lesten daar ene rechte vengknisse, vnd dar nicht vt ie also langhe, went dat wi de vorbenomeden vif dusent lodeghe mark suluers to ener tyd in der vorbenomeden stede en betalen, vnd wan de betalinghe scheen is, so sind wi vnd de vnse der vengknisse ledich vnd los, vnd in desser vengknisse scholen se eder de ere vns eder de vnse stokken, noch blokken, mer se vnd de ere scholen vns vnd de vnse velighen vnd leiden seker dar to komende vnd velich weder van danne in vnse land, vor al de ghene, de dorch eren willen doen vnd laten willen. Vortmer schole wi en vnd eren eruen setten vnd antworden to eneme pande Boycenborch, hus, torn, stad, tollen to watere vnd to lande, mid huseren, vesten vnd mannen, mid alleme tobehorende vnd mid aller ghantzheit, als id in siner schede licht, vor teyn dusent lodeghe mark suluers, der wi en gheuen vnd betalen scholen vyf dusent lodeghe mark to sunte Nicolawes daghe, de neghest to kumpt, vort ouer en iar, vnd des neghesten sunte Nicolawes daghe, de den dar na neghest kumpt, schole wi en de lesten vyf dusent lodeghe mark gheuen vnd betalen in

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der vorbenomeden stede en, war id en euenst is, vnd welkerleye bewaringhe wi mid vnsen vrunden alse mid den Holzsteschen heren vnd mid vnsen mannen den vorbenomeden greuen vor de vorscreuenen teyn dusent lodeghe mark, dar wi en Boycenborch hebben vor to pande laten, v oe rdere doen scholen, de schole wi en doen in der wys, alse vns greue Cord van den Redberghe, her Bernd de Drozste, riddere, Tyleke van den Sloen, Volrad van Tzuole, knapen, beseghen, dat se tuschen den greuen van Tekeneborch vnd vns ghedeghedinghet hebben, vnd wille wi en des nicht vordraghen, so scholen se vns dat war maken mid ereme rechte, dar wi se gherne in beyden siden vmme bidden willen. Vnd alle desse beredinghe to iuwelken tyden desser vorbenomeden summen der twintech dusent lodeghe mark scholen wi bereden vnd betalen en in desser vorbenomeden stede een, alse to Lubeke, Hamborch, Lunenborch eder to Boycenborch, to eren willen vnd to ghode vnd vnbekumbert, war id en euenst is, vnd dat scholen se vns veer wekene vor to wetenne doen. Desse beredinghe schole wi en doen mid vasten vissen gheleyde dat iar vt, vnd desse beredinghe schole wi doen en mid lodegheme suluere, mid ghodem golde colnscher wicht, olden groten cronden, enghelsche . ., bemesschem suluere, na der weringhe, alse binnen der stat ene weringhe ghinghe vnd gheue is, dar de beredinghe inne schut; scheghe ouer de beredinghe to Boycenborch, so schal man dat holden na der weringhe to Lubeke. Vortmer wenne wi de ersten vif dusent lodeghe mark vppe den sondach in der vastene, alse vorscreuen is, betalet hebben, vnd de anderen vif dusent lodeghe mark, alse vorscreuen is, vp sunte Nicolawes dach vorwissent hebben, vnd de lesten teyn dusent lodeghe mark mid Boycenborch vorpandet vnd vorwisset ebben, alse vorbescheden is, so scholen de vorbenomeden greuen vnd ere eruen vns vnd vnsen eruen weldichliken weder antworden de vorbenomeden graueschap vnd vorbenomeden slote vnd lant mid alle eren tobehorenden, alse vorscreuen is, mid ener rechten erfhuldinghe vns vnd vnsen eruen to donde, vry vnd ledich van den houetluden, sunder ienigherleye vortogheringhe vnd arghelist vnd hulperede, vnd se scholen vns dat allent to dem besten keren; vnd wenne wi de lesten teyn dusent lodeghe mark borêt hebben, dar Boycenborch vor to pande steit, so scholen de vorbenomeden greuen vnd ere

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eruen vns vnd vnsen eruen dat vorbenomede sl oe t to Boycenborch weder antworden sunder vortoch, mid alle synen tobehorenden, alse vorscreuen is, vnd vppe iewelike beredinghe to ieweliker tyd scholen se vns antworden quitebreue, dar wi an vorwaret sin na ghoder lude seghent. Vortmer so scholen de vorbenomeden greuen beschatten den vanghenen, de vt der Nyenstat, Mernitze vnd Plawe vns af gheuanghen sin, vnd scholen darmede ere houetlude afleghhen van den landen vnd sloten vornomet; breke en dar wes an, so schole wi en to hulpe gheuen ver hundert lodeghe mark vnd scholen de vryen vnd ledeghen to welkerme houetmannen se vns wyset, vnd darmede scholen se vns eren deel an Plawe weder antworden ledich vnd loos, alse se dat van aneghenghe vnder ghehat hebben. Vortmer alle vanghenen, de den vorbenomeden greuen afgevanghen sint vt vnssen sloten Ghodebŏtze, Gnewesmolen vnd van den nyen hus vorZwerin, de schole wi ledich vnd los maken to der tyd, wan wi dat erste ghelt desser summen betalet hebben vnde de slote vns weder gheantwert sint, alse vorscreuen steyt, vnd de wile scholen de vanghenen dagh hebben. Vortmer vmme vnsse modderen vor Mechtelt, greuinne van Zweryn, wo se in ereme lifghedinghe sitten schal vnd wi weder mid er dar an sitten scholen, alse dat de greue van den Ridberghe secht, dat dat ghedeghedinghet si vnd dat mid sinem rechte waren wil, efft wi is van em begheren, dar schal id bi bliuen. Vortmer so schole wi de vorbenomeden greuinnen dochter gheuen ses hundert mark brandeborghes suluers vruntliken to willen to ereme berade, wan des tit is. Vortmer schole wi vnd vnse eruen laten ghenzliken vnd al de man, ratman vnde stede vnd de ghemeynen lude des landes vnd der greueschop, papen vnd leyen, houeman vnd bur, bi alle erme rechte en dat nicht to ergherende vnd iewelker stat dat is to vorbreuende vnd ok den mannen, dat se darmede vorwaret sint; ok schole wi holden al erer olderen voruarenden vnd greue Otten, sines broder, vnd ere breue, de vor desse tyt vtghegheuen sint. Vortmer so moghen de vorbenomeden greuen bruken der wapene der greueschop van Zwerin na alse vore. Vortmer nenerleye breue, se sint vore eder na ghegheuen, scholen dessen breuen in ienegherleye wys hinderlik wezen, mer desse scholen bliuen in all erer macht. Al desse vor-

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screuenen stucke stede vnd vast to holdende vnd vul to tende, alse vorscreuen is, sunder ienegherhande hulperede vnd arghelist, de dar an vallen moghen, dat loue wi Albert vnd Hinrik, vnse sone, herthoghen to Mekelenborch vorbenomet vor vns vnd vnse erfnamen in ghoden truwen vnd sweren dat in den hilghen mid hande vnd mid munde mit vpgherichten vingheren den vorbenomeden greuen Clawese vnd Otten, synem sone, vnd eren eruen, vnd vnse raatgheuen: her Hinrik van Stralendorpe, her Rauen van Barnekowe, riddere, her Bertram Bere, vnse kentzelere, Vicke van Bulowe, Reymar van Plesse, Hinrik van Bulowe, Vicke Lutzowe, knapen, van vnser vnd vnser eruen weghene to vnsen eden vnd loueden den vorbenomeden greue Clawese vnd greue Otten, sinem sone, vnd eren eruen, vnd deme edeln manne greuen Corde van dem Ritberghe, her Berende den Drozsten, riddere, hern Werner Struuwen, kerkhern to Tekeneborch, Hughen Beren, Tyleken van den Sloen vnd Volrad van Tzule, knapen, louen in ghoden truwen vnd bii eren, stede vnd vast to bliuende, all desse vorscreuenen stukke, vnd ere louede scal noch mach vnsen eden vnd loueden, noch vnse ede vnd louede ereme louede ienigherleye wys hinderen vnd schaden, mer se scholen beyde in al erer macht bliuen, vnd wi Albert vnd Hinrik, sin sone, herthoghen vorbenomet, hebben to ener mereren bekantnisse al desser dingk vnse ingheseghele mit vnser vorbenomeden raatgheuen ingheseghele to dessen bref laten henghen, de gheuen vnd screuen is vp deme houe to Pluzkowe, na godes bord drutteynhundert iar in deme achte vnd vefteghesten iare, des neghesten vrydaghes vor sunte Lucien daghe der hileghen iungkurowen.


Nach dem Originale im königl. preuss. Geh. - Staats - Archive zu Berlin auf gegebene Erlaubniss des Herrn General - Archiv - Directors Dr. von Lancizolle collationirt vom Herrn Geheimen Archivar Dr. Mörner zu Berlin. Die Original - Urkunde ist nicht volle 8 Zoll hoch und 23 Zoll breit. Die Schrift, in 38 langen, dicht auf einander gerückten Zeilen, hat etwas, namentlich an einer Stelle, durch Feuchtigkeit gelitten, doch nicht so sehr, dass bei einiger Anstrengung der Text nicht vollständig lesbar wäre. Angehängt sind 9 Siegelbänder, welche aber die Siegel

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mit Ausnahme von einigen Wachsfragmenten verloren haben. Das Datum lautet im Originale:

des neghesten vrydaghes na Sunte vor sunte lucien daghe.
..........

Es steht wirklich da: "na Sunte vor sunte" ; die Worte "na Sunte" sind aber unterpunctirt, sollen also getilgt sein. Das richtige Datum ist daher "vrydaghes vor sunte Lucien daghe". Weil die Worte "na sunte" getilgt sind, so sind sie auch in den vorstehenden Text nicht aufgenommen.

Das grossherzoglich-meklenburgische Geheime Staats-Archiv zu Schwerin besitzt eine ungefähr gleichzeitige, etwas jüngere beglaubigte Abschrift auf Papier mit dem Wasserzeichen eines Ochsenkopfes, welche mit zwei Schuldverschreibungen des Herzogs Albrecht auf die Kaufsumme, beide 1359 des negesten midwekens na vser vrowen daghe in der vastene datirt, zusammengenähet ist, so dass diese drei Urkunden eine aus drei Bogen zusammengenähete Papierrolle von 3 Fuss 3 Zoll Länge bilden. Diese Rolle ist durch den Grafen Nicolaus von Tecklenburg durch folgende am Schlusse hinzugefügte Formel beglaubigt:

Vnd wii Clawes greue to Tekenborch enkennen, dat desse vorgescreuen scrifft vnd degedingh war zind, alze desse prinsipalis breff inneholt, vnd hebt des vnsse ingesegele to tuge neden an desse scrifft gehangen, vnd ich Herman Corff vnd Roleff van Langen hebbt des vnsse ingesegel mit ingesegele vnsses leuen genedigen iunch[eren] to einer meren bekantnisse mede an dessen breff gehangen.

und durch drei an Pergamentstreifen hangende Siegel aus grünem Wachs bestärkt:

1) in einem seitwärts ausgeschweiften und verzierten Bogen steht unten ein rechts gelehnter, kleiner Schild mit drei Herzen, darüber ein mit einer Lilienkrone bedeckter Stülphelm von alter Form, auf welchem zwei hohe, ganz gerade, spitze Reiherfedern stehen, zwischen denen ein Herz hängt; die Umschrift ist sehr platt gedrückt und undeutlich:

s'. ni. .   . . . . . mil . .. .   . . . . . .gen.

2) ein rechts gelehnter Schild mit einer Lilie unter einem Helme, auf welchem eine Lilie steht; die Umschrift ist undeutlich: . . . . . . . . . . korff.

3) ein stehender, einmal schräge links geweckter Schild; die Umschrift ist zum grössten Theile abgebrochen.

Diese Abschrift, obgleich sie auf ungewöhnliche Weise beglaubigt ist, wimmelt voll orthographischer Fehler und Abwei-

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chungen, so dass wohl die Hälfte der Wörter anders geschrieben ist, als in der Original - Urkunde. Unrichtigkeiten in Sinn und Worten kommen jedoch nicht vor, ausser dass in der Abschrift ungefähr in der Mitte der Urkunde vor den Namen der Unterhändler ungefähr eine Zeile des Originals ganz fehlt, nämlich die Stelle von: "war id en euenst is" u. s. w. bis: "de schole wi en doen", worauf dann unmittelbar folgt: "in der wyes alse vns greue Cord van den Redberghe" u. s. w.


Die Urkunden über den Kauf der Grafschaft Schwerin.

Wenn auch das grossherzogliche Staats - Archiv zu Schwerin eine alte beglaubigte Abschrift der Kaufurkunde und viele Urkunden über die Ueberweisung der Grafschaft und die Auszahlung der Kaufgelder besitzt, so fehlte doch bisher ein Original der Kaufurkunde, welches verschwunden zu sein schien (vgl. v. Lützow Meckl. Gesch. II, 1831, S. 196). Das gräflich - schwerinsche Original wird aber, wie in den vorstehenden Zeilen mitgetheilt ist, mit andern dazu gehörenden Urkunden im königl. preussischen Staats - Archive zu Berlin aufbewahrt. Die Vergleichung dieser Urkunde konnte aus mehreren Gründen nicht früher ausgeführt werden.

Es wird nun von Wichtigkeit sein, über die noch erhaltenen Urkunden über den Kauf dieses wichtigen Landestheiles von Meklenburg eine möglichst vollständige Uebersicht zu gewinnen.

Die Grafschaft Schwerin ward am 7. December 1358 durch die Herzoge von Meklenburg von den Grafen zu Schwerin und Tecklenburg für 20,000 löthige Mark Silbers gekauft. Von dieser Summe sollten

1359 am 17. März ("des andern sondages in der vasten") 5000 Mark,
1359 am 6. Dec. ("to s. Nicolaus daghe") 5000 Mark,
welche durch 30 Ritter und Knappen verbürgt werden sollten,
von den übrigen 10,000 Mark, für welche Land und Stadt Boizenburg zu Pfande gesetzt werden sollten,
1360 am 6. Dec. ("to s. Nicolaus daghe") 5000 Mark,
1361 am 6. Dec. ("to s. Nicolaus daghe") 5000 Mark

bezahlt werden.

Auf diese Termine beziehen sich viele noch vorhandene, im Folgenden hier aufgeführte Urkunden, welche jedoch noch sehr lückenhaft sind.

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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
1) 1352. Oct. 12. (am Freitage vor S. GallenTage).
Der Graf Otto v. Schwerin verschreibt seinerTochter Richardis nach ihrer Vermählung mit dem Herzoge Albrecht von Meklenburg Stadt und Land Boizenburg für ihre Mitgift
Schwerin. Schwerin.
2) 1357. Julii 28. (am nächsten Freitag nach S. Jacobi - Tage).
Der Herzog Rudolph von Sachsen belehnt die Herzoge von Meklenburg mit der Grafschaft Schwerin
Schwerin. -
3) 1357. Julii 28. (an demselben Tage).
Der Herzog Rudolph von Sachsen weiset die Ritter- und Landschaft der Grafschaft Schwerin eventuell zur Huldigung an die Herzoge von Meklenburg
Schwerin. -
4) 1358. Dec. 1. (am Sonnabend nach S. Andreas - Tage).
Stadt und Land Schwerin huldigen den Herzogen von Meklenburg
Schwerin. -
5) 1358. Dec. 1. (an demselben Tage.)
Die Herzoge von Meklenburg und die Grafen von Schwerin schliessen einen Vertrag, in welchem auch bestimmt wird, dass Grevismühlen, Crivitz und Boizenburg an die Grafen von Schwerin zurückfallen sollen, wenn die Herzoge von Meklenburg ohne Erben sterben
Schwerin. -
6) 1358. Dec. 4. (am S. Barbara-Tage).
Stadt und Land Witten-
-
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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
burg huldigen den Herzogen von Meklenburg Schwerin. -
7) 1358. Dec. 7. (am Freitag vor S. Lucien - Tage).
Die Herzoge von Meklenburg kaufen die Grafschaft Schwerin von den Grafen von Schwerin und Mecklenburg, Original zu Berlin, alte beglaubigte Abschrift zu Schwerin,
Berlin. Schwerin.
8) 1358. Dec. 7. (am Freitag nach S. Nicolai - Tage).
Spruch (sententia arbitraria) in Sachen des Kaufes
Berlin. -
9) 1359. März 11. (am Sonntage zu Mittfasten).
Urkunde über den vollzogenen Verkauf
Berlin. -
10) 1359. März 27. (am Mittwoch nach Unser Lieben Frauen Tag in den Fasten).
Die Grafen von Tecklenburg quittiren den Empfang der ersten 5000 Mark. und bekennen, dass sie über die Zahlung der übrigen Summen genügende Sicherheit empfangen haben, Original und alte beglaubigte Abschrift zu
Schwerin. Schwerin.
11) 1359. März 27. (an demselben Tage).
Die Herzoge vonMeklenburg verschreiben sich mit Bürgen zur Zahlung der zweiten 5000 Mark auf den nächsten Nicolai - Tag 1359, Original zu Berlin, alte beglaubigte Abschrift zu Schwerin,
Berlin. Schwerin.
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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
12) 1359. März 27. (an demselben Tage).
Die Herzoge von Meklenburg verschreiben sich mit Bürgen zur Zahlung der letzten 10.000 Mark, und zwar 5000 Mark auf S. Nicolai - Tag 1360 und 5000 Mark auf S. Nicolai - Tag 1361, und setzen dafür Stadt und Land Boizenburg zum Pfande, Original mit vielen Siegeln zu Berlin, alte beglaubigte Abschrift zu Schwerin,
Berlin. Schwerin.
13) 1359. März 27. (Ohne Datum).
Ueberweisung von Boizenburg an die Grafen von Schwerin
Berlin. -
14) 1359. März 27. (am Mittwoch nach Unser Lieben Frauen Tage in der Fasten).
Die Grafen von Schwerin versichern dem Lande und der Stadt Boizenburg alle Rechte, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert zu Schwerin,
- Schwerin.
15) 1359. März 27. (an demselben Tage).
Die Grafen von Tecklenburg weisen die Städte und Länder Crivitz, Grevismühlen und Boizenburg an die Herzoge von Meklenburg, nachdem die ersten 5000 Mark gezahlt sind,
Schwerin. -
16) 1359. März 27. (an demselben Tage).
Die Grafen von Tecklenburg verpflichten sich zur Abtretung von Stadt und Land Schwerin an die
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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
Herzoge von Meklenburg, alte beglaubigte Abschrift zu Schwerin, - Schwerin.
17) 1359. März 31. (am Sonntage zu Mittfasten).
Die Grafen von Schwerin weisen Stadt und Land Schwerin an die Herzoge von Meklenburg
- Schwerin.
18) 1359. März. (an demselben Tage).
Die Grafen von Tecklenburg weisen Stadt und Land Neustadt an die Herzoge von Meklenburg
Schwerin. -
19) 1359. März 31. (an demselben Tage).
Die Grafen von Tecklenburg weisen Stadt und Land Wittenburg an die Herzoge von Meklenburg, jüngere Abschrift zu Schwerin,
- Schwerin.
20) 1359.Nov. 25. (am S. Katharinen - Tage).
Die Grafen von Tecklenburg bevollmächtigen ihre Abgeordneten zur Erhebung der zweiten 5000 Mark, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert zu Schwerin,
- Schwerin.
21) 1359. Dec. 7. (am nächsten Tage S. Nicolai - Tages).
Die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg empfangen zu Lüneburg von den Herzogen von Meklenburg auf die zweiten 5000 Mk. die Summe von 2850 Mark und befristen die Zahlung der noch rückständigen 2150 Mark bis zu nächster
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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
Lichtmess, gegen gegebene Sicherheit, Original und beglaubigte Abschrift zu Schwerin, Schwerin. Schwerin.
22) 1359. Dec. 18. (am Mittwoch vor S. Thomas - Tage).
Bekenntniss des Canzlers Bertram Bere
Berlin. -
23) 1360. Febr. 3. (am nächsten Tage nach Lichtmess).
Die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg quittiren die Herzoge von Meklenburg über dieZahlung von 800 Mk., welche auf die rückständigen 2150 Mark ausgezahlt sind, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert,
- Schwerin.
24) 1360. Febr. 6. (am nächsten Donnerstag nach Lichtmess).
Die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg befristen die Zahlung der auf die zweiten 5000 Mk. noch rückständigen 1350 Mark bis zum nächsten Sonntage Reminiscere, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert,
- Schwerin.
25) 1360. Mai 25. (am Montage in dem Pfingstfeste).
Die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg quittiren die Herzoge von Meklenburg über dieZahlung von 550 Mk., welche auf die rückständigen 1350 Mk. ausgezahlt sind, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert,
- Schwerin.
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Urkunden
Original Abschrift
zu zu
26) 1360. Oct. 4. (am nächsten Sonntage nach S. Michaelis - Tage).
Die Bevollmächtigten der Grafen von Tecklenburg befristen die Zahlung der auf die zweiten 5000Mk. noch rückständigen 800 Mk. bis zum Donnerstage nach dem nächsten Allerheiligen - Tage, beglaubigte Abschrift aus dem 16. Jahrhundert,
- Schwerin.
27) 1362. Mai 1. Der Papst Innocenz IV. befiehlt bei Strafe des Bannes, dass die Grafen von Tecklenburg den Herzogen von Meklenburg die Grafschaft Schwerin überantworten.
Vignette
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B.

URKUNDEN - SAMMLUNG

ZU

BISCHOF NICOLAUS BÖDDEKER

VON

C. D. W.


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Nr. I.

Der magdeburger Vicar Richard Getwitz und Elisabeth von Bertensleben verkaufen dem lübischen Domherrn Nicolaus Böddeker einen silbernen Becher.

D. d. Magdeburg. 1435. Oct. 25.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Ego Richardus Getwicz, perpetuus vicarius in ecclesia Magdeburgensi, fateor presentibus manu propria mea scriptis, quod ego vna cum veneranda domina Elyzabeth de Berthensleue iuste empcionis titulo vendidi domino Nicolao Bodeker, canonico Lubicensi, ciphum argenteum cum coopertura intus et extra deaurata quondam domini Johannis Zadelman pie memorie pro XXII florenis Renensibus boni auri et iusti ponderis, quos idem dominus Nicolaus michi Richardo et domine Elyzabeth memoratis in numerata pecunia et auro prescriptis soluit realiter et cum effectu. Magdeburg, in domo dicte venerande domine Elyzabeth, anno domini millesimo CCCC° XXXV, mensis Octobris die XXV.

Auf einem Blättchen Papier.


Nr. II.

Johann Wolters, Cantor zu Schwerin und Domherr zu Lübeck, bekennt sich Nicolaus Böddeker, Decan zu Lübeck, verschuldet mit 17 Mk. und 20 Mk. 10 Sch. 8 Pf.

D. d. 1441. Junii 28.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Ego Johannes Wolteri, cantor Zwerinensis ac Lubicensis et Zwerinensis canonicus, fateor, quod obligor

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domino Nicolao Boddeker, decano ecclesie Lubicensis, racione expensarum ex antiquo in XVII marcas Lubicenses et nunc pro expensis nouiter in domo dicti domini pro me et familiari meo factis vltra, que sibi solueram, pro anno domini M°CCCCXL a festo pasce vsque ad festum pasce anni MCCCCXLI in XX marcas X solidos et VIII denarios. In cuius testimonium ipsi domino decano presentem cedulam manu propria conscriptam presentaui anno MCCCCXLI, in vigilia apostolorum Petri et Pauli.

Darunter:

recepi per medium Hoppenrodes XVI 1/2 marcas, qui recepit XVIII marcas et XXIIII solidos defalcauit.

N. B.

Auf der Rückseite:

tenetur LIII marcas II solidos VIII denarios.

Auf Papier.


Nr. III.

Das Capitel zu Schwerin gestattet dem Bischof Nicolaus I. von Schwerin den Niessbrauch der von ihm eingelösten Kirchengüter Zeit seines Lebens und erlaubt ihm darüber zu frommen Zwecken zu testiren unter der Bedingung, dass seinen Nachfolgern die Wiedereinlösung frei stehen soll.

D. d. 1446. Mai 18.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Uniuersis et singulis presencia visuris seu audituris sinceram in domino caritatem. Quia reuerendus in Cristo pater et dominus noster dominus Nicolaus, episcopus Zwerinensis, nuper anno pontificalus sui primo de propriis suis pecuniis villam Bisschoppesdorpe prope opidum Sund ad mensam episcopalem spectantem et diu per predecessores suos domino Bernardo Zutveld, consuli Zundensi, obligatam redemit pro

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mille quadringentis marcis sundensibus, vnde nos Hermannus Robin decanus, Henricus Rauen Tribucensis, Henningus Karutz e Rozstokcensis, Henricus Boldenberg Parchimensis archidiaconici, Johannes Wentland thesaurarius, Henricus Plote et Johannes Erdwani canonici ecclesie Zwerinensis capitulariter congregati capitulum representantes, piam dictam reuerendi patris intencionem considerantes ac volentes, quantum in nobis fuerit, ipsum ad cetera ipsius mense episcopalis bona obligata redimendum reddere prompciorem, presentibus pro nobis et successoribus nostris libere consentimus, quatenus dictus reuerendus pater dominus noster Nicolaus episcopus huiusmodi bonis iam redemptis et in posterum redimendis per eundem seu eciam de nouo emendis, in quibuscumque existant, libere vti valeat, quoad uixerit, eciamsi, quod absit, ecclesiam ipsam dimiserit, aut ea priuatus, spoliatus uel in iudicio deuictus fuerit seu ad aliam ecclesiam translatus sponte uel inuitus, ac quod de ipsis iam redemptis, redimendis et emendis libere testari ac pro salute anime sue et suorum progenitorum, deinde ipsius ecclesie Zwerinensis personis pro memoriis et consolacionibus et piis causis aliis, quantum sibi deus inspirauerit, donare et legare possit et valeat, hoc adiecto, quod successores dicti reuerendi patris pro tempore existentes possint et valeant dicta bona per ipsum redempta et ad pios vsus per eum deputanda pro similibus summis, pro quibus redempta sunt, simul vel succesiue redimere poterint et relaxare, quodque testamenta huiusmodi, eciam si solempnitate legati careant, ac quascumque vltimas voluntates, donaciones et legata per ipsum dominum nostrum episcopum faciendas et facienda gratas et ratas habere ac grata et rata ac presentibus ratificamus, nec illa ullo vnquam tempore impungnare siue de iure siue de facto, sed omne robur firmitatis et plenam execucionem habere volumus. In quorum omnium et singulorum fidem et testimonium sigillum capituli nostri presentibus nostris litteris duximus appendendum. Datum Zwerin in loco capitulari, anno a natiuitate domini millessimo quadringentesimo quadragesimo sexto, indictione nona, die Mercurii mensis Maii decima octaua, hora terciarum etc. .

Die von dem Capitel ausgestellte Urkunde ist auf Pergament in [Einrücken] Quer - Hochquart, die des Bischofs auf Pergament in Quer - Hochoctav. Beide sind durch das pergamentene Siegelband

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des Bischofs verbunden. Das Siegel des letzteren, rund, von Thaler - Grösse, von rothem Wachs, hat ein Brustbild der h. Jungfrau mit dem Kinde unter einem hübschen Baldachin. Unter demselben sind zwei Wappenschilde neben einander gestellt, deren rechter das bischöfliche Wappen, und deren linker das Langesche Familienwappen, einen rechts gewandten Bären, enthält. Umschrift:

Umschrift

Das an der Urkunde des Capitels hangende Siegel ist das ältere Sachensiegel und von grünem Wachs. Auf letzterer steht die gleichzeitige Registratur:

Consensus capituli Zwerinensis super eo, quod reuerendus in Cristo pater dominus Nicolaus episcopus Zwerinensis de bonis in Bischopdorpe per eum redemptis et aliis inantea per eum redimendis seu eciam de nouo comparandis testari possit et de eis in vita sua ad suos vsus uel pro memoriis et ad consolaciones pro suo libito disponere valeat etc. .

Nos Godfridus dei gracia episcopus Zwerinensis presencium tenore recongnoscimus pro nobis et successoribus nostris libere protestantes, quod, cum nuper presentibus annexas litteras reuerendo in Cristo patri et domino domino Nicolao in vniuersali ecclesia, olim Zwerinensi episcopo concessas vidissemus et legissemus ipseque reuerendus pater litterarum huiusmodi ratificacionem et approbacionem per nos et a nobis fieri peciisset, ideoque nos paternitati sue reuerende, cui merito tenebimur, beniuole complacere cupientes, litteras ipsas per nos plene auscultatas et intellectas in omnibus et per omnia ratificandas et approbandas duximus ac presentibus ratificamus et approbamus plenamque et liberam de bonis suis, que hodie obtinet et infuturum optinebit, testandi eidem auctoritatem concedimus et eciam de bonis ipsis pro voluntate sua in vita uel mortis causa libere disponendi facultatem omnimodam presentibus indulgemus. In euidens vero testimonium premissorum presentes nostras litteras et annexas nostri sigilli munimine duximus roborandas. Datum in castro nostro Butzow; anno domini millesimo quadringentesimo quinquagesimo septimo, die Martis mensis Augusti secunda.


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Nr. IV.

Bericht des Otto Vieregge an den Bischof Nicolaus I. Böddeker zu Schwerin.

D. d. 1446. Junii 4.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Minen vnderdanighen wilghen dinst. Gnedighe here. Ik du iwen gnaden weten, dat myn here van Meklenborch my hefft bidden laten, so dat ik to Zwerin by em wesen schal auelink edder morne vnde bliuen by em ouer dissen pinxsten, vnde dar dencke ik vppe morne hen to riden. Offte ik iwen gnaden dar wes weruen scholde, dat mach my iwe gnade scriuen edder beualen, vnde offte iw nutte duncke, so mochte gy my bescreuen senden de namen derjennen, de gy weten, de iw tor Warnowe iwe perde nemen, also dat me id mynen heren berichten mochte vnde sines rades dar vmme louen. Ok, leue here, bidde ik iwe gnade, gy mochten my teyn gude mark lenen vnde senden de my by dessem jeghenwardighen boden, de wil ik iw wol to dancke wedder bereden. Iwe gnade bede auer my. Screuen in pinxsten auende vnder mynem jngeseghel, Anno etc. . XLVI.

Otte Veregghe.

Deme erwerdighen in gade vadere vnde heren heren Clawese bischoppe to Zweryn mynen gnedighen heren odmodighen screuen.

Auf der Rückseite:

M°. CCCCXLVI in vigilia penthecostes misi Ottoni Veregghen per familiarem suum XX mr s Sundenses, quas sibi sub fide retroscripta mutuaui.

Auf einem Blatt Papier. Das Siegel ist abgefallen.


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Nr. V.

Brief des Herzogs Heinrich von, Meklenburg an den Bischof Nicolaus I. Böddeker von Schwerin.

D. d. 1447. März 12.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Hinrick van godes gnaden hertoge to Mekelnborch, greue to Swerin, furste to Wenden etc. . entbeden dem erwerdigen in gode vader vnde heren heren N. biscoppe to Swerin, vnsem leuen heren vnde vadderen, vnse vruntlike denste vnde wes wy leues vnde gudes vormogen touoren. Erwerdige here vnde leue vadder, wy senden to juw vnsen scriuer vnde leuen tnuwen Hinrick Reuentlouwen mit juw to sprekende van vnser wegen etc. . Worumme bidden wy juwe erwerdicheit mit gantzem vlite, so wy vlitigest mogen, gy Hinrick vorbenomet vnsem leuen truwen sodane werue, alse he van vnser wegen wert weruende, gantzliken belouen vnde totruwen, gyfft wy suluen muntliken mit juw spreken. Vns ae n sulken weruen willen to bewisende vnde vns des nicht to vorseggende vp dyt mal, vorschulden vnde vordenen wy gerne allewege tegen juwe erwerdicheit, wes wy konen vnde mogen in eme geliken edder grotteren. Geuen ae m sondage Oculi, mit vnsem vpgedruck(ed)en jngesegel, anno domini etc. . XLVII ten .

Darunter gedruckt das kleine Siegel Herzogs Heinrich.

Rückseite:

Ik Hinrik Reuentlouw bekenne, dat ik van dem erwerdigen heren in god vader Nicolao, biscopp to Swerin, hebbe entfangen vefftich rinsche gulden van mynes gnedigen heren wegen hertoch Hinrik van Mekelnborch, de myn here hertoch Hinrik vorbenomet gutliken scal vnde wil wedder vt geuen vp Johannis baptisten dem erwerdigen heren in god vader vorscreuen. Screuen to Butzow, vpme scl oe te ae m mandage na Oculi, anno domini etc. . XLVII°.

Auf Papier.


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Nr. VI.

Schuldverschreibung Heinrichs von Bülow auf Zibühl für Bischof Nicolaus I. von Schwerin auf 10 Gulden Rh.

D. d. 1448. März 17.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Yk Hynryk van Bulow wannachtych to Zybbule, yk bekenne vor alswene yn dessem oppenen breue, dat yk myt mynen eruen schu(l)dych byn rechter wytlyker schult mynem gnedyghen heren bysschop Clawese, bysschop to Zweryn, teygen Rynsche guldene, de he my rede lent heft. De wyl yk Hynryk vorscreuen ofte myne eruen mynem gnedyghen heren vorscreuen ofte synen nakamelynghen wol to danke wedder gheuen nu to wynachten neghest tokament. Des to groter vorwarynghe so hebbe yk Hynryk vorscreuen myn jngheseghel drukken laten yn dessen oppenen bref, screuen myt myner eghen hant, yn palmsondaghe, jn deme agchte vnde vertygesten jar.

Rückseite:

Anno domini M CCCC LVIII, dominica palmarum, que fuit mensis Martii dies XVII, in estuario castri Butzow reuerendus in Cristo pater etc. . N. episcopus Zwerinensis quodam Hermanno Zander (?) familiari Hinrici de Bulow presente litteram apportante in vim eiusdem littere mutuauit dicto H. Bulow decem florenos Renenses, quos dicto Hermanno ad manus suas prompte tradidit presentibus venerabilibus magistro W(ernero) Wolmers secretario, dominis Jo(hanne) Northem, Jo(hanne) Kuzel, Jo(hanne) Palingh, cappellanis, H(inrico) Vichel, Jo(hanne) Bockholt, testibus.

Petrus Brand notarius.

Recognicio Hinrici Bulowen de Tzibule super X florenis Renensibus sibi per me mutuatis.

Auf einem Blatt Papier. Das Siegel von grünem Wachs zeigt den gelehnten bülowschen Schild. Der Helmschmuck scheint ein Wedel zu sein. Umschrift:

Umschrift

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Nr. VII.

Brief des Herzogs Heinrich von Meklenburg an den Bischof Nicolaus I. von Schwerin.

D. d. Wittenburg. 1448. Aug. 1.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Vnse fruntschop vnde gunstigen willen alle tyd touoren. Erwirdige jn god leue here vnde vadder. So als wy amme negesten to jw gesand hadden vnsen cantzeler vnde schriuer, heren Johann Hessen vnde Hinricum Bentzyn, jw van vnser wegen to biddende vmme sostich lubsche marck vns to lenende wente to wynachten negestkamende, den gy dann tosecht hebben deme so gerne to donde, dar wy jw fruntlicken vor dancken, vnde bidden jw mit zundergem flite vnde gantzer andacht, dat gy deme so volge willen don vnde antwerden sulk gelt dusseme vnseme jegenwardigen baden, de jw dann weddervmme schal antwerden vnse recognicie na juweme beger, dar wy jnne bekennen, dat wy jw sulk gelt schuldich synd vnde jw tor nuge vp de vorbenomede tyd dancklicken betalen willen. Vns hyr willen ane bewisen, dat willen wy alle tyd jn gude jegen jw gerne vorschulden. Gegeuen to Wittenborch, amme dage Petri ad vincula, anno etc. . XLVIII.

Hinrick van godes gnaden herttoge
     to Mekelnborch etc. . vnde greue
     to Zwerin etc. .

   Deme erwirdigen jn gode beren
Niclawsze, bisschoppe to Swerin,
vnsem leuen vadderen.

M° CCCC XLVIII Recognicio Hinrici ducis et
comitis Zwerinensis super LX marcis Lubicensis
monete sibi mutuatis.

Auf Papier.


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Nr. VIII.

Der Herzog Heinrich bekennt sich dem Bischofe Nicolaus I. verschuldet mit 60 Mk.

D. d. Wittenburg. 1448. Aug. 1.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Hinrick van gades gnaden hertoge to Mecklenborch etc. . vnde greue to Zwerin bekennen apenbar betugende vor alsweme mit dessen jegenwerdigen schriften, dat wy mit vnsen rechten eruen plichtich vnde schuldich sint deme erwerdigen in god vnseme leuen heren vnde vadderen heren Nicolao, bisschoppe to Zwerin, sostich marck lubescher penninge, de vns de genante vnnse leue here vnde vaddere rede geantwerdet vnde danckliken, in deme wy er notliken behuff hadden, gelend heft, de wy vnde vnse eruen scholen vnde willen deme obgenanten vnseme leuen heren vnnde vadderen rede wedder geuen vnde danckliken betalen vp winachten negestkamende sunder jenigerleye anseggent efte lenger vertoch. Des to orkunde vnde merer bekantnisse hebben wy vnse jngesegel wetendes drucken heten benedden vp desse schrift. Geuen to Wittenborch, amme dage sancti Petri ad vincula, anno etc. . amme XLVIII°.

Auf Papier. Untergedruckt des Herzogs Secret.


Nr. IX.

Der bischöfliche Secretär Werner Wolmers bezeugt als Notar, dass Bischof Nicolaus I. von Schwerin der Hausfrau Heinrichs von Bülow zu Zibühl durch ihren Diener 30 Goldgulden Rheinisch und 4 Postulatsgulden als Darlehn gesandt habe.

D. d. 1448. November 3.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Anno a natiuitate domini M° CCCC XLVIII°, die vero dominica, tercia mensis Nouembris, pontificatus sanctis-

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simi domini Nicolai diuina prouidencia pape quinti anno secundo, reuerendus in Cristo pater ac dominus dominus N(icolaus) episcopus Zwerinensis in mei Werneri Wolmers, apostolica et jmperiali auctoritatibus notarii, ac testium infrascriptorum presencia mutuauit vxori validi viri Henrici Bulow de Sibuel et ad eius peticionem triginta florenos auri de Reno et quatuor florenos postulati Traiectenses super carnispriuio persoluendos, quos quidem florenos jdem reuerendus pater dominus N(icolaus) episcopus in numerata pecunia tradidit cuidam Hermanno Smyd nunccio dicte vxoris Henrici Bulow, qui nunccius similiter nomine dicte domine sue, vxoris dicti Henrici, representauit eidem domino episcopo loco pignoris quatuordecim nobiliones de Anglia presenti cedule alligatas. Super quibus idem reuerendus pater dominus Nicolaus episcopus Zwerinensis peciit a me notario suprascripto instrumentum et instrumenta, presentibus honorabili et discreto viro magistro Andrea Vulff Zwerinensis et Butzowensis ecclesiarum canonico, necnon Alberto Proeyl vicario perpetuo in ecclesia sancti Petri Hamburgensi et Petro Boecholt clerico Razeburgensis diocesis et Lubicensis ciuitatis, testibus ad premissa vocatis et rogatis.

  Ita protestor factum esse manu mea propria
  et signatum sub sigillo meo.

Auf Papier. Das Siegel ist abgefallen.


Nr. X.

Das Capitel zu Schwerin ertheilt dem Bischofe Nicolaus I. die Erlaubniss, zu resigniren, und überlässt ihm, für die Kirche zu sorgen und über deren Schatz zu bestimmen.

D. d. Schwerin. 1449. Jan. 3.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Nos Hermannus Robin decanus totumque capitulum ecclesie Zwerinensis vniuersis et singulis presencia visuris, audituris et inspecturis cupimus fore notum,

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quod reuerendus in Cristo pater et dominus dominus Nicolaus, episcopus Zwerinensis, certis de causis ac motiuis animum suum ad hoc mouentibus ecclesiam suam Zwerinensem resignare ac eidem renunciare proponit et intendit supplicauitque propterea nobis ac sepius supplicare fecit, vt sibi consensum nostrum ad resignandum et renunciandum tribuere ac concedere dignaremur: nos igitur Hermannus et capitulum supradicti, propter hoc in loco capitulari capitulariter congregati ac capitulum facientes et representantes, supplicacioni et votis dicti reuerendi patris beniuole annuentes sibi presentibus consensum et assentum nostrum ad resignandum et renunciandum prestauimus, concessimus ac prestamus et concedimus per presentes committentes eidem, vt taliter ecclesie Zwerinensi, quantum in eo fuerit, prouideat et de clenodiis et rebus ecclesie sibi in assumpcione sua per nos presentatis ad vsum eiusdem ecclesie conseruando disponat, quemadmodum coram altissimo deo velit et tenetur reddere racionem. In quorum omnium et singulorum fidem ac euidens testimonium premissorum presentes nostras litteras sigilli nostri fecimus et iussimus appensione communiri. Datum Zwerin in loco nostro capitulari, die Veneris, tercia mensis Januarii, anno domini millesimo quadringentesimo quadragesimo nono.

Auf einem Octavblatt Pergament. Angehängt ist das kleine Siegel des Capitels (Jahrbücher VIII, Taf. 2).


Nr. XI.

Brief der Herzogin Dorothea von Meklenburg an den Bischof Nicolaus I. von Schwerin.

D. d. Güstrow. 1449. Oct. 26.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Unsen gunstigen grud vnde guden willen touoren etc. . Erwerdige here vnde leue vadder. Wy zenden juw eyn clenode vnde bidden, gi des nichten vorsman vnde laten juw dat zo wol to wyllen wezen, efft wy juw dat suluen antwerdeden, vnde wyllen dat vmme vnsen

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willen dreghen etc. . Ok, leue vadder, zende wy to juw vnsen cappellan, wyser desses breues, werue to juw van vnser wegen to weruende: bidden wy fruntliken, gi em des zo gantzliken louen willen, wes he van vnser wegen to juw weruende is, lyker wys, efft wy suluen muntliken myt juw spreken vnde juw dar yo zo gutwillich ane bewizen vnde vns hiir vppe dyt mal nicht mede vnderwegen laten. Dat vorschulde wy alle wege gerne jegen juw wor wy konen vnde mogen etc. . Gegeuen to Gustrow, amme zondage vor Symonis et Jude, vnder vnseme jngesegel, anno domini etc. . XLIX°.

  Dorothea van godes gnaden hertichynne
  thu Meklenborgh, forstynne tho Wenden
  vnde greuinne to Zwerin etc. .

   Deme erwerdigen in god vader
vnde heren Nicolao bisscoppe to Zwe-
rin, vnseme leuen vadderen etc. .

Anno etc. . XLIX° die dominica ante Simonis et Jude ego Hinricus Gartze., rector in Sprentze, percepi a reuerendo in Cristo patre et domino domino Nicolao episcopo Zwerinensi nomine illustris domine Dorothee ducisse Magnopolensis etc. . triginta marcas Lubicensium denariorum, quas idem reuerendus pater dicte domine mee concessit et per Petrum notarium suum numerare fecit teste manu mea propria.

Auf Papier. Das Wappen des Siegels hat 1. den brandenburgischen Adler, 2. den meklenburgischen Stierkopf, 3. den gräflich - schwerinschen Schild, 4. den rostockschen Greif. Die Umschrift ist verdrückt.


Nr. XII.

Brief der Herzogin Dorothea von Meklenburg an den Bischof Nicolaus I. von Schwerin.

D. d. Schwan. 1449. Nov. 8.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Vnsen gunstigen grud vnde guden willen touoren etc. . Erwerdige here vnde leue vadder. Wy bidden juw

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fruntliken, gi vns noch XX marck lenen wolden, wente wy pande vtstande hebben, de wy wedder hebben moten jegen Hinrick Hanen worschop. Weret dat wy de pande vppe de tyd nicht en kregen, zo bevruchte wy vns, dat wy to groteme vnwillen kamen myt vnseme heren, vnde weret, dat gi ze nicht lenger entberen konen wente to wynachten, zo willen wy ze juw wol to dancke vnde sunder vortoch wedder schicken etc. . Leue vadder, vns hiir willen ane to bewyzende vnde vns vppe dyt mal nicht mede nalaten, dat willen wy alle weghe in eyneme gelyken edder groteren gerne jegen juw vorschulden, wor wy konen vnde mogen etc. . Geuen to Zwan, amme sonauende vor Martini, vnder vnseme jngesegel, anno domini etc. . XLIX°.

  Dorothea van godes gnaden hertichynne
  to Meklenborgh, forstynne to Wenden
  vnde greuinne to Zwerin etc. .

   Deme erwerdigen in god vader
vnde heren heren Nicolao bisscoppe
to Zwerin, vnseme leuen vadderen etc. .

Et ego Hinricus Gartze rector in Sprentze recognosco per presentes, me recepisse dominica post Martini in vim credencie retroscripte nomine illustris domine Dorothee ducisse Magnopolensis a reuerendo in Cristo patre [et] domino domino Nicolao episcopo Zwerinensi viginti marcas Lubicenses per eundem reuerendum patrem dicte domine mee mutuatas. Anno etc. . XLIX. Propria manu mea testor.

Auf Papier. Das Siegel ist zerbröckelt.


Nr. XIII.

Andreas Wulf, Domherr zu Schwerin und Bützow, verpfändet dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin seinen Hof für 50 fl. Rh. und 20 Ducaten.

D. d. 1449. Nov. 12.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Ego Andreas Wulff, Zwerinensis et Butzowensis ecclesiarum canonicus etc. ., recognosco per

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presentes, quod reuerendus in Cristo pater et dominus dominus Nicolaus ecclesie Zwerinensis gracia dei episcopus dominus michi graciosissimus mutuo tradidit michi quinquaginta florenos Renenses et viginti ducatos, pro quibus coram capitulo Butzowensi obligaui ac presencialiter obligo curiam meam canonicalem sue reuerende paternitati nulli alteri hactenus obligatam, quod manu mea propria protestor. Anno domini M° etc. . XLIX, XII ma mensis Novembris.

Facta fuit presens obligacio in nouo armario ecclesie Butzowensis coram venerabilibus dominis Jo(hanne) Werneri decano, T(hiderico) Stalhud, Jo(hanne) Bulow, H(inrico) Woltberti et Jo(hanne) Bileuelt canonicis ecclesie Butzowensis capitulariter congregatis, presentibus domino Stephano Likeuet, vicario in dicta ecclesia, ac me Petro, notario publico.

Auf Papier.


Nr. XIV.

Das hamburger Domcapitel verkauft dem Bischofe Nicolaus I. Böddeker von Schwerin 7 Mark Renten für 105 Mark, die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen verwendet werden sollen.

D. d. Hamburg. 1451. Nov. 13.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wij Johannes deken vnde dat gantze capitel vnser vrowen kerken to Hamborch bekennen vnde bet ue ghen opembar in dessem breue vor alsweme, dat wij deme erwerdighen in god vadere vnde heren heren Nicolao B oe deker, van godes gnaden bisschop to Zwerin, wandaghes vnser vorschreuen kerken domheren vnde scolastico, vth vnser memorien redesten renthen redeliken vnde rechtliken hebben vorkofft vnde vpgelaten, vork oe pen vnde vpplaten in crafft desses breues s oe uen mark jarliker renthe vor hundert vnde vijff mark l ue bescher penninghe, de wij vormiddelst her Kersten Soltouwe, nu tor

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tijd vnser vorschreuenen memorien distributor, van deme ergenanten erwerdighen in god vadere vnde heren heren Nicolao, bisschoppe to Zwerin, vppgeb oe red vnde see to der suluen vnser memorien behoeff anghelecht hebben. Desse s oe uen mark renthe schal vnser vorben oe meden memorien distributor, de tor tijd is, dem erwerdighen in god vadere heren Nicolao bisschoppe to Zwerin vorgeschreuen de tijd sines leuendes alle jar binnen L ue beke vppe desse twee tijde, alse veerdehalue mark to pinxsten vnde veerdehalue mark l ue besch to sunte Martens daghe na ghifte desses breues neghest volghende, wol to dancke gheuen vnde betalen sunder hinder vnde vurder vortogheringhe. Wan auer de vorben oe mede in god vader vnde here her Nicolaus, bisschop to Zwerin, van dodes wegen in god vorstoruen vnde affgegh ae n is, so sch oe len desse s oe uen mark renthe to ewigen tijden bi unser vorschreuenen memorien bliuen des suluen heren Nicolai bisschoppes, siner olderen, heren Jacobi B oe ddekers, sines vedderen, vnde heren Johannis Zadelman, sines ohmes, dechtnisse alle jar vppe den dach sines dodes an vnser vorschreuene kerken, alse me plecht enen bisschopp, mit vigilien vnde zelemissen beghaen, vnde schal vppe de suluen tijd de vorschreuene s oe uen mark renthe twisschen vns vnde den vicariesen an vnser vorschreuenen kerken na w oe ntliker wise delen, gode vor alle der vorben oe meden zele truweliken to biddende. In t ue chnisse vnde orkunde alle desser vorschreuene st ue cke hebbe wij vnser kerken secret vor vns vnde vnse nak oe melinge henget heten an dessen breff. Gheuen to Hamborch, na godes bord in dem verteynhundertsten vnde een vnde veftighesten jare, in sunte Brictij daghe des hilghen bisschoppes.

Auf Pergament in Klein - Querfolio. An Pergamentband ein Siegel von grünem Wachs: Thronende Mutter Gottes unter einer Art Baldachin. Umschrift:

Umschrift

Auf der Rückseite:

Littera capittuli ecclesie Hamburgensis super VII marcarum redditibus pro memoria mea in dicta ecclesia Hamburgensis. N. episcopus.


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Nr. XV.

Der grosse Kaland zu Wismar verkauft dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin 2 Mk. 8 Sch. Rente für 50 Mk., die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen bestimmt werden.

D. d. Wismar. 1453. Dec. 31.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Gerardus Werkman, decanus, Jacobus Wyneke vnde Nicolaus Dallyendorp, procuratores vnde ghemenen brodere des groten kalandes tor Wismer, vor vns vnde vnse ewige nakomelinge bekennen vnde betughen in desseme breue vor alsweme apembare, dat wij deme erwerdigen in god vadere vnde heren heren Nicolao, bisschoppe to Zwerin, wandaghes kerckheren to vnser vrowen tor Wismer, reddeliken vorkofft hebben, vorkopen vnde vorlaten yeghenwardighen in krafft desses breues twe mark vnde achte schilling iarliker renthe vor vefftich mark lubescher pennyge, de wij vormyddelst heren Jacobo Wyneken vnde Nicolao Dalliendorpp vnsen procuratoribus van deme erbenomeden erwerdigen in god vadere heren Nicolao Bodeker bisschoppe to Zwerin rede vppgeboret vnde se to vnser suluen memorien behoff angelecht hebben. Desse twe mark vnde achte schillinge iarliker renthe scholen vnse vorbenomeden procuratores, da tor tijd sint, deme erwerdigen in god vadere vnde heren heren Nicolao, bisschoppe to Zwerin, de tijd synes leuendes bynnen der Wismer alle yar vppe wynachten in den ver hilghen daghen wol to dancke betalen sunder hinder vnde vurder vortogheringhe. Wan ouer de bauenscreuen erwerdige in god vadere here Nicolaus, bisschopp tho Zwerin, in god vorstoruen is, so scholen desse twe mark vnde achte schillinge gheldes to ewigen tijden by vnser vorscreuen memorien blyuen, syne vnde syner olderen vnde heren Jacobi Bodeker, synes vedderen, vnde heren Johannis Sadelmannes, synes ohmes, wandages ok kerkheren to vnser vrowen, dachtnisse alle yar vppe den neghesten dach na synes d oe des edder vpp enen anderen beqwemen dach an der negesten weken na edder vor deme dage synes

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dodes an der vorscreuen vnser vrowen kercken, alse sick dat behorende wert, beghan myt vigilien vnde myt selemissen, vnde vnse procuratores scholen vppe de tijd sodane twe mark vnde achte schillinge renthe tusschen vns decan, procuratores vnde kalendes broderen alse na wonliker wise delen, gode vor alle der vorbenomeden selen truweliken to biddende. In tuchnisse vnde orkunde alle desser bauenscreuenen stucke hebben wij Gherardus, deken, procuratores vnde menen brodere des groten kalandes tor Wismer bauenscreuen vnse ingesegelle myt endracht vnde gudeme weten hengen heten vnde laten benedden an dessen breff, de gheuen vnde screuen is tor Wismer, an den iaren na der bord Cristi dusent verhundert an deme vere vnde veftigesten iare, amme dage sancti Siluestri des hilghen bisschoppes.

Auf einem Pergament in Quart. Die Siegel haben keine Platten.
1. Rund. Ein rechts gelehnter dreiseitiger Schild mit einem Querbande, auf dem 2 steigende Löwen. Umschrift:

Umschrift

2. Rund, mit einem Hauszeichen. Umschrift unleserlich.
3. Weder Bild noch Umschrift zu erkennen.
Da die Urkunde vom Tage S. Sylvesters, den 31. December, datirt, so wird auch die Jahreszahl 1454 als 1453 zu nehmen sein.


Nr. XVI.

Heinrich, Bischof von Sebaste , Weihbischof des Bischofs Nicolaus I. von Schwerin, bezeugt die Ertheilung der kleinen Weihen an einen Kleriker der schweriner Diöcese.

D. d. Stralsund. 1454. März 3.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Hinricus, dei et apostolicae sedis gracia episcopus Sebastensis, vicarius in pontificalibus reuerendi in Cristo patris ac domini domini Nicolai eiusdem gracia episcopi Zwerinensis, recognoscimus publice per presentes, quod dilectum nobis in Cristo,

scholarem Zwerinensis dio-

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cesis, ad omnes ordines minores rite promouimus cooperante nobis gracia spiritus septiformis. Datum et actum in opido Sundis, in armario fratrum minorum, anno domini M° CCCC° LIII°, dominica qua cantatur in ecclesia Esto mihi, nostro sub sigillo presentibus appenso.

Die Lücke für den Namen ist offen gelassen. Das Siegelband ist aus der Membran geschnitten. Das parabolische Siegel ist von grünem Wachs und 1 3/4 Z. Rh. lang. Die Darstellung auf demselben ist die Krönung Mariä und darunter ein betender Mönch. Umschrift:

Umschrift

 

Nr. XVII.

Die Geistlichkeit zu S. Peter in Lübeck verkauft dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin 3 Mk. Renten für 50 Mk., die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen verwendet werden sollen.

D. d. Lübeck. 1454. Nov. 11.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Luderus Nyestad, in vtroque licenciatus, Hermannus Lidink, in artibus magister, Johannes Hoyken, Remarus Kedinck vnde gantzen gemeynen vicarij an der kerken to sunte Peter to Lubek vor vns vnde ewige nakomelingen bekennen vnde betugen an desseme vnseme breue openbare vor alsweme, dat wy deme erwerdigen an gode vadere vnde heren heren Nicolao Bodeker bisschoppe to Swerijn, wandages der vorscreuen kerken to sunte Peters kerckheren vnde darna to Lubek decane geweset, vte vnser memorien redesten renthen redeliken vnde rechtliken vorkofft hebben vnde vpgelaten, vorkopen vnde vplaten jegenwardigen an crafft disses breues dre mark lubesch jarliker renthe vor vefftich mark lubescher pennige, de wy vormiddelst Hermanno Lidingk, nu tor tijd vnser memorien distributor, van deme suluen erwerdigen in god

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vadere heren Nicolao bisschoppe to Zwerijn to der noge vpgebord vnde de vort to der suluen vnser memorien behoue angelecht. Desse dre mark renthe schal vnser memorien distributor, de tor tijd is, deme erwerdigen in god vadere heren Nicolao, bisschoppe to Zwerijn, de tijd sines leuendes alle jar vppe sunte Mertens dach na datum disses breues negest volgende binnen Lubek wol to danke geuen vnde betalen sunder jenigen intoch, hinder vnde vortogeringe. Wanne ouer de vorbenomede erwerdige here Nicolaus bisschop an god vorstoruen is, so scholen desse dre mark renthe to ewigen tijden bi vnser vorscreuen memorien bliuen des suluen erwerdigen heren Nicolai bisschoppes, siner olderen vnde leffhebberen memorien, alseme plecht eme bisschoppe, mid vilgen vnde selemissen began, vnde schal vp de suluen tijd desse vorscreuen dre mark renthe tuschen vns na wonliker wise delen, gode almechtich vor alle de vorbenomeden innichliken bidden. In tuchnisse vnde orkunde disser vorscreuen stucke alle so hebben wy Luderus Niestad, in vtroque licenciatus, Hermannus Lidinck, in artibus magister, Johannes Hoyken, Remarus Kedingh mid willen vnde mid endracht der gantzen meynen vicarien vnse ingesegel ghehenget vor dussen breff, de geuen vnde screuen is in der stad Lubek, in den jaren vnses heren dusent veerhundert dar na in deme veer vnde vefftigesten jare, in deme dage sunte Mertens des hilgen bisschoppes.

Auf Pergament in Querfolio. An pergamentnen Bändern hangen 4 Siegel:

1. Schild, anscheinend mit einem halben Schiff. Umschrift:

Umschrift

Rund.

2. Rundes Siegel mit den verschränkten Buchstaben h und l.
Umschrift:

Umschrift

3. Rundes Siegel, enthaltend einen gespitzten Dreipass mit einem halben Ziegenbock. Umschrift unleserlich.

4. Rund, mit einem Hauszeichen oder dgl. Umschrift ebenfalls unleserlich.


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Nr. XVIII.

Der Capitel zu Güstrow verkauft dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin 4 Mk. Renten für 50 Mk., die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen verwendet werden sollen.

D. d. Güstrow. 1455. Nov. 13.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wii Nicolaus Mund, prouest, Conradus Gantzowe, dekene, vnde gantze capittel der kerken to Gustrowe bekennen vnde betughen an desseme breue apenbar vor alsweme, dat wii [deme erwerdigen] in gode vadere vnde heren heren Nicolao bischope to Zwerin vth vnser memorien redesten renthen reddeliken vnde rechliken hebben vorkofft vnde vpgelaten, vorkopen vnde vplaten iegenwardigh an [krafft] disses vnsen breues veer mark jarliker renthe vor veftigh mark lubesch stralen munte, alse to Gustrowe vnde Parchim genghe vnde gheue sint, de wii vormiddelst heren Wilkino Stolten, vnser memorien collector vnde distributor, van deme erbenomeden erwerdigen in god vadere vnde heren heren Nicolao an gudeme graueme pagimente redelken vpgheboret vnde see vord to der vorscreuen vnser memorien beh ue ff angelecht hebben. Desse veer mark ingeldes schal vnse vorbenomede memorien distributor vnde collector vnde syne nakomelinghe, de to der tiid sint, deme bauenscreuen an god vadere Nicolao de tiid synes leuendes alle jare bynnen Butzowe vppe sunte Martens dagh na data desses negestuolgende wol to danke geuen vnde betalen sunder hinder vnde vurder vortogeringe. Wan ouer de sulue in god vader vnde here here Nicolaus na godes willen vorstoruen is, so scholen desse veer mark renthe to ewigen tiden bij vnser vorscreuen memorien bliuen des sulaen heren Nicolai bischoppes, syner olderen vnde heren Jacobi Boddeker, synes vedderen, vnde heren Johan Sadelmans, sines omes, dachtnisse alle jare vp den dagh synes dodes an vnser vorscreuen kerken, alsme plecht enen bischopp, myd vigilien vnde selemissen beghan vnde schal vp de suluen tiid de vorscreuen veer marck tuschen vns vnde den vicariesen an vnser bouenscreuenen kerken

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na wonliker wise delen god den heren vor alle desser vorbenomeden selen truwelken to biddende. To louen, wisheyd vnde orkunde desser vorscreuen stucke so hebben wij vnser kerken secret myd willen, endracht vnd van guden weten vor vns vnd vnse nakomelinge heten vnde laten hengen benedden an dessen breff, de geuen vnde screuen is to Gustrowe, na Cristi gebord verteynhunderd jare an deme vif vnde ueftegesteme jare, amme daghe sunte Brictij des hilgen biscoppes.

Auf Pergament in Querfolio. Angehängt an einem Pergamentstreifen das Secret des Collegiatstiftes. Unter einem Baldachin steigt ein nackter Heiliger mit einem Kelch, worin eine Schlange, in der Linken, die Rechte segnend, aus einem Fasse hervor, aus dem auch auf jeder Seite eine Schlange kriecht. Am Boden davor liegen zwei Figuren. Neben dieser Darstellung sind ebenfalls unter Baldachinen rechts und links je ein Heiliger angebracht. Umschrift:

Umschrift

Auf der Rückseite:

Littera capituli Gustrowensis super IIII marcarum stralensium redditibus emptis per reuerendum in Cristo patrem etc. . episcopum Zwerinensem pro quinquaginta marcis stralensium per ipsum reuerendum patrem facto et in promptis persolutis Bernardo Vereggen preposito in Vredelanth M° CCCC° LV° dominica post Martini infra ecclesiam (?).


Nr XIX.

Präceptor, Priester und Vicarien zu Tempzin verkaufen dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin 4 Mk. Renten für 50 Mk., die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen verwendet werden sollen.

D. d. Tempzin. 1456. Mai 10.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Hinricus Hagenow, preceptor, Johannes Witte, Tidericus Knolle, Johannes Pastowe vnde Johannes Naghel,

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prestere vnde vicarij to sunte Anthonies haue to Temptzin, vor vns vnde vnse nakomelinghe, bekennen an desseme vnseme openbaren breue vor alsweme, dat de erwerdighe in god vader vnde here here Nicolaus, bischopp to Zwerin, van eghen mylden willen vns gheuen vnde hantreket hefft vefftich lubesche mark, de wy vormiddelst heren Nicolaus Cummerowen in ghuder munthe redelken entfanghen vnde vpboret hebben, vnde dar mede vort ghekofft hebben weddeschattes wyse to vnser memorien behuff ver mark renthe jarlikes jngeldes van Hardenakken Bibowen jn syneme dorpe tho Zakestorpe jn den twen eruen vnde ackere, den nu tor tiit buwen vnde besitten Clawes Boytin vnde Hinrik Mathias, van eneme jesliken io twe lubesche mark ghuder munthe vnde van alle eren nakomelinghen, de desse vorschreuen erue vnde ackere buwen vnde besitten. Desse ver lubesche mark jarlikes gheldes schal vnse memorien distributor vnde collector de tor tijt is vlytlyken vth manen vnde se so vort gheuen vnde bereden wol to danke deme erwerdighen vader vnde heren heren Nicolaus, bischoppe to Zwerin, de tiit synes leuendes alle jar vppe sunte Mertens dach vnbeworen sunder jennigherleye hinder vnde lengher vortogheringhe. Weret ok dat dar wes ane na bleue yn der renthe, alzo dat de ver lubesche mark altomale nicht vthqwemen, de schade schal wesen by vnses gnedighen heren vnde vader des bischoppes vnde nicht by deme godeshuse. Wente ouer de vorbenomede vnse gnedighe here de bischopp van dodes weghen an god vorstoruen ys, zo scholen desse vorschreuen ver lubesche mark gheldes to ewighen tiiden by vnser memorien bliuen, alzo dat wy vnde vnse nakomelinghe vppe den dach des vorschreuen erwerdigen jn god vaders vnses leuen heren synes dodes scholen vnde willen syne, syner olderen, synes broders meyster Curdes Boddekers, heren Jacobi Boddeker, synes vedderen, vnde heren meyster Johan Sadelman, synes ohmes, dechtnisse vnde memorien myt vigilien vnde zelemissen jn der kerken sunte Anthonies to Temptzin vorschreuen holden vnde god den heren vor de allen truwelken bidden, vnde denne schal vnse memorien distributor vnde collector, de tor tiit is, desse veer mark gheldes mank den heren preceptori, vicarien, donaten, presteren vnde cleriken, de denne jn der vigilien vnde zelemissen jeghenwardich zint, na wonliker wyse delen. Des to tughe vnde grotterme louen vnde warheyt zo hebbe

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wy vorbenomeden heren Hinrik Haghenow, preceptor, Johan Witte, Tiderik Knolle, Johan Pastowe vnde Johan Naghel vor vns vnde (vnse) nakomelinghe vnse jngheseghel myt witschop laten henghen vor dessen breff, de gheuen vnde schreuen ys to Temptzin, na godes bort dusent iar dar na an deme sos vnde vefftighesten jare, des neghesten mandaghes na vnses heren gades hemmeluard, des hilghen festes.

Auf Pergament in schmalem Querfolio. Angehängt sind an Pergamentstreifen 5 runde Siegel von dunkelgrünem Wachs.

1. Ein Schild mit einem Antoniuskreuz, aus dem eine dreiblättrige Pflanze hervorwächst. Auf einem Spruchbande:

Spruchband

2. In einer Verzierung ein Schild mit einem W. Umschrift verwischt.

3. Schild mit einem rechtshin schreitenden halben Dudelsackspieler. Umschrift verwischt.

4. In einem Dreipass ein Schild mit Spruchband zwischen zwei Blumen. Umschrift auf einem Spruchband:

Spruchband

5. Undeutlich. Umschrift:

Umschrift

Alte Registratur:

Littera preceptoris vicariorum in Tempt(z)in super quatuor marcarum redditibus reverendo in Cristo patri etc. . super festo Martino soluendis.


Nr. XX.

Vertrag zwischen dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin und D. Gottfried Lange, Domherrn zu Lübek, und dessen Vater Heinrich Lange, Bürgermeister zu Lüneburg, wegen des bischöflichen Stuhls zu Schwerin.

D. d. 1456. Aug. 9.
Im Rathsarchive zu Wismar.

In desser naschreuen wise is beramed twisschen deme ewerdigen in gode vadere vnde heren heren Nicolaum bisschopp to Zwerin vnde heren Godfridum Langen, decretorum doctorem, domheren to Lubeke.

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To dem ersten, dat de erwerdige here van Zwerin vpsende enen syner cappelane mit heren Godfrido Langen, de resignere ad manus domini pape ecclesiam Zwerinensem, welke kerken den dominus Godfridus wedder beholde van dem pauese vp syne eghene kost.

Item dat dominus apostolicus domino episcopo moderno prouisien do an dem stichte to Zwerin alse twehunderd rinsche gulden geldes, dar doch dominus modernus heren Godfridum nicht mede enghen schal efte wel de eme to betalende, men wes he eme van der wegene don schal, wel dominus modernus ghans zetten bi de werdegen heren heren Nicolaum van der Molen, decanum to Lubeke, magistrum Wernerum Wolmertzen, prepositum Zwerinensem, vnde heren Hinrik Langen, heren Godfridi vader.

Item dat her Godfridus syne prouene to Lubeke, alse de doch denne los werd, wedder vorwerue van dem pauese pro domino moderno vp des heren moderni eghene kost, dat her Godfridus bearbeyden schal, so he fliteghest magh.

Punctus hic cassatus et deletus est de consensu parcium. P. Brand propria manu.

Item so wel dominus modernus heren Godfrido Langen so vord, als he vpriden wel, lenen dusent rynsche gulden, de maken an lubeschem ghelde XIIII C XXXVII 1/2 mr., syne sake mede vt to richtende, dar her Hinrik Lange bouenschreuen mit heren Godfrido, synem sone, louen vnde zeker vorwissinge doen schal an desser naschreuenen wise. Also weret, dat her Godfridus in dem weghe efte in dem houe to Rome vorstorue, dar god vore sy, eer eme mit der kerken prouideret were, alse vor der resignacien, so schal vnde wil her Hinrik Lange domino moderno de gansen summen alse dusent rinsche gulden wol to danke bereden vnde wedder geuen. Weret auer, dat her Godfridus na der resignacien vnde prouisien, alse vorschreuen is, vorstorue, dat god affkere, eer he jn syn stichte to Zwerin queme, denne so schal her Hinrik Lange domino episcopo moderno allene de helfte des vorschreuenen geldes also viffhunderd rinsche gulden wedder geuen vnde gudliken betalen vnde darff vmme de anderen helfte van nemende maninge liden. Ok eft id so queme, dat her Godfridus na dem willen godes vorstorue, alse vorschreuen is, dat god doch noch lange fristen mote, vnde den

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to der betalinge in vorschreuener wise queme, so schal doch dominus episcopus modernus heren Hinrike Langen vake[n]benomet mit der betalinge jn dem ersten jare nicht vorhasten.

Wan auer denne mit godes hulpe her Godfridus wedder to hus gekomen is vnde de kerken to Zwerin jn rowelker bezittinge heft, so schal he bynnen enem jare dar na neghest volghende domino moderno IIII C XXXVII 1/2 mr. lubesch van den vorschreuenen dusent gulden affbetalen edder dar vmme synen willen hebben. Van de[n] anderen dusent mr., de den noch ouerich syn, schal he eme gudliken betalen dar na jn den neghest komenden viff jaren alse enes jsliken jares twehunderd mark. Desses to orkunde vnde vorwaringe, so hebben wi Nicolaus van godes gnaden bisschop to Zwerin, Godfridus Lange, decretorum doctor, vnde Hinrik Lange vorgheschreuen vnse jngeseghele vnde een jslik syn jngheseghel mit willen vnde witschup drucken heten vnde laten rugghelinges vp dessen breff, jn den jaren Cristi dusent veerhunderd an deme ses vnde vefftighesten jare, jn sancti Laurentij auende. Hir syn mede ouer ghewesen de werdighen her Nicolaus van der Molen, decanus to Lubeke, vnde mester Wernerus Wolmers, prouest to Zwerin.

De mandato eiusdem reuerendi in Cristo patris domini Nicolai episcopi Zwerinensis Petrus Brand requisitus presens fui etc. .

Auf einem halben Bogen Papier, auf dessen Rückseite die Siegel der drei Contrahenten in rothem Wachs gedruckt sind.

1. Das (beschädigte) kleinere Siegel des Bischof Nicolaus.

2. Das Siegel des Domherrn Gottfried Lange: in einem Kreise ein rechtsgelehnter Schild mit einem halben rechtshin springenden Bären mit ausgereckter Zunge. Umschrift:

Umschrift

3. Das Siegel des Bürgermeisters Heinrich Lange: in einem Kreise auf leicht schraffirtem Grunde ein rechts gelehnter Schild mit dem gleichen Wappenbilde, wie das vorige Siegel es hat. Umschrift auf einem Bande:

Umschrift

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Nr. XXI.

D. Gottfried Lange, Domherr zu Lübeck, und Heinrich Lange, dessen Vater, bekennen sich dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin verschuldet mit 1000 fl.

D. d. 1456. Aug. 9.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Godfridus Lange, decretorum doctor, domhere to Lubek, vnde Hinrik Lange, heren Godfridi vorgheschreuen vader, bekennen in dessem vnsem besegelden breue openbare vor allesweme, dat wi dem erewerdigen in gode vadere vnde heren heren Nicolao, bisschopp to Zwerin, witliken schuldich vnde pleghe synt dusent vulwichtege rynsche gulden, de wy van eme rede vpghebored vnde entfangen hebben, dar wy ene jeghenwardigen van quit[er]en vnde los laten. Desse dusent rinsche gulden willen vnde schollen wy Godfridus vnde Hinrik Lange vorbenomet deme erewerdigen heren Nicolao bischopp eergheschreuen in gudem louen gudliken betalen vppe idlike sunderghe beramede tide in twen breuen enes ludes mit des erbenomeden heren Nicolai bischopes vnde vnser beyder ingesegele vorsegheld clarliken vthgedrucken, vnde ik Hinrik Lange bouenschreuen hebbe des to merer louen vnde vorwaringhe enen vorseghelden stadbreff, dede sprikt vpp ene halue pannen herschup beleghen in dem huse Didmeringe vp der sulten to Luneborg gheleght bi den werdigen heren Nicolaum van der Molen, decane to Lubeke, to vnser beyder alse des erwerdigen heren Nicolai bischopes vnde to myner truwen hand, so lange de betalinge scheen is edder ene andere gudlike wyse dar vpp vorramed werd, vnde wil id mit mynen sone heren Godfrido mit der betalinge sodanen erbenomeden gheldes holden in guden truwen in aller mathe vnde wise, alse dat twischen vns vorramed is vnde de vorseghelden beyden breue dar vpp gheschreuen vnde vorsegheld vterliker inne holden vnde vor luden. Desses to bekandnisse hebbe wy Godfridus vnde Hinrik Lange vakebenomed vnse ingesegel mit gudem willen witliken ghedrucked benedden dessen breff, na Cristi bord XIIII C dar na in dem ses

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vnde vefteghesten jare, in sunte Laurencii auende des hilgen mertelers.

Auf einem Quartblatt Papier. Darunter in rothem Wachs die beiden Siegel zu Nr. XX. Die Hand ist dieselbe, welche den Vertrag geschrieben.


Nr. XXII.

Katharine, die Wittwe, und Hans, der Sohn des Bernd Hoppenrade, bekennen, dass ein auf sie geschriebenes Haus zu Wismar dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin angehöre.

D. d. Wismar. 1456. Oct. 23.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Ik Katherina nalaten wedewe Bernt Hoppenrades vnde Hans Hoppenrad, myn sone, tor Wismar bekennen vor vns vnde [v]nse eruen vor alsweme, dat wii deme erwerdigen in gode vadere vnde heren heren Nicolao, biscoppe tho Zwerin, vnde synen eruen vnde dem[e] hebbere [d]isses breues myd synem willen to gude vnde tho truwer hanth ghek[offt he]bb[en] van heren Curd Borchardes, [pr]estere der predeker orden tor Wismar, syn hus beleghen bii sunte J[urg]ens wedemen der wege (!) myd alle syner tobehoringe vor twe hundert vnde veftich lubesche marck, de wii van sy[ner] gnaden rede entfangen vnde darme[de] deme vorbenomeden heren Conrado Borghardes dith h ue s gantz tor noghe [vn]de all betalt vnde bereth hebben, s[eg]ghen jegenwardich an desseme vnseme breue sekeren wiissen louen, dat wi[i] a[n] dissem vnses leuen heren huse vnde vnse erue myd alle nenen egendom efte ichtes wes ane hebben, vnde [will]le[n] vnde scholen dar vp ok nicht saken van dusses kopes weghen to nenen tiiden. Vnde alze id vns denne in der stad boke toscreuen is, de schrift hebben wij vnsem leuen heren to gude entfangen vnde schal eme vnd[e] d[eme] hebbere disses breues myd syneme willen nergen ane to vorvange vnde vns efte vnsen eruen to neme v[r]omen komen vnde wesen. Des to tughe, mer louen vnde wisheit so hebben wij Katherina vnde Hans Hoppenrath,

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myn sane, seligen Bernd Hoppenrad bauenscreuen ingesegel, als wij anders nene eghene hebben, myd vrigen willen vnde guden weten henghet an dessen bref. Geuen tor Wismar, an den jaren Cristi vnses heren dusent verhundert an deme sos vnde veftigesten jare, amme dage sunte Seuerini des hilgen biscoppes.

Auf einem durch Feuchtigkeiten und Wurmfrass stark mitgenommenen Pergament. Das runde Siegel hat ein Hauszeichen. Die Umschrift ist undeutlich:

Umschrift
"Wiissen louen" kann auch "wussen louen" heissen.

Nr. XXIII.

Das Capitel zu Bützow verkauft dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin 20 Mk. 16 Witt. Stralenmünze für 250 Mk., die nach seinem Tode zu Memorien für ihn und die Seinen verwendet werden sollen.

D. d. 1456. Dec. 21.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wii Johannes Werneri decanus, capittel vnde gemenen vicarij to Butzow bekennen vnde betugen apenbare an dessem breue vor alsweme, dat wij myt gudeme weten deme erwerdigen an god vadere vnseme gnedigen heren heren Nicolao, biscopp to Zwerin, reddelken vnde rechtliken vorkoft hebben vnde vorkopen witliken myd endracht an desseme vnseme breue twintich marck vnde sosteyn witte stralen munthe jarlikes ingeldes vnde renthe vor twehundert marck stralen pennynge vnde veftich lubesche marck guder munthe, de vns syn gnade reddelken wol to danke gantz vornoget heft vnde wij de vort to der suluen vnser memorien behof keret vnde belecht hebben. Desse twintich marck vnde sosteyn witte renthe schal vnse memorien distributor vnde collector, de tor tiid is, deme vorbenomeden vnsem gnedigen heren heren Nicolao, biscopp to Zwerin, de tiid sines leuendes alle jare to sunte Martens dage wol to danke uth geuen vnde

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betalen sunder lenger vortogeringe vnde ienigen hinder. Wan ouer vnse here vorbenomet van dodes wegen an god vorstoruen is, so scholen desse vorscreuen twintich marck vnde sosteyn witte iarlikes ingeldes ewich bliuen vnde schicket werden to siner egenen, to siner olderen vnde heren Jacobi Boddekers, sines vedderen, vnde heren Johan Sadelmans, synes ohmes, vnde meyster Curd Boddeker(s), sines broders, dechtnisse vnde memorien an desser wiise. Alze tome ersten. in deme dage commemoracionis animarum na Michaelis vnde negest aller hilgen dage schal vnse collector vnde memorien distributor, de tor tiid is, mank den personen der vorbenomeden vnser kerken, de in der vigilien vnde selemissen to deme tractu Dies illa etc. . iegenwardich sint, to isliker tiid distribueren vnde geuen twe marck stralen geldes. Vurdermer to dren tiiden amme jare, alze amme dage sines dodes, in deme aduentu vnses heren vnde in der vasten up enen beqwemelken dach, schole wij vnde vnse nakomelinge des vorscreuen vnses heren heren Nicolai, biscoppes to Zwerin, siner olderen, broders, vedderen vnde ohmes begenknisse holden myd vigilien vnde selemissen, alzeme in vnser kerken to Butzow enen biscopp plecht to begande: so schal de sulue vnse collector vnde memorien distributor mank vns delen to isliker tiid veer stralen marck na wanliker wise vnde denne so vort to dissen veer latesten beghenknissen to ener iesliken tiid schal vnse collector twelf stralen schillinge delen an cleynen pennyngen mank twyntich scholren, de denne to vigilien vnde selemissen imme choro iegenwardich synt, eneme isliken twe lubesche pennynge, vnde mank den anderen armen, de denne an vnser kerken iegenwardich sint, eneme isliken to geuende enen pennynk, vnde wes eme dar ane ouerlopet, schal he geuen den armen to sunte Jurigen. Vurdermer schal he van dessen twintich marken vnde sosteyn witten jarliker renthe geuen vns decano vnde capittel vorgescreuen, den dat behort, en vnde twintich schillinge vnde enen witten stralen, dar wii scholen laten denken van deme predeckstole bij nomen de vorscreuen vnses leuen heren heren Nicolai, biscoppes to Zwerin, siner olderen. Weret ok, dat desse twintich marck vnde sosteyn witte van wedderkopes efte ander anvals wegen sik beterden efte ergerden, des scholen wii myd vnser memorien vnde de armen to samende en islik na synem antale vnde dele

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nethen vnde entgelden. Des to tuge, louen vnde wisheit so hebben wij decanus vnde capittel to Butzow vorgescreuen vnse secret myd willen vnde gudeme weten endrachtliken henget vor an dessen bref. Geuen vnde screuen na Cristi geborth dusent verhundert an deme sos vnde veftigesten jare, amme dage Thome des hilgen apostels.

Auf einem Pergament in Quartformat. An einem pergamentenen Bande hängt daran das runde Secretsiegel von grünem Wachs. Auf einer Bank, die an beiden Seiten von einer blumenartigen Verzierung begränzt ist, sitzt eine Heilige, in der Rechten anscheinend eine Art Gefäss haltend, in der Linken ein Spruchband, auf welchem man liest: S . e LIZ A B e T .
Umschrift:
Umschrift


Nr. XXIV.

Der lüneburger Bürgermeister Heinrich Lange an den Bischof Nicolaus I von Schwerin.

D. d. 1457. Mai 28.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Plichteghen willeghen denst vnde wes ik gudes vormagh. Erewerdige in god vader, gnedighe leue here. Desse bibunden breue quemen myk van Rome ascensionis domini; den enen sended gik her Peter juwe cappellan, den anderen heft myk dominus decanus Lubicensis gheschreuen, so gi wol zeen moghen. Desses gelik heft myk ok her Godfridus myn sone gheschreuen. Gnedeghe here, dyt wel myk to grotem gelde lopen in korter tid vt to geuende, so gi in des dekens breue wol zeen moghen: weet ik so hastigen nenen rad sodane summen, de sik lopen wel bouen dusent rinsche gulden, went me betalen moet VI C ducaten, jowelke vor XXXVII s. So bidde ik juwe gnade denstliken, dat gi myk dar to willen IIII C edder V C rinsche gulden en halff jar lenen vp gude vorwarnige vnde ok gude b oe rghen, de ik gik wol zetten wille, dat gi schollen wol betaled werden. Dusent rinsche gulden heft juwe gnade rede vt ghedan,

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de dar rede to komen. Bouen de kosted id noch bouen dusent gulden. Desses werden juwen gnaden myn sone vnde her Peter juwe cappellan wol suluen berichtende, wan ze myt l ee ue bi gik komen. Ik hebbe wol ervaren, wu juwe capittel nicht van desser sake wegen content syn vnde denken dar wes in to holdende etc. . So hope ik, gi willen dar wol vor wesen, dat ze dat nicht en doen, wente gi vns jo to zeden, gi hedden gik des mit en wol vorwared, dat gi juwe episcopat laten mochten, weme gi wolden. He heft sik nu na juwem rade consecreret laten; wan dar nu wat invallen scholde, so ik to gode nicht en hope, dat wolde syn vnde myn vnde syner vrunde vorderff wesen, so were dat beter naghebleuen wesen. Item so juwe gnade myk schreuen heft, eft ik desse zake mochte beualen mynem gnedigen heren van Mekelenborg vmme syne gunst vnde vordernisse hir ane to hebbende etc. .: ik vormode myk, dat vnse rad lichte werd bi syne gnade to schickende vmme desse pinxten vthen, dar wil ik dat bi bestellen, so ik vorderst vnde best magh. Bidde ik, dat gi dessem ok so d oe n, vnde schriued myk jo, wes juwen gnaden weddervared, vnde sended myk des dekens breff wedder. De bode, den ik gik lesten sande, en is nicht to hus, hir vmme sende ik gik dessen, deme ik gheloued hebbe, dar magh myk juwe gnade wedder bi schriuen, de gade beualen sij salich vnde sund to langen tiden ouer myk to bedende. Scriptum sabbato ante dominicam Exaudi, anno LVII°.

Juwe plichteghe
Hinrik Lange.    

   Deme erwerdigen in gode vadere
vnde heren heren Nicolao bischopp
to Zwerin mynem gnedigen leuen
heren.

Recepi die Lune ante penthecostes ultima Maji
M° CCCCLVII.

Auf Papier. Das halb zerbrochene Siegel von grünem Wachs enthält in einem Pass eine Marke. Von der Umschrift sind nur noch kenntlich die Buchstaben: gen.


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Nr. XXV.

Der lüneburger Bürgermeister Heinrich Lange an Nicolaus , gewesenen Bischof zu Schwerin.

D. d. 1457. Julii 28.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Plichtegen, willegen denst vnde wes ik gudes vormagh. Erwerdige in god vader, gnedege leue here. Alse juwe gnade myk geschreuen heft, wu gi syn enes gheworden mit mynem sone etc. ., so dat gi de possessien entfangen laten schollen der vicarie in sunte Johannis kerken to Luneborg vormyddelst Petro juwem procuratori etc. ., dessem hebbe ik so gerne gedan, so dat gi de possessien hebben, alse ik den juwen gnaden nu lest na paschen schreff vnde vormanede, wu dat vmme desuluen vicarien in dem vorjare besprok[en] ward, do wi word van juwem episcopatu hadden so, wan vnse hilge [va]der de pawes juwe episcopat geue heren Godfrid[o, da]t gi den hebben scho[l]en syne prouene to Lubek vnde Johannes Lange myn sone syne vicarie to sunte Johanse. Nu is dit in dem houe to Rome vmme sundergher sake willen, der juwe gnade wol berichted is, anders ghemaked. So hope ik jo to de suluen juwen gnaden, dat gi de vorschreuen vicarie Johanse minem sone wedder laten willen, wente vp sodanen trost, dat he de hebben scholde, dar dede ik vele vp, so dat ik juwen gnaden louede vor sodane gheld, dat gi heren Godfrido leneden, dar gi enen myner beseghelden breue vp hebben vp 1/2 herschup etc. . Nu moet ik noch achter na betalen bouen VI C ducaten, de he in dem houe to Rome vpnamen, jewelken ducaten vor II m. vnde VII s. lubesch. Dit geld, dat ik nu vtgeuen moet, dat lopt sik bouen XV C lubesche mark. Ok so moten syne vrund noch I 1/2 C ducaten enen anderen wegh betalen. Desses allen vnderrichted her Peter Brand juwen gnaden wol, de alle dingh wol weet. Wan ik geweten hedde, dat myk dat to sodanem groten gelde wolde gekomen hebben, so hedde ik myk nene wisz dar in gegeuen, wente ik sodanen geldes ouele bekomen kan, vnde wel myk to schaden bringen. Ik hadde hoped, juwe gnaden scholden myk dar II edder III C gulden to ghelened hebben, alse ik gik vor pinxten in mynem breue do bad, dat gi myk do affschreuen. Scholde den

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dominus decanus Lubicensis vnde myn sone vnde her Peter Brand nicht werden excommunicati van desses geldes wegen, des wi denne hon vnde schande hedden, so moet ik denne van des enberen, des ik node enbere, vp dat sodane geld to willen vnde rechten tiden betaled werde. Scholde den myn sone Johannes ok der vorschreuen vicarie enberen, were myk [ghans] swarlik, went ik vele dinges dar vp gedan hebbe. Aldus so vor[troste i]k mik jo ghans to juwen gnaden, dat gi eme de vicarie wedder laten, [alse] gi mik doch ywerlde hebben gunstich vnde vorderlik gewesen syn. So bi[dde] ik, dat gi deme so vord d oe n. Id en kan juwen gnaden mit der vicarie nicht vele dreghen. Dar hored to 1/2 panne vnde II pl. soltes. Dar nympt de rad meer wen de helfte van vnde den officiaciengeld vnde ander onera. Alse den ok dat solt nicht vele en geld, kan dar nicht vele aff werden, men Johannes myn sone is en jung ghezelle, wan de de vicarien heft, de magh dat leuen, dat al ding beter werd. Bidde ik, dat gi dat mit minen heren vnde sone episcopo Zwerinensi ouer spreken vnde segghed eme des een gudlik antworde vnde bidde ok juwe gnade myk dat to schriuende, de gode beualen sij salich vnde sund to langen tiden. Scriptum ipso die sancti Panthalionis. anno LVII°.

Juwer gnaden willege
Hinrik Lange.        

Auf Papier. Achtseitiges Ringsiegel. Der Schild, fast wie diejenigen geformt, die Anfangs dieses Jahrhunderts in Mode waren, zeigt den halben Bären. Umschrift:

Umschrift

   Reuerendo in Cristo patri ac domino
domino Nicolao episcopo olim Zweri-
nensi domino suo gracioso.

Servetur littera propter illam?, quam habet N. van der Molen decanus super medio domineo salis ad vsum meum pro pignore mille florenorum Rinensium mutuatorum etc. .


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Nr. XXVI.

Der Bürgermeister Heinrich Lange zu Lüneburg an Peter Brand, Domherrn zu Bützow.

D. d. 1458. Julii 8.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Vrundliken denst vnde wes ik gudes vormagh. Werdige leue here. Als gi myk gheschreuen hebben, wu juwe gnedige here van Zwerin, myn leue sone, is in idlike krankheyd geuallen west dre efte v e r dage vnde [wo]wol gi ghans hopen, god almechtich eme dat myldeken tomme besten moghe wandelen, doch so sende gi myk dessen jegenwardigen, de myk aller leghenheyd wol moghe vorder vnderrichten etc. ., hebbe ik wol vornomen, vnde wuwol dat myk dit dr oe fflike tidinge syn, so danke ik gik doch vrundliken, dat gi myk desse bodeschup vnde schrifte gedan hebben, vnde wan vnse leue here god hir nu mede bedr oe uen wolde vnde myk ene nu neme, so quemen ik vnde andere myne kyndere, sine brodere vnde sustere ouele t oe . Ik hadde al mynen trost vp en van miner vnde miner kinder wegen vp en gezetted, alse ik een affghande man byn. He heft myk grot gekosted in studiis to Erfforde vnde to Bononie lange jar heer vnde ik mit der prouenen to Lubeke, de he hadde, vnde nu latest cum episcopatu Zwerinensi, so gi wol weten, dat ik gheloued hebben domino Nicolao Bodeker olim Zwerinensi vor dusent rynsche gulden, dar he myne besegelden breue vp heft. Ok so hebbe ik dem vorschreuenen mynen sone rede vt der hand ghelened bouen XV C vnde LXXX lubesche mark, de ik hir em geuen hebbe vnde to Rome ouer koft vnde hir Francisco dem Walen betaled. Hir heft he myk sine breue vp gegeuen, der ik gik copien sende, dat he de myk vnde minen eruen betalen wel. Leue here, eft vnse leue here god dat syn mit em doen wolde, so bidde ik, dat [gi] jo mit em spreken vnde dar to raden helpen, dat ik sodane summen nicht vorlustich werde, myne kindere konden der ouele enberen. Ik en kan nicht meer to weruen, alse id nu leyder to Luneborg steyd. Dusent rynsche gulden vnde XVI C myn XX mark is en grot summe, wan myk de affghan scholden. Wan id hir to queme, dat he storue, dar god v oe r sy, so proued jo

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myn beste mit rade vnde dade, so ik gik ghans totruwe, vnde dod mik jo mit den allerersten enkede bodeschup wedder, wu id em en hand gha, vnde wu alle dingh steyd, ik en kan mi anders nicht to frede geuen. Gi schriuen, desse jegenwardige scholle myk aller legenheid wol vorder vnderrechten etc. . Ik hebbe en vterken ghevraghed, men he zeght myk als nicht, men dat he krangh is,. he hebbe en in IIII dagen nicht gezeen. Hir vmme schriued myk mit den ersten wes wedder. Gode wesed salich vnde sund beualen. Schreuen am sonauende post visitacionis Marie, anno etc. . LVIII.

Hinrik Lange.

   Dem werdigen heren heren Petro
Brand domheren to Butzowe mynem
besunderen vrunde.


Nr. XXVII.

Bischof Arnold von Lübeck ertheilt dem Nicolaus Böddeker, gewesenem Bischofe von Schwerin, die Erlaubniss, über seinen Nachlass zu testiren und sein Testament nach Belieben zu erneuern und abzuändern.

D. d. Lübek. 1458. Dec. 28.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Arnoldus, dei et apostolice sedis gracia episcopus Lubicensis, reuerendo in Cristo patri et domino domino Nicolao, eadem gracia episcopo quondam Zwerinensi, salutem in domino sempiternam. Quia extremum vite tempus et humanam perplexitatem exitus per disposicionem certam vestre vltime voluntatis desideratis preuenire, vt de rebus vestris et bonis omnibus ecclesiasticis et mundanis a deo vobis collatis testamentum facere, condere et ordinare illudque innouare, variare et immutare possitis, quandocumque et quocienscumque vobis placuerit, quodque illud vim et vigorem veris et legalis testamenti obtineat aut saltem jure codicillorum valeat, presentium

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tenore vobis plenam concedimus auctoritatem atque facultatem. Datum in curia nostra episcopali Lubicensi, anno domini millesimo quadringentesimo quinquagesimo nono, die Jouis, vicesima octaua Decembris, nostro sub secreto presentibus in testimonium appenso.

Auf einem kleinen schmalen Pergament. An einem pergamentenen Bande hängt das schön gestochene Secret des Bischofs von rothem Wachs. Es zeigt S. Johannes d. T. und zu seinen Füssen das gelehnte Wappen des Bischofs, rechts einen rechtshin gewandten Löwen, links einen halben Adler.
Umschrift:

Umschrift

Das Datum dieser Urkunde ist ein vortreffliches Beispiel für die Sitte des Mittelalters, das Jahr mit dem 25. December zu beginnen, denn einmal starb Bischof Nicolaus Böddeker 1459, September 3, und dann fiel 1458, nicht 1459, der 28. December auf einen Donnerstag.


Nr. XXVIII.

Bischof Werner und das Domcapitel in Schwerin gestatten dem ehemaligen Bischofe Nicolaus I. den Niessbrauch der von ihm eingelösten Kirchengüter auf Lebenszeit, überlassen ihm die Disposition über dieselben zu frommen Zwecken und versprechen ihm, sein Testament nicht anfechten zu wollen.

D. d. Schwerin. 1459. Aug. 21.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wernerus, dei et apostolice sedis gracia episcopus, Hermannus Robbyn, decanus, Hinricus Rauen, Johannes Erdewani, Henninghus Karutze, Johannes Werneri, Andreas Wulff, Thidericus Mechow et Nicolaus Pentze, canonici, ecclesie Zwerinensis cappitulum facientes, presencium tenore publice recognoscimus, quod reuerendus in Cristo pater et dominus dominus Nicolaus, olim Zwerinensis et nunc in vniuersali ecclesia episcopus, dudum antequam ecclesie nostre cederet, villam Bisschopsdorp prope opidum

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Sund aliosque diuersos redditus in bonis ecclesie circa stangnum Zwerinense et in aduocacia Butzowensi ad notabilem summam ascendentes per tunc suos et nostros antecessores impignoratas redemerat ac alias sumptuosas expensas et impensas in diuersis structuris et edificiis pro manutencione castrorum ecclesie fecerat, ac cum post cessionem suam huiusmodi adhuc bono zelo nobis et ecclesie nostre affectus villam Penneuitte de mensa episcopali simili impignoracione obligatam redimere atque singula huiusmodi predicta, saluis paucis redditibus ecclesie nostre pro sua memoria, consolacione et fabrica assignandis, mense episcopali certa disposicione testamentaria post mortem suam, prout hec per certum suum et nostrum fidum internuncium recepimus, relinquere proponat, confidenciam de hiis habentes singularem oblata huiusmodi gratis animis complectimur et inde debite gratitudinis vices exsoluere volentes, si forte ad vlteriorem beneficenciam ecclesie nostre eo consurgat beniuolencior, quo nos repererit ad vota sua prompciores, eidem reuerendo patri pure et libere consentimus pro nobis et successoribus nostris ac presentium tenore concedimus, quod dictis villis et redditibus iam redemptis et infuturum in bonis ecclesie nostre redimendis, quoad vixerit, libere vti et frui redditusque et fructus ex eisdem per suos uel eciam nostros officiales prorsus et in toto leuare et percipere possit et valeat, idque nos cooperabimur pro viribus nostris, ut tenemur, quodque saluis suprascriptis, que episcopali mense et ecclesie disposicione testamentaria, ut premittitur, statuit et prouidit leganda, de eisdem sic, ut premittitur, disponendis ac aliis quibuscumque redditibus et bonis suis vbicumque existentibus, adquisitis et adquirendis, pro anima sua, amicis, familiaribus, personis et piis locis aliis quibuscumque et quomodocumque disponendi liberam tenore presencium concedimus testamenti factionem pollicentes, quod testamentum suum et vltimam voluntatem factam aut fiendam, eciam si sollempnitate legali careat, gratum et ratum habere volumus, nec illud aut eius testamentarios siue executores vltime sue voluntatis in execucione vltime voluntatis sue occasione illa, quod nostre ecclesie episcopus fuerat, aut alia quacumque occasione impedire, molestare aut quoquomodo impugnare volumus aut debemus, sed saluis premissis eundem reuerendum patrem eiusque heredes et testamentarios de

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omnibus et singulis, ratione quorum contra testamentum et vltimam voluntatem suam venire aut causare forte quoquomodo per nos uel successores nostros directe uel indirecte possemus, absoluimus et quitamus ac quitum et absolutum denunciamus. In quorum omnium et singulorum fidem et testimonium premissorum sigillum cappituli nostri de certa sciencia omnium nostrum presentibus est appensum. Datum et actum Zwerin in loco cappitulari, anno domini millesimo quadringentesimo quinquagesimo nono, die Martis vicesima prima mensis Augusti.

Auf einem schmalen Pergament. An Pergamentbändern hangen zwei Siegel:
1) das runde Siegel des Bischofs von rothem Wachs. Unter einem Baldachin steht S. Johannes d. E.; Heiligenschein und Schlange im Kelch sind deutlich ausgedrückt. Der untere Theil der Figur wird durch den gelehnten Schild verdeckt, welcher ein Querband mit drei Kleeblättern zeigt, welches über den Bischofsstab gezogen ist. Nach dem Längen - und Querdurchmesser des Schildes angesehen erscheinen Band und Bischofsstab allerdings in Form eines Andreaskreuzes gelegt, aber es herrschte damals die Sitte, die Schildesfigur so zu stellen, als ob der Schild nicht gelehnt sei, so dass also darnach z. B. der Rantzowsche Schild als ein schräg links gespaltener erschien. Ueberdies giebt das gemalte Wappen in der Kirche zu Bützow die richtige Blasonirung (Jahrbücher VIII, S. 25, Nr. 3). Umschrift:

Umschrift

2) Das andere Siegel ist das Secret des Capitels, von grünem Wachs (Jahrbücher VIII, Taf. 2, Fig. 3).


Nr. XXIX.

Der bischöflich - ratzeburgische Official Gerd Swengel vidimirt den Vertrag zwischen dem Bischofe Nicolaus I. von Schwerin und D. Gottfried Lange und dessen Vater (Nr. XX.), so wie die Verschreibung derselben auf 1000 fl. (Nr. XXI.).

D. d. Wismar. 1462. Nov. 9.
Im Rathsarchive zu Wismar.

In nomine domini amen. Nouerint vniuersi et singuli presentes pariterque futuri hoc presens publicum in-

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strumentum inspecturi, quod nos Gherardus Zwenghel, officialis curie Raceburgensis generalis, ad honorabilium et circumspectorum virorum dominorum magistri Gherardi Werckman, medicine licentiati ecclesieque parrochialis sancti Georrii Wismariensis rectoris, magistri Conradi Boddeker, vtriusque juris baccalarei, Hartwici Bone, in ecclesia beate virginis dicti opidi Wismariensis perpetui vicarii, magistri Marquardi Langhediderick, vtriusque juris baccalarei et consulis eiusdem opidi Wismariensis, necnon domini Johannis Mund, in ecclesia sancti Nicolai prefati opidi Wismariensis, Razeburgensis diocesis, perpetui vicarii, testamentariorum et vltime voluntatis domini Nicolai Boddeker, quondam episcopi Zwerinensis, exequutorum instanciam et requisicionem omnes et singulos sua communiter uel diuisim interesse putantes eorumque procuratores, si qui erunt in prefato opido Wismariensi pro eisdem, quosque infrascriptum tangeret negocium seu quomodolibet tangere posset in futurum, ad videndum et audiendum nonnullas litteras in papiro conscriptas, sigillis domini Godfridi Langhen, quondam episcopi ecclesie Zwerinensis predicte, et Hinrici Langhen, proconsulis opidi Luneburg, patris carnalis dicti domini Godfridi quondam episcopi, super mille florenis Renensibus sibi per dominum Nicolaum Boddeker, dicti domini Ghodfridi predecessorem, creditis et mutuatis sigillatas, transumi, exemplari, publicari et in publicam formam redigi mandari auctoritatemque nostram ordinariam et decretum interponi, alioquin causas, si quas haberent, racionabiles, quare premissa minime fieri deberent, allegandum, per nostras litteras citatorias in valuis ecclesie beate Marie virginis dicti opidi Wismariensis, ut est moris, citari mandauimus et fecimus ad certum peremptorium competentem terminum videlicet ad diem et horam infrascriptas. Quibus aduenientes comparuerunt in judicio coram nobis prelibati domini et magistri Gherardus et Conradus necnon Hartwicus testamentarii prefati pro se et nomine aliorum duorum superius expressorum protunc legitime absencium et dictas litteras citatorios in valuis ecclesie beate Marie virginis antedicte debite, ut apparuit, exequutas coniuncta manu facto, realiter et in scriptis exhibuerunt et reproduxerunt citatorumque in eisdem contentorum non comparencium contumaciam accusarunt ipsosque contumaces reputari pecierunt et in eorum contumaciam (?) nonnullas litteras, duas in numero, quarum vna exstitit arti-

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culatim conscripta, sigillis dicti domini Nicolai Boddeker et prefati domini Godfridi Langhen, quondam episcoporum ecclesie Zwerinensis, necnon Hinrici Langhen, proconsulis opidi Luneburg, Verdensis diocesis, patris carnalis prenominati domini Godfridi Langhen. quondam episcopi dicte ecclesie Zwerinensis, a tergo impressis sigillatas de cera rubea, in cuius quidem domini Nicolai, tunc episcopi moderni dicte ecclesie Zwerinensis, sigillo prima facie apparuit imago sancte Barbare virginis et sub pedibus imaginis istius apparuit cignus cum collo inflexo in clipeo sculptus et littere circumferenciales fuerunt hec: Sigillum Nicolai Boddeker episcopi ecclesie Zwerinensis, in aliis vero sigillis apparuit clipeus, in cuius medio sculptus fuit medius vrsus cum capite et medio ventre sine posterioribus et vnius illorum littere circumferenciales fuerunt hec: Sigillum Godfridi Langhen, alterius vero fuerunt hec: Sigillum Hinrici Langhen, exhibuerunt et produxerunt. Similiter produxerunt vnam aliam litteram recognicionis in theutonico conscriptam, sigillis dumtaxat dictorum domini Godfridi Langhen, quondam episcopi Zwerinensis, et Hinrici Langhen, proconsulis opidi Luneborg, patris carnalis dicti domini Godfridi, inferius impressis de cera rubea sigillatas infrascripti tenoris. Quas quidem litteras per infrascriptos testes vna cum suis impressis sigillis, ut moris est et juris, recognosci fecerunt ipsisque vna cum suis sigillis, ut premittitur, recognitis easdem litteras transumi, exemplari, publicari et in hanc publicam formam redigi mandari decretumque et auctoritatem nostram ordinariam et judiciariam per nos interponi debita cum instancia postularunt. Nos tunc Gherardus officialis antedictus dictos citatos non apparentes neque huiusmodi diei termino satisfacere curantes reputauimus non immerito id exigente iusticia prout erant, quo ad actum et terminum huiusmodi contumaces et in eorundem contumaciam infrascriptos testes super recognicione sigillorum dictis litteris impressorum in forma juris recepimus et admisimus, quibus huiusmodi litteris cum suis impressis sigillis ostensis et per eos et eorum quemlibet visis et inspectis necnon ipsis per nos super recognicione sigillorum huiusmodi diligenter examinatis et interrogatis dixerunt successiue et quilibet eorum dixit, se bene recognoscere sigilla ipsis litteris impressa et esse illorum, quorum esse dicuntur, videlicet domini Nicolai Boddeker, domini Godfridi Langhen, quondam episcoporum ecclesie Zwerinensis, et Hinrici Langhen,

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proconsulis opidi Luneborg, patris carnalis dicti domini Godfridi Langhen. Quibus vero sic peractis premencionatas litteras ad manus nostras recepimus, vidimus, inspeximus et diligenter examinauimus ipsasque sanas, integras et illesas reperimus et easdem ad prenominatorum dominorum et magistrorum testamentariorum et vltime voluntatis exequutorium instanciam ulteriorem per discretum Ottonem Lotzen, clericum Camminensis diocesis, publicum sacra imperiali auctoritate notarium scribamque nostrum infrascriptum, transumi, exemplari, publicari et in hanc publicam instrumenti formam redigi mandauimus et fecimus, volentes et auctoritate nostra ordinaria decernentes, quod huiusmodi transumpto publico in Romana curia uel extra, in judicio uel extra ac vbicunque locorum decetero stetur, detur et adhibeatur tanta fides, quanta ipsis litteris originalibus inferius de verbo ad verbum annotatis et insertis et cum presente publico instrumento auscullatis et collacionatis data fuit et adhibita ac daretur et adhiberetur, si in medium producerentur. Quibus omnibus et singulis tamquam rite et legitime factis et celebratis in eodem judicio coram nobis auctoritatem nostram ordinariam et judiciariam interposuimus et interponimus per presentes pariter et decretum.

Tenor vero dictarum litterarum, de quibus supra fit mencio, de verbo ad verbum sequitur et est talis: In desser etc. .

Tenor vero alterius littere videlicet recognicionis supramencionate de verbo ad verbum sequitur et est talis: Wij Godfridus etc. .

In quorum omnium et singulorum fidem et testimonium premissorum presentes nostras litteras siue presens publicum transumpti instrumentum huiusmodi litteras contractus et recognicionis in se continentes siue continens exinde fieri et per notarium publicum scribamque nostrum infrascriptum subscribi et publicari mandauimus sigillique officialatus curie Raceburgensis generalis jussimus et fecimus appensione communiri. Datum et actum Wysmarie in domo nostre habitacionis, vbi tunc certis ex causis animum nostrum ad id mouentibus pro tribunali sedimus, sub anno a natiuitate domini millesimo quadringentesimo sexagesimo secundo, indictione decima, die Martis nona mensis Nouembris, hora vesperarum uel quasi, pontificatus sanctissimi in Cristo patris et domini nostri domini Pii

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divina providencia pape secundi anno quinto, presentibus ibidem honorabilibus et discretis viris domino Andrea Rughezee, perpetuo in ecclesia beate virginis Wismariensi, dicte Razeburgensis diocesis, vicario, et Nicolao Struuynk, ecclesie Gustrowensis Caminensis diocesis canonicis, testibus ad premissa vocatis specialiter et rogatis.

Et ego Otto Lotze etc. .


Nr. XXX.

Schreiben des Herzogs Heinrich von Meklenburg an die Testamentarien des verstorbenen schweriner Bischofs Nicolaus I. Böddeker.

D. d. Neustadt. 1464. Sept. 16.
Im Rathsarchive zu Wismar.

Wy Hinrick van gades gnaden hertoge to Mekelnborch vnde greue to Zwerin etc. . embeden den werdigen vnsen leuen getruwen heren vnde meisteren Gherde Werkmanne vnd Corde Bodekere tor Wiszmer vnd allen anderen testamentariis seligen heren Nicolai oldinges bisschoppes to Zwerin etc. . vnsen gunstigen grut to voren vnd schickken to juw den werdigen vnsen secretarium vnd leuen getruwen heren Hinricken Bentzine mit etliken vnsen werfen, alse van der losinge wegene der helffte vnser orbare to Rostock vnd to vorsettende vnser orbare to Boitsenborch etc. ., vnd bidden vnd begeren andechtigen, wes he van der wegene to juw werfende wert, gij eme des gentzliken gelouen up dijt mall, gelyck offte wij suluen mit juw darumme spreken, vnd vns nicht enwegeren, dat willen wy vmme juw alle in gude gerne wedder vorschulden. Geuen tor Nigenstad, amme sondage vor Mathei, anno etc. . LXIV, vnder vnseme hiir upgedruckeden jngesegel.

Auf Papier. Mit dem Siegel des Herzogs.

Vignette
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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde.


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I. Zur Alterthumskunde

im engern Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hühnengräber.


Steinkisten von Boddin.

Auf dem Felde des Gutes Boddin bei Gnoien sind bei der Directorial=Vermessung auf der Charte mehrere Stellen als "Steinhügel" bezeichnet, jedoch alle bis auf eine Steinkiste zerstört.

Beim Steingraben an einer von diesen als "Steinhügel" bezeichneten Stellen, an welcher jedoch die Steinkiste schon zerstört war, fand sich etwa 2 Fuß unter der Erdoberfläche ein unverbranntes menschliches Skelet, welches aber von den Arbeitern so sehr zerstört ward, daß die Reste zu wissenschaftlichen Untersuchungen unbrauchbar sind. Vom Schädel sind nur geringe Bruchstücke übrig geblieben; vom Stirnbein ist nichts vorhanden. Alterthümer wurden bei dem Skelet nicht gefunden. Der Herr Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin hat die Güte gehabt, diesen Bericht und die Skeletfragmente an den Verein einzusenden.

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Hünengrab von Friedrichsruhe.

Ueber die Hünengräber im Amte Crivitz ist schon in den Jahrbüchern II, S. 107, und V, S. 101 berichtet. Bei Gelegenheit des gegenwärtigen Chausseebaues wurden die Gräber im Frühling 1858 noch einer Revision unterworfen und dabei neue Entdeckungen gemacht, welche die frühern an Wichtigkeit noch übertreffen.

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Bekannt ist die gewaltige Steinkiste von Ruthenbek (vgl. Jahrbücher a. a. O.), des "Teufels Backofen" genannt, welche jetzt auf Büdneracker steht und vor ungefähr 20 Jahren von der Beackerung ausgenommen, abgegrenzt und als unmittelbares Domanialeigenthum conservirt ist. Zwei andere Steinkisten in der Nähe sind aber in frühern Zeiten so sehr zerstört, daß ihre Bedeutung nicht mehr zu erkennen ist.

Fast noch wichtiger ist eine große Gruppe von Gräbern zu Friedrichsruhe, welche der frühern Nachforschung der Beamten entgangen waren. Auf der Feldmark des Domanialhofes Friedrichsruhe, seitwärts hinter der Mühle, auf der Höhe der Ackerebene, von welcher man eine angenehme Aussicht auf die mit Wiese und Wald geschmückte Senkung hat, in welcher die Mühle steht, liegen mehrere Hünengräber der Steinperiode, welche zu den merkwürdigsten gehören, welche noch vorhanden sind.

Auf der Fläche in der Mitte liegt, in der Richtung von Osten nach Westen, ein großes Hünengrab oder Riesenbette, welches eines der größten von allen ist, die bekannt geworden sind. Das Grab ist ungefähr 180 Fuß hamb. Maaß lang, 28 Fuß breit und 4 Fuß hoch, flach gewölbt und zeigt in der Außenfläche nur Rasen. Es ist mit ungefähr 80 großen Granitpfeilern umstellt gewesen, von denen noch ungefähr 70 stehen oder liegen. Die gewöhnlichen vier Decksteine der Grabkammer fehlen schon; oben auf dem Grabe liegen noch ohne erkennbare Ordnung 2 Steine, welche wahrscheinlich nur Bruchstücke von den in frühern Zeiten gesprengten Decksteinen sind. Sonst ist das Grab selbst noch nicht berührt und macht noch jetzt einen großen Eindruck. In der Längenausdehnung und der Zahl der Seitenpfeiler übertrifft dieses Grab also noch das Grab von Naschendorf, welches nur 150 Fuß lang ist und nur 50 Seitenpfeiler hat; jedoch sind hier die Seitenpfeiler größer und die vier Decksteine wohl erhalten. (Vgl. Lisch Friderico - Francisceum, Erläut., S. 164, und Abbildung Taf. XXXVI).

Unmittelbar östlich neben diesem Grabe am Abhange, in gleicher Richtung, liegt ein zweites Grab von ähnlicher Größe und gleichem Bau. Dieses ist aber fast ganz zerstört und vielfach angegraben, so daß die Form schon vernichtet ist; die meisten Pfeiler sind zu Bauten schon weggenommen oder liegen in Unordnung umher.

Nahe südlich an diesen Gräbern liegt ein drittes Grab von bedeutender Größe, welches schon sehr tief ganz aufgegraben und völlig zerstört ist. Es bildet jetzt eine große Grube,

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um welche viele große Steine in wilder Unordnung umherliegen, und das Ganze bildet ein Chaos, welches mit Dornen und anderm Gebüsche dicht bewachsen ist.

Westlich von den beiden großen Gräbern liegen an zwei Stellen auf dem Felde noch große Steine, welche offenbar zu Gräbern gehört haben.

Wahrscheinlich sind die zuletzt genannten Gräber in den Jahren 1804 und 1805 von dem Hauptmann Zinck im Auftrage des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz aufgedeckt (vgl Lisch Frid. Franc. Erläut. S. 5). Freilich sind diese Nachgrabungen ohne Erfolg gewesen, da sie augenscheinlich nicht umfassend genug gewesen sind; die wenigen Alterthümer aus der Steinperiode, welche aus Friedrichsruhe stammen, zeugen dafür. Dagegen muß Zinck viele Kegelgräber zu Friedrichsruhe abgetragen haben, da sich sehr viele Alterthümer aus dieser Periode, namentlich goldene Fingerringe, in der großherzoglichen Sammlung aus Friedrichsruhe herschreiben (vgl. Lisch Frid. Franc. Erl. S. 50 flgd.). Diese Alterthümer stammen sicher nicht aus den erwähnten Steingräbern.

Wenn auch die Noth gebieterisch fordern wird, daß die unordentlich liegenden und theilweise gesprengten Steine der zerstörten Gräber zu den Brückenbauten der Chaussee in dieser Gegend verwandt werden, da es hier sonst an großen passenden Steinen fehlt, wie die Beamten zu Crivitz schon vor 20 Jahren vorhergesehen haben (vgl. Jahrbücher II, S. 108), so ist doch dafür Sorge getragen, daß die oben erwähnten, erhaltenen Riesenbetten von Friedrichsruhe so wie die Steinkiste von Ruthenbek conservirt werden.

G. C. F. Lisch.

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Steinerne Alterthümer von Boddin.

Se. Excellenz der Herr Minister a. D. von Lützow auf Boddin bei Gnoien hat die Freundlichkeit gehabt, dem Vereine von einem zu Boddin gemachten Funde steinerner Alterthümer Bericht zu geben und dem Vereine die gefundenen Alterthümer zu überreichen. Beim Aufgraben eines großen Granitblockes, vielleicht eines Decksteins von einem ehemaligen Hünengrabe, wurden neben dem Granitblocke unter einem schmalen Decksteine gefunden:

1) die obere Hälfte einer im Schaftloche quer durchbrochenen, in der Oberfläche noch nicht polirten, sechsseitigen Streitaxt aus Grünstein=Porphyr oder Diorit=Porphyr,

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einem Gesteine, welches äußerst selten zu Streitäxten verwandt ist, obgleich das Gestein in Meklenburg nicht selten ist;

2) ein flacher, zu einem fast ganz regelmäßigen Oblongum an den Seitenflächen zugehauener, wahrscheinlich zu einer Lanzenspitze bestimmt gewesener Feuerstein, von 6" Länge, gut 2" Breite und ungefähr 1" Dicke, mit noch unbehauenen Oberflächen, auf deren einer eine Muschelversteinerung ("Janira quadricostata") sitzt;

3) ein roher Feuerstein, 3 1/2" lang, welcher außerordentlich der Gestalt einer Ente gleicht;

4) ein an einer Ecke angeschlagener flacher, roher Feuerstein, 4 1/2" lang, welcher der Gestalt eines Vogels ähnelt.

Die Reste des Inhalts eines Hünengrabes scheinen diese theils unfertigen, theils zerbrochenen Steine nicht zu sein, wenn man auch annehmen möchte, daß die vogelähnlichen Steine zum Spielzeug gedient haben könnten. Wahrscheinlicher ist es, daß diese Steine Ueberreste von einer Steingeräth=Fabrik sind, welche sich an dieser Stelle befand, um so mehr da das Feld von Boddin reich an Versteinerungen ist und sich auch an andern Stellen der Feldmark abgeschlagene Feuersteinsplitter finden.

Eine Streitaxt von Kieselschiefer,

von reiner, schwärzlicher Farbe, ausgezeichnet schöner und regelmäßiger Form und unübertrefflicher Arbeit, eines der vollendetsten Steingeräthe, die in Meklenburg gefunden sind, schenkte der Herr Hofmaler Schloepcke in Schwerin, der sie in einem Handel von alten Sachen kaufte, wohin sie durch Verkauf gelangt war; der Fundort in Meklenburg ist nicht zu ermitteln.

Eine Streitaxt

aus Grünstein=Porphyr, von der gewöhnlichen Form und mehr als gewöhnlicher Größe, welche überall polirt, deren Schaftloch aber noch nicht ganz vollendet, jedoch der Vollendung nahe ist, schenkte der Herr Amtshauptmann Spangenberg zu Neustadt.

Streitaxt von Groß=Klein.

Beim Bau der Chaussee von Rostock nach Warnemünde ward im J. 1858 auf der Feldmark Groß=Klein bei Warnemünde eine große Streitaxt aus Hornblende von der gewöhnlichen Form gefunden und von dem Herrn Wegebaumeister Düffcke durch den Herrn Oberbaurath Bartning zu Schwerin dem Vereine geschenkt.

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Zwei hornblendenartige Steine,

in der Form von Streitäxten, unbearbeitet, gefunden zu Boddin bei Gnoien, wurden von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin dem Vereine geschenkt. Rohe Steine dieser Art wählten die Akten zur Verfertigung von Streitäxten.

Keil aus Hornblende von Boddin.

Beim Ausmodden eines Teiches am Dorfe des Hofes Boddin bei Gnoien ward im J. 1859 ein seltener Keil gefunden und von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin dem Vereine geschenkt. Der Keil ist von Hornblende, mit spitziger Bahn, und für Keile aus diesem Gestein ungewöhnlich groß, 8 1/2" lang, 3" breit und 2" dick.

Keil aus Feuerstein von Pommern.

Der Herr Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin schenkte dem Vereine einen in Pommern gefundenen Keil aus Feuerstein von ungewöhnlicher Größe; dieser Keil, welcher überall erst roh zugehauen und nirgends angeschliffen ist, ist 10" lang, 3 1/2" breit und gegen 2" dick. An jeder breiten Seite hat der Keil eine ziemlich tief eingehende natürliche kleine Höhlung, welche jedoch die Vollendung nicht hinderte, wie der unten beschriebene geschliffene Keil von Gnoien beweiset.

Keil von Wulfshagen.

Zu Zepelin's=Wulfshagen bei Ribnitz ward ein schöner, dicker Keil aus Feuerstein mit bräunlicher Oberfläche, überall nur behauen und zum Schleifen zugerichtet, gefunden und von dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow erworben und dem Vereine geschenkt.

Keile.

Ein Keil aus Feuerstein, 6 1/2" lang, an beiden breiten Seiten geschliffen, jedoch vielfach ausgesplittert, an der Schneide sehr scharf, gefunden in der Umgegend von Gnoien von einem Steinsprenger, ward von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin dem Vereine geschenkt. Dieser Keil hat an jeder breiten Seite eine natürliche, kleine Höhlung (vgl. oben den Keil von Pommern).

Ein Keil aus grauem Feuerstein an den beiden breiten Seiten ganz, an den schmalen Seiten gar nicht geschliffen, ge=

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funden in einem Hünengrabe zu Ruthenbek bei Crivitz, ward geschenkt von dem Herrn Stadtsecretair Bade zu Crivitz.

Ein Keil aus grauem Feuerstein, an der Schneide geschliffen, gefunden zu Kartlow bei Wismar, ward geschenkt von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar.

Ein Keil aus hellgrauem Feuerstein, hohl geschliffen, gefunden zu Granzin bei Parchim, ward gekauft von dem Händler Bergmann zu Parchim.

Ein Keil aus bräunlichem Feuerstein, klein, gefunden in der Gegend von Parchim, ward gekauft von dem Händler Bergmann zu Parchim.

Dolch von Goldberg.

Bei den Kegelgräbern auf der Stadtweide von Goldberg (vgl. unten S. 272) ward ein Dolch von bräunlichem Feuerstein gefunden und durch den Herrn Wiechmann auf Kadow von dem Finder gekauft und dem Vereine geschenkt.

Eine halbe Lanzenspitze aus Feuerstein,

die abgebrochene Spitze, 3 3/4" lang, gefunden zu Boddin bei Gnoien bei einem Drains=Graben 1857, ward von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin dem Vereine geschenkt. - Das andere Ende, welches genau in die Bruchstelle paßte, ist verloren gegangen.

Eine Lanzenspitze

oder Harpunspitze aus Feuerstein, 5" lang, gefunden in der Gegend von Bützow, schenkte der Herr Friedr. Seidel zu Bützow.

Ein halbmondförmiges Messer

aus Feuerstein fand bei Bützow und schenkte dem Vereine der Herr Friedr. Seidel zu Bützow.

Eine Pfeilspitze,

aus einem Feuersteinspan gearbeitet, gefunden in Schonen in Schweden, schenkte der Herr Dr. Bruzelius, Lector der Archäologie an der Universität zu Lund, im August 1858 zu Schwerin.

Cylinder aus Hornblende von Boddin.

Im J. 1859 ward auf dem Felde von Boddin bei Gnoien, auf dem Auswurf des Grenzgrabens zwischen Boddin

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und Dölitz ein abgeschlagenes Ende eines Cylinders aus Hornblende gefunden. Der Cylinder ist regelmäßig und völlig rund und bearbeitet, jedoch nicht geschliffen, 3" im Durchmesser und an einem Ende etwas zugespitzt abgerundet. Das Bruchstück ist 3 1/4" lang, von einem längern Stücke abgeschlagen und zeigt an dem Bruchende noch die aus neuern Zeiten stammende junge Bruchfläche in völlig kreisrunder Form. Der Stein ist offenbar sorgfältig so, wie er ist, bearbeitet und hat eine bis jetzt nicht bekannte Bestimmung gehabt. Er kann ein Reibstein gewesen sein; er gleicht aber ganz den symbolischen oder mystischen Steinen, welche im Norden aufgerichtet gewesen sein sollen (vgl. Holmboe Traces du Buddhisme en Norvége, 1857, Tab. 2. Fig. 9.); jedenfalls ist er der Beachtung für die Zukunft werth. Der Verein erhielt diesen Stein von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin geschenkt.

Eine Bernsteinperle,

platt, wie ein kleiner Spindelstein geformt, gefunden zu Benz bei Wismar, schenkte der Herr Dr. Crull zu Wismar.

Rollsteine und Schleifstein von Friedrichshöhe.

Fortsetzung zu Jahrbüchern XXIII, S. 276 flgd.

Zu Friedrichshöhe bei Rostock, wo in einem Moderloche 10 Fuß tief 11 Reib= oder Rollsteine aus altem Sandstein gefunden wurden, fand Herr Ritter auf Friedrichshöhe in der Modde nicht allein noch mehrere Rollsteine, sondern auch einen Schleifstein aus weißem alten Sandstein, 8" lang, vierseitig, an jeder Seite 2" breit, an den beiden Enden etwas schmaler, an den Seiten überall geebnet und angeschliffen, an den Enden jedoch noch roh.

G. C. F. Lisch.

Nordöstlich von dem Wasserloche, bei dessen Ausmodden die Reibsteine und der andere Stein gefunden wurden, fanden sich in der sandigen Erde 3 Brandstellen. Die erste, 6 Ruthen vom Wasser entfernt, war mit kleinen Dammsteinen einfach dicht belegt über der Urerde und bildete eine elliptische Fläche von 7 und 4 Fuß Durchmesser, deren Längsrichtung von Nordost nach Südwest ging. Zwischen den Steinen und der 8 Zoll dicken Branderde lag eine kleine Glasscherbe, von grünlichem Glase, auf der Oberfläche stark opalisirt. Oestlich

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von dieser Stelle, etwa 4 Ruthen entfernt, fand sich eine andere Brandstelle von kreisrunder Oberfläche und 4 Fuß Durchmesser, 3 Fuß tief in den Untergrund kesselförmig hineingegraben und mit größeren und kleineren Steinen dicht ausgelegt. Eine gleiche Stelle fand sich noch nordwestlich von der ersteren Brandstelle. Alle Steine dieser 3 Brandstellen lagen dicht von schwarzer Branderde eingepackt und umgeben und waren so mürbe, daß sie leicht zerfielen. Sonst fand sich aber nichts, obgleich ich Alles genau durchsuchte.

Friedrichshöhe.

J. Ritter.

Diese Brandstellen sind wahrscheinlich Feuerheerde alter heidnischer Wohnungen.

G. C. F. Lisch.

Ein geschliffener Sandstein,

feinkörnig, ähnlich einer abgebrochenen Lanzenspitze, 4" lang, 2" breit, 3/4" dick, an einem Ende zugespitzt, mit scharfen Kanten, auf einer breiten Seite regelmäßig abgeschliffen, gefunden in der Umgegend von Gnoien, ward geschenkt von dem Herrn Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin.


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b. Zeit der Kegelgräber.


Kegelgrab von Brunsdorf.

Auf der Feldmark des Gutes Brunsdorf bei Marlow ward im Monate März 1858 ein Fund gemacht, welcher für die vaterländische Alterthumswissenschaft von Erheblichkeit ist. In einem Tannengehölze, in welchem mehrere noch nicht aufgegrabene Kegelgräber stehen, sollte zur Wiesenverbesserung ein "Hügel" abgetragen werden. Nachdem die Erde 4 Fuß tief von oben abgegraben war, stießen die Arbeiter im Innern des Hügels auf einen Steinhaufen, in welchen ein "Eingang" geführt haben soll, und nach dessen Aufbrechen auf eine Urne und menschliche Gebeine. Als der Herr Dr. med. Hüen zu Marlow davon hörte, begab er sich am folgenden Tage nach Brunsdorf, um den Hügel an Ort und Stelle zu untersuchen. Der "Hügel" war ein großes Kegelgrab von 150 Schritt im Umkreise, 50 Schritt Durchmesser und 12 Fuß Höhe. Der Hügel war augenscheinlich künstlich aufgetragen, da die Erde überall gemischt und mit Bruchstücken von Kohlen vermengt war. Der Hügel war in der Richtung von Norden nach Süden in einer Breite von 16 Schritt durchgraben, jedoch in dem Durchschnitte nicht überall gleichmäßig bis auf die Basis abgetragen. In einer Tiefe von 4 Fuß unter der Oberfläche des Hügels waren die Arbeiter am Nordende im Innern auf einen großen Haufen von rohen Feldsteinen (Granitgeschiebe) von 1 1/2 bis 2 Fuß Größe gestoßen; dieser Steinhaufen hatte nach der noch stehenden östlichen Seitenwand eine Länge von ungefähr 12 Fuß. Unter diesem Steinhaufen hatten sich menschliche Gebeine und eine thönerne Urne gefunden.

Nach diesem Berichte und den von dem Herrn Dr. Hüen eingesandten Ueberresten läßt sich vermuthen, daß die Leichenbestattung in diesem Kegelgrabe folgende war.

In dem Grabe waren wahrscheinlich zwei Leichen beigesetzt.

Die eine Leiche, wahrscheinlich die Hauptleiche, war unverbrannt beigesetzt, und diese Bestattungsweise ist die merk=

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würdige und seltene Erscheinung in diesem Grabe. Die erhaltenen und eingesandten Ueberreste des Gerippes geben den sichern Beweis, daß diese eine Leiche nicht verbrannt war. Es sind noch zum größern Theile vorhanden: zwei Beckenknochen mit den Schenkelhalshölen, ein Oberschenkelknochen, zwei Unterschenkelknochen, ein Oberarmknochen, das Kreuzbein oder Heiligenbein und die beiden Kinnladen mit vollständigen Zähnen. Alle Reste der Ober= und Unter=Schenkelknochen sind noch einen Fuß lang. Die beiden Kinnladen sind noch vollständig und enthalten noch alle Zähne. Merkwürdig ist es, daß von den Schädelknochen nichts gefunden ist; dieselbe Erscheinung zeigte sich auch in dem großen Kegelgrabe von Ruchow (Jahresber. VI, S. 30 flgd.). Alle Zähne sind vollständig vorhanden und vollkommen gesund wohl erhalten, wie dies stets an allen heidnischen Schädeln wahrgenommen werden kann; die Zähne sind schmal, klein, wohlgebildet und schon etwas abgeschliffen. Alle Gebeine sind, wie die Zähne, nur schmächtig und zierlich und lassen nicht auf besondere Größe oder starke Musculatur schließen. Nach der Meinung des Herrn Dr. Hüen gehören die Gebeine einer männlichen Leiche an. Nach den Zähnen stand der Beigesetzte im mittlern Mannesalter.

Neben dieser Leiche war wahrscheinlich eine zweite Leiche beigesetzt, welche verbrannt war. Es fand sich eine leider zertrümmerte, ziemlich große, hellbraune, thönerne Urne, welche ungefähr die Gestalt der Urnen der Kegelgräber hatte, wie sie in Jahrb. XI, S. 357 abgebildet sind; der Boden ist sehr dick und der untere Theil der Außenfläche ist noch nicht mit geschlämmtem Thon überzogen. Dabei wurden viele zerbrannte Menschengebeine gefunden. Die Knochen sind, wie gewöhnlich die Knochen von verbrannten Leichen, durch das Feuer in kleine Stücke zersprengt, welche weiß oder bläulich, hart und hellklingend sind, während die Gebeine der unverbrannt beigesetzten Leichen sehr morsch und faserig sind. Nach den Knochenresten, namentlich nach einem Stücke von dem Schädel, welches noch dünne ist, gehörten diese Knochen einem noch jugendlichen Menschen. Bei der Urne fand sich eine schwarze Steinplatte, 2 Fuß im Quadrat groß und 4 Zoll dick; wahrscheinlich hatte auf dieser die Urne gestanden. Außerdem fand sich noch eine zweite Steinplatte, 3/4 Fuß im Ouadrat groß und kaum einen Zoll dick, mit welcher die Urne zugedeckt gewesen war; sie war auf der untern Seite 2 Linien dick mit einer schmierigen röthlichen Masse bedeckt, welche nach mikroskopischen Untersuchungen aus Sand, Eisen =

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ocker und organischen Theilen, wie Fett, Blut etc. ., bestand. Wahrscheinlich war diese Urne mit der verbrannten Leiche in einer kleinen Steinkiste, wozu die beiden Steinplatten gehören, neben der unverbrannten Leiche beigesetzt. Andere Alterthümer, welche wohl vorhanden waren, sind nicht aufgefunden; sie sind wohl entweder unbeachtet verworfen oder liegen noch irgendwo in dem noch stehenden Reste des Grabes.

Nach den unverbrannten Gebeinen zu schließen, muß das Grab sehr alt sein, da die Gebeine sehr morsch sind.

Dieses große Grab wird dadurch wichtig, daß in demselben eine Leiche unverbrannt gefunden ist; dadurch reiht sich dieses Grab an die drei großen, alten Gräber von Ruchow, Schwaan und Dabel, in welchen ähnliche Verhältnisse beobachtet sind. Ueber diese seltenen Kegelgräber mit unverbrannten Leichen vgl. man Jahrbücher XXII, S. 285.

G. C. F. Lisch.

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Kegelgräber von Marlow und Alt=Gutendorf.

Links an dem Wege von der Stadt Marlow nach Alt=Gutendorf, 1/4 Meile von Marlow entfernt, liegt zu beiden Seiten der Scheide zwischen beiden Feldmarken eine Gruppe von Kegelgräbern, welche zu den größten und ehrwürdigsten Denkmälern der Vorzeit gehören und zu den größten Kegelgräbern Norddeutschlands gezählt werden können, wie aus den folgenden Berichten des Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow hervorgehen wird. Auf einem Raume von 800 Schritt Länge und 350 Schritt Breite liegen noch 10 deutlich unterscheidbare hohe Kegelgräber, welche mit Haidekraut und Eichengestrüpp bewachsen und aus weiter Ferne erkennbar sind, zumal da sie auf einer Erhebung der ebenen Gegend liegen. Das größte Grab, welches zu der trigonometrischen Vermessung des Landes benutzt wird, mag an 30 Fuß Höhe und wenigstens 50 Fuß Durchmesser haben. Die größten Gräber liegen auf dem marlower Felde; eine kleinere Gruppe liegt auf dem alt=gutendorfer Felde. Der dazwischen liegende Raum, auf welchem früher eine Windmühle stand, war noch vor 20 Jahren hügelig und mit Haidekraut bewachsen; nachdem er aber seit 16 Jahren in Cultur gebracht ist, sind die schroffen Hügel mehr geebnet, jedoch noch in ihrer Lage erkennbar. Der ganze Raum war früher ein großer Begräbnißplatz, welcher eine bestimmt abgeschnittene und begrenzte oblonge Form hatte; er wird an der einen Seite noch von dem uralten Wege, so wie von einer mit Steinen gefüllten Böschung begrenzt. Von den großen

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marlower Gräbern ward eines im J. 1847 an der Westseite untersucht, dabei jedoch nichts weiter als ein Steinbette und Knochen eines menschlichen Gerippes gefunden. Ein daneben stehendes Grab ist auf seiner Spitze wenigstens 12 Fuß im Umkreise und 6 Fuß tief abgetragen.

Das brunsdorfer Kegelgrab, welches oben beschrieben ist, liegt 1/4 Meile von diesen Gräbern entfernt.

Rechts an dem genannten Wege, also außerhalb des Begräbnißplatzes, neben der Schmiede von Alt=Gutendorf, liegt ein anderer Begräbnißplatz, welcher nach den bei der Aufgrabung gemachten Erfahrungen der wendischen Zeit angehören muß. Man vgl. hierüber unten bei den Wendengräbern.

G. C. F. Lisch.

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Kegelgräber von Groß=Methling.

"Oestlich von dem Dorfe Groß=Methling bei Gnoien und nur in geringer Entfernung davon liegt rechts am Wege nach Demmin ein kleiner sandiger Bergrücken, der von Nordwest nach Südost sich erstreckt. Dieser Bergrücken läuft zwischen zwei schmalen Wiesen in südöstlicher Richtung fort und verflacht sich am Ende der Wiesen. Auf diesem Rücken standen einige Kegelgräber, deren Beschreibung und Inhalt durch den Herrn Pastor Günther zu Groß=Methling an den Verein gelangt ist.

Auf diesem Rücken stand ein Kegelgrab, genannt der Doctorberg, von 8 Fuß Höhe, welches im J. 1845 von den Herren v. Kardorff auf Remlin, v. Bülow aus Neu=Strelitz, Pastor Ritter aus Vietlübbe und Pastor Günther zu Groß=Methling aufgegraben ward und beachtenswerthe Ergebnisse lieferte (vgl. Jahrb. XI, S. 374 flgd.).

Etwa hundert Schritte südlich von diesem Kegelgrabe stand ein kleineres Kegelgrab, welches der kleine Doctorberg hieß. Vor zwei Jahren ward dieses Grab abgetragen, als die Feldsteine aus demselben herausgebrochen wurden. Die Feldsteine lagen 1 bis 1 1/2 Fuß unter der Oberfläche in einer etwa 3 Fuß dicken Schicht eng zusammengepackt. Die beiden Arbeiter trugen die Steine von der Südseite her so ab, daß sie immer so viel wie möglich eine senkrechte Wand vor sich zu behalten suchten, von der sie dann von oben herab einzelne Stücke abkeilten. So geschah es, daß sie eine thönerne Urne von oben bis unten mitten durchkeilten, so daß die eine Hälfte mit den Steinen ihnen vor die Füße fiel, die andere

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Hälfte in der Wand sitzen blieb. Die Arbeiter besahen die Scherben der sehr mürben Urne, welche ganz zerfiel, genauer und fanden einen bronzenen Handgriff, der an einer Scherbe mit einem Drathende ("Wierende") befestigt war, welcher durch die kleinen Bohrlöcher des Handgriffes und durch die Urnenscherbe ging. Der Drath zerbröckelte ihnen unter den Fingern, als sie ihn herauszogen. Als sie die zweite Hälfte des Topfes aus der Wand hoben, zerbrach sie in lauter kleine Stücke, unter welchen sie den zweiten bronzenen Handgriff fanden, der jedoch nicht mehr an einer Urnenscherbe festsaß. Die Urne mochte 1 Fuß hoch sein und eine Oeffnung von 10 Zoll haben und war mit Asche und Erde gefüllt. Die beiden bronzenen Henkel, welche durch die Bemühungen des Herrn Pastors Günther gerettet und an die Vereinssammlung gekommen sind, sind platte Henkel in Gestalt eines Dreiecks, welches mit einer Spitze auf einer schmalen Platte steht, einer Heftel der Eisenzeit nicht unähnlich, im Ganzen 2 1/2 Zoll hoch und oben eben so breit; auf den drei Spitzen des mit eingravirten Zickzacklinien verzierten Dreiecks stehen drei runde Knöpfe.

Am Ende der Wiesen verflacht sich der Bergrücken. Gleich hinter dieser Verflachung stand ein drittes Kegelgrab, an Höhe und Umfang kleiner, als die beiden Doctorberge. Der eine der beiden Arbeiter, welche den kleinen Doctorberg abgetragen hatten, brach die Steine aus diesem kleinen Hügel, aus welchem er etwa 2 Fuder Steine gewann. Zwischen den Steinen stand eine kleine Urne aus dunkelbraunem Thon, mit zwei durchbohrten, henkelartigen, kleinen Knöpfen auf dem Bauchrande. Der Arbeiter hielt die Urne Anfangs für einen Stein und warf sie zu einem Steinhaufen: er stellte jedoch genauere Untersuchungen an, indem er sie mit seiner großen eisernen Hacke von Erde zu reinigen suchte. Die Urne blieb dabei wohl erhalten und ist durch die Bemühungen des Herrn Pastors Günther mit den vorstehenden Berichten in die Vereinssammlung gekommen. So sehr zerbrechlich mögen die alten heidnischen Töpfe doch nicht gewesen sein, da die Urne trotz der Hackenhiebe und des ziemlich weiten Transports, auf welchem sie gewiß zehn Male umgeladen ist, nur in dünne Pappe gewickelt wohl erhalten in Schwerin angekommen ist; wahrscheinlich verdankt sie dieses Glück ihrer kugeligen Form.

G. C. F. Lisch.

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Kegelgräber von Goldberg.

In der der Stadt Goldberg gehörigen Viehweide, welche sich nach Dobbertin hin erstreckt, liegen auf einer Anhöhe neben einander etwa zwölf 1 ) runde Grabhügel von geringer Höhe und nicht bedeutendem Umfange. Nahe bei diesen Gräbern wurde vor einiger Zeit eine 6 1/2" lange Lanzenspitze von bräunlichem Feuerstein gefunden, welcher Fund dann bald darauf die Oeffnung zweier Grabhügel veranlaßte. In dem einen Grabe fand man keine Alterthümer, während aus dem andern mehrere menschliche Knochen, Asche und eine Urne zu Tage gefördert wurden. Die Urne zerbrach beim Nachgraben in viele Stücke, jedoch ist so viel von derselben gerettet, daß man im Stande ist, die Verzierung zu beurtheilen. Der obere Rand zeigt nämlich fünf rund um das Gefäß laufende Linien (vgl. die in Jahrb. XI. S. 361 abgebildete Urne der Bronzeperiode); ferner ist die feinere Thonmasse, mit welcher die Urne überzogen, röthlich gefärbt, wogegen die innere Masse schwarz erscheint. Steine sind in den Grabhügeln nicht bemerkt worden.

Die genannten Alterthümer sind von dem Herrn Pastor Schulze zu Goldberg in Schutz genommen und durch mich an die Vereins=Sammlung zu Schwerin befördert; die Lanzenspitze mußte von dem Finder käuflich erlangt werden.

Im September 1858.

Wiechmann = Kadow.

Eine abgebrochene Schwertspitze

oder Dolchspitze aus Bronze, 6 1/2" lang, mit edlem Rost, mit jungem Bruchende, gefunden zu Reetz, ward geschenkt von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow.

Framea von Niex.

Beim Ziehen eines 6 Fus tiefen Drain=Grabens auf der Feldmark Niex bei Rostock ward eine bronzene Framea mit durchgehender Schaftrinne gefunden, welche eine sehr lange und zierliche Form (ungefähr wie Frid. Franc. Tab. XIII, Fig. 6 und 7), eine breite, weit ausgebogene Schneide und keinen Rost hat. Der Herr Oberbaurath Bartning zu Schwerin hat dieses wohl erhaltene Stück, welches er im Herbste des J. 1858 in Rostock geschenkt erhielt, dem Vereine zum Geschenk gemacht.


1) Die Zahl der Gräber mag noch größer sein, da mehrere unbedeutende Erhöhungen vorkommen, von denen man nicht bestimmen kann, ob es Grabhügel sind.
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Framea von Zierow.

Auf dem Felde von Zierow bei Wismar ward eine ungewöhnlich kurze, 3" lange, beilartige, mit edlem Rost bedeckte Framea aus Bronze, mit Schaftloch und Oehr, gefunden, in Wismar verkauft und von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar dem Vereine geschenkt. - Vgl. im Nachfolgenden die Framea von Wismar.

Framea von Wismar.

Auf dem Stadtfelde von Wismar beim Rothen=Thor ward eine ungewöhnlich kurze, 3" lange, beilartige Framea, mit Schaftloch und Oehr, ohne Rost, gefunden, an den Gelbgießer Herrn Kalderach zu Wismar als altes Metall verkauft und von diesem dem Herrn Dr. Crull zu Wismar überlassen, welcher sie dem Vereine geschenkt hat. - Vgl. im Voraufgehenden die Framea von Zierow.

Framea von Wismar.

In der Gegend von Wismar ward eine Framea aus Bronze, mit Schaftloch und Oehr, 4 1/2 Zoll lang, ohne Rost, gefunden, an den Gelbgießer Herrn Kalderach zu Wismar als altes Metall verkauft und von diesem dem Herrn Dr. Crull zu Wismar überlassen, welcher sie dem Vereine schenkte.

Diadem von Wotenitz.

Vor einigen Jahren fand der Schulze zu Wotenitz bei Grevismühlen in dem Stepenitz=Flusse ein bronzenes Diadem und dabei acht bronzene "Teller mit Knöpfen", wie es den "Anschein" hatte, von denen einer bei der Reinigung schön gezeichnete "Blumen" zeigte. Der Schulze zeigte die "Teller" "mehrern Herren" und da keiner von ihnen dieselben kannte, so verkaufte er sie an einen Juden in Grevismühlen, welcher bald einen Käufer wieder fand. Diese "Teller mit Knöpfen" sind sicher sogenannte "Hütchen" von Bronze gewesen. Das Diadem, welches mit parallelen Querreifen auf der Vorderseite geschmückt, jetzt aber etwas verbogen und eingebrochen ist, bewahrte der Schulze auf, von welchem es im J. 1858 der Unterofficier Herr Büsch zu Wismar erwarb und darauf dem Verein schenkte. Von den "Tellern" war jedoch, trotz aller Bemühungen des Herrn Büsch, keine Spur zu verfolgen.

G. C. F. Lisch.

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Ein Bronzemesser mit Bronzegriff

in colorirtem Gypsabguß schenkte der Herr Wiechmann auf Kadow.

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Urne von Satow.

Zu Satow bei Cröpelin ward eine ungewöhnlich große und eigenthümliche Urne gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow dem Vereine geschenkt. Die Urne ist fast cylinderförmig, mit hohem, geradwandigem Halse und geringer Bauchausladung. Sie ist etwas über 13" hoch, 10" weit in der Mündung, 13" weit im Durchmesser des Bauches und im untern Boden 7" im Durchmesser. Sie ist nach Art der heidnischen Urnen zubereitet, bräunlich von Farbe, ohne Verzierungen und gleicht an Gestalt, Masse und Farbe ganz den Urnen der Bronzeperiode. Der Bauch ist vom Bauchrande nach dem Boden hin ganz rauh mit Hand und Spachtel bearbeitet und sehr rauh und höckerig; der obere Rand, der Boden und das Innere sind mit fein geschlämmtem Thon überzogen. Auf dem wenig nach außen gebogenen Bauchrande, 7 1/2" vom Boden und 4 1/2" vom Rande entfernt, stehen vier starke Henkel mit einer Oeffnung von ungefähr 1" Weite, zum Durchziehen eines Seiles, wie es scheint. Nach der Gestalt und Einrichtung dieses Gefäßes scheint dasselbe ein Gefäß zum häuslichen Gebrauche in der Bronzeperiode, ein Tragetopf oder Seiltopf (plattdeutsch: sêlpot) gewesen zu sein, da demselben die Eigenthümlichkeiten der Todtenurnen fehlen. Aus der Eisenperiode finden sich Haustöpfe von ähnlicher Einrichtung, mit vier Henkeln auf dem Bauchrande 1 ). Aus der Bronzeperiode sind aber Gefäße dieser Art äußerst selten.

G. C. F. Lisch.

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Beiträge zur Erklärung
des Heerhorns von Wismar

und
des Bronzewagens von Peccatel,
von
G. C. F. Lisch.

Die beiden Denkmäler der Bronzeperiode in der Sammlung des Vereins zu Schwerin, das gravirte Heerhorn aus


1) Ein mit ähnlichen vier Henkeln versehener Tragetopf aus der Eisenperiode ist abgebildet in Jahrbüchern XII, S. 438.
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Bronze von Wismar (Jahresber. III, B, S. 67 flgd. mit Abbildung) und das auf einem bronzenen Wagen ruhende Wasserbecken von Peccatel (Jahrb. IX, S. 369 flgd. mit Abbildung) sind für die Culturgeschichte durch sich selbst höchst merkwürdig, noch mehr aber dadurch, daß sie sich gegenseitig erläutern. Auf dem Horne von Wismar sind Schiffe und vierspeichige Räder gravirt. Es mußte also sehr überraschend sein, als ein wirklicher kleiner Wagen mit vierspeichigen Rädern in einem Grabe der Bronzeperiode gefunden ward. Ich habe in den Jahrbüchern nach und nach diese Entdeckungen scharf verfolgt und neue Entdeckungen zur Erläuterung beigebracht. Zu diesen füge ich noch eine neue Entdeckung, welche von dem norwegischen Vereine für Erhaltung vaterländischer Alterthümer zu Christiania in dessen Jahresbericht für 1857, Christiania, 1858, S. 21 mit Abbildung, mitgetheilt ist. Nahe bei "Fossum Jernvaerk" finden sich auf einer Felswand Sculpturen, welche denen auf dem Horne von Wismar ganz gleich sind. Bemerkenswerth sind zwei Schiffe über einander und daneben zwei vierspeichige Räder, grade so wie sich dieselben auf dem Heerhorn von Wismar finden; darunter stehen noch drei vierspeichige Räder.

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Ueber die Hünenhacken
und
die halbmuldenförmigen Quetschmühlen.

In Meklenburg werden ungemein häufig Mühlen gefunden, welche aus Granit bestehen und in Form einer queer durchschnittenen Mulde ausgehöhlt sind, so daß das eine Ende offen ist. Wir haben diese Steine, welche in den ältesten Kirchen oft zu Weihkesseln benutzt sind, Anfangs für Weihkesseln gehalten, sind aber früh zu der Ansicht gekommen, daß sie Handmühlen sind und der Bronzeperiode angehören, da sie in Meklenburg öfter in Kegelgräbern der Bronzeperiode gefunden sind; vgl. Jahrbücher XVIII, S. 250; solche ausgehöhlte Steine, welche gewiß nach und nach durch langen Gebrauch ausgehöhlt wurden, sind noch heute bei den Wallachen in Gebrauch; vgl Jahrb. XV, 1850, S. 270. In Pommern werden solche Mühlsteine auch häufig gefunden und dort allgemein "Hünenhacken" genannt. Der Herr Rechtsanwalt Ehrhart zu Swinemünde berichtet darüber in den baltischen Studien, Jahrg. XVII, Heft 1, 1858, S. 13 flgd. ausführlich und theilt die Sage der Landleute mit: "Sie waren ur=

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sprünglich von Regen erweichte Thonklöße, in welche einer der Hünen, von denen vor Zeiten auch die Insel Usedom bewohnt wurde, mit dem hintern Ende des Fußes getreten und den Eindruck der Hacke bis zur schmalsten Stelle der Fußsohle zurückgelassen hatte, später ist der weiche Thon verhärtet und versteinert". Der Herr Ehrhart hält diese Steine nun ebenfalls für Mühlsteine und beschreibt sie a. a. O. ausführlich. Ueber die Zeit der Entstehung wagt er keine Bestimmung, jedoch sagt er, daß sie auch "theils in Steinhaufen aus abgetragenen "Hünengräbern" zusammengefahren auf "dem Felde liegend" gefunden werden. In Meklenburg sind sicher 4 Male solche Steine aus planmäßig abgetragenen Kegelgräbern der Bronzeperiode gefunden, also sind sie wenigstens so alt wie diese. Wenn Ehrhart schließlich berichtet, daß die Benennung "Hünenhacken" "eine allen Landbewohnern geläufige und die Sage eine allgemein bekannte" sei, so muß ich bekennen, daß diese Sage in Meklenburg schon gänzlich verschwunden oder nie vorhanden gewesen ist.

G. C. F. Lisch.


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c. Zeit der Wendengräber.


Wendengräber von Wotenitz.

Fortsetzung.
Vgl. Jahrbücher XXIII, S. 288.

Da das heidnische Begräbniß auf dem Schullehreracker zu Wotenitz bei Grevismühlen offenbar der Eisenperiode angehörte, so war zu erwarten, daß sich in der Nähe desselben noch mehr Begräbnißstätten finden würden, wie es auf den sogenannten Wendenkirchhöfen in der Regel zu sein pflegt. Der Unterofficier Herr Büsch zu Wismar unternahm es daher, am 19 - 21. Oct. 1858 zu Wotenitz weitere Nachgrabungen anzustellen, und erhielt dazu von dem Herrn Schullehrer Dreier nicht allein freundlich Erlaubniß, sondern ward auch von demselben und dessen beiden Söhnen bei der Aufgrabung wirksam unterstützt. Zuerst gaben die Nachgrabungen lange kein Ergebniß. Als man jedoch bei einer Sandgrube zu graben anfing, um Erde von der Oberfläche abzuräumen, fanden sich mehrere Begräbnisse von derselben Beschaffenheit, wie sie früher beobachtet war.

1) Zuerst fand sich, als man 2 3/4 Fuß tief gegraben hatte,

eine thönerne Urne, welche zerbrochen und in sehr schwarze Erde gepackt war; die roh und ohne Verzierungen gearbeitete Urne hatte ein grobes Gefüge und dicke Wände und war im Innern durch und durch schwarz. Sie enthielt nur Asche und zerbrannte Knochen und

ein bronzenes Gürtelgehenk, wie es scheint. Dieses bisher noch nicht beobachtete Werkzeug ist dem auf dem Wendenkirchhofe zu Helm gefundenen, in Jahrb. XIV, S. 338 abgebildeten Gürtelgehenk sehr ähnlich, wenn auch in Einzelnheiten anders gestaltet. Es ist eine 8 Zoll lange bronzene Stange, welche an dem einen runden Ende einen Knopf (jedoch keinen beweglichen Ring) hat; an dem andern, breitern Ende ist ein

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Blechstreifen in einem ausladenden und wieder eingebogenen Viereck von 2 Zoll Breite und 1 1/4 Zoll Höhe angesetzt oder angegossen und in diesem geschlossenen Viereck hangen 3 Stifte von 1 1/4 bis 2 Zoll Länge, vermittelst deren ohne Zweifel etwas an dieser Stange befestigt gewesen ist. Dieses Instrument hat, wie das Gehenk von Helm freilich eine sehr entfernte Aehnlichkeit mit einem antiken Schlüssel; daß die Werkzeuge dieser Art aber keinen Falls Schlüssel gewesen seien, beweisen die mit einer geschlossenen Oese, jedoch beweglich darin hangenden 3 Stifte, zu denen wahrscheinlich ein vierter gehört hat, welcher verloren gegangen sein wird.

2) Ungefähr 3 bis 4 Fuß von dieser Stelle fand sich wieder

eine thönerne Urne, von feinem Gefüge und brauner Farbe, welche ebenfalls zerbrochen war. In der Urne lagen die Reste

einer bronzenen Heftel, welche die gewöhnliche Gestalt der Hefteln der Eisenperiode hat und durch den Leichenbrand zersprengt und sehr verbogen ist, und

vier Glasperlen, von denen von dem Leichenbrande eine wenig gelitten hat, eine andere mit einem Stück Bronze zusammengeschmolzen, zwei aber an einander geschmolzen sind.

3) Ungefähr 10 Fuß von dieser Stelle stand wieder

eine thönerne Urne, welche dick und grob gearbeitet, ebenfalls zerbrochen und mit Knochen und Asche gefüllt war. Sie enthielt

ein eisernes Messer, von 2 3/4 Zoll Länge in der Klinge, an dessen eben so lange Griffzunge eine Glasperle, wie es scheint, angeschmolzen ist.

G. C. F. Lisch.

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Wendischer Begräbnisplatz von Alt=Gutendorf.

Bei der großen Gruppe der Kegelgräber von Marlow und Alt=Gutendorf (vgl oben S. 269), welche links an dem Wege von Marlow nach Alt=Gutendorf liegt, liegt rechts vom Wege bei der Schmiede von Alt=Gutendorf ein lang gestreckter Hügel, welcher offenbar nicht zu der großen Gruppe von Kegelgräbern gehört und zur Sandgrube angegraben ist. Der Herr Dr. med. Hüen zu Marlow hatte wiederholt Gelegenheit, an diesem Hügel Forschungen anzustellen, und hat die Güte gehabt, nicht nur die folgenden Ergebnisse seiner Forschungen, sondern auch die dabei gefundenen Alterthümer dem Vereine mitzutheilen.

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Der Hügel ist 106 Schritte lang und in der höchsten Erhebung 12 Fuß hoch. Der Hügel ist im Innern eine natürliche Hügelbildung und besteht aus lehmhaltigem und reinem Sande. Dieser Hügel ist von zwei verschiedenen Erdschichten über einander bedeckt, von denen jede zwischen 1 bis 3 Fuß Dicke schwankt. Diese Schichten tragen Spuren von Menschenarbeit, sei es daß Erdschichten aufgetragen sind, sei es daß die Oberfläche zu verschiedenen Zeiten bearbeitet ward. Die in diesem Hügel gefundenen Alterthümer lagen dicht unter diesen obern Schichten und auf der umherliegenden Erdoberfläche 1 bis 2' tief; dies ist also schon ein Beweis, daß dieser Hügel kein aufgetragenes Kegelgrab der Bronzeperiode ist, weil in diesem Falle die Leichen auf dem Urboden beigesetzt worden wären.

Zuerst fand der Herr Dr. Hüen in dem abgegrabenen "Ufer" in der Höhe nicht tief unter den aufgetragenen Erdschichten, eine zertrümmerte heidnische Begräbnißurne von hellbrauner Farbe mit einigen dazu gehörenden verbrannten Knochen.

Späterhin entdeckte er ungefähr 10 Schritte von dem Fundorte einen menschlichen Schädel. Der Schädel ist sehr schmal, die Stirne sehr flach und spitz und das Hinterhaupt auch nicht stark entwickelt; am meisten ist der Schädel nach oben zum Scheitel nach beiden Seiten ausgebuchtet. Die noch vorhandene Naht läßt auf ein Lebensalter von 25 - 40 Jahren schließen, so wie die schwachen Knochenhervorragungen für die Muskelansätze und die Ausbuchtung des Schädels für das Mittelhirn auf ein weibliches Individuum. Merkwürdig und auffallend ist aber die Prävalenz der linken Schädelhälfte gegen die rechte Hälfte, welche auf der innern Seite noch mehr hervortritt, indem der sulcus longitudinalis sich nach rechts wendet und die Furchen für die Gehirnarterien auf der linken Seite stärker entwickelt sind, als auf der rechten. Der Herr Dr. Hüen bemerkt, daß er diese Schädelbildung häufig bei Menschen gesehen habe, die von Jugend auf einen schiefen Kopf hatten. Der Schädel wird mit den Gesichtsknochen, welche vergangen sind, nach oben gelegen haben und war mit einem Feldsteine, etwas größer als ein Mannskopf, bedeckt. Man könnte annehmen, daß der Schädel durch diesen Stein schief gedrückt worden sei, wenn nicht die innere Schädelwand für eine abnorme Bildung von Natur spräche. Uebrigens ist der Schädel dem Anscheine nach ziemlich alt.

Schon früher sind auf der Höhe des Hügels von Arbeitern zwei Schädel ohne andere Knochen gefunden. Noch später fand der Herr Dr. Hüen zwischen diesem Schädel und der

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Urne, ungefähr in der Mitte des Hügels auf der Höhe, noch einen Schädel. Der Schädel lag auf der rechten Seite, von Süden nach Norden gekehrt. Der Schädel ist besser gebildet, als der zuerst gefundene, jedoch ist er nur klein und die Stirn nur schmal. Nach der dünnen, fast zahnlosen Unterkinnlade zu urtheilen, scheint der Schädel einer alten Frau von 70 bis 80 Jahren zu gehören. Bei weiterer Nachforschung fand sich auch das Gerippe dieser Leiche in der Richtung des Schädels von Süden nach Norden. Das ganze Gerippe lag in einer 5 Fuß tiefen Grube, und dem Anscheine nach war die Leiche kopfüber in die Grube geworfen. Neben dieser Leiche wurde im Sande eine kleine, schmucklose, bronzene, hakenförmige Heftel von 2 1/2" Länge und 1/2" Breite gefunden; sie hat in der Mitte 4 Nietlöcher, so daß ein Schmuck aufgeheftet werden konnte. Daneben fanden sich kleine, dünne, sehr verrostete Stücke von Eisen, welche nicht mehr zu erkennen sind.

Am Fuße des Hügels fanden sich dicht unter den aufgetragenen Erdschichten drei von Steinen eingefaßte Begräbnisse.

Das mittlere dieser Begräbnisse, welches von dem Herrn Dr. Hüen geöffnet ward, hatte 12 Fuß im Umkreise und war von kleinern Steinen eingefaßt und mit größern gefüllt. Auf dem Erdboden des Grabes lag eine unverbrannte Leiche, welche gegen Osten schauete. Die Knochen waren sehr vergangen; jedoch waren noch Arm= und Beinknochen, Rückenwirbel, Schädel, Kiefern vorhanden, wenn auch sehr mürbe. Unter dem einen Rückenwirbel lag ein zerbrochenes, stark verrostetes eisernes Messer mit Ueberresten einer Scheide von Leder mit bronzenem Beschlage. Dieses Stück reicht offenbar an die Wendenzeit hinan.

In einem andern, auch mit Steinen umsetzten Begräbnisse daneben, von 16' Breite, welches der Herr Dr. Hüen auch aufdeckte, fanden sich nur die "sichtbaren Spuren eines in Asche zerfallenen Körpers und einer gänzlich vergangenen Urne mit Inhalt".

Ein drittes ähnliches Begräbniß daneben, von 12' Breite, ward in der Abwesenheit des Herrn Dr. Hüen aufgebrochen, ohne daß Nachricht darüber eingeholt werden konnte.

Nach allen diesen Forschungen gehört dieser Begräbnißplatz wohl der letzten heidnischen und ersten christlichen Zeit an. Es finden sich noch Urnen und Leichenbrand, daneben jedoch auch Begräbnisse unverbrannter Leichen, bei welchen sich jedoch noch unverkennbar wendische Geräthe aus Bronze und Eisen finden. Die einzeln gefundenen

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Schädel sind allerdings auffallend und scheinen etwas jünger, jedenfalls aber alt zu sein. Ob es sich, wie wohl geäußert ist, annehmen läßt, daß hier die Köpfe von Hingerichteten begraben seien, ist wohl schwerlich zu ermitteln. Jedoch ist es immer möglich, daß auf diesem heidnischen Begräbnißplatze auch in jüngern Zeiten hingerichtete Missethäter eingescharrt sind; der Hügel kann auch zu Hexenverbrennungen gedient haben. Die Erinnerung an die alten heidnischen "Kirchhöfe" dauerte beim Volke sehr lange.

G. C. F. Lisch.

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Urne und Wall von Fahrenhaupt.

Bei dem Bau der Chaussee von Sülz nach Sanitz ward im Holze von Fahrenhaupt bei Marlow dicht an der Chausseelinie beim Ausgraben von Erde unter einer Buche eine Urne gefunden und von dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow von den Chausseearbeitern erworben und dem Vereine geschenkt. Die Urne ist 5 Zoll hoch, ungefähr 6 Zoll weit im Bauchrande, mit eingezogenem Halse, im Bauche kugelig, von bräunlicher Farbe und auf der obern Hälfte des Bauches mit einer hohen, eingeschnittenen Zickzacklinie zwischen zwei Parallellinien verziert. Die Urne war ganz mit Erde gefüllt, aber in derselben nicht eine Spur von Asche oder Knochen. Dem Anschein nach gehört sie der Eisenperiode an.

Nicht weit von dem Fundorte steht ein Wall, welcher etwa 20 Fuß hoch ist und an 40 Schritte im Durchmesser hat; der Eingang auf der Ostseite ist 10 Schritt breit und demselben entgegengesetzt ist auf der Höhe des Walles eine 4 Fuß breite und 3 Fuß hohe Oeffnung (ein Fenster?). Gegen Süden liegen vor diesem Walle zwei grade, wallartige Erhöhungen parallel neben einander. Vor diesen Parallelwällen liegen im Süden ein kleiner künstlicher Teich und ein etwas größeres Moor, welche sich verengernd gegen den Ringwall hinziehen; beide sind jetzt ausgetrocknet und mit Holz bestanden. Im Westen liegt ein ebenes, ungefähr 10 Scheffel Aussaat haltendes, jetzt mit Holz bestandenes Feld, welches gegen den andern unebenen und hügeligen Boden sehr absticht und in alter Zeit in Cultur gewesen sein muß. Im Süden liegt bebaueter Acker. - Ich halte diesen Berg für eine verfallene germanische Ansiedelung. Er gewährt ganz den Anblick einer verlassenen Chausseearbeiterhütte im Großen. Denkt man sich diesen Berg oben mit langen Bäumen belegt, so kann man kaum ein besseres Bild von den Wohnplätzen unserer Vorfahren

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haben. Hier stand auch wahrscheinlich das alte Fahrenhaupt. Beim Volke ward der Wall Taterberg genannt und es soll hier noch am Ende des vorigen Jahrhunderts ein Zigeuner von marlower Einwohnern erschlagen worden sein.

Marlow, im Septbr. 1858. Dr. Hüen.
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Wendische Wohnstelle von Boddin.

An einer sandigen Stelle des Gutes Boddin bei Gnoien zeigte sich an zwei nicht sehr großen Stellen die Erde beim Umackern ganz schwarz gefärbt und alle Steine, welche sich dort fanden, waren sichtlich einem starken Feuer ausgesetzt gewesen. Auf diesen Stellen fanden sich auch zahlreiche Topfscherben, welche mit Granitgrus oder Kiessand durchknetet, am offenen Feuer gedörrt und vielfach mit wellenförmigen Verzierungen geschmückt sind. Diese Scherben gleichen ganz den oft besprochenen Topfscherben, welche sich in so großen Massen auf allen großen wendischen Burgwällen der letzten heidnischen Zeit finden. Daher sind diese Stellen zu Boddin keine Begräbnißplätze, sondern die Stellen ehemaliger Feuerheerde von Wohnungen aus der letzten wendischen Zeit. Andere Alterthümer haben sich daher an diesen Stellen nicht gefunden. Die Zerstörung dieser Wohnungen wird in die allerletzte Zeit des Wendenthums und in die allererste Zeit des Christenthums fallen, da sich auf den Stellen neben den wendischen Scherben hin und wieder auch schon Scherben von blaugrauen, im Brennofen gebrannten Töpfen der christlichen Zeit finden. Der Herr Staatsminister a. D. von Lützow Exc. auf Boddin hat nicht allein Berichte über diese Stellen, sondern auch eine hinreichende Anzahl von bezeichnenden verzierten Scherben eingesandt.

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Wendengräber von Cörlin

in Pommern.

Bei dem Eisenbahnbau in Hinterpommern wurden in der Gegend von Cörlin beim Eröffnen einer Kiesgrube aus Privateigenthum im J. 1858 die unten beschriebenen, werthvollen Alterthümer gefunden, welche der Herr Bau=Conducteur Langfeldt aus Güstrow, der bei dem genannten Eisenbahnbau als Baubeamter fungirt, von dem Besitzer geschenkt erhielt und unserm Vereine wieder zum Geschenke machte. Wenn auch der Unverstand der Arbeiter viel verdorben hat, so ist es doch noch möglich gewesen, diesen Fund zu bestimmen.

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An einem Berge in der Gegend von Cörlin wurden ungefähr 30 menschliche Gerippe gefunden, welche ungefähr 3 bis 4 Fuß tief in der Erde lagen; leider ist nicht mehr zu ermitteln gewesen, wie sie lagen. Es wurden jedoch ungefähr 30 menschliche Schädel gezählt, neben welchen viele menschliche Gebeine lagen.

Neben diesen Gerippen wurden folgende ziemlich gut erhaltene Alterthümer gefunden.

Zwei große silberne Ringe, von ungefähr 3 Zoll hamb. Maaß innerm Durchmesser der Oeffnung und ungefähr 3/8 Zoll Dicke. Die Ringe sind von dünnem Silberblech, hohl und an der innern Seite zusammengelegt; die Arbeit ist sehr gut. Diese Ringe lagen an der Seite von Schädeln, theils rechts, theils links, und hatten an den Schädeln einen Grünspanabdruck hinterlassen, gehörten also wohl zum Kopfschmuck. Diese Ringe sind geöffnet, an einem Ende abgestumpft, verjüngen sich ein wenig nach dem andern Ende hin, laufen hier dünne aus und sind zu einem Haken umgebogen. Eben so sind alle andern Ringe eingerichtet.

Zehn silberne Ringe von mittlerer Größe, von ungefähr 3 Zoll Weite. Diese Ringe sind von massivem, rundem Silberdrath von ungefähr 1/10 Zoll Dicke. Sie haben die Größe der Armringe für das Handgelenk. Diese Ringe haben dieselbe Einrichtung wie die beiden großen Ringe: sie sind geöffnet, an einem Ende alle abgestumpft, am andern Ende abgeplattet und zu einem doppelten Haken umgebogen. - Außerdem fanden sich noch zwei verbogene Bruchstücke von ähnlichen Ringen. Diese Ringe lagen zerstreut umher und es konnte über ihre Lage am Körper nichts ermittelt werden.

Zwei kleine silberne Ringe von ungefähr 3/4 Zoll Weite und 1/7 Zoll Dicke. Diese Ringe haben einen Kern von viereckigem Kupferblech und sind mit Silberblech sehr geschickt so umkleidet, daß sie rund sind. Auch diese Ringe sind so gebildet, wie die übrigen; sie sind nämlich geöffnet und an einem Ende abgestumpft und am andern Ende abgeplattet und zu einem doppelten Haken umgebogen.

Ein dünner ringförmiger Silberdrath, der an einem Ende zu einer Oese gewunden und am andern Ende zu einem Haken umgebogen ist. Auf diesen Drath sind 13 Glasperlen von verschiedener Größe gezogen: 3 sind hellbernsteinfarbig oder von Bernstein, 2 hellblau, 2 dunkelgrün mit eingelegten rothen Zickzacklinien, 1 kalkweiß, 5 dunkelgrau mit eingelegten weißen Linien verschiedener Zeichnung. Diese Perlen sind sämmtlich geschmackvoll.

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Ein eisernes Messer, 3 1/2 Zoll in der Klinge und gegen 3 Zoll im Griffe lang. Der Griff trägt Spuren von Holzbekleidung.

Eine silberne Spitze, von Silberblech, gut 1 Zoll lang, ist wahrscheinlich der Endbeschlag der Messerscheide.

Eine Klinge von einer eisernen Schere von alter Form (wie jetzt die Schaafscheren), wie es scheint.

Auf einen Theil dieser Schere ist an einer Seite ein Stück Leinewand, ungefähr 1 Quadratzoll groß, festgerostet, so daß das Gewebe sehr deutlich zu erkennen ist.

Nach diesen Alterthümern, ihrer Form und Bearbeitungsweise und den Metallen, aus welchen sie gearbeitet sind, so wie daraus, daß die Leichen schon unverbrannt begraben sind, läßt sich schließen, daß die Leichen in der allerersten Zeit des Christenthums begraben sind.

Dies scheint auch eine Münze zu bestätigen, welche bei diesen Alterthümern gefunden ist.

Die Münze dieses Gepräges ist schon wiederholt der Gegenstand der Aufmerksamkeit der Forscher 1 ) gewesen. Die Münze ist zweiseitig und zeigt auf der Vorderseite einen lockigen, bärtigen Kopf (Christus), neben welchem die beiden Hände mit den deutlichen Wundenmalen in die Höhe gerichtet sind, und auf der Rückseite ein rundes Thor mit drei Thürmen, von denen der mittlere mit drei Zinnen, die beiden andern mit einem Kuppeldache bedeckt sind; in dem Thorbogen steht ein Zeichen, das nicht erkennbar ist. Im J. 1843 ließ B. Köhne in seiner Zeitschrift für Münz =, Siegel= und Wappenkunde, Jahrg. III, Taf. VII, Nr. 10, eine Münze dieser Art abbilden und setzte sie nach Breslau, weil ihm kein ganz deutliches Exemplar vorlag. Späterhin ward ein kleiner Fund solcher Münzen gemacht, von dem gute Exemplare in den Besitz des Assessors Dannenberg zu Berlin kamen. Nach diesen berichtigte Köhne im Kataloge der "Reichelschen Münzsammlung in St Petersburg", Th. IV, Abth. 2, 1842, Vorrede, S. 2, gedruckt 1846, sogleich seine Ansicht und setzte die Münze nach Pommern. Das königliche Münzcabinet zu Berlin und die Sammlung des Herrn Grafen von Schlieffen besitzen auch gute Exemplare. Die Münzen tragen in der Hauptumschrift die Namen der pommerschen Herzoge Bugeslav oder Bugeslav


1) Ich verdanke die Hauptforschungen über diese Münze unserm thätigen und theilnehmenden correspondirenden Mitgliede F. W. Kretschmer zu Berlin.
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und Kasimar und in der Umschrift der Rückseite den Namen einer Burg, einer Stadt oder eines Stiftes. Eine ähnliche, bei Köhne a. a. O. Taf. VII, Nr. 9, hat auf der Rückseite den Namen Perenncelave (Prenzlau). Ein anderes Exemplar hat die Namen BVDIZL A V K A Z e M e R und auf der Rückseite den Namen SCS IOH A N e S, des Schutzheiligen der bischöflichen Kirche zu Camin. Außerdem finden sich Exemplare mit den Namen der Städte Camin, Demmin und Stettin, von welchen einige den Namen des Herzogs Bogislav I. von Pommern († 1188) haben, mitunter mit dem Titel R e X.

Unsere Münze hat nach unserm vorliegenden Exemplare, nach Beihalt anderer Exemplare, folgende Inschrift, wie Kretschmer lieset und nach andern Exemplaren ergänzt:

Vorderseite: [B]VGECLOF [F : ECTS :]

Rückseite: SEL A FI . [K A STR]V M .

Ich lese auf der Münze deutlich:

Vorderseite: VGECL[O] . . . . .

Rückseite: SEL A . . . . . . V M .

Kretschmer nimmt, gewiß mit Recht, an, daß Selafi kastrum die hinterpommersche Burg Slauene, Slawe oder Schlage sei, welche in alten Zeiten eine Hauptburg war, und daß Bugeslav ein pommerscher Herzog Bugeslav von Slawe sei, der um das Jahr 1200 vorkommt.

Nach diesen Mittheilungen wird es unzweifelhaft sein, daß die Münze eine pommersche ist und in das Ende des 12. Jahrhunderts fällt. Ueber die alten pommerschen Fürsten vgl. man Quandt in Baltischen Studien, Jahrg. XVI, Heft 2, 1857, S. 56 flg. und 60 flgd.

Hiernach scheint es zweifellos zu sein, daß die Begräbnisse aus der Zeit der Einführung des Christenthums in Pommern stammen, aber noch die wendische Kunstbildung zeigen.

G. C. F. Lisch.

Zwei spiralförmige Fingerringe

von Bronze, von denen der eine weiter ist und 2 Windungen hat, der andere enger ist und gut 1 1/2 Windungen hat, leicht oxydirt, fand der Herr Friedr. Seidel zu Bützow am Mahnkenberge bei Bützow und schenkte sie dem Vereine.

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Weiße Glasperle von Bützow.

An dem Klüschenberge bei Bützow fand der Herr Friedr. Seidel zu Bützow eine Glasperle von weißem Glase aus der Eisenperiode, welche er dem Vereine schenkte.

Ein Kamm

aus Knochen, von langer, schmaler Form, gefunden bei Wismar im Seesande, ward geschenkt von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar.

Ein Spindelstein

aus gebranntem Thon, gefunden zu Satow bei Kröpelin, ward geschenkt von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow.

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Ueber das heilige "Hakenkreuz"

der Eisenperiode,
von
G. C. F. Lisch.

Ich habe schon früher wiederholt in den Jahrbüchern und im Friderico - Francisceum darauf aufmerksam gemacht, daß das "Hakenkreuz" oder das heilige Kreuz mit gebrochenen Balken Hakenkreuz welches sich auf vielen Denkmälern verschiedener Völker der Vorzeit findet, auch in der heidnischen Periode der Eisenzeit oder der Wenden in Meklenburg vorkommt. Namentlich habe ich in den Jahrbüchern XIII, S. 383 über die drei Fälle berichtet, in denen es in den norddeutschen Ländern sicher vorkommt: auf einer zu Kothendorf bei Hagenow gefundenen wendischen Urne, auf einer in den Vierlanden gefundenen Urne und auf einer bei Bützow gefundenen wendischen Heftel. - In neuern Zeiten hat der Herr Professor Holmboe in Christiania ein Werk über die Spuren des Buddhaismus in Norwegen vor der Einführung des Christenthums:

Traces du Buddhisme en Norvége avant l'introduction du christianisme, par M. C. A. Holmboe, Paris, 1857, imprimerie de Simon Raçon et Co.

herausgegeben und in demselben, S. 34 flgd., auch dieses mystische Kreuz behandelt. Abgesehen von dem sonstigen In=

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halte dieses Werkes, in welchem er die Spuren der indischen Religion des Buddha in Norwegen nachzuweisen versucht, theile ich im Folgenden den Abschnitt über das mystische Kreuz in Uebersetzung mit, da dieser Abschnitt bis jetzt für Meklenburg allein von Wichtigkeit zu sein scheint.

"Mystisches Kreuz.

Das Kreuz, welches sich aus einigen indischen Münzen zeigt, findet sich eben so auf mehrern goldenen Bracteaten, welche in Skandinavien bald in Grabhügeln (haugs), bald anderswo gefunden sind. Dieses Kreuz hat eine besondere Form, indem seine vier Arme an ihren Enden eine Biegung in dieser Gestalt Hakenkreuz haben. Dieses Kreuz ist sehr merkwürdig, nicht allein wegen der weiten Verbreitung desselben, sondern auch wegen der heilsamen Wirkung, welche ihm die Hindus und vorzüglich die Buddhisten zuschreiben.

Man bemerkt dieses Kreuz schon auf Münzen, welche sich aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnuug 1 ) herschreiben, und man findet sie von Zeit zu Zeit in dem Zeitraume von mehrern Jahrhunderten wieder.

Die Buddhisten betrachteten dieses Kreuz als eine der wichtigsten von den 65 Figuren, welche sie auf dem Abdruck des Fußes Buddha's gezeichnet zu sehen glaubten; denn es ist nicht allein an die Spitze des Verzeichnisses derselben gesetzt, sondern es ist noch einmal mit wenig Unterschied unter den Nummern 3 und 4 in der Aufzählung derselben wieder aufgeführt, welche Bournouf in seinem Anhange Nr. VIII zu seiner Ausgabe des "Lotus de la bonne loi" (p. 625 - 626) gegeben hat, wo wir lesen:

1. Svastikaya Dies ist das mystische Zeichen, welches bei mehrern indischen Secten in Gebrauch ist und also Hakenkreuz dargestellt wird; der Name bedeutet buchstäblich: Zeichen des Segens oder der guten Vorbedeutung.

Das Zeichen svastika ist den Brahmanen nicht weniger, als den Buddhisten bekannt, und der Ramayana spricht davon an einer Stelle über Schiffe, welche mit diesem Glück brin=


1) Ariana ant., p. 378, T. XIV, Fig. 13.
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genden Zeichen bezeichnet waren. Ich möchte indessen nicht behaupten, daß dieses Zeichen, dessen Name und Gebrauch gewiß alt ist, weil man es schon auf den ältesten buddhistischen Medaillen findet, sich auch eben so häufig bei den frühesten, als bei den folgenden finde. Jedoch ist es gewiß, daß die meisten Inschriften, welche man in den buddhistischen Höhlen des westlichen Indiens findet, im Anfange oder am Ende das heilige Zeichen haben.

3. Nandâvartaya. Dies ist noch ein "Diagramm" von guter Vorbedeutung, dessen eigentlicher Name nandyavarta und dessen Bedeutung: Schnörkel ("enroulement") oder glückbringender Kreis.

Armarakocha macht eben so aus diesem Zeichen den Namen einer besondern Art von Tempeln oder heiligen Gebäuden, jedoch ist zu bemerken, daß das nandyavarta der Djâins auch für eine Art von Labyrinth 1 ) gelten kann.

4. Sôvastekaya. Hakenkreuz . Der einzige Unterschied zwischen diesem Zeichen und dem, welches oben aufgeführt ist, ist der, daß die Arme des Kreuzes von der Rechten zur Linken gehen, während Nr. 1 die Arme von der Linken zur Rechten kehrt.

Der Biograph von Hiouèn Thsang erwähnt eines Steines mit den Abdrücken der beiden Füße Buddhas, welche an den Spitzen der Zehen Blumen hatten, auf denen das mystische Zeichen Ouan 2 ) stand. Dies ist dasselbe Kreuz, von welchem Orazio della Penna di Billi in seiner Beschreibung von Tibet redet, indem er sagt: "Hanna, eine Art von Kreuz, welches mit Verehrung 3 ) (tengono = gehalten) betrachtet wird." Der Pater Hyacinth berichtet, daß die Weiber in Tibet mit diesem Kreuze ihre Röcke verzieren 4 ). Nach Pallas


1) Diese Figur, ein wenig größer, ist in Norwegen sehr bekannt, wo es zum Spiel für die Kinder dient, welche es zeichnen und den Weg vom Eingange bis zum Ende suchen und umgekehrt. Ich habe bei dem geringen Volke diese Figur Trojaburgsschloß (Troyeborg Slot) nennen hören. Diese Benennung kann an die Stelle des Namens Asgardsschloß (Asgaard Slot) getreten sein, wie die Vorrede der Edda von Snorro die Stadt Troja für Asgaard und die Asiaten für die Asen gebraucht.
2) Der Herausgeber macht hier die Bemerkung: Man sagt, daß es seinen "Ursprung herleite von der Gestalt der lockigen Haare Buddha's, welche von der Linken zur Rechten gingen". (Hiouèn Thsang, p. 138.)
3) Nouv. Journ. Asiat. XIV, p. 427.
4) Ebendaselbst IV, p. 245.
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zeichnen die Mongolen dieses Kreuz auf Stücke Papier, welche sie auf die Brust der Todten 1 ) legen. Man sieht dieses Kreuz auch oft auf der Brust der Heiligen 2 ). In Hindostan ist es noch ein Gegenstand der Verehrung unter dem Namen Sethia. Taylor sagt in seinem Wörterbuche: ""Sethia ist ein Zeichen in Gestalt eines Kreuzes, dessen vier Arme im rechten Winkel gebogen sind und welches von den Indiern beim Anfange eines neuen Jahres an die Spitze ihrer Rechnungsbücher roth gemalt gesetzt wird. Man bildet dieselbe Figur auch aus Mehl auf dem Boden bei Gelegenheit von Hochzeiten oder andern Feierlichkeiten"".

Wenn wir unsere Blicke nach Skandinavien wenden, so sehen wir, daß es dasselbe Kreuz ist, welches auf den goldenen Bracteaten dargestellt wird, von denen oben die Rede gewesen ist, und welche sich zuweilen in den Grabhügeln finden. Es ist auch dasselbe Kreuz, welches man auf einigen Leichensteinen des Alterthums eingehauen sieht, z. B. auf dem Kirchhofe von Gjerde 3 ), in der Pfarre Etne, in der Diöcese Bergen, und in Schweden 4 ) in der Pfarre Skeftuna, in der Provinz Upland.

Das Kreuz hat zuweilen einige hinzugefügte Linien, in Skandinavien wie in Asien, und es ist sehr überraschend, daß die also vermehrten Kreuze eine so gleiche Gestalt haben, daß die man nicht umhin kann anzunehmen, daß sie ein und dasselbe Vorbild haben; man vergleiche das Kreuz auf einem in Skandinavien gefundenen Bracteaten mit einem Kreuze, welches einer in Indien gefundenen Münze entnommen ist 5 ).

Endlich ist zu bemerken, daß sich dieses Kreuz auch auf den alten gallischen Münzen findet. Mionnet, Combrouce und der Numismatic Chronicle I, pl. I. führen es unter den gallischen Monogrammen auf. Es kann nach Gallien mit der Religion des Odin gekommen sein, welche dort im Norden vor der Einführung des Christenthums 6 ) bekannt ward."



1) Pallas, Sammlungen historischer Nachrichten über die Mongolischen Völkerschaften, I, p. 277.
2) Nouv. Journ. Asiat., I, p. 415.
3) Nordisk Tidsskrift for Oldkynd., III, p. 274.
4) Göranson, Bautil, n. 25.
5) Nach den Abbildungen in Beskrivelse over Mynter og Medailler i den kongl. Saml., I cl. und Ariana antiqua, T. XV, n. 23. Außerdem kann man Abbildungen von den erwähnten Vracteaten sehen in der Urda, I, T. IX; Nord. Tidsskrift Oldkynd., II, T. I; Om Guldbracteater, von Lindfors, Lund, 1846, in 4.
6) Luis de Baecker, De la Religion du nord de la France avant le christianisme, Paris, 1854, in 8.
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d. Vorchristliche Alterthümer gleich gebildeter europäischer Völker.

Ueber die Hausurnen.

Seitdem vor einigen Jahren in den runden, mit Dach und Thür versehenen Graburnen zur Beisetzung der Ueberreste der verbrannten Leichen die Nachbildungen der germanischen Häuser, die Hausurnen, entdeckt sind, haben sich noch mehr Beweise für die Richtigkeit dieser Ansicht, welche in unsern Jahrbüchern XXI, S. 243 flgd. auseinandergesetzt ist, gefunden.

Zuerst hat Einfeld in der Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1855, S. 363, wieder eine römische Darstellung eines germanischen Hauses in die deutsche Literatur eingeführt und eine Abbildung desselben beigegeben. Diese Darstellung findet sich zu Paris im Louvre=Museum auf einem marmornen Relief, welches von einem zu Ehren des Kaisers Trajan aufgeführt gewesenen Triumphbogen herzustammen scheint und einen vor seinem Hause kämpfenden Germanen darstellt. Dieses Relief ist abgebildet in Musée de Sculpture du Musée Royal de Louvre, par le comte de Clarac, Paris 1828 - 1830, Tom. II, PI. 144, Nr. 349: Barbare combattant, und in den hannoverschen Jahrbüchern getreu wiedergegeben. Das Haus des Germanen ist rund, mit einem kuppelförmigen Dache bedeckt, in den Wänden anscheinend aus Pfählen oder Planken und im Dache aus Zweigen gebauet; die Thür ist nicht sichtbar; in der Höhe ist ein Fenster oder eine Luke sichtbar. Diese Darstellung gleicht den Darstellungen auf der Antoninssäule, welche mehr als 20 germanische Häuser von runder Form darstellt.

Eine andere Wahrnehmung hat jüngst der bekannte Alterthumsforscher Troyon zu Bel=Air in der Schweiz gemacht. Bekanntlich sind in den letzten trockenen Jahren bis zum Ende des J. 1858 bei dem niedrigen Wasserstande in den Schweizer=Seen viele Wohnplätze 1 ) aus der heidnischen Vorzeit, welche


1) Es ist in den letzten Jahren oft die Frage aufgeworfen, ob in den vielen norddeutschen Seen nicht auch solche Reste von Pfahlbauten vorhanden (  ...  )
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auf Pfählen im Wasser nicht weit vom Ufer standen (Pfahlbauten, Seewohnungen), entdeckt, und auf ihnen sehr zahlreiche Alterthümer aus den verschiedenen Perioden, je nach der Zeit ihrer muthmaßlichen Zerstörung. Unter den Alterthümern fand Troyon auch durch Feuersbrunst gehärtete Bruchstücke von Thon, welche zur Bekleidung der Hütten dienten; die Bruchstücke waren leicht gebogen und erlauben daher den Schluß, daß die Hütten rund waren und einen Durchmesser von 10 bis 15 Fuß hatten ("des fragments de l'argile qui servait de revêtement aux cabanes, - - cuits par l'incendie, et il est à remarquer que leur face unie présente toujours une légére concavité, qui permet de conclure que les cabanes étaient circulaires etc. .); vgl. Fréd. "Troyon Statistique des antiquités de la Suisse occidentale, VIII article, le 12 Mars 1858.

Der Professor Dr. Braun zu Bonn hat den Aufsatz in unsern Jahrbüchern über die Hausurnen in den Jahrbüchern des Vereins der Alterthumsfreunde im Rheinlande, Bonn, XXV, 1856, (S. 162 flgd., einer ansführlichen Anzeige gewürdigt, ist aber der Meinung Gerhards, daß die Hausurnen vom Albanergebirge den Gräbern rhätischer Soldaten oder germanischer Colonisten angehören und nicht in die altitalische Zeit zurückreichen, sondern einer jüngern Zeit zuzuschreiben sind.

Die geringschätzige und etwas leichtfertige Behandlung dieser Sache durch Hostmann in dessen Doctordissertation "Ueber altgermanische Landwirthschaft", Göttingen, 1855, S. 55, Note 129, wozu auch die damals bekannt gewordenen Hausurnen und die germanischen Hütten von der Antoninssäule abgebildet sind bedarf jetzt keiner Berücksichtigung, besonders da seitdem manche wichtige Entdeckungen gemacht sind.

G. C. F. Lisch.


(  ...  ) sind. Ich habe in Meklenburg nie von solchen Ueberresten gehört, glaube auch nicht, daß man hier in der heidnischen Vorzeit auf Pfählen gebauet hat, was bei unvollkommenen Werkzeugen sehr schwierig ist. Die Menge der Sümpfe und Moore und der Ueberfluß an leicht zu grabender und transportirender Erde mußte ohne Zweifel der viel leichtern Einschüttung von Wällen und Dämmen aus Erde den Vorzug geben. In der Schweiz sind ebene Flächen und lockere Erde vil seltener. - Wenn auch das Spalten des Holzes (statt des Sägens) nicht schwierig und für die Erhaltung des Holzes vortheilhaft ist, so ist doch das Fällen und Einsetzen der Bäume schwieriger, als das Einschütten von Erde. - Man findet in Meklenburg wohl Pfahlwerke von mittelalterlichen Eindeichungen, Brücken u. dgl., aber nie Massen dicht zusammenstehender Pfähle, auf denen ganze Dörfer hätten stehen können.
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Römische Alterthümer von Hagenow.

(Vgl. Jahresbericht VIII, S. 38 flgd.)

Römisches aus Nord - Deutschland * ).

Im Laufe dieses Jahres sind bei Teplitz in Böhmen auf dem Grunde des Fürsten Edmund Clary = Altringen am Bila=Ufer am Rande des Liesnitzer Busches in einem Steinhaufen zwei Bronzegefäße gefunden worden, welche der Sammlung des Besitzers einverleibt und durch Vermittelung des Herrn Wilhelm Grimm zuerst in Zeichnungen, sodann auch im Original den berliner Alterthumsfreunden mitgetheilt worden sind 1 ). Beide Gefäße sind entschieden römischer Arbeit und verdienen Aufmerksamkeit schon durch ihren Fundort außerhalb der Grenzen des römischen Reichs. Das kleinere derselben ist ein kleiner Krug mit Henkel 2 ), welcher oben in einen weiblichen Kopf ausläuft und unten mit einer Maske endigt; er ist ohne Inschrift. Dagegen das größere Gefäß 3 ), eine bronzene Casserolle mit flachem Boden 4 ) und mit geradem horizontalen Stiel, welcher in einen mit schönen Schwanenköpfen verzierten Griff ausläuft, hat auf der oberen Fläche des Griffs zwei römische Stempel mit erhabener Schrift, anscheinend der früheren römischen Kaiserzeit angehörend, von denen der obere lautet:

TI • ROBILI • SI

der untere:

C • ATILI • HANNON ** ).

*) Dieser in Folge der Versammlung der deutschen Geschichts= und Alterthums=Forscher und Vereine zu Berlin am 14. flgd. Sept. 1858 entstandene Aufsatz des Hern Professors Dr. Mommsen zu Berlin ist im "Archäologischen Anzeiger. Zur Archäologischen Zeitung, Jahrgang XVI, herausgegeben von E. Gerhard, Berlin, Juli bis Septbr. 1858", S. 221 flgd. gedruckt und des großen Interesses wegen hier wiedergegeben. Ich hatte die in Frage stehenden Alterthümer zur Untersuchung nach Berlin mitgenommen und es traf sich sehr glücklich, daß ein ganz gleicher Fund von Teplitz grade zu gleicher Zeit zur Stelle war.   G. C. F. Lisch.
1) Wie im Bericht der hiesigen archäologischen Gesellschaft vom 29. Juni d. J. (auf S. 196* vgl. den Bericht vom 2. Nov.) gemeldet wurde.     A. d. H.
2) Hoch 6 Zoll, Durchmesser 4 1/2 Zoll.     A. d. H.
3) Das Gefäß ist 5 Zoll hoch; der Durchmesser desselben beträgt 8 1/4 Zoll; mit Inbegriff des Griffes aber 15 3/4 Zoll.     A. d. H.
4) Unter demselben sind freilich einmal drei jetzt fehlende Füße befestigt gewesen; wahrscheinlich aber rührt dies von dem Finder her, der die Casserolle für seine häuslichen Zwecke sich hat herrichten lassen, da alle anderen gleichartigen Gefäße flachen Boden und keine Füße haben.     A. d. H.
**) Die Buchstaben AT in ATILI sind auf der Teplitzer Kelle zusammengezogen.      G. C. F. Lisch.
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Ein gleichartiger Fund wurde vor einigen Jahren zu Hagenow im Mecklenburgischen gemacht und im Jahresbericht des Vereins für mecklenburgische Geschichte für 1843 (Bd. 8) S. 41 bekannt gemacht (Taf. No. I). In dem damals zusammengefundenen Bronzegeräth kam nicht bloß ein jenem Kruge gleichartiges, ebenfalls oben in einen Kopf, unten in eine Maske auslaufendes Gefäß zum Vorschein 5 ), sondern es fand sich auch eine der unsrigen ganz gleichartige, jedoch geringer gearbeitete Casserolle 6 ) mit dem ebenfalls erhaben geschriebenen Stempel:

TI • POBILI • SITA * ),

welche augenscheinlich von demselben Fabrikanten herrührt, dem der erste Stempel des Teplitzer Gefäßes angehört. Der Name desselben scheint nach Vergleichung beider Stempel Tiberius Robilius ** ) Sitalces gewesen zu sein. Das


5) Ich rücke Lisch's Beschreibung dieses und des gleich zu erwähnenden Gefäßes aus den Mecklenburger Jahresberichten S. 42 hier ein: "Eine Gießkanne aus Bronze. 9 Zoll hoch, mit stark eingezogenem Halse und an beiden Seiten eingedrückter Mündung, gegossen und auf der Drehbank abgedreht und mit Reifen verziert, an der Seite, welche in der Erde gelegen hat, mit dem schönsten edlen Roste bedeckt, an der entgegengesetzten Seite von Oryd zerfressen, mit einem schönen Henkel, von Ciselir= (oder Cälatur= oder toreutischer) Arbeit; der Griff besteht aus zwei gewundenen Schlangen, wie es scheint, und endigt an beiden Enden in weibliche Brustbilder: oben sitzt ein weibliches Brustbild mit hohem Haarputz und faßt mit beiden Armen um den hinteren Rand der Kanne; unten sitzt um den Bauchrand ein weibliches Brustbild (Leda?), mit beiden Armen einen Vogel vor der Brust haltend. Diese Kanne ist unbezweifelt eins der schönsten Stücke des Alterthums, welches je in nördlichen Gegenden gefunden ist".     A. d. H.
6) Lisch beschreibt dieselbe am angeführten Orte S. 41 folgendermaßen: "Eine große Kelle aus Bronze, 4 1/2 Zoll hoch, 7 Zoll weit in der Mündung, mit flachem Boden, zum Stehen eingerichtet, gegossen, innen und außen auf der Drehbank abgedreht und innen mit vertieften, außen mit erhabenen Reifen verziert. Der Griff ist auch sieben Zoll lang, in den Umrissen geschweift und 1.1/2 Zoll bis 2 1/2 Zoll breit, am Ende halbkreisrund ausgebogen und mit einer kreisförmigen, eingedreheten Verzierung geschmückt, in deren Rand Blätterverzierungen mit Stempeln eingeschlagen sind. Im untern Theile der Rundung stehen 7 eingeschlagene kleine concentrische Kreise an Strahlen um einen gleichen Kreis. Unter diesen sind 2 größere Kreise eingeschlagen, und weiter hinab ist ein Vierblatt, in jedem Winkel mit einem Kreise eingeschlagen. In dem obern Theile dieser Rundung ist ein halbmondförmig ausgeschlagenes Loch und darüber ist, in der Mitte der Rundung, mit einem Stempel die Inschrift geprägt".     A. d. H.
*) Die Buchstaben RO in ROBILI sind auf der Hagenower Kelle zusammengezogen.   G. C. F. Lisch.
**) Im Jahresbericht VIII, S. 41 und 46 schwankte ich zwischen der Lesart (  ...  )
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B in ROBILI ist auf dem Teplitzer Stempel ziemlich deutlich, während der Hagenower hier beschädigt ist und auch auf RODILI ergänzt werden könnte. Das folgende I ist auf dem Hagenower Stempel deutlich, auf dem Teplitzer fast verloschen. Das Cognomen, das auf dem Hagenower Stempel vollständiger ist als auf dem Teplitzer, kann wohl nur SITA lces gewesen sein, wenn der vierte unten beschädigte und überhaupt erloschene Buchstab wirklich ein A war. Robilii finden sich auf Inschriften von Aeclanum (I. N. 1233. 1234). - Der zweite Fabrikantenname Gajus Atilius Hanno bietet nichts Bemerkenswerthes dar. Wohl aber ist ein merkwürdiger Umstand das Vorhandensein eines Doppelstempels auf dem Teplitzer Gefäß, was auf jeden Fall ungewöhnlich, ja wofür mir augenblicklich kein zweites Beispiel zur Hand ist. Denn daß neben dem Stempel des Fabrikanten noch eingeritzt der Name des arbeitenden Mannes sich findet (I. N. 6307, 8), ist etwas wesentlich Verschiedenes. Bei der Verfertigung dieses Gefäßes müssen also wohl zwei Fabriken zusammengewirkt haben. Es bringt dies eine früher (Edict Diocletians S. 67) geäußerte Vermuthung in Erinnerung. Nach dem Diocletianischen Preistarif wird dem Kupferschmied (aerarius) für Gefäße (bascula diversi generis) das Pfund mit 6, für Bildwerke (sigilla vel statuae) das Pfund nur mit 4 Denaren bezahlt; unmittelbar auf den Kupferschmied aber folgt der Thonformer (plasta imaginarius). Der Gedanke liegt nahe, daß der letztere für Bildwerke dem Kupferschmied die Formen lieferte, nicht aber für Gefäße, und daß dies der Grund war, weshalb dort der Kupferschmied weniger erhielt als hier. Der zwar einfache, aber ungemein zierlich gearbeitete Griff der Teplitzer Casserolle könnte wohl zu den Arbeiten gehören, welche der Kupferschmied Ti. Robilius Sitalces in einer vom Modelleur C. Atilius Hanno verfertigten Form gegossen hat, während bei dem Hagenower Exemplar kein solcher Arbeiter mitwirkte. Es ist das ein Einfall, den unsre archäologischen Freunde prüfen mögen; denn freilich wird nur die Untersuchung der gesammten nur allzu zahlreichen Fabrikstempel des Alterthums über dessen noch so wenig aufgeklärte Fabrikverhältnisse einiges Licht zu verbreiten vermögen. Ebenso mag es hier genügen, die für sich selbst sprechende Thatsache festzustellen, daß Fabrikate derselben römischen, wohl eher südlich als nördlich von den Alpen einst


(  ...  ) POPILI oder RODILI, da der 1ste und 3te Buchstabe nicht ganz klar sind. Durch die Teplitzer Kelle scheint die Lesung ROBILI gesichert zu sein.   G. C. F. Lisch.
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betriebenen Officin in Böhmen und in Mecklenburg zu Tage gekommen sind und bei dem letzten Congreß der deutschen Alterthumsfreunde sich durch die zuvorkommende Gefälligkeit des Herrn Fürsten Clary in Wien und des Herrn Archivraths Dr. Lisch in Schwerin hier in Berlin auf einem Tische zusammen gefunden haben. Vielleicht wird es möglich sein, was hieraus und aus andern verwandten Thatsachen für die Geschichte des römisch=germanischen Handelsverkehrs gewonnen werden kann, später einmal in einigem Zusammenhange darzulegen.

Berlin, im September 1858.

Th. Mommsen.

 

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Ueber

Urnen von Dresden und Kinderurnen.

Auf dem leipzig=dresdener Bahnhofe zu Dresden ward im J. 1851 beim Bau eine heidnische Begräbnißstätte 1 ) gefunden. Von den dort gefundenen Alterthümern erwarb der durch mehrere werthvolle alterthümliche Geschenke um den Verein verdiente Freiherr Ad. v. Maltzan, früher auf Duchnow etc. . in Polen, jetzt zu Eschdorf, bei Dresden, durch Geschenk mehrere Grabgefäße und schenkte dieselben unserm Vereine wieder.

Dieses in mancher Hinsicht werthvolle Geschenk enthält folgende Stücke:

1) Eine völlig erhaltene, hellbraune Urne, von der in Jahrb. XI, S. 357 und hieneben wieder abgebildeten Form, 9" hamb. Maaß hoch, 11 1/2" weit in der Mündung. Der Bauchrand ist durch senkrechte Einschnitte gekerbt. Dicht über dem Bauchrande laufen 4 eingerissene Parallellinien umher.

Urne

1) Eine kurze Anzeige, jedoch ohne Beschreibung und Charakteristik, findet sich in den Mittheilungen des königl. sächsischenVereins, Heft 7, Dresden, 1854, S. 12.
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2) Eine kleine, glatte Schale ohne Henkel, 2" hoch, 4 1/2" weit in der Mündung.

3) Eine kleine, glatte Schale mit Henkel, eben so groß.

4) Eine kleine, glatte, gehenkelte Urne, am Rande abgebrochen, gegen 3" hoch und eben so weit in der Mündung, von der in Jahrb. XI, S. 363 oben und hier wieder abgebildeten Form, jedoch ohne Verzierungsreisen auf dem Bauchrande.

 gehenkelte Urne

Welcher Zeit diese Urnen angehören, läßt sich bei dem Mangel an metallenen Alterthümern nicht bestimmen. Nach den Größen und Formen gehören sie der Bronze=Periode an; da sie aber sehr wohl erhalten und fest sind und die Form der großen Urne bis in den Anfang der Eisen=Periode hineinreicht, so ist es wahrscheinlich, daß diese Gefäße in die letzte Zeit der Bronze=Periode fallen.

Kinderurne.

Diese Gefäße sind durch die kleine gehenkelte Urne sehr merkwürdig. In Norddeutschland werden oft diese kleinen gehenkelten Urnen, welche häufig sehr schöne, antike Formen haben, bei großen Urnen mit Asche und zerbrannten Knochen gefunden; sie sind gewöhnlich in oder dicht neben große Urnen gestellt. Bisher sind aber die in diesen kleinen Urnen gefundenen zerbrannten Knochenreste so sehr durch den Leichenbrand zerstört und an Menge so unbedeutend gewesen, daß sich die Bestimmung dieser kleinen Urnen nicht erkennen ließ. Man kam daher auf den Gedanken, daß diese kleinen Urnen zur Sammlung der Asche von edleren Theilen des Körpers, z. B. der Augen, bestimmt gewesen seien, um so mehr, da diese Urnen zur Aufnahme der Gebeine und Asche eines ganzen Körpers zu klein zu sein schienen.

Diese dresdner kleine Urne giebt aber andere und sichere Aufschlüsse. Der Leichenbrand muß nicht stark genug gewesen sein, und so sind denn mehrere Gebeine in der Urne fast vollständig erhalten, z. B. die Beinknochen fast vollständig, die Augenhöhlen, Stücke von dem Schädel und den Rippen u. s. w. Nach diesen Knochen war die verbrannte Leiche, nach dem Urtheile mehrerer Aerzte, ein neu gebornes Kind. Die Beinknochen sind ungefähr 2 1/2" hamburger Maaß lang, so daß sie

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noch horizontal in die kleine Urne gelegt werden konnten. Die Schädelbruchstücke sind nicht viel dicker, als starkes Schreibpapier, jedoch schon fest; eben so sind die Augenhöhlen fest ausgebildet. Von den Knochen der großen Leiche lag nichts in der kleinen Urne, so daß die Kindesleiche allein verbrannt worden ist.

Es ist daher sicher, daß diese kleinen Urnen Kinderurnen waren, und daß, wenn sich eine solche kleine Urne in oder neben einer großen Urne findet, dort eine Mutter mit ihrem neu gebornen Kinde beigesetzt ist, welche beide durch die Geburt gestorben waren.

G. C. F. Lisch.


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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters
und der neuern Zeit.

Mittelalterliche Alterthümer von Schwerin.

Das erste Haus rechts im Anfange der Verbreiterung der Großen=Moor=Straße, Nr. 827, der Grünen=Straße gegenüber, grade dort wo der Moorboden anfängt und der feste Boden aufhört, mußte im J. 1858 abgetragen und neu gebauet werden. Zu der Fundamentirung untersuchte man den Grund genauer und traf in einer Tiefe von 18 Fuß festen Sandboden, auf welchem der Moor lagerte. Man zog es daher vor, den Grund auszugraben und das Fundament auf den Sand in der Tiefe zu setzen. Man fand beim Ausgraben in der Moorerde viele Thierknochen und Hörner, Holz u. dgl. und auch einige Alterthümer, welche der Hausbesitzer Herr Hübers dem Vereine zu schenken die Güte hatte. Da der Große Moor eine neue Anlage ist, so haben hier an der Grenze des festen Landes und am Ende der alten Straße in alten Zeiten gewiß noch leichte Hintergebäude gestanden, welche die Veranlassung gewesen sind, daß die Sachen hier verloren gegangen sind.

Die Alterthümer, welche 18 Fuß tief, auf dem Sande gefunden wurden, also durch den Moor hindurch gesunken sind, stammen aus dem Mittelalter vor der Reformationszeit und sind folgende:

1 kleiner, unglasurter Henkeltopf von bräunlich gebranntem Thon, 4" hoch;
1 ganz kleiner, grau glasurter Henkeltopf, 2 1/2" hoch;
3 grau glasurte Spindelsteine;
1 eiserne Pfeilspitze;
1 kleines eisernes Hufeisen;
1 kleiner eiserner Hammer;
1 kleiner bronzener Leuchter (?)=Fuß, sechsseitig, mit Klauen, 2" hoch;

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1 bronzene Schnalle;
1 Stück oxdirter Bronze von unregelmäßiger Gestalt; mehrere Münzen aus der neuern Zeit und ein alter bronzener Rechenpfennig.

G. C. F. Lisch.

Ein eiserner Sporn,

mit einem Stachel, statt des Rades, ziemlich stark vom Rost angegriffen, gefunden zu Wahrstorf bei Wismar, ward geschenkt von dem Herrn Witt zu Wahrstorf.

Ein eiserner Sporn

und

eine eiserne Lanzenspitze,

gefunden im Festungsgraben von Dömitz, wurden geschenkt von dem Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar.

Ein Messer

mit zweischneidiger eiserner Klinge und messingenem Griffe, gefunden zu Daschow bei Plau, ward geschenkt von dem Herrn Hauptmann du Trossel zu Wismar.

Ein eiserner Schlüssel,

vielleicht aus dem 16. Jahrhundert, ward zu Wolcken bei Bützow gefunden und von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow geschenkt.

Zwei Hufeisen aus Eisen,

gefunden bei Bützow, schenkte der Herr Friedr. Seidel zu Bützow.

Ein Teller

aus gelblich=weißem Thon, mit einem Vogel in bunt glasurten Blumen in einer gelb glasurten Randeinfassung, ward gefunden in Wismar und geschenkt vom Herrn Dr. Crull zu Wismar. Der Rand des Tellers umher ist ganz abgebrochen. Nach den Formen der Verzierung der Randeinfassung stammt dieser Teller in Vergleich mit datirten zinnernen Tellern aus dem Ende des 16. oder dem Anfange des 17. Jahrhunderts.

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Ofenkacheln von Wismar.

Der Herr Dr. Grull zu Wismar schenkte dem Vereine 22 Bruchstücke von Reliefkacheln aus dem 16. Jahrhundert, von denen die meisten zu Wismar unter einem Hause gefunden sind, welches 1653 an der Stelle eines alten Hauses erbauet war. Die unter diesem Hause gefundenen Kacheln, von denen mehrere öfter vorkommende Brustbilder und andere bildliche Darstellungen enthalten, sind meistentheils hellgrün, einige auch blau und weiß, wenige gelb und schwarz. Einige ganz schwarze, offenbar jüngere Kacheln sind an andern Stellen in Wismar gefunden.

Zehn glasurte Ofenkacheln

aus dem 16. Jahrhundert, in Bruchstücken, schenkte der Herr Dr. Crull zu Wismar.

Vierzehn glasurte Ofenkacheln

in Bruchstücken, meistentheils grün glasurt, aus dem 16. Jahrhundert, gefunden zu Wismar, in der Neustadt, wurden geschenkt von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar.

Eine grünglasurte Ofenkachel,

mit der Reliefdarstellung der FIDES, aus dem 16. Jahrhundert, gefunden im Festungsgraben von Dömitz, ward von dem Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar geschenkt.

Ziegelkacheln von Wismar.

Der Herr Dr. Crull zu Wismar schenkte dem Vereine 6 große Reliefziegel von rothem, gebrannten Thon, in Kachelform, von dem seit 15 Jahren nach und nach modernisirten jetzigen Posthause zu Wismar, in der Meklenburger=Straße, nicht weit von dem ehemaligen "Schwarzen=Mönchs=Kloster". Das Haus ist 1672 von dem Tribunalsassessor Klinkow, unter dem Namen v. Friedenschild geadelt, erbauet. Das Haus war an der Außenseite zwischen den Fenstern der beiden Stockwerke mit Blumen= und Frucht=Guirlanden in gebranntem Thon verziert; die geschenkten 6 Kacheln bilden eine solche Guirlande.

Früher schenkte der Herr Dr. Crull dem Vereine auch ein Stück von einer eben so alten Sammttapete, in braunroth und gold, in großen, schönen Mustern, aus demselben Hause, welches noch andere alte Tapeten besitzt.

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Eine Gußform

aus Sandstein, gefunden zu Dänschenburg im Amte Ribnitz, an der einen breiten Seite mit einer Knopfform, an der andern Seite mit einem gekrönten Herzen, zu einer Spange, ward geschenkt von dem Herrn Pastor Steinfaß zu Dänschenburg.

Ein Pfeifenkopf

aus geschliffenem Granit, gefunden zu Wismar beim Ausgraben eines Kellers in der Weberstraße, ward geschenkt von dem Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar.


Lesepult von Halberstadt.

Der Herr Geheime=Rath von Olfers, General=Director der königl. preuß. Museen, schenkte einen ausgezeichneten Gypsabguß eines großen Adlers von einem Lesepulte, nach dem Originale im Dome zu Halberstadt. Der Adler, welcher mit ausgebreiteten Flügeln das Pult trägt, ist ein sehr merkwürdiges und ausgezeichnet schönes Kunstwerk des frühern Mittelalters.


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II. Zur Baukunde.


1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.

Der Burgwall von Dargun

ist zwar im Jahresbericht VI, S. 70 flgd. (vgl. XII, S. 453) beschrieben, bedarf aber noch fortwährend einer scharfen Beobachtung. Mit dem Orte Dargun gleichlaufend erstreckt sich ein schmaler Höhenzug oder Bergrücken, welcher ungefähr 1/3 Meile lang sein mag und beim Kloster anfangend immer höher steigt, bis er bei der Kirche des Dorfes Röcknitz in die Tiefe abfällt. An den beiden langen Seiten und an dem äußersten Ende Röcknitz gegenüber ist der Bergrücken von tiefen Sumpfwiesen umgeben, welche an einer Seite bis gegen das Kloster reichen und in denen das Wasser zu dem darguner See in den alten Klosterzeiten künstlich aufgestauet ist. Nur gegen die Klosterseite hin hängt dieser Höhenzug mit dem festen Lande zusammen. Der ganze Höhenzug ist mit schöner Buchenwaldung besetzt. Auf der höchsten Spitze, Röcknitz gegenüber, liegt der Burgwall, welcher offenbar zuletzt die wendische Burg Dargun gebildet hat; dies beweisen nicht nur der ganze Bau, welcher eine nicht sehr ausgedehnte kesselförmige Vertiefung oder einen kleinen Burgplatz mit hohen Ringwällen bildet, sondern auch die unzähligen wendischen Gefäßscherben, Kohlen und verbrannten Lehmstücke von den Gebäuden, so wie die noch erkennbaren Grenzen der historischen, wendischen Burg.

Es läßt sich aber nicht leugnen, daß die Lage nicht ganz einer wendischen Burg entspricht. Alle bekannten wendischen Burgen in Meklenburg sind so gebauet, daß ein verhältnißmäßig kleiner Burgwall in einen Sumpf oder See hineingeschüttet ist, ohne daß er unmittelbare feste Umgebungen hätte;

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dies ist wendische Sitte. Der Burgwall von Dargun hat aber so viel festes, freilich umher durch Wiesen geschütztes Land hinter sich, daß es ein kleines Landgut bilden könnte. Der Burgwall ist freilich durch drei sehr tiefe Gräben mit steilen Böschungen, welche in weiten Entfernungen von einander queer über von Wiese zu Wiese den Höhenzug durchschneiden, und durch einen Laufgraben am Rande des Höhenzuges geschützt; diese Art von Befestigung ist aber durchaus keine wendische.

Ich glaube daher annehmen zu können, daß die Burg Dargun nicht von den Wenden angelegt ist, sondern noch aus der germanischen Zeit stammt und von den Wenden nur benutzt ward, da sie einmal vorhanden und auch ziemlich paßlich war. Für diese Annahme scheint nicht nur die ganze Beschaffenheit und Anlage zu reden, sondern auch der Umstand, daß sich auf dem Rücken des Höhenzuges vor den Queergräben überall viele Kegelgräber aus der (germanischen) Bronzeperiode finden.

G. C. F. Lisch.

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Der wendische Burgwall von Krakow.

Es mußte bei der Stadt Krakow irgendwo ein wendischer Burgwall liegen, da die Gegend in alter Zeit nicht ohne Bedeutung ist. In der Nähe von Krakow wurden noch spät Land =, Huldigungs= und Musterungstage für die Ritterschaft des Landes Werle gehalten (vgl. Jahrb. XII, S. 176). Krakow bildete in alter Zeit ein "Land"; jedoch hat dies früh seine Bedeutung verloren, da es schon im 14. Jahrhundert mit der Vogtei Plau zusammen verwaltet ward (vgl. Jahrb. XVII, S. 113). Wenn sich nun auch bei Krakow eine alte fürstliche Gauburg aus der Wendenzeit vermuthen ließ, so war sie doch nicht aufzufinden; erst in den neuesten Zeiten ist durch Befahrung des Sees unter Führung kundiger Leute die Entdeckung 1 ) möglich geworden.

Der wendische Burgwall von Krakow liegt ziemlich versteckt und ist nur durch unmittelbare Anschauung vom See aus zu entdecken. Er liegt im krakower See, an der Seite der Stadt Krakow, auf Stadtgebiet, nicht weit von dem am Seeufer liegenden Dorfe Möllen, dem "Alten Schlosse Dobbin" gegenüber (vgl. unten: die mittelalterlichen Burgen von Dobbin S. 306). Er liegt nahe am Ufer, ist jedoch rings von Wasser


1) Ich verdanke diese Entdekung der freundlichen Beförderung des Herrn Domainen=Raths von Brocken auf Dobbin.
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umflossen und hat nur auf der Seeseite etwas niedriges Vorland zur Aufnahme einer Vorburg. Vielleicht steht der Burgwall auf einer kleinen natürlichen Insel und ist durch Kunst nur erhöhet; vielleicht ist er aber auch ganz aufgetragen. Der Burgwall, welcher im Volke noch heute den Namen "Borgwall" führt, ist rund und trägt auf dem Rande umher eine regelmäßige, breite, runde, wallartige Erhöhung, welche sich nach dem Innern hin kesselförmig senkt. Dieser Ringwall hat auf seiner Höhe einen Umfang von 240 Schritten. Die Erde der ganzen Oberfläche ist ohne Zweifel aufgetragen; sie ist sehr leicht und läßt sich beim Gehen tief eindrücken, wenn sie auch ganz trocken ist: dem Anschein nach ist es schwarze Wiesenerde vom Seeufer, mit Sand vermischt. Gegenwärtig ist die Oberfläche beackert und war im J. 1858 mit Kartoffeln bepflanzt. Die Erhebung des ganzen Burgwalles über den Seespiegel mag ungefähr 20 Fuß betragen. Der Beweis dafür, daß dieser Burgwall ein wendischer sei, war überall zu finden: überall wurden ohne Mühe schon auf der Oberfläche, namentlich am innern Rande des Ringwalles, zahlreiche Gefäßscherben gefunden, welche durch die Vermengung des Kerns mit Steingrus sich als heidnische Gefäßscherben offenbarten; nach den wellenförmigen und andern Verzierungen gehören die Gefäßscherben der wendischen Zeit an. Der Burgwall ist also nach Lage, Gestalt und Gefäßscherben ohne Zweifel ein wendischer Burgwall. Auch Thierknochen wurden gefunden. Nachgrabungen würden gewiß viel Scherben und Knochen und auch wohl Alterthümer zu Tage fördern, da dieser Burgwall noch ziemlich in seiner alten Gestalt steht. Scherben aus dem christlichen Mittelalter wurden gar nicht gefunden, so daß sich annehmen läßt, dieser Burgwall sei mit dem Untergange des Heidenthums wüst gelegt worden.

In der Lage und Gestalt gleicht dieser Burgwall ganz dem südlich davon gelegenen Burgwalle von Quetzin (oder Kutsin) bei Plau (vgl. Jahrb. XVII, S. 23 flgd.) und ist dem Burgwalle von Bisdede im gutower See bei Bölkow, in der Nähe von Güstrow, (vgl. Jahrb. XII, S. 453 flgd.) sehr ähnlich.

Es ist also queer durch das Land von Norden nach Süden jetzt eine ganze Reihe ähnlich gebaueter und liegender wendischer Burgen entdeckt, nämlich von Norden nach Süden: Rostock, Kessin, Werle (bei Wiek in der Nähe von Schwaan), Bützow, Bisdede (im gutower See bei Bölkow in der Nähe von Güstrow), Krakow und Quetzin.

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Ob das untergegangene Dorf Werle südwestlich vom krakower See bei Horst oder Hahnenhorst (vgl. Lisch Gesch. des Geschlechts Hahn II, S. 374 und Jahrb. VIII, S. 219) in historischer Beziehung zu dem Burgwall von Krakow steht, ist wohl nicht zu ermitteln.

Zu bemerken ist, daß von den vielen Inseln des krakower Sees zwei Inseln im nördlichen Theile des Sees nicht weit von dem Burgwalle: der Schwerin (Thiergarten) und die Lieps heißen; dieselben Namen führen bekanntlich auch zwei Inseln im schweriner See.

An den Ufern des krakower Sees waren alte adelige Familien von offenbar wendischer Herkunft mit großem Grundbesitz angesessen, z. B. am östlichen Ufer dem Burgwalle gegenüber die Barold auf Dobbin, am nördlichen Ufer die Grube auf Grube (jetzt Charlottenthal). Bei Krakow liegt noch ein anderer See, welcher seit alter Zeit der Oldendorper See heißt, sicher von einem alten wendischen Orte Oldendorp so genannt, welches vielleicht mit dem Aufbau der Stadt Krakow unterging; von diesem Orte hatte vielleicht die Familie von Oldenstadt ("de Antiqua Civitate") den Namen, welche um das Jahr 1450 ausstarb und nicht mit der Familie von Oldeburg verwechselt werden darf, welche am südostlichen Ufer des krakower Sees auf Glave saß.

Dem wendischen Burgwalle von Krakow gegenüber liegt das große Gut Dobbin. Der jetzige Hof Dobbin liegt wohl auf der Stelle, wo seit dem Mittelalter der Hof gestanden hat. Aber am nördlichen Ende der sehr großen Feldmark, wohl eine halbe Stunde vom Hofe enfernt, liegt am See ein sehr ausgedehnter Burgwall, auf welchem wohl Dobbin im Anfange des Mittelalters gestanden hat. Der noch mit einem Graben umgebene Burgwall ist mit Holz und Buschwerk dicht bewachsen. Vor diesem Burgwall liegt ein großer Platz, jetzt beackert, auf welchem sich häufig gelblich gebrannte Lehmstücke von Klemstaken, wie aus der heidnischen Zeit, finden, auch ein runder Platz, wo dergleichen gefunden wird. Dies ist wohl das Dorf und die Vorburg gewesen. Vielleicht hat dieser Burgwall aus der heidnischen Zeit in das Mittelalter hineingereicht. Sehr hoch ist er nicht, auch nicht von Sumpfwiesen umgeben, wenn auch von feuchtem Boden. Eine Langseite stößt an den krakower See.

Eine andere Burgstätte, Alt=Dobbin genannt, liegt im südlichen Theile des krakower Sees, in der Gegend des jetzigen Hofes. Hier ward die schöne römische Bronze=Vase im See gefunden.

G. C. F. Lisch.


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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.

a) Weltliche Bauwerke.

Die mittelalterlichen Burgen von Dobbin.

Das große Gut Dobbin am östlichen Ufer des krakower Sees war ein uraltes Lehn der uralten, sicher wendischen adeligen Familie Barold, welche im J. 1746 ausstarb. Auf diesem Gute, welches mit seinen Zubehörungen ungefähr 3/4 Quadratmeilen groß ist, sind mehrere Burgstellen, welche andeuten, daß der Rittersitz oft verändert ist; vielleicht hangen einige davon noch mit alten wendischen Fürstenburgen zusammen. Auf dem Gute Dobbin liegen folgende Burgstellen 1 ) mit folgenden noch gebräuchlichen Namen:

1) Der jetzige "neue Hof", im Festlande, neben Wiesenflächen gelegen, bei welchem aber keine Spur von einem alten Schlosse mehr vorhanden ist.

2) Der "Alte Hof", welcher in der Nähe des neuen Hofes in der Wiese unterhalb der Kirche gelegen haben soll; von diesem ist keine Spur mehr vorhanden.

3) "Alt=Dobbin", westlich vom neuen Hofe am See. Hier soll in alten Zeiten Dobbin gestanden haben; die Stelle war früher eine Insel, hat aber keine Spur von Ueberresten der Vorzeit.

Hier dicht bei Alt=Dobbin ward im Wasser im Rohr nicht weit vom Lande, die schöne, große römische Bronze=Vase gefunden, welche in Jahrbüchern VIII, S. 50 flgd, beschrieben und abgebildet ist. Nach dem Berichte der Leute stand sie im Wasser im Rohr, ward von einem Ruder berührt und dadurch entdeckt und konnte so gesehen werden, wie sie auf dem Grunde stand.


1) Ich verdanke die folgenden Entdeckungen der freundlichen Beförderung des Herrn Domänen=Raths von Brocken auf Dobbin.
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4) Das "Alte Schloß Dobbin", nördlich weit vom neuen Hofe und "Alt=Dobbin". Dieses "Alte Schloß Dobbin" liegt auf einem Vorsprunge in den krakower See, dem wendischen "Burgwall" von Krakow (vgl. oben S. 303) und dem Dorfe Möllen grade gegenüber, an der Verengung des krakower Sees. Dies ist eine kleine mittelalterliche Burg; sie ist rund, noch von einem Wallgraben umgeben, mit Fundamenten von Granitblöcken und Ziegeln bedeckt, sehr zerstört und mit dichtem Holzgestrüpp bewachsen.

Ueber diese beiden alten Burgen erzählen sich verständige Leute in Dobbin noch folgende Sagen. Zwischen "Alt=Dobbin" und dem "Alten Schlosse Dobbin" lag am Ufer entlang eine große, lange Stadt; davon sollen noch viele Steinkreise zeugen, welche am Ufer entlang zwischen beiden alten Burgen liegen. Diese Stadt hieß die "Kronstadt", welche "die Kronenstadt von ganz Meklenburg gewesen" sein soll. Auf den beiden Schlössern "Alt=Dobbin" und "Alt Schloß Dobbin" wohnten zwei alte Fürsten, welche "Nikolosky" und "Belensky" hießen; diese lagen mit einander im Kriege, welcher endlich durch eine "Vermählung" beendet ward.

Sollte in dieser Sage noch der Name Niklot durchklingen und in dem Namen Belensky das gute Princip des Belbog (weiß, gut)?

Die Familie Barold ist bei den Leuten in Dobbin noch allgemein bekannt.

Jedenfalls sind die vielen Burgstellen und die Sagen in Verbindung mit dem wendischen Burgwalle von Krakow und der Familie Barold von Interesse.

G. C. F. Lisch.

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Die Burg der Moor=Hoben

an der Trebel.

In den Trebelwiesen, welche jetzt zu Quitzenow gehören, liegt unterhalb des pommerschen Dorfes Bassendorf an einer halbkreisförmigen Ausbiegung der Trebel eine alte Burgstelle, welche wohl theils durch Versinken des schwereren aufgetragenen Bodens, theils durch Aufwachsen des sie umgebenden Torfmoores sich kaum 2 Fuß hoch über die Wiesenfläche erhebt. Die Burgstelle mit den beiden sie fast kreisförmig umgebenden Wällen ist aber auch an dem verschiedenen Pflanzenwuchs kenntlich. Sie hat eine bedeutende Größe, da die Durchschnittslinie (der Durchmesser) des äußeren Wallgrabens und bis an die Trebel fast 27 Ruthen beträgt; der mittlere Theil, die eigentliche Burgstelle, hält aber nur 2 Ruthen im Durch=

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messer. Die Wallgräben sind zwar ebenfalls ausgewachsen, sind aber ebenfalls am Pflanzenwuchs kenntlich. Der äußerste Graben beschreibt nur einen Halbkreis, da er auf beiden Seiten in die Trebel mündet und dieser Fluß zur Ergänzung des Kreises dient. Da nun die Wälle selbst gewöhnlich unterbrochen waren, so konnten kleine Fahrzeuge (Kähne, Böte) von der Trebel bis an die innere Burg gelangen. Von der Burg aus führte ein, aus vier Zoll dicken, geschnittenen eichenen Bohlen gebildeter Weg über die Torfwiesen in südwestlicher Richtung auf das feste Land zu und endigt mit einem Steindamm. Diese Bohlen sind dicht an einander gelegt, aber nicht breiter, als daß grade ein Wagen darauf fahren kann. Eine Unterlage haben die Bohlen nicht; waren einige schadhaft geworden oder tiefer in den Boden gesunken, so wurden andere darauf gelegt. Jetzt ist der ganze Weg ungefähr 2 Fuß mit Torf überwachsen und beim Stechen von Torf entdeckt und seiner Länge nach verfolgt worden.

Von dieser Burg geht in jener Gegend folgende Sage: Die Familie von Hobe besaß in älterer Zeit viele Güter 1 ) rings umher, von welcher die auf der Burg an der Trebel auf dem Gebiet von Quitzenow sitzenden den Namen die Moor=Hoben führten, während ihre Vettern auf der Burg Wasdow die Burg=Hoben genannt wurden. Die Moor=Hoben machten oftmals Raubzüge in das gegenüberliegende Land Pommern, so wie auf Kähnen die Trebel auf= und abwärts, wobei sie oft reiche Beute machten und viele Schätze in ihrer Burg aufhäuften. Als sie aber einmal von einem solchen Zuge heimgekehrt waren, bemerkten sie, daß man ebenfalls auf Kähnen sie verfolge und die Absicht habe, sie auf ihrer Burg anzugreifen. Da an eine erfolgreiche Vertheidigung bei der Ueberlegenheit ihrer Verfolger nicht zu denken war, so beschlossen sie, mit ihren besten Schätzen zu ihren Vettern auf Wasdow sich in Sicherheit zu begeben. Sie packten deshalb ihre Kostbarkeiten in einen großen eisernen Kasten, der auf einem Wagen befindlich war, und traten mit demselben in der Nacht ihre Wanderung auf dem Bohlendamm an. In der Dunkelheit verfehlten sie entweder den Weg, oder trafen eine schadhafte Stelle desselben, oder die Last war zu groß, genug, sie versanken mit ihrem Schatze allesammt ins Moor.

Friedrichshöhe.

J. Ritter.


1) Das Gut Wasdow mit dem Meierhof Quitzenow war das alte Stammlehngut der Familie von Hobe, welches lange Zeit bei der Familie war.
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b) Kirchliche Bauwerke.

Die Kirchen zu Ratzeburg.

Der Dom zu Ratzeburg

ist schon 1835 von dem Architekten Lauenburg zu Hamburg ziemlich zutreffend beschrieben vgl. Masch Gesch. des Bisth. Ratzeburg, S. 747 flgd.) und von mir in den Jahrb. VII, S. 61, XI, S. 420 und XX, S. 312 ergänzend erläutert. Aus diesen Untersuchungen ergiebt sich, daß diese Kirche ganz im romanischen Baustyle im letzten Viertheil des 12. Jahrh. nach dem Muster des Domes zu Braunschweig, also seit 1172 (vgl. Masch a. a. O. S. 76 - 77), aufgeführt ist. Die Kirche ist jedenfalls jünger, als die Stiftung des Bisthums, da die Stiftung der ersten Kirche, von der aber wohl nichts mehr vorhanden ist, zwischen 1158 und 1162 fällt (vgl. Masch a. a. O. S. 76, und Jahrb. XX, S. 312). Wahrscheinlich begann der Bau in dem Jahre 1172, in welchem auch die Dome zu Braunschweig und Lübeck gegründet wurden. Im Mai 1858 untersuchte ich die Kirche, welche ich lange nicht gesehen hatte, vorzüglich wegen der Wandmalereien, da von mehrern Seiten geäußert war, daß es sich schwer bestimmen lasse, ob die Wandmalereien alt oder jung seien. Die Wände der Kirche sind ganz mit Wandmalereien in grau bedeckt. Diese sind aber offensichtlich sehr jung und ohne Zweifel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ausgeführt, als man anfing, die Kirchen im Innern auszuweißen und, freilich sehr schlecht, wieder zu bemalen. Zum Beweise dient, daß im nördlichen Kreuzschiffe das bekannte siebenschildige meklenburgische Wappen des Herzogs Christian Louis in einem Gemälde angebracht und in der Vierung gegen Norden das Bild des Herzogs in einem marmornen Relief in einen Pfeiler eingemauert ist. Etwas anders verhält es sich mit der Bemalung

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der Fenster= und Thüreinfassungen und der Ecken der Pfeiler u. s. w. Diese sind mit spiralförmig gewundenen Bändern in roth, grün oder gelb und schwarz verziert. Diese Bemalung ist freilich auch jung, aber sie ist nach den alten Farben immer wieder aufgemalt, und unter den jungen Tünchen sitzt, nach Lauenburgs Untersuchungen, die erste, alte Bemalung unmittelbar auf den Steinen. Die Wände und Pfeiler der Kirche haben aber urspünglich im Rohbau gestanden, wie dies schon daraus hervorgeht, daß die Kirche nicht geputzt ist. An manchen Stellen ist beobachtet, daß an den Pfeilern Schichten von rothen und grün glasurten Ziegeln wechseln, wie an der Kirche zu Büchen und andern Kirchen. Ob aber in der Höhe, z. B. an den Gurtbogen, nicht noch alte Malereien zu finden sind, ist noch die Frage. Ueberhaupt verdient die Kirche, so wie der Kreuzgang, noch einer längern, gründlichen Untersuchung und Beschreibung und sollen diese Zeilen nur Andeutung und Anregung zur Erforschung geben.

Was den Dom zu Ratzeburg vor allen mir bekannten Ziegelkirchen auszeichnet, ist die Eigenthümlichkeit, daß das Mittelschiff und die eigenthümliche Eingangskapelle von weißlichen oder gelben Ziegeln 1 ) aufgeführt ist.

Besonders war mir die Besichtigung der S. Georgen=Kirche von Werth, welche noch nicht untersucht ist.

 

Die S. Georgen=Kirche von Ratzeburg.

Während der Dom auf der Insel der Stadt steht, steht weit vor der Stadt hoch auf dem Ufer des Sees in malerischer Lage eine alte Kirche zum H. Georg, welche mit dem zu Meklenburg gehörenden Dome in engster Verbindung stand. Nach der Analogie unzähliger Beispiele sollte man glauben, die Kirche gehöre einem Georgen=Hospitale an, welches fast jede Stadt vor den Thoren hatte. Dies ist aber nicht der Fall. Zu den Zeiten der Stiftung des Bisthums (1154) war der Bischofssitz auf dem S. Georgenberge vor Ratzeburg, wo schon ungefähr hundert Jahre vorher ein Kloster gegründet gewesen war; es war jedoch schon 1158 beschlossen, auf der Insel eine Kirche zu erbauen, deren Gründung aber wohl erst in das Jahr 1172 fällt (vgl. Masch a. a. O. S. 76).


1) Mir ist nur noch die spitzbogige Marienkirche zu Rostock bekannt, an welcher Schichten von gelben und schwarzen Ziegeln wechseln, - Vgl. jedoch unten S. 316 die Kirche zu Bützow.
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Der Baustyl der S. Georgen=Kirche ist nun für die Vergleichung mit der Baugeschichte des Doms von großer Wichtigkeit. Die Kirche bildet ein langes, einschiffiges Rechteck und ist im Osten durch eine grade Altarwand geschlossen. Halbkreisförmige Apsiden sind nicht vorhanden. Leider ist an der Kirche überall viel verbauet, zerstört und übertüncht.

Der viereckige Chor, welcher außen mit Kalk übertüncht ist, hat zu beiden Seiten noch Reste von einem doppelten Rundbogenfries, der immer von zwei sich durchschneidenden Halbkreisen gebildet ist. Der Triumphbogen ist rund gewölbt. Wahrscheinlich ist der Chor der älteste Theil der Kirche.

Das Schiff ist von rothen Ziegeln gebauet, hat Lissenen und zwei, jetzt zugemauerte, einfache Rundbogenpforten; die Fenster werden rundbogig gewesen sein, sind aber sehr verbauet und schwer erkennbar. Das Schiff hat jedoch keinen Rundbogenfries, sondern einen Zahnfries aus einer dreifachen Reihe von Zahnschnitten.

Das Thurmgebäude oder das westliche Drittheil der Kirche ist unten zur Kirche gezogen. Dieser Theil ist für die Baugeschichte der ratzeburger Kirchen vielleicht sehr wichtig. Das Gebäude steht auf einem Granitfundament, welches mit rothen Ziegeln erhöhet ist; die Hauptmauern bestehen aber aus denselben gelben Ziegeln, aus denen der Haupttheil des Domes erbauet ist, haben jedoch Ecken aus rothen Ziegeln, welche von den Fundamenten hinaufreichen. Die Fenster sind rundbogig, wie am Dome; ein Fries fehlt. Die westliche Pforte im Thurm ist aber schon altspitzbogig. Dieser Theil der Kirche ist wahrscheinlich der jüngste und in Berücksichtigung der seltenen gelben Ziegel vielleicht in der letzten Zeit des Dombaues ausgeführt.

Diese Beobachtungen sollen nur leitende Andeutungen sein. Wünschenswerth wäre eine genaue Untersuchung, Vergleichung und Beschreibung der beiden Kirchen und der Kreuzgänge, wozu jedoch mehr Zeit gehört, als mir vergönnt war; jedenfalls dürften einige Tage und Vorrichtungen zur Untersuchung der Gurtbogen und Gewölbe dazu gehören.

G. C. F. Lisch.


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Die Kirche zu Neuenkirchen

bei Bützow oder Schwaan ist schon in den Jahrbüchern X, S. 310 richtig beschrieben, jedoch muß ich nach wiederholter Untersuchung manche Eigenthümlichkeit bestimmter aussprechen und neue Entdeckungen hinzufügen.

Die Kirche, welche aus einem viereckigen gewölbten Chor und einem oblongen Schiffe von zwei Gewölben Länge besteht, ist im Styl und in den Verhältnissen sehr schön, tüchtig und würdig gebauet und gehört zu den schönsten Kirchen gleicher Größe im Lande.

Die Kirche ist aus Feldsteinen gebauet mit Ziegeleinfassungen an Fenstern und Thüren; jedoch sind im Schiffe nach oben hin mehr Ziegel angewandt, als im Chor.

Der Chor ist ganz bestimmt im rundbogigen oder romanischen Baustyle aufgeführt. Alle Fenster, welche mit glatter Laibung schräge eingehen, und die Pforten sind rund gewölbt und das Gewölbe ist ein romanisches Gewölbe ohne Rippen.

Von hohem Interesse ist die Bemalung der Außenwände des Chores. Die natürlich sehr unregelmäßigen Lücken des Feldsteinbaues sind mit altem, festen Kalkputz ausgefüllt, aus welchem die einzelnen glatten Feldsteinflächen hervorsehen. In diesen Kalkputz sind breite Fugen nicht tief eingeritzt, so daß dadurch im Ganzen die Unregelmäßigkeit der Feldsteine ausgeglichen wird; diese eingerissenen Fugen bilden große Quadern, nach Form des Werksteinbaues. Die Feldsteine sind dunkelgrau, der Kalkputz ist gelblichgrau, die eingerissenen Fugen aber sind mit einem schönen Roth bemalt gewesen. Noch wichtiger ist aber, daß oben ein Fries mit weißem Kalk angeputzt ist, welcher mit romanischem Ornament in roth bemalt ist. Leider sind nur noch wenig Ueberreste von dieser äußern Bemalung übrig.

Das Schiff ist ein etwas jüngerer, alter Uebergangsbau mit gespitzten Fenstern und Thüren. Auch der Triumphbogen zwischen Chor und Schiff, welcher immer zum Bau des Schiffes gehört, ist spitzbogig.

G. C. F. Lisch.

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Die Kirche zu Bützow.

Die Kirche zu Bützow, welche schon früher in Mantzel's Bützowschen Ruhestunden, 1761 flgd., in verschiedenen Theilen, und in Geisenhayner's Mecklenburgischen Blättern I, 1818, Stück 10 und 11, darauf aber in den Jahrbüchern, III, B, S. 137 flgd. und X, A, S. 302 flgd., auch VIII, S. 4 flgd. und XV, S. 314 beschrieben ist, hat jetzt zwar ihre richtige Würdigung gefunden, verdient aber eine noch genauere Beschreibung und Beurtheilung, welche jetzt theils erleichtert, theils vernothwendigt ist, da die Kirche gegenwärtig (1858 - 1859) in der Restauration begriffen ist.

Die Kirche hat als ein ungewöhnlich schönes Bauwerk in neuern Zeiten oft die Aufmerksamkeit der Kunstkenner und Architekten auf sich gezogen; namentlich hat aber, Essenwein in seinem Werke: "Norddeutschlands Backsteinbau im Mittelalter" die Kirche vor vielen andern der Aufmerksamkeit werth gehalten und mehrere Gegenstände aus derselben beschrieben und abgebildet.

In den Jahrbüchern X, S. 303 ist die Beobachtung auseinandergesetzt, daß die Kirche aus mehrern ganz verschiedenen Theilen besteht. Der Altarraum ist in der Zeit 1365 - 1375 neu angebauet; die übrigen Theile der Kirche sind aber viel älter und zwar fortschreitend von Osten gegen Westen immer jünger.

Die Kirche ist jetzt eine Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen, von denen das Mittelschiff weit, die Seitenschiffe aber schmaler sind, und einem gleich hohen, weiten polygonen Chorschluß von drei großen Kapellen.

Die Eigenthümlichkeiten des ganzen Baues lassen sich wesentlich nur aus dem Mittelschiffe, abgebildet in Lisch Meklenburg in Bildern, III, zu S. 7 flgd., erkennen, da das Aeußere, von rothen Ziegeln, ziemlich gleichmäßig für den ersten Anblick umgestaltet ist.

Die Kirche besteht nach den Untersuchungen im Innern aus fünf verschiedenen Theilen. Jeder Theil der eigentlichen Kirche hat im Innern zwei Pfeilerpaare, von denen jedoch immer nur ein Paar ganz vollständig ist, das zweite Paar aber nur in je zwei halben Pfeilern, welche sich zu beiden

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Seiten an die Hälften der nächstfolgenden jüngern Pfeiler lehnen und mit diesen zusammen einen ganzen Pfeiler aus zwei verschiedenen Hälften bilden. Die ganze Kirche hat jetzt 16 Pfeiler oder 8 Pfeilerpaare.

1) Die alte Kirche. Gegen Osten hin vor dem Chore stehen die Reste der alten Kirche, wie wir sie nennen wollen, im Mittelschiffe ein Raum von zwei Gewölben Länge, welche jetzt auf einem ganzen Pfeilerpaare und zwei halben Pfeilerpaaren ruhen. Dies ist das Schiff der alten Kirche, an welche früher wahrscheinlich eine kleinere, viereckige Altarkirche im Osten angebauet war, welche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dem weiten polygonen Chorschluß Platz machen mußte. Diese alte Kirche war sehr niedrig und nur halb so hoch, als die jetzige Kirche. Es sind nicht allein die Pfeiler mit ihren Kapitälern, sondern auch noch ziemlich bedeutende Reste von den Gurtbogen vorhanden. Als ein neuerer Theil angebauet ward, wurden die Gurtbogen zum Theil ausgebrochen und die Pfeiler mit schlichtem, rohem Mauerwerk ohne irgend einen Schmuck bis zur Höhe der neuen Pfeiler erhöhet und beide Theile in gleicher Höhe überwölbt. Die Pfeiler dieser alten Kirche sind an den vier Seiten mit Halbsäulen und eben so an den vier Ecken in den Winkeln bekleidet und haben schön und kräftig modellirte, mit Weinlaub geschmückte Kapitäler aus Ziegel, welche alle gleich sind. Die Gurtbogen in der Länge sind nach den vorhandenen Resten noch im Halbkreise gewölbt gewesen. Dies ist ohne Zweifel die alte Kirche, welche der Bischof Brunward von Schwerin schon vor dem Jahre 1229 geweihet hatte (vgl. Jahrb. VIII, S. 5), welche also im ersten Viertheil des 13. Jahrhunderts erbauet sein muß. Diese alte Kirche hatte dieselbe Breite, welche jetzt noch die ganze Kirche hat; man sieht dies klar an den Resten der alten Pilaster, welche noch im Innern an den Seitenwänden stehen; diese Breite ist also im Laufe der Zeit für die ganze Kirche maaßgebend gewesen. Dieser Theil hat noch keine Strebepfeiler. Die mit Weinlaub schön gezierte, schon spitzbogige Hauptpforte 1 ) in der Nordwand gehört noch zu der alten Kirche; die Fenster sind aber in jüngern Zeiten umgestaltet, erhöhet und erweitert. Von außen ist gewaltig viel Schutt gegen die Kirche gekommen, so daß man jetzt viele Stufen in die Kirche hinabsteigen muß; es liegt jetzt im ganzen Lande wohl keine Kirche so tief, als die bützowsche.


1) Abgebildet in Essenwein Norddeutschlands Backsteinbau im Mittelalter, Taf. XXXI, S. 10 und 23.
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Die Straßen umher und der Marktplatz liegen aber jetzt eben so hoch; es muß also nach den Bränden in alter Zeit der meiste Schutt in die Straßen und auf die öffentlichen Plätze geschüttet sein, vielleicht mit Absicht, weil die Umgebung der Stadt niedrig und sumpfig ist und die Stadt vielleicht nicht ganz auf festem Boden steht. Die Ziegel dieses Theiles sind ausgezeichnet, hart und glatt und in den Verzierungen vortrefflich modellirt. Einzelne ungewöhnliche Erscheinungen kommen sonst in Meklenburg wohl nicht weiter vor. So sind z. B. die starken Dienste oder kleinen Halbsäulen in den Winkeln aus Stücken zusammengesetzt, von denen jedes gegen 6 Fuß lang ist.

2) Das neue Schiff. An den alten Teil lehnt sich gegen Westen hin ein neuerer Bau von gleicher Länge, zwei Gewölbe lang, welcher an jeder Seite in der Längenaxe durch einen Gurtbogen im strengen, alten Spitzbogen mit den angrenzenden Theilen in Verbindung steht. Diese neue Kirche ist der alten Kirche ähnlich gebauet, aber noch einmal so hoch, als die alte Kirche gewesen ist. Die Pfeiler sind ebenfalls mit Halbsäulen bekleidet, welche ebenfalls reich geschmückte, kräftig modellirte Kapitäler tragen; diese Kapitäler sind jedoch nicht mit demselben Weinlaub verziert, sondern haben sehr verschiedenartige Verzierungen aus verschiedenem Laubwerk, grotesken Menschen= und Thiergestalten, Menschenköpfen, alles aus hoch modellirten, gebrannten Ziegeln. Dieser Theil, welcher schon einen hohen, strengen Spitzbogen zeigt, ist ohne Zweifel in der zweiten Hälfte (vielleicht im dritten Viertheil) des 13. Jahrhunderts bald nach der Gründung des Collegiatstiftes im J. 1248 gebauet. Dieser Theil hat schon eine höhere, schlankere Pforte, Strebepfeiler im Aeußern, und sonstige Eigenthümlichkeiten des Spitzbogenstyls.

3) Der alte Thurm. An die neue Kirche ist gegen Westen hin ein alter Thurm angelegt. dessen untere Räume mit zur Kirche gezogen sind. An den Ecken stehen 4 starke rechtwinklige Pfeiler in glattem Mauerwerk ohne allen Schmuck; diese Pfeiler springen weit in das Mittelschiff vor und sind dazu bestimmt gewesen, einen Thurm zu tragen. Zwischen je zwei starken Pfeilern steht ein ähnlicher, viel schmalerer Pfeiler, um die Gewölbe zu tragen. Vielleicht ist die Thurmspitze im Mauerwerk nie zur Ausführung gekommen, vielleicht abgetragen; so viel ist aber gewiß, daß der untere Raum seit alter Zeit, wie jetzt, zur Kirche gezogen ist. Diese Thurmanlage stammt sicher auch noch aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und ist ohne Zweifel bald nach dem neuen Schiffe erbauet.

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4) Der neue Chor. Gegen Osten lehnt sich an die alte Kirche ohne Gurtbogen der neue polygone Chorschluß, in der Gestalt und Anlage der übrigen großen Kirchen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dieser neue Chor ist kurz vor dem J. 1364 gegründet und im dritten Viertheil des 14. Jahrhunderts unter dem Bischofe Friedrich II. v. Bülow, 1365 - 1375, gebauet (vgl. Jahrb. X, S. 304, und XV, S. 315). Dieser Chor hat einen hohen Granitsockel und viele starke Strebepfeiler, welche mit dem Wappen des genannten Bischofs geziert sind.

5) Der neue Thurm. Im Westen ist an die alte Thurmanlage der jetzige dicke Thurm gebauet. Dieser Bau stammt aus jüngerer Zeit, vielleicht aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts. Dies geht schon daraus hervor, daß die Pforte unten mit dem erhöheten Straßenpflaster gleich liegt; der Thurm kann also erst erbauet sein, als die alte Aufschüttung um die Kirche schon vollendet war.

Dies ist ungefähr der Bau der merkwürdigen Kirche. Von noch größerer Merkwürdigkeit ist aber die innere Färbung derselben. Die Ringmauern, welche in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beim Anbau des neuen Chores vielfach umgestaltet und in eine ziemlich gleiche Form gebracht sind, der neue Chor gegen Osten und der neue Thurm gegen Westen sind von rothen Ziegeln gebauet. Das Innere der alten Theile (1. der alten Kirche, 2. des neuen Schiffes und 3. des alten Thurmes) d. h. die Pfeiler, Kapitäler, Gurtbogen, Gewölbe, sind aber von gelbweißen Ziegeln von ganz ungewöhnlicher Güte ausgeführt. Dies ist eine Merkwürdigkeit, welche die Kirche vor allen andern Meklenburgs auszeichnet. So viel ich mich erinnere, ist nur das Mittelschiff und die Vorhalle des Domes zu Ratzeburg und der alte Theil der S. Georgen=Kirche vor Ratzeburg aus gleichen Ziegeln und die Marienkirche zu Rostock im Aeußern mosaikartig aus gelbweißen und dunkelgrün glasurten Ziegeln gebauet. Die Ziegel von Bützow und Rostock sind wohl gewiß in Schwaan gemacht und auf der Warnow nach Bützow und Rostock gebracht, wie jetzt die Ziegel zur Restauration der bützowschen Kirche wieder in Schwaan verfertigt werden. Die Kirche war in jüngern Zeiten stark mit Kalk verschmiert und die Architektur zur Anbringung von Chören, Stühlen, Epitaphien und Bildern auf eine barbarische Weise mitgenommen. Es gab Pfeiler, an denen unten jede Halbsäule in verschiedenen Höhen und Richtungen abgehauen war; ja man war sogar in den viereckigen Kern der Pfeiler gedrungen. Dies ist die erste "Reparirung" des vori=

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gen Jahrhunderts. An der westlich belegenen Wand des nördlichen Seitenschiffes stand folgende Inschrift:

Diese Kirche ist vordem der heiligen Elisabeth geweihet, nun aber dem dreieinigen Gott zu Ehren repariret. MDCCXXIIX.

Die erste Sorge bei der Restauration war, die Architektur von der Kalktünche möglichst zu befreien und alle Gliederungen wieder herzustellen und zur Anschauung zu bringen. Bei dieser Restaurationsarbeit hat sich ergeben, daß die Kirche in alter Zeit ganz im Rohbau stand, nur die natürlichen Farben zeigte und, wie gewöhnlich die Spitzbogenkirchen, nicht mit einer durchgehenden Malerei geschmückt war. Diese eigenthümlichen Farben des Rohbaues werden gegenwärtig bei der Restauration wieder hergestellt.

Die Malereien, welche sich in der Kirche fanden, waren einzelne Stücke, welche besondere Beziehungen hatten. Es wurden bei der Restauration folgende Wandmalereien entdeckt, welche jedoch so verblichen und zerstört waren, daß sie kaum erkannt und nicht erhalten werden konnten. Diese Malereien waren folgende.

An der Südwand der alten Kirche neben dem Fenster war ein Bild der H. Katharina in Lebensgröße mit der Inschrift in großen Minuskeln zu beiden Seiten der Krone: Sca . katherina. Die rohe Mauer war nur ein Mal übergetüncht, nicht geputzt, und darauf die Gestalt in derben Umrissen gemalt. Hier stand der Altar der H. Katharina; im Visitations=Protocolle von 1555 heißt es: "Zur linken Handt am khor Sanct Katharinen altar". Dieser Altar ward im J. 1365 gegründet; vgl. Jahrb. X, S. 229 und XV, S. 315; der gestickte schmale Altarbehang ist noch vorhanden. Um jene Zeit wird der Anbau des neuen Chores schon begonnen und die Umgestaltung der Fenster schon durchgeführt sein.

Etwas weiter gegen Westen war eine große Nische mit Ranken und Laubwerk bemalt.

An der südlichen Seite des mittlern Pfeilers des neuen Schiffes, also im südlichen Seitenschiffe, war eine große Figur auf die Wand gemalt. Es war jedoch nur sehr dunkel etwas von den Umrissen zu erkennen; klar war zu den Füßen der Figur ein Kind, ein Hirsch und ein Wasser mit kleinen Fischen. Vielleicht ist diese Figur der H. Christoph gewesen, welcher hier in alten Zeiten der Südpforte gegenüber stand, aber später verdeckt oder an einer andern Stelle gemalt ward, wo sie mehr in die Augen fiel.

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An dem correspondirenden nördlichen Mittelpfeiler des neuen Schiffes war auf dessen Südseite, also gegen das Mittelschiff gekehrt, der H. Christoph in kolossaler Gestalt, 11 1/2 Fuß groß, auf die Wand gemalt. Wahrscheinlich war dies eine etwas jüngere Malerei, um das Bild mehr zur Anschauung zu bringen, da im Mittelalter der Glaube herrschte, daß man an dem Tage nicht sterben werde, an welchem man den H. Christoph gesehen habe.

Die dem Mittelschiffe zugekehrte Seite des nördlichen Pfeilers zunächst dem alten Thurmgebäude und die innern Wände der Pfeiler der alten Thurmanlage waren ganz mit figürlichen Darstellungen bemalt, jedoch waren die Farben so verblichen und die Kalktünche ließ sich trotz aller Sorgfalt nicht so entfernen, daß irgendwo ein Zusammenhang erkannt werden konnte.

Der Altar.

Der Altar der Kirche zu Bützow, der ehemalige Hochaltar des bischöflich=schwerinschen Collegiatstiftes daselbst, ein großer Flügelaltar mit doppelten Flügeln, ist eines der größten, reichsten und sinnreichsten Altarwerke im Lande und verhältnißmäßig gut erhalten, namentlich in der Malerei der Flügel, welche nur sehr wenig durch die Zeit gelitten hat. Der Altar ist ein Geschenk des thätigen Bischofs Conrad Loste von Schwerin, da er nach der Inschrift über dem Altare im J. 1503 vollendet ward und der Bischof am 24. Dec. 1503 starb; sein Nachfolger im Amte Johann Thun (seit 7. März 1504) vollendete und weihete ihn: beides wird durch die Wappen der beiden Bischöfe auf der Predelle bewiesen. Schon hiedurch wird dieser Altar sehr wichtig für die Kunstgeschichte, indem er eine feste Zeitbestimmung giebt und eine Vergleichung für viele ähnliche Werke zuläßt.

Von großem Interesse wird der Altar aber durch seinen Inhalt, welcher höchst merkwürdig und selten ist. Der Inhalt war, namentlich bei dem großen Reichthum der Darstellung, sehr schwer zu erforschen und bisher weder im Einzelnen, noch im Ganzen erkannt; nur wiederholte, lange Anstrengungen und Forschungen an Ort und Stelle haben es möglich gemacht, den Inhalt bestimmt darzustellen und in Zusammenhang zu bringen.

Die Kirche des im J. 1248 gestifteten Collegiatstiftes zu Bützow war nach der Stiftungs=Urkunde (vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 94 flgd.) dem Herrn Jesu Christo, der Jungfrau Maria, dem Evangelisten Johannes und der heiligen

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Elisabeth geweihet. Die Weihung für Christus und Maria verstand sich von selbst, da sie allen Kirchen gemein war; Maria und Johannes der Evangelist waren jedoch die Schutzheiligen des Domes und Bisthums zu Schwerin, von welchem das Collegiatstift Bützow abhängig war: der besondere Schutzheilige des Domes zu Schwerin war also der Evangelist Johannes. Die besondere Heilige der Kirche zu Bützow war aber die heilige Elisabeth von Ungarn, welche im J. 1231 starb und im J. 1235 heilig gesprochen ward, also zur Zeit der Gründung des Collegiatstiftes Bützow (1248) noch eine sehr junge Heilige war. Die Kirche zu Bützow war also eine Elisabeth=Kirche. Späterhin ist aber noch eine andere Local=Heilige dazu gekommen, die viel verehrte H. Katharine. Die Verehrung der Maria blieb überall fest und dieselbe. Statt derselben trat oft die heilige Anna, die Mutter der Maria, ein, mit welcher immer zugleich Maria und Christus verehrt ward, da die H. Anna immer die Maria und Christum zugleich auf den Armen oder neben sich hat.

Daher werden im Laufe der Zeit immer die H. Anna, der Evangelist Johannes, die H. Katharine und die H. Elisabeth als besondere Schutzheiligen der bützowschen Kirche dargestellt und hatten auch ihre besonderen Altäre in der Kirche. Daher ist die große Glocke vom J. 1412 der Jungfrau Maria, dem Evangelisten Johannes, der H. Elisabeth und der H. Katharina geweihet ("in honorem Dei et virginis Marie et s. Johannis evangeliste, Elisabeth et Catharine"; vgl. Geisenhayner Mecklenb. Blätter I, 10, S. 566), und daher sind auf den zweiten Flügeln des Hochaltars auch Anna, Johannes Ev., Katharine und Elisabeth als besondere Heilige der Kirche in ganzer Größe dargestellt. Die Kirche blieb im Besondern aber immer der H. Elisabeth geweihet, welche auch immer als die letzte Heilige der Kirche dargestellt wird.

Aus dieser geschichtlichen Entwickelung ist es gekommen, daß der Altar der Kirche zu Bützow fast allein weiblichen Heiligen geweihet ist und den reichsten weiblichen Heiligen=Cultus darstellt, der im Lande zu finden ist. Wenn aber auch die Vorderseite des Altars eine ungewöhnliche Fülle von weiblichen Heiligen zeigt, so enthält doch der ganze Altar eine große Tiefe, indem er sehr weit reicht und, theils nach dem Neuen Testament, theils nach der zur Zeit der Verfertigung des Altars ausgeprägten Legende, die Geschichte des Heils von den ersten Anfängen bis zur H. Elisabeth, der jüngsten Heiligen, in weiblichen Heiligen darstellt, Der innere Zusammenhang ist folgender.

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Auf der Predelle sind dargestellt die Mütter der Vorläufer und Stifter des Neuen Bundes: die Elisabeth, die Mutter Johannis des Täufers, die Anna mit ihrer Tochter Maria, der Mutter Jesu, die beiden Schwestern der Maria, beide auch Maria geheißen, die Mütter von 6 Aposteln, Johannes Ev. und Jacobus d. ä., Simon, Judas, Thaddäus und Jacobus d. j., und die Mutter des Apostels Petrus, alle mit ihren Ehemännern und Söhnen, welche als Kinder dargestellt sind.

Die ersten Flügel enthalten oben die Geschichte der Anna, der Mutter Mariä, bis zur Geburt der Maria, und unten die Geschichte der Maria bis zur Geburt Jesu.

Die Mitteltafel enthält die Verherrlichung der Jungfrau Maria und zugleich Christi, nämlich Mariens Tod, Himmelfahrt und Krönung. Neben diesen Darstellungen sind vier männliche Heilige dargestellt, Ausnahmen von der ganzen Tendenz.

Auf der Vorderseite der Flügel stehen die Bildsäulen von zwölf weiblichen Heiligen, von denen die H. Elisabeth die letzte ist. Dieselben Heiligen, mit Ausnahme von zwei, sind auch auf dem bronzenen Taufkessel dargestellt, stehen also zu der Geschichte und Verfassung der bützowschen Kirche in näherer Beziehung.

Auf den zweiten Flügeln stehen die besonderen Heiligen der Kirche: die H. Anna, der Evangelist Johannes, die H. Katharine und die H. Elisabeth. Die Jungfrau Maria bildet immer den Mittelpunct, die H. Elisabeth den Ausgangspunct.

Erst auf dem Fuße des Altars kommt die Leidensgeschichte Christi, in Beziehung zu dem Abendmahl, zur Darstellung.

Die einzelnen Darstellungen sind nun folgende.

Vordere Ansicht.

Die vordere Ansicht des Flügelaltars ist ganz mit vergoldeten und bemalten, aus Eichenholz geschnitzten Figuren geschmückt und besteht aus einer Mitteltafel und zwei Flügeln.

Die Mitteltafel enthält ein mittleres Hauptstück und an jeder Seite zwei Nischen über einander mit Heiligenbildern.

Das mittlere Hauptstück der Mitteltafel enthält:

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a) unten: Mariä Tod 1 ): umher stehen die zwölf Apostel, von denen Johannes der Maria das Licht hält; einer der Apostel zu den Füßen hält sich eine Brille vor;

b) in der Mitte: Mariä Himmelfahrt: Christus in der vollen Glorie fährt mit der Maria in ganz kleiner Gestalt zum Himmel empor; an jeder Seite schwebt eine Gruppe von singenden Engeln mit Spruchbändern in den Händen;

c) oben: Mariä Krönung: auf einem Throne sitzen in der Mitte Maria, ihr zur Rechten Gott der Vater, ihr zur Linken Christus.

Die Nischen zu den Seiten enthalten:

zur Rechten oben: Johannes den Täufer mit einem Lamm;

zur Rechten unten: den H. Leonhard (?), einen Bischof mit einem Bischofsstabe in der Rechten und einer Kette mit Fußfessel in der linken Hand.

Die Gestalt des H. Leonhard ist nicht ganz bestimmt. Von alten Nebenaltären für männliche Heilige in der Kirche zu Bützow sind nur die Altäre S. Hipoliti, S. Hulperici, S. Laurentii und S. Nicolai bekannt.

Zur Linken oben: den H. Antonius in der Ordenstracht, mit einem offenen Buche und einer Glocke in den Händen und einem Schweine zu den Füßen.

Zur Linken unten: den H. Nicolaus, als Bischof, mit dem Bischofsstabe, an welchem ein Tuch (sudarium) hängt, in der rechten Hand, und einer Kirche mit zwei Thürmen neben einander im linken Arme. - Der H. Nicolaus hatte einen besondern Altar in der Kirche zu Bützow.

Von Bedeutung ist die Vergleichung des alten, jetzt zurückgesetzten Hochaltars der Kirche zu Schwerin, der Mutterkirche des Collegiatstiftes Bützow, welcher ungefähr aus derselben Zeit stammt. Die Mitteltafel enthält in perspectivischer Darstellung in der Mitte die Kreuzigung Christi, in der Ansicht zur Linken die Kreuztragung, zur Rechten das Jüngste Gericht; noch auf der Mitteltafel steht an jeder Seite dieser großen Darstellung eine große, durchgehende Heiligenfigur, zur Rechten Maria, zur Linken Johannes Ev., die Hauptheiligen des schweriner Domes. In den queer getheilten Flügeln stehen die 12 Apostel, und an jedem Ende ein Heiliger:


1) Vor dem Bette der Maria steht eine Fußbank auf welcher ein Paar Pantoffeln stehen. Noch weiter geht die Naivetät auf dem Altare zu Retgendorf, auf welchem unter dem Betpulte der Maria bei der Verkündigung die Pantoffeln, ein Gefäß und drei Bücher über einander stehen.
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oben: links: der H. Martin, ein Bischof, neben welchem ein Krüppel mit Holzschuhen liegt;
rechts: der H. Leonhard, ein Bischof, mit Kette und Fessel in der Hand;
unten: links: der H. Nicolaus, in einer Kappe, mit drei Broten im linken Arme;
rechts: der H. Georg, mit dem Drachen zu den Füßen.

Unten auf der Mitteltafel stehen in Rosetten die Brustbilder von sieben Propheten, in der Mitte David mit der Krone, Spruchbänder haltend. - Die Predelle ist jung.

Die Flügel des Altars der bützowschen Kirche enthalten zwölf weibliche Heilige, welche hier so aufgeführt werden, wie sie in der Ansicht von der linken zur rechten von oben nach unten folgen. In der Bestimmung sind der bronzene Taufkessel der Kirche zu Bützow, der Ordinarius ecclesiae Suerinensis vom J. 1519 und der ungefähr gleichzeitige Hochaltar der Marien=Kirche zu Parchim von wesentlichem Nutzen gewesen. Der Taufkessel, welcher nicht viel älter ist, als der Altar, enthält, mit Ausnahme von zwei Figuren, dieselben Heiligen; der Ordinarius enthält viele kleine Holzschnitte von Heiligenfiguren, wie sie im Bisthume Schwerin dargestellt wurden; der Altar zu Parchim enthält unter den Heiligenbildern die Namen der Heiligen.

Der Flügel zur Rechten (in der Ansicht links):

oben:

1. Die H. Dorothea: gekrönte Heilige, mit einem geflochtenen Korbe mit drei Füßen im linken Arme; die rechte Hand (mit einer Rose) ist abgebrochen. Im Ordinarius hat sie einen Blumenkranz auf dem Haupte, auf dem parchimschen Altare hat sie einen Korb in der Hand und ein Kind zur Seite.

2. Die H. Christine (?) (oder H. Agathe?): gekrönte Heilige, betend mit gefaltenen Händen, ohne ein Attribut, welches sie auch nicht gehabt hat. Häufig wird die H. Apollonia so dargestellt, z. B. auch auf dem parchimschen Altare; da aber die H. Apollonia auf dem bützowschen Altare und auf dem Taufkessel mit der Zange mit einem Zahne zur Darstellung gekommen ist, so muß diese Heilige eine andere, ähnliche sein. Die H. Christine wird oft mit gebundenen, gefaltenen Händen dargestellt, wie sie von Pfeilen durchbohrt wird. Da aber die H. Ursula unten mit dem Pfeile vorkommt, so mag

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hier die Wiederholung haben vermieden werden sollen. Auf dem Taufkessel ist diese Heilige nicht dargestellt.

3. Die H. Katharine: gekrönte Heilige mit einem halben Zackenrade im linken Arme; die rechte Hand (mit einem Schwerte) ist abgebrochen. Die H. Katharine war eine der Hauptheiligen der bützowschen Kirche; sie hatte seit 1365 einen eigenen Altar in der Kirche, neben welchem ihr Bild auf die Wand gemalt ist; auf den Flügeln des Altars steht ebenfalls ihr großes Bild.

unten:

4. Die H. Ursula: gekrönte Heilige mit einem geschlossenen Buche im linken Arme; die rechte Hand (mit einem Pfeile) ist abgebrochen. Ebenso, mit Buch und Pfeil, ist die H. Ursula auf dem Taufkessel, auf dem parchimschen Altare und im Ordinarius abgebildet; im Ordinarius fehlt die Krone.

5. Die H. Cäcilie: gekrönte Heilige, mit einer Orgel im linken Arme, die Hauptheilige des benachbarten Collegiatstiftes zu Güstrow und auch (schon 1220) eine Hauptheilige des Domes zu Schwerin (vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 67). Auf dem Taufkessel ist diese Heilige nicht dargestellt.

6. Die H. Barbara: gekrönte Heilige mit einem Becher in der rechten Hand; eben so ist sie auf dem parchimschen Altare dargestellt.

Der Flügel zur Linken (in der Ansicht rechts):

oben:

7. Die H. Margarethe: gekrönte Heilige mit einem kleinen Kreuze, welches oben zerbrochen ist, in der rechten Hand; im linken Arme trägt sie ein Buch, auf welchem ein Drache, ein braunes vierfüßiges Thier mit großem Rachen und langem Schwanze, liegt. Grade so ist sie auf dem parchimschen Altare dargestellt. Auf dem Taufkessel hat die H. Margarethe nur ein Kreuz in der Hand.

8. Die H. Agnes: gekrönte Heilige, mit einem offenen Buche im rechten Arme und einem weißen Lamm zu den Füßen.

9. Die H. Maria Magdalene: Heilige mit Kopftuch, mit einer Salbenbüchse im linken Arme und dem Deckel dazu in der rechten Hand. Sie hatte einen eigenen Altar in der bützowschen Kirche.

unten:

10. Die H. Gertrud: Heilige im Kopftuch, mit Hospital im linken Arme.

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11. H. Apollonia: gekrönte Heilige, mit einer langen Zange mit einem Zahne in der linken Hand. Eben so ist sie im Ordinarius und auf dem Taufkessel dargestellt. Auf dem parchimschen Altare hat die H. Apollonia kein Attribut, wie sie auch oft dargestellt wird (vgl. oben 2. Agathe).

12. Die H. Elisabeth: Heilige im Kopftuch, mit einem großen Kruge in der rechten Hand und einem Teller mit zwei Fischen im rechten Arme. Eben so ist sie auf dem Taufkessel und auf einem Flügel des Altars dargestellt; vgl. unten bei der Beschreibung der Flügel. Die H. Elisabeth ist die Hauptheilige der Kirche zu Bützow.

Die Flügel.

Die ersten Flügel.

Die ersten Flügel sind einmal queer getheilt, so daß, wenn die vier Flügel geöffnet sind, sich dem Auge 8 Gemäldegruppen darstellen, von denen die 4 obern und die 4 untern je für sich im Zusammenhange stehen. Die 4 obern Gemälde enthalten nämlich die Freuden der H. Anna, der Mutter der H. Jungfrau Maria, die 4 untern Gemälde die Freuden der H. Jungfrau Maria, in letzter Beziehung auf die Geburt Jesu, und zwar in der Ansicht in folgender Reihe:

1. Joachims Opferversuch. 2. Annens Verkündigung. 3. Annens und Joachims Wiederfinden. 4. Mariens Geburt.
5. Mariens Tempelbesuch. 6. Mariens Verlobung mit Joseph. 7. Mariens Verkündigung. 8. Christi Geburt.

Die 4 obern Gemälde beziehen sich ohne Zweifel auf die Aeltern der Jungfrau Maria, Joachim und Anna, mit besonderer Beziehung auf die Freuden der H. Anna, und finden ihre Erklärung in den Legenden, welche zwar spät ausgebildet, aber zur Zeit der Verfertigung des bützowschen Altars allgemein bekannt waren, so daß man die Motive zu den 4 obern Gemälden fast ganz in den derzeitigen "Leben der Heiligen" wieder findet, z. B. in "Dat leuent der hylgen efte dat passionael. Basel. 1517. Samerdel. Fol. CIII".

1. Joachims Opferversuch. Joachim bringt zu einem Altare, an welchem ein Priester abwehrend steht, ein Lamm; hinter ihm kommen Andere mit Lämmern herbei und scheinen erschrocken und erstaunt.

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Da Joachims Ehe mit Anna kinderlos war, so ging Joachim zum Tempel, um zu opfern, ward aber mit seinem Opfer von dem Priester zurückgewiesen, weil er wegen seiner Kinderlosigkeit verflucht und nicht würdig sei zu opfern. Joachim entwich daher von Nazareth auf einen Berg und verschwand vor seinem Weibe Anna.

2. Annens Verkündigung. Anna in dunklem, mit Gold verzierten Gewande sitzt in einem Gemache und blättert andächtig in einem Buche, während vor ihr ein Engel knieet.

Anna verschloß sich betrübt in ihrem Hause, zog Trauerkleider an und betete Tag und Nacht, bittend, daß Gott ihr ein Kind schenken und ihren Mann wieder zurückführen wolle, bis ihr der Engel Gabriel erschien und ihr die Erhörung ihrer Bitten verkündigte.

3. Annens und Joachims Wiederfinden unter der goldenen Pforte von Jerusalem. Die H. Anna empfängt umarmend einen Mann vor einer Stadt.

Der Engel Gabriel offenbarte das Geheimniß der Erhörung auch dem Joachim und gebot ihm, wieder heimzukehren, aber zuvor in Jerusalem zu opfern. Auf Geheiß des Engels Gabriel ging auch Anna nach Jerusalem, wo sie ihren Mann unter der goldenen Pforte wieder finden sollte. Beide fanden sich an der bezeichneten Stelle wieder.

4. Freude über Mariä Geburt. Bei einem Gastmahle sitzt am Tische obenan Joachim, rechts neben ihm Anna mit dem Marienkinde im Heiligenscheine auf dem Arme. Maria ist in Gestalt, Haar und Gewand hier eben so dargestellt, wie in den untern Bildern, welche immer sicher die Maria darstellen. Neben ihnen sitzen ein zweiter Mann und eine zweite Frau, hinter ihnen stehen Aufwartende.

Die H. Anna gebar die Maria und noch 2 Töchter, welche auch Maria genannt wurden. Die erste Maria gebar Jesum; die zweite Maria gebar den Evangelisten Johannes und den Apostel Jacobus d. ä.; die dritte Maria gebar die 4 Apostel Simon, Judas, Thaddäus und Jacobus d. j.

So redet die Legende.

Die 4 untern Gemälde enthalten 4 bekannte freudenreiche Ereignisse im Leben der H. Jungfrau Maria:

5. Mariens Tempelbesuch. Maria als dreijähriges Kind, die 15 Stufen des Tempels allein hinaufsteigend.

6. Mariens Verlobung mit Joseph. Ein Priester legt ein Band über beider Hände. Neben ihnen stehen andere Personen.

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7. Mariens Verkündigung. Der Engel hält ein Spruchband mit den Worten:

Spruchband

Maria hält ein Spruchband:

Spruchband

8. Christi Geburt Vor der knieenden Maria liegt das Christkind auf dem Boden; davor knieet Joseph mit einem brennenden Lichte in der Hand; hinter Maria die Krippe mit Ochs und Esel.

Die zweiten Flügel.

Die zweiten Flügel sind nicht queer getheilt, sondern enthalten in jeder der 4 Tafeln ein großes Heiligenbild, jedes mit Landschaft hinter sich. Diese 4 Heiligenbilder werden die besondern Heiligen der Kirche zu Bützow, wie die Bilder auf den letzten Flügeln der Doppelflügelaltäre gewöhnlich die Localheiligen, darstellen. Die Kirche zu Bützow war im Allgemeinen der Jungfrau Maria und dem Evangelisten Johannes geweihet; diese waren die besonderen Heiligen der bischöflichen Hauptkirche zu Schwerin, von welcher das Collegiatstift in der bischöflichen Residenzstadt Bützow gestiftet war. Im Besondern war aber die Kirche zu Bützow der H. Elisabeth von Ungarn geweihet und daher Elisabeth=Kirche genannt.

Die Jungfrau Maria war auf der mittlern Haupttafel und auf den ersten Flügeln schon zur Darstellung gekommen, und daher ist ihre Darstellung auf den letzten Flügeln nicht zu erwarten. Die letzten Flügel enthalten nun folgende 4 Heiligenbilder, für die Ansicht in dieser Reihenfolge:

1. H. Katharina. 2. H. Anna. 3. Johannes Ev. 4. H. Elisabeth.

1. Die H. Katharina, eine gekrönte Jungfrau in voller Schönheit, mit dem offenen Buche in der rechten und dem Schwerte in der linken Hand, mit dem Rade neben dem linken Fuße, mit welchem sie die winzige Gestalt des Kaisers Maximin in den Staub tritt.

2. Die H. Anna mit Kopftuch, mit dem Christkinde auf dem Arme; neben ihr steht eine kleinere weibliche Figur, welche dem Christkinde einen Apfel reicht Die große Figur, Anna, ist bejahrt dargestellt und hat ein weißes Kopf= und Kinntuch. Die kleinere, junge weibliche Figur, Maria, hat langes röthliches Haar. Alle drei Figuren haben Heiligenscheine; im Heiligenscheine ist das bekannte Lilienkreuz.

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3. Der Evangelist Johannes, mit einem goldenen Kelche in der linken Hand, aus welchem sich ein grünes Thier, ein Lindwurm, erhebt. Johannes ist in ein rothes Untergewand und ein grünes Obergewand gekleidet.

4. Die H. Elisabeth, als Frau, in braunem Untergewande und grünem Obergewande, mit einem weißen Kopftuche, im rechten Arme eine Schüssel mit zwei röthlichen Fischen, welche am Kopfe ausgekehlt sind, in der linken Hand einen goldenen Krug haltend; im Hintergrunde das Meer mit einem Schiffe.

Diese Heiligenfigur, welche auf meklenburgischen Altären öfter vorkommt, wird jetzt häufig für die Jungfrau Maria ausgegeben, und für eine besondere Symbolisirung der Jungfrau Maria gehalten. Dies ist vielleicht auf Vorgang von A. v. M.(ünchhausen's) Attribute der Heiligen, Hannover, 1843, S. 57, geschehen, weil derselbe hier dieses Heiligenbild für die Jungfrau Maria erklärt, indem er "das Bild des Fisches auf den Messias und die Christen, den Krug vielleicht auf das Wasser des Lebens" deutet. Ich kann mich mit dieser Deutung nicht einverstanden erklären, denn ich kann mich nicht überwinden, zu glauben, daß auf einem und demselben Kirchengeräthe eine und dieselbe Heilige in zwei verschiedenen Gestalten dargestellt worden sei. Nicht allein auf dem Altare, sondern auch auf dem bronzenen Taufkessel der Kirche zu Bützow kommt diese Heilige neben der Maria vor. Auch kann ich nicht annehmen, daß die besondere Heilige der Kirche auf den Flügeln ihres Hauptaltars gar nicht zur Darstellung gekommen sein sollte. Schon aus diesem Grunde kann diese Figur keine andere sein, als die H. Elisabeth. Die H. Elisabeth war zwar erst im J. 1231 gestorben und erst im J. 1235 heilig gesprochen, und das Collegiatstift zu Bützow war schon im J. 1248 gestiftet; aber dennoch war die Kirche zu Bützow der H. Elisabeth geweihet, nach den ausdrücklichen Worten der Stiftungsurkunde: "ad laudem et gloriam sancte Elisabeth" (Lisch Meklenb. Urk. III, S. 95, vgl. Jahrb. VIII, S. 5). Und hiemit stimmt denn auch der Ordinarius ecclesiae Suerinensis vom J. 1519 (vgl. Jahrb. IV, S. 158), eine neu erlassene Richtschnur des Gottesdienstes für das Bisthum Schwerin, überein; dieses enthält bei den Tagen der Hauptheiligen kleine Darstellungen der Heiligen in Holzschnitt, und unter diesen auch Q III. die H. Elisabeth. Diese ist hier fast eben so, wie auf dem Altare, dargestellt, als eine Frau mit einem Kopftuche, mit einem Kruge von derselben Gestalt in der rechten und einem langen Brote in der linken Hand, vor

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ihr ein Krüppel. Die Abweichung liegt allein darin, daß sie im Ordinarius ein Brot, auf dem Altare und dem Taufkessel einen Teller mit zwei Fischen in der einen Hand hält; das unterscheidende Attribut scheint der Krug zu sein. Die ausgekehlten Fische sind nach der Gestalt gesalzene Heringe, welche im Mittelalter in den nördlichen Gegenden viel an die Armen vertheilt wurden. Ich kann mich daher nur dahin entscheiden, daß die heilige Frau mit dem Kruge und dem Fischteller die H. Elisabeth sei, indem grade die Kirche zu Bützow lebhaft dafür redet.

Die Predelle

des Altars zu Bützow ist ebenfalls aus Eichenholz geschnitzt und bemalt und ungewöhnlich reich und kräftig gearbeitet. Sie hat 5 Abtheilungen, mit Baldachinen gekrönt; queer durch gehen Sessel oder Bänke mit Rücklehnen, auf denen heilige Frauen mit Kindern sitzen und hinter denen Männer stehen, welche Früchte hinüber reichen. Der Zweck ist die Darstellung der Mütter, deren Söhne den Neuen Bund vorbereiteten, schufen und vollendeten. Der ganzen Darstellung liegt eine tiefe Idee zum Grunde, wenn auch viel Legende eingemischt ist. Die architektonische Darstellung ist so, daß die Predelle durch zwei hervorragende Pfeiler in 3 gleich große Abtheilungen getheilt ist, von denen die mittlere ungetheilt geblieben, jede der beiden Seitenabtheilungen aber durch einen zurückliegenden Pfeiler in zwei schmalere Abtheilungen geschieden ist. Die mittlere größere Abtheilung ist für Maria, die Mutter Jesu, bestimmt; in den andern 4 kleineren Abtheilungen haben andere heilige Frauen Platz gefunden. Die Erkennung und Erklärung war schwierig und mag noch nicht ganz sicher sein. Die folgende Beschreibung nimmt den chronologischen Gang.

In der mittlern, größern Abtheilung sitzt Maria, die Mutter Jesu, als Hauptperson, um welche sich andere Darstellungen drehen.

Maria, die Mutter Jesu, trägt eine Krone; die übrigen Frauen haben eine weiße Mütze oder ein weißes Tuch auf dem Haupte.

1) In der äußersten Nische zur Rechten der Maria sitzt Elisabeth, die Mutter Johannis des Täufers, und hält einen Knaben, der ein Lamm in den Armen hat, also den Johannes den Täufer, auf dem Schooße; hinter der Bank steht der Priester Zacharias in Priestertracht und Priestermütze, der Mann der Elisabeth, und reicht eine Frucht herüber.

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2) In der mittlern Nische sitzt die gekrönte Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, und hält Jesum als Kind auf dem Schooße. Ihr zur Linken sitzt eine andere weibliche Figur mit weißem Kopftuche, wohl Anna, die Mutter der Maria, und reicht dem Kinde eine Frucht. Hinter der Maria steht ihr Mann Joseph und hält sie; hinter der Anna stehen die Heiligen Drei Könige und sehen über den Stuhl.

In den Nischen zunächst rechts und links von der Maria sitzen die beiden Schwestern der Maria, welche auch Maria hießen, mit ihren Kindern.

3) In der Nische rechts zunächst der Maria sitzt Maria (Salome), die eine Schwester der Maria, der Mutter Jesu, mit ihren beiden Söhnen, Johannes dem Evangelisten und Jacobus d. ä. Sie reicht dem einen Knaben, welcher einen Kelch in der Hand hält, also dem Johannes dem Evangelisten, die Brust, während neben ihr zur Rechten ein Knabe mit Hut und Pilgertasche, also Jacobus d. ä. steht. Hinter der Bank steht ihr Mann Zebedäus, welcher dem Knaben Jacobus eine Frucht reicht.

4) In der Nische links zunächst der Maria sitzt Maria, die andere Schwester der Maria, der Mutter Jesu. Nach der mit dem Altare gleichzeitigen Legende hatte sie 4 Söhne, die spätern Apostel Simon, Judas, Thaddäus und Jacobus d. j. Maria hält auf dem Schooße einen nackten Knaben, der ein offenes Buch auf dem Arme hält. Rechts steht ein Knabe mit rother Kappe und der Walkerstange, also Jacobus d. j. Links hocken vor einem Grapen zwei Knaben, von denen der eine ebenfalls eine rothe Kappe, der andere, mit krausen Haaren, noch Mädchenkleidung trägt. Hinter der Bank steht Alphäus, der Mann der dritten Maria, und reicht eine Frucht herüber.

5) In der äußersten Nische zur Linken sitzt eine weibliche Figur, welche ich für die Mutter des Apostels Petrus halte, da sie einen Knaben auf dem rechten Arme hält, der eine Bischofsmütze auf dem Kopfe hat; ich erkenne hierin den Apostel Petrus, als ersten Bischof von Rom und Gründer der Kirche. Hinter der Bank steht ein Mann mit rother Mütze, welcher eine Frucht herüberreicht; wenn der Knabe der Apostel Petrus ist, so ist der Mann dessen Vater Jonas.

Die ganze Darstellung ist also in der Anschauung:

Zacharias. Zebedäus. Joseph. H. Dr. Kön. Alphäus. Jonas. Elisabeth. Maria. Maria. Anna. Maria. Mutter Petri. Johannes d. T. Johannes d. E. Jesus. Jacobus d. j. Petrus. Jacobus d. ä. Simon. Judas. Thaddäus.
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Neben dieser Schnitzarbeit stehen auf den beiden geschweift auslaufenden Enden der Predelle zwei Wappen von Bischöfen zu Schwerin:

zur rechten: das Wappen des Bischofs Conrad Loste: ein grüner Schild mit einem halben goldenen Widder mit einem goldenen Bischofsstabe;

zur linken: das Wappen des Bischofs Johann Thun: ein goldener Schild mit drei wellenweise gezogenen grünen Queerbändern und einem goldenen Bischofsstabe hinter dem Schilde.

Die Farben auf beiden Schilden sind jetzt wirklich grün, auf dem Schilde des Bischofs Conrad mehr dunkelgrün, vielleicht grün geworden, da sie blau sein sollten (vgl. Jahrbücher VIII, S. 26).

Der Altar, welcher nach der Inschrift 1503 verfertigt ist, ward also unter dem Bischofe Conrad Loste († 24. Dec. 1503) gemacht und unter dem Bischofe Johann Thun (seit 7. März 1504) vollendet und aufgestellt.

Der Altarfuß.

Der Altar hat unter der Predelle noch einen Fuß, der mit kleinen Gemälden bedeckt ist, welche das Leiden Christi darstellen und auf das Abendmahl Bezug haben. Diese vier Gemälde enthalten folgende Darstellungen:

Christi Geißelung. Christi Dornenkrönung. Christus vor Pilatus. Christi Kreuztragung.

Die Gemälde stammen aus der Zeit des Altars, sind nach alter herkömmlicher Weise und derbe, grade nicht schön, gemalt und ziemlich gut erhalten. Wegen mancher abschreckender Darstellung nennt Mantzel diese Gemälde "blasphemere Gemälde", "daher sie auch verdeckt sind", wie Geisenhayner in den Mekl. Blättern, I, 10, S. 572 sagt; sie waren auch bis zum Abbruch des alten Gestühls verdeckt.

Bekrönung.

Auf dem Altare steht eine Leiste mit folgender erhaben geschnitzter Inschrift in langen gothischen Minuskeln:

Inschrift
(= Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato, circumdata varietate. Anno domini 1503).

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Die Puncte und Zwischenräume zwischen a dextris und in vestitu fehlen. - Dies ist der Inhalt von Psalm 45, V. 10 und 14:

"Die Braut steht zu deiner Rechten in eitel köstlichem Golde; - - sie ist mit goldenen Stücken gekleidet".

Diese Worte wurden auf die Maria angewendet, wie Offenbarung Johannis 12, V. 1 auf die Umkleidung der Maria mit Sonne, Mond und Sternenkrone.

Ueber diese Leiste ragte eine durchbrochene Bekrönung von Laubwerk empor, welche jetzt fehlt. Wahrscheinlich ist dies dieselbe, welche bis jetzt, in mehrere Stücke zersägt, unter der Orgel angenagelt ist.

Der Taufkessel.

Die Kirche zu Bützow besitzt einen großen bronzenen Taufkessel, 3 1/2 Fuß hoch und 3 Fuß im Durchmesser, aus dem Jahre 1474, von kunstreicher Arbeit, da die ganze Außenseite mit Heiligenfiguren unter Baldachinen, mit Wappen und mit einer Inschrift verziert ist. (Vgl. auch Jahresber. III, S. 140.)

Die Außenseite ist mit zwei Reihen Heiligenfiguren über einander verziert; in der obern Reihe stehen 14, in der untern Reihe 12 Figuren, in jeder Reihe ein Wappen.

In der obern Reihe steht Christus mit 13 Aposteln und einem Wappen, in der Reihenfolge von links nach rechts:

  1. Christus segnend, mit der Weltkugel.
  2. Apostel Petrus mit Schlüssel.
  3. Apostel Paulus mit Schwert und Buch.
  4. Apostel Johannes mit Kelch.
  5. Apostel Jacobus d. ä. mit Pilgerstab.
  6. Apostel Andreas mit Schrägekreuz.
  7. Wappenschild mit dem meklenburgischen Stierkopfe.
  8. Apostel Mathias mit Beil.
  9. Apostel Bartholomäus mit Messer.
  10. Apostel Thomas mit Lanze und Buch.
  11. Apostel Matthäus mit Hellebarde und Buch.
  12. Apostel Jacobus d. j. mit Walkerstange.
  13. Apostel Philippus mit Doppelkreuz.
  14. Apostel Thaddäus mit Keule.
  15. Apostel Simon mit Säge.
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In der untern Reihe stehen die Jungfrau Maria, ein männlicher Heiliger, 10 weibliche Heilige und ein Wappen. Die weiblichen Heiligen sind dieselben, welche sich auf der Vorderseite des Hochaltares finden, nur sind auf dem Altare zwei weibliche Heilige mehr, als auf dem Taufkessel.

In der untern Reihe stehen folgende Figuren in der Reihenfolge von links nach rechts:

  1. Maria mit dem Christkinde auf dem Arme, vor welchem ein kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und Kreuz (der H. Franziscus?) knieet.
  2. Der H. Eduard (?), ein männlicher Heiliger mit Krone und Bart, mit einem Becher mit Deckel.
  3. Die H. Dorothea mit Korb.
  4. Die H. Katharina mit Rad und Schwert.
  5. Die H. Elisabeth mit Krug und Fischteller.
  6. Die H. Maria Magdalena mit Salbenbüchse.
  7. Die H. Gertrud mit Hospital.
  8. Die H. Barbara mit Thurm.
  9. Die H. Ursula mit Pfeil.
  10. Die H. Margaretha mit Kreuz.
  11. Die H. Agnes mit Lamm.
  12. Die H. Apollonia mit Zange mit einem Zahne.
  13. Wappen des Bisthums Schwerin: zwei gekreuzte Bischofsstäbe, welche hier beide nach einer Seite hin gekehrt sind.

Es fehlen also auf dem Taufkessel von den weiblichen Heiligen des Altars: 2. die Heilige ohne Attribut (Agathe) und 5. die H. Cäcilie.

Oben um den Rand steht folgende Inschrift über den Aposteln:

Inschrift
( Inschriftskreuz Anno domini MCCCCLXXIV. Euntes in mundum universum predicate evangelium omni creaturae : qui crediderit et baptisatus fuerit, salvus erit.)

Der Taufkessel ist also ohne Zweifel unter dem Bischofe Balthasar von Schwerin (1473-1479), Herzoge von Meklenburg, gegossen.

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Die Kelche

der Kirche zu Bützow sind ebenfalls merkwürdig und sehr selten. Die merkwürdigsten sind folgende:

1) Der älteste Kelch ist ein Kelch vom Altar der Heil. Drei Könige. Dies ist ein kleiner silberner Kelch. Auf dem Fuße sind 4 kleine vergoldete erhabene Figuren angebracht: Maria sitzend mit dem Christkinde und die Heil. Drei Könige Caspar, Melchior, Balthasar stehend, neben welchen die Namen in gothischer Minuskel eingravirt sind, nach Mantzel Bützowschen Ruhestunden, II, S. 8, in einem Hexameter:

Jasper fert mirram, tus Melchior, Baltasar aurum.

An einer Seite auf dem Fuße ist ein Schild mit einem Wolf eingravirt und daneben die Inschrift:

Inschrift

Der Kelch ist also wohl das Geschenk eines Priesters. Auf den sechs Knöpfen des Griffes stehen die Buchstaben

ihesus.

Der Kelch stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die Kirche zu Bützow hatte einen Altar der Heil. Drei Könige ("Trium Regum").

2) Ein zweiter Kelch gehörte zu der S. Annen Kapelle. Die H. Anna hatte bei der Kirche zu Bützow eine eigene Kapelle, welche an der Südseite, nach dem Visitations=Protocolle von 1553 "zur linken Hand am Chor, der Schule gegenüber", neben der S. Katharinen=Kapelle angebauet war und erst in neuern Zeiten abgebrochen ist. Dieser Kelch ist ein kleiner, silberner, vergoldeter Kelch. Auf dem Fuße steht die Inschrift:

DESSE KELCK HORT TO BVTZOW IN SANNT ANNA KAPPEL EBIG BELIBEN.

Auf den 6 roth emaillirten Knöpfen des Griffes stehen die Buchstaben:

I H E S V S.

Dieser Kelch stammt aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, aus den letzten Zeiten des Katholicismus.

3) Der werthvollste Kelch ist aber ein sehr großer, silberner, vergoldeter Kelch, welchen der Herzog Ulrich der

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Kirche geschenkt hat. Er ist "über 90 Loth" schwer und außen ganz mit getriebenen, reichen Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi bedeckt. Auf dem Fuße steht das blau emaillirte herzoglich=meklenburgische Wappen und die Inschrift:

V. H. Z. M.
1555.
(d. i. Ulrich Herzog zu Meklenburg).
1555.

Dieser Kelch ist wohl von allen Kelchen aus den drei letzten Jahrhunderten, vielleicht von allen überhaupt der schönste im Lande. Es geht (nach dem Visitations=Protocolle von 1651 - 54) die Sage, daß der Herzog Ulrich selbst an diesem Kelche gearbeitet haben soll; jedoch mag dies wohl nicht wahrscheinlich sein. Der Herzog war aber ein Freund und Beförderer solcher Arbeiten: die großherzogliche Münzsammlung besitzt noch zwei vortrefflich gearbeitete Gnadenpfennige (Ehrenmedaillen zum Tragen) mit dem Bilde des Herzogs, auf denen die Rüstung ebenfalls blau emaillirt ist. - Zu dem Kelche gehört eine gravirte Patene.

4) Ein vierter Kelch, welcher ein Seitenstück zu dem Kelche des Herzogs Ulrich ist, befindet sich bei dem "Hospitale" (zum Heiligen Geist) und ward erst im J. 1818 durch den Präpositus Geisenhayner gewissermaßen entdeckt; vgl. Geisenhayner Mecklenb. Blätter, I, 11, 1818, S. 687, Dieser Kelch ist ein kleiner silberner, vergoldeter Kelch, ein Geschenk der Herzogin Elisabeth, ersten Gemahlin des Herzogs Ulrich. Auf dem Fuße steht das dänische Wappen und die Inschrift:

ELISABET V. G. G. H. Z. M.

Unter dem Fuße inwendig steht:

DESSE KELCK HEFT MIN GNEDIGE FRAWE HERZOG ULRIGES GEMAL THO BWTZOW DEN HILGEN GEST GEGEVEN TO GADES EHR 1586.

Ich habe diesen Kelch nicht gesehen, sondern nur nach Geisenhayner a. a. O. beschrieben.

Ein silberner Belt.

In katholischen Zeiten wurden die Gaben, welche in den Kirchen eingesammelt wurden, auf einem kleinen horizontalen Brett, auf welchem vor dem Handgriffe der besondere Schutz=

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heilige der Kirche stand, eingefordert. Dieses Brett hieß "Velt" (Bild?), an dessen Stelle in protestantischen Zeiten der "Klingebeutel" gekommen ist. An einzelnen Orten blieb der "Belt" noch lange in Gebrauch, in Bützow sogar bis auf die neuesten Zeiten.

Die Heiligenfigur auf diesem Belt von Bützow ist eines der seltensten, vielleicht das einzige alte Kunstwerk seiner Art im ganzen Lande, welches auch in sich Kunstwerth hat. Die Figur mit allem Beiwerk ist nämlich von getriebenem Silber, vortrefflich gearbeitet. Die Hauptfigur ist die Jungfrau Maria mit einer sehr großen, verzierten Krone auf dem Haupte, mit dem Christkinde auf dem linken Arme und mit einer Lilie in der rechten Hand. Hinter ihr ist zwischen 2 Pfeilern ein durchbrochenes gothisches Stabwerk ausgebreitet. Auf den beiden Seitenpfeilern stehen zwei ganz kleine Heiligenfiguren: zur Rechten der Evangelist Johannes mit Kelch, zur Linken die H. Elisabeth mit Fischteller und Krug. Die Figur der Maria ist ohne Krone und Sockel 9 Zoll hamburger Maaß hoch, mit dem Sockel und der sehr hohen Krone 13 Zoll hoch. Die Hinterwand ist 5 Zoll breit - Die kleine Glocke, welche hinten in der Krone aufgehängt ist, ist sicher eine moderne Zuthat, welche den Klingebeuteln nachgeahmt ist.

Einen besondern Werth erhält diese seltene Arbeit dadurch, daß auf der Bodenplatte vor der Maria mit ganz kleinen, feinen Buchstaben eine bisher noch nicht bemerkte Inschrift mit dem Jahre der Verfertigung und dem Gewichte eingeritzt ist.

Inschrift

d. i.

anno 1504. Valet 13 lot 3 quentyn.

Die nach der Jahreszahl zunächst folgenden Buchstaben Buchstaben sind ohne Zweifel eine Abkürzung des Wortes valet (= gilt, ist werth, wiegt).

Nach dieser Jahreszahl ist es gewiß, daß dieser Belt bei der Vollendung des Altars unter dem Bischofe Johann Thun 1504 verfertigt ist.

Dieser Belt ist sehr lange in Gebrauch geblieben. So z. B. heißt es in dem bützowschen Visitations=Protocolle vom J. 1593:

"Ein silbern Marien Bilde damit zum Gotteshause des Sontages gesamlet wird".

Mantzel sagt in den Bützowschen Ruhestunden V, 1762, S.

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18, daß dieser Belt "nebst denen Klingebeuteln an denen Festtagen zur Einsamlung der Almosen gebraucht werde". Geisenhayner sagt in den Mecklenburgischen Blättern, I, 11, 1818, S. 663, daß der Belt "an Bettagen, um für die Prediger, und an hohen Festtagen, um für den Organisten zu sammeln, gebraucht wird". In den neuern Zeiten ist er an den Festtagen für die Prediger umhergetragen.

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Die Kirche zu Gägelow.

Im J. 1857 ist die Kirche zu Gägelow einer nothwendigen, vollständigen Restauration unter der Leitung des Herrn Landbaumeisters Voß zu Schwerin unterworfen, bei welcher nicht nur das gesammte Gestühle erneuert ist, sondern auch die Wände eine neue Tünche erhalten haben.

Die bisherigen Gewölbemalereien waren im ganzen Lande sprichwörtlich: "So bunt als die gägelowsche Kirche". Die drei Gewölbe, jedes von 8 Feldern, waren in hellgelb und grau mit Arabesken und Schnörkelwerk verziert; innerhalb der Schnörkel stand in jedem Felde ein Schild mit einem Bilde und über dem Schilde ein Spruch; oft standen auch noch an andern Stellen, wo noch Platz war, große Sprüche, welche jedoch an vielen Stellen ziemlich verblichen waren. Die Malerei, welche ohne Zweifel aus dem Ende des 17. Jahrhunderts stammte, war ganz roh und hatte gar keinen Werth; auch der Inhalt der Malereien war werthlos, da sie sich in einer sinnlichen Allegorie bewegte, um die Macht des Wortes Gottes und der Kirche zu versinnbildlichen. Um dies zu rechtfertigen, mögen hier kurze Beschreibungen der Malereien, mit Hinzufügung einiger Sprüche, folgen, wie sie in der Durchschnittslinie über dem Altare nach der rechten Seite herum folgten.

I. Gewölbe über dem Altare.

1) Ein Prediger (soll wohl den damaligen Pastor der Gemeinde vorstellen), der einen Schild mit dem Namen Jehovah in hebräischer Schrift hält, mit der Ueberschrift:

Gib mir den Schild deines Heils.
Ps. XIII, 36.

Daneben in der Landschaft rechts ein Mann mit zwei Windhunden.

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2) Eine schlafende, sinnliche Mannesgestalt, in den Armen eines Weibes mit Schlangengliedern, mit der Ueberschrift:

Wache auf u. s. w.

3) Eine Stadt in Brand, mit der Ueberschrift:

Du bringest dich in Unglück.

4) Ein König auf einem Wagen, von einem Pfeile getroffen.

5) Ein Jäger, welcher einen Vogel schießt.

6) Ein Mädchen, welches die Harfe spielt, während Pfeile auf sie zufliegen.

7) Ein Mann, welcher mit einem Besen eine aus ihrem Netze hangende Spinne wegnimmt.

8) Vier Männer, welche nach der Scheibe schießen.

II. Erstes Gewölbe des Schiffes.

1) Ein Mann, welcher beim Scheine einer Kienfackel Krebse fängt ("blaßt"), mit der Ueberschrift:

Umbsonst verkrochen.

2) Ein Prediger vor einem Könige und einem Bauern, mit der Umschrift:

Allen die warheit.

3) Ein unter den Bissen von Hunden verendendes Thier, mit der Ueberschrift:

Ungern davon.

4) Eine Rose, mit der Ueberschrift:

In kurtzen freuden.

5) Ein Mann, welcher einen Fisch an der Angel hält.

6) Ein Postament, auf welchem eine Flasche steht, die von Wespen umschwärmt wird.

7) Ein tanzender Mann, zwischen zwei Häusern.

8) Ein Mann mit einem Glase in der Hand, vor einer gedeckten Tafel sitzend.

III. Zweites Gewölbe des Schiffes

am Westende, über der Orgel, enthielt keine Bilder, sondern war nur mit Arabesken gefüllt.

Das ist die im Lande berühmt gewordene Malerei! Es ist gewiß kein Verlust, wenn sie bei der gegenwärtigen Restauration der Kirche untergegangen ist.

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Diese junge Malerei stammt jedenfalls aus der Zeit nach 1618. Die Kanzel ist im J. 1618 gebauet. Damals waren die Wände noch nicht getüncht, da die Wand hinter der Kanzel noch im alten, ungetünchten Kalkputze stand. Diese neuern Gewölbemalereien sind aber auf eine jüngere, weiße Kalktünche aufgetragen. Wahrscheinlich ist es, daß die Malereien aus dem Jahre 1683 stammen, da in diesem Jahre auch der Altar "renovirt" und der adelige Stuhl gebauet ward. Darauf deutet auch die Jahreszahl 1684, welche am Chorgewölbe neben dem ersten Gurtbogen stand.

Dagegen ist die alte Malerei der Kirche von sehr großer Wichtigkeit und Bedeutung und um so wichtiger, als sie einen tiefen Blick in das Wesen der Ausschmückung der Kirchen in alter Zeit gönnt.

Die Kirche bildet ein Oblongum von drei Gewölben Länge. Sie ist ganz von grauen Feldsteinen erbauet und in den Seitenwänden sind nur die Thür= und Fenstereinfassungen von rothen Ziegeln. Die drei Gewölbe sind durch zwei Gurtbogen, welche sehr breit sind und weit in die Kirche hineinragen, getrennt; diese Gurtbogen sind, wie die Gewölbe, von Ziegeln aufgeführt. Die Gewölbe haben acht Rippen, welche an einem Kreise um den Gewölbeschluß zusammenstoßen. Die Rippen und Kreise sind sehr stark und massig und haben einen quadratischen Durchschnitt, also eine breite, ebene Fläche nach der Kirche hin. Die Fenster sind kurze, schmale Uebergangsfenster, welche nur eine rechtwinklig eingehende Einfassung haben, ohne Wulste und sonstige Gliederungen.

Wir haben bisher nur Erfahrungen über die Ausschmückung von Ziegelkirchen gehabt, und hier immer den Grundsatz bewährt gefunden, daß das Baumaterial und dessen Farbe für die Färbung des Innern der Kirche maaßgebend war. Derselbe Grundsatz bewährt sich auch in der Kirche von Gägelow. Die Seitenwände der Kirche sind aus grauem Feldstein erbauet. Daher waren die Seitenwände im Innern der Kirche auch nur mit dem alten, festen, natürlichen, grauen Kalkputz des 13 Jahrhunderts bedeckt. Hinter einem alten Chorstuhle fand sich bei der Ausräumung noch der alte Abputz der Kirche in gelblichgrauem, harten, glatten Kalkputze, wie Porcellan. Es waren, wahrscheinlich von alten Priestern, mehrere lateinische Sinnsprüche, einige in Hexametern, eingekratzt. Die Schrift war die alte Urkunden= und Handschriften=Schrift in gothischer

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Minuskel. Die meisten Sprüche waren von der Handschrift der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts; ein Spruch war offenbar in der Schrift aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ungefähr 1280, geschrieben. Dies alles ist ein Beweis, daß die alte Decoration der Kirche aus dem 13. Jahrhundert stammt.

Die Ansicht von der Nachahmung des Baumaterials in der Verzierung des Innern hat sich so weit erstreckt, daß selbst die Einfassungen der Fenster auch nur diese graue Farbe hatten, obgleich sie von rothen Ziegeln gewölbt sind. Die Laibungen der Fenster waren in alter Zeit immer weiß getüncht oder geputzt. Es ist an den Seitenwänden und den Fenstern der gägelower Kirche keine Spur von Malerei gefunden. Daß in der Regel alle innern Wände der Feldsteinkirchen mit Kalk geputzt wurden, setze ich als selbstverständlich voraus. Eine weitere durchgehende Verzierung der Seitenwände war auch unpractisch, da die Feldsteinwände immer etwas kalt und feucht sind und daher im Putz oft leiden.

Eben so ist es allgemein in der Regel, daß die Gewölbekappen geputzt wurden. Auch diese haben in der gägelower Kirche keine Art von Malerei, sondern sind ebenfalls ganz grau. - Die Ränder der Gurtbogen an den Seiten sind nicht geputzt, sondern haben, so weit die wölbenden Ziegel reichen, im Rohbau gestanden, wie auch dies in alter Zeit herkömmlich ist; zuletzt waren diese Ränder mit dünner dunkler Tünche gefärbt.

Der ganze Schmuck der Gewölbe besteht in der Bemalung der Gewölberippen. Da diese einen quadratischen Durchschnitt und grade, breite Flächen zeigen, so waren auch die Oberflächen der Gewölberippen geputzt. Die nach der Kirche hin liegenden breiten Flächen der Gewölberippen waren aber auch bemalt. Da die Gewölbe 8 Rippen haben, so hatte man in der Bemalung oft einen Wechsel in der Farbe eintreten lassen. Es hatten z. B. 4 Rippen, deren 2 in der Mittellinie der Kirche und des Altars liegen und die andern 2 im rechten Winkel an diese stoßen, einen bräunlich rothen Grund, auf welchen stehende, große, bläulich graue Lilien gemalt waren, welche einen Fuß hatten. Die Gewölberippen waren aber sehr verschieden verziert, so daß gewöhnlich nur je zwei Rippen dasselbe Ornament zeigten. Das Ornament bestand aus verschiedenen Lilienformen, Zickzackbändern, Herzen, Vierblättern und andern Verzierungen. Mitunter war auch ein Wechsel der Farbe sichtbar. Die andern 4 Rippen, welche eigentlich das Kreuzgewölbe bilden, hatten

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einen gelblich grauen Grund und auf Ornament den beiden Rändern gegenüberstehende, liegende Liniengewinde, auf denen kleine Lilien stehen, in bläulich grauer Farbe. Die Seitenflächen der Gewölberippen haben eine einfache, helle Parallellinie.

Der Herr Pastor Böcler zu Gägelow hat die größten Verdienste um die Auffindung und Wiederherstellung der Gewölbe=Decoration, so wie er überhaupt während des ganzen Baues mit großer Hingebung viele Opfer freudig gebracht hat.

Der Hauptschmuck der Kirche befindet sich aber auf den Gurtbogen, welche auf dem naturfarbenen grauem Grunde des Kalkputzes mit Figuren bemalt sind.

Die innere Fläche des ersten Gurtbogens, zwischen Chor und Schiff, des Triumphbogens, war, so weit die Wölbung reicht, mit Scenen aus dem Leben der Heiligen, wie es scheint, bemalt. An jeder Seite der innern Fläche des Bogens standen 6 Bilder über einander, jedes von 5 Fuß Breite und 2 1/2 Fuß Höhe. Die Bilder waren durch Kanten von architektonischen Lilienranken von 1/2 Fuß Breite, weiß auf rothem Grunde, von einander getrennt. Jedes Bild enthielt durchschnittlich 6 Figuren. Auf den meisten Bildern war an der östlichen Seite ein König mit Krone und Scepter erkennbar und neben ihm einige Male ein Mann mit einem Schwerte in der Hand, neben welcher eine enthauptete Figur lag. Dies war z. B. an der südlichen Seite zwei Male über einander zu erkennen. Das unterste Bild an dieser Seite zeigte eine Grablegung, das oberste einen Feuerregen. Der historische Zusammenhang hat nicht ermittelt werden können. - Diese Bilder waren nicht wieder herzustellen, weit sie theils nicht mehr für unsern Gottesdienst paßten, theils schon zu unkenntlich geworden waren. Diese Darstellungen fangen dort an, wo die Wölbung des Bogens beginnt und wo früher ohne Zweifel ein Queerbalken angebracht war, auf welchem, wie gewöhnlich, Christus am Kreuze und Maria und Johannes Ev. in Bildhauerarbeit standen. Die Malereien auf der Bogenlaibung war sicher zur Verherrlichung dieser Darstellung angebracht.

Die der Kirche zugewandten untern Seitenflächen dieses Gurtbogens waren aber auch mit Figuren von ungefähr gleicher Größe bemalt gewesen, so daß die Gemeinde diese Figuren vor Augen hatte. An der Wand zur Rechten, unterhalb des Bogens und der Fenster, war eine Kreuzigung Christi, in

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der Mitte Christus am Kreuze und an jeder Seite zwei Figuren, zu erkennen. Die Wandfläche zur Linken war auch bemalt gewesen, jedoch war die Malerei durch Ausbesserung des Kalkputzes so sehr zerstört, daß sich kein Zusammenhang erkennen ließ. Die Wandflächen in der Höhe waren auch mit Figuren bemalt gewesen, welche aber so sehr zerstört waren, daß sie kaum noch wenige, schwache Ueberreste erkennen ließen.

Alle diese kleinen Figuren waren schlank und edel und in schönen, einfachen Farben, welche jedoch schon sehr verblichen waren, und zeugten von einem hohen Alter. Wahrscheinlich stammten sie aus der Zeit der Erbauung der Kirche.

Merkwürdiger noch ist die Bemalung der innern Fläche des zweiten Gurtbogens zwischen den beiden Gewölben des Schiffes. Diese trägt unten auf grauem Kalkgrunde zwei große Figuren, welche ziemlich tief unten anfangen und bis in den Bogen hineinreichen. Zur Rechten, an der Südseite, steht die Figur des Erzengels Michael mit heraldisch gestalteten Flügeln, wie er mit der Lanze den Drachen tödtet und die Wage hält. Zur Linken steht Maria mit dem Christkinde auf dem Arme. Jede dieser beiden Figuren war 8 Fuß hoch und von großer Gesammtwirkung. Die Farben dieser Figuren waren einfacher und nicht so glänzend, wie die der andern Malereien; auch erscheinen die Zeichnungen im Einzelnen nicht so correct und nicht so sauber ausgeführt, wie in den andern Figuren, was wohl theils in der ungewöhnlichen Größe, theils darin Grund hat, daß diese beiden Figuren etwas jünger sein mögen, als die übrigen.

Diese Malereien sind sowohl nach Kunstwerth, als nach den Dimensionen ganz ungewöhnlich, namentlich für eine Dorfkirche, und haben einen hohen Werth für die Kunstgeschichte. Allem Anscheine nach stammen sie zum größern Theile aus der Zeit bald nach der Erbauung der Kirche und gehören wohl dem 13. Jahrhundert an; wenn sie nicht gleichen Alters sein sollten, so mögen die Gemälde des ersten Gurtbogens dem 13. Jahrhundert, die Gemälde des zweiten Gurtbogens der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehören. Jedoch glaube ich, daß alle Gemälde im 13. Jahrhundert zu gleicher Zeit gemalt sind.

Außerdem zeigten sich Spuren, daß auch die Wände des Chores zu den Seiten des Altars oben neben den östlichen Fenstern bemalt gewesen waren; jedoch waren Figuren nicht mehr zu erkennen.

Dieser ungewöhnliche alte Gemäldeschmuck hat sicher die Kirche in den Ruf gebracht, daß sie bunt sei; das Sprichwort: So bunt wie die gägelowsche Kirche, -

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ist bestimmt älter, als die junge Malerei, aus der man die Entstehung des Sprichworts herzuleiten Veranlassung genommen hat.

Die Kirche ist nun im J. 1857 so viel als möglich im Geiste des alten Baues, jedoch mit etwas Ziegelbaudecoration um die Fenster und an den Wänden unterhalb der Fenster, restaurirt worden. Zunächst sind aus der Baukasse alle Gewölberippen bloßgelegt, die ältesten Original=Verzierungen ans Licht gebracht und durchgezeichnet und in denselben Linien und Farben wieder aufgemalt. Sodann sind die beiden großen Figuren, Maria und Erzengel Michael, da die Figuren noch zu erkennen waren, in den alten Umrissen mit denselben Farben restaurirt. Endlich hat die Kirche, zum Ersatz der andern alten Wandmalerei, einen neuen, würdigen Schmuck erhalten. Die dem Schiffe, also die der Gemeinde zugewandte, westliche, breite Seite des östlichen Gurtbogens zwischen Chor und Schiff ist mit einem großen Wandgemälde in festen Wasserfarben geschmückt, unsers Wissens das erste Beispiel in einer Dorfkirche unsers Landes. Oben in der Höhe thront Christus (im Brustbilde) in den Wolken, die rechte Hand zum Segnen erhoben, in der linken Hand das offene Buch mit A und O haltend. An jeder Seite schwebt ein anbetender Engel, mit dem Ausdruck der Verehrung und der Demuth in den Zügen. Die Engel sind, nach dem Vorgange der beiden alten Figuren, in einem Maaßstabe von 8 Fuß Größe gehalten. Diese Darstellung ist öfter vorkommenden mittelalterlichen Andeutungen entnommen. Auf meinen Vorschlag übernahm es der eingepfarrte Gutsbesitzer Herr Fabricius auf Rothen sogleich und unbedenklich mit großer Theilnahme und Bereitwilligkeit, nicht allein dieses Gemälde, sondern auch die Restauration der beiden alten großen Figuren auf seine Kosten ausführen zu lassen, während der Herr Erbpächter Schmidt zu Gägelow sich freundlichst erbot, den Maler in sein Haus aufzunehmen. Der Herr Maler Theodor Fischer zu Schwerin, welcher auch im Schlosse und in der Schloßkirche zu Schwerin geschaffen hat, hat unter meinem Beirath die Kartons entworfen und die Gemälde ausgeführt, und zwar mit einer so großen Auffassung und Tüchtigkeit, daß dieses Werk, das ohne besondern Aufwand hergestellt und ohne vorgängiges Beispiel ausgeführt werden sollte und mußte, dem Künstler große Ehre macht und zu den bessern im Lande gehört. Die übrigen Stellen, wo alte Gemälde waren, sind frei geblieben, so daß sie noch immer geschmückt werden können.

Nach Vollendung der Restauration hat auch noch die hohe Kammer zu dem Schmuck der Kirche beigetragen und durch

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den Herrn Maler Theodor Fischer auch die Laibung des Triumphbogens nach meiner Angabe malen lassen. Diese enthält in großem, architektonischen Laubwerk in Medaillons die Brustbilder des Moses und des Jesaias (Gesetz und Propheten) der Kanzel gegenüber und des Johannes des Täufers (Bußpredigt) über der Kanzel.

So ist der Kirche zu Gägelow der jetzt wirklich gerechte und sinnreiche Anspruch auf das Sprichwort erhalten worden: "So bunt wie die gägelowsche Kirche".

Die Kirche hatte auch zwei große, aus Eichenholz gehauene Chorstühle, jeden von sechs Sitzen, je einen an jeder Wand des Chores neben dem Altare; der eine an der Südwand ist in der Holzarbeit noch vollständig und an seiner Stelle erhalten, der andere ist zu einem Gemeindestuhle im Schiffe der Kirche benutzt, nachdem 1 1/2 Sitze abgesägt sind. Der im Chore stehende, noch ziemlich erhaltene Stuhl hat zu den Häupten eine hohe, in 6 Felder getheilte Bretterwand, welche von einem ausgekehlten Gesimse bedeckt wird. Jedes dieser 6 Felder zeigt noch Spuren, daß auf demselben eine mit drei Bogen 3 Bogen gekrönte, schmale Umrahmung aufgeleimt gewesen ist, in welcher vielleicht ein Bild gestanden hat. Auf dem Gesimse stehen die Namen von 7 Aposteln und Christi in großer gothischer Majuskelschrift in folgender Ordnung:

Aus dem Charakter der Schrift geht hervor, daß diese (also auch die (Stühle) vor dem Jahre 1350 und um das Jahr 1325 verfertigt worden ist.

Der Altar ist ein einfacher Flügelaltar aus dem Ende des 15. Jahrhunderts mit ziemlich roh gearbeiteten, aus Eichenholz geschnitzten, in neuern Zeiten übermalten Figuren in folgender Ordnung:

Petrus mit Schlüssel. Maria. Chistus am Kreuze. Johannes Ev. mit Buch. Paulus mit Schwert.
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Die Flügel sind im J. 1683 auf Kosten der Dorothea von Halberstadt, Wittwe des Baltzer Friedrich von Zülow, zur Rechten mit einer Auferstehung, zur Linken mit einer Kreuzabnahme in schlechtem Geschmack übermalt; in demselben Jahre sind auch die Altarschranken und der adelige Stuhl vor dem Altare neu gemacht.

G. C. F. Lisch.

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Der Altar der Kirche zu Bernit.

Die Kirche zu Bernit ist in den Jahrbüchern XXII, S. 314 - 317, schon gründlich beschrieben. Jedoch bedarf der Altar nach Vergleichung mit mehrern andern ähnlicher Art einer ausführlichern Darstellung. Der Altar zu Bernit ist ein einfacher Flügelaltar von ziemlich großer Ausdehnung und guter Arbeit. In der Mitteltafel stehen vier durchgehende große Figuren, in der Ansicht von der Linken zur Rechten:

1) Der H. Erasmus, ein Bischof, in einem schwarzen Grapen stehend, mit einer Winde in der linken Hand. Diese Figur muß der H. Erasmus sein, da sie als Bischof und mit der Winde dargestellt wird. Diese in Meklenburg häufige Darstellung ist aber dadurch ungewöhnlich, daß die Figur in einem Grapen (dreibeinigen Kessel) steht, welcher in keiner bekannten Ikonographie als ein Attribut des H. Erasmus angegeben, sondern bekanntlich dem H. Vitus zugetheilt wird; dieser war aber nicht Bischof. Diese Darstellung des H. Erasmus gründet sich auf die gleichzeitigen Legenden. z. B. im Levent der hylgen. Basel, 1517, Samerdel, fol. XL: "Erasmus. - - Do bot de keyser synen denren, dat se pick, sweuel, olye, blyg vnde wasz nemen vnde to samende zedendich heet makeden vnde sunte Erasmum dar yn setteden, dat deden de denre. Do quam de engel gades van deme hemmel vnde beschermede ene, dat em neen quaed geschach".

2) Die Jungfrau Maria, auf dem Halbmond mit dem Christkinde auf dem Arme.

3) Die H. Katharina mit Schwert und Rad.

4) Der H. Georg mit Lanze und Drachen.

In den queer getheilten Flügeln stehen die 12 Apostel.

Die Rückwände der Flügel enthalten im Ganzen vier schon verfallene Gemälde, auf jedem Flügel zwei, und zwar:

1) die Heimsuchung Mariä (Visitatio b. Mariae), wie es scheint;

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2) die Verkündigung Mariä (Annunciatio b. Mariae);

3) die Anbetung der H. Drei Könige;

4) die Beschneidung Christi.

Die ganze Arbeit an Bildschnitzerei und Malerei ist tüchtig und reich; die architektonische Schnitzerei ist jedoch nur einfach.

Nach dem ganzen Style und manchen Eigenthümlichkeiten gehört der Altar zu Bernit in die Zeit des Altars der Kirche zu Bützow, welcher nach Inschrift und Wappen im J. 1503 verfertigt ist. Zu den besondern Eigenthümlichkeiten gehören z. B. der gemusterte Goldgrund, auf dem die Figuren stehen, der untere wie Franzen gemalte Streifen des Goldgrundes unter jeder Figur, die Baldachine, die durchbrochene Bekrönungsleiste u. s. w. Es ist daher wahrscheinlich, daß der Altar zu Bernit im Anfange des 16. Jahrhunderts von demselben Künstler gemacht ist, der den bützowschen Altar gemacht hat. Aus derselben Zeit und Werkstätte stammen auch die Altäre der Kirchen zu Cambs (bei Schwan) und Witzin (bei Sternberg), in der Nähe von Bützow.

G. C. F. Lisch.

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Kirche zu Marlow.

Nach dem Berichte des Dr. med. Hüen findet sich

"an der Außenseite der Kirche südwärts in den sichtbar gleich unter dem Dache gemauerten Steinschichten ein Stein mit der Zahl 1244, in arabischen Ziffern, vielleicht eine Erneuerung einer alten Inschrift".

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Die Kirche zu Kölzow

bei Sülz und Marlow, eine alte Feldsteinkirche von äußerst solidem Bau, liegt auf einer Anhöhe und ist ziemlich weit sichtbar. Sie hat einen quadratischen Chor mit grader Altarwand, ein oblonges Schiff und einen Thurm, der bis zur Höhe des Schiffes von Feldsteinen, oben aber von Fachwerk erbauet und in neuern Zeiten mit Schiefer gedeckt ist. Die grade Altarwand hat drei, nicht verbundene Fenster, von denen das mittlere höher ist, als die andern beiden; auf der Südseite hat der Chor zwei getrennte Fenster, auf der Nordseite ist die Wand des Chors durch eine angebauete Kapelle von Feldsteinen bedeckt. Das Schiff hat an jeder Seite drei Fenster

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in demselben Style, wie der Chor. Die Fenster sind alle gleich und gehen mit glatter Laibung schräge nach innen. Ob die Fenster im Rundbogenstyle oder mit leiser Spitze im Uebergangsstyle überwölbt waren, läßt sich schwer entscheiden: die Fenster zeigen jetzt in der Wölbung eine leichte Abweichung vom Rundbogen und eine kleine Neigung zur Spitze, da die mit Ziegeln überwölbten Fenster nachgewölbt zu sein scheinen und sichtbar ausgebessert sind. Dagegen zeigen die Pforten einen bestimmtern Charakter. Der Chor hat in der Südwand eine Pforte, welche im reinen Rundbogenstyl mit einem doppelten Wulst, so weit die Bogenspannung reicht, erbauet ist. Die Pforte in der Südwand des Schiffes ist dagegen im Spitzbogenstyl mit zwei Wulsten von Ziegeln construirt.

Das Mauerwerk des Chors ist sehr sorgfältig gearbeitet, an den Ecken von behauenen Steinen. Das Mauerwerk des Schiffes ist nicht so gut, wie das des Chores, jedoch besser, als das des Thurms, welcher von Feld= und Ziegelsteinen bunt durch einander ausgeführt ist.

Der Chor hat eine beinahe runde Wölbung mit acht Rippen, welche von einer 2 Fuß im Durchmesser haltenden, mit Brettern verschlossenen runden Oeffnung ausgehen, gleichmäßig nach unten verlaufen und sich nach drei Seiten auf einen runden Bogen stellen; die Rippen sind sehr ungenau gemauert. Der Bogen zwischen Schiff und Chor, der Triumphbogen, ist im Spitzbogenstyl erbauet. Das Schiff ist mit Brettern bedeckt und hat durchaus keine Anlage zu einer Steinwölbung gehabt.

Der Altar ist im Renaissancestyl.

Eine Empore, welche an der Westseite die ganze Länge des Schiffes einnimmt, hat auf der Brüstung 24 gut erhaltene in Oel gemalte Wappen, unter denen z. B. die Wappen der v. d. Lühe, v. Oertzen, v. Hahn, v. Moltke, v. Zepelin u. A.

Nachweisungen über das Alter der Kirche fehlen, jedoch ist sie ihrer Bauart nach wohl mit den Kirchen zu Semlow und Tribohm von gleichem Alter 1 ). So viel bekannt ist,


1) Die Kirche zu Kölzow fällt wohl in die ersten Zeiten des Uebergangsstyls und schreitet im Bau von Osten gegen Westen vor, so daß der Chor der älteste Theil ist. Die Kirche ist ohne Zweifel jünger, als die Kirche zu Semlow, auch wohl noch jünger, als die Kirche zu Tribohm. Sie ist wohl mit den nahen Kirchen zu Sanitz und Thelkow ungefähr von gleichem Alter vgl. Jahrb. XXIII, S. 322 flgd.).     G. C. F. Lisch.
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kommt Kölzow schon 1233 in Urkunden vor; vgl. Jahrbücher XIV, S. 290.

Marlow, im September 1858.

Dr. Hüen.

Der Herr Dr. Hüen zu Marlow schenkte eine saubere Bleizeichnung der im Uebergangsstyle erbaueten Kirche zu Kölzow bei Sülz.

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Die Kirche und das Antipendium
zu Dänschenburg.

Die Kirche zu Dänschenburg

bei Marlow ist in der Baugeschichte dadurch wichtig, daß die Urkunde über die Stiftung derselben noch vorhanden ist. Nachdem der Fürst Borwin von Rostock 1247 und 1248 das Dorf Dänschenburg dem Kloster Doberan geschenkt hatte, bauete das Kloster in dem Dorfe eine Kirche; am 14. October 1256 weihte der Bischof Rudolph von Schwerin den Kirchhof, bestätigte die Dotation und bestimmte den Sprengel der Kirche, indem er die "Dörfer Utessendorf, Vriholt und Wendisch Repelin" dazu legte; die Original=Urkunde ist noch im schweriner Archive vorhanden und in Westphalen Mon. ined. III, p. 1499 gedruckt.

Wir verdanken die Entdeckung dieser Kirche und ihrer Eigenthümlichkeiten dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow, welchem ich selbst im März 1859 in Dänschenburg an Ort und Stelle, mit freundlicher Unterstützung des Herrn Pastors Steinfaß, nachgeforscht habe.

Die Kirche bildet im Grundrisse ein Oblongum von zwei Gewölben Länge und hat im Westen ein gleich breites Thurmgebäude. Sie ist, mit Ausschluß des Chorgiebels, welcher aus Ziegeln aufgeführt ist, ganz aus Feldsteinen gebauet.

Die Kirche ist aus zwei Gewölbe angelegt, welche jedoch nicht zur Ausführung gekommen sind; statt deren hat sie jetzt eine Bretterdecke. Im Innern stehen an jeder Seite zwei Gewölbeansätze oder Leisten von der Breite eines halben Ziegels in zwei großen, tief hinabgehenden, halbkreisförmigen Bogen, welche auf Platten ruhen, welche für den Fall der Wölbung eingemauert sind. Die Kirche hat unter jedem Gewölbebogen, auch an der Altarseite, zwei Fenster, welche paarweise beisammen stehen und je zwei durch einen Bogen verbunden sind, die Kirche hat also im Ganzen 10 Fenster in 5 Paaren. Die Fenster sind noch im Uebergangsstyle construirt; eben so

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die Bogen, welche sie verbinden und einen alten Spitzbogen zeigen; die Fenster der Nordwand sind noch erhalten, die Fenster der Südwand dagegen theils zugemauert, theils erweitert. Die Nordwand hat zwei im strengen Spitzbogen= oder Uebergangsstyle aufgeführte Pforten, von denen die größere zum Chor jetzt zugemauert ist. Der Thurm hat nach außen und nach innen rundbogige Eingänge.

Der östliche Giebel der Kirche ist von Ziegeln aufgeführt und hat fünf hohe, schmale, weiß getünchte Blenden, welche im Uebergangsstyle construirt und spitz gewölbt sind. Das Dach ist ungewöhnlich hoch und steil und hat sicher noch die ursprüngliche Construction, während die Dächer wohl der meisten Kirchen des Landes in neuern Zeiten gesenkt sind. Daher sind auch noch die Blenden und Leisten des Giebels unberührt.

Aus dieser Darstellung ergiebt sich, daß im J. 1256 noch der Uebergangsstyl zur Anwendung kam; vielleicht aber liegt die Kirche zu Dänschenburg schon in den letzten Grenzen dieses Styls.

Uebrigens ist die Kirche grade nicht vorzüglich gebauet und erhalten.

Von großem Interesse ist mancher Gegenstand in der innern Ausstattung der Kirche.

In der Nordwand der Kirche neben dem Altare ist ein Tabernakel in Form eines Schrankes mit einem halben gothischen Thurme, der sich an die Wand lehnt, angebracht. Der durchbrochene Thurm ist im gothischen Style aus Eichenholz geschnitzt, ziemlich gut gearbeitet und stammt ungefähr aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die weiß getünchte Wand hinter diesem Thurme ist noch mit alten Arabesken bemalt. Es wiederholt sich auch hier, daß die Kirchen der Abtei Doberan Tabernakel hatten.

Der Altar, welcher eine schlechte Arbeit des Zopfstyls ist, enthält eine schlecht gemalte Kreuzigung und in der Predelle ein Abendmahl, beide ohne Werth. - Von alten Altarbildern ist nichts weiter übrig, als ein gut geschnitztes Bild der Heil. Anna aus Eichenholz.

Dagegen ist das vor dem Altartische angebrachte, auf Holz gemalte Antipendium , welches der Herr Dr. Hüen entdeckt hat, von großer Bedeutung für unsere Kunstgeschichte und wird unten in einem eigenen Anhange zu diesen Nachrichten beschrieben und gewürdigt werden.

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Die Glocke ist sehr hübsch und mit vielen Verzierungen geschmückt und trägt die Inschrift:

Inschrift

Nach der von dem Herrn Pastor Steinfaß mitgetheilten Sage soll unter der Kanzel eine Quelle von wunderthätiger Wirkung gewesen sein und die grünlich gefärbten Ziegel im Fußboden noch für den feuchten Untergrund zeugen. Die Gegend von Dänschenburg hat viel Raseneisenstein oder Morasteisen und daher ist das Wasser wohl oft eisenhaltig.

G. C. F. Lisch.

Das Antipendium von Dänschenburg.

Die Vorderseite des Altartisches in der Kirche zu Dänschenburg ist mit einem auf Holz gemalten Antipendium bekleidet, welches wohl seit einigen Jahrhunderten von der herabhangenden Altardecke verdeckt gewesen und daher noch recht gut erhalten ist. Mit Bildwerk geschmückte Bekleidungen des Altartisches aus Metall oder Holz waren im Mittelalter wohl nicht sehr selten; jedoch ist diese Art von Antipendien in den nördlichen Gegenden jetzt so selten geworden, daß das Erscheinen eines Exemplares zu den größten Seltenheiten gehört. So viel ist gewiß, daß bis jetzt in Meklenburg kein anderes Antipendium aus Metall oder Holz bekannt geworden ist, als dieses Antipendium von Dänschenburg; überhaupt scheint im nördöstlichen Deutschland bis jetzt kein anderes Antipendium dieser Art bekannt geworden zu sein. Bekannt ist jenseit der Elbe das werthvolle, auch auf Holz gemalte Antipendium aus dem 13. Jahrhundert vor dem Altare der Kirche zu Lüne, welches in den "Alterthümern der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne", 4. Lieferung, Lüneburg, 1857, herausgegeben ist. Gewirkte oder gestickte Antipendien oder Altardecken waren häufiger und sind ganz oder in Ueberresten noch zu finden.

Das hölzerne Antipendium von Dänschenburg ist grade so groß, wie die Vorderseite des steinernen Altartisches, 3 Fuß lang und 1 1/2 Fuß hoch, und von einem schmalen hölzernen Rahmen eingefaßt, welcher jedoch in neuern Zeiten erneuert oder übermalt ist. Die Tafel wird ganz von einem Oelgemälde gefüllt, welches den Tod der Jungfrau Maria darstellt. Unter einem grünen Thronhimmel mit zurückgebun=

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denen Vorhängen liegt die sterbende Maria auf dem Bette mit dem Oberleibe halb aufgerichtet. Johannes, zu ihrer Linken hinter dem Bette, hält sie in dieser Lage. Neben ihm steht Petrus, welcher mit seiner rechten Hand der Maria das Licht in den Händen hält und mit seiner linken Hand den Weihwedel in das Weihbecken taucht. Die übrigen zehn Apostel stehen hinter dem Bette und am Fuße desselben hinter einander in die Länge gruppirt, um die lange Tafel zu füllen, während sie sich sonst auf Altarbildern gewöhnlich dicht um das Bett drängen. Zur vordern Seite des Bettes, zur Rechten der Maria, knieet betend vor der Maria eine Frau mit weißem Kopfschleier. Zu dem Haupte der Maria sitzt eine Jungfrau mit einer Mütze bekleidet. Dieses Bild ist ohne Zweifel für den Zweck eines Antipendii gemalt, gut erhalten und noch nicht übermalt. Die Verhältnisse und Stellungen der Figuren passen zu den Verhältnissen des Altartisches.

Wichtig für dieses Bild ist die Zeit, in der es gemalt ist. Und da muß ich bekennen, daß es zwar noch katholisch, aber nicht sehr alt ist, sondern der alterletzten Zeit des Katholicismus und zwar der Mitte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts angehört. Hiefür redet nicht nur der Styl der Malerei, sondern auch und besonders der architektonische Hintergrund. Der ganze Hintergrund stellt gequadertes graues Mauerwerk dar. An jedem Ende steht ein grauer Pilaster, welcher einen nach innen gekehrten halben Rundbogen trägt, und in der Mitte des Hintergrundes stehen noch zwei Pilaster; diese Pilaster und Bogen sind ganz und genau der Architektur des nördlichen Renaissance=Baustyls nachgebildet und mit den charakteristischen Verzierungen desselben Styls grau in grau geschmückt. Diese ganze Architektur ist dem frühesten Ziegelrenaissancestyl des nordöstlichen Deutschlands, jedoch in grauen Farben, getreu nachgebildet. Auch die Malerei der Figuren spricht für die angegebene Zeit, sowohl im Allgemeinen, als im Einzelnen, z. B. der Styl der gekräuselten Haare und Bärte, welcher an die Zeit des Albrecht Dürer erinnert. Endlich ist die graue Farbe des Hintergrundes, statt eines Goldgrundes, schon ein Zeichen neuerer Zeit. Auch die Composition hat schon Abweichungen vom alten, strengen kirchlichen Styl, z. B. darin, daß der Apostel Petrus Licht und Weihwedel hält, während sonst gewöhnlich Johannes das Licht und Petrus den Weihwedel hält. Dagegen ist der Gegenstand der Darstellung, Mariens Tod, und die Auffassung derselben im Allgemeinen noch katholisch.

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Man wird daher nicht fehl greifen, wenn man dieses Antipendium in die allerletzte Zeit des Katholicismus und in den ersten Anfang des Renaissancestyls in Meklenburg setzt und man das Jahr 1520 als das Jahr der Verfertigung annimmt. Die Schwankung kann höchstens wenige Jahre betragen. Im ersten Jahrzehend des 16. Jahrhunderts herrscht in Meklenburg nach datirten Kunstwerken noch der gothische Styl mit Goldgrund; im vierten Jahrzehend ward in Meklenburg gewiß kein katholisches Kunstwerk mehr gemacht. Der weiteste Zeitraum, in welchen dieses Antipendium fallen kann, ist also die Zeit von 1510 bis 1530; ich möchte den Raum auf die Zeit von 1520 bis 1530 beschränken.

Was den Werth des Gemäldes betrifft, so ist dasselbe ziemlich gut zu nennen; einige Köpfe sind sogar recht gut. Der Kopf der sterbenden Maria ist zwar nur unbedeutend, dagegen ist der Ausdruck im Kopfe des Johannes gefühlt und sehr gut; auch die Köpfe einiger andern Apostel sind recht gut, andere Gesichter haben noch die Eigenthümlichkeiten der alten Zeit.

Das Antipendium scheint noch seine ursprüngliche Größe zu haben. Die Länge ist gewiß noch die alte, da die beiden Pilaster mit den beiden einwärts gehenden Bogen noch die beiden äußersten Seiten begrenzen. Oben scheinen die beiden Bogen abgeschnitten zu sein; ob dies nun die ursprüngliche Art der Malerei ist, welche die Bogen an den Seiten nur andeuten und verlaufen lassen wollte, oder ob oben in jüngern Zeiten von der Tafel etwas abgenommen ist, läßt sich wohl nicht mehr bestimmen; es ist jedoch gewiß, daß die Verhältnisse des Ganzen noch gut sind und daß nichts zu fehlen scheint, auch daß sich in der ursprünglichen Malerei die Bogen nicht auf die beiden Pilaster in der Mitte des Gemäldes fortsetzen. Es scheint also, daß ursprünglich nur eine Andeutung einer Halle durch zwei sich verlaufende Bogen hat gegeben werden sollen.

Jedenfalls scheint es sicher zu sein, daß die Bekleidung der Vorderseite des Altartisches der Kirche zu Dänschenburg ein Antipendium ungefähr vom Jahre 1520 ist.

G. C. F. Lisch.

Vignette
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Jahresbericht

des
Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde

von

Wilhelm Gottlieb Beyer,

Dr. jur. und Archiv=Secretair zu Schwerin
als
zweitem Secretair des Vereins.


Vierundzwanzigster Jahrgang.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung (Didier Otto).

Schwerin, 1859.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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A m 2. Juli 1834 ward der nunmehrige Herr Archivrath und Conservator Dr. Lisch durch die Gnade des hochseligen Großherzogs Friedrich Franz I. nach 7jähriger ehrenvoller Wirksamkeit als Lehrer des Gymnasiums zu Schwerin zum Archivar an dem großherzoglichen Geh. und Haupt=Archive berufen, und zugleich zum Aufseher der großherzoglichen Alterthumssammlung ernannt. Diese glückliche Wahl ward bekanntlich die Veranlassung zu der Gründung unsers Vereins, welcher seine Existenz ausschließlich dem wissenschaftlichen Eifer des nun in die rechte Bahn gewiesenen, damals in voller Jugendkraft stehenden Mannes verdankt, und schon am 24. April des nächsten Jahres 1835, dem Jubelfeste der 50jährigen segensreichen Regierung des allgeliebten und verehrten Landesvaters, seine Wirksamkeit beginnen konnte. In gemüthlicher Erinnerung an diese nur den nächsten Freunden näher bekannten Ereignisse, über welche nun bereits ein Vierteljahrhundert hinweggegangen war, hatte der Herr Archivrath außer dem jetzt fälligen 24. Bande unserer Jahrbücher in stillem heimlichen Schaffen zugleich den ersten oder historischen Theil des 25. Bandes vollendet, und legte denselben, eben erst von einer längeren amtlichen und wissenschaftlichen Reise nach Kopenhagen zurückgekehrt, am 11. Juli in der ordentlichen Generalversammlung "in treuer Anhänglichkeit und Dienstbeflissenheit", wie die einfache Widmung an den Verein lautet, gedruckt auf den Tisch der Versammlung nieder.

An diese, für den Freund wenigstens ergreifende Scene knüpfte sich eine Debatte, welche hoffentlich für die Zukunft des Vereins nicht ohne glückliche Folgen bleiben wird. In Gemäßheit des in einer vorbereitenden Versammlung des Ausschusses gefaßten Beschlusses stellte nämlich der Unterzeichnete nach specieller Aufforderung Sr. Exc. des Herrn Präsidenten v. Oertzen den Antrag, die nächste General=Versammlung zur Feier der 25jährigen Wirksamkeit des

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Vereins auf den Jahrestag seiner Stiftung, den 24. April 1860 zu verlegen und mit einem außerordentlichen Festmahle zu verbinden, was sofort den allgemeinen Beifall der Versammlung fand. Bei der aufgeregten Stimmung, welche in Folge der verhängnißvollen politischen Ereignisse der neuesten Zeit in dem ganzen weiten Vaterlande alle Schichten des Volkes durchdrungen, jedes deutsche Herz mit Zorn erfüllt und den Blick aller deutschen Männer nur auf ein Ziel, den hart an den Gränzen unseres Vaterlandes plötzlich entbrannten Kampf eines Bruderstammes, gerichtet hat, - in dieser Stimmung konnte freilich die schon in der Ausschußversammlung warm besprochene Frage nicht ausbleiben, ob es schicklich sei, in solcher Zeit der allgemeinen Gefahr an die Vorbereitungen zu einem fröhlichen Festgelage zu denken; aber eben so nahe als die Frage, lag auch die Antwort, daß es sich hier keineswegs um ein gewöhnliches Jubelfest handle, daß unser Verein neben seinen reinwissentschaftlichen Zwecken stets den Charakter eines gemeinnützigen vaterländischen Instituts für sich in Anspruch genommen habe, und daß grade in der das Vaterland bedrohenden Gefahr für alle patriotischen Männer eine doppelte Aufforderung liege, sich fester zu einander zu stellen und jede Gelegenheit zur Hebung des Nationalgeistes, wie sie sich in dem vorgeschlagenen Feste, wenn es recht begangen werde, darbiete, mit Freuden zu benutzen. In diesem Sinne ward denn auch der Antrag einstimmig genehmigt, wiewohl mit dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß der Brand inzwischen nicht das eigene Haus ergreife. Zur Entwerfung der Festordnung ward sodann eine Committe, bestehend aus dem Herrn Archivrath Dr. Lisch, dem Herrn Ministerial=Registrator Dr. Wedemeier und dem Unterzeichneten, gewählt, mit dem Auftrage, in der nächsten Ausschußversammlung geeignete Vorschläge zur Genehmigung vorzulegen, und mit der Vollmacht, zu deren Ausführung demnächst nach eigenem Ermessen noch 3 - 4 der in Schwerin ansässigen Vereinsmitglieder als Festordner heranzuziehen. Um aber dies 25jährige Stiftungsfest zugleich zu einem Feste der Verjüngung und Wiedergeburt des Vereins zu machen, ward auf weitern Antrag des Ausschusses schon jetzt beschlossen, in der Zwischenzeit die Statuten des Vereins einer Revision zu unterwerfen, und wenn nöthig die Thätigkeit desselben nach den bisherigen Erfahrungen und den gegenwärtigen Bedürfnissen neu zu ordnen. Namentlich aber schien es jetzt an der Zeit, den schon in der ersten General=Versammlung vor 25 Jahren besprochenen und seitdem nie aus den Augen verlornen Plan

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der Herausgabe einer allgemeinen meklenburgischen Urkundensammlung, bei dieser Gelegenheit wieder in Anregung zu bringen, weshalb der Unterzeichnete den Auftrag erhielt, diesen Gegenstand schon jetzt, wie hiemit geschieht, zur Berathung und Beschlußnahme in der bevorstehenden Festversammlung zu intimiren. Mögen diese Beschlüsse auch bei den abwesenden Mitgliedern des Vereins allgemeine Theilnahme finden, und diese namentlich durch recht zahlreichen Besuch der Versammlung bethätigt werden!

Mit Rücksicht auf die hiernach bevorstehenden außerordentlichen Ausgaben ist mir für dies Mal für den folgenden Bericht ausdrücklich die möglichste Raumersparung empfohlen worden. Aus diesem Grunde ist auch das statutenmäßig alle zwei Jahre mitzutheilende namentliche Verzeichniß der Mitglieder des Vereins, welches dem Berichte von 1857 zuletzt angeschlossen ward, gleichwohl weggeblieben, zumal da für das nächste Jahr der Abdruck der vollständigen Matrikel aus dem ersten Vierteljahrhundert beschlossen ist. Die in dem abgelaufenen Jahre eingetretenen Veränderungen in dem Personalbestande des Vereins sind übrigens ziemlich bedeutend, und leider nicht durchweg erfreulich. Zunächst habe ich den Tod eines unserer thätigsten correspondirenden Mitglieder zu melden, des am 28. Nov. 1859 im 61. Lebensjahre zu Wien verstorbenen kaiserlich österreichischen Regierungsrathes und Vice=Directors des Geh. Haus=, Hof= und Staatsarchivs zu Wien, Joseph Chmel. Der Verstorbene gehörte dem geistlichen Stande an, und war regulirter Chorherr des Augustinerstiftes St. Florian, hatte jedoch seinen Wohnsitz seit vielen Jahren in Wien, wo er als Stifter und eins der rührigsten Mitglieder der kaiserlichen Akademie und namentlich als ein um die Erforschung der österreichischen Geschichtsquellen hochverdienter Gelehrter in hohem Ansehen stand. Den Bestrebungen und Arbeiten unseres Vereins, die er zuerst in Oestreich zur Kenntniß und Anerkennung brachte, folgte er bis zu seinem unerwarteten Ende mit besonderer Aufmerksamkeit. - Die Vorschlagung neuer Ehrenmitglieder und Correspondenten glaubte der Ausschuß bis zur bevorstehenden Festversammlung verschieben zu müssen, was bei der diesjährigen Generalversammlung vollkommene Billigung fand. Die Zahl der correspondirenden Mitglieder hat sich daher gegenwärtig bis auf 53 vermindert.

Die Herren Präsidenten und Beamten des Vereins sind sämmtlich auf ihren Plätzen geblieben, und die Herren Repräsentanten wieder gewählt. Von den ordentlichen Mitgliedern

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dagegen sind nicht weniger als 11, größten Theils durch den Tod, aus unserer Mitte ausgeschieden, nämlich der Küchenmeister Engel zu Malchow, gest. im October 1858, der Landdrost v. Bülow zu Neustadt, gest. am 1. November 1858, v. Oertzen auf Repnitz, gest. am 18. October 1858, der Gymnasiallehrer a. D. Dr. Plagemann zu Wismar, gest. im Juni 1859, der Präpositus Hast zu Hagenow, gest. am 6., und der Landmarschall Graf Hahn auf Basedow, gest. am 7. des laufenden Monats; ferner durch freiwilligen Austritt: die Herren v. Schulse auf Ludorf, Eckermann auf Poetenitz, Dr. Reuter in Lübeck, Amtsverwalter v. Schöpfer zu Boitzenburg und Senator Bade zu Schwerin. Beigetreten sind dagegen die Herren v. Kohlhans auf Golchen, O.= App.=Ger.=Canzlitz Rogge zu Rostock, Pogge auf Gevezin, Pogge auf Wolkow, Pogge auf Blankenhof und Realschullehrer Sellin in Schwerin. Dadurch sind also grade nur die Todten ersetzt, so daß sich die Gesammtzahl der ordentlichen Mitglieder von 280 auf 275 vermindert hat. Dieser Verlust ist freilich bedeutend, liegt aber doch durchaus innerhalb der Gränzen der gewöhnlichen Schwankungen und ist überdies fast nur durch den besondern Unglücksfall herbeigeführt, daß 3 unserer ältesten Freunde grade noch unmittelbar vor dem Schlusse des Vereinsjahres durch den Tod abgerufen wurden. Eine Verminderung der Theilnahme an unsern Bestrebungen ist also aus diesen Zahlen gewiß nicht zu folgern, zumal die Betheiligung an den wissenschaftlichen Arbeiten des Vereins, sowohl innerhalb, als außerhalb desselben, vielmehr in erfreulichem Wachsthum begriffen sein dürfte, wie der Inhalt der letzten Bände der Jahrbücher nachweiset.

Eine berichtliche Anzeige des Inhalts des letzten Bandes, welcher mit diesem Berichte vereinigt ausgegeben wird, muß ich mir dies Mal aus dem schon angeführten Grunde versagen, doch wird es mir erlaubt sein, auf die neuesten Erscheinungen der historischen Literatur, so weit sie Meklenburg betrifft, in gewohnter Weise kurz hinzuweisen. Es gehören hieher zunächst zwei im Auslande erschienene Werke, nämlich der zweite Band des Urkunden=Buches der Stadt Lübeck, herausgegeben von dem Vereine für Lübeckische Geschichte, dessen erster Theil 1843 erschien, ein tüchtiges Werk, das auch für die meklenburgische Geschichte ein reiches Material darbietet, - und der so eben in schwedischer Sprache erschienene erste Band der Beiträge zur Skandinavischen Geschichte aus ausländischen Archiven, gesammelt und herausgegeben von C. G. Styffe, welcher über das Verhältniß Schwedens zu Meklenburg

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im 14. Jahrhundert und den innern Zustand Schwedens unter dem König Albrecht, Herzog von Meklenburg, handelt, und worin 86 Urkunden, größten Theils aus dem Schweriner Staatsarchive, nach den von dem Verf. im Jahre 1857 während eines mehrwöchentlichen Aufenthaltes daselbst genommenen correcten Abschriften, mitgetheilt werden. - Sodann ist zu erwähnen, die neue Auflage der immer noch sehr gesuchten, aber längst vergriffenen, kurzen Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar von Dietrich Schröder durch Hrn. Prof. Dr. Crain zu Wismar, wovon das 1. und 2. Heft bereits ausgegeben ist. Der Herr Herausgeber beabsichtigt zugleich, demnächst in einem Anhange die Resultate seiner eigenen Forschung mitzutheilen, worauf man mit Recht freudig gespannt sein darf, da dieser geniale vaterländische Gelehrte speciell in dem alten Wismar fast nicht minder heimisch ist, als in dem heutigen. * ) Von dem größten Interesse für die ältere Geschichte unserer Heimath verspricht auch die Zusammenstellung aller die nördlichen Wenden betreffenden Nachrichten in den deutschen und auswärtigen Annalen und Chroniken zu werden, womit der Herr Gymnasiallehrer Dr. Wigger eifrig beschäftigt ist, und worauf mir vorläufig aufmerksam zu machen erlaubt sein mag.

Auch unser Verkehr nach außen ist durch den Beitritt von 3 neuen Vereinen zu dem Verbande der mit uns in Correspondenz und Schriftenaustausch stehenden wissenschaftlichen Gesellschaften erweitert. Es sind dies der Verein von Alterthumsfreunden zu Bonn, die kaiserlich österreichische geographische Gesellschaft zu Wien, und der erst kürzlich mit sehr bedeutenden Kräften zusammengetretene Verein für Geschichte und Alterthümer zu Bremen und Verden und des Landes Hadeln zu Stade. Die Gesammtzahl der verbundenen Vereine ist daher gegenwärtig bis auf 80 gewachsen.

Ebenso ist es auch dem Gesammtvereine der historischen Gesellschaften Deutschlands, der durch den Rücktritt des


*) Noch während des Druckes dieses Berichtes ist das erste Heft der angekündigten "Beiträge zur Geschichte der Stadt Wismar etc. ., von L. F. Crain" bereits ausgegeben. Dasselbe enthält c. 1 - 3 die Geschichte der Gründung der Stadt, und eine topographische Beschreibung derselben; c. 4 aber handelt über den Verkehr der Stadt mit ihren Nachbaren im 13. - 15. Jahrh., namentlich mit den in der Umgegend gesessenen reichen Adelsgeschlechtern, den v. Barnekow, v. Plessen, v. Preen, v. Stralendorf, v. Oertzen, v. Negendank u. a.
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bisherigen überaus tüchtigen Verwaltungsausschusses zu Hannover eine Zeitlang selbst in seiner Existenz bedroht schien, auf der letzten allgemeinen Versammlung zu Berlin vom 15. bis 18. Sept. gelungen, sich aufs Neue zu befestigen, indem nicht nur der Vorstand des Stuttgarter Vereins unter dem Präsidio Sr. Erlaucht des Grafen Wilhelm von Würtemberg die ihm angetragene Leitung der Geschäfte übernommen hat, sondern auch wiederum mehre, dem Verbande fern gebliebene Vereine demselben beigetreten sind. Auf der erwähnten Versammlung, in welcher der Herr General=Director v. Olfers den Vorsitz übernommen hatte, betheiligten sich die Deputirten von 20 Vereinen, und über 100 Privatgelehrte, welche zwar zum größern Theile in Berlin ansässig waren, durch welche aber doch nicht allein alle Provinzen des preußischen Staates, sondern auch Baiern, Würtemberg, Baden, Nassau, beide Hessen, das Königreich und die Herzogthümer Sachsen, Hannover und Meklenburg, ja selbst Dänemark, Schweden, England und Frankreich vertreten waren. Nur die österreichischen Vereine hatten sich leider auch dies Mal, und zwar, wie angedeutet wird, nicht ganz freiwillig ausgeschlossen. - Die Finanzverhältnisse gestalten sich allmählig immer befriedigender, so daß in dem letzten Jahre selbst ein Ueberschuß der Einnahme von 300 Thlrn. einstweilen zinslich belegt werden konnte. - Die gemeinsamen, durch die gewählten Committen geleiteten Arbeiten beschränken sich übrigens im Wesentlichen immer noch auf die Erforschung der alten Gränzbefestigung des römischen Reiches am Rhein und Donau, und auf Beschreibung der Gaue Deutschlands. - Von speciellem Interesse für uns waren die Verhandlungen in der Section für heidnische Alterthumskunde unter dem Präsidium unsers ersten Secretairs, Herrn Archivraths und Conservators Dr. Lisch, da vorzugsweise Fragen zur Erläuterung von Alterthümern aus dem Nordosten Deutschlands zur Erörterung kamen. Der Gang der Debatte war aber auch noch in so fern für uns erfreulich, als dadurch dem Herrn Präsidenten, und damit auch unserm Vereine, für die wiederholten Angriffe, welche namentlich die von uns adoptirte Eintheilung der Alterthümer in 3 Perioden, so wie die Beurtheilung einzelner wichtiger Funde, in den letzten Jahren erfahren hat, bei mehren Gelegenheiten volle Genugthuung ward.

Schwerin, im Juli 1859.

W. G. Beyer, Dr.,           
Archiv=Secretär, als zweiter Secretär des Vereis.


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Anlage A.

Auszug

aus der Berechnung der Vereins=Casse
vom 1. Juli 1858 bis 30. Juni 1859.
Auszug aus der Berechnung der Vereins=Casse vom 1. Juli 1858 bis 30. Juni 1859: Einnahme-Ausgabe
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Auszug aus der Berechnung der Vereins=Casse vom 1. Juli 1858 bis 30. Juni 1859: Abschluß- Vermögen

Schwerin, den 30. Juni 1859.

F. Wedemeier, Dr., Ministerial=Registrator,
p. t. Cassen=Berechner.                 


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Anlage B.

Verzeichniß

der in dem Vereinsjahre von Ostern 1858 bis
dahin 1859 erworbenen Alterthümer.

I. Alterthümer aus vorchristlicher Zeit.

A. Aus der Zeit der Hünengräber.
Streitäxte:
    aus Hornblende 1
" Kieselschiefer 1
" Grünstein, unvollendet 1
" Grünstein, Bruchstück 1
Keile aus Feuerstein 8
Dolch aus Feuerstein 1
Lanzenspitze aus Feuerstein (Bruchstück) 1
Pfeilspitze aus Feuerstein 1
Halbmondförmiges Messer 1
Cylinder aus Hornstein (Bruchstück) 1
Perle aus Bernstein 1
Schleifstein aus Sandstein 1
Dolchförmig geschliffener Sandstein 1
Mehre natürliche, aber mit künstlich bearbeiteten vereinigt gefundene Steine von der Gestalt von Waffen und Thieren 5
Bruchstücke menschlicher Gebeine
B. Aus der Zeit der Kegelgräber.
Schwert aus Bronze 1
Frameen aus Bronze mit Schaftloch und Oer 3
" mit Schaftriemen 1
Dolchspitze aus Bronze 1
Diadem aus Bronze 1
Gefäß " " (Bruchstück) 1
Gefäß aus Thon 1
Graburne aus Thon (außer vielen Scherben) 1
Bruchstücke menschlicher Gebeine.
Verschiedene Nachbildungen aus Gyps.
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C. Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe.
Ringe von verschiedener Größe aus Silber 14
Fingerringe, spiralförmig, aus Bronze 2
Gürtelgehenk aus Bronze 1
Heftel aus Bronze (Bruchstück) 1
Messer aus Eisen 2
Scheere " " 2
Münze aus Kupfer (Anf. des 13. Jahrhunderts) 1
Perlen aus Glas 5
Kamm aus Knochen 1
Graburne aus Thon 1
Spindelstein aus Thon 1
Menschliche Schädel 2

II. Aus dem christlichen Mittelalter.

Lanzenspitze aus Eisen 1
Pfeilspitze "    " 1
Messer "    " 1
Hufeisen "    " 3
Sporen "    " 2
Hammer "    " 1
Schlüssel "    " 2
Leuchter aus Bronze 1
Schnalle "    " 1
Pfeifenkopf aus Granit 1
Gußform aus Sandstein 1
Ofenkacheln aus Thon 47
Henkeltöpfe "    " 2
Teller "    " 1
Spindelsteine "    " 3
Reliefziegel 6
Mehre Abbildungen auswärtiger Alterthümer in Gyps

W. G. Beyer.


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Anlage C.

Bericht über die Münzsammlung.

Zur Münzsammlung sind im verflossenen Geschäftsjahre nur 69 Stück hinzugekommen, nämlich 36 silberne, 25 kupferne und 8 Schaumünzen.

Das interessanteste Stück ist offenbar der galvanoplastische Abdruck einer im kaiserl. Münzcabinet in Wien enthaltenen, bis jetzt noch nicht bekannt gemachten Schaumünze des Herzogs Heinrich des Friedfertigen, vom Herrn Archivrath Lisch geschenkt. Sie zeigt das vorwärts gekehrte Brustbild mit starkem, rund verschnittenem Haare und Knebelbart (das auch aus seinen Currentmünzen dargestellt ist), völlig geharnischt, mit Buckeln auf der Brust und mit starken Armschienen, in der Rechten den Griff des gesenkten Schwertes haltend, die Linke in die Seite gesetzt. Die Rückseite zeigt das vollständige Wappen von 5 Feldern, den meklenburgischen Stierkopf mit dem Ringe in der Nase, den stargardischen Arm mit einem Puffärmel und mit 3 Helmen. Die Umschrift enthält auf beide Seiten vertheilt den Titel des Herzogs: HENRICVS D. G. DVX MECH PRIN (Rückseite) VANDA: COM: SVERI. ROSTO ET STARGA. - Herzog Heinrich hat auf seinem großen Siegel nicht drei Helme gebraucht, es ist also diese nach Schnitt und Form der Buchstaben nicht im Inlande gefertigte Medaille das älteste Zeugniß für den Gebrauch der drei Helme auf dem vollständigen Landeswappen. - Ein zweiter galvanoplastischer Abdruck zeigt das bei Evers II, 82 beschriebene Schaustück des Herzogs Johann.

Die übrigen Münzen, welche der Sammlung zuflossen, haben geringen, numismatischen Werth; sie sind in den Quartalberichten aufgeführt, es wird also genügen, hier zu bemerken, daß durch sie manche Lücke ausgefüllt ward, und mit verbindlichstem Danke die Geber zu nennen. Es waren die Herren: Dr. Crull in Wismar, Domainenrath v. Brocken auf Dobbin, v. Oertzen auf Woltow, Ministerialrath Frhr. v. Nettelbladt, Justizrath Frhr. v. Maltzan in Rostock, Rittmeister Frhr. v. Printz in Ludwigslust, Bürgermeister Daniel in Schwaan, Rentier Wohlgemuth in Schwerin, Präpositus Hast in Hagenow, die Pastoren Albrand zu Lübow und Kossel zu Tarnow,

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Unteroffizier Büsch in Wismar, Gensdarm Peters, Seidel in Bützow und Ritter zu Friedrichshöhe. - Der Unterzeichnete konnte die Sammlung mit einer Reihe von Groschen des Markgrafen Albrecht zu Brandenburg als Hochmeister des deutschen Ordens aus den Jahren 1513 - 1523 vermehren, welche sich in einem in Brüel gemachten, von ihm erworbenen Münzfunde befanden. Dieser Fund enthält 334 Münzen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, und zwar, um ihn hier zu registriren, die Gepräge der Herzoge Magnus und Balthasar, Heinrich, Albrecht und Johann Albrecht von Rostock und Wismar (5 Schillinge von 1553 waren die jüngsten Münzen), dann von Lübeck, Hamburg, Lüneburg, Schleswig=Holstein, Brandenburg, Pommern, Stralsund und dem Hochmeister Albrecht. Die größeren Münzen waren Halbreichsorts=Thaler (resp. Doppelschillinge), die kleinsten die Münzen der Städte Garz, Golnow, Pyritz, Stargard und Stettin.

Da die Münzsammlung seit einigen Jahren sehr weit gegen die andern Zweige der Vereinssammlung zurückbleibt, so erlaube ich mir, sie der Theilnahme der Vereinsmitglieder auf das angelegentlichste zu empfehlen.

G. M. C. Masch.


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Anlage D.

Die Bildersammlung des Vereins.

Die Bereicherung unserer Bildersammlung in dem Zeitraume von Johannis 18 58/59 ergreift, wie im letzten Vorjahre, hauptsächlich das Fach der Bildnisse. Ueberhaupt gehört die größere Hälfte der ganzen Sammlung dem Portraitfache an, indem die Prospecte und Architekturen neuerdings immer mehr in Sammelwerken auf dem Vertriebswege der Lieferungen erscheinen. Die meisten im letzten Jahre gewonnenen Blätter sind neuen Ursprungs und im Auslande erzeugt. Die Mehrzahl derselben ist durch Ankauf erworben. Unsere einheimische Kunstproduction an Werken des Kupferstichs und der Lithographie, so weit sie der Kunsthandel vertreibt, bleibt gegen einige benachbarte Länder und Städte merklich zurück. Man hört bei uns häufiger auf schwachen Absatz von dergleichen Artikeln hindeuten. Unsere mehr berufenen Künstler legen auf eigene Leistungen in den genannten Kunstrichtungen wenig Werth. Endlich kommt die auch bei uns steigende Verbreitung der photographischen Nachbildungen hinzu.

Die Zusammenstellung des gegenwärtigen Gewinnes ergiebt an Bildnissen 19, Prospecten und Architekturen 10, Situationsplänen 2, Alterthümern 4, Localereignissen und Karrikaturen 4 Bl., zusammen 39 Bl. Am 12. Juli 1858 enthielt unsere Sammlung 778 Blätter, nunmehr 817, von denen 464 Bildnisse sind. Seit dem April 1853 beträgt der Zuwachs nahezu an 600 Blätter. - Dem nachfolgenden Verzeichnisse füge ich einige kunstliterarische Nachweisungen hinzu. Die neue Abtheilung der "Wappen und Siegel" werde ich im nächsten Berichte verzeichnen.

I. Bildnisse.

A. Meklenburgisches Fürstenhaus.

Louise, Königin von Dänemark, Tochter des Herzogs Gustav Adolph von Meklenburg=Güstrow, geb. 28. August 1661, verm. mit dem Kronprinzen Friedrich von Dänemark am 5. Dec. 1695, gest. im März 1721. Mutter des Königs Christian VI. - Brustbild. Kupf. 8. J. Friedlein sculp. 1700, Mit der Legende: "Wo reiner Tugend Glanz" etc. .

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Friedrich Wilhelm Nicolaus, Herzog von Meklenburg=Schwerin, geb. 5. März 1827. Kniestück. Lith. von A. Achilles. Schwerin. 1849. Druck von Delius in Berlin. R. = Fol.

B. Staatsbeamte und Celebritäten.

B. J. U. v. Kamptz, meklenburg=strelitzscher Oberlanddrost zu Stargard, geb. 9. März 1781 zu Schwerin, gest 5. Dec. 1855 zu Stargard. Brustbild. Lith. von Unte. Druck von Zöllner in Berlin. R. = Fol. (Geschenk des Herrn E. v. Kamptz in Schwerin.)

Joachim Ad. v. Bassewitz, geb. zu Schönhof am 26. Sept. 1774, seit 1798 meklenburg=strelitzscher Kammerrath, 1816 Geh. Rath und auf Schönhof, seit 1836 meklenburg=schwerinscher Landrath, gest. 1853 im Bade Kissingen im 67. Lebensjahre. Sein Wirken während der Kriegszeit von 1806 bis 1815, für die Stiftung und Einrichtung des Creditvereins, für den Bau der Kunststraßen, in der Schuldentilgungs= und in der Reluitions=Commission sichern sein Andenken. - Brustbild. Lith. Ohne Schrift. Fol.

Carl v.Rantzau, seit 1800 Kammerjunker im Hofstaate des Erbprinzen Friedrich Ludwig und der Erbprinzessin Helena Paulowna, hernach Kammerherr J. K. H. der verw. Frau Erbgroßherzogin Auguste. Brustbild. Gez. von G. v. Boddien, Lith. von Funke. Fol. (Beide letztgenannten Blätter geschenkt vom Herrn Geh. Regierungsrath v. Bassewitz.)

F. v. Flotow, Kammerherr und Intendant des großh. Hoftheaters zu Schwerin, Componist, geb. 1811. Lith. von Kriehuber, 1847. Verl. von Mechetti in Wien. Mit facsim. Unterschrift. R. = Fol.

Therese v. Bacheracht, geb. v. Struve, wieder verm. mit dem Oberstlieutenant v. Lützow, Schriftstellerin, gest. 1852 in Java. - Brustbild. Gest. von W. C. Wrankmore. Gr. 8.

Ida Gräfin Hahn = Hahn, geb. 1805, verm. 1826 mit dem Grafen F. Hahn = Basedow, geschieden 1829. Schriftstellerin. Halbfigur. Gez. von Fräulein v. Meyern = Hohenberg, gest. von A. W. Teichel. R. = Fol.

Leopold v. Buch, Geognost, Reisender, geb. 1773, gest. 1853. Brustbild. J. B. Kolb sc. 1852. Facsim. Unterschrift. Kl. 8. - Aus der Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft zu Berlin. (Geschenkt vom Herrn Litteraten Fromm allhier.)

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C. Gelehrte.

(Ohne Schrift:) Kortüm, Prof. der Geschichte zu Heidelberg, gest. 1858. Photogr. 4. (Geschenkt vom Herrn Studenten der Rechte G. Brüning.)

Dr. F. G. L. Crull, Arzt zu Wismar. Lith. von C. Fuchs in Hamburg; Verlag von Gundlach in Wismar. Mit facsim. Handschrift. R. = Fol.

M. Baumgarten, Dr. und Prof. der Theol. Nach einer Photogr. auf Stein gez. von Engelbach. Mit facsim. Unterschrift. R. = Fol. (Als Geschenk überreicht vom Herrn Cand. Dolberg hier.)

F. L. Werner, Seminar=Director zu Ludwigslust, gez. und lith. von G. Schucht. Facsimil. Unterschrift. Verlag von Hinstorff. R = Fol.

K. Jahn, Hofprediger zu Schwerin, geb. 1816. Gez. von Pauline Suhrlandt, lith. von F. Meyer. Facsim. Unterschrift. Verlag von Hinstorff. R. = Fol.

D. Künstler.

G. Benda, Componist, Mitglied der ludwigsluster Hofkapelle, gest. 1795. Mechau del. Schroeter sculp. Neuer Abdruck. Verlag von Breitkopf und Härtel. Gr. 4.

F. H. Sponholtz, Organist zu Rostock, geb. 1803, Componist. Lith. Verlag von Schubert & Comp. in Hamburg. Gr. 4.

François Parrod, großh. Hofopernsänger zu Schwerin. Lith. von C. Schultz, 1842. R. = Fol.

Louise Koester, geb. Schlegel, königl. Kammersängerin zu Berlin, geb. 1823. Nach einer Photogr. lith. von C. Fischer. Verlag von E. Bote. R. = Fol.

Zerline Würzburg (aus Güstrow), Schauspielerin zu Wien. Lith. von Kriehuber. Unterschrift in Facsim. Verlag von L. Neumann in Wien. R. = Fol.

II. Prospecte und Architekturen.

Die Stadt Boizenburg, von der Höhe des Elbufers aus gesehen. Lithogr. Colorirt. Q. = Fol. (Geschenkt vom Herrn Studenten der Rechte G. Brüning.)

Die Stadt Güstrow aus der Vogel=Perspective, um das J. 1700. Kpf. 4. Aus Thomas Analecta Gustroviensia. 1706. 8.

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Südliche Ansicht der Kirche zu Kölzow bei Sülz. Handz. in Blei vom J. 1859. (Geschenkt vom Herrn Dr. med. Huen in Marlow.)

Vordere Ansicht der Grabkapelle der Herzogin Louise zu Ludwigslust. Color. Handz. von L. Cornelius. 1814. Q. = F.

Das ehemalige Kreuzthor zu Parchim: a. Ansicht des in der Stadtmauer belegenen Thors. 2 Bl. Handz. Kl F. b. Ansicht des im Stadtwalle belegenen. 2 Bl. dgl. c. Grundrisse beider Thore. 2 Bl. desgl.

III. Situationspläne.

Grundriß der ehemaligen Burg der Moor=Hoben zu Wasdow an der Recknitz. Handz. von Ritter. (Geschenk des Herrn C. Ritter.)

Grundriß der Stadt Wismar vom J. 1850. Lith. von C. Herold. Verlag von Gundlach daselbst. R. = Fol.

IV. Alterthümer.

Abbildung der Schädel vom Neanderthal bei Elberfeld und von Plau in Meklenburg. Wagenschieber sc. Q. = Fol. (Zu den Jahrbüchern des Vereins, Jahrg. XXIV.)

Taufbecken aus Kalkstein im Garten zu Dreveskirchen. Handz. in Blei. Fol.

Durchzeichnung der unentzifferten Inschrift einer Glocke zu Wismar. (Beide letztgenannten Bl. Geschenk des Herrn Dr. med. Crull in Wismar.)

Die Schwerter der "Eisernen Jungfer" aus dem Schlosse zu Schwerin. Handz. 8.

V. Locale Ereignisse, Karrikaturen etc. .

Zwei fliegende Blätter aus dem J. 1849: a. Bassermännchen und Windischgrätz, mit der Legende: "Ich kippe! Ich kippe!" etc. . b. Ulrich und Ludeken, mit der Legende: "Nu mach' ich aber Ernst!" etc. . Lith. 4.

Der Hochzeitsbitter im Fürstenthum Ratzeburg. Color. Volksbild, wie es öster in dortigen Bauernhäusern gefunden wird. Handz. R. = Fol.

Das Faschingfest der Künstler und Kunstfreunde zu Schwerin am 5. Febr. 1858 im Saale der Tonhalle. Gez. und lith. von Puschkin. R. = Fol. (1 Exempl. Ist angekauft, ein zweites später als Gesch. überreicht vom Hrn. Cand. Dolberg.)

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Im Verfolge der kunstliterarischen Nachweisungen wende ich mich zunächst zu den Bildnissen der meklenburgischen Hof= und Staatsbeamten und Gelehrten.

Philipp Georg Löw, Reichsfreiherr von und zu Steinfurth, meklenb. Geh. Rath, Ober=Hofmarschall und Kammerpräsident, gest. 6. März 1712 zu Steinfurth. (Hofmeister des Herzogs Friedrich Wilhelm z. M.) Kupferstich von J. H. E. Mockstatt. Fol. Findet sich in dem: "Ehren= und Liebes=Gedächtniß dem Herrn Reichsfreiherrn Ph. G. Löwen etc. . zur Bezeugung brüderlicher Treue aufgerichtet". Gießen. 1712. Fol. (Ein Exemplar bei den Impressa des großh. Archivs zu Schwerin.)

E. J. v. Westphalen, Kanzler, zu Kiel, gest. von Ch. Fritzsch. 1742, 8. Siehe in der: "Hamburg. Verm. Bibliothek, Bd. I. 1743." 8.

Zu dem Portrait des Freiherrn C. v. d. Lühe zu Wien, im vorigen Jahre erworben, füge ich eine biographische Notiz: Carl Emil von der Lühe war aus einer holsteinschen Branche im J. 1751 geboren. Er ward Page bei der Königin Caroline Mathilde und nachher dänischer Kammerherr. Ungefähr 1788 kam er nach Wien, wo er Regierungsrath und kaiserlicher Kammerherr wurde. In den letzten Jahren des Jahrhunderts legte er seine Aemter nieder, "die er seinem Geiste nicht entsprechend fand". Er bezog einen Gnadengehalt von 2000 Gulden und starb im J. 1801. (Siehe Deutscher Merkur, 1801, Stück 5; Wehnert's Meklenburg. Provinzialblätter, Bd. I, Heft 3, 4; Bd. II, Heft 3, 4.)

Portraits von meklenb. Aerzten des 18. Jahrhunderts finden sich: J. E. Schaper, Dr. und Prof. der Medicin zu Rostock, gest. von Fritzsch, Hamburg. 8. in den: Annales litterarii Meklenburg. auf d. J. 1721. Erste Vorstellung. Rostock. 1722. 8. - Dr. S. G. Vogel, Hofrath und Prof. zu Rostock, gest. von G. Bretzing. 8. - Silhouette des Dr. C. Engel in Schwerin. 8. in dem: "Medicinischen Kalender auf das J. 1813. Herausgeg. von Dr. G. H. Masius. Rostock. 1813. 8." - Dr. C. F. L. Wildberg, Hofrath etc. . zu Neustrelitz. Gest. von Clar. 8. findet sich in demselben Kalender auf d. J. 1815. - Dr. Ch. M. Burchard, Prof. der Medicin zu Rostock, gest. von C. Fritzsch. 8. in der: "Kritischen Sammlung zur neuesten Geschichte der Gelehrsamkeit", Bd. IV. 1777. 8.

In der letztgenannten Zeitschrift finden sich auch drei Portraits von unsern ältern Juristen, und zwar: Dr. C. H. Möller, Prof. der Rechte und Consistorialrath zu Rostock,

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gest. von Frau Philipp, geb. Sysang. 8. Kritische Sammlung, Bd. I, E. J. F. Mantzel, Prof. der Rechte zu Rostock, gest. von ders. 8. Ebendas. Bd. II, und Dr. M. B. Hering, Prof. der Rechte zu Rostock, gest. von C. Fritzsch. 8. Ebendas. Bd. V. Vom J. 1779.

In Beziehung auf die Abtheilung der Prospecte, Grundrisse. und Architekturen kann ich wiederum einige wenig bekannte Blätter nachweisen.

Das militärische Werk: "Schauplatz des gegenwärtigen Kriegs durch accurate Plans" etc. . Nürnberg. Q.= Fol. (Raspische Buchhandlung.) enthält im dritten Theil u. A:

1) Prospect und Plan von Damgarten, wie es von der preußischen Armee unter dem Grafen v. Dohna am 1. Jan. 1759 eingenommen worden.
2) Desgl. der Stadt Demmin, welche von den Preußen unter dem General=Lieutenant v. Manteuffel belagert ward und am 17. Jan. 1759 sich ergeben mußte.
3) Desgl. von Anclam, welches am 21. Jan. 1759 mit Accord an die Preußen übergeben ist.

Besonders reich an bildlichen Darstellungen ist der Badeort Doberan. Das Gedicht: "Die Entstehung des Heil. Dammes. Eine Legende, bearbeitet von Ad. v. Sprevitz". Stettin bei M. Böhme. 1 Bogen. Gr. R. = Fol. (Ohne Jahr; um 1825?) zeigt lithogr. Ansichten von Doberan, der dortigen Kirche und dem Heil. Damm; doch nur in Form von Vignetten und von schwacher Ausführung.

Dagegen enthält das Buch: "Einige geschichtliche Bemerkungen zur Feier des 50jährigen Bestehens des Doberaner Seebades vom Med.=Rath Dr. Sachse." Rostock. 1843. gr. 4. einen genauen, klar und sauber hergestellten Plan vom Orte Doberan, mit Angabe aller Hauptgebäude, Plätze etc. . gez. vom Kammer=Ingenieur L. Meincke, lith. von J. Tiedemann, so wie einen Plan vom Heil. Damm mit den dortigen Bauten und Anlagen und von der Rennbahn. Aus neuester Zeit kommen hinzu die Ansichten und Pläne in der Beschreibung der Doberaner Badeeinrichtungen durch den Med.=Rath Dr. Kortüm.

Ein Grundriß der Doberaner Kirche, mit Bezeichnung der Monumente des innern Raums, jedoch nur in der Größe eines Octavblattes, findet sich in: Doberan und Heil. Damm. Von S. v. Schreiber. Erste Abth. Rostock. 1855. 8. Das Blatt stammt aus der Tiedemannschen lithogr. Anstalt.

Unter den neuern Prachtbauten unsers Landes wird das großherzogliche Residenzschloß zu Schwerin wegen seiner malerischen Effecte noch fortgehend vielfach dargestellt. So

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hat z. B. auch die Monatsschrift: "Der Familienfreund, Jahrg. X, No. 8" eine Abbildung des Schlosses gebracht. Von einzelnen Partien desselben sind mehr oder minder gelungene photogr. Bilder aus hiesigen Ateliers in Umlauf gekommen. Mehrere ausgezeichnete Blätter der Art hat die Committe des hiesigen Vereins der Künstler und Kunstfreunde in Anlaß der ersten meklenburgischen Kunstausstellung im J. 1857 durch die Herren Tesch und Haubenreißer vervielfältigen lassen und mit zur Verloosung gebracht.

Der dem Hofrath Karsten, als erstem Secretär des Patriot. Vereins, gewidmete Ehrenbecher vom J. 1823 ist abgebildet in den Annalen der meklenburg. Landwirthschafts=Gesellschaft Bd. X, auch in dem Separatabdruck: "Stiftungsfeier der etc. . Gesellschaft". Rostock. 1823. 8.

Von unsern älteren Holzschnittwerken sind die meisten der bis um 1550 erschienenen jetzt noch bekannten Bücher und Blätter bereits in frühern Jahrgängen unserer Jahrbücher von Lisch, Wiechmann und mir aufgeführt. Dagegen liegen mir aus der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts noch einige bisher hier nicht besprochene Werke vor, die uns wenn nicht durch die Drucker, so doch durch die Verfasser angehören.

Zunächst zwei Werke der Chytraeus. Die von David Chytraeus edirte: "Explicatio Apocalypsis Johannis perspicua et brevis" ist in mehrfachen Ausgaben zu Wittenberg bei Johann Crato erschienen. Mir liegen die Ausgaben vom J. 1571 und 1575 vor. Beide enthalten 24 Holzschnitte zu dem Texte des Chytraeus. Die Bilder haben nur halbe Blattgröße und erheben sich nicht über die handwerksmäßige Ausführung, wenngleich manche lebendig und charakteristisch in der Darstellung sind. Die Bilder der Ausgabe vom J. 1571 sind noch merklich frischer und kräftiger im Abdruck, als die von 1575. Eigenthümlich ist diesem Werke die Wiederholung der ganzen Bilderfolge am Schlusse des Buches, wo sich eine versificirte Beschreibung der apokalyptischen Bilder von G. Aemilius findet, dem Grafen Joachim von Anhalt=Bernburg gewidmet. Beide Ausgaben sind in kl. Octav und paginirt; die Ausgabe von 1571 hat jedoch vor der spätern voraus zwei blattgroße besser ausgeführte Bilder, nämlich Typus XV, Cap. 11, und Typus XVI, Cap. 12, pag. 507 und pag. 511: die Bestie mit der dreifachen Krone und die von den Drachen angefochtene Kirchenkönigin. (Die Ausgabe vom J. 1571 besitzt die Regierungs=Bibliothek, die Ausgabe vom J. 1575 die großherzogliche Bibliothek allhier.)

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Von größerem Interesse ist die zu Rostock in Holzschnitten ausgeführte Illustration der "Imaginum et Meditationum sacrarum libri tres. Nathan Chytraeus. Cum Cesareae Maiestatis Priuilegio. Rostochii excusi per Jacobum Lucium. Anno MDLXXIII." - Das Werk hat heutiges Taschenbuchformat und ist nicht paginirt, hat aber die übliche Bogen=Signatur. Es zerfällt in zwei Bücher. Das erste enthält funfzig Holzchnitte, die Hauptmomente des alten und neuen Testamentes darstellend, in Erfindung, Zeichnung und Schnitt von künstlerischem Verdienste, einzelne Blätter an Composition und Technik ausgezeichnet. Diesen Bildern, auf denen bekannte Monogramme nicht vorkommen, gegenüber steht die dichterische Erklärung des Nathan Chytraeus. Dieses erste Buch ist den regierenden Landesherren Johann Albrecht und Ulrich dedicirt. Das zweite Buch enthält eine Reihe vermischter religiöser Dichtungen, hat keine Holzschnitte und ist den jüngern Herzogen Christoph und Carl zu Meklenburg gewidmet. Am Schlusse des Werkes findet sich noch ein Bild in Blattgröße: Christus am Kreuze zwischen den beiden Missethätern, neben dem Kreuze Johannes und Maria. In wie weit die trefflichen Holzschnitte im Einzelnen von Jacob Lucius selbst oder einem seiner Gehülfen gefertigt sein mögen, vermag ich nicht zu entscheiden. Das Monogramm D kommt einmal vor. Ein Wohlerhaltenes Exemplar dieses seltenen und interessanten vaterländischen Buches besitzt die Regierungs=Bibliothek allhier. Jacob Lucius stammte aus Kronstadt in Siebenbürgen und wirkte lange als unternehmender Buchdrucker. Als Formschneider darf man ihn wohl der sächsischen Schule zuzählen.

Von einem am Ende des 16. Jahrhunderts erschienenen meklenburgischen Prachtwerke besitzt die großherzogliche Bibliothek, welche dermalen unter der Oberleitung und Fürsorge des Herrn Geh. Raths v. Plessen Exc. reorganisirt und umfassend ergänzt wird, zwei Ausgaben in gut erhaltenen Exemplaren. Es ist dies die von dem verehrungswürdigen Herzog Ulrich zu Meklenburg=Güstrow, dem Nestor unter Deutschlands Fürsten, verfaßte und auf seinen Befehl edirte:

"Kurtze Wiederholung etlicher fürnemer Heuptstücke christlicher Lehre nach Ordnung des Catechismi. Durch eine hohe Fürstliche Person zusammen getragen. Mit einer Vorrede Andreae Celichii, Meckelnburg. Superintendenten. Leipzig. 1594." 4.

Der Druck dieses Werkes ist zu Leipzig in mittelgroßen deutschen Bibellettern durch Michael Lantzenberger ausgeführt. Der in kräftig und Wohllautend gebildeter hochdeutscher Sprache

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abgefaßte Text wird von reich erfundenen Zierleisten eingerahmt, welche die Jahreszahl 1566 und die Monogramme oder Spruchchiffren: D. L. G. - V. D. M. A. F. H. und J. Æ. zeigen. Zu den Hauptabschnitten des Textes sind Ueberschriftsbilder in Holzschnitt (etwa 18) gegeben, theilweise trefflich ausgeführt von den Meistern ‡ H. L. L. H. und von Ungenannten. Das Buch ist ohne Paginirung; die Bogen=Signatur schließt mit M m m III. Der Verleger dieses von den Zeitgenossen mit großem Beifall aufgenommenen Werkes war der Buchhändler und Buchbinder Werner Lange zu Güstrow.

Schon nach Verlauf eines Jahres veranstaltete W. Lange eine zweite Ausgabe, welche die vom Herzoge Ulrich gemachten Correcturen enthält und gleichfalls in Leipzig bei M. Lantzenberger gedruckt ist. Diese Ausgabe erschien jedoch erst im J. 1600. Sie ist des Herzogs Gemahlin Anna, geb. Prinzessin von Pommern, gewidmet. Der sonst unveränderte Titel hat den Beisatz: "Von newem vbersehen vnd verbessert". Form und Kunstausstattung entsprechen im Wesentlichen der ersten Ausgabe. Jedoch ist diese zweite Ausgabe mit Seiten=Ueberschriften versehen und paginirt, und zwar 1 - 604; der letzte Bogen ist aber (wohl versehentlich) nicht mehr mit Seitenzahlen ausgestattet. Die Bogen=Signatur geht bis R r III. An den Holzschnitten tritt die Abnutzung einzelner Platten und die Ungleichheit des Abdrucks etwas auffallender hervor, als in der ersten Ausgabe.

Schwerin im August 1859.

 

A. Gloeckler.

 


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Anlage E.

Bericht über die Autographen=Sammlung.

Für die Sammlung meklenburgischer Autographen sind im Laufe des verflossenen Jahres meist aus älteren zur Vernichtung bestimmten Acten folgende Stücke erworben:

Sophie, Wittwe des Herzogs Johann VII, Tochter des Herzogs Adolph zu Holstein. Unterschrift, Lübz 5. Dec. 1606.

Isabelle Angelique de Montmorency, Gemahlin Christian I. Louis. Unterschrift, Schwerin 23. Aug. 1672.

Gustave Caroline, Gemahlin Christian Ludwig II., geb. Prinzessin von M.=Strelitz. Bescheinigung, Neustadt 8. Nov. 1725.

Carl I, succed. in M.=Güstrow 14. März 1603. Unterschrift, Güstrow 23. März 1605.

Adolph Friedrich 1. Zwei Unterschriften: Kraka 7. Sept. 1618 und Schwerin 18. Jan. 1655.

Wilhelm von Lohausen, Oberst, Commandant zu Rostock etc. . Unterschrift Magdeburg 3. Sept. 1635.

Otto Wackerbahrt und Fride von Bockwoldt, Statthalter und Räthe des Herzogs Christian I. Louis. Unterschriften: Schwerin 27. Mai und 30. Juli 1660.

Hans Heinrich Wedemann, Dr. der Rechte, Kanzler und Geh. Rath des Herzogs Christian I. Louis. Unterschrift, Schwerin 14. Mai 1673.

H. Bilderbeck, erster Domprediger und Superintendent zu Schwerin. Brief mit Siegel, Schwerin 5. December 1687.

v. Krassow, Oberst. Brief, Neustadt 11. Juli 1708. de Löw, Oberhauptmann zu Schwerin. Billet mit Siegel, Schwerin 2. Aug. 1706.

Joh. Burkh. Verporten, Hofrath des Herzogs Christian Ludwig II. Quittung mit Siegel, Wien 21. April 1725.

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v. Barnekow, Forstmeister zu Carstaedt (Verfasser der saisirten Schrift: Vermächtniß eines meklenburgischen Patrioten). Brief, Carstaedt 25. Juni 1772.

O. G. Tychsen, Prof. zu Bützow und Rostock. Brief, Bützow 30. April 1786.

Bedauerlich ist diesem Verzeichniß hinzuzufügen, daß die Bildnisse der meisten hier genannten fürstlichen Personen und Celebritäten in unserer Bildersammlung noch fehlen.

A. Gloeckler.

 


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Anlage F.

Verzeichniß

der in dem Vereins=Jahre 18 58/59 erworbenen Bücher.

I. Kunstgeschichte. - Sprachkunde.

Nr.

  1. Mittheilungen der k. k. Central=Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, ed. von v. Czörning, redig. von Weiß. III. Wien 1858. (Gesch. der Commission.)
  2. Epigraphisches. 73 Stempel römischer Augenärzte, von Dr. C. L. Grotefend. Göttingen 1858. (Gesch. des Herrn Verfassers.)
  3. Pful, Wendisches Wörterbuch. H. 2. Bautzen 1858.

II. Amerika.

  1. Assal, Nachrichten über die früheren Einwohner von Nord=Amerika und ihre Denkmäler, nebst den Abbildungen. Heidelberg 1827.
  2. Aboriginal Monuments of the State of New - York by E. G. Squier. Smithsonian Institution. 1849.
  3. Description of ancient works in Ohio by W. Whittlesey. Smithsonian Institution 1852.
  4. The antiquities of Wisconsin by Lopham. Smithsonian Institution 1855.
    (4. - 7. Gesch. des Herrn Pastors Vortisch.)
  5. Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Institution. Washington 18 56/57.
  6. Observations on American history and archaeology by Brantz Mayer. Washington 1856.
  7. Archeology of the united states by F. Haven. Washington 1856.
    (8. - 10. Gesch. d. Smithsonian Institution.)

III. Russische Ostseeprovinzen.

  1. Einladung zur Einweihungsfeier des Museums in Riga am 7. März 1858. Riga 1858. (Gesch. der Gesellsch. f. Gesch. der Ostsee=Provinzen zu Riga.)
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  1. Verhandlungen der gelehrten esthnischen Gesellschaft zu Dorpat. IV. 2. Dorpat 1858. (Gesch. d. Gesellsch.)

IV. Belgien und Niederlande.

  1. Revue de la Numismatique Belge. T. V u. VI. Bruxelles 1849 - 50. 2 e ser. T. I - V, I. Brux. 1851 - 56. 3 e sér. T. II. 1 re et 2 e liv. Brux. 1857-58. (Gesch. der numismatischen Gesellschaft zu Brüssel.)
  2. Publications de la société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le grand - duché de Luxembourg 1856. XIII. Luxemb. 1858. (Gesch. d. Gesellschaft.)
  3. Annales de l'académie d'archéologie de Belge Tom. V. 1 re - 3 me liv. Anvers 1858 u. 59. (Gesch. d. Akademie.)
  4. Bulletin de l'institut archéol. Liégeois. T. III l re et 2 e liv. Liege 1857 u. 1858. (Gesch. d. Instituts.)
  5. Annales de la société archeologique de Namur T .V 2 e et 3 me liv. Namur 1857 u. 58. (Gesch. d. Gesellschaft.)
  6. De frije Fries, uitgegeven van het Friesche genootschap. T. I - V. Artiste deel T. II 2. Leuwarden 1839 - 53 u. 1858.
  7. Verslag der handelinge van het Friesch Genootschap 1818-31, 1852/53-1856/57. Leuwarden 1818 - 31, 1852/53 u. 1856/57.
  8. Worpei Chronicon Frisiae lib. III. Leuwarden 1847.
  9. Worp, vierde boek der kronijen van Friesland. Leuwarden 1850.
  10. Friesch Jûrboeckje f. it jiir 1828 - 31, 1833 - 35. Leuwarden 1828 - 31 u. 1833 - 35.
  11. Oude Friesche Wetten. 2 Thl. Leuwarden 1846 u. 51.
  12. Proeliarius of Strijdboek. Leuwarden 1855.
  13. Enige gedenkvuerdige Geschiedenissem beschreven deur Jr. F. van Verron. Leuwarden 1841.
  14. Janko Douwamas Geschriften. Leuwarden 1849.
  15. Gesta Frisior. M. Alvini Tractatus. Leuwarden 1853. (17-27 Gesch. d. Gesellschaft zu Leuwarden.)

V. Schweiz.

  1. Kurzer Bericht über die Schmidtsche Sammlung von Alterthümern von Prof. Vischer. Basel 1858. (Gesch. der Gesellschaft f. vaterländische Alterthümer zu Basel.)
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  1. Archiv f. Schweizerische Geschichte, ed. von der allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft in der Schweiz. XII. Zürich 1858. (Gesch. der Gesellschaft.)
  2. Mittheilung der autiquarischen Gesellschaft in Zürich. XXII. H. 5. Zürich 1858. (Gesch. d. Gesellschaft.)
  3. Historische Zeitung, ed. v. d. allgem. geschichtsforschenden Gesellschaft in der Schweiz. (Gesch. der Gesellschaft.)

VI. Allgemeine deutsche Geschichte und Alterthumskunde.

  1. Correspondenz=Blatt d. Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. VI. Hannover 1858. (2 Exemplare.)
  2. Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit, ed. von dem röm.=germ. Central=Museum in Mainz durch L. Lindenschmidt. H. 1. Mainz 1858.
  3. Verhandlungen der Geschichts=Vereine und Forscher zu Berlin am 15. Sept. 1858.
  4. Zur Kenntniss der ältesten Rassenschädel von Dr. Schaafhausen.
  5. Slavische Alterthümer in Posen von Prof. Cybulski. (34 - 36 Gesch. des Herrn Archivrath Dr. Lisch.)

VII. Oesterreich.

  1. Monumenta Habsburgica. Abth.I. Band III. Wien 1858.
  2. Sitzungsbericht der k. k. Akademie der Wissenschaften. Bd. XXIII - XXVIII. Wien 1857 - 58.
  3. Notizblatt zum Archiv für österreichische Geschichtsquellen. Jahrg. 7 u. 8. 1857 u. 58. Wien 1857 u. 58.
  4. Archiv für östreichische Geschichtsquellen. Bd. XVIII. Abth. 2. - Bd. X. 1. - Bd. XIX. Abth. 1 u. 2. Wien 1857 u. 58.
  5. Fontes rerum Austriacar. Bd. XIV. Th. 2. Bd. XV. Th. 1. 2te Abth. XVII. II. Wien 1858. (38 - 42 Gesch. d. k. k. Akademie der Wissenschaften zu Wien.)
  6. Zeitschrift des Ferdinandeum f. Tyrol und Vorarlberg. 3te Folge. H. 6 u. 7. Insbruck 1858.
  7. 27ster Jahresbericht 18 56/57 des Ferdinandeum f. Tyrol. (43 u. 44 Gesch. des Vereins.)
  8. Mittheilungen des histor. Ver. f. Krain, redig. von Costa. XI. 1856 und 57. Laibach 1856 und 58.
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  1. Mittheilungen des histor. Ver. f. Krain, red. v. Elias Rebitsch. XIII. 1859, Laibach 1858. (44 u. 45 Gesch. d. Ver.)
  2. Mittheilungen der k. k. geographischen Gesellschaft, redig. von F. Foettele, I, II. u. III. Wien 1857, 58 und 59. (Gesch. der Gesellschaft.)
  3. Archiv des Ver. F. Siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge. Bd. III. H. 2. Kronstadt 1858.
  4. 18ter Bericht über das Museum Francisco Carolinum. Linz 1858. (Gesch. des Museums.)
  5. Jahresbericht des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde für 18 56/58. Hermannstadt 1856.
  6. Programme des evangel. Untergymnasiums in Mühlbach. 1856 - 58. ed. von Director Schuster. Kronstadt 1856 - 58.
  7. Programme des Gymnasiums zu Hermannstadt. 1853 - 58. ed. von Director Schneider. Hermannstadt 1853 - 58.
  8. Programm des k. k. kathol. Staats=Gymnasiums zu Hermannstadt für 1857. Hermannstadt 1857. (49 - 53 Gesch. des Ver. f. Siebenbürg. Landeskunde.)

VIII. Bayern und Würtemberg.

  1. Abhandlungen d. hist. Classe d. k. bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. VIII. Thl. 2. Bd. XXXII d. Denkschriften. München 1857.
  2. Almanach d. königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften f. d. J. 1859. München 1859.
  3. F. v. Tiersch, über den Begriff und die Stellung des Gelehrten. München 1856.
  4. F. Löhr, die deutsche Politik Heinrich I. München 1857.
  5. Dr. Hofmann, über die Gründung der Wissenschaft altdeutscher Sprache. München 1857.
  6. v. Tiersch, über die königl. Maßnahmen für das Gedeihen der Wissenschaften. München 1858.
  7. v. Tiersch, das Verhältniß der Akademie zur Schule. München 1858.
  8. Thomas, neu aufgefundene Dichtungen Petrarcas. München 1858.
  9. Prantl, die geschichtlichen Vorstufen der neuern Rechtsphilosophen. München 1858.
  10. Rede bei der hundertjährigen Stiftungsfeier der königl. Akademie der Wissenschaften am 28. März 1859, gehalten von G. L. v. Maurer. München 1859.
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  1. Uebersicht zur Begründung einer christlichen Kunst in Oberbayern von R. v. Rettberg, 1. Abth. Festgabe des histor. Vereins von und für Oberbayern zum siebenhundertjährigen Jubiläum Münchens. (Gesch. der königl. Akademie der Wissenschaften zu München.)
  2. Monumenta saecularia, ed. von der k. bayerischen Akademie der Wissenschaften. III. Cl. 1. Thl.:
    L. Fr. Tafel, Theodosii Meliteni Chronographia und F. Kunstmann, die Entdeckung von Amerika. München 1859.
  3. Oberbayerisches Archiv, herausgegeben vom hist. Verein von und für Oberbayern. Bd. XVII. H. 3. Bd. XVIII. H. 1, 2 u. 3. Bd. XIX. H. 1. Bd. XX. H. 1. Bd. XXI. H. 1. München 1857. (Gesch. des Vereins.)
  4. Zwanzigster Jahresbericht des histor. Vereins von und für Oberbayern f. d. J. 1857. München 1858.
  5. Archiv für Geschichte und Alterthumskunde für Oberfranken. Bd. VII. H. 2. Bayreuth 1858. (Geschenk des Vereins.)
  6. 23ster Jahresbericht des hist. Kreis=Vereins v. Schwaben und Neuburg für 1858. Augsburg 1858. (Geschenk des Vereins.)
  7. Achter Rechenschaftsbericht des Würtemb. Alterthums=Vereins vom 1. Jan. 1856 bis 31. Dec. 1857.
  8. Schriften des Würtemb. Alterthums=Vereins. H. 5. 1858.
  9. Jahresbericht des Würtemb. Alterthums=Vereins. IX. Stuttgart 1858.

IX. Mittelrhein, Nassau, Hessen und Frankfurt a. M.

  1. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden in den Rheinlanden. I, II, XIII, XVII - XVI. Bonn 1842, 43, 48, 51 - 58.
  2. Die Externsteine. Bonn 1857.
  3. Der Wüstenroder Leopard, ein römisches Cohortenzeichen. Bonn 1857.
  4. Die Trojaner am Rhein. Bonn 1856.
  5. Zur Geschichte der Thebaischen Legion. Bonn 1855.
  6. Das Judenbad zu Andernach. Bonn 1853.
  7. Jupiter Dolicheus. Erklärung einer zu Remagen gefundenen Steinschrift. Bonn 1852.
  8. Die römische Villa bei Weingarten. 1851.
  9. Erklärung eines antiken Sarkophags zu Trier. Bonn 1850.
  10. Das sogenannte Schwert des Tiberius. Bonn 1847.
  11. Apollon, der Heilspender. Bonn 1847.
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  1. Das Cölner Mosaik. Bonn 1846.
    (72 - 83 Gesch. des Vereins von Alterthumsfreunden in den Rheinlanden.)
  2. Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde. Bd. V. H. 1. Wiesbaden 1858. (Gesch. des Vereins.)
  3. Periodische Blätter der Geschichts= und Alterthums=Vereine zu Cassel, Darmstadt, Frankfurt a. M. und Wiesbaden. H. 1 - 5. (Gesch. d. Ver.)
  4. Archiv für Frankfurts Gesch. und Kunst. H. 8. Frankfurt a. M. 1858. (Gesch. d. Ver.)
  5. Neujahrs=Blatt für die Mitglieder des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt a. M. Januar 1859. Frankfurt a. M. 1859.
  6. Mittheilungen an die Mitglieder des Ver. f. Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt a. M. Nr. 1 u. 2. 1858. (87 u. 88 Gesch. d. Ver.)
  7. Zeitschrift d. Ver. f. hessische Gesch. und Landeskunde. Bd. 7. H. 3 u. 4. Suppl. H. 7. Cassel 1858, (Gesch. d. Ver.)
  8. Dr. v. Klein, die Kirche zu Großen=Linden. Gießen. 1857. (Gesch. d. Ver. f. Großherz. Hessen.

X. Schlesien und Lausitz.

  1. 35ster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vatertändische Cultur. Breslau 1857. (Geschenk der Gesellschaft).
  2. Neues Lausitzisches Magazin. Bd. XXXIV und XXXV. 1857 u. 58. Görlitz 1857 u. 58. (Geschenk der Oberlausitzischen Gesellschaft zu Gorlitz.)

XI. Sachsen und Thüringen.

  1. Mittheilungen der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes. IX. 4. Altenburg 1858. (Gesch. der Gesellschaft.)
  2. Neue Beiträge zur Geschichte des deutschen Alterthums, ed. vom Hennebergischen Verein durch G. Brückner, Meiningen 1858. (Gesch. d. Vereins.)
  3. Zeitschrift d. Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde. III. 4. Jena 1859. (Geschenk des Vereins.)
  4. Joh. Friedrich des Großmüthigen Stadtordnung für Jena, herausgegeben von Dr. Michelsen. Jena 1858. (Gesch. des Hrn. Herausgebers.)
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XII. Preußen, Brandenburg und Pommern.

  1. Monumenta Zollerana, ed. von R. Freiherr v. Stillfried und Dr. T. Maerker. Bd. IV. Berlin 1858. (Gesch. Sr. Maj. des Königs von Preußen.)
  2. Novus codex diplomaticus Brandenburgensis ed. Dr. A. F. Riedel. 1. Hauptthl. Bd. XV und XVI. 3. Hauptthl. Bd. I. Berlin 1858 u. 59. (Gesch. d. Hrn. Verf.)
  3. Fidicin, die Hauptmomente aus der Geschichte Berlins. Berlin 1858. (Gesch. der Berliner Versammlung des Gesammtvereins.)
  4. Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen unter den eingeborenen Fürsten. Bd. II. 1. 1193 - 1210. Berlin 1859. Bd. IV. 3. 1303 - 1325. Abth. I 1303 - 1310. Berlin 1848. Ed. von Dr. Fabricius. (Gesch. d. Hrn. Herausgebers.)
  5. Baltische Studien. Jahrg. VII. H. 1. Stettin 1858. Gesch. der Gesellschaft für Pommersche Geschichte.)
  6. Bericht des literar.=gesell. Ver. zu Stralsund. 1856 u. 57; Stralsund 1858. (Gesch. d. Hrn. Prof. Zober.)
  7. Festrede am Geburtstage Sr. Maj. König Friedrich Wilhelm IV. von Prof. Dr. Zober. (Gesch. d. Herrn Verfassers.)
  8. Die älteren und die beiden ueuesten Ansichten der Stadt Stralsund. Stralsund 1857. (Gesch. des Hrn. Prof. Zober.)
  9. C. S. Tamms, Conrad Schlüsselburg, vierter Superintendent der evangel. Kirchen Stralsunds. Stralsund 1855. (Gesch. d. Hrn. Verf.)
  10. Neue Preußische Provinzialblätter. 2te Folge. Bd. XI. XII. 3te Folge. Bd. II. H. 1 - 5. Königsberg 1856 u. 58. (Gesch. der Gesellschaft Prussia.)

XIII. Niedersachsen und Westfalen.

  1. Westfälisches Urkundenbuch, Fortsetzung von Erhard's regesta hist. West., ed. vom Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westfalens. Bd. III. Abth. I. H.1. Urkunden des Bisthums Münster von 1201 - 1250. Münster 1859. (Gesch. d. Vereins.)
  2. Die Alterthümer der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne. (Gesch. d. Alterthumvereins in Lüneburg.)
  3. Mittheilungen des histor. Vereins zu Osnabrück. Bd. 15. Osnabrück 1858. (Gesch. d. Vereins.)
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  1. Programm des Gymnasiums zu Stade. 1856.
  2. Der Stader Aufruhr 1376 von Krause. Stade 1858. (110 u. 111 Gesch. d. Ver. zu Stade.)
  3. Dr. Deecke, niedersächsische Namen von Seeörtern. Lübeck 1858. (Gesch. d. Hrn. Verf.)

XIV. Lübeck und Holstein.

  1. Grautoff, Lübeckische Chronik. 2 Bände. Hamburg 1829 u. 30.
  2. Die Lübeckischen Familien Greverade und Warneböck, von Dr. Dittmer. Lübeck 1859. (Gesch. des Herrn Verfassers.)
  3. Die Reichsvögte Lübecks während des XIII. und XIV. Jahrhunderts und den ihnen verliehenen Reichszins, von Dr. G. W. Dittmer. Lübeck 1858. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. Bericht der k. Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung von vaterländischen Alterthümern in Kiel 1857. Kiel 1858. (Gesch. d. Gesellschaft.)

XV. Meklenburgica.

  1. Archiv für Landeskunde für die Großherzogthümer Mecklenburg. VIII. 1858. Schwerin 1858. (Gesch. Sr.
  2. Mecklenburg=Schwerinscher Staatskalender für 1858. Schwerin 1859. (Gesch. d. Hrn. Dr. Bärensprung.) Königl. Hoheit des Großherzogs.)
  3. Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg, herausgegeben von E. Boll. 12ter Jahrg. Neubrandenburg 1858. (Gesch. d. Hrn. Verf.)
  4. Helmoldi Chronicon Slavor. ed. Schorkelius. Frankfurt 1856.
  5. Erinnerung an das am 7. Sept. 1858 gefeierte Fest der Verleihung von Fahnenbändern. Schwerin 1858, (Gesch. des Herrn Gouverneur Baron v. Nettelbladt.)
  6. Mecklenburgische Convention sub dato 3. August 1748. ed. 1749. (Gesch. des Hrn. C. v. Sprewitz.)
  7. Der Mecklenburger Adel von O. T. v. Hefner, beurtheilt von G. M. C. Masch. Schwerin 1858. (Gesch. des Hrn. Verf.)
  8. Programm der Grossherzogl. Stadtschule zu Wismar. Michaelis 1858. (Metrische Uebersetzungen ins Griechische und Lateinische aus Göthe und Schiller von Prof. Crain.) Wismar 1858. (Gesch. des Hrn. Prof. Crain.)
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  1. - 128.Schriften, das Jubiläum des Herrn Director Dr. Wex betreffend:
       a. Büchneri dissertatio, qua legis Juliae reliquias tabula heracleensi esse reservatas demonstratur. Schwer. 1858.
       b. Hofrath Dr Dippe, die lange Dauer des menschlichen Lebens in Mecklenburg. Schwerin 1858.
       c. Prof. Dr. Eggert, lat. Gedicht. Neustrelitz 1858.
       d. Gedicht von C. Ahrens. Schwerin 1858.
    (Gesch. des Hrn. Archivrath Conservator Dr. Lisch.)
  1. Programm des Gymnasium Fridericianum zu Schwerin. Michaelis 1858. (Dr. Overlach, die Theologie des Lactantius.) Schwerin 1858. (Geschenk des Hrn. Director Dr. C. F. Wex.)
  2. Fiedler, Luthers Leben. Schwerin 1817.
  3. J. Slüter's Gesangbuch von 1551 und Katechismus von 1535, herausgegeben von Wiechmann=Kadow. Schwerin 1858. (Gesch. des Herrn Herausgebers.)
  4. Weichmann, Poesie der Niedersachsen. 1. u. 2. Thl. (Gesch. des Hrn. Pastor Steinfaß.)
  5. Eggers, kuze Anweisung zur Köhlerei. Rostock 1808.
  6. Geheimnisse von Schwerin. Schwerin 1844. (Gesch. des Cadett Herrn v. Santen.)
  7. Bibliothek der Mecklenburgischen Ritter= und Landschaft. 1ste Abtheilung. Rostock 1858. (Gesch. der Stillerschen Hofbuchhandlung in Rostock.)

XVI. Anhang.

  1. Corpus Scriptor. Hist. Byzantinae ed. Nibuhrii. Bonn. 1819. (Gesch. des Herrn Oberlehrers Dr. C. Schiller.)
  2. Grupen, Teutsche Alterthümer zur Erläuterung des Sächsischen und Schwäbischen Land= und Lehn=Rechts. Hannover 1746.
  3. Spangenberg, Beiträge zu den deutschen Rechten des Mittelalters. Halle 1822. (137 u. 138 Gesch. des Herrn Stadtrichter Genzken.)
  4. Krünitz, Encyclopädie. Thl. 1 - 32. (Prame.) Berlin 1786-1812.
  5. 9 Bände juristischer Dissertationen. (139 u. 140 Gesch. des Herrn Stud. jur. Brüning.)
  6. de Salleysel, der wahrhafte Stallmeister. Gesch. des Herrn C. v. Sprewitz.)

Dolberg, Cand. theol.

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XXIV. 1.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 4. October 1858.

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D as jüngst abgelaufene Quartal ist für unsern Verein eins der glücklichsten gewesen. Wir haben während desselben den Verlust irgend eines unserer ältern Mitglieder nicht zu beklagen, wogegen vier Herren ihren Beitritt angemeldet haben, nämlich: der Herr Ober - Appellations - Gerichts - Canzlist T. Rogge zu Rostock, der Herr v. Kohlhans auf Golchen, der Herr Pogge auf Gevezin und Herr Pogge auf Woltow.

Auch die wissenschaftliche Thätigkeit ist in diesem schönen Sommer eine sehr regsame gewesen, wie die grosse Zahl der eingelieferten Abhandlungen, Berichte und Correspondenzen beweisen. Es liegen namentlich folgende Arbeiten zum Drucke bereit:

1) Vom Herrn Pastor Günther zu Gr.- Methling: "De Draken". Ein Beitrag zur Schilderung des meklenburgischen Volksglaubens.

2) Vom Herrn C. D. W.: Ueber den Bischof Nicolaus Böddeker von Schwerin.

3) Von einem Ungenannten: Ueber den Söndervissingschen Runenstein.

4) Vom Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow: Berichte über die Kirchen zu Kölzow, Dänschenburg und Marlow.

5) Vom Herrn Archivrath Lisch: Ueber die letzte Residenz der Fürsten von Werle zu Güstrow. - Ueber die Reformation der Kirche zu Grubenhagen. - Beschreibung der Kirche zu Bützow. - Berichte über die Kirchen zu Ratzeburg, Zapel, Ruthenbeck, Dobbin, Holzendorf und Müsselmow, Cambs, Witzin, Dargun, Röcknitz, Neukalen, Bernitt, Neuenkirchen, Boitin und Parchim. - Berichte über die heidnischen Burgwälle zu Dargun und Krakow und den mittelalterlichen Burgwall zu Dobbin.

Ausserdem sind mehrfache kleinere Berichte und Correspondenzen eingegangen, namentlich vom Herrn Dr. Hüen zu Marlow über verschiedene heidnische Gräber in der Gegend von Marlow; vom Herrn Archivrath Lisch über die Hünengräber des Amtes Crivitz, und die muldenförmigen Mühlensteine aus Kegelgräbern; vom Herrn Pastor Günther zu Gr. - Methling über ein Kegelgrab daselbst; von dem Herrn F. W. Kretschmar zu Berlin über eine Münze aus dem Cörliner Wendenkirchhof; vom Herrn Pastor Masch zu Demern über verschiedene Münzfunde; vom Herrn J. Ritter zu Friedrichshöhe bei Rostock über alte gepflasterte Brandstellen zu Friedrichshöhe; vom Herrn Pastor Reuter zu Jabel über Aberglauben des Landvolks und über einige Urkunden seiner Pfarre; vom Herrn Pastor Tapp zu Vellahn über einen Kelch mit böhmischer Inschrift in seiner Kirche u. a. m.

Der Herr Staatsminister a. D. Freiherr v. Hammerstein hat seine schon früher besprochene Arbeit über die Besitzungen der Grafen von Schwerin jenseit der Elbe nach der ihm mitgetheilten handschriftlichen Sammlung des verstorbenen Dr. v. Duve über denselben Gegenstand umgearbeitet. Dieselbe wird demnächst in dem Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen vollständig, in unsern Jahrbüchern aber im Auszuge erscheinen, und beabsichtigen beide Vereine, derselben eine auf gemeinschaftliche Kosten anzufertigende Karte beizulegen. Ebenso hat der bekannte Physiolog, Herr Prof. Dr. Schaaffhausen zu Bonn, so wie die Verlags - Buchhandlung des Herrn Dr. Veit zu Berlin uns die Benutzung einer in Müller's Archiv für Physiologie erschienenen Abhandlung des ersteren über die Schädel der heidnischen Gräber gestattet, und den Abdruck einer dazu gehörigen Kupfertafel mit der Abbildung eines Schädels unserer Sammlung zu einem sehr billigen Preise verheissen, was der Ausschuss unsers Vereins mit Dank acceptirt hat.

Gelegentlich erlaubt sich der Unterzeichnete, auf ein unsern Bestrebungen verwandtes sehr ehrenwerthes Unternehmen unsers Mitgliedes, des Herrn Wiechmann - Kadow, und der hiesigen Bärensprungschen Officin aufmerksam zu machen, und dasselbe der Unterstützung dringend zu empfehlen: ich meine den vor ei-

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niger Zeit bereits ausgegebenen, nach Form und Inhalt durchaus getreuen Wiederabdruck des ältesten rostocker Gesangbuchs des Reformators Joachim Slüter vom Jahre 1532 in plattdeutscher Sprache.

Die neuen Erwerbungen für die Sammlungen des Vereins sind folgende:

I. Für die Alterthümersammlung.

A. Aus vorchristlicher Zeit.

1) Aus der Zeit der Hünengräber:

1 Streitaxt aus Kieselschiefer, geschenkt von dem Herrn Hofmaler Schlöpcke in Schwerin. - 1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, noch ungeschliffen, gef. zu Zeplin - Wulfshagen bei Ribnitz , gesch. von dem Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow. - 1 Keil aus grauem Feuerstein, gef. zu Kartlow bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. med. Crull zu Wismar. - 1 Keil aus hellgrauem Feuerstein, hohlgeschliffen, gef. zu Granzin bei Parchim, und 1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, gef. in der Gegend bei Parchim, angekauft von dem Händler Bergmann zu Parchim. - 1 halbmondförmiges Messer aus Feuerstein, gef. bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst. - 1 Pfeilspitze aus Feuerstein, gef. in Schonen, gesch. von dem Herrn Dr. Bruzelius zu Lund. - 1 Bernsteinperle, gef. zu Benz bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar. - 1 Schleifstein aus weissem Sandstein, gef. in einem Moddeloche zu Friedrichshöhe bei Rostock.

2) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 Urne aus Thon und 2 Handgriffe einer Urne aus Bronze, gef. in einem Kegelgrabe bei Gr. - Methling. - gesch. von dem Herrn Pastor Günther daselbst. - Reste menschlicher Gebeine und Urnenscherben, gef. in einem Kegelgrabe bei Brunsdorf, gesch. von dem Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow. - Mehre Urnen aus der Zeit der Kegelgräber, gef. auf dem Dresdener Bahnhofe, gesch. von dem Freiherrn v. Maltzan zu Eschdorf bei Dresden.

3) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

2 spiralförmige Fingerringe aus Bronze, gef. am Mahnkenberge bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst. - 1 Perle aus weissem Glase, gef. am Klüschenberge bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst. - 1 Kamm aus Knochen, gef. im Seesande bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. med. Crull daselbst. - 2 menschliche Schädel, gef. in einem Wendenkirchhofe zu Alt - Guthendorf, gesch. von dem Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow. - 1 Urne aus Thon, gef. auf einer Begräbnissstätte zu Fahrenhaupt, gesch. von dem Herrn Dr. med. Hüen zu Marlow. - 2 grosse, 10 mittlere und 2 kleine silberne Ringe, 1 dünner ringförmiger Silberdrath mit 13 Glasperlen, 1 Stück Silberblech, 1 eisernes Messer, 1 eiserne Scheere und 1 silberne Münze aus dem Anfang des 13. Jahrh., gef. in einem Wendenkirchhofe bei Cörlin in Hinterpommern, gesch. von dem Herrn Bauconducteur Langfeld aus Güstrow.

B. Aus dem christlichen Mittelalter:

1 kleiner grauglasurter Henkeltopf, 1 kleiner unglasurter Henkeltopf, 3 grauglasurte Spindelsteine, 1 kleiner bronzener Leuchter, 1 bronzene Schnalle, 1 Stück Bronze, 1 eiserne Pfeilspitze, 1 kleines Hufeisen, 1 kleiner Hammer und mehre Münzen, gef. im Moore bei Gelegenheit eines Hausbaues in Schwerin, gesch. von dem Hausbesitzer Herrn Hübers daselbst. - 1 eisernes Messer, gef. zu Daschow bei Plau, geschenkt von dem Herrn Hauptm. du Trossel zu Wismar. - 1 eiserner Schlüssel, gef. zu Wolcken bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow. - 1 eiserner Sporn, gef. zu Wahrstorf bei Wismar, gesch. von dem Herrn Witt zu Wahrstorf. - 2 Hufeisen, gef. bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst. - 1 Teller aus gelblich - weissem Thon mit einem Vogel in Blumen, 36 Bruchstücke von Ofenkacheln und 6 grosse Reliefziegel, gef. zu Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. med. Crull daselbst. -

Ferner ein Gypsabguss eines Adlers von einem Lesepulte im Dome zu Halberstadt, gesch. von dem Herrn Geh. Rath v. Olfers zu Berlin, und ein Abdruck einer Grabplatte aus Messing in der reformirten grossen Kirche zu Emden, gesch. von der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden. -

II. Für die Münzsammlung:

1 dänischer Groschen, gef. zu Dobbin, gesch. von dem Herrn Domainenrath v. Brocken auf Dobbin. - 1 schwedisches Oerstück 1573, gef. zu Hinter - Wendorf bei Wismar, geschenkt von dem Herrn Pastor Albrand zu Lübow. - 1 alter französischer Rechenpfenning, 1 Hamburger Groschen, 1 Rostocker Schilling, 1692, 1 schwedisch - pommersches Vierschillingsstück, 1731, 2 schwedisch - pommersche Schillinge, 6 alte meklenburgische Kupfermünzen,

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gesch. von dem Herrn Dr. med. Crull zu Wismar. - 1 Rubel des Kaisers Peter III. von Russland, 1762, und 1 Rubel der Kaiserin Catharina II., 1762, gesch. von dem Herrn Landrath Baron Lefort auf Boeck. - 1 messingner Rechenpfenning, 1555, und 1 kleine Türk. Silbermünze, gef. in der Hegde bei Wismar; 1 kupferne Medaille auf die Seesiege der Venetianer, 1687, gesch. von dem Unteroffizier Herrn Büsch zu Wismar. - 2 Rostocker Bracteaten, 1 Rostocker Pfenning, 1666, 1 meklenburgischer Sechsling, 1698, 1 schwedisch - pommersches Vierschillingsstück, 1 Rechenpfenning, alle gef. zu Friedrichshöhe bei Rostock, gesch. von dem Herrn Ritter daselbst. - 1 Lübeker Halbortsthaler, vergoldet und mit silberner Einfassung, gef. in der Jasnitzer Forst, gesch. von dem Herrn Ministerialrath Baron v. Nettelbladt zu Schwerin.

Ausserdem ist vorläufig eines grössern Münzfundes zu Vietlübbe bei Lübz von 339 Stücken aus den Jahren 1508 - 1537 zu erwähnen.

III. Für die Büchersammlung:

1) Grautoff Lübeckische Chronik. 2. Bd. Hamburg 1229 u. 30.

2) Monumenta Habsburgica. Abth. 1. Band III. Wien 1858.

3, 4) Fontes Austriacarum. Bd. XIV., Thl. 2. u. Bd. XV., Thl. 1. Wien 1858.

5) Notizblatt zum Archiv für österreichische Geschichtsquellen. Jahrg. 7, 1857. (24 Nummern.) Wien 1857.

6) Archiv für österreichische Geschichtsquellen. Bd. XVIII. Abth. 2. Wien 1857.

7 - 9) Sitzungsbericht der k. k. Academie der Wissenschaften. Bd. XXIII., H. 1 - 5. Bd. XXIV., H. 6 - 7. Bd. XXV., H. 8 - 10. Wien 1857 - 58.
   (2 - 9 Gesch. der k. k. Academie der Wissenschaften zu Wien.)

10) Mittheilungen des hist. Vereins zu Osnabrück. Bd. XV. 1858. Osnabrück 1858.

11) Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden in den Rheinlanden. H. XXVI. Jahrg. XIII. 2. Bonn 1858.

12) Achilles auf Scyros v. Prof. Dr. Braun. Bonn 1858.
   11. u. 12. Gesch. d. Ver. v. Alterthumsfreunden in den Rheinlanden.)

13) Zeitschrift des Ferdinandeum für Tyrol und Vorarlberg. 3. Folge. Heft 6. u. 7. Insbruck 1858.

14) Des Ferdinandeum 27. Jahresbericht über 1856/57. (13. u. 14. Geschenk des Ferdinandeum.)

15) Bericht des literarisch - geselligen Vereins zu Stralsund ü. 1856 u. 1857. Stralsund 1858. (Geschenk des Hrn. Prof. Zober.)

16, 17) Zeitschrift des Vereins f. hessische Geschichte u. Landeskunde. Bd. VII. H. 3 u. 4. Supplement H. 7. Cassel 1858.

18) Periodische Blätter der Geschichts- u. Alterthums - Vereine zu Cassel, Darmstadt, Frankfurt a. M. und Wiesbaden. Heft 1 - 5.

19) Mittheilungen an die Mitglieder des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Frankfurt a. M. 1858. (16 - 19. Gesch. der Vereine.)

20) Eggerss, kurze Anweisung zur Köhlerei. Rostock 1808.

21) Fiedler, Luther's Leben und Wirken. Schwerin 1817.

22) Neue Preussische Provinzialblätter. 3. Folge. Bd. II. (LIX) H. I. 2. 3. Königsberg 1858. (Geschenk der Gesellschaft Prussia.)

23) Neues Lausitzisches Magazin. Bd. XXXIV. Heft 2. 3. 4. Görlitz 1858. (Geschenk der Oberlausitzischen Gesellschaft zu Görlitz.)

24) Joachim Slüter's Gesangbuch von 1531 und Katechismus von 1525. Herausgeg. von Wiechmann - Kadow. Schwerin 1858. (Geschenk des Herrn Herausgebers.)

25) Helmoldi Chronicon Slavor., ed. Schorkelius. Frankfurt 1556. (Von der Regierungs - Bibliothek eingetauscht.)

26) Die Reichsvögte Lübecks während des XIII. und XIV. Jahrhunderts und der ihnen verliehene Reichszins v. Dr. G. W. Dittmer. Lübeck 1858. (Geschenk des Hrn. Verfassers.)

27) Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde. Bd. V. Heft I. Wiesbaden 1858. (Gesch. des Vereins.)

28) Einladung zur Einweihungsfeier des Museums in Riga am 7. März 1858. Riga 1858. (Gesch. der Gesellschaft f. G. d. Ostsee - Provinzen zu Riga.)

29) Johann Friedrich des Grossmüthigen Stadtordnung für Jena. Herausgegeben von Dr. Michelsen. Jena 1858. (Gesch. d. Hrn. Herausgebers.)

30) Novus codex diplomaticus Brandenburgensis ed. Dr. Ad. Fr. Riedel. Bd. XV. Berlin 1858. (Geschenk des Hrn. Herausgebers.)

31) Specialabdrücke aus dem XXIII. Jahrgange der Jahrbücher des Vereins für Meklenburgische Geschichte. (Gesch. des Herrn Archivrath Dr. Lisch.)

32) Bericht der k. Gesellschaft für Sammlung und Erhaltung von vaterländischen Alterthümern in Kiel 1857. Kiel 1858. (Gesch. des Vereins.)

33) Abhandlungen der hist. Classe der k. bayerischen Academie der Wissenschaften. (Bd. VIII., Thl. 2. Bd. XXXII. der Denkschriften.) Münch. 1857.

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34) Ueber die Gründung der Wissenschaft altdeutscher Sprache von Dr. Hofmann. München 4857.

35) Ueber den Begriff und die Stellung des Gelehrten von Fr. v. Thiersch. München 1856.

36) Ueber die deutsche Politik Heinrich I. von Fr. Löhr. München 1857.

37) Ueber die königl. Massnahmen für das Gedeihen der Wissenschaften von Fr. v. Tiersch. München 1858.

38) Ueber die geschichtlichen Vorstufen der neuern Rechtsphilosophen von Prantl. München 1858.

39) Ueber das Verhältniss der Academie zur Schule von Fr. v. Tiersch. München 1858.

40) Ueber neu aufgef. Dichtungen F. Petrarca's von Thomas. München 1858. (33 - 40 G. d. k. Acad. der Wissenschaften in München.)

41) Monumenta Zollerana ed. R. Freih. v. Stillfried und Dr. T. Maerker. Bd. IV. Berlin 1858. (Geschenk Sr. Maj. des Königs von Preussen.)

42) Meklenburgische Convention sub dato 3. Aug. 1748 ed. 1749. (Gesch. des Cadett - Unteroffizier Hrn. C. v. Sprewitz.)

43) Oberbayerisches Archiv. Herausgeg. vom historischen Vereine von und für Oberbayern. Bd. XVII. Heft 3. u. Bd. XVIII. Heft 1. 2. Münch. 1857.

44) Archiv für Geschichte und Alterthumskunde für Oberfranken. Bd. VII. H. 2. Bayreuth 1858. (43. u. 44. Geschenk der Vereine.)

45) Bulletin de l'institut archéologique Liégeois T. III liv. I. Liége 1857.

46) Annales de la société archéologique de Namur. T. V. livr. 2. e. 3. Namur 1857 u. 58. (45. u. 46. Geschenke der Gesellschaften.)

47) Die Alterthümer der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne. Lieferung 4. Lüneburg 1857. (Gesch. des Alterthum - Vereins in Lüneburg.)

48) Baltische Studien (Jahrg. VII. H. 1.). Stettin 1858. (Geschenk der Gesellschaft für Pommersche Geschichte.)

49) Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Meklenburg ed. E. Boll. (Jahrg. 12.) Neubrandenburg 1858. (Gesch. des Herrn Verfassers.)

50) 23. Jahresbericht des historischen Kreis - Vereins von Schwaben und Neuburg für 1858. Augsburg 1858.

51 - 61) Revue de la Numismatique Belge. T. V - VI. Bruxelles 1849 u. 50. 2. sér. T. I - V. 1. 1851 - 56; 3. sér. T. I. liv. 1 - 4. T. II. liv. 1 u. 2. Brux. 1851 u. 58. (Gesch. d. numismat. Ges. zu Brüssel.)

62) Gesta Frisior. M. Alvini Tractatus. Leuwarden 1853.

63) Jancko Douwamas Geschriften. Leuw. 1849.

64) Enige gedenkvuerdige Gechiedenissen beschreven deur Jr. F. van Verron. Leuwarden 1841.

65) Proeliarius of Strijdboek. Leuwarden 1855.

66, 67) Oude Friesche Wetten. Thl. 1 u. 2. Leuwarden 1846-51.

68) Worperi Chronicon Frisiae. lib. III. Leuw. 1847.

69) Worp vierde boek der Kronijen van Friesland. Leuwarden 1850.

70) Verslagen v. het Friesch Genootschap. Leuw. 1818 - 21.

71-75) Verslag der handlinge v. het Friesch Genootschap 1852/53 - 1856/57.

76-81) Friesch Jierboeckje f. it jier 1828 - 31; 1833 - 35.

82-88) De frije Fries, uitgegeven van het Friesche genootschap. T. I - V. 1839-53 Leuw. artiste deel T. II. 2. 1858.
   (62 - 88 Gesch. der Gesellschaft zu Leuwarden.)

89) Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. XXII. H. 5. Zürich 1858. (Gesch. der Gesellschaft.)

90) Epigraphisches von Dr. C. L. Grotefend. Göttingen 1858. (Gesch. des Hrn. Verfassers.)

91) Slavische Alterthümer in Posen von Prof. Cybulski.

92) Verhandlungen der Geschichts - Vereine und Forscher zu Berlin 15. Septbr. 1858. (Gesch. des Hrn. Archivrath Dr. Lisch.)

93 - 124) Auszug aus Krünitz allgemeiner Enciclopädie. Thl. 1 - 32. (Prame.) Berlin 1786 - 1812.

125 - 132) Juristische Dissertationen.
   (93 - 132 Gesch. des Herrn Stud. jur. Brüning.)

Das Verzeichniss der unerheblichen Erwerbungen für die Urkunden -, Bilder - und Autographen -, so wie für die naturhistorische Sammlung muss diesmal des Raumes wegen bis zum nächsten Berichte zurückgelegt werden.

Der erwartete Bericht über die Jahresversammlung des Gesammtvereins zu Berlin ist noch nicht erschienen.

W. G. Beyer, Dr., Archiv =Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.         


Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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XXIV. 2.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 3. Januar 1859.

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D as Correspondenz - Blatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts - und Alterthums - Vereine vom October 1858 veröffentlicht die Protokolle der ersten Sitzungen der Generalversammlung zu Berlin am 18. September v. J. In der Anlage 2 ist namentlich der im Ganzen zufriedenstellende Geschäftsbericht des Verwaltungsausschusses über das Vereinsjahr 1857 58 mitgetheilt, und die Anlage 3 enthält eine auch in unsern Jahrbüchern wiederholt erlassene Auffoderung zur Sammlung alter Volksüberlieferungen in Sitten und Gebräuchen, Sagen und Märchen, worauf ich nochmals aufmerksam zu machen mir erlaube. - Für das nächste Jahr hat der würtembergische Alterthumsverein in Stuttgart die Geschäftsführung, und damit zugleich die Herausgabe des Correspondenz - Blattes übernommen. - Die nächste General - Versammlung im Herbste d. J. wird zu München sein.

Herr Conservator Ludwig Lindenschmitt zu Mainz hat unserm Vereine das erste Heft der von ihm im Auftrage des römisch - germanischen Central - Museums zu Mainz herauszugebenden Abbildungen aller charakteristischen, in den öffentlichen und Privatsammlungen Deutschlands aufbewahrten Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit eingesandt. Nach Ansicht dieses Heftes hat der Ausschuss unsers Vereins in der heutigen Versammlung nicht nur die Unterstützung dieses patriotischen Unternehmens, dessen etwaniger Ertrag für das gedachte Museum bestimmt ist, durch Subscription beschlossen, sondern glaubt dasselbe auch den geehrten Mitgliedern angelegentlichst empfehlen zu können. Der Subscriptionspreis beträgt für jede Lieferung von 8 gravirten Tafeln mit Text 25 Sgr.

Für unsere Jahrbücher, deren 24. Band bereits unter der Presse ist, haben in dem abgelaufenen Quartal fernere Beiträge eingesandt:

1) Herr Pastor Masch zu Demern:

   plattdeutsche und hochdeutsche Hochzeitsbitterlieder aus dem Fürstenthum Ratzeburg.

2) Herr Wiechmann - Kadow:

   a. geistliche Lieder auf die Wahlsprüche mehrer Glieder des meklenburgischen Fürstenhauses.

   b. Ueber den Weggang des Syndicus Dr. Oldendorp aus Rostock.

   c. Ueber die Zwistigkeiten der evangelischen Geistlichen in Rostock 1531.

3) Herr Archiv - Rath, Conservator Dr. Lisch:

   a. Ueber die evangelische Kirchenreformation in Oesterreich durch die Herzoge von Meklenburg und Dr. David Chytraeus.

   b. Ueber eine Handschrift des Klosters zu Segeberg aus dem 15. Jahrhundert auf der Universitäts - Bibliothek zu Prag.

4) Ein ungenannter Freund des Vereins hat die Gefälligkeit gehabt, eine in der antiquarischen Zeitschrift der nordischen Alterthumsgesellschaft zu Kopenhagen im Jahre 1854 in dänischer Sprache erschienene Abhandlung über den Söndervissingschen Runenstein für uns zu übersetzen, und endlich

5) hat Herr Professor Dr. Mommsen zu Berlin eine gedruckte Abhandlung: "Römisches aus Norddeutschland" (über Bronzegefässe mit römischen Stempeln) aus dem archäologischen Anzeiger freundlich eingesandt.

Zu den mit uns in Correspondenz und Schriftenaustausch stehenden Vereinen ist die kaiserlich geographische Gesellschaft zu Wien hinzugetreten, wogegen wir durch den am 28. November 1858 erfolgten Tod

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unsers correspondirenden Mitgliedes, des Regierungs - Raths Joseph Chmel zu Wien einen sehr schmerzlichen Verlust erlitten haben. - Von den ordentlichen Mitgliedern unsers Vereins ist der Herr Landdrost v.Bülow zu Neustadt am 1. November und Herr v. Oertzen auf Repnitz am 18. December gestorben, und die Herren v. Schulse auf Ludorf, Eckermann auf Poetenitz und Dr. Reuter zu Lübeck sind in Folge früherer Kündigung mit dem Beginne d. J. ausgetreten.

Verzeichniss der neuen Erwerbungen für die Sammlungen des Vereins:

I. Für die Alterthümersammlung.

A. Aus vorchristlicher Zeit.

1) Aus der Zeit der Hünengräber:

1 Streitaxt aus Hornblende, gef. bei dem Rostock - Warnemünder Chausseebau zu Gr. - Klein, gesch. durch den Wegebaumeister Düffke zu Dierkow. - 1 Keil aus grauem Feuerstein, gef. in einem Hünengrabe zu Ruthenbeck bei Crivitz, gesch. von dem Herrn Stadtsecretair Bade zu Crivitz. - 1 Dolch von bräunlichem Feuerstein, gef. bei Goldberg, gesch. von dem Herrn Wiechmann - Kadow.

2) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 Framea aus Bronze mit Schaftloch und Oehr, gef. zu Zierow bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull zu. Wismar. - 1 Framea aus Bronze mit Schaftloch und Oehr, gef. in der Gegend von Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar. - 1 Framea aus Bronze mit durchgehender Schaftrinne, gef. zu Niex bei Rostock, gesch. von dem Herrn Oberbaurath Bartning zu Schwerin. - 1 Diadem aus Bronze, gef. nebst andern verloren gegangenen Alterthümern in der Stepnitz bei Wotenitz, A. Grevesmühlen, gesch. von dem Unterofficier Büsch zu Wismar. - Mehre Urnenscherben und Reste menschlicher Gebeine, gef. bei Aufdeckung zweier niedriger Kegelgräber auf der Viehweide der Stadt Goldberg durch den Herrn Pastor Schulze daselbst, eingesandt durch den Herrn Wiechmann - Kadow.

Ausserdem erwarb der Verein mehre Nachbildungen ausserhalb Meklenburgs gefundener Alterthümer dieser Periode aus Gyps, namentlich eines zu Nürnberg angefertigten colorirten Gypsabgusses eines Messers mit Griff aus Bronze, gesch. von dem Herrn Wiechmann - Kadow.

3) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

1 Gürtelgehenk aus Bronze, Bruchstücke einer Heftel aus Bronze, 1 eisernes Messer, 4 Glasperlen und Bruchstücke mehrer Urnen aus Thon, gef. bei einer von dem Unterofficier Herrn Büsch zu Wismar angestellten Nachgrabung auf dem Wendenkirchhof zu Wotenitz bei Grevesmühlen, und dem Vereine geschenkt von demselben.

B.Aus dem christlichen Mittelalter:

1 Sporn und eine Lanzenspitze aus Eisen, gefunden im Festungsgraben zu Dömitz, gesch. von dem Unterofficier Büsch zu Wismar. - 10 glasurte Ofenkacheln aus dem 16. Jahrhundert, gesch. von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar. - 1 grünglasurte Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert, gef. im Festungsgraben zu Dömitz, gesch. von dem Herrn Unterofficier Büsch zu Wismar.

II. Für die Münzsammlung:

1 polnischer Groschen 1619, 1 brandenburgischer Groschen 1679, 1 dänischer Schilling 1619, gef. zu Friedrichshöhe bei Rostock, gesch. von dem Herrn Pastor a. D. Ritter daselbst. - 1 anhaltischer Groschen 1622, gesch. von dem Herrn Bürgermeister Daniel zu Schwaan. - 1 schwedisch - pommersches Vierschillingsstück, gesch. von dem Herrn Schulrath Lorenz zu Schwerin. - 1 Vierschillingsstück des Herzogs Friedrich IV. von Holstein - Plön, 1702, gef. bei Schwerin.

Eine im Herbste 1858 zu Hornstorf bei Wismar gefundene römische Goldmünze des Kaisers Hadrian vom Jahr 118 n. Chr. befindet sich im Besitze des Herrn Pastors Stichert zu Hornstorf.

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III. Für die Bildersammlung:

Im Laufe der beiden letzten Quartale sind für die Bildersammlung folgende Blätter erworben:

a. Bildnisse. 1) Bernhard Joachim Ulrich Kamptz, Meklenburg - Strelitzscher Ober - Landdrost zu Stargard, geb. 9. März 1781, gest. 5. Decbr. 1855. Lith. von Unte. Verlag von G. Bernasconi in Neustrelitz. R. - Fol. (Geschenk des Hrn. E. v. Kamptz.) - 2) Therese v. Bacheracht, geb. v. Struve, wieder verm. mit dem Oberstlieutenant v. Lützow, Schriftstellerin, gest. 1852. in Java. Gest. von W. C. Wrankmore. Gr. 8. - 3) Ida, Gräfin Hahn - Hahn, geb. 1805, verm. 1826 mit dem Grafen F. Hahn - Basedow, geschieden 1829. Schriftstellerin. Gez. von Fräulein v. Meyern - Hohenberg, gest. von A. W. Teichel. R. - Fol. - 4) Leopold v. Buch, Geognost, Reisender, geb. 1773, gest. 1853. J. B. Kolb sc. 1852. Mit Facsimile. Kl. 8. Aus der Zeitschrift der deutschen geolog. Gesellschaft zu Berlin. Jahrg. 1854. (Geschenkt vom Hrn. Litteraten Fromm allhier.) - 5) Ohne Schrift: Kortüm, Prof. der Geschichte zu Heidelberg, gest. 1858. Photogr. 4. (Geschenkt vom Hrn. Studenten d. R. G. Brüning.) - 6) Georg Benda, Componist, 1721 - 1795. Mechau del. Schröter sc. Neuer Abdruck. Breitkopf & Härtel. Gr. 4. - 8) F. H. Sponholz, Organist zu Rostock, geb. 1803, Componist. Lith. Verlag von Schubert & Co. in Hamburg. Gr. 4. - 8) F. v. Flotow, Kammerherr und Theater - Intendant, Componist, geb. 1811. Lith. von Kriehuber 1847. Verlag von P. Mechetti in Wien. R. - Fol. - 9) Louise Koester, geb. Schlegel, Hofopernsängerin zu Berlin, geb. 1823. Nach einer Photogr. lithogr. von C. Fischer. Verlag von E. Bote. R. - Fol. - 10) Zerline Würzburg aus Güstrow, Schauspielerin zu Wien. Lith. von Kriehuber. Mit Facsimile. Verlag von L. Neumann in Wien. R. - Fol.

b. Architecturen, Prospecte, Alterthümer. 1) Ansicht des in der Stadtmauer zu Parchim belegenen Kreuzthors. 2 Bl. Handz. Kl. - Fol. - 2) Ansicht des im Stadtwalle das. belegenen Kreuzthors. 2 Bl. desgl. - 3) Grundrisse beider Thore. 2 Bl. desgl. - 4) Südliche Ansicht der Kirche zu Kölzow. Handz. 4. (Geschenk des Hrn. Dr. med. Hüen zu Marlow.) 5) Ansicht der Stadt Güstrow aus der Vogel - Perspective. Kpf. 4. (Aus Thomas Analecta Gustroviensia. 1706.) - 6) Vordere Ansicht der Grabkapelle der Herzogin Louise zu Ludwigslust. Color. Handz. L. Cornelius fec. 1814. Q. - Fol. (Geschenkt vom Hrn. Advocaten Parbs zu Schwerin.) - 7) Die Stadt Boizenburg, von der Höhe des Elbufers aus gesehen. Lithogr. Colorirt. Q. - Fol. (Geschenkt vom Hrn. Studenten d. R. G. Brüning.) - 8) Taufbecken aus Kalkstein, wie es sich im Garten zu Dreveskirchen findet. Handz. Fol. (Geschenkt vom Hrn. Dr. med. Crull in Wismar.)

IV.Für die Büchersammlung:

1) Archiv für Schweizerische Geschichte, herausgegeben von der allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft in der Schweiz. Bd. XII. Zürich. 1858.

2) Historische Zeitung, herausg. von der allg. gesch. Ges. in der Schweiz. (1. u. 2. Gesch. der Gesellschaft.)

3) Neue Preussische Provinzial - Blätter. 3. Folge. Bd. II. (LX.), Hft. 4, 5, 6; u. 2. Folge, Bd. XI. (LVII.) u. Bd. XII. (LVIII.) (Gesch. d. Gesellschaft Prussia.)

4) Niedersächsische Namen von Seeörtern aus der Zeit der Hansa von Dr. E. Deecke. Lübeck, 1858. (Gesch. des Hrn. Verf.)

5) Erinnerung an das am 7. September 1858 gefeierte Fest der Verleihung von Fahnen - Bändern. Schwerin, 1858. (Gesch. des Verf. Hrn. Prem. - Lieutenant v. Nettelbladt.)

6) Mittheilungen der Geschichts - und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes. Bd. IV. Hft 4. Altenburg, 1858. (Gesch. d. Gesellschaft.)

7, 8) Annual Report of the board of regents of the smithsonian institution. Washington. 1856 u. 57.

9) Observations on Mexican history and archaeology by Brantz Mayer. Washington, 1856.

10) Archaeology of the united states by S. F. Haven. Washington 1856. (7 - 10 Gesch. der smithsonian institution.

11) Jahresbericht des Vereins f. Siebenbürgische Landeskunde f. 1856/58. Herrmannstadt. 1856. (Gesch. d. Vereins.)

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12) Grupen, Teutsche Alterthümer zur Erläuterung des Sächsischen und Schwäbischen Land - und Lehn - Rechts. Hannover, 1746.

13) Spangenberg, Beiträge zu den deutschen Rechten d. Mittelalters. Halle, 1822. (Gesch. des Hrn. Stadtrichters Genzken.)

14) Der wahrhaftige, vollkommene Stallmeister von de Solleysel, deutsch n. französisch. (Gesch. d. Cadett - Unterofficiers Hrn. G. v. Sprewitz.)

15) Mecklenburger Adel v. Otto Titan von Hefner, beurtheilt von G. M. C. Masch. Schwerin, 1858. (Gesch. des Hrn. Verf.)

16) Die Hauptmomente aus der Geschichte Berlins von Fidicin. Berlin, 1858. (Gesch. der Berliner Versammlung des Gesammtvereins.)

17) 2 Exemplare des Correspondenz - Blattes des Gesammtvereins der deutschen Geschichts - und Alterthums - Vereine. Jahrg. VI. Hannover, 1858.

18) Programm des Gymnasium Fridericianum zu Schwerin von Michaelis 1857 bis Michaelis 1858. (Dr. Overlach, d. Theologie d. Lactantius. Schwerin, 1858.)

19) Programm der Grossherzogl. Stadtschule zu Wismar von Michaelis 1857 bis Michaelis 1858. (Metrische Uebersetzungen ins Griechische und Lateinische aus Schiller und Göthe von Prof. Crain.)

20) Schriften, betreffend das Jubiläum des Hrn. Director Dr. C. F. Wex zu Schwerin, gesch. vom Hrn. Archiv - Rath, Couservator Dr. Lisch:

  1. Büchneri dissertatio, qua legis Juliae reliquias tabula heracleensi esse servatas demonstratur. Schwerin, 1858.
  2. Gedicht von C. Ahrens. Schwerin, 1858.
  3. Hofrath Dr. Dippe, die lange Dauer des menschlichen Lebens in Meklenburg. Schwerin, 1858.
  4. Prof. Dr. F. L. Eggert, latein. Gedicht. Neu - Strelitz, 1858.

21) Urkunden zur Geschichte des Fürstenthums Rügen unter den eingebornen Fürsten. (Bd. II., Hft. 1. Urkunden 1193 - 1260. Berlin, 1859. Bd. IV. Hft. 3 Urkunden v. 1303 - 1325, Abth. I. 1303 - 1310, Berlin, 1858. Herausgeg. von Dr. Fabricius. (Gesch. des Hrn. Herausgebers.)

22) Festrede am Geburtstage Sr. Maj. König Friedrich Wilhelm IV. von Prof. Dr. Zober.

23) Annales de l'académie d'archéologie Belgique. Tom. V. 1re et 2me livr. Anvers, 1858. (Gesch. der Gesellschaft.)

24) Conrad Schlüsselburg, vierter Superintendent der evangelischen Kirchen Stralsunds von C. 8. Tamms. Stralsund, 1855. (Gesch. des Hrn. Verfassers.)

25) Publications de la société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le grand - duché de Luxembourg année 1856. XIII. Luxembourg 1858. (Gesch. der Gesellschaft.)

26) Neues Lausitzsches Magazin. Bd. XXXIV., S. 1 - 4. Görlitz, 1857 - 1858. (Gesch. der Oberlausitzschen Gesellschaft der Wissenschaften.)

27) Fünf und dreissigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Breslau, 1857. (Gesch. der Gesellschaft.)

W. G. Beyer, Dr., Archiv =Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.         

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.
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XXIV. 3.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 4. April 1859.

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D ie interessanteste Vorkommenheit während des jüngsten Quartals ist die Ausgrabung einer Graburne aus der Zeit der Wendenkirchhöfe mit einem ungewöhnlich reichen und durchaus eigenthümlichen Inhalte. Diese, beim Ausroden eines Baumstammes in den sogenannten Mühlentannen zu Wotenitz im Amte Grevesmühlen 2 Fuss tief unter der Erde gefundene und von dem Herrn Oberforstmeister v. Lehsten für die Grossherzogliche Sammlung eingesandte Urne von der charakteristischen Farbe und Gestalt aller Graburnen der bezeichneten Periode, enthält nämlich zwischen der Asche und den Knochenresten einer verbrannten Leiche folgende Alterthümer: 2 stark verrostete und zerbrochene eiserne Messer, einige eiserne Hefteln, 2 kleine bronzene Hefteln, 4 bronzene Nadeln, theils mit glattem, theils mit gereifeltem Knopfe, 1 bronzene Nähnadel mit Oehr, 2 grössere silberne Hefteln, 1 offne silberne Spange oder Armband, 1 rundlich gebogener, offener silberner Haken, 12 theils gebogene, theils grade silberne Nadeln, 1 silberne Perle, 1 Glas - Perle, 1 Stück Räucherwerk, und endlich eine offne, mit Schlusshaken versehene Halskette mit birnenförmiger Bommel aus reinem Golde. Diese merkwürdige, aus feinem Golddraht sauber geflochtene Kette, gleicht vollkommen den modernen venetianischen Uhrketten, und steht denselben an Feinheit und Sauberkeit in keiner Weise nach. Die gleichfalls sehr kunstreich und mühsam gearbeitete Bommel, welche mit zahllosen kleinen Knöpfchen besäet ist, lässt wohl keinen Zweifel darüber, dass wir einen weiblichen Halsschmuck vor uns haben, womit auch der übrige Inhalt der Urne vollkommen übereinstimmt. Besonders merkwürdig ist aber dieser ganze Fund dadurch, dass hier zum ersten Male - nicht bloss in Meklenburg, sondern vielleicht in ganz Norddeutschland - in einer aus der Wendenzeit stammenden Urne neben den charakteristischen bronzenen und silbernen Geräthen auch Gold vorkommt, das bisher ausschliesslich in den germanischen Kegelgräbern gefunden ward. Klar ist jedoch auch, dass diese Kette aus der Fremde eingeführt ward.

Weniger bedeutend sind dagegen die neuen Erwerbungen für die Vereins - Sammlungen, namentlich

I. Für die Alterthümersammlung.

A. Aus vorchristlicher Zeit.

1) Aus der Zeit der Hünengräber:

Bruchstücke eines unverbrannten menschlichen Skelets, gefunden zu Boddin bei Gnoien auf der Stelle eines ehemaligen Steinhügels; - 1 Keil aus

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Hornblende, gefunden daselbst; - 1 Keil aus Feuerstein, gefunden in der Gegend von Gnoien; - 1 Keil aus Feuerstein, gefunden in Pommern; - 1 halbe Lanzenspitze aus Feuerstein, gefunden zu Boddin; - 1 Bruchstück eines Cylinders aus Hornblende, gef. daselbst bei Aufräumung eines Gränzgrabens; - 1 einer Lanzenspitze ähnlicher, geschliffener Sandstein, gef. in der Gegend von Gnoien; - 2 unbearbeitete Steine aus Hornblende in der Form von Streitäxten, gef. daselbst; - 1 Bruchstück einer im Schaftloche durchgebrochenen Streitaxt aus Grünstein - Porphyr, 1 roher Feuerstein, dessen Form auffallende Aehnlichkeit mit einer Gans hat, 1 flacher, an einer Ecke angeschlagener roher Feuerstein, welcher gleichfalls einem Vogel ähnelt, 1 flacher zu einem fast regelmässigen Oblongum zugehauener, vielleicht zu einer Lanzenspitze bestimmter Feuerstein, zusammen zu Boddin unter einem grossen Granitblocke gef., sämmtlich geschenkt von dem Herrn Staatsminister a. D. v. Lützow, Exc., auf Boddin. - 1 noch nicht ganz vollendete Streitaxt aus Grünstein - Porphyr, gesch. von dem Herrn Amtshauptmann Spangenberg zu Neustadt. - 1 Lanzenspitze aus Feuerstein, gef. bei Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst.

2) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 abgebrochene Schwert - oder Dolch - Spitze aus Bronze, gef. zu Reetz, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow. - 1 ungewöhnlich grosses Gefäss aus Thon, den Graburnen dieser Periode in Gestalt und Masse sehr ähnlich, aber mit 4 starken Henkeln versehen (Seiltopf?), gef. zu Satow, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch daselbst. - 1 Framea aus Bronze, gef. bei Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull daselbst.

3) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

1 Spindelstein aus Thon, gef. zu Satow, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch daselbst.

B. Aus dem christlichen Mittelalter:

Eine Gussform aus Sandstein (zu Knöpfen und Spangen), gef. zu Dänschenburg, gesch. von dem Herrn Pastor Steinfass daselbst. - Ein Pfeifenkopf aus geschliffenem Granit, gef. in Wismar beim Ausgraben eines Kellers, gesch. von dem Herrn Unterofficier Büsch.

II. Für die Münzsammlung:

3 Silbermünzen, gef. zu Klüss bei Wismar, gesch. von dem Unterofficier Herrn Büsch in Wismar. - 1 Doppelthaler des Fürsten Georg Victor von Waldeck, 1856; 1 braunschweigischer Groschen 1858, 1 Sechsling des Herzogs Albrecht 1528, gesch. von dem Herrn Justizrath Freiherrn v. Maltzan zu Rostock. - 1 Rostocker Schilling 1616, gesch. vom Herrn Friedr. Seidel zu Bützow. - Ausserdem schenkte Herr Archiv - Rath Dr. Lisch zu Schwerin galvanoplastische Abdrücke von zwei sehr seltenen, bossirten meklenburgischen Medaillen aus dem 16. Jahrhundert, nämlich: 1) einer Medaille auf den Herzog Heinrich den Friedfertigen († 1562), deren Original sich in dem Kaiserlichen Münzcabinet zu Wien befindet, und 2) einer Medaille auf den Herzog Johann VII. († 1592), deren Original in einem meklenburgischen Thalerkruge im Grossherzoglichen Münzcabinet im Archive zu Schwerin eingelöthet ist.

III. Für die Büchersammlung:

1) Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit ed. v. dem röm. - germ. Central - Museum in Mainz durch L. Lindenschmidt. H. 1. Mainz 1858.

2) Meklenburg - Schwerinscher Staatskalender für 1859. Schwerin 1859. Gesch. des Herrn Hofbuchdrucker Dr. Fr. Bärensprung.

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3) Bibliothek der Meklenburgischen Ritter - und Landschaft. Erste Abtheilung. Mecklenburgica. Rostock 1858. Gesch. der Stiller'schen Hofbuchhandlung (Hermann Schmidt zu Rostock).

4) Archiv f. Landeskunde für die Grossherzogthümer Mecklenburg. VIII. Jahrgang 1858. H. 1 - 12. Schwerin 1858. (Gesch. Sr. Königl. Hoheit des Grossherzogs.)

5) Archiv d. Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge. B. III. H. 2. Kronstadt 1858.

6) 3 Programme des evangel. Untergymnasiums in Mühlbach für die Schuljahre 1855 - 6, 1856 - 7, 1857 - 8, herausgegeben v. Director F. W. Schuster. Kronstadt 1856. 57. 58.

7) 4 Programme des Gymnasiums a. c. zu Hermannstadt für die Schuljahre 1853 - 4, 1855 - 6, 1856 - 7, 1857 - 8. Veröffentlicht durch Director T. Schneider, Hermannstadt 1854. 56. 57. 58.

8) Programm und Jahres - Bericht des k. k. kathol. Staats - Gymnasiums zu Hermannstadt f. d. J. 1857. Hermannstadt 1857.
(5. - 8. Gesch. des Ver. f. Siebenbürg. Landeskunde.)

9) Mittheilungen d. k. k. Geographischen Gesellschaft, red. v. F. Foettele. Jahrgang I. II. Wien 1857 u. 58. (Gesch. der Gesellschaft.)

10) Die Kirche zu Grossen - Linden bei Giessen in Oberhessen v. Prof. Dr. J. v. Klein. Giessen 1857. (Gesch. des Ver. für das Grossherzogth. Hessen).

11) Die Externsteine. Bonn 1858. (Gesch. des Ver. v. Alterthumsfreunden in den Rheinlanden.)

12) Mittheilungen des hist. Vereins für Krain, red. v. Costa. Jahrg. XI. 1856 u. 1857. Laibach 1856 u. 58. (Gesch. d. Vereins.)

13) Mittheilungen d. k. k. Central - Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale, herausgegeben v. C. G. v. Czoernig, red. v. C. Weis, 3. Jahrgang. Wien 1858. (Gesch. d. Commission.)

14) Pful, Wendisches Wörterbuch. 2 Heft. Bautzen 1858.

15) Verhandlungen d. gelehrten Estnischen Gesellschaft zu Dorpat. B. IV. H. 2. Dorpat 1858. (Gesch. d. Gesellschaft.)

16) Weichmanns Poesie der Niedersachsen. 1. 2. Theil. (Gesch, des Hrn. Pastor Steinfass.)

17) Programm des Gymnasiums zu Stade f. Ostern 1856.

18) Der Stader Aufruhr wider Andreas Buck 1376 v. K. C. H. Krause. Stade 1858. (Gesch. des Vereins zu Stade.)

19) Beiträge zur Geschichte der evangel. Kirchen - Reformation in Oesterreich durch die Herzoge v. Meklenburg und Rostock v. G. C. F. Lisch. Schwerin 1859. (Gesch. des Herrn Archivrath, Conservator Dr. Lisch.)

20) Die Lübeckischen Familien Greverade u. Warneböck v. Dr. Dittmer, Lübeck 1859. (Gesch. des Hrn. Verf.)

21) Kurzer Bericht über d. Schmidt'sche Sammlung v. Alterthümern aus Augst v. Prof. W. Vischer. Basel 1858. (Gesch. der Gesellsch. f. vaterl. Alterthümer zu Basel.)

22) Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde. B. III. H. 4. Jena 1859. (Gesch. des Vereins.)

23) Annales de Facademie d'archeologie de Belge. Tome. 8. 3 me liv. Anvers 1859. (Gesch. der Academie.)

24) Neue Beiträge zur Geschichte deutschen Alterthums, herausgegeben vom Hennebergischen alterthumsforschenden Verein durch G. Brückner. Meiningen 1858. (Gesch. des Vereins.)

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25) Achtzehnter Bericht über das Museum Francisco - Carolinum. Linz 1858. (Gesch. des Museums.)

26) Archiv für Frankfurt's Geschichte und Kunst. Heft 8. Frankfurt a. M. 1858. (Gesch. des Vereins für Frankf. Gesch. und Kunst.)

27) Mittheilungen an d. Mitglieder des Ver. für Geschichte u. Alterthumskunde in Frankfurt a. M. No. 2. Frankfurt a. M. 1858.

28) Neujahrs Blatt für die Mitglieder des Ver. f. Gesch. u. Alterthumskunde zu Frankf. a. M. Januar 1858. (Dorf und Schloss Rödelheim.) Frankf. a. M. 1859.
(27. und 28. Gesch. des Vereins.)

29) Assal, Nachrichten über d. früheren Einwohner v. Nord - America und ihre Denkmäler. Heidelberg 1827.

30) Aboriginal Monuments of the State of New - York by E. G. Squier 1849. Smithsonian Institution.

31) Descriptions of ancient works in Ohio by Ch. W. Whittlesey 1852. Smithsonian Institution.

32) The antiquities of Wisconsin by Lapham 1855. Smitsonian Institution.

33) Abbildungen zu Assal's Nachrichten. Heidelberg.
   (29. - 33. Gesch. des Herrn Pastor Vortisch.)

Unter den wissenschaftlichen Arbeiten des Vereins ist die schon mehrmals besprochene Geschichte der Besitzungen der Grafen von Schwerin jenseits der Elbe von dem Freiherrn v. Hammerstein, k. hannoverschen Staatsminister a. D. zu Verden, welche mit der dazu gehörigen Karte und sonstigen artistischen Beilagen nunmehr vollendet ist, die bedeutendste. Dieselbe ist zwar zunächst für das Archiv des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde in Niedersachsen bestimmt, und wird in unsern Jahrbüchern nur im Auszuge mitgetheilt werden, gehört aber nach Ursprung und Inhalt beiden Vereinen zugleich an. - Ausserdem sind nur verschiedene kürzere Berichte eingegangen, namentlich über die Kirchen zu Ludorf, Boizenburg und Dänschenburg, die Capelle zu Langen - Brütz und das Siegel des Klosters Dargun von Herrn Archiv - Rath und Conservator Dr. Lisch, und über die Burg der Moor - Hoben an der Trebel von Herrn Pastor a. D. Ritter zu Friedrichshöhe bei Rostock.

Von den ordentlichen Mitgliedern des Vereins haben die Herren Amtsverwalter Schoepffer zu Boizenburg und Senator Bade zu Schwerin ihren Austritt angezeigt, der Herr Gutsbesitzer Pogge auf Blankenhof bei Neubrandenburg aber ist demselben in gleicher Eigenschaft wiederum beigetreten. - Den mit uns correspondirenden Vereinen hat sich der neugebildete Verein für Geschichte und Alterthümer der Herzogthümer Bremen und Verden und des Landes Hadeln zu Stade angeschlossen.

W. G. Beyer, Dr., Archiv =Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.         

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei von Dr. F. W. Bärensprung.