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Hölzerne Teller von Güstrow.

In einem an der Nordseite des Marktes zu Güstrow belegenen alten Bürgerhause, welches früher im Besitze des Kürschners Teetz war und jetzt dem Herrn Kürschner Saß gehört, wurden bei dem Durchbau des Hauses in einem vermauerten alten Wandschranke zwei hölzerne Teller gefunden, welche der Herr Saß dem Vereine zu schenken die Freundlichkeit hatte. Diese sehr merkwürdigen Teller sind hölzerne Scheiben oder "Bricken", wie man sie jetzt nennt, von 6 1/2 " Durchmesser, und ganz flache Scheiben; der eine ist ungefähr 3/8 " dick und hat an beiden Seiten umher einen ganz niedrigen erhabenen Rand, der andere ist noch einmal so dick und ohne Randerhöhung. Wahrscheinlich haben diese Scheiben oder "Bricken" zu "Confecttellern" gedient, da sie wegen ihrer Gestalt und Verzierung nur zu trockenen Sachen gebraucht werden konnten. Beide sind, wenn auch im Style der Verzierung etwas von einander verschieden, doch ohne Zweifel von derselben Hand verfertigt, da die auf ihnen befindliche Schrift von derselben Hand ist.

Diese Teller sind durch die Art ihrer Verzierung merkwürdig und werthvoll, da sie einen klaren Blick in die Bildung der Zeit geben, in der sie verfertigt sind. Sie sind nämlich an beiden Seiten mit architektonischem Blattwerk in roth und gelb und schwarz bemalt, so daß der Grund roth, das Blattwerk gelb, die Umrisse Schwarz sind; nach der Bemalung sind die Scheiben mit einem sehr dauerhaften Lack überzogen, der noch heute vollkommen wohl erhalten ist und jeder Nässe widersteht.

Diese Scheiben sind so verziert, daß in der Mitte ein runder Schild von etwa 1 1/2 " Durchmesser mit einem Symbole Christi steht. Dieses ist von einem innern Rande mit einer Inschrift umgeben, etwa 3/4 " breit. Dann folgt ein Kreis mit architektonischem Blattwerk von 1 1/4 " Breite. Auf dem äußern Rande von ungefähr 3/4 " Breite steht eine zweite Inschrift.

Die Inschriften geben einen ziemlich sichern Maaßstab für das Alter dieser Teller. Nach dem Charakter der Schriftzüge und der reinen plattdeutschen Sprache, auch der Verzierungen, fallen sie in die Zeit von ungefähr 1480 - 1500; man wird sicher gehen, wenn man die Zeit um das Jahr 1500 als die Verfertigungszeit annimmt; die Teller können etwas älter sein, jünger wohl nicht.

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Die interessanten Inschriften dieser Teller sind folgende:

I. Erster Teller.

A. Eine Seite

1) In der Mitte:

Jesus

(d. i. Jesus).

2) Innerer Inschriftrand 1 ):

help here goth
vth aller noth
dorch dynen bytteren doth
   amen.

(Hilf Herre Gott
aus aller Noth
durch deinen bitteren Tod
   Amen.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Vele er werth enes fwerdes how tho reke 2 )
wen ener bosen tunge steke
eyn vntruwe mynsche mit deme munde
is boser wen eyn arge bose wunde.

(Viel eher heilt ein Schwerthieb sicherlich,
als einer bösen Zunge Stich;
ein Mensch untreu mit seinem Munde
ist böser als eine arge, böse Wunde.)

B. Andere Seite.

1) In der Mitte:

Christus

(d. i. Christus).


1) Die vielen Abbreviatureb nach der mittelalterlichen Schreibeweise sind hier aufgelöset.
2) tho reke ist wohl so viel als: zu recht kommen, gesund; es heißt noch: he wert to reke: er wird gesund.
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2) Innerer Inschriftrand:

Och here vorlene vns dyne gnade
vnde gyff frede in vnssen dagen.

(Auch Herr verleihe uns Deine Gnade
und gieb Friede in unsern Tagen.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Ayn ider late syck dar an benoghen
dat syck tho synen handel wyl fogen
werth he dar bauen tho vele begheren
ßo moth he dat grote myth deme kleynen entberen.

(Ein jeder lasse sich daran genügen,
was sich zu seinem Handel will fügen;
will er darüber zu viel begehren,
so muß er das Große mit dem Kleinen entbehren.)

II. Anderer Teller

A. Eine Seite.

1) In der Mitte:

Jesus

(d. i. Jesus).

2) Innerer Inschriftrand:

So holt men encheyt recht
wen de ene des andren borde drecht.

(So hält man Einigkeit recht,
wenn der Eine des Andern Bürde trägt.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

Wol dar bespottet my vnde de mynen
de gha tho hus vnde beße de synen
vppe dat he se den anebrek 1 )
ßo kame he balde vnde strasse myck.


1) anebrek - das was daran gebricht, Gebrechen, Mangel.
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(Wer da bespottet mich und die Meinen,
der geh nach Haus' und beseh die Seinen,
auf daß er seh, was ihm gebricht,
dann komme er bald her und schelte mich.)

oder:

(auf daß er sein Gebrechen schau
und nehm's mit Andern nicht zu genau.)

B. Andere Seite

1) In der Mitte:

Eine Kreuzrosette.

2) Innerer Inschriftrand:

he is arger wen vorgyfft 1 ) vnde fenyn 2 )
de dar vyenth ys vnde wyl frunth syn.

(Der ist ärger als Gift und Pest,
Der da Feind ist und Freund läßt.)

3) Aeußerer Inschriftrand:

De fyne frunde prouen 3 ) wyl vnde schal
de proue ße in vngeual 4 )
wenthe frunde der werlt in grother noth
der gan wol ver vnde twynchtych vp ein loth.

(Wer seine Freunde prüfen will und mag,
Der prüfe sie in Ungemach;
Denn Freunde der Welt in großer Noth,
Der gehn wohl vierundzwanzig auf ein Loth.)

G. C. F. Lisch.     


1) vorgyfft - Vergiftung, Gift, nach mittelhochdeutscher Sprachweise; plattdeutsch: vergeben - vergiften.
2) fenyn - Gift, von dem lateinischen venenum, nach mittelhochdeutscher Sprachweise.
3) prouen ist im Original puen abbrevirt, d. i. probiren, prüfen.
4) vngeual - Unfall, Ungemach.