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Die Kirche zu Retgendorf
und
die Kapelle zu Buchholz.

Die in schöner Lage auf den Ufern des schweriner Sees liegende Kirche und Pfarre zu Retgendorf ward im J. 1241 gegründet. Der Bischof Theoderich von Schwerin (1239 - 1247) sagt in der Urkunde 1 ) vom 28. Decbr. 1241, durch welche er die Pfarre dotirt, daß er die Kirche, welche auf dem Grund und Boden der verwittweten Gräfin Audacia von Schwerin erbauet sei, geweihet habe ("quod nos vocati ad ecclesiam in Retkendorpe dedicandam"). Da der Priester aber noch nicht bedacht war, so vermochte der Bischof die Gräfin, daß sie zur Unterhaltung des Pfarrers 2 Hufen in Retgendorf hergab; diese bestätigte der Bischof, in Gegenwart des Grafen Gunzelin von Schwerin, durch die erwähnte Urkunde als Pfarrgut und bestimmte zugleich den Pfarrsprengel, indem er die Dörfer Flessenow, Schlagstorf, Tessin, Liessow und Buchholz, wo damals schon eine Kapelle gegründet war ("capellam in Bokholte fundatam") dazu legte. Die Kirche ist also ohne Zweifel im J. 1241 fertig geworden und geweihet, da die Urkunde erst am Ende d. J. gegeben ist und der Bischof, der kaum ein Jahr lang den Hirtenstab geführt hatte, wohl innerhalb eines Jahres die Dotirung der Pfarre betrieben haben wird.

Die jetzt stehende, eine Restauration erwartende Kirche zu Retgendorf ist aber nicht mehr jene alte, im J. 1241 geweihete, sondern eine etwa hundert Jahre später erbauete Kirche. Die ganz von Ziegeln aufgeführte Kirche ist, ohne Spur von einem ältern Bau, im ernsten Spitzbogenstyl des 14, Jahrhunderts, mit kräftigen Strebepfeilern und gothischen Thür= und Fensteröffnungen und Gewölben aufgeführt; vielleicht ist sie im dritten Viertheil des 14. Jahrhunderts erbauet. Sie bildet ein Oblongum mit einem dreiseitigen Chorschluß und ist drei Gewölbe lang. Der Thurm ist nur eine Etage hoch von Ziegeln hinaufgeführt.

Das Innere der Kirche ist jetzt überweißt, stand aber, nach sichern Spuren, früher im Rohbau, wie gewiß alle Kirchen des Spitzbogenstyls. An den Mauerpfeilern unter dem Triumphbogen sind an jeder Seite viereckige Flächen geputzt, sicher zur Aufnahme von Malereien, von denen der Herr Architekt Stern auch noch Spuren entdeckt hat.


1) Vgl. Rudloff Urk. Lief. Nr. IX, S. 31, - Das bei der Pfarre noch aufbewahrte Original dieser Urkunde hat leider keine Siegel mehr.
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Das Schnitzwerk dieser Kirche ist sehr beachtenswerth.

Der Altar besteht aus einem steinernen Tische, welcher mit einer Platte aus polirtem Stuck bedeckt ist, in welcher noch die 5 bischöflichen Weihkreuze in etwas zierlichen Formen stehen.

Der Altarschrein ist ein einfacher Flügelaltar. Die Einrahmung und das geschnitzte Laubwerk ist jung, aus dem Ende des 15. Jahrhunderts; einige Seitenverzierungen sind ganz jung. Die in den Rahmen stehenden Holzschnitzwerke sind aber von großem Werthe. Sie stellen, in der Ansicht nach dem Altare hin, dar:

Die Verkündigung Die Kreuzigung Die Anbetung
Mariä. Christi. der H. Drei Könige.

Alle diese Holzschnitzwerke sind von großer Schönheit; die Figuren sind lang und von edler Bewegung, namentlich in der Verkündigung Mariä, und das Ganze macht einen befriedigenden Eindruck. Offenbar stammen diese Werke wenigstens aus der Zeit der Erbauung der jetzt stehenden Kirche, wenn sie nicht noch älter sind, was wahrscheinlich ist; für die jetzige Umrahmung sind sie nicht gemacht, da sie nicht genau hineinpassen, und schon nach dem Style nicht. Diese Werke gehören zu den bessern Schnitzwerken im Lande. Leider sind sie in neuern Zeiten mit schlechten Farben überpinselt. - Die Rückwände sind nicht bemalt.

Auf dem Balken unter dem Triumphbogen steht ein Crucifix, mit Maria und Johannes Ev. zu den Seiten, ebenfalls ein Werk aus guter, atler Zeit, in sehr passenden Verhältnissen und von guter Wirkung.

An der nördlichen Seitenwand steht eine Kreuztragung in ziemlich großen Verhältnissen, ebenfalls ein gutes Werk aus alter Zeit; der das Kreuz tragende Christus ist eine große, ernste Figur, die beiden Seitenfiguren sind nicht so gut.

Ein Epitaphium der Familie v. Sperling und einige Leichensteine sind aus der Zeit der neuern Geschichte.

Die Kirche hatte eine Pforte an jeder Langseite und eine Thurmpforte. Von den im guten Spitzbogenstyle erbaueten Pforten ist die südliche zugemauert, die nördliche, dem Pfarrhofe gegenüber, ist die Haupteingangspforte. Die Tür in dieser Pforte stammt sicher noch aus der Zeit der Erbauung der Kirche. Sie ist von Eichenholz und nach dem Innern der Kirche hin durch eine merkwürdige Belegung mit Riegeln in Form zweier Achtecke verbunden. Die Thür füllt die ganze spitzbogige Pforte, ohne Sturz; in den großen Flügel ist jedoch eine kleinere, viereckige Eingangsthür eingeschnitten. Der eiserne Beschlag dieser Thür ist so alt, wie die Thür, und äußerst tüchtig und

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geschmackvoll gearbeitet; die Hespen laufen in Lilien von den schönsten Verhältnissen aus. Die ganze Arbeit ist schon eine große Seltenheit geworden. Sehr merkwürdig ist eine Bemalung der äußern Thürfläche. In dem Spitzbogen steht, in angemessenen, füllenden Verhältnissen, draußen auf der Thür ein großer gemalter meklenburgischer Stierkopf, freilich sehr vergangen, jedoch noch in den Umrissen zu verfolgen, namentlich in der in altem Style gehaltenen goldenen Krone. Diese merkwürdige Verzierung ist wohl sicher ein Zeichen, daß die Kirche zur Zeit der meklenburgischen Herrschaft, also nach dem J. 1359, nach dem Ankaufe der Grafschaft Schwerin durch die Herzoge von Meklenburg, erbauet worden sei; vielleicht ist die Kirche sehr bald nach dem J. 1359 vollendet, indem man durch Anbringung des einfachen Stierkopfes (ohne andere Wappenzeichen) die neue Herrschaft deutlich bezeichnen wollte. Zu andern Zeiten hätte man zu einer solchen weltlichen Bezeichnung nicht gegriffen. Die Anbringung des meklenburgischen Stierkopfes über der Hauptpforte scheint sehr bestimmt dafür zu sprechen, daß die Kirche im dritten Viertheil des 14. Jahrhunderts erbauet worden sei, wenn nicht schon der Baustyl dafür spräche.

Ueber dieser Pforte sind zwei gleicharmige Lilienkreuze, ein häufig vorkommendes Ornament, übereinander hohl eingemauert.

Von den Glocken ist die größte und die kleinste alt.

Die große Glocke hat folgende Inschrift in gothischer Minuskel:

Inschrift

Statt der Puncte stehen kleine Heiligenfigürchen zwischen den einzelnen Wörtern.

=Anno domini MCCCCLXXXII (1482) ante Galli. Da pacem rex gloriae Christi. Osanna vocor.

Die kleinste Glocke hat folgende Inschrift in gothischer Minuskel:

(Ein heiliger Bischof) anno (ein Heiligenbild) d n mit Querstrich i (ein Heiligenbild) m (ein Antoniuskreuz 1 ) T) cccc (ein Antoniuskreuz) lv .
= Anno domini MCCCCLV (1455).


1) Vielleicht war diese Glocke ein Geschenk der nahen Antonius=Präceptorei Tempzin, welche im J. 1520 das Patronat der an Retgendorf grenzenden Pfarre Zittow erwarb; vgl. Jahrb. XIV, S. 268 u. 259).
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Die Kapelle zu Buchholz

ist, nach den Mittheilungen des Herrn Architekten Stern zu Schwerin, ein der Kirche zu Retgendorf ähnliches, jedoch etwas bedeutenderes Gebäude. Sie ist in demselben Styl erbauet, hat aber einen fünfseitigen Chorschluß und ist wohl etwas jünger als die Kirche zu Retgendorf. Sie ist nicht gewölbt und hat kein alterthümliches Mobiliar mehr. Diese Kapelle ist also auch nicht mehr diejenige, welche schon im J. 1241 stand.

G. C. F. Lisch.