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II. Zur Baukunde

des christlichen Mittelalters.


Kirchliche Bauwerke.


Die Kirche zu Gr. Wokern.

Die Kirche zu Gr. Wokern bei Teterow ist eines der merkwürdigsten alten Gebäude in Meklenburg. Wir verdanken die Entdeckung dieser Kirche dem Herrn Ober=Appellationsgerichts=Copiisten Rogge zu Rostock, welcher im Sommer des J. 1855 von derselben saubere und getreue Zeichnungen aufgenommen hat; die Bedeutsamkeit dieser Erscheinung veranlaßte auch mich, dieselbe im Herbste des J. 1855 einer Prüfung an Ort und Stelle zu unterwerfen. Die nachfolgende Beschreibung ist daher doppelt und sicher verbürgt.

Die Kirche gehört zu den alten Feldsteinkirchen romanischen oder Rundbogen=Styls, von denen einige merkwürdige Beispiele in Meklenburg entdeckt sind. Sie ist von gleicher Bauart, wie die Kirche von Dambek oder Minzow bei Röbel (vgl. Jahrb. XV, S. 283 flgd.) und hat gewiß Aehnlichkeit mit der Kirche von Papenhagen bei Rambow, nicht weit von Malchin (vgl. Jahresber. VI, S. 103 flgd. und Lisch Maltzan. Urk. III, S. 262) gehabt, obgleich die letztere ganz Ruine geworden ist.

Die Kirche zu Gr. Wokern ist ganz von Granit=Feldsteinen erbauet, ohne daß irgendwo (mit Ausnahme der jüngern Wölbung des Schiffes) Ziegel angewendet wären. Das ganze Gebäude ist äußerst tüchtig aufgeführt, sehr wohl erhalten und zeigt

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nirgends eine Spur des Verfalls. Die Ecken, die Thür= und Fensteröffnungen und die Gesimse sind von behauenen Granitfeldsteinen. Das Ganze, in alten, ehrwürdigen Verhältnissen, ist eine sehr befriedigende Erscheinung.

Die Kirche besteht aus einem vierseitigen Chor und einem oblongen Schiffe; der Thurm am Westgiebel ist ein neueres Bauwerk von Holz.

Der Chor ist ein Viereck, mit rechtwinklig angesetzter, grader Altarwand, und 26 1/2' lang, 21 1/2' breit, 25 1/2' (hamburger Maaß) hoch bis zum Scheitel des Gewölbes; die Mauern von Granitfeldsteinen sind 5' dick. Die Altarwand hat drei Fenster, die Südwand zwei Fenster und eine Pforte, alle im Rundbogen überwölbt. Die Nordwand hat auch zwei Fenster gehabt; als jedoch in etwas jüngern Zeiten, wahrscheinlich zugleich mit der Erbauung des Schiffes, an die Nordseite des Chors eine Sakristei angebauet ward, wurden die Fenster zugemauert und eine Sakristeithür durchgebrochen, welche jetzt wieder vermauert ist. Merkwürdig ist das kuppelartige Gewölbe des Chores, welches ganz aus unbehauenen Granitfeldsteinen in einer Dicke von 1 1/2' ausgeführt ist. Es hat keine Rippen und gleicht einem nicht ganz regelmäßigen und etwas unfertigen Kugelabschnitte. Rogge schreibt: "Das Gewölbe besteht aus 4 Kappen von Granitgerölle, 1 1/2 Fuß dick, welche gegen die Ecken der Umfassungswände Front machen, 2 Zoll hervorstehen und dadurch genöthigt sind, oben in kaum bemerkbaren Kehlen auf die Seiten dieses beinahe quadratischen Raumes zu stoßen, wodurch die Schildbogen auf denselben die Form einer Parabel erhalten". - Wenn auch die Construction aus 4 Kappen bestehen mag, so sind diese doch sehr wenig bemerkbar, und das ganze Gewölbe hat das Ansehen eines etwas unfertigen Kugelabschnittes. - Ein gleiches Gewölbe wird der Chor der Kirche zu Dambek gehabt haben, wie man noch an den hin und wieder stehenden Ansätzen sehen kann.

Wahrscheinlich ist dieser Chor die älteste Kirche, welche in den ältesten Zeiten allein stand, und war im Westen durch eine Wand (mit Thür) geschlossen. Als in etwas jüngern Zeiten das Schiff angebauet ward, ward diese Wand durchbrochen, wie es noch jetzt der im Uebergangsstyle gewölbte Spitzbogen des Triumphbogens zeigt.

Das Schiff ist jedenfalls etwas jünger, als der Chor, jedoch in den Ringwänden ganz in demselben Style ausgeführt; es ist 58' lang, 34 1/2' breit und 26 3/4' hoch; die Mauern sind 5' dick. Es hat an jeder Seite zwei Fensterpaare

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(mit Ausnahme der westlichen Hälfte der Nordwand, welche wegen der Pforte nur ein Fenster hat) und in der Nordwand die Hauptpforte; eine Pforte in der Westwand ist jetzt zugemauert. Alle Thüren und Fenster sind im reinen Rundbogen überwölbt und eben so construirt, wie die Oeffnungen des Chores. Die nördliche Hauptpforte ist durchaus wohl erhalten; sie tieft sich rechtwinklig ein Mal ein und der überwölbende Halbkreisbogen ruht auf einem Gesimse, welches aus einem Plättchen und einer Höhlung gebildet ist. Die ganze Gliederung der Pforte besteht aus behauenen Granitfeldsteinen. - Eben so sind die glatt und schräge eingehenden Fenster construirt, welche im Rundbogen übewölbt sind. Dem Anscheine nach mag an den Fenstern in frühern Zeiten restaurirt sein. Die Pforten sind jedoch sicher von jeder Restauration unberührt geblieben.

Das Schiff der Kirche unterscheidet sich aber im Innern durch die Wölbung bedeutend von dem Chore. Das Schiff, welches durch einen starken Gurtbogen in zwei Theile getheilt wird, hat zwei Kreuzgewölbe, welche von Ziegeln aufgeführt sind; die Gewölbe haben Rippen, jedoch keine röhrenartige Schlußsteine, und sind etwas roh angesetzt. Diese Gewölbe sind gewiß alt, jedoch wahrscheinlich erst später, längere Zeit nach der Vollendung der Kirche, eingesetzt; ich kann sie nicht für ursprünglich und romanisch halten. Schon die Arbeit beweiset, daß sie später eingesetzt sind.

Das Alter der Kirche zu Gr. Wokern zu bestimmen, ist sehr schwer, da es in Meklenburg für diesen Fall an sichern Anhaltspuncten zur Vergleichung fehlt. Die bekannten übrigen Rundbogenkirchen sind alle von Ziegeln ausgeführt und liegen in den Bisthümern Ratzeburg und Schwerin, welche einen mächtigen Einfluß von Westen her, von Braunschweig, Hildesheim, Amelungsborn u. s. w., nicht zurückweisen können. Die Kirchen, welche hier zur Vergleichung kommen können, die Kirchen zu Dambek (oder Minzow) und Papenhagen liegen in andern Diöcesen und können einen Einfluß von Osten und Süden her nicht verleugnen. Die Kirche zu Wokern liegt im Bisthume Camin; die Kirche, welche ihr ganz gleich ist, ist die Kirche zu Dambek, welche im Bisthume Havelberg liegt. Die Kirchen zu Wokern und Dambek sind ganz gleich, an Styl, Bauart, Form, Größe, Material und Wölbungsweise. Die Kirche zu Dambek hat außer der romanischen Bauweise auch noch romanische Malerei in der Sakristei. Wenn nun auch der Chorschluß beider Kirchen gradlinig ist, so scheinen sie beide doch schon am Ende des 12. Jahrhunderts erbauet zu sein; wenn auch nicht die Kirchen ganz in dieser Zeit erbauet wurden, so ward doch vielleicht der Chor beider

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Kirchen bei der Einführung des Christenthums errichtet und das Schiff später, jedoch nicht viel später, angebauet. Die beiden Chöre mögen gegen das Ende der romanischen Baustylsperiode gebauet sein. - Mehr Anhalt würde vielleicht die Kirche zu Papenhagen geben, wenn sie nicht in Ruinen läge. Diese Kirche ist eben so gebauet gewesen, wie die beiden andern Kirchen, hat jedoch in dem Fundamente eine halbkreisförmige Apsis als Chorschluß; daher scheint diese Kirche etwas älter zu sein, als die beiden andern. Zwar wird das Dorf Domherrenhagen oder Papenhagen dem im J. 1226 gestifteten Domherrenstifte zu Güstrow erst im J. 1240 als Hägerdorf verliehen (vgl. Lisch Maltzan. Urk. III, S. 262, und Lisch Hahn. Gesch. I, B, S. 54); aber die Kirche kann deshalb viel länger gestanden haben und vielleicht grade ihrer Ehrwürdigkeit wegen dem Dom=Capitel verliehen sein.

Jedenfalls ist die Bekanntwerdung dieser romanischen Feldsteinkirchen im östlichen Meklenburg von großer Wichtigkeit für die Kunstgeschichte Meklenburgs.

Merkwürdig ist es, daß diese drei romanischen Feldsteinkirchen des östlichen Meklenburgs in alten Zeiten Pfarr= und Mutterkirchen waren, aber alle sehr früh Tochterkirchen geworden sind, ja die Kirche zu Papenhagen ganz Ruine und die Kirche zu Dambek halb Ruine. Wokern war eine Pfarrkirche landesherrlichen Patronats. Im J. 1364 war Johannes Rumpeshagen Pfarrer zu Gr. Wokern ("dominus Johannes Rumpeshagen plebanus in Wokert"). Noch lange nach der Reformation war Wokern eine Pfarrkirche und ward erst im 17. Jahrhundert mit der Pfarrkirche zu Klaber vereinigt, welche ritterschaftlichen Patronats war. Im J. 1302 stiftete Deneko von Cröpelin mit seinen nächsten Verwandten eine Vikarei in der Kirche zu Wokern und dotirte sie mit der Primermühle.

An alten Kunstsachen besitzt die Kirche nichts, da sie vor einigen Jahren restaurirt und völlig ausgeräumt ist. In der Sakristei steht das zurückgesetzte alte Altarblatt aus Eichenholz geschnitzt, die Kreuzigung darstellend, eine Arbeit von nicht hohem Alter und keinem besondern Kunstwerth. Vor der nördlichen Hauptpforte liegen zwei halbmuldenförmige Mühlsteine von Granit aus der Heidenzeit, welche vielleicht im Mittelalter zu Weihbecken benutzt gewesen sind.

G. C. F. Lisch,