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Römische Bronzestatuette der Ubertas,
gefunden zu Manderow.

Vor drei Jahren stießen Arbeiter zu Manderow, in der Pfarre Proseken bei Wismar, beim Torfstechen in einer Tiefe von 4 Fuß auf etwas Hartes, das sich beim Herauswerfen als eine kleine Bronzefigur erwies. Das Torfmoor, welches an einem kleinen See liegt, war vorher mit Busch, namentlich mit Weiden bewachsen. Die Bronzefigur blieb so lange verborgen,

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bis sie der Herr Cantor Krüger zu Proseken, in lebhafter Theilnahme an den Bestrebungen des Vereins, im J. 1855 für den Verein erwarb.

Die Figur ist 6 1/2 Zoll hoch, aus Bronze und hohl gegossen. Sie stellt eine weibliche Göttin dar, in langem Untergewande, mit etwas kürzerem Obergewande, dessen Ende nach hinten über die linke Schulter geschlagen ist; die rechte Schulter ist entblößt. Im linken Arme trägt sie ein großes, mit Schuppen verziertes Füllhorn, in welchem Aehren, Baumfrüchte und Weintrauben liegen. In der rechten Hand hält sie eine runde Schale. Auf dem Haupte trägt sie ein antikes Diadem. "Eigenthümlich ist das in einem starken Zopfe nach griechischer Weise zusammengefaßte, dann aber über den Scheitel mit einem Wulste zusammengefaßte Haar, welches sich hier wie eine Blume (Lotos?) bildet und so an die Isisdarstellungen späterer römischer Auffassung erinnert. In diesem (jetzt etwas schief gedrückten) Wulste zeigt sich ein Einschnitt, welcher wohl dazu bestimmt gewesen sein könnte, eine Scheibe (Sonnen= oder Mondscheibe?) getragen zu haben."

Die Figur ist aus spät römischer Zeit, jedoch noch von guter Arbeit. Sie stellt eine Ubertas (Segen) oder Felicitas publica dar, wie sie auch auf Münzen oft vorkommt. "Sie stammt aus der Zeit, in welcher fremde Gottheiten oder deren Attribute mit den heimischen zu neuen symbolischen Bezeichnungen verbunden wurden", wie der Kopfputz und die Attribute auf eine spätere Zeit hinweisen. Die Figur ist sonst schlank und zart gebildet, der Faltenwurf ist reich und geschmackvoll, die Züge sind edel und fein. Die Figur hat sowohl Kunstwerth, als besonders historischen Werth, da sie sicher in Meklenburg gefunden ist. Die meisten der zahlreichen in den Ostseeländern gefundenen römischen Alterthümer stammen aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt, namentlich aus dem 2. und 3. Jahrhundert des römischen Kaiserreichs.

In der Auffassung der Herstammung, des Alters und der Zeit der Figur stimmen die berliner Archäologen in ihren Ansichten, welche mir durch den Herrn General=Director von Olfers mitgetheilt sind, mit mir überein.

Schwerin im Juni 1855.

G. C. F. Lisch.