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b. Zeit der Kegelgräber.


Heidnischer Begräbnißplatz von Pisede.

Einige hundert Schritte südöstlich von dem der Stadt Malchin gehörenden, nicht weit von dieser Stadt liegenden Gehöfte Pisede, und etwas weiter von der vorüberführenden rostock=neubrandenburger Chaussee entfernt, lag im flachen Felde ein heidnischer Begräbnißplatz, aus welchem Feldsteine hervorragten. Einem Steinhauer war es gestattet worden, sich hier Steine auszubrechen. Erst nachdem dieser am Ende des Monats November 1855 die Steine ausgebrochen, den Platz durchwühlt, die hinter den Steinen stehenden Urnen beim Steingraben zerbrochen und deren Inhalt bis auf die metallischen Gegenstände verschüttet hatte, ward dieser Fund dem Herrn Apotheker Timm, dem Herrn Pastor Rathsack und dem Herrn Succentor Schliemann zu Malchin zufällig bekannt, welche sofort dem malchiner Magistrate davon Anzeige machten und denselben um Schutz und um die Mittel und die Erlaubniß zur weitern Aufdeckung und Verfolgung der Alterthümer baten, was auch bereitwillig gewährt ward. Die genannten Herren stellten sogleich die weitern Forschungen an, wurden aber durch das bald darauf im December eintretende Frostwetter an der vollständigen Nachgrabung gehindert. Glücklicher Weise war der Steinhauer ein verständiger Mann, der in seiner Weise bei der Ausgrabung ganz gut beobachtet hatte und alles auslieferte, was er gefunden hatte; hiernach scheint auch das Grab erschöpft zu sein. Der Herr Apotheker Timm, welcher den Fund an sich genommen hatte, suchte nun alle nähern Umstände der Ausgrabung festzustellen und hat nicht allein, mit Erlaubniß des Magistrats der Stadt Malchin, die gefundenen Alterthümer, sondern auch einen ausführlichen Bericht, der im Folgenden benutzt ist, an den Verein eingesandt.

Der Begräbnißplatz

war von ovaler Gestalt und hatte in seiner Länge von Nordwest nach Südost etwa 70' und in seiner Breite von Südwest nach Nordost etwa 50' Durchmesser. Der Platz hatte eine Erhebung von 1 1/2 Fuß über die ihn umgebende ebene Ackerfläche und ward mit dem übrigen Acker gepflügt und besäet. Nach der Aussage eines Arbeiters war der Platz vor einigen 20 Jahren

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noch einige Fuß höher, so daß dort ruhende Arbeiter hinter demselben Schutz gegen Wind und Wetter finden konnten. Der Platz war in seiner westlichen Hälfte im Umkreise mit größern Granitsteinen eingefaßt, und es ist wahrscheinlich, daß auch die andere Hälfte von Steinen eingeringt gewesen ist; vor etwa 18 Jahren sind hier viele Steine zum Chausseebau ausgebrochen.

Innerhalb dieses mit Steinen umringten Begräbnißplatzes befanden sich mehrere Begräbnisse aus verschiedenen Perioden der heidnischen Vorzeit neben einander.

1. Ein Hünengrab.

Am nordwestlichen Ende dieses Begräbnißplatzes ward ein Grab aus der Steinperiode entdeckt, welches ungefähr 1 1/2 Fuß tief unter der Oberfläche stand. Der innere Raum dieses Begräbnisses war im Rechteck von Granitblöcken gebauet und 4 1/2' lang, 2 1/2' breit und etwa 3' hoch. Die vier Seitenwände dieser Kiste waren von 5 größeren Steinen gebildet. Von außen, ebenfalls unter der Erdoberfläche, war diese Steinkiste von kleinern Steinen umgeben, deren Zwischenräume mit Lehm ausgefüllt waren, augenscheinlich um sie zu befestigen. Diese Steinkiste war nicht mit Steinen zugedeckt; jedoch sollen vor etwa 18 Jahren während des Baues der rostock=neubrandenburger Chaussee mehrere große Granitblöcke hier ausgegraben und zu Brückendecken verwandt worden sein. Die Längenrichtung der Steinkiste ging von Nordwest nach Südost.

In dieser Steinkiste lagen am südöstlichen Ende

4 Schädel von verschiedener Größe

und neben diesen nach Nordwest hin viele menschliche Gebeine, aus deren Lagerung man schließen muß, daß sie zu den Schädeln gehört haben. Leider sind die Schädel zerbrochen und die Gebeine zerschlagen und zum Theil verworfen; jedoch sind noch die Stirnbeine und einige Oberhauptbeine gerettet. Die Schädel sind nur dünne und klein und die Stirnen grade nicht schön gebildet; die eine Stirne ist ziemlich gut gestaltet, eine andere hat aber eine stark aufgeworfene Nase und eine starke Biegung nach hinten. So viel ist gewiß, daß die Schädel sich weder durch Größe, noch Schönheit, auch die übrigen Gebeine sich nicht durch Größe und Stärke auszeichnen. - Es ist möglich, daß die Leichen hockend oder sitzend in die Steinkiste beigesetzt worden sind; jedoch spricht die Länge der Kiste grade nicht dafür, da diese grade lang genug gewesen sein mag, um die Leichen hineinzulegen.

Neben den Schädeln lagen in der Steinkiste 3 Keile von Feuerstein, von denen zwei groß und dünne sind, der dritte ganz klein und in seiner Gestaltung sehr selten ist:

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1 Keil von grauem Feuerstein, 6" lang, 1 3/4" breit im Mittel und 3/4" dick in der Mitte, auf den beiden breiten Seiten ganz geschliffen und an der Schneide sichtlich oft und scharf nachgeschliffen;

1 Keil von grauem Feuerstein, 5 1/4" lang, 2" breit im Mittel und 3/4" dick in der Mitte, auf den beiden breiten Seiten ganz geschliffen und an der Schneide sichtlich oft und scharf nachgeschliffen, jedoch an der Schneide an einigen kleinen Stellen zerschlagen;

1 kleiner Keil von grauem Feuerstein, 3" lang, 1" breit und 3/4" dick, etwas unregelmäßig, an den beiden breiten Seiten ganz geschliffen und an der Schneide sichtlich oft und zwar so nachgeschliffen, daß die Schneide gegen den Breiten=Durchmesser schräge liegt; wahrscheinlich ist dieser kleine Keil, der wegen seiner Kleinheit sehr selten ist, zum Einsetzen in eine hölzerne Keule oder dergleichen benutzt worden.

Weiter ward innerhalb dieses Grabes nichts gefunden.

2. Kegelgräber.

Merkwürdig ist es, daß sich innerhalb des Steinringes, der den ganzen Begräbnißplatz umschloß, auch mehrere Begräbnisse aus der Bronzeperiode fanden, oder es war vielmehr, nach der Bauart, dieser Begräbnißplatz ein großes, wenn auch niedriges, Familien= Kegelgrab, in dessen Umkreis das Hünengrab hineingezogen war. Es ist einige Male beobachtet, daß Begräbnisse aus der Bronzeperiode oben auf Hünengräber gesetzt sind und das Ganze dann zu einem Kegelgrabe gemacht ist, wie z. B. in dem bekannten Grabe zu Waldhusen bei Lübek, in einigen Gräbern zu Moltzow am malchiner See; es ist aber in Meklenburg, so viel bekannt ist, noch nicht beobachtet, daß ein Hünengrab aus der Steinperiode neben Begräbnissen aus der Bronzeperiode in einem Kegelgrabe stand.

Innerhalb des die Begräbnißstelle umgebenden Steinringes standen

5 Urnen von Thon

im Kreise umher, nicht weit von dem Steinringe, 1 1/2 Fuß unter der Erdoberfläche, also auf dem natürlichen Erdboden. Die Urnen waren alle zertrümmert, da sie vom Pflugeisen getroffen und dadurch zerstört waren. Nach den Scherben hatten sie die charakteristische bräunliche Farbe der Urnen der Kegelgräber und hatten ungefähr 3/4 Fuß im Durchmesser. Sie waren, wie gewöhnlich, von drei oder mehreren Steinen umstellt und mit einer Steinplatte zugedeckt, standen also in einer kleinen Steinkiste. Sie enthielten eine "kohlige Masse", also zerbrannte

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Knochen, unter denen der Steinbrecher einige kleine Bronzestücke fand. Daß in diesem Grabe nach der Zeit der Steinperiode Leichenbrand geherrscht hat, geht daraus hervor, daß sich auch zwischen den kleinern Steinen, mit denen das Hünengrab von außen umpackt war, einige Kohlenstücke fanden; die Verpackung war also zur Zeit der Bronzeperiode geschehen. Wahrscheinlich ist in der Mitte des Begräbnißplatzes die Brandstelle gewesen, um welche, innerhalb des Steinringes, die Urnen beigesetzt sind.

In 4 von diesen Urnen fanden sich, nach Aussage des Arbeiters, kleine Bronzegegenstände, welche noch zu erkennen sind, da sie dem Leichenbrande ausgesetzt gewesen und durch denselben zersprengt worden sind. Diese Gegenstände sind:

1 Paar Handbergen, aus Bronze, vom Feuer ganz in viele kleine Stücke zersprengt;

2 kleine Hefteln mit Spiralplatten, aus Bronze, durch den Leichenbrand verbogen, von denen jedoch nur noch die Spiralplatten vorhanden sind;

1 Diadem mit eingravirten Spiralwindungen, aus Bronze, von welchem jedoch nur noch ein kleines Stück, das offenbar, nach dem Roste zu urtheilen, durch den Leichenbrand abgesprengt wurde, erhalten ist;

Gegen Nordwest, am Ende, in der Mitte der Verengung des elliptischen Steinkreises, also nördlich neben dem Hünengrabe aus der Steinperiode, stand die größte Urne, welche etwa 1 Fuß im Durchmesser hatte. Nördlich neben dieser Urne lagen viele Bronzegegenstände, welche, nach der Aussage des Arbeiters, nicht in einer Urne, sondern so gefunden wurden, als wenn sie mit einem menschlichen Körper hingelegt waren. Alle diese Gegenstände sind ziemlich gut erhalten, in ihrer ursprünglichen Form und mit demselben, tiefen und alten Rost bedeckt, so daß es sicher ist, daß sie nicht dem Leichenbrande ausgesetzt gewesen sind. Dieses Grab, welches neben dem Hünengrabe lag, scheint das älteste und bedeutendste in dem Begräbnißplatze gewesen zu sein und keinen Leichenbrand erlitten zu haben. Die Bronzegegenstände dieses Begräbnisses sind:

1 Diadem, von ausgezeichneter Arbeit. Es ist nicht, wie gewöhnlich, mit gravirten Spiralwindungen verziert, sondern mit drei Paar queer und parallel laufenden, erhabenen Reifen mit eingravirten Horizontalstrichen verziert; die zwei dazwischen liegenden, vertieften, glatten Bänder sind an jeder Seite mit feinen, erhabenen Zickzacklinien auf vertieftem Grunde geschmückt. Der Rost ist tief und spielt ins Bläuliche. Diese Art von Diademen scheint älter zu sein, als die mit Gravirung verzierten.

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1 Paar Armringe, massiv und einfach gravirt, eng, von 2 1/2" innerm Durchmesser.

2 Armringe, massiv und nicht gravirt, von derselben Weite; diese Ringe scheinen nicht zu diesem Begräbnisse zu gehören, da sie einen andern Rost haben.

1 gewundener Kopfring.

1 gewundener Halsring.

1 Nadel, deren Spitze abgebrochen ist, jetzt noch 2 1/2" lang.

1 Paar Handbergen, ziemlich wohl erhalten, reich gravirt.

Dieses Begräbniß scheint, nach den Schmuckgegenständen, einem Frauenzimmer anzugehören. Dann würden die Handbergen auch Frauenschmuck sein. Dies scheint auch aus mehrern andern Beobachtungen hervorzugehen. Leider ist noch kein Grab mit Handbergen wissenschaftlich aufgedeckt, aus welchem mit Sicherheit hervorginge, daß es einem Frauenzimmer angehörte.

Der Herr Apotheker Timm hat die Güte gehabt, die Bronzen zu analysiren, und hat gefunden, daß sie, wie gewöhnlich, nur aus Kupfer und Zinn bestehen und zwar ungefähr 90 Procent Kupfer enthalten.

G. C. F. Lisch.