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XI.

Ein Lied

auf

den Herzog Georg von Meklenburg

vor Magdeburg,

mitgetheilt vom Auditor Dr. Möhlmann zu Stade


I n meiner Bibliothek befindet sich eine im J. 1566 gebundene Sammlung von Meisterliedern, die in jener Zeit als fliegende Blätter verbreitet wurden. Im Ganzen sind es 82 Stück, die, außer mehreren Gebeten, 143 Lieder enthalten, sämmtlich sehr selten, weshalb ich auch diesen Band für einen der größten Schätze meiner Sammlung halte. Die Geschichte des Kirchenliedes besonders kann daraus den größten Gewinn ziehen, aber auch andere Fächer sind keinesweges ausgeschlossen, da trotz des bloß kirchlichen Sinnes Manches darin vorkommt, was zwar diesen Charakter trägt, nichts desto weniger aber der Zeit= oder Provinzialgeschichte angehört.

Ohne auf weitere Angaben hier mich einzulassen, bemerke ich nur, daß der Titel eines jener Flugblätter ist: "Fünff newe Lieder, von der Löwlichen vnnd Keyserlichen freyen Statt Magdeburgk, vnd jrer schweren Belagerung" etc. . Ort, Jahr, Drucker sind nicht angegeben. Das umständlichste ist das auf den Herzog Georg bezügliche und deshalb theile ich dasselbe hier mit. Es lautet:

Das Ander.

Nun hört von mir ein New gedicht
wie vns der Bapst hat zugericht,
ein spiel inn Deutschen Landen,
zu erkülen sich jm Deutschen blut,
Gott machte inn bald zu schanden.

Do man schreib tausentfünffhundert Jar,
vnnd funfftzig ein verdampte schar,
der Gotlosen Papisten,
vor Braunschweig sich gelagert hat,
mit viel der falschen Christen, Ja Christen.

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Ein argen list hat man erdacht,
das man die Feind von dannen bracht,
ziehet hin jr frommen Leute,
bey Magdeburgk ist ein schönes Land,
da kriegt jr gute beute, Ja beute.

Hertzog Jörg von Mechelnburgk,
der zog bald hin vor Magdeburgk,
die Christen zuvertreiben,
wir dancken Gott von Himelreich,
er must vns lassen bleiben, ja bleiben.

Die armen Pauren schlug er seer,
darnach hat er kein glück nicht mehr,
hat jmmer abgenommen.
biß das er selbs mit den Reuttern sein,
in Magdeburgk ist kommen, Ja gekommen.

Bey hundert Pferdt hat man erlegt,
dasselb hat jn so hart bewegt,
er wolt den schaden rechen.
darumb reyt er den feinden zu,
vnd wolt sie all erstechen, Ja stechen.

Gott gab jnn bald in vnser hand,
Das daucht jm nicht ein kleine schand,
es soll noch besser werden,
wir preisen dich von Hertzen Herr,
Gott himels und der Erden, Ja Erden.

Die Thumherren sind mit jn jrem Rath,
zu schanden worden vor der Statt,
die Junckfraw wolten sie schenden,
Gott hat die Junckfrawen in seiner hut,
wird sich von jr nicht wenden Ja wenden.

Sie wolten Gotts Wort Rotten aus,
vnd stossen gar zur wellt hinaus,
darzu die frommen Christen,
die falschen Christen vnd Müniche knecht,
die gottlosen Papisten, Ja Papisten.

Magdeburk die werde Statt,
viel vngeratener kinder hat,

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der Adel auff dem lande,
der Mutter nicht wil gehorsam sein,
ist jn ein grosse schande, Ja schande.

Den Junckhern ists ein grosse schandt,
das sie jr eigen Vatterlandt,
verraten vnd verderben,
drumb wird sie Gott außrotten gar,
mit allen jren erben, Ja erben.

Gotts Wort sie wöllen leiden nicht,
darumb hat Gott die bösewicht,
verendert vnd gefangen,
sie haben verdienet schwert, galgen vnd raht,
darnach jnn thut verlangen, Ja verlangen.

Der Engel Gottes stund vns bey,
vnnd fürt vns durch zwey Läger frey,
jnns dorff großen Otterßleuen,
Gott sprach ich will die Mörder bald,
in ewer hende geben, Ja geben.

Sie mainten es wer ein Faßnachtspil,
weil sie den vnser sahen viel,
inn weissen hembden kommen,
als sie vernamen es were kein schimpff,
da schlugen sie die drummen, Ja drummen.

Die Magdeburger sprachen das Gott walt,
die feind sie vberfielen bald,
der ward gar viel erstochen,
vom Fewer feind jr viel auch erstickt,
So hat sich Gott gerochen, Ja gerochen.

Man vberfiel sie bey der nacht,
vnd hielt mit jn ein finstere schlacht,
wer Man am tag herkomen,
Man het die Thumbherren funden dar,
vnd het sie mit genomen, Ja genomen.

Das Interim hat man dieselbe nacht,
in weissen hemden gen Magbeburk 1 ) bracht,
drumb werden die Papisten


1) Dieses b in Magdeburg steht so im Originale.
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mit vns hinfürt zu friden sein,
sampt den Adiaphoristen, Ja Adiaphoristen.

Die Feindt hatten sich vermessen gar,
sie wolten für dem Newen jar,
hin her gen Magdeburg kommen,
das sein sie grosse Propheten gewest,
vnd haben recht vernomen, Ja vernomen.

O Gott von Himel du bist gerecht,
zu füssen lieffen der Junckfrawen knecht
vnnd kamen widergeritten,
sie kamen auff Rossen hergedrapt,
Nach Edelmannes sitten, Ja sitten.

Am Freitag vor Sanct Thomas tag,
früh ist geschehen die Niderlag,
des Bapsts verloren Kinder,
Man treibt sie zur Satt 1 ) hinein,
gleich wie die schwein vnd Rinder, Ja Rinder.

Des negsten tags darnach so bald,
der Fürst kam auch in vnser gewalt,
er wardt bey tag geschlagen,
die Burger tasten jnn freidig an,
das wolt jm nicht betagen, Ja bethagen.

Er sprach jr Landßknecht nembt meiner acht,
das Ich nicht werd vmbs leben bracht,
vnd thut bey mir das beste,
also kamen sie zur Statt hinein,
wilkomen jr lieben geste, Ja geste.

Wir waren kaum fünfftzig Reuter starck,
da sieht man Gottes wunderwerck,
es geschach so gar behende,
die Landeßknecht warn sehr freidig darzu,
vnd brauchten jre hende, Ja hende.

Die Pfaffen knecht für kurtzer zeit
haben vor Magdeburg inn dem streit,
einen schaffstall abgewunnen,
dagegen die von Magdeburgk,
jren Pferdtstal vberkomen, Ja kommen.


1) Statt: Statt.
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Der Feindt nicht viel gewunnen hat,
den Gott ist bey der Junckfrawen Statt,
vnnd wird sie noch baß rechen,
an seinen Feinden allzumal,
jr macht wird er zurbre 1 ), Ja zerbrechen.

Darumb danckt Gott von Himelreich,
ein jeder auch bekere sich,
vnd führe ein Christlich leben,
So wird vnns Gott verlassen nicht,
seinen segen geben, Ja geben.

Der vns diß Liedlein hat gemacht,
der fragt nicht viel nach der Feinde pracht,
er weis Gott wird sie stürtzen,
die jr Vatterland verraten hand,
jr leben wird Gott kürtzen, Ja kürtzen.

Der Meister ist vielen wol bekandt,
lieblich on falsch ist er genant,
verjagt von den Intermisten,
Gott helff seiner armen Christenheit
vnd stürtz seiner falschen Christen, Ja Christen.

Dem Titel nach ist obiges Lied: "Im thon, Es gehet ein frischer Sommer daher" zu singen.


Der Herzog Georg fiel bekanntlich im Jahre 1552 vor Sachsenhausen bei Frankfurt. Bei von Fichard (Frankfurtisches Archiv für ältere deutsche Literatur und Geschichte. Frankfurt a. M. 1811. I, S. 140 etc. .) werden zwei alte Lieder von der Belagerung Frankfurts und Sachsenhausens mitgetheilt, von dem letzteres den Tod des Herzogs berichtet, und so weit es hierher gehört (S. 147 - 148), so lautet:

1.

Weiters so last euch sagen
Sachsenhausen ward berenth
Wohl an einem Dienstage
Deß frewet uns allesambt
Begunten heftig zu schießen auch
Zu schanzen fiengen sie an
Scharmitzelten nach Landsknechtsbrauch
Verlohren manchen Mann.


1) So im Originale beim Abbruch der Zeilen, das "chen" fehlt.
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2.

Es ward ihm abgeschoßen
Von Meckhelburg der Herzog wohlgebohrn
Daß hat den Marckgraven verdroßen
Verhieß sich vor iedermann
Sachsenhausen zu schleiffen gar
Keinen Stein auf dem andern zu lahn
Undt stehn in großer leibesgefahr
Beidt Weib und auch die Mann.


Nachschrift. So eben ersehe ich aus dem ersten Jahresberichte (1836. S. 31), daß bereits Bibliothekar Böhmer auf obiges Lied aufmerksam gemacht hat. Die Fassung daselbst ist nicht genau und deshalb bemerke ich, daß bei von Fichard nur zwei Lieder, die beiden andern aber bei von Lersner (nicht Larsner) stehen.


Anmerkung. Rathmann sagt in seiner Geschichte der Stadt Magdeburg (Magdeburg 1803. III, S. 608): "Geschichtschreiber und Dichter, selbst im Auslande wetteiferten mit einander, diese ruhmvolle Vertheidigung Magdeburgs zu erheben, und sie ihren Zeitgenossen und der Nachwelt bekannt zu machen." Vergleicht man nun aber S. 563 (Anmerkung) damit, so ergiebt sich, daß ihm nur das lateinische Gedicht des Petrus Lotichius bekannt war, was um so mehr auf die außerordentliche Seltenheit obiger Lieder schließen läßt.

Zur Erläuterung des Vorstehenden möge hier noch Rathmanns Erzählung folgen. Es heißt bei demselben S. 576:

Als sich nun am folgenden Morgen (1550, 20. December) Prinz Georg von Mecklenburg im Felde zeigte um den erlittenen Schaden und Schimpf zu rächen: so griff ihn ein Corps der Besatzung zu Fuß und zu Pferde so tapfer an, daß sie seine Reuterei völlig in die Flucht schlugen und ins Lager vor Diersdorf jagten. Ihn selbst aber, da er mit dem Pferde stürzte, und verschiedene Wunden bekommen hatte, nahmen sie, nach einer verzweifelten Gegenwehr, nebst verschiedenen Edelleuten gefangen. Als man ihn aber zum Thor hineinbrachte, wollten die Weiber, welche ihre Männer in der Niederlage bey Hillersleben eingebüßt hatten, ihn als den Urheber davon todtschlagen, und kaum konnten ihn die Bürgermeister, die ihn gleich am Thore in Empfang nahmen, vor dieser weiblichen Wuth schützen. Unter unglaublichem Zulauf und Gedränge des Volks führte man ihn aufs Rathhaus, und dann in sein Quartier. Er blieb in der Stadt, im Lindwurm, in anständiger Verwahrung, bis er nach aufgehobener Belagerung wieder in Freiheit gesetzt ward. Man kann leicht denken, welche Freude es in der Stadt machte, daß man den nächsten Urheber ihrer jetzigen Noth, gefangen genommen hatte. Man that Freudenschüsse von Thürmen und Wällen. Man läutete mit allen Glocken, auch mit der großen Glocke des Doms, welche seit drei Jahren nicht gebraucht worden war, und ließ alle Thurmuhren wieder schlagen, welche seit drey Wochen nicht geschlagen hatten, um das Zeichen der Sturmglocke desto merkbarer zu machen".

 

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