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IV.

Ueber die wendischen Fürstenburgen

Meklenburg und Werle,

von

Dr. G. C. F. Lisch,
großherzoglich=meklenburgischem Archivar und Conservator.


U nsere alten wendischen Burgwälle, auf denen die obotritischen Könige, die Stammväter unsers erhabenen Fürstenhauses, residirten, gehören zu den ehrwürdigsten geschichtlichen Denkmälern Meklenburgs. Nachdem es uns gelungen war, dieselben zu erkennen und entdecken, ist es unablässig unsere Sorge gewesen, in den Jahrbüchern die Geschichte und die Eigenthümlichkeit derselben immer mehr aufzuhellen, und Meklenburg hat wahrlich einen nicht geringen historischen Schatz in diesen geschichtlichen Denkmälern gewonnen. Vorzüglich war unser Augenmerk beständig auf die Hauptburgen gerichtet, auf denen zur letzten Heidenzeit die Landesherrscher vorzugsweise und in den ersten christlichen Zeiten die verschiedenen Linien unsers Herrscherhauses noch eine Zeit lang residirten; und ganz besonders waren uns die berühmtesten Burgen Meklenburg und Werle ein Gegenstand der Sorge. Nachdem die Entdeckung dieser Burgen gelungen und die Lage derselben festgestellt war, wurden sie immer mehr ein Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit und Theilnahme und fingen bald an volksthümlich zu werden. Diese immer mehr wachsende Aufmerksamkeit ließ aber auch die Befürchtung aufkommen, daß in unserer gewerbfleißigen Zeit die in weiten Sumpfwiesen liegenden, aus leichter, fruchtbarer Erde bestehenden Burgwälle über kurz oder lang dem Ackerbau zum Opfer fallen könnten. Das Vaterland verdankt es der tiefen historischen

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Einsicht und der warmen Vaterlandsliebe Sr. Königlichen Hoheit des allerdurchlauchtigsten Großherzogs, daß die beiden Burgwälle Meklenburg und Werle auf lange Zeit jeder Gefahr entrissen und zu geschichtlichen Denkmälern des Vaterlandes erhoben sind. Nachdem das Ziel glücklich erreicht ist, wird es allen Freunden der vaterländischen Geschichte hoffentlich willkommen sein, hierüber Kunde zu empfangen und die Vollendung der Monumentirung durch unsere Jahrbücher in der vaterländischen Geschichte für die Zukunft aufbewahrt zu sehen. Mit großer Freude kann ich, der ich, als Conservator der historischen und Kunstdenkmäler des Landes, von Sr. Königlichen Hoheit mit der Leitung und Ausführung der Angelegenheiten betrauet war, die große Freundlichkeit, Theilnahme und Thätigkeit aller bei der Vollendung der Werke betheiligten Personen anerkennen und rühmen. Ich benutze zugleich diese Gelegenheit, um einige sehr interessante neue Entdeckungen hier mitzutheilen.


1. Die Burg Meklenburg,

deren klare und urkundlich verbürgte, also zweifellose Geschichte zuerst in den Jahrbüchern VI, S, 79 flgd., entwickelt und in den folgenden Jahrgängen weiter verfolgt ist, liegt hart links an der Eisenbahn (rechts von der Chaussee) von Schwerin (Kleinen) nach Wismar, dicht vor dem Dorfe Meklenburg in der ausgedehnten Sumpfwiesenniederung, und ist seit der Entdeckung bereits sehr vielen Reisenden bekannt geworden. Der Burgwall war bis Johannis 1854 den Bauern des Dorfes Meklenburg zusammen, welche alljährlich die Ränder immer mehr in die Tiefe hinabpflügten, in Pacht gegeben. Mit dem Ablaufe dieser Pachtzeit und der darauf folgenden Regulirung der Dorffeldmark ward der Burgwall aus der Pacht genommen und nach Allerhöchstem großherzoglichen Befehle, d. d. Doberan den 10. August 1853, zur Forst gelegt. Unter der obern Leitung des Herrn Forstmeisters Plüschow zu Wismar ward die obere Fläche im Herbste des J. 1854 mit Eicheln besäet und im Frühling des J. 1855 die höchste Stelle mit jungen Eichen und die Tiefe mit Weiß=Ellern bepflanzt. Durch diese Besamung mit Eichen, welche schon kräftig treiben, wird der Burgwall hoffentlich auf Jahrhunderte erhalten bleiben und nach Jahren von den vorüberführenden Wegen aus einen würdigen Anblick bieten. Zu noch sicherer Bestimmung ist bei dem starken Froste im Monate Januar 1856

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von der Feldmark Mödentin ein großer Granitblock von ungefähr 7000 Pfund Gewicht, unter besonderer Theilnahme und Mitwirkung des Herrn Pächters Mengel zu Mödentin, auf die höchste Erhebung des Burgwalles gebracht und soll auf denselben die Inschrift: BURG MEKLENBURG eingehauen werden.

Bei der forstwirthschaftlichen Bearbeitung der Oberfläche dieses Burgwalles ist nichts von Bedeutung gefunden; es fanden sich überall nur die bekannten Gefäßscherben aus der Heidenzeit und an den höhern Stellen große Ziegel und viel Ziegelschutt von den Wohnungen der Burgmänner aus dem 14. Jahrhundert (vgl. Jahrb. VI, S. 85 flgd.).


2. Die Burg Werle,

vor welcher der letzte Wendenkönig Niklot, der Stammvater des fürstlichen Hauses, den Heldentod im Kampfe starb und deren Geschichte in den Jahrbüchern VI, S. 88 flgd. ausgeführt ist, liegt links an der Eisenbahn von Bützow nach Schwaan, ganz dicht vor dem Haupthofe des Dorfes Wiek (welcher rechts liegen bleibt), in einer großen Sumpfwiesenniederung, hart am rechten Ufer der Warnow. Die Monumentirung dieses Burgwalles war mit großen Schwierigkeiten verbunden, da derselbe mit dem Hofe Wiek in Erbpacht gegeben war und mit den ihn umgebenden Wiesen einen wichtigen Bestandtheil des neuen Erbpachthofes Wiek bildete. Glücklicher Weise ist der Erbpächter Herr Schmidt zu Wiek ein Mann von geschichtlichem Sinne und patriotischem Eifer und that gerne alles Mögliche, um die Erhaltung des Burgwalles zu befördern. Da die Fläche zu groß war und den besten Acker des Erbpachtstückes bildete, so konnte der ganze Burgwall unmöglich aus der Ackernutzung gezogen werden, auch war unter diesen Umständen eine Vernichtung des Burgwalles nicht zu befürchten; man mußte sich daher begnügen, die größte Erhebung des Burgwalles zum Denkmale zu erheben. Nach beendigter Regulirung ward nun nach Allerhöchstem Befehle vom 21. Junii 1855, unter vielfacher, lebendiger Theilnahme und Thätigkeit der Herren Amtshauptmann Seitz, Oberforstmeister von Storch und Cammer=Ingenieur Peltz zu Güstrow, im Herbste des J. 1855 die ganze höhere (nordwestliche), ovale Erhebung des Burgwalles aus der Erbpacht genommen und mit Wall und Graben umgeben. Außerdem ward von dieser also

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abgegrenzten Erhebung zu der nahen Eisenbahn und dem mit derselben parallel laufenden Landwege ein Weg gelegt, welcher grade auf einen uralten Damm durch die weiten Sumpfwiesen am linken Warnow=Ufer stößt. Im November des J. 1855 ward, unter der Leitung des Herrn Cammer=Ingenieurs Peltz, ein 12,000 Pfund schwerer Granitblock nicht ohne Gefahr glücklich durch die Wiesen auf die höchste Spitze des Burgwalles gebracht, und soll in denselben zu sicherer Bezeichnung die Inschrift: BURG WERLE eingehauen werden. Darauf soll die höchste Erhebung um den Stein mit einem Kreise von 12 Linden (in Beziehung auf die alte Mythologie der nahe liegenden Stadt Schwaan) umpflanzt und der Abhang ringsumher mit allerlei leicht wachsendem und dem leichten Boden angemessenem Gebüsch und Baumwerk bepflanzt, endlich auch der neue Weg zur Eisenbahn zu beiden Seiten mit Bäumen besetzt werden. So ist denn auch die Erhaltung dieses Burgwalles durch eine angemessene Monumentirung auf lange Zeit gesichert.

Bei den nicht unbedeutenden Aufgrabungen bei der Umwallung und sonst ist nichts von Bedeutung gefunden. Ueberall fanden sich in großer Zahl die bekannten Gefäßscherben und röthlich gebrannte Lehmstücke mit Stroheindrücken ("Klehmstaken") aus der Heidenzeit; auch wurden, wie früher, wieder einige kleine eiserne Messer gefunden. Am Abhange der höchsten Erhebung, nach der innern Vertiefung des Burgwalles hin, lag ein lose in den Erdboden gelegtes Fundament von Feldsteinen, etwa 30 Fuß lang und 2 Fuß breit, wahrscheinlich von der gegen Südost gekehrten Fronte des Haupthauses (oder der Residenz); hinter der einen Ecke dieses Fundamentes, wie es früher und wohl noch jetzt zu den Bauerhäusern gelegt ward, fanden sich große Massen von Thierknochen, namentlich von Rindern, Schweinen und Schafen, auch ein Rehgehörn.

Merkwürdig ist es, daß sich, wie schon früher, hin und wieder große Bruchstücke von menschlichen Schädeln fanden, namentlich an dem nordwestlichen Ausgange von der Burg nach der Warnow hin.

Ein auf der Spitze des Burgwalls gefundenes Bruchstück einer kleinen Platte sehr schönen, antiken, grünen Porphyrs, 3 ? lang, 2 ? breit, 1/3 ? dick, vortrefflich geschliffen, ist vielleicht in neueren Zeiten mit Hauskehricht auf den Burgwall gekommen (?).

Von höherer Bedeutung sind einige neuere geschichtliche und sprachliche Forschungen.

Aus meiner Darstellung in den Jahrbüchern VI, S. 88 flgd., geht hervor, daß ich, geleitet durch neuere Ueberlieferungen oder

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vielmehr Vermuthungen, die Lage der Fürstenburg Werle bei Wiek nur durch Schlüsse aus alten Chroniken und annähernde Urkundennachweisungen bestimmt habe; es war jedoch die Lage der Burg urkundlich und ausdrücklich nicht festgestellt. Nachdem nun die Monumentirung der Burg vollendet ist, habe ich, zu meiner Ueberraschung und Befriedigung, eine alte Urkunde entdeckt, welche die Lage der Burg Werle bei dem Hofe Wiek in der Nähe von Schwaan über allen Zweifel erhebt.

Die Fürsten von Werle hatten, wahrscheinlich in alter Zeit, in der Marienkirche zu Lübeck eine ewige Vikarei, zu Ehren des Heiligen Kreuzes und der Heiligen Petrus des Apostels und Georg des Märtyrers, gestiftet und mit sechs Hufen (oder bis zu 24 Mark 4 Schill. sund. und 18 Hühnern jährlicher Einkünfte) im Dorfe Benitz, zwischen Schwaan und Rostock, genannt die "düdischen hoven", dotirt und die Verleihung dem jedesmaligen Dechanten des lübecker Dom=Capitels übertragen. Der Altar dieser Vikarei stand im südlichen Kreuzschiffe ("in parte australi") in der Nähe der Hauptthür ("in ascensu ejusdem ecclesie") bei den Bildern der Heil. Drei=Könige. Als nun das Fürstenhaus Werle, und damit das sorgende Patronat der Vikarei, im J. 1436 ausgestorben war und die Einkünfte zur Erhaltung des Vikars nicht mehr ausreichten. so traten im J. 1439 die Nowgorodfahrer in Lübeck, welche noch keine eigene Capelle hatten, hinzu und verbesserten die Vikarei mit 34 lüb. Mark jährlicher Einkünfte, welche sie von dem Rath der Stadt Lüneburg zu beziehen hatten, oder mit einem Capitale von 600 lüb. Mark. Hiedurch ward dieser Altar der Altar der Nowgorodfahrer, indem diesen der Domdechant von Lübeck auch das ihm bisher zugestandene Präsentationsrecht übertrug. Der alte Stuhl der Nowgorodfahrer steht noch heute an der angegebenen alten Stelle der Kirche 1 ), obgleich die ganze Gegend der Kirche in jüngern Zeiten zu Epitaphien und Begräbnißplätzen modernisirt ist.

Diese Verbesserung der fürstlich=werleschen Vikarei in der Marienkirche zu Lübeck durch die Nowgorodfahrer bestätigte am 1. Julii 1439, also noch nicht volle drei Jahre nach dem Aussterben des werleschen Fürstenhauses, der lübecker Domherr Burchard von Osta, als General=Vikar des damals abwesenden lübecker Bischofs Johann. Dieser Burchard von Osta, wahrscheinlich aus dem rügischen und meklenburgischen Adelsgeschlechte


1) Nach den Mittheilungen des Herrn Malers Milde zu Lübeck.
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von Osten stammend, sagt nun in der Bestätigungsurkunde 1 ) vom 1. Julii 1439, daß

"die ewige Vikarei in der Marienkirche zu Lübeck einst von den Herren von Werle gestiftet sei, welche damals zu Wyck, nicht weit von der Burg Schwaan, gewohnt hätten"
("perpetua vicaria, quam olim domini de Werle, tunc in Wyck, prope castrum Swan, Swerinensis diocesis, commorantes, fundaverunt").

Leider ist die erste Stiftungsurkunde der Fürsten von Werle über diese Vikarei nicht mehr vorhanden. Aber die Bestätigungsurkunde von 1439 giebt jedenfalls eine sichere Angabe; denn entweder hat der lübecker Domherr diese wichtige Mittheilung aus der ersten Stiftungsurkunde geschöpft, oder er hatte, als meklenburgischer Edelmann, zwei Jahre nach dem gewiß viel besprochenen Aussterben des Fürstenhauses Werle noch sichere Ueberlieferungen über die älteste Residenz des Fürstenhauses, die er verewigen wollte, welche nach 400 Jahren grade in dem Jahre der Monumentirung dieser Burg auf eine überraschende Weise wieder zur Geltung gekommen sind. Jedenfalls giebt diese Urkunde das älteste urkundliche Zeugniß über die Lage der Fürstenburg Werle.

Die Nowgorodfahrer erhielten übrigens Erlaubniß, die von den Fürsten von Werle gestiftete Vikarei auf einen andern Altar zu übertragen, welcher aber in demselben südlichen Kreuzschiffe der Marienkirche bei den Bildern der Heil. Drei=Könige, jedoch einige Stufen höher, errichtet war.

Uebrigens werden die Fürsten von Werle noch mehr geistliche Stiftungen in den Kirchen Lübecks gehabt haben. In der Petrikirche zu Lübeck ist in der Südwand des Chores, wenn ich nicht irre, eine Capellenthür, welche einen kunstreich gearbeiteten Griff aus Messing hat, auf welchem auch vier werlesche Stierköpfe angebracht sind.

Auch über den Namen Werle läßt sich jetzt wohl Bestimmtes mittheilen. Der Herr Dr. Alexander von Hilferding zu Petersburg, Verfasser einer so eben erschienenen alten Geschichte der slavischen Völker (in russischer Sprache), welcher im Herbste 1855 in Schwerin war, um die slavischen Alter=


1) Vgl. Vermischte Urkunden. - Ich habe diese Urkunde in einem Auszuge in der jetzt im Staats=Archive zu Schwerin aufbewahrten v. Rudloff'schen Urkunden=Sammlung (aus den v. Behr'schen Handschriften) entdeckt und von dem Herrn Professor Dr. Deecke zu Lübeck in den v. Melle'schen Handschriften auf der Bibliothek zu Lübeck nachgewiesen und hieraus von dem Herrn Professor Dr. Mantels und dem Herrn Maler Milde zu Lübeck collationirt und vervollständigt erhalten.
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thümer der schweriner Sammlungen zu studiren, bemerkte, daß das slavische Werle sicher: Adler 1 ) bedeute.

slavisch Werle = Adler

nach Schmaler's deutsch=wendischem Wörterbuche, Bautzen, 1843, nach welchem das w im Anfange, wenn ein Consonant folgt, gewöhnlich nicht gehört wird, aber geschrieben werden muß; daher wird oft auch urle gehört. Daher wird in alten meklenburgischen Urkunden der Name Werle häufig auch Wrle geschrieben und bei den Skandinaviern lautete er auch Urle (vgl. Jahrb. VI, S. 73 und 90).

Auch über den Namen des Fürsten Niklot, der mit der Geschichte von Werle so eng verflochten ist, hat der Herr von Hilferding die Eklärung gegeben, daß Niklot: der Milde heißt. Die Sylbe ne oder ni ist die Negation: nicht, und klotiz heißt polnisch: schelten, russisch schlagen; polnisch ist klotnia: Zank. Niklot heißt also: der nicht Scheltende.

Vignette

1) Eben so heißt Rarog (Rereg=Meklenburg) = Falke.