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Plan der S. Petri-Vorstadt oder Alt-Rostock
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I.

Beiträge

zur ältern Geschichte Rostocks,

namentlich

über die alte fürstliche Burg zu Rostock,

von

dem Archivar Dr. Lisch zu Schwerin

und

dem Senator Dr. Mann zu Rostock.


Mit einem lithographirten Grundplan.


D ie Erkenntniß der Lage der wendischen Burgen in Meklenburg ist für die ältere Geschichte des Landes von der größten Bedeutung. So viel auch früher über die wendische Burg (urbs, castrum) Rostock vermuthet und geschrieben ist, so wenig Kritisches und Zuverlässiges ward doch bis auf die neueren Zeiten über den Ort geliefert, welcher die Veranlassung zur Gründung einer deutschen Stadt gab, die bald und rasch die bedeutendste in Meklenburg und nächst Lübeck eine der mächtigsten Städte der Hanse ward 1 ). Die Bedeutsamkeit des Ortes erklärt sich leicht aus seiner Lage an dem größten und bis zur Stadt Rostock mit Seeschiffen befahrbaren Flusse Meklenburgs, einer Lage, welche derjenigen Lübecks sehr ähnlich ist.


1) Rostock, der Oberhof Stralsunds (Hans. Urk.=Buch v. Lappenberg S. 184), erlangte schon 1251 wichtige Privilegien in Dänemark und in dem Bündnisse der wendischen Städte von 1293 (H. U.=B. S. 174) ward das Beitragsverhältniß dahin normirt, daß wenn Lübeck 100 stellt, Rostock 70, Stralsund 50, Wismar und Greifswald je 38 Mann zu stellen haben. Rostocker Landfriede von 1283. Unter den Ständen des Landes Rostock hatte Rostock als erster Stand den Vorrang vor der Ritterschaft und den Landstädten 1348 und 1374.
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1.

Alt=Rostock ist nach der Eigenthümlichkeit wendischer Burganlagen nicht auf den Höhen des linken, sondern in der Wiesenniederung des rechten Warnow=Ufers zu suchen.

Bis auf die neueren Zeiten versetzte man die Stelle der alten wendischen Burg oder Stadt Rostock auf die Höhe, auf welcher in der neuern Stadt die Petrikirche (in der jetzt sogenannten Altstadt) steht. Dagegen läßt sich aber mit Recht sagen, daß diese Stelle durchaus nicht den Charakter einer wendischen Feste trägt; die Höhe des Petrikirchhofes ist gewissermaßen das höchste Vorgebirge einer großen natürlichen Hochebene mit festem Boden, welches an der plötzlichen, bedeutenden Ausbreitung der Warnow bei der Petribrücke schroff und tief in die Flußniederung abfällt. Nur an dieser Wiesenniederung ist die Höhe von Natur fest; landeinwärts hängt sie, wenn auch durch das ziemlich tiefe Thal der Grube von der Mittelstadt Rostock geschieden, doch mit dem festen Boden der landeinwärts liegenden Hochebene zusammen. Wäre diese Stelle eine wendische Burg gewesen, so würde sie für jene Zeit ganz ungewöhnlicher Befestigungsmittel bedurft haben, theils weil sie wenigstens zur Hälfte ihres Umfanges nicht durch die Natur befestigt ist, theils weil die Fläche, auf welcher die neuere Altstadt Rostocks liegt, für eine wendische Burg viel zu groß ist. Sie ist fast viermal größer als ein großer wendischer Burgwall zu sein pflegt; der große alte Markt allein mit seinen nächsten Umgebungen würde für eine wendische Burg mittleren Ranges schon hinreichend Raum gewährt haben.

Die wendischen Burgen 1 ) lagen immer in tiefen Sümpfen, Mooren oder Wiesen, wie Meklenburg, Werle, Ilow, Güstrow (und Rostock), oder waren oft von tiefen Wiesen her in See hinein geschüttet, wie Schwerin, Dobin, Ratzeburg, Quetzin u. s. w.

Diese Burgen waren künstlich aufgeschüttete, gewöhnlich länglich viereckige Wälle, deren Hauptbefestigung die Lage im Sumpfe war. So wie diese Aufschüttungen höher wurden, sanken die Burgwälle mit der Zeit immer tiefer in den Sumpf hinein und bedurften zur Erhöhung und Erweiterung fortwährender Aufschüttung; daher war der in den wendischen Landen übliche Unterthanendienst des Burg= und Brückenbaues


1) Vgl. Jahrbücher VI. S. 98 und die Beschreibung alter wendischer Burgen in andern Jahrgängen der Jahrbücher.
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("borgwerk und bruckwerk") bei weitem der wichtigste, weshalb er auch in den ältern Zeiten am häufigsten in den Urkunden genannt wird. Es gingen ohne Zweifel Jahrhunderte darauf hin, ehe ein großer Burgwall mit der dazu gehörigen Stadt hoch und weit genug war und fest genug stand, da die Moräste, in denen die Burgwälle liegen, oft 50 Fuß tief und noch tiefer sind, wie z. B. bei Meklenburg und Werle; es giebt Fälle, wie z. B. bei Werle, daß man durch die Sumpfwiesen häufig Dämme legte, welche aber nach ganz kurzer Zeit so sehr versanken, daß man sie in einer Tiefe von 30 Fuß und tiefer nicht wieder finden konnte, und daß man, so oft man die Legung dieser Dämme auch wiederholte, ganze Menschenalter hindurch nicht dahin gelangen konnte, diese schmalen Dämme ("Speckwege") zum Stehen zu bringen. Die Höhe der wendischen Burgwälle ist nicht nach dem zu schätzen, was über die sie umgebende Fläche hervorragt, sondern nach dem, was unter der Sumpfoberfläche steht; dort sind die wendischen Burgwälle oft 50 Fuß hoch und höher.

Die wendische Burg oder Stadt Rostock lag ohne Zweifel in den tiefen Sumpfwiesen vor dem Petrithore an der rechten Seite der Warnow, also der jetzigen Stadt Rostock gegenüber, von dieser durch die Ober= und Unter=Warnow getrennt. Diese Entdeckung ist schon in den Jahrbüchern IX, 1844, S. 18 flgd. mitgetheilt und nach Kräften bewiesen. Seitdem ist aber so reichhaltiges weiteres Material aufgefunden, daß wir uns nicht enthalten können, gemeinschaftlich diesen Gegenstand noch einmal aufzunehmen 1 ) und dabei zugleich die ganze erste Entwickelung der Stadt Rostock zu verfolgen. Nach jener Abhandlung in den Jahrbüchern ist von dem Condirector Dr. Mahn zu Rostock über die Lage der alten Burg Rostock 2 ) eine Schrift erschienen, die sich der Ansicht der Jahrbücher IX. a. a. O. anschließt und hier daher übergangen werden kann. Eben so wenig können wir hier Rücksicht nehmen auf eine Erklärung in den Rostocker Blättern 3 ), welche gegen den Dr. Mahn die alte Annahme wieder geltend macht, daß die alte Burg Rostock auf der Anhöhe der Petrikirche gestanden habe, da wir im Folgenden die Unrichtigkeit dieser Annahme beweisen zu können hoffen.


1) Die gegenwärtige Abhandlung ist nicht allein von den beiden Verfassern gemeinsam erforscht, sondern auch von beiden wiederholt ausgearbeitet.      D. Red.
2) Beitrag zur Geschichte des alten wendischen Rostocks. Von J. F. A. Mahn, Rostock 1854, 84 Seiten, als Osterprogramm der großen Stadtschule zu Rostock.
3) Rostocker Blätter für Unterhaltung und Belehrung, 1854, Nr. 32, April 24.
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2.

Beschreibung der vor dem Petrithore belegenen Niederung.

Es ist nöthig, daß wir erst geographisch die Gegend 1 ) im Allgemeinen untersuchen und beschreiben, in welcher die alte Burg Rostock lag.

Die Altstadt der neuern deutschen Stadt Rostock, welche am linken Ufer der Warnow liegt, fällt gegen Osten schroff und tief in eine nicht sehr breite Wiesenniederung ab, welche sich bis an die Oberwarnow ersteckt; auf den Höhen stehen, dicht an der Stadtmauer, die beiden Kirchen der Altstadt, die S. Petri= und die S. Nicolai=Kirche. In der Wiesenniederung unterhalb liegen an der Altstadt drei uralte gewerbliche Anlagen: der Küterbruch 2 ) mit der Küterwiese, der Gärberbruch und der Fischerbruch.

Jenseits am rechten, östlichen Ufer der Ober= und Unter=Warnow breiten sich sehr weite, sumpfige Wiesenflächen aus, die kaum in einer Stunde zu umwandeln sind. Sie gehören theils zu den Feldmarken der Höfe und Dörfer Bartelsdorf, Riekdahl und Kassebohm, theils zum Stadtgebiete, nämlich die Petrithorvorstadt und die mühlenthorschen Wiesen. Im Norden werden sie von dem Dorffelde Dierkow, den städtischen sogenannten Speckäckern, gegen Osten vom Bartelsdorfer und Riekdahler Felde begrenzt; im Südosten liegt der Hof Kassebohm.

Durch diese Wiesen fließt von Osten her ein Bach, welcher von den Höhen des Bartelsdorfer Feldes herabkommt, oberhalb


1) Zur leichtern Orientirung legen wir einen, dem Tischbeinschen Grundrisse entnommenen, lithographirten Grundplan bei, dessen Zeichnung der Herr Ingenieur K. L. Beyer zu Güstrow für den Verein zum Geschenke gearbeitet hat.
2) Küter (fartor) ist eigentlich der Schlachter, der das Vieh schlachtet, im Gegensatze zu den Knochenhauern (carnifices), die das frische Fleisch verkaufen. Küte ist ein noch gebräuchlicher plattdeutscher Ausdruck für Eingeweide, derselbe, der im Oberdeutschen Kutteln (Kaldaunen) lautet. Daher heißt auch der niederdeutsche Küter im Oberdeutschen Kuttler. Die Küter handelten mit den Eingeweiden, wie noch in Nürnberg die Kuttler, oder schlachteten für die Garbräter; auch wurden die Hausschlachter, die nicht mit Fleisch handeln, Küter genannt. Daher gab es im Mittelalter an vielen Orten Küterhäuser (holländ. Kuyterhuys), d. i. Schlachthäuser, z. B. in Stralsund, in Schwerin und a. a. O., und die dahin führenden Straßen heißen häufig Küterstraßen; im Oberdeutschen heißen diese Schlachthäuser Kuttel=Höfe. In Rostock heißt das Schlachthaus seit alter Zeit auch Küterkaven (domus fartoris, domus mactatoria); eine Küterzunft hat es daselbst, so viel bekannt, nicht gegeben. Früher hatten Alt=, Mittel= und Neustadt Rostock jede ein besonderes Schlachthaus, dem je ein Küter vorstand, welcher an die Kämmerei eine jährliche Abgabe zu zahlen hatte. Noch jetzt existirt ein Kütermeister, als städtischer Diener und Aufseher über das Schlachthaus und die Schlachtordnung, welcher ungesundes Vieh abzuweisen und die Entrichtung der Schlachtsteuer zu überwachen hat; seine Accidenzien bestehen in gewissen Abfällen vom Schlachtvieh.
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der Bartelsdorfer Mühlbach, unterhalb der Witingstrang genannt wird, und die Wiesen der Petrivorstadt gegen die Riekdahler, Kassebohmer und die mühlenthorschen Wiesen der Stadt begrenzt; bei der Petribleiche ergießt er sich, der Stadt gegenüber, in die Ober=Warnow. Er ist jetzt zwar sehr versumpft und zugewachsen, in alten Zeiten im untern Laufe aber sicher breit genug gewesen, um kleine Fahrzeuge tragen zu können. In seinem untern Laufe steht er durch den sogenannten Kreuzgraben, der kein eigentlicher Seitenarm zu sein scheint, mit der Unter=Warnow in Verbindung.

Das ganze Areal der Petrivorstadt umfaßt ungefähr 55,000 [ ]Ruthen, wovon auf Wege, Bäche, Gräben etc. . ungefähr 6000 [ ]Ruthen (920 [ ]Ruthen für den Petridamm), auf Gärten 15,000 [ ]Ruthen, auf Wiesen 32,500 [ ]Ruthen und auf Ackerland 1500 [ ]Ruthen kommen. Außerdem enthält die Stadtfeldmark vor dem Petrithore, in die Feldmarken Dierkow und Bartelsdorf hineinschießend, ungefähr 16,000 [ ]Ruthen Ackerland, die sogenannten Speckäcker.

Die zur Petrithorvorstadt gehörige und dieselbe nach allen Seiten umgebende Wiesenfläche nebst Gräben und Bächen nimmt über 2/3 des Raumes ein. Es interessirt jedoch nur das feste Land in derselben. Dieses, meist nur niedrige Gärten enthaltend, zieht sich in der Mitte der Vorstadt in südlicher Richtung gegen den Petridamm hin, die Gegend von Karlshof, Stangenland, Pingelshof, S. Jürgen u. s. w. umfassend, links vom Damme liegend. Unmittelbar links am Damme liegt hier die sogenannte kleine Wyk, 263 [ ]Ruthen groß. Dieser grade gegenüber liegt auf der rechten Seite des Dammes eine Wiese, die große Wyk, von 710 [ ]Ruthen, ein großes längliches Viereck, mit der Längenrichtung von Osten nach Westen. Um dieselbe herum, nach dem Witingstrang zu, ist niedriges Gartenland, ungefähr 2000 [ ]Ruthen. In ziemlicher Entfernung hievon liegt ganz isolirt für sich an der Ober=Warnow, in grundlosen Wiesen künstlich aufgeschüttet, wie eine feste Insel, der Petrikirche gegenüber, die Petri=Bleiche, früher S. Petri=Ziegelhof, unweit der Ausmündung des Witingstranges in die Ober=Warnow. Sie enthält 1056 [ ]Ruthen.

3.

Rostocks Name wendischen Ursprungs.

Der Name Rostock ist sicher wendisch und von der Eigenthümlichkeit des Flusses Warnow bei der Burg entlehnt. Die alte Form des Namens ward immer Rozstoc, Rozstok,

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oder Rozstoch, auch Rostke geschrieben. Nun ist in den slavischen Dialekten, z. B. im Polnischen und Böhmischen, roz - eine sehr häufig vorkommende, untrennbare Präposition mit der Bedeutung: auseinander, zer= (lat. dis-), - und "stac", ein Zeitwort mit dem Begriffe: "werden, geschehen", oder Böhmisch: "stogim": stehen. Daher heißt rostać im Polnischen: "auseinandergehen, sich auflösen" und stok oder stoka: Zusammenfluß. Im Altslavischen 1 ) heißt daher rozteczka: Fluß ("fluxus"), roztieczka: Zurückfluß ("refluxus"), rozetagil: breitet aus ("dissolvit"). - In Böhmen findet sich an der Elbe eine Herrschaft Rostock, früher mit einem festen Schlosse, jetzt an der böhmisch=sächsischen Eisenbahn gelegen: es kommen mitunter Zusendungen an hiesige Behörden vor, welche für böhmisch Rostock bestimmt waren. Nach des wailand Professors Schröter handschriftlichen Notizen existirt in Rußland an der Wolga ein Fürstenthum Rostock. So liegt auch in der Mittelmark, in der Zauche, ein Dorf, welches in alter Zeit Rostock, in neueren Zeiten Rottstock geschrieben wird 2 ). In Meklenburg liegt bei Malchin auch ein Landgut Rostock, welches später Vulen - Rostock, darnach Faulen - Rostke und endlich Faulenrost genannt ward; die adelige Familie von Rostock, welche im 17ten Jahrhundert ausstarb, hatte wohl von der Stadt Rostock den Namen 3 ) und das Landgut wieder von der Familie. - Die Zusammensetzung mit - stok kommt im Slavischen öfter vor, z. B. in Witstok, Byalistok u. s. w.

Der Name Rostock bedeutet also: Auseinanderfließen, Ausbreitung des Stromes. Und dies stimmt zu der Naturbeschaffenheit des Flusses; die Warnow, welche bis zur Stadt und Burg Rostock ein schmales, für einen kleinern Fluß angemessenes Bette hat, breitet sich dicht unterhalb der Petribrücke, wo Ober= und Unter=Warnow sich scheiden, plötzlich zur Breite eines großen, langen Sees aus und wird auf zwei Meilen weit bis kurz vor der Mündung einem großen Strome gleich, auf


1) Vgl. Vetustissima vocabularia latino - boemica, ed W. Hanka, Prag, 1833, p. 62, 147, 249.
2) Vgl. Riedel's Mark Brandenburg, I, S. 269 und 262.
3) Vgl. Jahrbücher XX, S. 261 flgd.
In Rostock findet sich in älterer Zeit eine adelige Familie Rostock. In dem Privilegio vom J. 1278 findet sich unter den fürstlichen Rittern der dominus Gerardus de Rostok; er war auch fürstlicher Vogt in Rostock und besaß Kassebohm. Heinricus de Rostok stiftete für das Seelenheil seiner und der landesherrlichen Familie eine Vikarei nebst Armenspende in der S. Marienkirche und dotirte sie mit dem Dorfe Polchow, 16. März 1340, die dem hiesigen Dome am 21. December 1496 incorporirt ward.
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welchem die Seeschiffe bis vor die Thore Rostocks segeln können. Daher ist der Name sehr passend 1 ).

Die Burg Kessin, obwohl wenig genannt, ist mit Rostock nicht zu verwechseln und liegt in den Warnow=Wiesen dieses Dorfes, zwischen dem Kösterbeker Mühlbache und der Hohen=Schwasser Scheide. Das Terrain der Burg und des Burgdorfes, wo auch wendische Gefäßscherben zu finden sind, der Schloßberg und Lange Brink genannt, wird jetzt als Ackerland seit der vor einigen Jahrzehenden erfolgten Separation von den Kessiner Hausleuten benutzt.

4.

Zur Geschichte der wendischen Burg Rostock.

Die Nachrichten über die Geschichte der alten Burg Rostock sind sehr dürftig. Sie wird zuerst im Jahre 1161 genannt. Saxo Grammaticus erzählt nämlich: der Dänenkönig Waldemar habe auf seinen Verherungszügen im Wendenlande seine Leute in die weiten Sümpfe ("in longinquos paludis recessus") zum Raube ausgesandt und dabei auch die von den Bewohnern feige verlassene Burg Rostock 2 ) (urbem Rostock) verbrannt, auch das dort verehrte Götzenbild den Flammen übergeben; darauf habe er eine Brücke geschlagen ("preparato ponte"), um sein Heer mit dem Heere Heinrichs des Löwen vereinigen zu können, welcher während der Zeit in die Wendenländer eingedrungen war. Es erhellt aus dieser Stelle deutlich, daß hier von der Burg in den Sümpfen am rechten Warnow=Ufer die Rede ist. Hätte Alt=Rostock am linken Warnow=Ufer gelegen, so hätte man nicht nöthig gehabt, eine Brücke zu schlagen; Waldemar lag in Alt=Rostock am rechten Warnow=Ufer und Heinrich der Löwe kam an das linke Ufer, das damals noch unbebauet war.

Nachdem der Fürst Pribislav von Meklenburg im Jahre 1166 seine Länder, mit Ausnahme der Grafschaft Schwerin, wiedererhalten hatte, bauete er im Jahre 1170 die Burgen Meklenburg, Ilow und Rostock wieder auf und besetzte sie mit Wenden. ("Pribizlaus - - - aedificavit urbes Mekelenburg, Ilowe et Rozstock et collocavit in terminis eorum "Slavorum populos": Helmold II, c. XIV, §. 5.) Es ist


1) Der neue Versuch Mahn's a. a. O., S. 33, das Wort Rostock aus den semitischen Dialekten, z. B. dem hebräischen Worte Rosch: Haupt, abzuleiten, dürfte ebenso wenig motivirt sein, wie anderweitige ältere Ableitungen.
2) Urbs heißt im mittelalterlichen Latein bekanntlich nichts weiter als Burg.
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hier offenbar nur von dem Wiederaufbau der álten wendischen Burg Rostock, am rechten Warnow=Ufer, die Rede, da Pribislav die wendischen Sitten durchaus beibehielt und alle seine alten wendischen Festen wieder aufbauete.

Während der Zeit waren mehrere, für Rostock höchst wichtige Ereignisse eingetreten. Der Fürst Pribislav hatte sich im Jahre 1164 mit der norwegischen Königstochter Woizlava vermählt, das Christenthum angenommen und im Jahre 1170 die Cistercienser Mönchs=Abtei Doberan 1 ) zu Althof gestiftet.

Die Lage der Burg Rostock war für ganz Meklenburg überaus wichtig, da bei derselben der bekannte und seit uralten Zeiten besuchte Haupthafen des Landes sich befand. Doberan aber war in Pribislav's Landen durch die dort gepflegte Bildung der wichtigste Ort geworden, dem das Fürstenhaus durch alle Zeiten geneigt blieb. Wegen der innigen Verbindung, in welche das Fürstenhaus mit Norwegen getreten war, bedurfte das nahe Doberan eines Seehafens, der kein anderer als Rostock sein konnte. In Althof=Doberan ward das erste Ziegelgebäude in dem wendischen Meklenburg aufgeführt und es haben sich dort Reste alter normannischer Bildung erhalten, z. B. in eingelegten Plasterziegeln zu Mosaikfußböden. Ohne Zweifel kamen Künstler und Werkleute aus Norwegen 2 ) nach Doberan und brachten Kunstwerke aller Art mit; naturgemäß nahmen sie den Weg über Rostock, da bei Doberan kein Landungsplatz ist. In jener Zeit mag das Fischer= und Lootsendorf Warnemünde von Dänen oder Normannen bevölkert worden sein, da die Warnemünder noch heute eine ganz eigene, spitze, dänische Mundart haben. Bei der Burg Rostock aber sammelten sich ohne Zweifel Handelsleute aus allen nordischen Ländern. Und so ward Rostock der Hafen für Doberan, wie es Wismar für die Burg Meklenburg war.

Bei dem nach dem Tode Pribislav's († 30. December 1178) ausgebrochenen Aufstande der Wenden ward Doberan wieder zerstört; Rostock aber, welches noch eine wendische Burg war, wird nicht gelitten haben. Pribislav's Sohn Borwin I. erhielt zunächst die Burgen Meklenburg und Rostock ("Borwinus . . . . obtinuit castra Rostock et Mekelenburg". Arnold. Lub. III., c. IV, §. 5.) Nach Herstellung des Friedens trat Borwin seinem Vetter Niclot das Land Rostock ab und begnügte sich mit den westlichen Landestheilen, die er von den Burgen Meklenburg und Ilow aus regierte ("Borwinus - recessit a castro


1) Vgl. Jahrbücher XX, S. 142 flgd. und S. 343 flgd.
2) Vgl. Jahrbücher XX, S. 148 flgd.
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"Rostock, tradens illud nepoti." Ebend. §. 16). Und wirklich sehen wir den Wendenfürsten Niclot oder Nicolaus in Urkunden von Rostock aus regieren, indem er z. B. dem im Jahre 1186 von Borwin wieder hergestellten Kloster Doberan im Jahre 1190 mehrere Begünstigungen ertheilte. Die beiden darüber redenden Urkunden 1 ) sind sehr merkwürdig und für die Geschichte Rostocks von großem Interesse. Am 8. April 1190 schenkte der Wendenfürst Niclot ("Nicolaus Slavorum princeps") zu Rostock ("Rotstoch") dem Kloster Doberan das Dorf Wilsen und 6 Mark jährlicher Hebung aus dem Kruge des ehemaligen Tempelortes Goderac 2 ) (später Godehardsdorf, jetzt Goorstorf), nicht weit von Toitenwinkel gelegen. Bei dieser Schenkung waren zu Rostock gegenwärtig: der Bischof Berno von Schwerin, Tiedvig Capellan von Rostock ("Tiedvigus capellanus de Rotstocke", nicht Thidericus, wie Franck hat), Heinrich, Capellan von Goderac, der Fürst Heinrich Borwin von Meklenburg und die wendischen Edlen "Sirizlav, Retis, Volcouiz, Uencegur, Rademir", dann Bruno von Chubanze und Gerhard Prelle. Man sieht deutlich, daß der Hof des Fürsten Niclot noch sehr slavisch war; an Geistlichen erscheinen nur "Capellane" von Rostock und Goderac, aber noch keine Pfarrer oder Plebane. Die zweite Urkunde ist für Rostock noch wichtiger. Durch dieselbe erlaubt der Fürst Niclot den Brüdern von Doberan, daß sie

"auf seinem Markte ("in foro nostro", d. i. zu Rostock,) ohne Zoll 3 ) frei kaufen und verkaufen ihre Leute aber, nämlich Krämer, Kürschner, Schuster, Kaufleute und Handwerker ("aliarum artium"), nach ihren Bedürfnissen täglich ohne Zoll auf seinem Markte kaufen und verkaufen können, wenn sie jährlich sechs Pfenninge zahlen".

Wie heidnisch die Bildung damals noch war, erhellt daraus, daß er dem Kloster zugleich das Strandrecht an dessen Küsten


1) Die beiden darüber redenden Urkunden sind öfter gedruckt, z. B. in Franck A. u. N. Mecklenb. III., S. 208 flgd.
2) Vgl. Jahrb. VI., S. 70 flgd.
3) Der alte fürstliche Zoll zu Rostock ging im Anfange des 14. Jahrhunderts in den Besitz einer Privatinteressenschaft über, die 1455 das Zollhaus auf dem Borgwall nebst Zeichenbuden bei den Thoren und mit der Zollgerechtigkeit an die Stadt veräußerte. Dieser fürstliche Zoll, anfangs bloß Zoll, im 16. Jahrhundert Last= und Tonnenzoll, im 17. Jahrhundert alter Zoll, seit dem 18. Jahrhundert Damm und Strandbrückengeld benannt, läßt sich durch die Rechnungen der Münz= und Mühlenherren, seit 1633 durch die Rechnungen der alten Zulage, seit 1716 durch die Rechnungen des Aerarii und seit 1838 durch die Rechnungen der Accisezulage bis zur Gegenwart urkundlich genau verfolgen, ist also wohl der älteste, jetzt noch bestehende Zoll in Meklenburg.
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verlieh und zur Erforschung des Diebstahls die Feuerprobe bestimmte.

Aus diesen Urkunden ist deutlich zu ersehen, daß im Jahre 1190 ein großer Markt in Rostock und Rostock der Hafen für Doberan war. Unter Rostock ist ohne Zweifel immer noch das alte wendische Rostock in dem Sumpfe am rechten Warnow=Ufer zu verstehen.

Diese Ansicht hatte auch noch Ernst von Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik (CIII), wenn er nach alter Tradition berichtet, daß die alte Burg Rostock wieder aufgebauet sei gegen die (deutschen) Burgmänner, welche auf der Höhe, wo die Petrikirche steht, eine Burg gehabt hätten:

"In der czid der furste alsus
von Kyssin Nicolaus
Rodestock irnuwete,
daz borgwal her do buwete,
daz waz wider dy borgmann da,
den buwete her syne borg zu na,
dy hatten eyne burg zu der czid,
da sante Petirs kirche lyd,
doch kunden sy mit keynre schicht
des buwes ym weren nicht."

5.

Die Gründung der deutschen Stadt Rostock.

Die deutsche Stadt Rostock am linken Warnow=Ufer ward erst am 24. Junii 1218 von dem alten Fürsten Borwin I. gegründet. Hierüber läßt die Stiftungsurkunde 1 ) keinen Zweifel übrig: "qualiter ego Borwinus, necnon filii mei dilectissimi Henricus videlicet ac Nicolaus, tam nostram, quam heredum nostrorum nunc ac in futuris utilitatem procurantes, Rozstoc oppidum divina prosperante clementia delegimus astruendum". Er bewidmete die Stadt mit den Gerechtigkeiten der Stadt Lübeck (Lubecensis civitatis juris beneficio) und zur mehrerer Bekräftigung wurden die Großen seiner Herrschaft zugezogen (majores dominationis nostre), darunter auch der Abt Hugo von Doberan und der ganze Convent daselbst 2 ), ferner der Priester Stephanus (Stephanus sacerdos),


1) Vgl. Dittmar, Landesfürst in Rostock, Urk. Nr. 3.
2) Das Kloster Doberan ward in älterer Zeit von Rostock aus häufig bedacht. Nach dem Stadtbuche von 1261 - 70 vermachte Wulbernus Friso demselben sein Wohnhaus, Johannes Pallidus sein ganzes Vermögen, der Rathsherr Lutbert in der Lagerstraße einen erheblichen Theil seines Vermögens; schon 1264 wird der doberaner Hof erwähnt (domus monachorum de Doberan). Für (  ...  )
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in spätern Urkunden 1219 Priester von Rostock (sacerdos de Rostoc) genannt, endlich der Rath zu Rostock (ejusdem oppidi consules). Da schon ein Geistlicher und Rathspersonen vorkommen, so wird man annehmen können, daß die feierliche Bewidmung erfolgte, nachdem mit dem Aufbau bereits begonnen war.

Die erste Rathswahl kann man sich nach dem Vorbilde Lübecks und nach spätern Vorgängen in Rostock und Wismar so denken, daß in einer auf besonderes fürstliches Gebot zusammenberufenen und von dem fürstlichen Richter 1 ) (advocatus) präsidirten Versammlung der Gemeinde zuerst 8 Rathsherren mit Rath weiser Leute gewählt wurden und zwar so, daß von je einem derselben je ein Rathsherr vorgeschlagen und von der Gemeinde durch Acclamation approbirt ward. Diese 8 ersten Rathsherren setzte alsdann der Fürst in den Rathsstuhl ein, mit der Vollmacht, sich sofort und weiterhin auf die erforderliche Zahl von 24 Rathsmitgliedern zu ergänzen, die also erwählten in den Rathsstuhl einzusetzen 2 ) und die Stadt zu regieren 3 ).


(  ...  ) letzteren zahlte das Kloster jährlich 1 Mark Grundzins an die Stadt. - Die Mönche zu Satow hatten einen eigenen Hof auf der Altstadt. In einem sehr alten Rentenverzeichnisse der Stadt von 1270 - 80 heißt es: Doberanenses VIII solidos et IIII sol. et duplices vigilias, Satow VII sol. et duplices.
1) Der fürstliche Richtevogt steht an der Spitze der Stadt, bei ihm ist die Eschung der Gemeinde. Eine von Lübeck zwischen 1260 - 70 hierher ergangene Rechtsbelehrung wegen Strafe des Mädchens und der Wittwe, die sich ohne ihrer Verwandten Rath verehelicht, geht zu advocato et consulibus de Rostoc von advocatus, consilium et commune civitatis Lubecensis. Der fürstliche Richter hegt mit 4 Rathsherren das Gericht und das Erkenntniß wird von dem Umstande gefunden. Aus der Zeit 1283 - 84 heißt es im Stadtbuche:

"Pro occisione Nycholai de Wittenburch per justas sententias proscripti sunt in civitate Rozstoc: Hennekinus de Haren, Thidemannus Wullenpund, Volcekinus, quem in Kopenhaven nequiter occiderunt. Sedente pro tribunali Dethardo advocato, Henricho Monacho, Joh. de Bruneswich, Alberto de Cosfeld, et Everardo Nachtraven. Presentibus Henrico Albo et Nycholao, fratre suo, Ottone de Mone, Joh. de Sterneberg, Conrado Trepper, Joh. Aurifabro, Herbordo de Abelderbeke, et aliis quam pluribus. Sabbatis ante carnisp. hec contigerunt."

2) Vgl. Ergänzungen zu Detmar's Chronik bei Grautoff II., S. 583, ferner die Einsetzung eines neuen Rathes zu Rostock 1312, des alten Rathes Januar 1314, Vergleich zwischen Fürst Heinrich und dem alten Rath 8. Januar 1314; vgl. Rostocker Anzeigen und Nachrichten von 1825, in den Beilagen, S. 27, 28, 46 und Note 148, 150. - Wiedereinsetzung des alten Rathes zu Lübeck 1416, zu Wismar 1416, Einsetzung eines neuen Rathes zu Rostock 6. Dec. 1427; vgl. Grautoff II., S. 16 u. 17, 563 u. 564, 684, besonders 660 u. 661.
3) Die ursprünglichen Rechte des Rathes sind die Repräsentation und Vertretung der Stadt, die volle Verwaltung des Stadtvermögens durch die sogen. Amtsherren, welche den Burgemeistern Rechnung abzulegen haben, die Annahme der neuen Bürger, der Beisitz im Gerichte, die Feststellung der Bürgersprache und (  ...  )
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Nach der Erwählung und Einsetzung dieser 8 Rathsherren ward denselben vom Landesherrn der Freiheitsbrief der Stadt ausgehändiget.

Unverkennbar hat die Stadt Rostock von Anfang an eine hervorragende und selbstständige Stellung eingenommen. Der Grund ist darin zu suchen, daß ein Zweig der großen Kaufleute vom Rhein, Westphalen 1 ) und der Mittel=Elbe hier sich niederließ, die zu ihrer größern Sicherheit schon lange in enger genossenschaftlicher Verbindung (die Factoreien zu London, Wisby, Nowgorod bestanden schon) einen bedeutenden und einträglichen Handel nach Westen, Norden und Osten betrieben; dies ist der gemeine Kaufmann deutscher Nation, oder wie es auch heißt: communis mercator, qui jure lubicensi gaudet et regitur. Diese hierher gezogenen kaufmännischen Geschlechter 2 ) sind schon nach dem Stadtbuche von 1260 weit und breit mit Landgütern angesessen, z. B. die von Ratenow in Ehmkendorf, die von Baumgarten in Prangendorf, Diedrichshagen und Mönkhagen, die von Nore in Gnewitz und Bentwisch etc. .


(  ...  ) der Amtsrollen, sowie die Erlassung der sonstigen Verordnungen (arbitria, statuta). Der Rath erklärt um das J. 1360:

"Quod proconsules et consules de Rozstok a fundatione ipsius et a tempore, cuius memoria hominum non existit, potuerunt et consueverunt facere et fecerunt statuta, precepta et mandata et collectas imponere oppidanis in oppido Rozstok, prout eis, tanquam ad hoc juratis, super possessionibus, domibus et hereditatibus in dicto opido et in districtu eorum constitutis visum est expedire. Super quibus statutis, preceptis, mandatis et consuetudinibus dictis proconsulibus et consulibus nunquam fuit facta vel nota controversia, precipue in foro ecclesiastico, sed opidani dicti opidi, habentes domos superius et inferius et ex transverso sitas domibus, de quibus dictus Henricus de Vemeren (ein Geistlicher) in dictis libellis narrat, paruerunt et servaverunt et servant cum obediencia dicta statuta, mandata et precepta et nunquam contradixerunt."

Man nannte dies "de vullenkamen macht", und nur ein solcher Rath konnte Mitglied der Hanse sein.
1) Die verwandtschaftlichen Beziehungen einzelner Familien mit Westphalen lassen sich bis ins 14. Jahrhundert verfolgen. Die Rode stammten aus Warendorp; wegen der Cosfeld erhellt es aus dem Stadtbuche von 1270 - 88, fol. 71: Ghese resignavit Alberto de Cosfelde et Henrico fratri suo, avunculis suis, omnem hereditatem, quam habuit vel habet in Westphalia.
2) Welcher Trieb nach Selbstständigkeit in allen Beziehungen unsere Vorfahren durchdrang, beweiset z. B. die Verwaltung des Kirchenbauvermögens durch die Vorsteher (provisores, jurati); dieselben leihen Geld aus, kaufen und verkaufen Grundstücke ohne Consens irgend einer geistlichen Behörde, und wenn sie einen Consens für nöthig halten, so wenden sie sich an - die Kirchspielseingesessenen, die parochiani; z. B. 1302:

"Willikinus de Esinda, Winoldus Faber et Johannes Stetyn, jurati, s. Petri de consensu parrochianorum s. Petri vendiderunt domine Adelheydi, relicte Johannis Capitis, X marcarum redditus pro C marcis denariorum in duabus tabernis s. Petri juxta cimiterium sitis, quatuor vicibus in anno, quos redditus cum parrochia reemere voluerit, ad annum predicet, et si defectus fuerit, hunc provisores, qui pro tempore fuerint, adimplebunt."

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Nach der Gründung Rostocks zog sich der alte Fürst Borwin zurück und gönnte seinen beiden Söhnen, von denen Heinrich Borwin II. Herr von Rostock ward, thätigen Antheil an der Landesregierung; sein Sohn nannte sich nun Herr von Rostock, der Vater aber nannte sich noch im Jahre 1218 Herr der Kissiner (" Magnopolitanorum et Kyzenorum princeps").

Die deutsche Stadt Rostock ward auf der Höhe am linken Ufer der Ober=Warnow gegründet, so daß die schmalere nördliche Seite auch an die Unter=Warnow stieß; sie bestand aus der jetzt sogenannten Altstadt und ward von der Warnow, sowie von der Grube 1 ), welche eine natürliche Thalsenkung ist, begrenzt.

Es ist nothwendig und von hohem Interesse, die Anlage dieser alten Stadt welche sich sehr klar übersehen läßt, genauer zu verfolgen. Auf den beiden höchsten Punkten und an den äußersten Grenzen an der Stadtmauer ostwärts wurden die beiden Kirchen der Altstadt gegründet, und dem h. Petrus, dem Patrone der Fischer, und dem h. Nicolaus, dem Patrone der Schiffer, geweihet; nach vielfältigen Beobachtungen kommen Nicolaikirchen auch in den Districten der Weber häufig vor. Vielleicht wurden auch die beiden Schutzheiligen mit dem lübischen Recht von Lübeck eingeführt, da sich dieselben in fast allen Hansestädten finden. Beide Kirchen lagen ohne Zweifel in der ursprünglichen Anlage der Stadt. Schon im Jahre 1231 werden Walther und Gerhard als Pfarrer von Rostock genannt und beide kommen noch 1237 vor. Da an jeder Pfarrkirche nur ein Pfarrer (Pfarrherr) oder Pleban war, so können hier nur die beiden Pfarrer der Altstadt gemeint sein, um so mehr, da die nächste Hauptkirche der Mittelstadt, die S. Marienkirche, im Jahre 1231 noch nicht gegründet war 2 ).

Neben der Petrikirche war der Markt (forum antiquum), jetzt der alte Markt. Nach einer alten Sage sollen die Für =


1) Die Grube heißt in den alten Stadtbüchern: fovea, fluentus, aber auch fluvius, z. B.:

"Hinricus de Grip de consensu uxoris sue et pueri vendidit Henrico de Grevesmolen quartam partem stupe, site trans fluvium juxta pontem s. Katharine, quam cum uxore sua acceperat, quam quartam partem sibi resignavit."

Aehnlich findet sich trans fluvium einige Male für Altstadt: trans fluvium circa pontem piscium.
2) Nur die altstädter Pfarrer werden in den ältesten Zeiten als plebani de Rostoc bezeichnet. Stephanus sacerdos de Rodestock, 1219; Walterus et Gerardus, plebani de Rostoc, 1231 Oct. 29.; dieselben 1237 Febr. 15.; Waltherus, plebanus in Rostoc 1243 Sept. 12.; Johannes, plebanus in Rostoc 1247 Febr. 19. In dem Privilegio Borwin's wegen der Haide vom 25. März 1252 werden genannt, Johannes de S. Petro, Aemilius de S. Maria, Hinricus de S. Jacobo. Seitdem ist letztere Bezeichnung die allein übliche.
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sten bei der Petrikirche sich eine Burg erbauet haben; diese alte Sage ist durchaus nicht begründet: die alte fürstliche Burg lag in der Petrithorvorstadt 1 ). An der Ostseite des alten Marktes, mit der Hinterseite nach dem Küterbruch, lag das altstädter Rathhaus; in dem Stadtbuche von 1270, fol. 23 heißt es:

"Ludolphus vendidit Bernardo domine Wendele aream unam in palude fartorum (Küterbruch) juxta domum burgensium sitam, quam sibi rationabiliter resignavit. (1279.)"

Die Hauptstraßen in der Mitte der Altstadt haben meist, parallel mit den beiden Hauptkirchen, die Richtung von Norden nach Süden, und tragen von den wichtigsten Gewerben der alten Zeit ihre Namen: die Küter= (Schlachter =) und Lohgärberstraße neben dem Küter= und Gärberbruch, die Altschmiedestraße, die Wollenweberstraße; in entgegengesetzter Richtung führen zur Grube die Hartestraße (platea cervorum) 2 ), die große Böttcherstraße (platea bodecariorum), die Molkenstraße (früher platea Frisonum), die Mühlenstraße. In der Mitte der Altstadt waren die Brot= und Fleischschrangen und bei S. Petri eine Badstube (stupa apud S. Petrum). An der Grube lag die Wassermühle zu den vier Gelinden (ad quatuor rotas). An Grubenbrücken werden erwähnt: pons s. Katharine, pons libre, pons antiquus piscium, pons piscium, pons Frisonum, pons alneus.

Es ist wohl selten eine alte Stadt so klar in der Anlage als die Altstadt Rostock.


1) In einem Verzeichnisse der Pächter der städtischen Gärten von 1290 in dem Stadtbuche von 1289 - 1295 wird aufgeführt: "Nicolaus Kercengheter de valle castri apud s. Petrum dabit singulis annis II mr. in pascha et II mr. Michaelis". An die jetzige Petrischanze kann nicht gedacht werden, da die Pacht für einen Morgen Gartenland 1 1/2 Mk. und 1 Mk. für einen Morgen Acker war; 1277 kostete 1 Last Roggen 4 1/2 Mk., das Tausend Mauersteine 1 Mk.; 1280 überließ Fürst Woldemar dem Bertram von Damen gegen ein Capital von 300 Mk. eine jährliche Hebung von 1 Last Roggen, 2 Last Gerstenmalz und 1 Last Hafermalz, für 120 Mk. eine Rente von 1 Last Hafermalz, 1 /2 Last Roggen, 1/2 Last Hafermalz. Ebenderselbe im Jahre 1279 an Heinrich Friso einen jährlichen Mühlenzins von 1 Last Roggen, 1 Last Gerstenmalz, 2 Last Hafermalz für ein Capital von 200 mr. usualis monete, und die Fürstin Agnes 1282 an Johann Witte für 300 Mk. eine jährliche Hebung von 40 Mk. - Die Pacht von 4 Mk. weiset also auf ein größeres Areal hin und der Beisatz Burgwall bei S. Petri hat nur im Allgemeinen die Lage im Gegensatz der fürstlichen Burgwälle bei S. Marien und beim Bramower (jetzt: grünen) Thor andeuten sollen.
2) Die Hartestraße ist nach der Familie von Hart (de cervo=Hirsch), welche hier angesessen war, benannt. Ein Hinricus de Hart war Rathsherr 1278 und 79. Henricus de Cervo habet viam, quam dimisit iacere X pedum spacium infra suam hereditatem et Conradum Parvum de platea cervi usque in plateam bodicariorum, quamdiu ipse Henricus vult, potest esse via, cum autem non vult, potest eam delere, sine alicuius impedimento. Actum anno gratie M.° CC° LXVII° pridie kal. Oct. Dies ist wohl der jetzt sogen. Seiden=Beutel.
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Aber auch die Wenden zog man in die Stadt. Zu beiden Seiten, nach der Unter=Warnow bei dem Seehafen und nach der Ober=Warnow bei dem Flußhafen und den Wassermühlen am Mühlendamme, senkt sich das Gebiet der Altstadt zur Grube hinab. Hier waren an beiden Enden Niederungen. Nach der Unter=Warnow hin giebt es noch eine Straße: die Ellernhorst; nach dem Mühlenthore zu giebt es noch eine Straße, der Ellernbruch. In diese tieferen Gegenden versetzte man die Wenden; an der Seite, wo die Ellernhorst ist, giebt es zunächst eine Faule Straße, Kohlgärtnerstraße, Wendenstraße, Wendenthor; an der andern Seite neben dem Ellernbruch noch einen Wendländer=Schild und eine Faule Straße. Die Ellernhorst scheint im 13. Jahrhundert auch der kleine Bruch (parva palus) genannt worden zu sein, weil hier der "Wendenvogt" ("advocatus Slavorum") wohnte. Nach dem Stadtbuche von 1270 verkauft Ludwig in der Mönchenstraße dem Hermann Westphal 1281 eine Hausstätte bei dem Wendenvogt, dem kleinen Bruche gegenüber:

"Lodevicus in Monachorum strata vendidit Hermanno Westvalo aream unam apud advocatum slavorum contra parvam paludem, et illam sibi coram consulibus rationabiliter resignavit". (1281.)

Bald aber ward die Altstadt für den großen Verkehr zu enge. Rasch nach einander entwickelte sich die Mittelstadt (bis zur Lagenstraße, Faulen Grube und Buchbinderstraße) und die Neustadt Rostock, erstere mit der Pfarrkirche zu S. Marien 1 ) und letztere mit der Pfarrkirche zu S. Jacobi. Noch jetzt hat


1) Die Marienkirche, 1232 zuerst erwähnt, deren jetzige Gestalt durch mehrfache Umbauten entstanden ist, indem der untere Theil des Thurmes der ersten, der obere Theil des Thurmes nebst dem Chorumgang einer zweiten, der Haupttheil nebst dem Queerschiffe aber der letzten Bauperiode von 1399 flgd. anzugehören scheint, hatte in der spätern katholischen Zeit den Vorrang vor den andern drei Pfarrkirchen, in Folge dessen bei Aufrichtung des Domstiftes an S. Jacobi die Dompropstei der Pfarre an S. Marien incorporirt und die Besetzung der letzteren dem Papste reservirt ward. Mit welcher Vorliebe die S. Marienkirche von unsern Vorfahren bedacht ward, erhellt aus einem Verzeichniß der von den hiesigen geistlichen Stellen an den Bischof zu Schwerin zu entrichtenden Zehntenabgabe vom J. 1470. Darnach hatten an S. Marien der Pfarrherr, der Scholasticus, die S. Marienzeitensänger, die Inhaber der 53 Vikareien und 26 Commenden eine jährliche Taxeinnahme von 1972 Mk. 5 Sch., an S. Jacobi der Pfarrherr und die Inhaber von 28 Vikareien und 5 Commenden jährlich 753 Mk. 14 Sch., an S. Petri der Pfarrherr und die Inhaber von 15 Vikareien und 6 Commenden jährlich 602 Mk. 6 Sch., der Pfarrherr an S. Nicolai, 4 Marienzeitensänger und die Inhaber von 19 Vikareien und 5. Commenden jährlich 551 Mk. zu verzehnten. Die übrigen 36 Pfarreien des Archidiaconats Rostock waren ohne Vikareien zu jährlich 802 Mk. Einnahme taxirt.
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die S. Petrikirche Antheil an den Klingbeutelhebungen in S. Marien, und S. Nicolai an denen in S. Jacobi, wahrscheinlich eine den später gegründeten Kirchen auferlegte Verpflichtung, von den Gaben (oblationes) einen Theil an die Mutterkirche abzugeben.

Die der Altstadt zunächst gelegenen Straßen der Mittelstadt sind auch noch nach Gewerben benannt: die Weißgärberstraße, die Krämerstraße, die Hutfilterstraße, die Bäckerstraße. - Die bedeutenderen Straßen der Mittel= und Neustadt sind meist nach den dieselben anlegenden patricischen Geschlechtern benannt, wie die Mönchen= 1 ), die Koßfelder=, die Lager=, die Wokrenter=, die Schnickmanns=, die Cröpliner=, die Eselföter=Straße und andere.

Am äußersten, der Altstadt entgegengesetzten Ende der Neustadt liegen Straßen, welche Namen von einem ausgebildeten


1) Vgl. Jahrbücher XI., S. 171. - Johannes Monachus (Mönch) war Rathsherr in der Zeit von 1252 - 67, Andreas de Cosfelde von 1258 - 75, Gerlach de Cosfelde 1259 - 67, Hinricus de Cropelin 1264 - 87, Reineco de Wocrente 1264 - 67, Volmarus de Cosfelde 1275 - 86, Bernardus Cropelin 1277, Conradus de Lawe 1279 - 87, Gerardus de Lawe 1280 - 81, Albertus de Cosfelde 1279 - 88, Reyneko de Lawe 1282 - 88, Hinricus Monachus 1279 - 98, Thidericus de Lawe 1284, Thidemannus de Lawe 1285 - 86, Hildebrandus Eselesvot 1287 - 91. Eine Familie Snickeman kommt gleichfalls vor.
Die bedeutendsten Geschlechter der älteren Zeit gehören der Altstadt an. Dahin sind zu zählen die Reimberti, welche wahrscheinlich später den Beinamen "de antiqua civitate=Oldenstadt" führten; Reimbertus, 1252 erster Burgemeister, stiftete eine Seelenmesse im Kloster Doberan (vgl. de Westphalen mon. ined. III p. 1499); von seinen Söhnen fungirten als Rathsherren: Reynerus filius domini Reymberti 1266 - 97, Johannes 1279 - 84, Arnoldus 1275 - 78. Reynerus scheint eine bedeutende Persönlichkeit gewesen zu sein: er gehörte zu den vertriebenen Rathsherren, die ein päpstliches Commissorium vom 28. Januar 1289 an die Pröpste zu Lübeck, Stettin und Triebsees gegen Rath und Gemeinde zu Rostock wegen Wiedereinsetzung und Rückgabe ihres confiscirten Vermögens erwirkten, und zwar mit Erfolg, da Reynerus später wieder fungirt. Ueber seine Mission als hansischer Gesandter nach Riga findet sich eine höchst interessante Relation bei Grautoff, Chronik des Lesemeisters Detmar I., S. 420, 21 flgd. Die Unruhen von 1288 werden sich um die Theilnahme der Aemter an der Rathswahl und den Rathsstellen gedrehet haben; unter den Verbrechen des Heinrich von Ybendorp wird als erstes aufgeführt, daß er 6 Aemtern eine Betheiligung an der Rathswahl und an den Rathsstellen zugesagt, dieserhalb von dem Rathe zur Verantwortung gezogen, solche Zusage eidlich abgeleugnet habe, darauf aber des Meineides angeschuldigt worden sei. Weiter heißt es: Dit is de ander broke sin. - Wante her Heinric van Ybendorpe den rat vore gesworen hadde, do quam he uppe dat hus un dichte ene logene vor deme gantcen rade, uppe ene bewernisse der stat (Bewaffnung der ganzen Bürgerschaft), also sich de rat sunt (sollte) vorsan (vorsehen), un segede, dat he hern Reyneken, hern Reybernes sone, sprochen hadde bi Bolecow, des nicht ne was. Dat tugenden dhe rat un dhe stat un de riddere von Nikopinge mit eren breven un eren ingesegele, dat he dar elof wechen (11 Wochen) un ni von dannen quem do dher sulven tit, do he en dar sprechen solde (Stadtbuch von 1289 - 95). - Sonstige bedeutende altstädtische Geschlechter waren die Lore (lat. Cerdo), die Friso, die von Ratenow, von Hart etc. . -
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Verkehre tragen, wie die Grapengießerstraße und Badstüberstraße, zuletzt auch noch eine Fischerstraße.

Alt=, Mittel= und Neustadt hatten jede ihr eigenes Rathhaus, jede ein Bäcker= und Knochenhaueramt mit besondern Scharren und Schlachthäusern, ein besonderes Gefängniß (domus praeconis antique, medie und nove civitatis), eine besondere Badstube (stupa apud s. Petrum, juxta castrum und stupa nove civitatis) und jede ihren besondern Marktplatz (forum antiquum, medium, novum). Eine fürstliche Burg lag am Ende der Mittelstadt, in der mittlern Gegend des jetzt sogenannten Burgwalls, (wo noch die Straßenkrümmung die Stelle bezeichnen mag), und eben so eine am Ende der Neustadt beim Bramower (jetzt "Grünen") Thor. Die jetzige Burgwallstraße im untern Theile scheint erst spät angebauet zu sein. Albert von Cosfeld besaß 1265 die Badstube 1 ) bei der Burg (juxta castrum), und noch 1280 ist von einer Baustelle zwischen Lager= und Koßfelderstraße die Rede.

Aus dem Stadtbuche von 1270 bis 1288 geben noch folgende Eintragungen, die auch sonst nicht ohne Interesse sind, näheren Aufschluß:

" Fol. 30 a. Johannes et Wasmodus et Jutta, pueri Hinrici de Bruneswic, locaverunt aream suam, que jacet inter stupam et Laghenstratam, Engelberto, famulo Volmari. Et de illa predictis pueris idem E. singulis annis III marcas ad censum arealem perpetuo dabit. Edificia vero in area existencia jam dicti sunt Engelberti.
Fol. 30 b. Albertus de Cosfelt dedit Thidemanno Heseler aream suam apud stupam et de illa sibi dabit singulis annis redditus trium marcarum ad censum arealem. Quotiescunque X marcas Alberto dederit, totiens una marca demetur. Et quum XXX marcas sic dederit, tunc predicte III marce sunt solute.
Fol. 35 a. Everardus Colstuve, Bernardus Niger et suus gener Wasmodus et Thydericus Bilrebeke vendiderunt Heydekino Rufo Pistori (Rodenbekker) post curiam suam tam latum spacium in vallo, sicut curia sua est, et longum usque in stratam, que fiet ibi, et illud sibi rationabiliter resignaverunt. Medietas ejusdem


1) Sie lag nach unten: "Civitas vendidit Alberto de Cosf. juxta fluvium Warnowe post stupam suam, sicut area jacet, quatuor pedes".
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spacii versus stratam ad vallum est Everardi Naychtraven. Ceterum idem Heydheco vendidit eidem Everardo in sua parte et heredidate sua versus Laghenstratam singulis annis redditus trium marcarum pro XXV marcis etc.
Fol. 40. Thydericus Bilrebeke vendidit Everardo Nycticoraci omne spacium, quod habuit in occidentali parte valli apud Rufum Pistorem etc." -

Im J. 1265 am Tage Petri und Pauli beschließen Rath und Gemeinde der Stadt, nachdem diese im J. 1264 von einem großen Brande war heimgesucht worden, daß Gericht und Rath von ganz Rostock auf dem Markte der Mittelstadt gehalten werden solle. Zeugen dieser Vereinigung waren die Pfarrer an den 4 Pfarrkirchen, so wie Prior und Gardian der beiden Bettelmönchsklöster. Schon am 18. Julii 1262 hatte Fürst Borwin in Beitritt seiner Söhne Johann und Waldemar hiezu die Erlaubniß ertheilt (ut unum consilium totius civitatis sit et judicium, quod prius erat divisum). Außer diesem, freilich völlig entscheidendem Zeugnisse existirt kein Anzeichen einer Theilung des Raths der Stadt; namentlich findet sich vor 1262 bei den consules nie der Zusatz: antiquae, novae, mediae civitatis.

Bei jeder Pfarrkirche befand sich eine Schule. In den ältesten Stadtbüchern werden erwähnt: Scolae b. Marie, Jacobi, Petri, Nicolai.

Von den Mönchen siedelten sich zuerst und zwar schon früh die Franciscaner= Minoriten oder grauen Mönche in der Altstadt an und stifteten bei der Ellernhorst und den Wenden das große Kloster zu S. Katharinen, sicher ein Tochterkloster des schon 1223 gestifteten Minoritenklosters zu S. Katharinen in Lübeck. Schon im J. 1243 erscheint in einer doberaner Urkunde bei dem Fürsten Borwin III. von Rostock als Zeuge Eilhard Gardian der Minoriten zu Rostock ("Eylardus gardianus fratrum minorum in Rosztoch"). Einen ebenso bedeutenden Raum nahm das 1256 gestiftete Kloster der Prediger= oder schwarzen Mönche zu S. Johannis in der Mittelstadt ein, von der Steinstraße an bis zur Wohnung des jetzigen Schuldirectors.

Das von der Königin Margarethe von Dänemark am 22. September 1270 gegründete Cistercienser=Nonnenkloster zum h. Kreuz (claustrum dominarum) nahm gleichfalls einen sehr bedeutenden Raum in der Neustadt an der Stadtmauer (zwischen der Schwaanschen Straße und dem Katthagen) ein.

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Die Hospitalien zum H. Geist und S. Georg 1 ) finden sich schon in den ältesten Stadtbüchern von 1258 flgd. Das Hospital zum H. Geist hat zuerst in der Altstadt 2 ) gelegen. - Gerlach von Cosfeld vermachte 1279 den Beginen 30 Mk. zum Ankauf eines Hauses zu ihrer Wohnung, falls sie die Erlaubniß der Stadt erlangen würden (si in favore civitatis haberi poterunt). Heinrich v. Tessikow verkaufte 1299 an Johann von Bandow ein Erbe im Küterbruche, welches früher den Beginen gehört hatte. Eine Beginenstraße (platea Bagginarum) wird 1304 erwähnt. - Gerlach v. Cosfeld vermachte den gesammten Pfarren der Herrschaft Rostock, die den Erblasser in ihre Brüderschaft aufgenommen, 30 Mk. zur Belegung und Verwendung der Renten bei ihren Zusammenkünften, wogegen sie für ihn Memorien lesen sollen, wie sie solches bei ihren geistlichen Mitbrüdern zu halten pflegten. Dies war der Herren=Kaland in der S. Marienkirche, zu dessen Brüderschaft auch die Landesherren und die Burgemeister gehörten 3 ). - Im Stadtbuche von 1270 - 88


1) Die Siechenhäuser, d. h. die Hospitalien für die Aussätzigen, lagen immer vor den Thoren unter dem Schutze des H. Georg. Das in Rostock mehrfach vorkommende domus leprosorum, oder leprosorium, wird das bei jedem Hospitale befindliche Armenhaus bezeichnen sollen, welches sêkenhus: Siechenhaus, hieß, freilich wohl nicht ganz mit Recht, denn schon damals war die Verfassung der Präbenden und Armenhäuser ganz eben so, wie jetzt, nur vielleicht noch mehr als jetzt von der eigentlichen Tendenz abweichend. Beide Hospitalien sind von dem Pfarrbezirk, worin sie liegen, eximirt. Wegen des vor dem Steinthore liegenden S. Georg heißt es:

"Dominus Lodevicus, plebanus de s. Nicolao, cum voluntate domini episcopi Suerinensis et domini Woldemari resignavit capellam s. Georgii apud infirmos tali conditione, quod ei omni anno IIII marce quatuor in anno presententur temporibus vite sue, et post obitum ejus libera esse debet. Anno gratie M. CC. LXXVIII°.
Ueber den H. Geist heißt es:
Notum sit universis, quod dominus Henricus plebanus ecclesie s. Jacobi coram communi Consilio civitatis Rostoccensis ab omnibus oblationibus et aliis, que sibi de domo s. Spiritus fieri solebant, per dies vite sue cessavit et insuper dominus noster dominus Woldemarus de Rostock eidem domui hoc indulsit et concessit, ut nullus unquam plebanus post mortem ejusdem domini Henrici de oblationibus, que in dicta domu s. Spiritus offerantur, vel in aliis aliquibus sibi aliquid juris debeat vel valeat usurpare. Actum coram communi consilio anno domini 1281.

2) Thimmo de Kescin posuit Johanni, filio Ingermi, et Alberto Copmanno aream juxta s. Spiritum in antiqua civitate de X mr. denar., de quibus singulis annis dabit II mr. in die Nicolai (1264).
3) Zu den Pfarren des Archidiaconats Rostock, welches mit den Grenzen der Herrschaft Rostock zusammenfallen wird, gehörten nach dem Zehntenregister von 1470: die Pfarren Ribnitz (40 Mk.), Culrade (5 Mk.), Wustrow (10 Mk.), Bentwisch (30 Mk.), Totendorp (10 Mk.), Volquenshaghen (20 Mk.), Rövershagen (8 Mk.), Blankenhagen (20 Mk.), Wulferdeshagen (5 Mk.), Marlow (20 Mk.), Kölzow (10 Mk.), Sülz (24 Mk.), Tessin (24 Mk.), Sanitz (40 Mk.), Dänschenburch (5 Mk.), Tulendorp (5 Mk.), Kessyn (30 Mk.), Kabelstorf (30 Mk.), Petschow (24 Mk.), Kemyn (30 Mk.), Lage (60 Mk.), Rekenitz (40 Mk.), (  ...  )
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fol. 109 wird einer "hereditas apud conversas in Gropengheterestrate" gedacht. Bemerkenswerth ist auch folgende Stelle im Stadtbuche von 1289 seqq., fol. 121 b.:

"Soror Wiba resignavit sororibus omnibus ad Capitulum pertinentibus domum suam in monte (Amberg?) sitam perpetuo possidendam tali modo, quod ipsa soror Wiba et sua soror habeant ad usum suum cameram quandam et curiam ad dealbanda fila sua". - Einige Jahre später wird ein Erbe verkauft, liegend "juxta Sorores in monte."

Die Mühlen am Damme, an der Grube und vor dem Cröplinerthor sind gleichfalls in ältester Zeit angelegt und waren von den Fürsten zu erblichem Besitz ausgethan gegen Entrichtung einer jährlichen Abgabe an Korn, Geld und gemästeten Schweinen; auch diese Mühlenzinsen gingen schon im Laufe des ersten Jahrhunderts in Privatbesitz über. Im J. 1264 gestattete Borwin, daß die Müller der Stadt=Gerichtsbarkeit unterworfen würden.

Die drei gewerblichen Brüche, der Küter=, Gärber= und Fischerbruch, zwischen der Altstadt und der Ober=Warnow, werden von Anfang an seit 1218 zu der Stadt gehört haben, da sie in unmittelbarer Verbindung mit dem Mittelpunkte der Altstadt stehen und die Stadt ohne diese Anlagen kaum bestehen konnte. Schon vor 1264 werden Erben, Baustellen und Speicher (granaria) im Bruche (in palude) zu Stadtbuch verlassen und verpfändet, z. B.: "Everardus molendinarius impignoravit Tidemanno piscatori aream unam in palude pro X mrc. denar; in festo Martini redimet" (1262).

Fast ausnahmslos kommt in den Stadtbüchern von 1258 - 88 nur die allgemeine Bezeichnung: "palus" (Bruch, Brok) vor, einmal wird des Küterbruches (palus fartorum 1270) und später einmal des Gärber= und des Fischerbruches (palus cerdonum, piscatorum) gedacht; ebenso finden sich, jedoch selten, die Ausdrücke: magna et parva palus (großer und kleiner Bruch) fol. 121, 134, 138 des Stadtbuchs von 1270 - 88. Daß aber unter dem Bruche eben nur die drei gewerblichen Brüche zu verstehen sind, dafür spricht nicht nur die noch jetzt bestehende Ueblichkeit, diese Gegend kurzweg "up dem brôk"


(  ...  ) Bistow (30 Mk.), Buchholz (30 Mk.), Hilghenhagen (5 Mk.), Satow (12 Mk.), Barsee (10 Mk.), Berndeshagen (11 Mk.), Johansdorp (9 Mk.), Lambrechtshagen (8 Mk.), Lichtenhagen (24 Mk.), Steffenhagen (12 Mk.), Cröpelin (frei), Parkentin (30 Mk.), Stobelow (5 Mk.).
Die beigesetzten Zahlen bezeichnen die Taxe des jährlichen Einkommens, welche Taxe wohl aus sehr alter Zeit herstammen mag.
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zu benennen, sondern auch manche Stellen des Stadtbuches weisen deutlich genug darauf hin, z. B.:

"Bertolt cerdo in palude posuit Hermanno hereditatem suam in palude pro XVII mrc.; Martini redimet (1270, fol. 58 des Stadtbuches 1262 - 70)."
"Illam aream, quae fuerat Stal supra paludem, resignavit coram consulibus, quia noluit pontem facere, neque exactionem dare, et consules vendiderunt eam Johanni de Malkin et resignaverunt ei rite et rationabiliter. Et de ea debet solvere IIII solidos in nativitate." (Fol. 22 a. des Stadtbuchs von 1270 - 88.)

Letztere Stelle ist um so wichtiger, als sie auf die bis in die Neuzeit festgehaltene Verpflichtung der Hausbesitzer der Brüche zur Erhaltung der nöthigen Brücken hinweiset.

Die Vorstädte waren gleichfalls bewohnt; es kommen Häuser und Bauhöfe (curiae agriculturae) vor dem Stein=, Schwaanschen=, Cröpliner= und Bramower=Thore vor.

Außer den gewöhnlichen bürgerlichen Gewerben finden sich Apotheker, Weingärtner (vinitores), Hopfengärtner (humularii) (Hopfengärten vor dem Steinthore beim Rosengarten und S. Georghofe, sowie vor dem Cröplinerthore auf Nemezower Gebiet), Glockengießerei, Kupfermühle (fabrica cuprea), Kerzengießer, Chirurgus, Aerzte (medicus). Um 1300 wird ein magister Arnoldus de quinque domibus physicus genannt, der ein Grundstück erwirbt mit dem Vorbehalt, die bürgerlichen Lasten zu tragen und es nur an Weltliche zu verkaufen. Viele Steinhauer (lapicidae) werden erwähnt.

Die Katharinenkirche hatte einen Ziegelhof, der schon 1325 eingegangen war, die Predigermönche gleichfalls, später auf das Kreuzkloster übergegangen, sowie auch die Petrikirche, alle drei vor dem Petrithore, die Kirche zu S. Jacob vor dem Bramower=Thore (jetzt Hädge's Garten), die S. Marienkirche vor dem Mühlenthore, die Stadt in Nemezow: alle lagen wohl an der Warnow.

Jedes Haus muß Waffen halten und Wachdienste leisten (arma habere et vigilias servare). Adelige, die sich hier ankaufen, die v. Moltke, v. Snakenburg, Reddag, müssen diese Verpflichtung, sowie die Entrichtung des Schosses übernehmen: auch pflegte bedungen zu werden, daß sie nur an Bürger wieder verkaufen und nichts Ungewöhnliches bauen dürften.

Die Bauart der Häuser war theils massiv (domus lapidea), theils geklehmt (domus lutea sive argillea). Es hat

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fast den Anschein, als sei der Grund und Boden der Stadt in Erben (hereditates) eingetheilt gewesen, obwohl "hereditas" oft auch nur für Haus zu nehmen ist. Auf dem Erbe von Hartwig von Nykoping standen zwei Häuser und fünf Buden, taxirter Werth 250 Mk.; Nicolaus v. Mölen besaß ein Erbe mit zwei geklehmten Häusern, werth 200 Mk., Gerhard Hollogher das Erbe zwischen Mittelmarkt und Scharren, die Wittwe von Waldogo das große Erbe bei der S. Marienkirche mit zwei Buden. Die Eigenthümer verkauften Baustellen von 30 - 40 Fuß Fronte gegen Grundzins (worttins, to wikbeldesrecht) zu erblichem Besitz, so lange der Zins bezahlt ward.

6.

Die Erweiterung des städtischen Grundbesitzes.

Der ursprüngliche Grundbesitz der Stadt wird vor dem Stein= und Cröplinerthore mit den Zingeln aufgehört und wahrscheinlich vor dem Petri= und Mühlenthore durch die Warnow begrenzt worden sein.

1. Zuerst erwarb die Stadt am 25. März 1252 von dem Fürsten Borwin die Haide, begrenzt von Hinrichsdorf, Mönkhagen, Volkenshagen, der Ribnitzer Landstraße, dann im Osten von Zarnestrom und dem Graswege bis zur Ostsee, im Norden von der Ostsee und im Westen von der Warnow bis Warnemünde. Die Stadt gründete hier drei Dörfer: Rövershagen mit 22 Zinshufen 1 ), jede 7 1/2 Morgen lang und zu 4 Mk. Pacht für jede Hufe, mit Kirche, Windmühle, einem Kruge beim Kirchhofe und einem an der Landstraße; Wasmodeshagen mit 25 Zinshufen, jede 7 1/2 Morgen lang und zu 4 Mk. Pacht; Porkeshagen mit 6 1/4 Zinshufen, jede zu 5 Mk. Pacht. Die große Wiesenstrecke zwischen Warnemünde und der Haide ward an hiesige Bürger verpachtet. Der Kaufpreis war 450 Mk. Pfennige, wovon 2 Mk. auf eine Mark Silber zu rechnen sein würden, da 1260 die Kirchenvorsteher zu S. Marien, Thidericus domine Lysen und Hinricus de Bochem, 100 Mk. Silber der Stadt liehen und 200 Mk. zurückerhielten. Die Mark Pfennige hatte also ungefähr einen Silberwerth von 7 Thlrn. Crt., im Verkehr jedoch damals einen weit größern Werth, da in


1) Die slavische Hufe enthält 15, die deutsche 30, die Hägerhufe (bei den Walddörfern) 60 Morgen; im 16. Jahrhundert werden 300 [ ]Ruthen auf den Morgen (juger) gerechnet.
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der ältesten Zeit der Zinsfuß 15 - 20 Procent auf das Jahr, späterhin 10 Procent war.

2. Zur nämlichen Zeit verzichtete der Fürst Borwin auf jegliches Recht an den im Hafen der Stadt (in portu ipsorum) beschädigten Schiffen und überließ den Rostockern die Fischerei auf der Warnow von der Brücke bei der Petrikirche bis zur See und in die See hinein.

3. Zur Aufhülfe der Stadt nach einer großen Feuersbrunst schenkte der Fürst Borwin der Stadt am 12. Oct. 1264 seine Rechte in dem Bruche, welcher liegt zwischen dem festen Lande und dem Flusse, von der einen Seite, und zwischen dem S. Clemensdamme und dem Bartelsdorfer Bache, von der andern Seite.

4. Ferner trat zur nämlichen Zeit der Fürst Borwin der Stadt seine Rechte im Hafen der Rostocker zu Warnemünde und in allen Grenzen der Stadt bis zur Markscheide ab (praeterea jura per portum ipsorum in Warnemunde et per omnes terminos dicte civitatis nostre versus campum, qui vulgariter markschede nuncupantur, sepe dictis burgensibus nostris damus cum sua utilitate eternaliter possidenda). Die fürstlichen Richtevögte (advocati) mochten der Stadt zu Beschwerden Veranlassung gegeben haben. Gegen Ende des Stadtbuchs von 1260 - 70 findet sich ein Verzeichniß begangener Verbrechen 1 ) und erkannter Strafen und heißt es dort:

"Cum Folceko Tunneko fuit primo advocatus factus, confregit seras civitatis potenter et excepit ibi virum, qui deliquerat, et praeconem et uxorem ejus percussit. Postea cum potestate sua posuit virum in Kakolph sine consensu consulum. Postea jacuit Wernemunde et posuit pram ultra portum, violenter prohibens exitum et introitum. Deinde accepit cuidam mulieri de Lubek res suas sine consilio (Rath). Postea accepit naves in portu, pro quo civitas dampnum sustulit et de rege - - - -"

Schon früh wurden auf den Hafenbau bedeutende Summen verwandt. Nach dem Stadtbuche von 1288 verpflichtete sich ein rostocker Bürger aus einem hiesigen begüterten Geschlechte, Rotger Horn, das Tief zu Warnemünde in zwei Jahren auf 12 Fuß bei mittlerem Wasserstande zu bringen, und so fünf


1) Die bloße Eintragung der Verbrechen hatte wohl nur den Zweck, dieselben zu constatiren. So steht 1259 auch der König von Norwegen zu Buch: Johannes de Nore amisit per regem Norwegie XXVI mrc., Henricus et Nicolaus Plotsii XXX mrc. Rost. denar.; item dn. Meineko amisit cokonem (großes Schiff) et bona, valent LX mrc. Precipue servum suum decollavit.
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Jahre zu erhalten, auf seine alleinige Kosten, gegen eine Entschädigung von 400 Mk. Silber oder 1350 Mk. Pfennige und 100,000 Mauersteinen.

Am Seegestade zwischen Warnemünde und Markgrafenheide finden sich mehrere Stellen, die den Beinamen altes Tief führen, und namentlich sind östlich ganz unzweifelhafte Spuren alter Hafenwerke, sowohl in der See als in den Wiesen; indessen folgt aus der im Abschnitte 1 gedachten Urkunde von 1252 und daraus, daß die Fundamente der 1312 bei der Warnow erbaueten Feste Dänschenburg noch jetzt hart an der Warnow beim Bauhofe zu Warnemünde vorhanden sind, daß die Warnow in historischer Zeit keinen andern Ausfluß als den jetzigen gehabt hat.

5. Fürst Woldemar verhieß am 27. October 1266 den von seinem Vater zu einem Schloßbau begonnenen Wall beim Bramower=Thor niederzureißen und nie wieder aufzubauen. Die Burgstelle in der Gegend, wo jetzt das neue Krankenhaus sich befindet, ging bald darauf in Privatbesitz über; vgl. Stadtbuch von 1270 flgd., fol. 37:

" Domina Aleydis, relicta Halshagen, vendidit s. Spiritui hereditatem suam, quam habuit in vallo castri apud portam Bramow, pro XXV mrc. - - - - -"

6. Am 11. December 1275 verkaufte der Fürst Woldemar mit Einwilligung seines Vaters Borwin an die Stadt Rostock die Dörfer Nemezow und Lypen zu Stadtrecht mit der Befugniß. die darin befindlichen Bauerstellen zu legen (hereditates ipsius villae ad nichilum redigere). Nemezow umfaßt den jenseit der Zingel liegenden Theil der Cröplinerthorvorstadt und die bis Bistow, Critzemow und Gr. Schwaß sich erstreckende Feldmark, Lypen die Feldmark vor dem Steinthore nebst Dallwitzhof und Gragetopshof, früher beide Höfe des S. Georg. Die Legung der Bauern wird sofort erfolgt sein.

7. Am 27. Februar 1286 verkaufte Nicolaus, Herr zu Rostock, mit Einwilligung seiner Mutter Agnes und seines Oheims, Herrn Heinrich von Werle, als Vormundes, gegen Bezahlung von Schulden seines Vaters Woldemar:

  1. das Dorf Wendisch=Wyk,
  2. den Burgwall mit der angrenzenden und bis zum Mühlendamme sich erstreckenden Wiese,
  3. die Pferdewiese zu Warnemünde (Pagenwerder),
  4. die Mühle beim Judenkirchhofe (die sogenannte Stampfmühle vor dem Cröplinerthore).
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8. Den Ort Warnemünde mit allem Eigenthum und aller Gerichtsbarkeit, jedoch ohne das Kirchenpatronat, hat Rostock erst 1323 von dem Fürsten Heinrich dem Löwen erworben.

Nach dem Cämmereiregister von 1325 besaß die Stadt noch das Dorf Barnstorf und einen Antheil in Dierkow, ohne daß über die Zeit des Erwerbes etwas erhellet.

Die Stadt muß schon früh Antheile in Rikdahl erworben haben. Die Stadt verkaufte nämlich 1291 am Tage Elisabeth an Thiderich Frise aus den Gütern von Nortmann in Riketalendorp eine jährliche Hebung von 4 Drömt Hartkorn und 4 Drömt Hafer, eine Rente von 4 Sch., 2 Topp Flachs, ein Rauchhuhn, aus dem Kathen (kothus) bei Otto 24 Hühner, aus dem Hause von Hinrich Pastow 4 Sch. und 5 Rauchhühner. Die Stadt behält die Wiedereinlösung nach drei Jahren für 50 Mk. (diese Hebungen hatten also einen Werth von 5 Mk.). Die Hopfenhöfe und Wiesen am Rikdahler=Steige heißen "orti in Riktalendorp" oder "versus Rikt.", dieselben könnten also aus Rikdahler=Feldmark entnommen sein. Im J. 1376, am Freitag nach Nicolai, kaufte die Stadt von dem hiesigen Bürger Johannes Bereke 9 1/2 Hufen in Riktalendorf mit Gericht und Dienst für 300 Mk. Rost. Pfenn.

Kassebohm ist 1329 von den Moltken angekauft und mit landesherrlicher Bewilligung unter Stadtgerichtsbarkeit und lübisches Recht gelegt worden.

7.

Die wendische Bevölkerung.

Der wendische Ort Rostock wird bald nach dem Aufbau der neuen deutschen Stadt abgebrochen und deutschen Anbauern zu Baurecht verliehen sein; die Wenden aber wurden in die entlegenen und niedrigen Enden der neu gegründeten Altstadt verwiesen. In den alten Stadtbüchern stößt man vielfach auf wendische Namen. z. B. Stadtbuch von 1289, fol. 96: "Dobers, Velciko, Thechaze, fratres, et soror ipsorum Thessika", vergleichen sich mit Adelheid, Wittwe von Thessekinus, wegen dessen Erbschaft; - fol. 97: Gerardus carnifex verkauft an "Bandan slavus" seine Buden; - fol. 99: "Janiko slavus" verkauft sein Erbe an Marquard Harmaker. Eine "domina Doberzlawe, relicta Johannis de Jagethus," wird 1295 erwähnt. Ferner: "Zelmarus slavus, Machorius Baghomile".

Den Wenden überließ man die tiefen Sumpfwiesen vor dem Petrithore, ihre alte Heimath, in Pacht. Nach dem

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Stadtbuche von 1289, fol. 45 b, verpachtete die Stadt im J. 1292 die Wiese auf der Wyk (supra Wyk) an die Wenden, nämlich "Minisken, Radeken, Johannem Scherebardesbroder, Nicolaus, Johannem Bisterveld, Miliken," gemeinsam für 20 Mk. jährlich; die Wiese gegen Bartelsdorf ward 1296 für 18 Mk., später 24 Mk., jährlich zu Michaelis verpachtet an "Thechen, Thessico, Johann frater Bartscerer, parvus Henricus specsnider", fol. 41 b. Weiter heißt es fol. 150:

"Anno nonag. VI°. Johannes tonsor barbarum, Thessike, Thekel et Nicolaus, slavi, convenerunt pratum juxta vallum pro XVIII mrc. et dabunt in festo b. Martini".

Dann heißt es weiter fol. 153 b.:

"Isti slavi tenent pratum versus Bertoldesdorp, prout prius tenuerunt, Thechel, Tessike, . . ., Johannes frater barbitonsoris, pro XXIV mr. Michaelis." (1300).

1315 pachten die Wiese am Damme für 5 Mk. jährlich auf zwei Jahre: "Techam magnus, Petrus cum longo nasu, Heinricus Molzan". Ohne Zweifel waren es auch Wenden, die nach dem Cämmereiregister 1329 pachteten:

"Sculeken, Langenese, Hanneman, Prore, Bistervelt convenerunt pratum madidum et pratum fartorum pro XXVII marcis, quolibet festo Michaelis persolvendis". (Von späterer Hand hinzugefügt): "Prata dominorum consulum metent".

Denn Bistervelt wird ausdrücklich unter den Wenden aufgeführt. Daher sind die Folgenden auch Wenden.

"Sculeke, Hinceke, Bistervelt et Techen et Stalknec convenerunt dicti et Ermer etiam conduxerunt pratum fartorum pro VIII marcis, eodem festo persolvendis".

Daher heißt es gleich hinterher ganz im Allgemeinen, daß die Wenden die nassen Wiesen in Pacht haben:

"Item sclavi dabunt XXX marcas de pratis madidis".

In den spätern Cämmereirechnungen z. B. von Petri 1355/56, 1356/57, 1363/64 heißen diese Wiesen kurzweg: Wenden=Wiesen (prata slavorum et fartorum), und die Namen der Pächter sind wendisch, z. B.: Hornyken, Nicolaus Wend, Reddagi, Major Strand, Petrus Loubatz, Darghetze de Retze. Als im J. 1472 die Wiesen vor dem Petrithore den Knochenhauern verliehen wurden, wird ausdrücklich gesagt, daß "de

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Wende und Specksnyders de sulven wysche beth an desse tyd gehad unde bruket hebben".

Außerdem überließ man den Wenden noch z. B. den Speckhandel und ohne Zweifel noch andere geringere Erwerbszweige 1 ); daher gilt in Rostock die Benennung Speckschneider so viel als Wende, und die Bezeichnung mit "Wenden und Speckschneider" wird ganz gewöhnlich. Ohne Zweifel überließ man den Wenden das Mästen und Schlachten der Schweine, da sie wohl Gartenbau trieben, und das "Speck verkaufen" ist wohl nur ein allgemeiner Ausdruck für die letzte Aeußerung ihres Gewerbes. Wahrscheinlich durften sie Vieh aufziehen und mästen, auch da sie in keiner Zunft sein durften, im Hause schlachten.

Im J. 1330 2 ) (feria sexta ante Marie Magdalene) ward die Befugniß der Wenden (Slavi lardum vendentes), Speck zu verkaufen, den Knochenhauern gegenüber, vom Rathe geordnet. Die Wenden dürfen das ganze Jahr hindurch am Montag und Donnerstag an der Ellernbrücke (pons alneus), einer Grubenbrücke, Speck verkaufen 3 ), ferner von Michaelis bis Weihnacht Rind= und Schaffleisch in halben und Viertel=Thieren (in dimidiis et quartalibus corporibus); außerdem durften sie Rindfleisch verkaufen, wenn sie das Haupt Rindvieh für 24 Schillinge gekauft hatten (carnes bovinas pro XXIV solidis emptas vendere debebunt) 4 ).


1) Wenden kommen vor als Heringswäscher und Bartscherer, z. B.: Petrus Slavus, lotor allecum. - Allotores allecum dabunt XII marcas civitati quolibet festo Martini et IIII sol. de qualibet mensa eodem festo.
2) Anno domini M°. CCC° XXX° feria sexta ante Marie Magdalene decreverunt consules universi unanimi consensu, quod carnifices lardum vendere non debeant, sed ante festum pasce tribus diebus forensibus scapulas et tybias et integra latera, sed carnes recentes vendere debeant, sicut fecerunt ab antiquo. Insuper Sluvi vendere debeant Iardum per circulum anni: scilicet secundis feriis et quinis in locis suis apud pontem alneum, ubi ab antiquo vendere consueverunt. Dicti vero Slavi a festo b. Michaelis usque ad festum Nativitatis Domini bovinas carnes et ovinas cum dimidiis corporibus et quartalibus perpetuo vendere poterunt, sed carnes bovinas pro XXIIII sol. emptas vendere debebunt. Gherwinus Wilde et Johannes Tolner tabule presidebant. -
3) Mit diesem Speckverkaufe stehen der Speckweg und die Speckäcker vor dem Petrithore in keiner Beziehung; "Speck" oder "Specking" ist eine noch jetzt häufig vorkommende Benennung für einen aus Rasen oder Buschwerk und Erde durch nasse Wiesen gelegten Weg oder Wiesendamm.
4) Die Brottaxe in dem "Liber arbitriorum civitatis Rostock" von 1400 hat für den Scheffel Roggen 1 Sch. bis 2 Sch., für den Scheffel Weizen 1 Sch. 4 Pf. und 2 Sch. 8 Pf. als geringste und höchste Marktpreise. Es sind also durchschnittlich 24 Schillinge gleich 18 Scheffel Roggen dermalen zu achten. Im J. 1355 kostete nach der Cämmereirechnung 1 Last Saathafer 6 1/2 Mk., 1 Last Gerstenmalz 12 Mk., 1 Last Hafermalz 6 Mk., 1 Last Roggen 14 Mk., 1 Last Gerste 12 Mk.; im Jahre 1379 galt der Scheffel Hartkorn 2 1/2 Sch., im J. 1419 2 Sch. 10 Pf. bis 3 Sch.
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Für diese Begünstigungen mußten sie nicht nur ein Stättegeld an die Cämmerei zahlen (a lardiscidis XXX solidos, denarios locorum), sondern waren auch zu gewissen Handdiensten verpflichtet. Es hielt nämlich nicht nur die Stadt reisige Pferde, sondern jeder Burgemeister mußte für den Stadtdienst einen Knecht und ein reisiges Pferd halten, wozu ihnen der Hafer von den Hospitalien geliefert ward und wofür sie städtische Wiesen benutzten. Wegen dieser Handdienste heißt es in dem Cämmereiregister von 1330, daß die wendischen Speckschneider alle Wiesen der Stadt mähen müßten:

"Slavi lardum vendentes prata universa civitatis ubicunque locorum situata metere debeant"

und zum J. 1329 ist von späterer Hand hinzugefügt, daß die dort genannten Wenden, als sie Wiesen pachteten, die Wiesen der Rathsherrn mähen sollten:

"Prata dominorum consulum metent".

Für solche Arbeit erhielten sie Lohn, wie aus den Cämmereirechnungen erhellt. Es war also das Absehen nur darauf gerichtet, sich Arbeitskräfte zu sichern. In ähnlichem Sinne waren die Warnemünder zu den Hafenbauten dienstpflichtig.

Die Wendenstraße liegt noch jetzt am Wendenthore, an der Unter=Warnow, zunächst dem Petrithore. Es gab aber früher noch eine Wendenstraße, da der Rath im ersten Viertheil des 14. Jahrhunderts eine Stelle Verkauft, wo früher die Wendenstraße sich befand. Die Stelle steht im Cämmereiregister (dem Acker= und Gartenbuch) von 1325 flgd. und zwischen Eintragungen auf Wendisch=Wyk bezüglich:

"Civitas habet in quadam area, quam Hinrico de Alen, penestico, vendiderat, ubi quondam strata slavorum fuerat, XXIIII solid. redditus perpetuos, quolibet festo Pasche et Michaelis erogandos".

Diese Stelle weiset auf die alten Wohnsitze der Wenden hin. Um dieselben in helleres Licht zu setzen, wird die Lage des im J. 1264 erworbenen Bruches und von Wendisch=Wyk nunmehr näher zu erörtern sein.

8.

Die Lage des Burgwalls=Bruches.

Am 12. Oct. 1264 schenkte der Fürst Borwin der durch die Feuersbrunst tief gebeugten Stadt Rostock zur Erleichterung der Noth mehrere Freiheiten und Gerechtigkeiten und sagt dabei auch:

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" Ceterum in palude, quicquid ad nos pertinere videtur, jacente inter aridam et fluvium, ex una parte, et inter aggerem s. Clementis et amnem qui decurrit ab amne Bertelsdorfie, ex parte altera, eorundem usibus assignamus".
(Außerdem überweisen wir zu ihrer Nutznießung noch alles das, was im Bruche uns zu gehören scheint, nämlich das, was liegt zwischen dem festen Lande und dem Flusse, von der einen, und zwischen dem S. Clemensdamme und dem Flusse, welcher von dem bartelsdorfer Flusse herfließt, von der andern Seite.)

Die Original=Urkunde ist nicht mehr vorhanden, sondern nur ein Transsumpt des Fürsten Heinrich des Löwen.

Das Wort "palus": Brook, Bruch, ist nun freilich in den rostocker Stadtbüchern der ältesten Zeit die beständige Bezeichnung für die drei Brüche bei der Altstadt, für den Gärber=, Fischer= und Küterbruch zusammen, und erst seit dem J. 1290 kommen neben diesem allgemeinen Ausdrucke die Bezeichnungen durch Gärberbruch, Küterbruch und Fischerbruch im Einzelnen häufiger vor. Eben so gewiß ist es aber auch, daß das Wort palus: Bruch, eine ganz allgemeine Bezeichnung für jede Sumpf= oder Bruchfläche ist. In den Jahrbüchern IX, S. 24 ist nun darin ein Fehlgriff gemacht, daß zur Deutung der Urkunde vom 12. Okt. 1264 der Standpunkt in der jetzigen Stadt Rostock genommen und unter dem Worte Bruch (palus) der Gärber=, Küter= und Fischerbruch verstanden ist, während diese drei Brüche doch seit alter Zeit sicher schon der neuern Stadt Rostock gehörten. Die Veranlassung zu dieser gewiß nicht richtigen Deutung lag darin, daß der S. Clemensdamm noch nicht bekannt war und nicht erforscht werden konnte. Vielfache neuere Entdeckungen werden aber die Lage dieses Dammes in das rechte Licht setzen. Nimmt man aber bei der Erklärung der Urkunde den Standtpunkt in der Petrivorstadt und nimmt man an, daß die in der Urkunde von 1264 erwähnten Räumlichkeiten hier, am rechten Ufer der Warnow, auf ehemals fürstlichem Gebiete, liegen, so löset sich alles auf eine befriedigende Weise, wenn man die neuern Entdeckungen in den Stadtbüchern dazu benutzt und das Wort palus ganz allgemein durch: Bruch, Sumpf oder Sumpfwiese erklärt, ohne auf die drei Brüche der Stadt Rücksicht zu nehmen. Man ist dann genöthigt, dasWort "arida": trockenes oder festes Land, nicht in dem Grund und Boden der jetzigen Stadt Rostock, sondern auf der entgegengesetzten Seite in dem Ackerlande der Petrithorvorstadt, an dem bartelsdorfer

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oder dierkower Felde, zu suchen. Die angeführte Stelle in der Urkunde vom J. 1264 ist daher also zu übersetzen:

"Uebrigens überweisen wir das, was uns noch zugehörig erscheint in der Sumpfwiese, welche liegt zwischen dem trockenen Lande (nach Bartelsdorf oder Dierkow hin) und dem Flusse (Warnow), an der einen Seite, und zwischen dem S. Clemensdamm und dem Flusse, welcher von Bartelsdorf (?) herabfließt, an der andern Seite, zum Gebrauche der Bürger von Rostock".

Die von dem Fürsten Borwin im J. 1264 an die Stadt verkaufte Sumpffläche (palus) oder Sumpfwiese kann also nur in der Petrithorvorstadt zu suchen sein und zwar im vordern Theile derselben stadtwärts.

Es ist nun zunächst die Frage, wo der S. Clemensdamm liegt. Es ist wahrscheinlich, daß der S. Clemensdamm der jetzige Petridamm (die durch die Petrithorvorstadt sich windende Landstraße) sei, und daß dieser früher S. Clemensdamm geheißen habe. Der Name S. Clemensdamm verschwindet nämlich erst am Ende des 13. Jahrhunderts, mit dem Verkaufe des Dorfes Wendisch=Wyk an die Stadt, und der Name Petridamm taucht erst in dem ersten Viertheil des 14. Jahrh. auf; in der ältesten Zeit konnte auch der Damm nicht wohl von einer städtischen Kirche benannt werden, da die Petrithorvorstadt noch fürstliches Gebiet war. Eine Stelle im Cämmereiregister, welche, nach der Handschrift zu schließen, in der Zeit 1350 - 60 geschrieben ist, nennt den Petridamm 1 ) zuerst:

"Notandum quod civitas habet in ortis caulium dictis Wyk, sitis inter dammonem beati Petri et villam Derekowe, LXVII marcarum perpetuos redditus et duorum solidorum".

Eine andere Stelle ist weniger deutlich:

"Civitas locavit Johanni Stalknecht pratum foris valvam s. Petri secus dammonem, quamdiu sibi favet, pro XI marcis, quolibet festo b. Martini erogandis"

Der Petridamm geht zuerst eine Strecke grade aus bis an die Kreuzbrücke. Von hier windet er sich, als Landstraße von Rostock nach Ribnitz, durch die Wyk, die "Große und Kleine Wyk", augenscheinlich nach alten Gehöftsanlagen sich richtend.


1) Der Mühlendamm kommt früh urkundlich vielfach vor, und zwar im J. 1286 zur Bezeichnung des zwischen den Schleusen und dem weißen Kreuze liegenden Theils.
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Von der Kreuzbrücke geht links ein zweiter, befahrbarer Damm ab, welcher Kadamm 1 ) heißt und nach dem Stangenlande, einem weiten, festen Plateau von Gartenland, führt, das zwischen der Wyk und Karlshof nach der Unter=Warnow hin, liegt. Es ist möglich, daß dieser Kadamm der alte S. Clemensdamm ist und überhaupt der einzige älteste Damm, welcher zuerst um die Wyk herum führte, ehe der Petridamm durch die Wyk gelegt ward. Jedoch ist es nicht von großer Wichtigkeit, die Lage des S. Clemensdammes ganz genau zu bestimmen, da der Kadamm und der Petridamm nahe bei einander liegen.

Der S. Clemensdamm lag jenseit der Warnow und hatte Gärten in seiner Nähe:

"Henricus de Gudowe, tutor domine Gertrudis de Halteren, et ipsa Gertrudis vendidit Johanni de Plothe lanifici ortum unum juxta aggerem sancti Clementis trans fluvium, sicut suum fuit, et sibi rationabiliter resignavit" (1293).

Es lagen am S. Clemensdamme auch Gehöfte und Baustellen:

"Henricus et Wernerus, filii Rodenbeckeres, vendiderunt Thydemanno molendinario hereditatem suam juxta aggerem s. Clementis sitam, de consensu uxoris Henrici et fratris ejusdem Hermanni scilicet, et sibi ipsam coram consulibus resignaverunt. Ludolfus Pes, Henricus Dunevar, Henricus de Lare tabule presidebant" (1298).
"Ludbertus Dunevar, Hermannus Lyse, Johannes de Lemhus ex jussu consulum et consensu vendiderunt Hartwico de Libra spacium illud juxta aggerem s. Clementis fluvio vicinum, ita tamen quod via ibi maneat, ut nunc est. Actum anno quarto (1294) Petri et Pauli".

Ferner:

"Hermannus Modenhorst vendidit Thydemanno Batzeler aream (Hausstätte) suam, quam emerat a civitate, juxta aggerem s. Clementis, sed dictus Hermannus obtinebit in dicta area III marcarum redditus pro XXX marcis denariorum, quos Thydemannus prefatus reemere poterit pro tanta summa, quando poterit" (1295).
"Hermannus Modenhorst vendidit Thydemanno de Redecle aream unam juxta agge-


1) Einen Kadamm giebt es vor allen vier Landthoren Rostocks.
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rem s. Clementis et structuram in ipsa edificatam, quam sibi resignavit, promittens warandiam. Scriptum feria quarta ante Pentecostes" 1306.

Im J. 1270 wird auch ein S. Clemens=Sumpf oder Wiese oder Brok ("palus s. Clementis") genannt.

Ist nun die Lage des S. Clemensdammes glücklich erforscht, so bleibt doch noch die sehr bedeutsame Frage zu beantworten übrig, woher dieser Damm seinen Namen habe.

Der S. Clemensdamm führte seinen Namen nach der dabei gelegenen Kirche des heiligen Clemens:

"Ludolfus Pes, Ludbertus de Lagenstrata et Ludbertus Dunevar ex jussu et voluntate communium consulum vendiderunt Bernardo Copman, ad manus Seghefridi, generi sui, Hermanno Boken, Hermanno Modenhorst et Henrico Hart spacium illud, ubi fuerat ecclesia sancti Clementis, et quitquit civitas ibi habuit, ipsis quoque resignaverunt rationabiliter, promittentes warandiam diei et anni. 1293 circa festum assumptionis".

Die S. Clemenskirche, zu welcher der S. Clemensdamm führte, war also schon im J. 1293 abgebrochen und der Rath verkaufte in diesem Jahre die Stelle der Kirche und was dazu gehörte an vier rostocker Bürger. Der Raum muß nicht klein gewesen sein, da einer der Käufer, Hermann Modenhorst, von seinem Antheile im J. 1295 eine Hausstätte und 1306 wieder eine Hausstätte verkauft, beide am S. Clemensdamm gelegen. Man erkennt hieraus zugleich, daß die S. Clemenskirche am Clemensdamme gelegen hat, und zwar links vom Damme, nicht sehr weit von der Kreuzbrücke, da mehrere Räumlichkeiten am Damme nicht weit von der Warnow entfernt waren.

Es bleibt nun zur Erläuterung der Urkunde von 1264 nur noch die Untersuchung des bartelsdorfer Baches übrig. Die Urkunde nennt als Grenze den Bach, der von dem bartelsdorfer Bache herabfließt ("anmis qui decurrit ab amne Bartelsdorfie"). So lesen alle Handschriften. Man könnte annehmen, daß hier ein Schreibfehler stecke und ab agro Bartelsdorfie statt ab amne zu lesen und der ganze bartelsdorfer Bach oder der Witingstrang zu verstehen wäre. Aber die Stelle der Urkunde, so wie sie ist (mit den Worten: ab amne Bartelsdorfie), läßt sich auch wörtlich deuten. Von dem bartelsdorfer Bache gehen Wasserläufe und Gräben ab. Es ist möglich, daß das Wasser gemeint sei, über welches die Kreuzbrücke

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führt und welches nicht weit von der Mündung des bartelsdorfer Baches aus diesem rechts durch die tiefen Sumpfwiesen fließt und sich in die Unter=Warnow ergießt. Es ist immer möglich, daß dieses Gewässer ein alter Lauf des bartelsdorfer Baches ist, welcher durch die Aufschüttung der Wyk eine andere Richtung erhalten hat.

Nach diesen Untersuchungen wird sich die Urkunde vom J. 1264 leicht erklären lassen.

Am 12. October 1264 schenkte der Fürst Borwin III. von Rostock der Stadt, das was ihm noch gehörte in der Sumpfwiese ("in palude"), welche liegt zwischen dem trocknen Lande ("inter aridam", d. i. Dierckow oder Karlshof und Stangenland) und dem Flusse (d. i. der Unter= Warnow ), von der einen Seite, und dem S. Clemensdamm (d. i. Petridamm) und dem von dem bartelsdorfer Bache herabkommenden Bache, von der andern Seite.

Die also verkaufte Wiesenfläche wird daher die jetzt sogenannte Armenwiese links jenseit der Kreuzbrücke sein.

9.

Die Lage von Wendisch=Wik.

Am 27. Febr. 1286 verkaufte der Fürst Nicolaus von Rostock an die Stadt Rostock:

sein Dorf Wendisch=Wik mit den angrenzenden Wiesen und den Burgwall mit den angrenzenden und bis zum Mühlendamme sich erstreckenden Wiesen:
("villam nostram Wendesche Wyk cum omni utilitate, proprietate, iudicio, cum pratis adiacentibus, vallum castri insuper cum prato adiacente et ad dammonem molendinorum ascendente".)

Dieses Dorf Wendisch=Wik läßt sich noch genau nachweisen. In den weit ausgedehnten Wiesenflächen vor dem Petrithore liegen zu beiden Seiten des Petridammes, zwischen dem bartelsdorfer Bache und dem Stangenlande, mehrere niedrige Plateaus von erhöhetem, festen Gartenlande, welche noch heute im Allgemeinen die Wîk genannt werden. Früher waren sie schärfer in zwei Theile getrennt: der mehr erhöhete Theil, rechts von der Landstraße von Rostock nach Ribnitz, hieß die große Wik, der Theil links an der Landstraße die kleine Wik;

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mehr links liegt das Stangenland. Jetzt pflegt man wohl die Wiesen um diese Gärten die Wik zu nennen.

Die Lage des Dorfes Wik wird im J. 1325 deutlich bezeichnet: der Acker auf der Wik neben der Wiese am Damme:

"Viceman ortulanus dabit civitati duarum marcarum redditus de quodam agro supra Wich juxta pratum secus dammonem",

und an einer andern Stelle:

"Notandum quod civitas habet in ortis caulium dictis Wyk, sitis inter dammonem b. Petri et villam Derekowe, LXVII marcarum perpetuos redditus et duorum solidorum".

Die älteren Bewohner versichern, daß sie zuweilen bei tieferen Aufgrabungen in der Petrithorvorstadt große Scherbenlager gefunden und ganze Fuder (Gefäß =) Scherben fortgefahren hätten. Bei der Untersuchung an Ort und Stelle hat es leider nicht gelingen wollen, Scherben aus der heidnischen Zeit aufzufinden, da diese Stellen seit Einführung des Christenthums immer bewohnt und bebauet gewesen sind. Schon der Name Wîk ist ein Beweis, daß die Stelle ehemals ein wendisches Burgdorf oder eine Stadt getragen habe, da dieser Name noch öfter an ähnlichen Stellen vorkommt. So heißt auch das Dorf an dem wendischen Burgwalle Werle noch heute Wik 1 ). Auch an der Reknitz bei Marlow, wo eine wendische Fürstenburg stand, an dem uralten Passe nach Pommern, liegt eine Wik 2 ). So lagen am Ausflusse der Hilda (Rik oder Reke) bei dem Kloster Eldena bei Greifswald zwei Wiken, die wendische Wik und die dänische Wik, zusammen "Wicus ante claustrum" genannt; so lag eine Vik bei Arkona, jetzt vielleicht Vitte 3 ).

Der Ausdruck ist altgermanisch: wîch =Ort, Flecken, Burg, auch lateinisch. vicus, gothisch veihs, angelsächsisch vîc (vgl. Graff's althochdeutscher Sprachschatz I. S. 721), z. B. in Braunschweig (Bruns - wic=urbs Brunonis), Schleswig. Daher heißen die kleinen Häuser in den Ausbiegungen der Stadtmauern noch jetzt Wikhäuser, und daher kommt noch im Neuhochdeutschen der Ausdruck Weichbild. Im Altnordischen heißt vîk=Bucht, Hafen, was auch oft zu den wendischen Wiken passen würde. - Der untere Lauf des bartelsdorfer Baches heißt noch heute der Witingstrang, in allen Buchstaben an Ort und Stelle genau so zu hören. Ob dieser Name mit dem


1) Vgl. Jahrbücher VI, S. 88 flgd.
2) Vgl. Jahresbericht VIII, S. 80.
3) Vgl. Fabricius, Urkunden des Fürstenthums Rügen, II, S. 92 u. 85, I, S. 79.
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Dorfe Wik oder mit den Seeräuberzügen der Wikinger zusammenhängt, wofür nach Adam v. Bremen eine ältere Form "Withinger" 1 ) vorkommt, kann dahin gestellt bleiben. (Im Sonnenberge bei Parchim giebt es noch heute einen Witingsberg, an welchen sich Sagen von Räubern knüpfen.)

Zur Zeit des Ankaufes des Dorfes Wendisch=Wik waren die dortigen Gehöfte schon in deutschen Händen.

Die Frau Mechtild von Wyk besaß einen Hof zu Wyk ("curiam supra Wyk"), den sie nach dem Stadtbuche vom J. 1270 flgd., fol. 118, mit ihrem Sohne Heinrich im Frühjahr 1286 an Hermann, Meinrichs Sohn, und an Hermann Ratenow für 37 Mk. currenter Münze verpfändete. Diese Eintragung ist getilgt. Im folgenden Jahre verkaufte sie diesen ihren Hof an den Gärtner Riquard, fol. 156:

"Domina Mechtildis de Wyk et Henricus filius ejus, de consensa tutorum eorum, Conradi de Lawe, Alberti Spicenagel et Henrici de Totendorp, vendiderunt Riquardo ortulano suam curiam supra Wyk et sibi rationabiliter resignaverunt; sed dictus Riquardus solvit civitati annuatim VIII marcas, quatuor marcas in pasche et quatuor marcas Michaelis, Henrico de Totendorpe et Mechtildi et Heinrico filio ejus warandiam diei et anni promittentibus. Ludolfus Pes et Hildebrandus Eselesvot et Jo. Nicig tabule presidebant".

Conrad von Lawe und Albert Spicenagel waren beide rostocker Rathsherren, also wird auch die Verkäuferin einer deutschen Familie angehört haben. Der verkaufte Hof wird der Haupthof gewesen sein, da die Summe von 8 Mk. eine bedeutende Pacht war und die Verkäuferin den Namen von der Wyk trug.

Diese Eintragung ist gleichfalls getilgt, denn im J. 1288 verkaufte Riquard diesen Hof an Meinhard von Malchow; die Stadt als Grundherrschaft behielt sich jedoch vor, den Hof einzuziehen gegen Erstattung des von Meinhard gezahlten Kaufpreises, ein interessanter Beleg für die Festigkeit der alten bäuerlichen Erbleihe. Die Stelle fol. 163 des Stadtbuches lautet:

"Riquardus ortulanus de Wik vendidit Meynekino de Malchowe suam curiam supra Wik et sibi rationabiliter resignavit. Sed dictus Meynekinus dabit annuatim civitati VIII marcas denar., quatuor in pascha et quatuor Michaelis. Et si civitas dictam curiam emere voluerit, ipsi


1) Vgl. Jahresbericht VIII, S. 152.
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Meynardus pro tanto precio, sicut ipse comparavit, non negabit. Henricus de Totendorp, Nicolaus de Kessin, ortulanus, Fredericus de Besevitz et idem Riquardus promiserunt warandiam diei et anni. Hermannus Wilde, Hildebrandus Eselesphot et Jo. Nicig tabule presidebant".

Dies ist wieder getilgt und ein späterer Zusatz ist gleichfalls getilgt, lautend:

"Item consules vendiderunt eidem Menikino redditus IIII marcarum in curia, que fuerat Conradi Trepperes et Johannis de Wulferdeshagen, conditione predicta interposita".

Ueber das hier gedachte zweite Erbe in Wik giebt eine gleichfalls getilgte Eintragung von 1287 nähere Auskunft:

"Arnoldus Platemakere et Elerus sartor vendiderunt Johanni de Wulfardeshagen et Conrado Treppere de consensu uxorum eorum et puerorum omnem hereditatem eorum in Wendeschen Wyk, sive in ortis sive in pratis, eo modo quo a domino Waldemaro possiderunt et nunc a civitate possident, perpetuis temporibus dicta bona possidenda, sed dicti duo Johannes et Conradus dabunt civitati annuatim quatuor marcas, sicut predictus Arnoldus et Elerus dare consueverunt. Ludolfus Pes, Hildebrandus Eselesvot et Jo. Nicig tabule presidebant".

Eine andere Stelle auf der Wik scheint in folgender Eintragung gemeint zu sein:

"Civitas locavit Nicolao (Kercengeter ?) et Nicolao de Kezzin, ortulanis, spacium unum supra Wic, fossato circumductum, ad octo; de quo spacio dicti duo solvent annuatim VIII marcas, sed primo anno gratis habebunt. Finitis octo annis dicti duo dictum spacium pro precio, quod alter dare voluerit, obtinebunt. Precium dabunt in pascha et Michaelis. Actum 1290 in festo Albani, Ludolfo Pede, Hinrico de Vemeren, Ludberto tabule presidentibus".

Conrad Trepper's Hof wird schon im J. 1289 von einem Gläubiger weiter verkauft für 100 Mk.:

"Bernardus de Asbeke resignavit Johanni de Lubeke et Gerhardo Episcopo ortum humuli, qui fuerat Conradi Trepperes et pratum supra Wich

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ejusdem pro C mrc. den., quem ortum et pratum Conradus predictus reemere poterit pro denariis eisdem. Ludolfus Pes, Ludbertus, Henricus de Lare tabule presidebant. Ad hec omnia Conradus Trepper coram consulibus assensum dedit".

Das Meindhardsche Gehöft muß bald darauf von der Stadt angekauft sein; sie verpachtete es ("curiam supra Wich") im J. 1300 an den Schlachter Gerhard auf 4 Jahre für jährlich 12 Mk. Pacht.

Auch der anderweitige Besitz von Trepper und Wulfardeshagen wird in städtischen Besitz gelangt sein. Denn es heißt gegen 1325:

"Notandum sit, quod civitas redemit a Hinrico de Dulmen octo marcarum redditus, quos habuit in ortis civitatis extra portam s. Petri, videlicet in fundo castri, juxta domum laterum s. Petri, et in ortis supra Wich sitis, quos Johannes Wulfardeshagen quondam tenuit. Istorum reddituum Eyghelbertus de Pomerio duas marcas, Bolto de Schowe duas marcas, Martinus ortulanus quatuor marcas annis singulis quolibet festo Michaelis erogabunt".

Außer diesen Höfen, dem S. Clemens=Kirchplatz und den schon oben im Abschnitt 7 berührten Wiesen war noch eine Dorfstelle in Wik. Es heißt um 1325:

"Civitas locavit antiquo Rover carnifici quoddam spaciam agrorum supra Wich, ubi quondam fuerat locus ville, pro sex (später übergeschrieben: "quinque) marcis denar. quolibet festo b. Martini erogandis".

Aus dieser Stelle geht hervor, daß im J. 1325 das wendische Dorf Wik als solches schon abgebrochen und von einzelnen Höfen besetzt war. Daß hier früher die Wenden wohnten, wird schon durch die in 7 angeführte Stelle ("ubi quondam strata slavorum fuerat") angedeutet, erhellet aber ganz besonders aus folgender Stelle:

"Johannes de Rathenow (aus einem altstädtischen Geschlechte) vendidit Henrico slavo Specsnider de Wich aream unam sitam infra Thydericum de Sosat, et sibi resignavit. In ipsa area obtinet dictus Rathenow unius marce redditus, quos Heinricus prefatus reemere poterit, quando vult vel potest, secundum arbitrium

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"civitatis, pro X marcis denariorum". (1294.) Stadtbuch vom J. 1289 flgd., fol. 128.

Im zweiten Viertheil des 14. Jahrhunderts werden die Pachtverhältnisse neu regulirt worden sein, um der Stadt höhere Einkünfte zu sichern. In den seit 1355 vorliegenden Cämmereirechnungen finden sich:

  1. Die Gärten in Wik (orti in Wyk, orti Wyk, oder orti caulium et humulorum versus Wyk);
  2. die Gärten in Rikdahl (orti in Riktalendorp, oder orti Riktalendorp, auch orti et prata humulorum versus Riktalendorp);
  3. die Wiesen am Petridamme (prata juxta aggerem s. Petri);
  4. die Wenden= und Küter=Wiesen (prata slavorum et fartorum).

Alles Uebrige muß also damals rein in Privatbesitz übergegangen sein. Jetzt gehören der Stadt nur noch die Besitzungen unter 3 und 4. Bei den Grundstücken unter 1 und 2 wird deren im 14. Jahrhundert erfolgte Eintheilung, von einzelnen Parcelirungen abgesehen, im Wesentlichen noch bestehen.

1. Die Gärten in Wik umfassen das Terrain zwischen dem Petridamme, dem grünen Wege, Bartelsdorf und Dierkow, welches ungefähr 130 ziemlich gleichmäßige Parcelen enthält.

Dazu paßt genau folgende Stelle des Cämmereiregisters:

"De Wyk.

Memorandum quod civitas habet extra valvam s. Petri quadraginta jugera ortorum cum dimidio jugere, in uno tramite, secus distinctionem ville Derekow situata, quorum quilibet ortus solvit civitati annuatim talentum quolibet festo Nativitatis b. Virginis pro redditibus perpetuo erogandis".

Aus dem J. 1358 am Tage vor Himmelfahrt wird bemerkt, daß die Renten aus den Gärten in Wik jährlich 67 Mk. 2 Schill. betragen, daß die Inhaber solche auf Erfordern der Stadt, deren freies Eigenthum sie seien, zurückgeben müssen, daß aber eine Veräußerung des Pachtbesitzes vor der Cämmerei zulässig sei.

"Et notandum, quod dicti orti spectant cum omni proprietate ad civitatem, nec cultores habent quicquam aliud in eis, quam suos labores, de quibus dant civitati redditus suos predictos, et quam cito civitas voluerit, jacebunt deserti ad quemlibet usum civitatis, nec ipsorum cultores

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habebunt se alio modo intromittere de eisdem, sed solum quiti manebunt de redditibus exsolvendis inantea de eisdem. Etiam quicunque ipsorum cultorum, qui pro nunc sunt, voluerint suos ortos vel jugera aut partem eorum aliis resignare, debent eos in presencia dominorum camerariorum facere inscribi huic registro presenti et sic eorum successores".

2. Die Wiesen und Hopfenhöfe gegen Rikdahl sind die rechts vom Damme zwischen Bartelsdorf, dem bartelsdorfer Bache, in 70 gleichmäßige Parcelen von Alters her eingetheilt. Die alte Pacht war 39 Mk. jährlich, und wörtlich dieselbe Bemerkung, wie wegen der Gärten in Wik, findet sich für die Hopfenhöfe gegen Rikdahl.

Im Jahre 1372 Ostern liehen die Gärtner und Bürger, welche die Gärten und Wiesen in Wik, so wie auf der andern Seite des Dammes gegen Rikdahl bebauen, der Stadt 450 Mk. rostocker Pfennige und erhielten die Zusicherung, daß, wenn auch diese Grundstücke ihnen nicht verkauft sein sollten, doch die Befugniß der Stadt zu anderweitiger Disposition bis zur Rückzahlung der 450 Mk. ruhen sollte. Diese Eintragung ist ungetilgt und also allem Anscheine nach das Fundament, aus welchem das jetzige Eigenthum der privaten erwachsen ist.

Es folgt nun ein Verzeichniß der Inhaber der Hopfenhöfe in Wik, deren 37 1/2 Morgen aufgeführt werden; der Morgen ist zu 1 Pfund (1 Mk. 4 Schill.) verpachtet. In diesem Verzeichnisse kommen auch 20 1/2 Morgen "auf dem Sande" ("supra arenam") vor, die zu 1 Mk. für den Morgen verpachtet sind. Letztere sind entweder die Speckäcker, oder das höher gelegene Acker= und Gartenland inmitten der Petrithorvorstadt, welches zum Theil Sanduntergrund hat (Stangenland, S. Jürgen, Carlshof etc. .). Zusammenhangend muß Beides gewesen sein, da manche Gärtner auf beiden Stellen zugleich Land in Pacht haben, z. B.:

"Bertoldus Gherdenere habet II jugera minus uno quartali et dabit de jugere sito in Wyk I talentum et de aliis tribus quartalibus in arena sitis I mrc."
"Nicolaus Bucowe habet I 1/2 jugera, dans de uno jugere I pund sito in Wyk, et de 1/2 jugere sito supra arenam VIII solidos."
"Heyno Thie habet VI jugera sita supra arenam,dans VI marcas."

3. Die Wiese beim Petridamme ward von der Cämmerei auf Zeit verpachtet und ist im Besitze der Stadt geblieben.

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Dies kann daher nur das Terrain sein, welches Kl. und Gr. Wik heißt und links und rechts vom Damme liegt. Die Pacht betrug 3, 3 1/2 , 4 Mk. jährlich; sie wird auch bezeichnet: "parvum pratum a sinistra parte apud dammonem".

4. Die Küter= und Wendenwiesen (prata fartorum et slavorum). Die Lage dieser Wiesen ist schon durch die ältere Bezeichnung: "nasse Wiesen" (prata madida) genügend angedeutet, besonders aber durch folgende Stelle:

"Stalknec convenit madidum pratum juxta domum laterum s. Petri pro XVI marcis, quolibet festo b. Martini erogandis".

Die Wenden behielten diese Wiesen sehr lange. Erst im J. 1472 wurden diese Wiesen, welche "bis dahin die Wenden und Speckschneider gebraucht hatten", den Schlachtern (Knochenhauern) überlassen. Dieser interessante Vertrag, welcher im J. 1669/70 seine Endschaft erreichte, lautet also:

"De pratis civitatis extra valvam s. Petri assignatis carnificibus".

"Anno domini MCCCCLXXII°, die sabbatis ante visitationem Marie (27. Junii), coram consulatu Rostoch acta sunt infrascripta, videlicet: Dat umme nutticheyd willen der stad Rostok unde der knakenhower darsulvest is de rad myt den olderluden der knakenhowers, Clawes Sotebotter, Hans Spoetling, Bernd Hane unde Clawes Kertzeboem, unde ghanzen amptbroderen des sulven amptes, dede horen to den olden unde middelsten vleescharn, aver een gekamen, also dat de erscreven knakenhower scholen hebben unde bruken der stad wische buten sunte Peters dore beleghen by deme damme, alzo tor luchteren (linken) hant: genomet den hertichdom, twe werder tor Warnow ward achter dem hertichdome, unde tor vordern (rechten) hand den halz, dede schud uppen teghelhoff, de basse by der hoghen brugghe, eyn ord jeghen dem cruce, dede schut uppe de Warnow, eyn werder tuschen dem sulven orde unde dem wuppoyse, de küterwisch unde eyn werder by deme teghelhave, so alze de Wende unde speksnyders de sulven wysche beth an desse tyd gehad unde bruken hebben, wor

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vore de sulve knakenhower scholen unde willen alle jare uppe sunte Mertens dach deme rade to dancke gheven unde betalen dre unde twintich mark sundesch, unde dar baven scholen de sulve knakenhower deme rade unde stad to gude holden twe verdighe reysighe peerde unde twe weraftighe manne myt harnsche unde verdighe tughe, alz twe schutte edder eynen scutten unde eynen myt eyner glevien, de deme rade scholen ryden unde denen so vaken, alz se en tosegghen laten, unde myt dessen schal nicht wesen to vorvanghe edde mynringhe, wanner de gemene borghere ofte ampte 1 ) ere were uthmaken 2 ), men dar ane willen unde scholen de knakenhower bliven plichtich to donde der stad unde dem rade, alz dat von oldings gheholden ys" etc.

Nach dem Hauptregister der Cämmerei von 1670 lagen diese Wiesen, welche den Knochenhauern, weil sie nichts davon gegeben, abgenommen wurden, zu beiden Seiten des Petridammes und um die Bleiche herum bis zur Kreuzbrücke, dann diesseit der Warnow beim Küterbruche. Die Wiesen jenseit des Kreuzgrabens, namentlich die Armenwiese (pratum s. Katharine?), hat


1) In älterer Zeit unterscheidet ein feststehender Sprachgebrauch die nicht im Amtsverbande stehende Bürgerschaft und die Amtsgenossen. Ersteres tritt scharf bezeichnend im J. 1410 hervor, in der Forderung, daß die Rathsstellen zum Theil aus den Bürgern, zum Theil aus den Aemtern besetzt werden sollen. Von einem Amte, den Bäckern, heißt es im Statutenbuche:

" Vortmer welker man syn sulves wert an dem bekkerammethe, de schal syne eede don vor den weddemesteren an der jeghenwardicheit der olderlude unde des ammethes und anders nene eede don by X mark sulvers".

Der Eid lautete:

"Dat ik deme rade to Rozstok truwe, holt unde horsam wil wesen, ere beste to wetende unde ergeste to kerende unde den olderluden mynes amptes mogelken horsam to holdende, dat my god so helpe unde hilghen".

Die Bäcker setzten in Lübeck 1403 durch, daß der Unterschied zwischen den Eiden der Bürger und Handwerker aufhöre.
2) Der Liber arbitriorum von 1400 enthält ein Verzeichniß der von den Aemtern auszurüstenden Mannschaft, zusammen 613 Mann: Schuhmacher 40, Bäcker 30, Krämer 30, Pelzer 20, Knochenhauer 20, Böttcher 20, Riemenschneider 20, Kannengießer 16, Haken 30, Schneider (scroder) 20, Gärber 20, Wollenweber 20, Leineweber 16, Goldschmiede 3, Bartscherer 6, Klippekenmacher 5, Patinenmacher 5, Kleinbinder (veteler) 5, Reifer 10, Wandscherer 5, Tischler (Kistenmacher) 5, Maurerleute 10, Zimmerleute 10, Glaser, Maler 2, Fuhrleute 4, Fischer 20, Nadler 3, Grützmacher 3, Kohlhaken 6, Salzhaken 5, Weißgärber 3, Apfelhaken 3, Armborstner 5, Träger (wohl alle persönlich dienstpflichtig) 150, Leinwandschneider 3, Schwertfeger 3, Drechsler 3, Hutfilter 3, Altschneider 1, Kleiderseller, Speckschneider, Bechermacher, Altflicker bilden den Schluß ohne Angabe einer Zahl.
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zu dem Besitze von 1472 nicht gehört. Von einer andern größern Wiese (gr. und kl. Wyk?) heißt es, sie läge bei Wolhard Stindten Garten, später auch Stintenburg genannt.

Außerdem war schon früh ein Theil der Petrithorvorstadt in Privatbesitz übergegangen, z. B. der Platz der S. Clemens=Kirche. Der Hof in Wik scheint, nachdem die Stadt etwa den größern Theil des Landes abgenommen hatte, wieder an Private veräußert worden zu sein; es ist später die Rede von einer S. Katharinenwiese vor dem Petrithore am Damme beim Hofe des Heinrich Witte (apud curiam domini Heinrici Witte). Eines der Gehöfte führt noch jetzt den Namen Hof mit dem Beisatze des jedesmaligen Besitzers (z. B. Pingelshof).

10.

Die Burg Alt=Rostock.

Nach diesen sichern Ermittelungen läßt sich mit Grund annehmen, daß das wendische Alt=Rostock in der Petrithorvorstadt lag. Hiefür spricht nicht allein die Lage und Beschaffenheit dieser Vorstadt und die Existenz des Dorfes Wendisch=Wik, welches neben oder vor einem Burgwalle gelegen haben muß, sondern auch die ausdrückliche urkundliche Angabe, indem der Fürst Nicolaus von Rostock am 27. Februar 1286 der Stadt Rostock

"sein Dorf Wendisch=Wik mit den angrenzenden Wiesen, und außerdem den Burgwall mit den angrenzenden Wiesen und den sich bis zum Mühlendamme erstreckenden Wiesen verkaufte"
("vallum castri insuper cum prato adiacente et ad dammonem molendinorum ascendente").

Die wendische Fürstenburg Alt=Rostock lag jenseit der Warnow, an dem Flusse, in den tiefen Wiesen, dort wo einst S. Petri=Ziegelhof stand und jetzt die Petri=Bleiche ist.

Nachdem die Stadt im J. 1286 den Burgwall von dem Fürstenhause gekauft hatte, wird schon um das J. 1288 Nicolaus Kerzengheter als Pächter des Burgwalles bei S. Petri (für 4 Mk.) aufgeführt:

"Nicolaus Kercenghetere de vallo castri apud s. Petrum dabit singulis annis II mr. in pascha et II mr. Michaelis".

Derselbe wird 1289 (Dionysii) als Pächter genannt:

"Nicolaus Kerzengetere solvit de vallo castri IIII marcas".

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Im J. 1296 pachteten die Wenden "Thessike, Thekel, Johann Scherebartsbroder und Nicolaus" die Wiese beim Burgwalle (wohl die Schlachterwiese):

"Anno nonagesimo sexto Johannes Tonsor Barbarum, Thessiko, Thekel et Nycolaus, slavi, convenerunt pratum iuxta vallum pro XVIII marcis et dabunt in festo b. Martini".

Im J. 1310 ward nach dem Hausbuche von 1304 die "Wiese links neben dem Burgwalle vor dem Petrithore" (d. i. die jetzige Schlachterwiese) neu verpachtet:

" Civitas locavit Thessekino, fratri Nicolai, et Thessekino Vogel pratum ad sinistram manum juxta vallum extra portam s. Petri ad quatuor annos, anno quolibet pro VIII marcis Mich. (Symonis et Jude 1310)".

Um diese Zeit stand hier auch S. Petri=Ziegelhof. Im J. 1325 heißt es:

"Notandum sit, quod civitas redemit a Hinrico de Dulmen octo marcarum redditus, quos habuit in ortis civitatis extra portam s. Petri, videlicet in fundo castri iuxta domum laterum s. Petri et in ortis supra Wich sitis, quos Johannes Wulferdeshagen quondam tenuit. Istorum reddituum Enghelbertus de Pomerio duas marcas, Bolto de Schowe duas marcas, Martinus ortulanus quatuor marcas annis singulis quolibet festo Michaelis erogabunt."

Aus einem Flurregister von 1669 erhellt, daß der S. Petri=Ziegelhof nur einen Theil der jetzigen Petri=Bleiche einnahm, der übrige Theil aber aus Gartenland bestand, welches in der Folge in den Besitz der Petrikirche gelangte.

Die Stadt kaufte also im J. 1325 von Heinrich von Dulmen 4 Mark Pacht aus den "Gärten der Stadt vor dem Petrithore auf dem Burgplatze neben dem Petri="Ziegelhofe" und 4 Mark Pacht aus den Gärten auf der Wik zurück, welche Johannes Wulferdeshagen früher besessen hatte. Es ist in dieser Stelle nämlich der Ausdruck über die Gärten auf dem Burgplatze ohne Trennung so zusammenzuhalten, wie er hier geschrieben ist, so daß der Ausdruck "orti civitatis extra portam s. Petri videlicet in fundo castri iuxta domum laterum s. Petri" nach der Urkundensprache zur Bezeichnung eines und desselben Grundstückes zusammengehört und nicht zu trennen ist. Hiefür wird die alte Pacht von 4 Mk., nämlich 2 Mk. von Engelbert von Baumgarten und 2 Mk. von Bolte

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von Schowe gegeben. Für die Gärten auf der Wik, welche früher Johann Wulferdeshagen hatte, wird ebenfalls die alte Pacht von 4 Mk. durch den Gärtner Martin bezahlt (vgl. oben S. 39).

In demselben Jahre 1325 pachtete Stallknecht eine tiefe Wiese bei S. Petri=Ziegelhof:

"Stalknecht convenit madidum pratum iuxta domum laterum s. Petri pro XVI marcis quolibet festo b. Michaelis erogandis".

Nach den Cämmereirechnungen von 1355 flgd. überließ Henneke Martini, wahrscheinlich des eben genannten Gärtners Martin Sohn, an Heinrich Bruno's (Sohn) und Heinrich Winkel ein Stück Landes, "Wall" genannt, für 4 Mk. Pacht:

"Henneke Martini resignavit Hinrico Brunonis et Hinrico Winkel, ipsis equaliter, spacium agri seu terre sue, dictum wal, de quo dabunt civitati annuatim quatuor marcas. Scriptum sub anno LIX (1359), feria quarta post Agnetis, Hinrico Frisonis et Arnoldo Cropelin presentibus, et quum civitas mandaverit, desertum et incultum jaceri, ad usum civitatis jacebit."

Es läßt sich aber nicht bestimmen, ob dieses Land auf dem Burgwalle oder auf der Wik, welche ebenfalls Wall genannt werden könnte, lag, da der Gärtner Martin im J. 1325 nur für 4 Mk. Land auf der Wik erworben zu haben scheint und es sich nicht ermitteln läßt, ob er auch den Burgwall erwarb.

Fernerhin kommt noch derselbe Martini mit 4 Mk. Pacht vom "Walle" vor:

"Item Henneke Martini de walle quatuor marcas".

Das von Martini für 4 Mk. gepachtete Land, welches, nach dem Verhältniß der übrigen Pächte, ungefähr 4 Morgen groß gewesen sein muß, wird immer im Ganzen, ohne Berechnung nach Morgen, verpachtet.

Weiterhin kommt der Name Burgwall nicht wieder vor. Bei dem Verkaufe der Wiesen an die Schlachter im J. 1472 wird nur noch der "Ziegelhof" genannt.

Es leidet also keinen Zweifel, daß die wendische Fürstenburg Alt=Rostock vor dem Petrithore, gleich rechts am Damme, an der Ober=Warnow, in den tiefen Wiesen, dort gestanden habe, wo jetzt die Petri=Bleiche ist.

Und mit der urkundlich angegebenen Lage stimmt auch die Beschaffenheit des Bodens überein. "Sämmtliche Wiesen vor dem Petri= und Mühlenthore sind", nach glaubwürdigen Untersuchungen, "von so weichem Untergrunde, daß nicht anzunehmen ist, daß je ein Gebäude darauf gestanden haben könne. Selbst

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auf denjenigen Stellen, welche jetzt am festesten sind, findet man nach Durchstechung der Wiesennarbe keinen festen Grund, sondern stets nur fast fließende Modde; in der Gegend der sogenannten Cämmereidienerwiese und auf dieser selbst ist ein so weicher Untergrund, daß noch jetzt die ganze Fläche beweglich ist. Wenn man nun nicht annehmen will, daß die Burg am linken Warnow=Ufer gestanden habe, so bleibt die einzige mögliche Stelle nur die Petri=Bleiche. Für die Annahme, daß die Petri=Bleiche der in Frage stehende Platz sei, spricht der Umstand, daß dieselbe, in den sie umgebenden weichen Wiesen, gleich einer Insel, aus festem, steinigen Grandboden besteht".


Betrachtet man die ganze Petrithorvorstadt, so wird die Lage der alten Burg Rostock durch Vergleichung mit andern Burgen glänzend bestätigt. Die Lage von Alt=Rostock hat die meiste Aehnlichkeit mit der Lage der Fürstenburg Werle zu Wik bei Schwaan, auch mit der Burg Kessin. Der Burgwall liegt in tiefen Wiesen an dem Warnowflussee der Wohnort für die Bevölkerung und zugleich die Vorburg, die Wik, liegt vor dem Burgwalle landeinwärts, auch in tiefen Wiesen, jedoch dem festen Lande näher.

Von großer Bedeutung ist aber, daß hier in den ältesten Zeiten die S. Clemenskirche, die älteste Kirche Rostocks, lag, welche schon im J. 1293 abgebrochen war, zu welcher der S. Clemensdamm führte (vgl. oben S. 33 flgd.).

Die wendische Bevölkerung wohnte auf den Vorburgen, welche den Namen Wik führten. Nun liegt neben der rostocker kleinen Wik ein weites, niedriges, festes Plateau von Gartenland, welches das Stangenland heißt und in jüngern Zeiten auch wohl mit zur Wik gerechnet wird. Das Stangenland mit dem daran stoßenden Karlshof liegt nicht, wie das wendische Dorf Wik, mitten im Sumpfe, sondern stößt an die breite Unter=Warnow. Das Stangenland mit Karlshof bildete daher wohl den Handelshafen von Alt=Rostock und war wohl der Wohnort der einheimischen und fremden Kaufleute, der Ort des Verkehrs, gewissermaßen der Hafen von Alt=Rostock. Und diese Ansicht wird durch die S. Clemenskirche bestärkt, welche sicher links vom Petridamme, nach dem Stangenlande hin, gestanden hat, vielleicht dort, wo rund um einen kleinen Teich die Häuser, einem kleinen Dorfe vergleichbar, stehen, vielleicht aber auf der kleinen Wik: hier soll man 1 bis 2 Fuß tief unter der

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obern Decke von Garten= und Wiesenerde auf kaum zu durchdringende Stein= und Schuttmassen stoßen.

Der h. Clemens, angeblich von den Aposteln Petrus und Paulus bekehrt, soll nämlich von dem Apostel Petrus den Auftrag erhalten haben, das Schiff der Kirche in den Hafen zu steuern; er ward, an einen Anker gebunden, im Meere ertränkt, weshalb auch ein Anker sein Attribut ist; er wird als der erste oder zweite Nachfolger Petri betrachtet, und das Symbol des Schiffes für die Kirche Christi ist im Mittelalter ein reich ausgeschmücktes Sinnbild. Es läßt sich aber auch eine rein geschichtliche Veranlassung daneben annehmen. Es ist oben S. 10 angedeutet, daß Rostock und Doberan im 12. Jahrhundert ohne Zweifel in lebhaftem Verkehr mit Norwegen standen. In Drontheim aber stand schon früh bei der Königsburg eine S. Clemenskirche, als deren Erbauer Olaf II. der Heilige (1016 - 1030), der Schutzpatron Norwegens, angegeben wird. Der h. Olaf ward zuerst in der S. Clemenskirche begraben und ein Jahr später nach seiner Heiligsprechung auf den Altar dieser Kirche gesetzt. Bei der Erbauung des berühmten großen Domes (seit 1180), Christkirche genannt, ward die S. Clemenskirche, welche unmittelbar an der Nordseite des Chors des Domes steht, mit diesem in Verbindung gesetzt, indem ein Gang zwischen beiden Kirchen durchgebrochen und gebauet und dadurch die S. Clemenskirche ganz erhalten ward. In spätern Zeiten ward der Leichnam des h. Olaf in dem Octogon hinter dem Chore im Osten des Domes beigesetzt 1 ).

Es ist nun sehr wahrscheinlich, daß die Normannen die Verehrung des h. Clemens nach Rostock gebracht haben, indem Doberan zu einer Zeit gegründet ward, wo der Leichnam des h. Olaf, des Schutzpatrons von Norwegen, noch in der Clemenskirche zu Drontheim beigesetzt war. Wahrscheinlich war auch der "Capellan Tiedvig zu Rostock", welcher im J. 1190 bei dem Wendenfürsten Niclot zu Rostock als Zeuge auftrat, Capellan an der S. Clemenskirche. Freilich war der Hof des Fürsten Niclot auf der wendischen Burg Rostock im J. 1190 noch sehr wendisch; aber man hätte doch in Gegenwart des Bischofs Berno einen Pfarrer von Rostock erwarten können. Daß die S. Clemenskirche sehr alt war, läßt sich daraus vermuthen, daß sie schon früh abgebrochen ward. Jedenfalls sind aber diese Andeutungen auf einen Verkehr mit Norwegen, in Verbindung mit den in Doberan gemachten Entdeckungen, sehr bedeutungsvoll.


1) Ueber den Dom und die S. Clemenskirche in Drontheim vgl. v. Minutoli, Der Dom zu Drontheim, Berlin, 1853, S. 15, 24 flgd.
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11.

Die spätern fürstlichen Burgen in und bei Rostock.

Bei der Gründung der deutschen Stadt werden auch die Fürsten aus den Sumpfwiesen in die neue Stadt gezogen sein. Es geht die alte, in Ernst v. Kirchberg ausgesprochene Sage, daß die Fürsten zuerst in der Altstadt eine Burg gehabt haben, wo jetzt die Petrikirche steht; es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Fürsten am alten Markte, in der Nähe der Petrikirche, ein Schloß oder Haus besaßen (S. 12). Bei dem raschen Wachsthum der Stadt werden die Fürsten aber schon früh auf der entgegengesetzten Seite der Altstadt eine Burg gehabt haben. Es ist oben (S. 19) nachgewiesen, daß dieselbe unweit der Marienkirche, am jetzt sogenannten Burgwall, wo die Straße nach der Warnow stark abzufallen beginnt, gelegen habe. Diese Burg verschwindet schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts 1 ). Die Fürsten zogen sich selbst gerne an die Enden der Stadt zurück, um sich freier bewegen zu können. Der Fürst Borwin III. begann daher eine Burg am Bramower Thore aufzuschütten (vallum apud portam Bramowe ad castrum edificandum inchoatum); aber am 27. Oct. 1266 mußte Borwin's Sohn Waldemar der hiedurch beunruhigten Bürgerschaft versprechen, diesen Burgwall wieder abzutragen 2 ). Ja, am 21. Dec. 1278 gab der Fürst Waldemar für sich und seine Nachfolger das Versprechen, eine Meile weit zu beiden Seiten der Warnow keine


1) Ueber das fürstliche Schloß zu Rostock an der "Burgwall"=Straße in der Mitte der Stadt und über den großen Brand der Stadt giebt Ernst von Kirchberg Cap. CXXXI (bei v. Westphalen Cap. CXXIX) eine Nachricht von 4 Reimzeilen, welche in dem Abdruck in v. Westphalen Mon. ined. ganz ausgelassen sind.

Daz selbe iar als hy nu stad (1251)
wart Lubike virbrant drad
vf santi Vites abint io.
- - - - - -
- - - - - -
Dar nach in dem nehisten iar (1252)
frow Sophya starb virwar
swedisch geborn von koniges lib
des iungen Hinrich Burwinis wib.
- - - - - -
- - - - - -
Daz selbe iar Rodestog genannt
halb zu grunde gar virbrant
ane Burwinis burg alleyne
vnd vnsir frowen munstir reyne.

2) Bgl. Dittmar's Landesfürst in Rostock, Nr. 6 und 9.
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Burg oder Befestigung anzulegen 1 ); er verkaufte den Grund und Boden der bei Schmerle gelegenen fürstlichen Burg "Hundsburg" an die Stadt.

Die Rostocker werden von den fürstlichen Burgmännern beunruhigt worden sein, denn Nicolaus Glode ward dieserhalb 1269 in den Criminal=Codex eingetragen:

"Nycholaus Glode proscriptus est per justas sententias pro eo, quod Tidemannum Hecht, volentem capere volucres in Kezcin, duxit captivum supra castrum Hundesborg".

Im J. 1270 sollte die Hundsburg zur Anlegung des Cisterzienser=Nonnen=Klosters zum H. Kreuz benutzt werden 2 ); aber auf den Wunsch vieler angesehener Männer ward das Kloster innerhalb der Stadt gegründet.

Demnächst bewohnten die Landesherren einen nicht befestigten Hof hieselbst (curiam domini terre), ebenso wie in Wismar. Derselbe scheint auf der Neustadt gelegen zu haben, unweit des Bramower Thores. Denn im J. 1329 erwarben die Grapengießer eine Hausstätte auf der Huder hinter dem Hofe des Landesherrn (supra Hude retro curiam domini terre).

Die Burg auf der Altstadt mag Luttekenborch geheißen haben. Im Stadtbuche von 1261 flgd. heißt es:

"Bodo de Ratenow posuit fratri suo Johanni aream illam, in qua Luttekenborch fuit edificatum, et resignavit eidem, et promisit pro defectu Bodo pro III mrc. et III sol. et III denar."

Seit der Säcularisirung des Klosters Doberan benutzten die Fürsten lange Zeit den Doberaner Hof (jetzt die Reitbahn).

Im Anfange des 18. Jahrhunderts ließen die Landesherren das Palais am Blücherplatze bauen.

Vignette

1) Vgl. Dittmar a. a. O. Nr. 8.
2) Vgl. daselbst Nr. 8.