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Inhalt:

A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Joachim Maltzan,

der erste Freiherr seines Geschlechts,

eine biographische Skizze

von

G. C. F. Lisch.


D ie Welt hat gewöhnlich keinen Maaßstab für bedeutende Männer, es sei denn, daß sie, was jedoch selten ist, mit großer Herzensgüte und Offenheit geziert sind. Daher werden sie denn auch häufig mißverstanden und falsch beurtheilt, ja oft Jahrhunderte lang unbarmherzig und ungerecht verdammt, zumal da Neid und Unverstand ihre Handlungen zu schmälern und zu schwächen suchen. Keine Zeit aber hat sich so entgegengesetzte Beurtheilungen gefallen lassen müssen, als die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, eine große und folgenreiche Zeit, die Wiege, ja ein Höhenpunct unserer heutigen Bildung. Kaum in einer andern Zeit begegnen wir so vielen bedeutenden, ja großen Männern, und doch leiden sie zum großen Theil unter dem Vorwurfe der Gesinnungslosigkeit, eines scheinbaren Makels des Charakters, der sich freilich von unserm Standpuncte schwer begreifen läßt. Aber vertheidigen lassen sie sich, wenn man einen objectiven Standpunct einnimmt. Es ist uns allerdings auffallend, wenn wir einen bedeutenden Mann bald diesem, bald jenem Herrn dienen, bald die eine, bald die andere Richtung bekämpfen sehen; aber diese Männer waren Kinder ihrer Zeit, deren Einflusse sie sich nicht ganz entziehen konnten. Einmal war ihre Zeit eine Zeit eines weltgeschichtlichen Ueberganges, wo bestimmte Richtungen sel=

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tener hervorzutreten pflegen, als sonst, - wo Alles erst unter den Händen wird. Dann war es die Zeit der "spanischen Herrschaft" über das civilisirte Europa; das große Reich des Kaisers Carl V. brachte plötzlich einen Geist an die Höfe, der bis dahin unerhört war: eine große Masse der verschiedenartigsten Naturen: Spanier, Italiäner, Franzosen, Belgier, Naturen, welche dem deutschen Geiste schnurstracks widerstrebten, waren über alle Länder verbreitet und impften der Welt ihre Ansichten, auch ihre Fehler ein. Der Drang des politischen Treibens war so bedeutend und stark, daß nur wenige Geister, wie etwa die Reformatoren, demselben widerstehen konnten und oft zu einer Art von Nothwehr getrieben wurden. Und selbst diese Männer gingen ja von einer Ansicht zur andern über. Die Bande des Vasallenthums fingen an sich zu lockern, und der Adel ging in großen Massen in fremde Kriegsdienste dahin, wo Lorbeeren zu erwarten waren, und dies dauerte bis in das 18. Jahrhundert hinein, ja es hat noch heute nicht aufgehört, da man oft grade nicht dem Vaterlande dient, sondern fremde Kriegsdienste als eine Bildungsschule zu betrachten gewohnt ist. Erst der Fall Carls V. und die Durchführung der Reformation brachte eine andere Gesinnung zur Geltung, indem in edleren Kreisen Wahrheit, Gesinnungstüchtigkeit und Ueberzeugungstreue als die höchsten Tugenden zur Verehrung kamen; in dieser Zeit, seit dem Jahre 1552, steht der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg als ein hochherziger und thatkräftiger Charakter ohne Makel ganz unvergleichlich da, und wenn irgend Jemand den Namen eines wahrhaft großen Mannes verdient, so ist er es, der als ein Muster jeder Tugend zu verehren ist.

Zu jenen bedeutenden Männern der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, welche eine weltgeschichtliche Stellung einnehmen, aber auch zum Theil die Schwächen ihrer Zeit theilen, gehört ohne Zweifel Joachim Maltzan, der letzte Ritter Meklenburgs, ein Mann, der so viele große Thaten ausführte und eine so hervorragende Stellung in der Weltgeschichte einnimmt, daß man ihn für einen der bedeutendsten Männer, vielleicht für den bedeutendsten Mann Meklenburgs halten muß, wenn mancher auch Anstand nehmen mag, ihn einen großen Mann zu nennen, da sein Geist von Jugend an nicht unverrückt ein und dasselbe große Ziel, das höchste Ziel vor Augen hatte, das er jedoch in der letzten Zeit seines Lebens klar erkannte. Als gebildeter, ja gelehrter Mann, als tapferer und großer Kriegsheld, als feiner und gewandter Diplomat, diente er scharfsinnig, kräftig und klug als Rath, Feldherr und Gesandter vielen großen Herren Europa's und, vertraut mit den hervorragendsten Per=

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sönlichkeiten und geheimsten An= und Absichten, hatte er Gelegenheit, die allerwichtigsten Dienste zu leisten, so daß sich fast ein halbes Jahrhundert lang die ganze Geschichte Europa's in seinem Leben wiederspiegelt. In seiner Jugend bald diesem, bald jenem Herrn dienend, aus den Diensten Carl's V. eine Zeit lang in die Dienste Franz's I. übergehend, war er doch die größte Zeit seines Lebens in den Diensten des österreichischen Hauses, bis endlich auch aus ihn die Reformation, der er nach seiner norddeutschen Natur schon früh zugewandt war, einen so gewaltigen Einfluß übte, daß er, als er die herannahende Gefahr des deutschen Reiches bemerkte, sich von dem Kaiser, seinem Herrn, trennte und die gewagte, große Sache gegen diesen mit der größten Aufopferung aller seiner Kräfte befördern half, ja vielleicht die Haupttriebfeder der ganzen Erhebung gegen die spanische Politik war, welche er nur all zu genau kennen gelernt hatte. Mögen manche ihn deshalb verdammen, wie ihn der österreichische Hof auf das heftigste verfolgte, sein Abfall war nichts anders, als was die spanische Politik selbst hervorgerufen hatte; sein Abfall war eine Rückkehr zur Wahrheit, die sich freilich nur durch die maaßlose Gewaltthätigkeit des Feindes "der deutschen Freiheit und des christlichen Glaubens" entschuldigen läßt. Und nicht allein als Kriegsheld und Staatsmann ist Joachim Maltzan bewundernswerth, auch seine Bildung in Wissenschaft und Kunst machen ihn liebenswürdig, so daß wir ihn als einen von allen Seiten gebildeten Mann kennen lernen. Auf einer deutschen Universität vorgebildet, war er der lateinischen Sprache mächtig (S. 184 - 186 und Anhang zu dieser Abhandlung); daß er außer seiner Muttersprache wenigstens die französische und italiänische Sprache sprach, läßt sich als selbstverständlich annehmen. Seine Freundschaft mit Ulrich von der Hutten im Anfange (S 323) und zu der Universität Wittenberg am Ende seiner Laufbahn (S. 287 folgd.) geben Zeugniß für seine wissenschaftliche Einsicht. Seine Liebe zu dem Organisten Jacob Mors (S. 294) redet deutlich für sein tiefes Gefühl und seinen Kunstsinn.

Sehr merkwürdig ist es, daß von diesem merkwürdigen Manne bisher nicht viel mehr als der Name bekannt gewesen ist, während viele seiner Freunde und Genossen im hellsten Glanze eines weltgeschichtlichen Ruhmes strahlen. Sobald ich Ahnung von der Bedeutung dieses Mannes hatte, beschloß ich, im Vereine mit meinem verewigten Freunde Albrecht Maltzan, seinem Nachkommen in grader Linie, alle Kräfte aufzubieten, um den Zusammenhang des Lebens des Ritters Joachim Maltzan in

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Urkunden darzustellen. Zehn Jahre lang forschte ich, größten Theils persönlich, nicht allein in den bedeutendsten Archiven Deutschlands, wo ich Ausbeute zu machen hoffen konnte, in Schwerin, Stettin, Hannover, Wolfenbüttel, Dresden, Breslau, Wien, sondern auch in den gutsherrlichen Archiven in Meklenburg, in Schlesien zu Wartenberg und Militsch, in Böhmen zu Teplitz und Graupen, und unterhielt einen ununterbrochenen Briefwechsel von Kopenhagen bis in die geistlichen Stiftungen Südösterreichs, von den Grenzen Polens bis nach Paris. Meine Hoffnung ward nicht getäuscht: ich fand überall fast in jedem Archive sehr wichtige Nachrichten und Briefe von ihm, da er einen unglaublich großen Briefwechsel führte. Die Früchte dieser unverdrossenen und belohnenden Arbeit sind in dem fünften Bande der von mir herausgegebenen Urkunden zur Geschichte des Geschlechts Maltzan 1 ) niedergelegt und geben ein zusammenhangendes Bild des Lebens dieses merkwürdigen Mannes. Viel habe ich freilich erreicht, aber vielleicht eben so viel war mir zu erreichen unmöglich; ich bin überzeugt, daß die Archive Norditaliens, Böhmens, Frankreichs und anderer Länder, auch die Kriegsarchive Wiens noch sehr reiches Material zur Geschichte seines Lebens und seiner Zeit enthalten, glaube aber, daß dieses Material eben so schwer zu finden ist, als mir die Entdeckung der gewonnenen Urkunden schwer geworden ist; da dieser Mann in allen Archiven völlig unbekannt war, so kostete es stets die größte Mühe, die Stellen aufzufinden, wo etwas von ihm zu erwarten war, allerdings nie ohne Erfolg. Jedoch mag das veröffentlichte Material eine gute Grundlage zu weitern Forschungen bilden; zur Darstellung seines Lebens, wie es die gegenwärtigen Blätter entfalten, ist es hinreichend. Die folgende Ausführung macht keinen Anspruch auf eine erschöpfende Lebensbeschreibung, sondern soll nur einen gedrängten Abriß geben, um das urkundliche Material in Zusammenhang zu bringen und den bisher unbekannten Mann in die Geschichte einzuführen. Eine kritische Durchforschung seiner Lebens= und der Zeitgeschichte, welche sich nicht gut trennen lassen, fordert eine umfassendere Arbeit, als die Jahrbücher sie aufzunehmen im Stande sind.

Joachim Maltzan stammte aus einer der ältesten, größten und vornehmsten adeligen Familien Meklenburgs, welche sich


1) Urkunden - Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan, herausgegeben von G. C. F. Lisch, Fünfter Band, Schwerin, 1853,

auch in wenig Exemplaren separat abgedruckt unter dem Titel:

Joachim Maltzan oder Urkunden - Sammlung zur Geschichte Deutschlands während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, herausgegeben von G. C. F. Lisch, Schwerin, 1853, 352 Seiten.
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schon am Ende des 12. Jahrhunderts urkundlich nachweisen läßt, in mehrern Linien sehr viele und große Güter erwarb und seit dem 14. Jahrhundert das Erblandmarschallamt des Landes Werle oder Wenden führt. Schon im 14. Jahrhundert besaß eine Linie auch die Burg Osten in Vorpommern und gelangte im J. 1428 auch zum Besitze der Burg Wolde in Pommern an der meklenburgischen Grenze, einer Burg, welche so groß und fest war, daß es keine zweite im Lande Pommern gab. Seit dieser Zeit führte diese Linie auch das Erblandmarschallamt des Landes Pommern. Im J. 1501 ward dieselbe Linie auch mit Schloß, Stadt und Vogtei Penzlin belehnt. Aus dieser Linie, welche die Wolde=Penzlin'sche Linie genannt wird, stammte Joachim Maltzan, welcher, als der erste Freiherr des Geschlechts, die noch blühende freiherrliche und gräfliche Linie der Maltzan gestiftet hat.

Joachim's Vater war der Ritter Berend Maltzan II. auf Wolde, einer der berühmtesten, kräftigsten und angesehensten Männer der norddeutschen Geschichte, welcher wegen des unbeugsamen Verharrens auf seinem Rechte von dem Volke der "böse Berend" genannt ward. Er war Ritter, herzoglich pommerscher Erblandmarschall, herzoglich meklenburgischer Geheimer Rath und Besitzer reicher und großer Güter, deren Krone die Feste Wolde war, die für unbezwinglich galt. Dem jungen, kräftigen Herzoge Bugislav von Pommern, der im J. 1474 zur Regierung gekommen war und die pommerschen Lande wieder unter Einen Scepter vereinigte, war die Feste Wolde ein Dorn im Auge und das unbeugsame, oft harte Auftreten des Berend Maltzan ein Anstoß. Schon seit dem J. 1476 entspannen sich zwischen beiden heftige Zerwürfnisse 1 ), in welche auch der ausgezeichnete Herzog Magnus von Meklenburg, der 1477 zur Regierung kam und sich mit Bugislav's Schwester vermählte, verwickelt ward. Endlich kamen die Reibungen zum heftigen Ausbruche, da beide Parteien in ihrem Benehmen gegen einander zu weit gingen, namentlich aber das Bestreben des Herzogs Bugislav klar hervorleuchtet, die Rechte und Güter des oft übermüthigen Adels zu beschränken. Der Herzog schritt im J. 1490 in einer Privatfehde, welche Berend mit seinem Vetter Hartwig Maltzan auf Osten hatte, mit Kriegesgewalt ein und überrumpelte mit Uebermacht den Ritter Berend, welcher nicht gerüstet war und ihm die Burg Wolde übergeben mußte. Zwar ward dieser Streit ausgeglichen und Berend erhielt sein Schloß wieder; aber Berend


1) Die ersten Zerwürfnisse des Ritters Bernd Maltzan mit den Herzogen von Pommern und Meklenburg sind dargestellt in Lisch Maltzan. Urkunden IV, S. 9 - 19.
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fing sogleich an, sich zu rüsten und seine Burg noch mehr zu befestigen. Als nun der Herzog Bugislav am 1. Febr. 1491 zu Stettin seine Vermählung mit der polnischen Königstochter Anna mit großer Pracht feierte, trat der Herzog Bugislav zu Berend Maltzan, welcher unter den Gästen war, und ermahnte ihn, er solle von seiner Hartnäckigkeit lassen, oder er wolle ihm einmal "den Katen über den Kopf umkehren und ihm den Weg zum Lande hinaus weisen". Berend nahm die Worte "halb spöttisch" auf. Der Herzog Magnus von Meklenburg aber, welchem das gewaltige Schloß auf seiner Landesgrenze auch "stets in die Augen gestochen hatte", griff seines Schwagers Wort auf und fiel eifrig ein mit der Rede: "Schwager, das gilt eine Tonne Bier, wann Ihr das thut". Da sprach Bugislav: "Es gelte eine Tonne Bier oder eine Tonne Goldes, wird er's nicht besser machen, so will ich es thun". Bernd Maltzan schwieg, nahm sich aber die inhaltsschweren Worte zu Herzen und zog mit dem festen Vorsatze heim, sich auf das äußerste zu wehren.

Um sich eine sichere Zuflucht für den Nothfall zu verschaffen, ward Berend Maltzan auch Lehnmann des Kurfürsten von Brandenburg, welcher damals mit dem Herzoge von Pommern wieder in Zwietracht wegen der Landeshoheit stand. Die Veranlassung dazu gab leicht Berend's Gemahlin, Gödel v. Alvensleben. Der havelberger Bischof Busso v. Alvensleben, ein Verwandter der Gemahlin Berend's kaufte nämlich von den v. Restorf das Schloß Neuburg 1 ) an der Stepnitz bei Wittenberge mit allen dazu gehörenden Gütern, vielleicht mit dem Schloß und Städtchen Schnakenburg und dem Elbzoll S. 298 folgd.), und überließ es wieder käuflich dem Ritter Berend Maltzan, der es am 4. December 1491 wieder seiner Gemahlin zum Leibgedinge verschrieb, nachdem an demselben Tage der Kurfürst Johann den Ritter Berend mit diesem Schlosse belehnt hatte.

Zugleich ließ Berend Maltzan sein Schloß Wolde stärker "befestigen, begraben, bespeisen und bewehren", nahm märkische Hauptleute an und versorgte sich "mit Büchsen, Kraut und Loth, indem er gedachte, wohl einen Trotz auszustehen". An die Erfüllung der ihm abgezwungenen Verträge dachte er nicht, da er im Rechte zu sein glaubte und sein Recht forderte; und da er dieses nicht fand, so erwartete er ruhig, was über ihn ergehen sollte. Als nun der Herzog seinen Willen nicht erfüllt sah, bot er die Städte Greifswald, Stralsund, Anklam und Demmin auf und belagerte das Schloß Wolde acht Tage lang mit ganzer


1) Vgl. Lisch Maltzan, Urk. IV, S. 204 folgd.
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Macht. Der Herzog schoß mit allen Kräften darauf, aber die Mauern waren so dick und stark, daß Maltzan nichts darnach fragte. Aber es ward auf dem Schlosse versehen, wie sie in der Nacht die Büchsen laden wollten, daß das Pulver, welches auf dem Schlosse war, Feuer fing und das halbe Schloß umkehrte. Da Maltzan das sah und es in der Nacht war, so ging er davon. Der Herzog aber ließ das Schloß stürmen und in den Grund brechen, was denn auch die Herzoge von Meklenburg gerne sahen. Dies geschah am 29. August 1491 1 ). Wäre der Unfall mit der Entzündung des Pulvers nicht gekommen, so meinte man, sei das nicht geschehen, was der Herzog Bugislav selbst beklagte, da er eine solche Feste im ganzen Lande nicht hatte. Noch heute liegt die Burg so, wie sie im J. 1491 gebrochen ward, den gewaltigen Wällen gleich gemacht.

Berend Maltzan entfloh in die Mark nach seinem neu erworbenen Schlosse Neuburg, wo schon Weib und Kind wohnten, und wo er lange Zeit Haus hielt. Von hier erhob er Klage bei dem Kaiser. Aber die Fehde dauerte noch viele Jahre unter den größten und kühnsten Gewaltthätigkeiten fort, bis endlich der Herzog Magnus von Meklenburg im Auftrage des Kaisers am 28. Julii 1498 zwischen dem Herzoge Bugislav und Berend Maltzan einen dauernden Frieden schloß, durch welchen der Herzog den Ritter wieder zu Gnaden annahm und ihm seine Güter wieder verlieh. Berend Maltzan wohnte jedoch später auf der Burg Penzlin, mit welcher er am 18. Julii 1501 von den Herzogen erblich belehnt 2 ) ward, und ward bald der erste und angesehenste Rath der Herzoge von Meklenburg.

Während dieses Aufenthalts auf dem märkischen Schlosse Neuburg ward Joachim Maltzan, der älteste Sohn des Ritters Berend Maltzan und der Gödel von Alvensleben, geboren, wahrscheinlich im J. 1492, da man einen frühen Zeitpunct annehmen muß, indem Joachim Maltzan schon sehr früh genannt wird 3 ). In einem Injurienstreite, den Joachim Maltzan im J. 1525 mit Christoph v. Quitzow auf Stavenow hatte, sagt dieser zu jenem: "Ich bin des sehr wohl zufrieden, daß wir da, wo unsere Landart gelegen, da du und ich geboren, wir aus einen gelegenen Platz sammt etlichen unsern


1) Die Zerstörung von Wolde ist urkundlich dargestellt in Lisch Maltzan, Urk. IV, S. 167 - 179.
2) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. IV, S. 324 folgd.
3) Die Beweisstellen aus dem fünften Bande der Maltzan'schen Urkunde werde ich von hier an, um Raum zu ersparen und lästige Wiederholungen zu vermeiden, im Texte nach den Seitenzahlen in ( ) citiren, da der fünfte Band und der davon genommene Separatabdruck gleiche Seitenzahlen haben.
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"Freunden zusammen kommen, nämlich zu Perleberg, Ruppin oder Stendal" (S. 55), und Joachim Maltzan nennt den Kurfürsten von Brandenburg "ihren gnädigsten Herrn". Joachim Maltzan war hiernach, nach seines Vaters Tode im J. 1525, in Norddeutschland Vasall der Herzoge von Meklenburg, der Herzoge von Pommern und der Kurfürsten von Brandenburg.

Berend Maltzan wandte auf die Erziehung seiner Söhne großen Fleiß. Als Joachim ungefähr 13 Jahre alt war, schickte der Vater ihn und seinen nächstfolgenden Sohn Ludolf, unter der Aufsicht des Licentiaten Magnus Hund, auf die Universität Leipzig, wo beide am 16. October 1504 immatriculirt wurden (S. 1). Aus diesem sorgfältigen Unterricht, welcher für jene Zeit im weltlichen Stande nicht gewöhnlich war, erklärt sich denn auch Joachim'' Tüchtigkeit, Gewandtheit und Umgang während seines ganzen Lebens. Er ward ein Ritter, der Latein verstand, ähnlich seinem Freunde Ulrich von Hutten.

Schon in seinen Knabenjahren auf der Universität bahnte sich der ungewöhnliche Lebensweg Joachim's an. Im Lande Stargard war eine Linie der märkischen adeligen Familie von Pfuhl mit Lehngütern ansässig. Als diese Linie ausgestorben war, zogen die Herzoge zuerst diese Güter als heimgefallene Lehen ein, verliehen sie jedoch bald den Vettern des letzten stargardischen Pfuhl wieder. Von diesen hatte Friedrich Pfuhl ein Fräulein Anna v. Bibow, welche schon mit Henning v. Oldenburg verlobt war, zum Eheversprechen verleitet. Die meklenburgischen Herzoge nahmen aber die Anna v. Bibow als Hoffräulein an ihren Hof und ließen sie im J. 1497 dem Henning v. Oldenburg antrauen. Da kündigte Friedrich v. Pfuhl den Herzogen von Meklenburg und deren Landen Fehde an, mit der kecken Ansage, daß er nicht länger als einen Tag nach Dato seines Fedebriefes Geleit begehre. Die erste Hälfte des 16. Jahrh. war, trotz des ewigen Landfriedens, nicht so friedlich, als man häufig gerne glauben will; es kommen so viele gewaltthätige Privatfehden vor, namentlich in dem ersten Viertheil dieses Jahrhunderts, daß die Zeit nicht viel besser war, als die frühern, wenn auch das Bewußtsein der schlechten Zustände, welches die Reformation hervorrief, schon lebendig war. Diese pfuhlsche Fehde ist aber eine der interessantesten und merkwürdigsten in dieser ganzen Zeit; sie dauerte vom J. 1497 an 10 Jahre und ward mit allen Gewaltthätigkeiten und Plackereien fast ununterbrochen fortgeführt. Da Pfuhl auf die wiederholten Ladungen eines Vasallengerichts nicht erschien, so wurden im J. 1499 seine Lehen eingezogen und er in die Reichsacht erklärt. Endlich fing

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man an zu unterhandeln. Pfuhl verlangte als erste Bedingung die Aufhebung der Reichsacht; als ihm dies nicht erfüllt ward, so lockte er die beiden Söhne des Ritters Berend Maltzan im Herbste des Jahres 1505 aus der Stadt Leipzig und nahm sie als Geißeln gefangen, weil Berend Maltzan der angesehenste und erste Rath der Herzoge von Meklenburg war, welcher auch in dieser Angelegenheit mit Pfuhl verhandelt hatte (S. 2 folgd.). Pfuhl führte die beiden Knaben auf das "Gebirge", wohin ist nicht gesagt, wahrscheinlich auf die Burg eines Befreundeten im sächsischen Gebirge, und setzte sie in ein "Gefängniß" (S. 6). Vor der Gefangennehmung der beiden Knaben hatte Pfuhl für die Entsagung der Fehde, der Braut und der Lehngüter 3000 Goldgulden gefordert; im Junii 1507 forderte er 1500 Goldgulden für die Söhne Maltzan's mehr, da ihm diese viel Geld gekostet hätten. Es ward im Sommer des Jahres 1507 viel hin und her gehandelt 1 ); die Knaben wurden vom Gebirge herunter geführt, um beim Friedensschlusse ausgeliefert zu werden. Aber erst am 24. August 1507 ward unter Vermittelung des Kurfürsten von Brandenburg zu Berlin der Vertrag geschlossen, nach welchem Friedrich Pfuhl Aufhebung der Acht, Amnestie und 4500 Goldgulden erhielt, wogegen er und seine Vettern allen Ansprüchen, auch an die meklenburgische Lehngüter, entsagte (S. 5). So hatten die beiden Knaben nahe an zwei Jahre in Gefangenschaft schmachten müssen.

Bernd Maltzan schickte seine Söhne nach ihrer Befreiung wieder auf eine Universität, vielleicht wieder nach Leipzig. Joachim Maltzan sagt dies selbst. Als er im J. 1525 mit Christoph v. Quitzow in einen Injurienstreit gerathen war, da dieser die Rechtmäßigkeit seines Ritterstandes bezweifelte, indem er behauptete, Joachim sei zu jung dazu gewesen, den Stand im mailändischen Kriege zu erwerben, rechtfertigte sich dieser am 18. Julii 1525 in einem Briefe und wies nach, daß Quitzow andere, ältere Schlachten, in denen er allerdings nicht gefochten haben könne, hervorgezogen habe, um seinen Zweifel zu bemänteln. Quitzow behauptete, Joachim Maltzan sei nicht in der Schlacht von Novara gewesen, die er doch ehrlich mit habe gewinnen helfen; ferner behauptete Quitzow, Maltzan sei auch nicht in der Schlacht von Ravenna gewesen, und meinte damit die "alte Schlacht zu Ravenna", jedoch nicht die "Hauptschlacht zu Ravenna". Unter der "alten Schlacht zu Ravenna" kann nur die Belagerung der Citadelle von Ravenna in dem Kriege der


1) Die Verhandlungen mit Friedrich Pfuhl sind gedruckt in Maltzan. Urk. IV, S. 378 - 388.
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Ligue von Cambray gegen Venedig verstanden werden, welche nach der Schlacht von Aignadel, am 14. Mai 1509, begann. Denn Joachim Maltzan sagt in dem Briefe (S. 48), daß er zur Zeit der "alten Schlacht Von Ravenna (also im J. 1509), welche bei Königs Ludwig Zeiten und etliche Jahre zuvor, ehe der mailändische Krieg anging, geschehen ist, noch als ein halb erwachsener Jüngling mehr denn hundert Meilen von Ravenna auf der hohen Schule gestanden, sich auch erst lange Zeit darnach des Krieges angenommen" habe. Es geht hieraus auch mit ziemlicher Sicherheit hervor, daß die oben gestellte Annahme der Zeit der Geburt Joachim's im J. 1492 richtig sein muß, indem Joachim im J. 1509 ungefähr 16 bis 17 Jahre alt sein konnte.

Nach früher Beendigung der Universitätsstudien suchte Berend Maltzan für seine Söhne Joachim und Ludolf einen fürstlichen Hof, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich in feinen und ritterlichen Sitten und in der Politik ("um Uebung und Erfahrung willen") auszubilden. Da der Vater den bairischen Hof allen andern vorzog, so erließ der Herzog Heinrich der Friedfertige ein Fürschreiben an den Herzog Wilhelm IV. von Baiern, welcher im J. 1508 zur Regierung gekommen war und damals etwa 18 Jahre alt sein mochte, da der Brief (S. 7) zwischen 1509 und 12 geschrieben sein muß. Wir wissen freilich nicht den Erfolg dieses Fürschreibens, können aber sicher annehmen, daß Berend Maltzan seine Absicht erreicht haben wird.

Von dem Hofleben ging der Jüngling Joachim Maltzan in das Kriegsleben nach Italien, wo sich grade damals ein Schauplatz großer, welterschütternder Begebenheiten eröffnete. Joachim Maltzan hat über seine bedeutende Theilnahme an den Ereignissen in Italien während der ersten Jahre seiner kriegerischen Thätigkeit selbst einen höchst schätzenswerthen Bericht (S. 9 flgd.) hinterlassen, den er gegen das Ende seines Lebens zu seiner Rechtfertigung gegen die ihm angethanene Gewalt von Seiten Oesterreichs, als er zur protestantischen Fahne übergetreten war, abfaßte. Mit diesem ausführlichen Berichte über sein Leben stimmt ein Brief vom 18. Julii 1525 (S. 47 flgd.) überein, in welchem er zu seiner Vertheidigung gegen die Verläumdungen des Christoph v. Quitzow auf Stavenow einige Hauptbegebenheiten seines Lebens erzählt; ohne diese beiden Schriften würde die bedeutende Wirksamkeit des Helden, welche von großem Einflusse auf die europäische Geschichte ward, ganz unbekannt geblieben sein.

Joachim Maltzan mochte ungefähr 20 Jahre alt sein, als er seine Feldherrnlaufbahn eröffnete, auf welcher er in den

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nächsten Jahren so große Erfolge gewann. Man begegnet in jener Zeit nicht selten großen Feldherren von so großer Jugend: der große Gaston de Foix, Maltzan's Gegner, war auch erst 23 Jahre alt, und der König Franz I. von Frankreich zählte erst 20 Jahre, als er den Thron bestieg.

Seit fast 20 Jahren hatten die Franzosen die größten Vortheile erungen. In dem Streben, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, stiftete der kriegerische Papst Julius II. im J. 1511 die Heilige Ligue, durch welche er den König Ferdinand den Katholischen von Spanien, den König Heinrich VIII von England und die Republik Venedig mit sich verband; auch zog der Papst die Schweizer mit in das Bündniß. Nur der deutsche Kaiser Maximilian I. blieb dem Könige Ludwig XII. von Frankreich treu. Die erste Wirksamkeit des jugendlichen Joachim Maltzan fällt ganz in die Zeit der Heiligen Ligue, die Joachim Maltzan den "mailändischen Krieg" nennt. Der Krieg der Heiligen Ligue begann sogleich. Nach manchen Wechselfällen, während welcher der Kaiser gegen den König von Frankreich lau ward, kam es bald, am 11. April 1512, zu der blutigen und großen Schlacht bei Ravenna, in welcher die Franzosen, unter der Führung ihres jugendlichen Feldherrn Gaston de Foix, der jedoch seinen Tod fand, über die Heilige Ligue einen großen Sieg davon trugen, welcher jedoch den Franzosen gar keinen Vortheil brachte. Jetzt fielen der Kaiser und die Schweizer von dem Könige von Frankreich ab, welcher nun ganz allein stand. Der Kaiser rief die deutschen Hülfsvölker ab; die Schweizer fielen in das Herzogthum Mailand ein, welches dadurch zum vollen Aufstande gebracht ward, und setzten den Maximilian Sforza wieder zum Herzoge von Mailand, der auch die Belehnung des Kaisers erhielt. Mailand blieb nach wie vor lange der Hauptschauplatz großer kriegerischer Begebenheiten in Italien.

Dies ist der Zeitpunct, in welchem Joachim Maltzan den Kriegsschauplatz betrat. Zuerst ward er im J. 1512 "nach der Hauptschlacht von Ravenna eine Zeit lang unter des großen Georg von Frundsberg Regiment in etlichen ehrlichen Thaten gebraucht" (S. 9), lernte also das Kriegshandwerk zuerst unter diesem berühmten Feldherrn. Dies war ohne Zweifel in den kaiserlichen Erblanden, da der Kaiser gegen das Ende des Jahres 1511 nach Deutschland zurückging, um das Ansehen des vielfach gestörten Landfriedens herzustellen, und dem Georg von Frundsberg das tyroler Aufgebot, zugleich zur Bewachung der italiänischen Grenze, anvertrauete.

Nach der Schlacht von Ravenna und der Wiederherstellung

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des Herzogthums Mailand trat Joachim Maltzan in die unmittelbaren Dienste des Herzogs Maximilian Sforza von Mailand und blieb in denselben drei Jahre, so lange der Krieg währte. Joachim sagt selbst (S. 48), daß er, "wie öffentlich am Tage sei, drei Jahre dem Herzoge von Mailand, so lange der Krieg gewährt, wider die Franzosen gedient und nie in des Königs Ludwig Diensten gestanden habe", und daß er "zur Zeit der Schlacht von Novara (6. Junii 1513) des Herzogs von Mailand Diener gewesen" sei.

Nach der Schlacht von Ravenna traten die Verbündeten mit größerer Anstrengung zusammen und drängten die Franzosen immer mehr zurück. Der französische Feldherr La Palisse, welcher dem Gaston de Foix gefolgt war, ward noch im J. 1512 aus Pavia vertrieben. In der Verfolgung dieses Feldherrn trat Joachim Maltzan zuerst als Befehlshaber auf. Es ist "Maltzan mit in dem ersten Zuge vor Pavia gewesen und helfen den Herrn La Palisse sammt dem französischen Kriegsvolk in derselben Stadt Pavia belagern, die so hart geängstigt wurden, daß sie zur andern Seite über die Ticinobrücke haben weichen müssen, und ist Herr Maltzan sammt Herrn Ulrich von Hohensax (aus einem ausgestorbenen schweizerischen Geschlechte) auf Befehl des obersten Feldhauptmanns mit 5000 Mann den Franzosen nachgeeilet und hat sie ganz vernichtet". La Palisse ward mit den geringen Trümmern des französischen Heeres über die Alpen nach Frankreich zurückgetrieben, und drei Monate nach der Schlacht von Ravenna hatten die Franzosen Italien ganz wieder verloren. Die Mittheilungen Maltzan's über die Verjagung der Franzosen aus Pavia, über welche man bisher nur wenige Andeutungen kennt, ergänzen die Geschichte dieses merkwürdigen Herganges aus erfreuliche Weise.

Bei dieser Gelegenheit wird Joachim Maltzan auch mit dem wackern Ulrich von Hutten in Freundschaft getreten sein oder das Freundschaftsbündniß erneuert haben, wenn er ihn schon vorher sollte kennen gelernt haben. Dieser merkwürdige Mann, damals 24 Jahre alt, welcher dem Joachim Maltzan in so vieler Hinsicht geistesverwandt war, war in Pavia, um die Rechtswissenschaften zu studiren, als Maltzan nach der Schlacht von Ravenna Pavia (1512) belagerte; er ward während der Belagerung von den Franzosen hart behandelt und glücklicherweise nach der Einnahme der Stadt durch die Schweizer gerettet; ohne Zweifel sah ihn Joachim Maltzan hier und nahm sich seiner an. In einem Briefe vom 13. August 1518 (S. 323) nennt Ulrich von Hutten den Joachim Maltzan seinen theuren Freund ("amicissimum") und bittet ihn um Erhaltung ihrer Freundschaft. -

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Nach seiner Befreiung aus Pavia wandte Ulrich von Hutten sich nach Bologna; da ihm aber alle Mittel zu seinem Unterhalt abgeschnitten waren, sah er sich genöthigt, im Heere Maximilians als gemeiner Kriegsknecht zu dienen und machte als solcher im J. 1513 die Belagerung von Padua mit. Im J. 1514 war er wieder in Deutschland.

Bald offenbarte sich das Feldherrntalent Joachims Maltzan auf die allerglänzendste Weise, was freilich bis heute nicht bekannt gewesen ist. - Der König von Frankreich konnte die großen Opfer und Verluste in Italien nicht verschmerzen. Er rüstete mit aller Macht, um wenigstens Mailand wieder zu gewinnen. Im J. 1513 zog ein gewaltiges französisches Heer von 40,000 Mann, wie Joachim Maltzan berichtet, mit guter Artillerie unter der Anführung der Feldherren La Tremouille und Trivulzi über die Alpen. Die Franzosen eroberten Mailand auch rasch wieder, bis auf Como und Novara; in Novara war der Herzog Maximilian Sforza, welcher "ganz und gar vezaget war, also daß er aus Novara weichen wollte", als die beiden französischen Feldherren die Stadt zu belagern begannen. Einstweilen vertheidigte sich die Besatzung unter des Herzogs von Mailand Bruder Franz Sforza standhaft; denn kurz vorher hatte Joachim Maltzan mit dem Gelde, welches der neue Papst Leo X. hergab, "ganz eilends mit geringem Gelde 4000 gute Knechte aus dem Schweizer und Graubündner Lande gewonnen und schnell und glücklich nach Novara hineingebracht. Während Maltzan zum zweiten Male nach der Schweiz gegangen war, um noch mehr Kriegsvolk aufzubringen, hatten die Franzosen die Belagerung begonnen. Maltzan kam abermals mit 6000 guten Knechten, verband sich mit dem Markgrafen Johann Gonzaga von Mantua, der einen reisigen Zug führte, und ängstigte die Franzosen so sehr von der Belagerung, daß er sich mit allem zugeführten Kriegsvolk in die Stadt werfen konnte. Mit solchen Kräften und solchem Muth rückten die Belagerten am nächsten Morgen früh (ohne Geschütz) aus der Stadt, begannen die Schlacht, gewannen die Oberhand und schlugen die Franzosen bei Novara am 6. Junii 1513 so gänzlich, daß diese alles, was sie an Geschütz und Gepäck (auf beladenen Mauleseln) hatten, verloren, worauf die mailändischen Feldherren die schwachen Trümmer des französischen Heeres wieder über das Gebirge über den Mont Cenis trieben und das ganze Land wieder eroberten". Es sollen 8000 Franzosen, aber auch 5000 Schweizer in der Schlacht geblieben sein. So erzählt Joachim Maltzan (S. 10) den interessanten Hergang des berühmten Tages. Es ist ohne Zweifel,

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daß der junge Joachim Maltzan es vorzüglich gewesen ist, der die große Schlacht gewann. Er sagt in seinem offenen Briefe (S. 48) vom 18. Julii 1525, daß "er mit dem Haufen, den er zu Novara in der Schlacht geführt, die Schlacht ehrlich erobert habe", und ferner, "daß er in der Schlacht von Novara, in welcher der Markgraf (Johann Gonzaga) von Mantua die Reisigen geführt, den mehrern Theil des Fußvolks glücklich geführt habe". Auch sagt er in dem offenen Berichte vom J. 1551 (S. 10), "daß er und der Herr von Gonzaga die Schlacht angefangen, dieselbe überhaupt gewonnen, die Franzosen wieder über das Gebirge getrieben und das ganze Land wieder erobert" habe. Schon Spangenberg sagt in seinem Adelsspiegel II, Fol. 235 a: "Joachim von Maltzan, Meklenburger, hat das Beste für Novarien gethan, auf des Sfortia Seiten". Bekannt ist es, daß La Palisse den 10,000 Schweizern, welche Joachim Maltzan so schnell und glücklich herbeiführte und ordnete, nicht widerstehen konnte und daß diese es waren, welche die Schlacht gewannen.

Von der andern Seite gewannen die Verbündeten einen andern Vortheil. Georg von Frundsberg hatte 6000 Reisige nach Italien geführt und diese mit den Ueberbleibseln der Schlacht von Ravenna vereinigt. Bei dem Zuge gegen Venedig, welches wieder aus Frankreichs Seite getreten war, gerieth dieses Heer in den Gebirgen in eine so mißliche Lage, daß die Venetianer es schon zur Ergebung aufforderten. Jedoch wagte Georg von Frundsberg einen beschwerlichen Ausweg und schlug das angreifende venetianische Heer am 7. October 1513 bei Creazzo gänzlich, worauf Frundsberg die östlichen Städte Oberitaliens in Besitz nahm.

Während im J. 1513 dies Alles in Italien geschah, waren die Engländer mit großer Macht in Nordfrankreich gelandet und hatten sich mit den kaiserlichen Völkern aus den Niederlanden vereinigt; der König von England und der Kaiser kamen persönlich zu dem Heere, belagerten die Festung Terouenne und schlugen die zum Entsatze heranrückenden Franzosen am 17. Aug. 1513 in der Sporenschlacht bei Guinegate gänzlich.

Während der Zeit bereitete der Kaiser Maximilian zugleich einen Feldzug mit deutschen und schweizerischen Völkern vor, um Burgund zu nehmen. Der französische Feldherr La Tremouille kam eben mit den Trümmern des französischen Heeres von der Schlacht von Novara (6. Junii 1513) über die Alpen zurück, als Maximilian's Heer gegen Hochburgund heranrückte. La Tremouille warf sich zu rechter Zeit in die Festung Dijon. Joachim Maltzan war mit dem siegreichen Heere den "flüchtigen

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Franzosen nach Hochburgund nachgezogen und traf mit Maximilian's Heer vor Dijon zusammen, welches er mit belagern half" (S. 10); Maltzan giebt die Stärke des gesammten Belagerungsheeres auf 38,000 Mann an; Maximilian's Heer war 25,000 Mann stark, von denen 16,000 schweizer Söldner waren; also waren über 12,000 Mann aus Italien nachgezogen. La Tremouille sah ein, daß er sich nicht halten und wehren könne; er griff daher zur List und kaufte die Schweizer ab, welche nach Hause zogen. So erlangte La Tremouille leidliche Bedingungen zur Rettung.

Welches Ansehen damals schon der junge Joachim Maltzan hatte, geht daraus deutlich hervor, daß am 9. Januar 1515 der hochgestellte Cardinal und kaiserliche Rath Matthäus, Erzbischof von Gurck und Coadjutor zu Salzburg, ein Fürschreiben an die Herzoge von Meklenburg erließ, in welchem er diese bat, die Irrungen mit dem Ritter Berend Maltzan "um seines Sohnes Joachim Verdienens willen" auszugleichen (Vgl. S. 24 u. 22).

Der König Ludwig XII. erreichte es jetzt nach so harten Schlägen, seine Feinde zu trennen und mit jedem einzeln Frieden zu gewinnen. Er wollte die Ruhe benutzen, um sich zur Wiedereroberung Mailand's zu stärken, als er am 1. Januar 1515 im 53. Jahre seines Alters starb.

Ihm folgte der König Franz I., ein zwanzigjähriger Jüngling von glänzenden Gaben und sprudelnder Lebhaftigkeit, welcher sogleich beschloß, alles an die Wiedereroberung Mailands zu setzen. Er betrieb die Zurüstungen sehr geheim und brach im August 1515 mit einem sehr großen und glänzenden Heere auf, dessen Haupttheil er selbst anführte; gewöhnlich wird das Heer auf 60,000 Mann geschätzt; Maltzan giebt es zu 80,000 Mann an. Joachim Maltzan, welcher bei dem Kaiser Maximilian und der Heiligen Ligue seine Dienste erneuert hatte, spielte in diesem Feldzuge, welcher vor den meisten Kriegszügen hoch berühmt ist, vielleicht die wichtigste Rolle, obgleich bisher nichts davon bekannt geworden ist. Joachim Maltzan brachte eine Heeresabtheilung von "7500 guten Kriegsknechten in 14 Fähnlein" zusammen, welche der "Freie Haufe" genannt ward, (S.11 u. 49) und die er "unter sich als des Freien Haufens Oberster Hauptmann" hatte. Diese Heeresabtheilung ward der "Freie Haufe" genannt, weil von allerlei "Kriegsleuten, von "Schweizern und andern Knechten, von Edlen und Unedlen, auch zum Theil von alten Geschlechtern aus den kaiserlichen Erblanden in dem Haufen bei einander waren". Zugleich kam der Cardinal, Bischof von Sitten der Ligue mit 18,000 Schweizern

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zu Hülfe. Als König Franz durch Savoyen gegen die Gebirgspässe zog, besetzten der Cardinal von Sitten und Galeazzo Visconti nördlich bei Susa und Joachim Maltzan südlich bei Saluzzo die Gebirgspässe so fest, daß die Franzosen den Durchgang nicht zu erzwingen wagten. Da ließen "die Franzosen 3 Meilen von Saluzzo einen ungehörten, neuen Paß durcharbeiten und anrichten, kamen unversehens in einer Nacht über das Gebirge und überfielen in einem offenen Flecken (Villafranca) den zur Beobachtung der Bewegung der Franzosen abgeordneten päpstlichen Feldherrn Prosper Colonna", welchen La Palisse gefangen nahm und dessen Truppen er niedermetzeln ließ. Darauf wandten sich die Franzosen gegen Joachim Maltzan nach Saluzzo und nahmen die Pferde und Ochsen, die das Geschütz fahren sollten, von der Weide weg. Maltzan war nun am meisten besorgt, das Geschütz davon zu bringen, fand auch einen geschickten Anschlag, so daß er einen tapfern und unbeschädigten Abzug gewann, alles Geschütz mit sich nach Susa brachte und sich glücklich mit der andern Heeresabtheilung vereinigte. Von Susa zog nun das vereinigte Heer auf Turin und von dort in das Herzogthum Mailand. Bei der Ankunft des Heeres in das Land stießen noch 10,000 Schweizer zu der Heeresabtheilung des Schweizer=Cardinals und des Galeazzo Visconti. Das so verstärkte mailändische Heer zog nun auf die Stadt Mailand und schlug ein Feldlager nicht weit von der Stadt auf. Joachim Maltzan aber zog, um die Flanke zu schützen, mit seinem freien Haufen nach Como; am dritten Tage darauf aber stürmte und eroberte er zu Wasser und vom Gebirge ein Städtlein, in welches die Franzosen viel Tuch und anderes gutes Gewand hineingeflüchtet hatten, und erbeutete so viel (weißes) Tuch, daß er jedem Knechte einen Spieß lang Gewand als Beute austheilen ließ, damit sie desto williger fortdienten, da sie seit einem Monat keinen Sold erhalten hatten. Das gesammte französische Heer rückte aber mit ganzer Macht so stark gegen Mailand vor, daß Maltzan in Eilmärschen dem Cardinal und dem Galeazzo Visconti vor Mailand zu Hülfe ziehen mußte. Als nun die Feldherren zusammen waren, beschlossen sie, eine freie Feldschlacht mit den Franzosen anzunehmen". Dies ward die berühmte Schlacht von Marignano, eine der größten Schlachten, eine Weltschlacht, wie man zu sagen pflegt, von welcher der alte Marschall Trivulzi, welcher mehr erlebt hatte, als alle Feldherren seiner Zeit, sagte, alle Schlachten, die er vorher gesehen, seien gegen diese Kinderspiel gewesen, denn es sei eine Schlacht von Riesen gewesen. Und wenn nicht alles trügt, so ist es Joachim Maltzan, welchem man den bedeutendsten Theil an dieser

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Schlacht zuschreiben muß und der in dem allerglänzendsten Lichte erscheint. Ein Unglück für die mailändische Partei war, daß "kurz vor der Schlacht 13,000 Schweizer abzogen" und ihre Feldherren im Stiche ließen. "Nichts desto weniger unternahmen Joachim Maltzan mit dem freien Haufen und Fabricius de Colonna mit andern reisigen Haufen am Vorabend des Festes der Kreuzerhöhung (13. Sept. 1515) den ersten Angriff gegen die Franzosen, den die noch treu gebliebenen Schweizer und einige italiänische Truppen treulich und männlich unterstützten (S. 12). Joachim Maltzan war dazu verordnet, wie er auch selbst darum gebeten, am Nachmittage den ersten Angriff wider die Franzosen zu thun; der Angriff war so tapfer, daß sie etliche der französischen Haufen in die Flucht schlugen, obwohl der Schwarze Haufe (unter Aschwin von Cramm) und der alte Haufe der deutschen Knechte redlichen Widerstand leisteten. Man kämpfte mit unerhörter Tapferkeit bis gegen Mitternacht im Mondschein und Joachim Maltzan meint, wenn es länger Tag geblieben wäre, hätten die Franzosen am ersten Abend die Schlacht verlieren mögen. Aber in der Nacht kam der König von Frankreich von dem Flecken Marignano mit tausend Kürassern seinem Kriegsvolke zu Hülfe", schlief einige Stunden auf einer Kanonenlafette und fing bei Tagesanbruch die Schlacht wieder an, die bis gegen Mittag währte, und durch die Uebermacht der Reiterei und die Stärke des Geschützes auf Seiten der Franzosen gewonnen ward; der König Franz behauptete das Feld. Obgleich Joachim Maltzan durch einen Schuß verwundet (S. 12) und sein Bruder Heinrich an seiner Seite tödtlich verwundet ward, der in Folge dieser Verwundung bald darnach starb (S. 50), so gewann doch Joachim Maltzan mit seinem Haufen, so viel davon am Leben geblieben, wie auch andere Befehlshaber mit ihren Haufen, einen ehrenvollen Rückzug mit fliegenden Fahnen und brachte noch 6 Stück feindliches Geschütz mit sich davon". Die Hälfte des mailändischen Heeres, 12,000 Mann, lagen todt auf dem Schlachtfelde; auch König Franz hatte 6000 Mann verloren.

Die Mailänder waren zwar besiegt, aber ihre Niederlage war ehrenvoll, und der größte Theil der Ehre gebührt dem Joachim Maltzan.

Der König Franz zog siegreich in Mailand ein und Maximilian Sforza, der die Ruhe liebte, trat ihm das Herzogthum gegen ein Jahrgeld ab. So beherrschten die Franzosen Italien wieder. Der Papst räumte dem Könige Parma und Piacenza und schloß mit ihm ein Bündniß. Im J. 1516 schloß Franz

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mit den Schweizern, mit dem Kaiser Maximilian und mit dem Könige Carl V. von Spanien, da Ferdinand der Katholische grade gestorben war, Bündnisse.

Wahrscheinlich auf dem Schlachtfelde von Marignano am 13. Sept. 1515 ward Joachim Maltzan zum Ritter geschlagen, da er in seinem offenen Briefe gegen Christoph von Quitzow (S. 50) vorzüglich die Schlacht von Mailand beschreibt, um ihm darzuthun, "wie er seinen ritterlichen Stand erlangt", den Quitzow hatte bezweifeln wollen. Urkunden sind nicht vorhanden, aus denen sich dies erweisen ließe; im J. 1516 scheint sein Ritterstand ausgesprochen gewesen zu sein (S. 26); im J. 1518 war er sicher Ritter (S. 324). Es ist aber auch möglich, daß er einige Zeit später von Maximilian oder Franz zum Ritter geschlagen ist. Joachim Maltzan war der letzte meklenburgische Ritter nach alten Begriffen.

Nach der Schlacht von Marignano wird Joachim Maltzan kurze Zeit in des Kaisers Maximilian Diensten gestanden haben.

Aber der König Franz I. von Frankreich hatte in Joachim Maltzan einen so großartigen Gegner kennen und achten gelernt, daß er sich denselben näher zu verbinden wünschte. Da der junge König seine Laufbahn so glänzend begonnen hatte und ein feines, gebildetes Leben in jeder Hinsicht begünstigte, so trug Maltzan kein Bedenken, auf einige Zeit in seinen Dienst zu treten, um sich in angenehmer Lage größere Erfahrungen zu erwerben. "Mit des Kaisers Wissen und Willen" (S.13) nahm er, "vor dessen Tode" († 12. Jan. 1519), einen Dienst bei dem Könige Franz I. von Frankreich an, welcher ihm das bedeutende jährliche Gehalt von 2000 Kronen auf seine Lebenszeit verschrieb. Dies geschah ohne Zweifel im J. 1516, da der Herzog Richard von Suffolk am 10. Dec. 1516 an die Herzoge von Meklenburg schrieb, daß der "edle und feste Joachim Maltzan jetzund in des allerchristlichsten Königs von Frankreich Dienst mit großer Pension versorgt und von demselben hoch geachtet und lieb gehalten" sei (S. 26). Er blieb in des Königs Dienst, bis er sich in Böhmen ankaufte, also ungefähr acht Jahre lang. Er stand bei dem Könige in den höchsten Ehren nicht allein als Feldherr und Kriegsrath, in den Schlachten "auf des Königs Leib zu warten und die Schlachtordnungen schlagen zu helfen", sondern auch als Gesandter in den allerwichtigsten Angelegenheiten, wie Maltzan selbst sagt, daß der König ihn "in großen, tapfern Legationen (S. 13) gebraucht" habe.

Am Ende des Jahres 1516, als die Zeiten ruhig waren,

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machte Joachim Maltzan eine Reise in seine Heimath Meklenburg (S. 26); er war jetzt erst 24 Jahre alt und auf einem hohen Standpuncte reich mit Verdienst, Ehre und Einkommen geschmückt: ein sehr seltenes Beispiel für einen so jungen Mann, der fast auf dem Gipfel seines Ruhmes und seiner Wirksamkeit stand in einem Alter, in welchem andere Menschen ihre Laufbahn kaum zu beginnen pflegen. Sein Besuch in das Vaterland fiel in die Zeit, als die Herzoge von Meklenburg am 18. Januar 1517 den Ritter Bernd Maltzan, Joachim's Vater, mit Stadt und Schloß Penzlin, welches seitdem das Hauptschloß der maltzanschen Familie bis auf den heutigen Tag geblieben ist, von neuem erblich belehnten und damit allen vierjährigen Zerwürfnissen mit den Maltzan ein Ende machten.

Diese Gelegenheit benutzte ein englischer Prinz von der "weißen Rose", "Richard Herzog von Suffolk", welcher vor dem Könige Heinrich VIII. von England in Frankreich Schutz gesucht hatte, um mit Meklenburg ein Bündniß abzuschließen (S. 26), wozu er dem Joachim Maltzan vollkommene Vollmacht gab. Richard Suffolk bot den Herzogen von Meklenburg eine jährliche Rente von 3000 Engelotten, "sobald er wieder in seine Erblande kommen würde", wenn sie ihm und den Seinigen "wider seine Feinde" Zuflucht in ihren Landen und Ausführung von Kriegsmannschaft und Proviant gestatten würden. Es glückte auch dem Joachim Maltzan, diesen Vertrag auszuführen, indem die Herzoge am 14. März 1517 die gewünschte Versicherungsurkunde ausstellten. Ohne Zweifel hatte es aber damit sein Bewenden, da von dem Erfolge des Bündnisses nichts bekannt geworden ist. Maltzan schrieb im J. 1519, daß in diesem Jahre wegen des Herzogs von Suffolk nichts angefangen werde (S. 30).

Nach seiner Rückkehr nach Frankreich bot sich auch bald Gelegenheit, daß der König Franz I. seinen jungen Geheimen Rath Joachim Maltzan zu den allerwichtigsten Gesandtschaften verwenden konnte, auf welchen dieser auch die größte Geschicklichkeit bewies, wenn der König auch sein Ziel nicht erreichte.

Der alternde Kaiser Maximilian wünschte die römisch=deutsche Kaiserkrone bei dem Hause Oesterreich zu erhalten und dieselbe seinem Enkel Carl V., Könige von Spanien, zuzuwenden. Diesem Streben wirkten entgegen zunächst der Papst, ferner das allgemeine Mißtrauen der Deutschen gegen den für den Fall der Erwählung übermächtigen spanischen Herrscher, endlich die Bemühungen eines gewaltigen Nebenbuhlers, des Königs Franz I. von Frankreich, welcher sich durch sein erstes glänzendes Auf=

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treten in Italien Bewunderung erworben hatte und jetzt mit allen Kräften darnach rang, in Deutschland Einfluß zu gewinnen; alle alten Regungen von Haß und Leidenschaft zwischen Frankreich und Spanien wurden lebendig, als der deutsche Kaiserthron zur Frage stand. Um seinem Enkel Carl von Spanien die Nachfolge in der Kaiserwürde zu sichern, hatte Maximilian schon vorher mit den Kurfürsten im Geheimen darüber unterhandelt, daß jener noch während seines Lebens zum römischen Könige erwählt werde. Auf dem im Julii 1518 begonnenen glänzenden Reichstage zu Augsburg trat Maximilian mit seiner Absicht bestimmt hervor; er erreichte zwar seinen Wunsch noch nicht ganz, gewann jedoch die vier Kurfürsten von Mainz, Cölln, Pfalz und Brandenburg, daß diese am 27. August 1518 dem Kaiser versprachen, den König Carl zum deutschen Könige erwählen zu wollen, und darüber am 1. Sept. mit Maximilian einen Vertrag abschlossen. Die Böhmen stimmten bei. Sachsen und Trier widerstrebten aber.

Während der Zeit war Franz I. jedoch nicht müssig gewesen, sondern hatte mit allen Kräften die Bemühungen des Kaisers zu vereiteln gesucht. Bei diesen Bestrebungen war Joachim Maltzan dem Könige sehr ergeben und suchte seinen ganzen Einfluß geltend zu machen oder durch diesen doch wenigstens zur Erkenntniß der Verhandlungen zu gelangen. Ulrich von Hutten war bald nach seiner Heimkehr aus Italien in die Dienste des Erzbischofs Albert von Mainz, eines Bruders des Kurfürsten von Brandenburg, getreten und begleitete diesen auf den Reichstag nach Augsburg. Dieser schrieb schon am 13. Aug. 1518 von Augsburg (S. 323) an seinen Freund Joachim Maltzan, daß "sich alle Kurstimmen für einen andern" als den König Franz, vereinigt hätten und daher der Kurfürst von Mainz allein nicht widerstreben könne, der König Franz also keine eitle Hoffnungen nähren möge. So stand also die Sache am 13. August; in Beziehung auf Kur=Trier wenigstens ist Ulrich's von Hutten Nachricht ganz neu, da vorzüglich durch diesen in Verbindung mit dem Papste die Wahl Carl's vor dem Tode Maximilian's auf dem Reichstage vereitelt ward. Vielleicht mögen sich auch zwischen dem 13. und 27. August die Ansichten geändert haben. Jedoch werden wirklich nicht mehr als 4 Kurfürsten ihre Zustimmung schriftlich gegeben haben; die andern mögen mündlich Aussichten eröffnet haben. Denn am 27. März 1519 schrieb der französische Kanzler Duprat an Joachim Maltzan, daß die "vier", welche zu Augsburg ihre Zustimmung versichert, nach dem Tode des Kaisers Bestätigungsurkunden über ihre Zustimmung übergeben, aber dennoch seine, des Kanz=

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lers, Ansicht durch Versprechungen zu erforschen und ihn zu bestechen unternommen hätten (S. 331).

Der König Franz ließ sich jedoch nicht abschrecken, sondern setzte seine Bemühungen fort. Da starb Maximilian am 12. Januar 1519. Sogleich sandte Franz seine Vertrauten, reichlich mit Geld versehen, nach Deutschland, den Admiral Bonnivet nach dem Rheine und von da in tiefem Geheimnisse weiter ins Land, den Ritter Joachim Maltzan aber nach Norddeutschland, welches sich damals in einem aufgeregten Zustande befand, theils um Kurfürsten für seine Wahl, theils andere Fürsten zu seinem Dienste zu gewinnen. Diese Wirksamkeit des Ritters Joachim Maltzan ist in der Geschichte ganz neu.

Seit einigen Jahren herrschte in den braunschweig=lüneburgischen Landen eine große Aufregung, welche unter dem Namen der hildesheimschen Stiftsfehde bekannt ist. Der Bischof Johann von Hildesheim, Herzog zu Sachsen=Lauenburg, war mit seiner Ritterschaft nach und nach in Zerwürfnisse gerathen, welche endlich in einen heftigen, offenbaren Krieg ausbrachen, als politische Bestrebungen den Feindseligkeiten einen bestimmten Charakter aufprägten. Die hildesheimsche Ritterschaft gewann den Schutz der Herzoge Heinrich des jüngern von Braunschweig=Wofenbüttel und Erich des älteren von Braunschweig= Calenberg, zu denen Heinrich's d. j. Bruder Christoph, Erzbischof von Bremen, stand. Zu dem Bischofe Johann stand der Herzog Heinrich der mittlere von Braunschweig= Lüneburg. Zwischen beiden Parteien herrschten viele alte Irrungen und so ward die Fehde endlich ein Krieg zwischen den Herzogen von Braunschweig und von Lüneburg, welcher durch politische Richtungen noch mehr angefacht ward. Die Herzoge von Wolfenbüttel und Calenberg standen nämlich auf österreichischer Seite; der Herzog von Lüneburg beförderte die französische Richtung.

Mit dem Tode des Kaisers Maximilian (12. Jan. 1519) fielen die letzten Schranken zwischen den feindlichen Parteien; kurz vor Ostern, um die Mitte des Monats April 1519, begann der offene Kampf mit großer Heftigkeit. Um diese Zeit war Joachim Maltzan schon in Norddeutschland und in voller Wirksamkeit. Am Rhein hatte der französische Admiral Bonnivet im Vereine mit dem päpstlichen Legaten durch die glänzendsten Versprechungen Pfalz wieder abwendig und Cölln schwankend gemacht; Trier war entschieden französisch. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen, Reichsvicar in den Landen sächsischen Rechts, der die Kaiserkrone ausgeschlagen hatte, war gegen die Wahl des spanischen Königs Carl V.; es galt nun, diesen und

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den Kurfürsten von Brandenburg 1 ), sowie andere deutsche Fürsten für Frankreich zu gewinnen. Dies war die Aufgabe des Ritters Joachim Maltzan.

Schon im Monat Februar 1519 war Joachim Maltzan in Deutschland in Wirksamkeit und schien in seinen Bemühungen glücklich zu sein. Im Anfange des Monats Februar sprachen der König Franz und sein Kanzler Duprat, Maltzan's Freund, ihre große Zufriedenheit mit den geschickt eingeleiteten Unterhandlungen aus und erwarteten davon ein glückliches Ergebniß (S. 326 und 327) und wiederholten ihre Anerkennung am 5. März (S. 328). Maltzan hatte auch wirklich bedeutende Fortschritte gemacht. Er hatte vor allen Dingen den Herzog Heinrich den mittlern von Lüneburg gewonnen; dieser war zwar nicht in den Dienst des Königs getreten, hatte sich aber verpflichtet, die Wahl des Königs Franz nach Kräften zu befördern. Heinrich von Lüneburg war im März 1519 "bei den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg von Frankreichs wegen gewesen"; dies schrieb er am 21. März dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen von Meklenburg mit der Bitte, daß dieser sich bei Kurpfalz eben so verwenden möge: "die electio wird erst um Pfingsten geschehen, darum haben E. L. volle Zeit, mit Pfalz zu handeln, doch je eher, desto besser". Der Herzog Heinrich von Meklenburg hatte eine Schwester des Kurfürsten von der Pfalz, Helena, zur Gemahlin, eben so der Herzog Georg von Pommern, der damals bei dem Kurfürsten von Brandenburg zu Ketzer=Angermünde war. Zugleich schrieb Herzog Heinrich von Lüneburg dem Herzoge Heinrich von Meklenburg, daß Joachim Maltzan ihm berichtet habe, daß er "von Frankreich Pension haben werde und zu Frankreich in Sold zu reiten gedenke, was er gerne gehört habe". Das Bündniß zwischen dem Könige Franz und dem Herzoge Heinrich von Meklenburg ward wirklich am 14. Mai 1519 zu Schwerin durch den Baron und Ritter Franz von Bourdeilles, königlichen Rath, und den Ritter Joachim Maltzan, "einen von den Edlen des königlichen Hauses", dahin abgeschlossen (S. 31 folgd.), daß der Herzog dem Könige, so viel in seinen Kräften stehe, zu der deutschen Krone verhelfen und nach geschehener Wahl ihm mit 200 Reisigen nach Coblenz zuziehen solle, wogegen der König ihm eine jährliche Pension von 3000 Kronen versprach. Schon am 4. Mai 1519 berichteten


1) Die S. 27 folgd. und S. 326 folgd. mitgetheilten Briefe klären den Gang der Verhandlungen in Norddeutschland völlig auf, so daß dadurch Ranke's Forschungen, welcher (Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, I, S. 363) sagt: "Es ist nicht genau bekannt geworden, wie weit die Unterhandlungen mit den Kurfürsten gediehen sind": bedeutend weiter gefördert werden.
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die gesandten Carl's V., daß sich Meklenburg, Geldern, Lüneburg und Münster als Anhänger des Königs Franz rüsteten (S. 36).

Des Herzogs Heinrich von Meklenburg Bruder, der Herzog Albrecht der Schöne, ward, wahrscheinlich durch Vermittelung der rheinischen Kurfürsten, durch den Admiral Bonnivet gewonnen, indem dieser am 6. Junii 1519 zu Mainz mit dem Herzoge Albrecht ein gleiches Bündniß schloß (S. 42), wie Joachim Maltzan es mit dem Herzoge Heinrich abgeschlossen hatte; der Herzog sandte dem Könige auch wirklich drei Jahre lang 200 Reisige unter der Anführung des Grafen von Isenburg zu.

Auch den Herzog Friedrich von Holstein, nachmaligen König von Dänemark, machte Joachim dem Könige geneigt. Dieser schrieb am 11. Mai an Joachim Maltzan, daß er zwar wegen der ungehorsamen Schweden "seinem gnädigen, lieben Herrn dem Könige von Frankreich persönlich zu dienen verhindert sei, daß er aber, wenn der König zum römischen Könige, wie er hoffe, erwählt werde, seinen Sohn den Herzog Christian mit einer Anzahl Reiter dem Könige zum Dienst zuschicken werde" (S. 339 folgd.).

Mit einer solchen glänzenden Wirksamkeit des Ritters Joachim Maltzan konnte der König Franz wohl zufrieden sein. Zwar ward Maltzan am 13. Mai 1519 durch einen Freund in plattdeutscher Sprache gewarnt, namentlich vor "dem Kanzler" (S. 341), vielleicht dem allerdings intriguanten meklenburg=schwerinschen Kanzler Caspar v. Schöneich, vor dem oft gewarnt wird; auch der Admiral Bonnivet warnte ihn am 8. März vor den Ueberlistungen der Gegner des Königs (S. 329); aber Maltzan ließ sich so leicht nicht abschrecken, sondern ging kühn weiter. Und wirklich sprachen der König Franz und seine Räthe wiederholt ihre unbegrenzte Zufriedenheit und Dankbarkeit gegen ihn aus. Am 27. März 1519 dankten ihm der König und der Kanzler Duprat für seinen Fleiß und Eifer (S. 330 - 331). Vor allen Dingen aber war es dem Könige darum zu thun, den Kurfürsten von Brandenburg sicher zu gewinnen, theils wegen der Kurstimme selbst, theils wegen der Einwirkung auf seinen Bruder den Kurfürsten Albert von Mainz. Es wurden dem Kurfürsten "glänzende Vermählungen mit reichen Aussteuern, ja selbst die Beförderung zur deutschen Krone" in Aussicht gestellt, für den Fall daß Franz nicht selbst sollte dazu gelangen können. Die Boten zwischen Saint=Germain und Joachim Maltzan eilten unaufhörlich hin und her; die Zeit der Entscheidung rückte heran. Am 1. April 1519 forderte der König den Joachim Maltzan auf, die Angelegenheit mit Brandenburg zu Ende zu bringen

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(S. 333). Am 13. April sprach der Kanzler Duprat seine außerordentliche Zufriedenheit über das entworfene Heirathsproject mit dem brandenburgischen Hause aus, meinte jedoch, daß dem Kurfürsten von Brandenburg keine höhere Pension, als den andern deutschen Fürsten gleichen Standes versprochen werden könne, nämlich 8000 Pfund, damit die übrigen sich nicht gekränkt fühlten; nach der beabsichtigten Vermählung könne unter dem Scheine einer engern Familienverbindung mehr gegeben werden (S. 335 - 336). Am 26. April sprach der König Franz sein großes Wohlgefallen an Maltzan's Bemühungen an dem brandenburgischen Hofe aus (S. 336). Das Project, die Prinzessin Renate, Tochter des Königs Ludwig XII. und Schwester der Königin von Frankreich, zu verheirathen, trat ganz bestimmt hervor und ward zu Berlin durch Joachim Maltzan betrieben (S. 30 und 343). Am 29. April gaben die Räthe des Königs dem Ritter Joachim Maltzan ihre außerordentliche Zufriedenheit mit seinen Bemühungen in ihrem und des Königs Namen zu erkennen; sie schrieben ihm, der König rede am meisten von ihm und lobe oft die unglaubliche Klugheit, Geschicklichkeit und Weisheit, mit welcher er die Angelegenheiten betreibe; sie wünschten, daß die Kurfürsten von Brandenburg und Cölln zur geheimen Unterredung zusammentreten, jener sich aber dabei vor diesem hüten möge; sie versprachen, alles halten zu wollen, was Maltzan den Kurfürsten von Cölln und Mainz 1 ) versprechen würde, und baten, daß er die übrigen deutschen Fürsten in ihrer Zuneigung zu dem Könige erhalten möge (S. 337 - 338).

Während der Zeit dieser Verhandlungen nahm die hildesheimische Stiftsfehde einen sehr ernsthaften Charakter an und drohte die Länder zu verwüsten. Diesem Unheil zuvorzukommen, damit die "deutsche Nation in Friede, Einigkeit und Wohlfahrt und jedermann bei Gleich und Recht erhalten und vor unrechter Gewalt geschützt werde", schlossen am 12. Mai 1519 zu Höxter sehr viele Fürsten und Herren des nordwestlichen Deutschlands, welche nicht in die Stiftsfehde verwickelt waren, die sich in den westphälischen und in den Harzkreis theilten, den bisher unbekannt gebliebenen lippeschen Bund 2 ) auf 30 Jahre, welchem in der Folge zuerst die braunschweigischen Fürsten, welche in der Stiftsfehde betheiligt gewesen waren, und später nach und nach andere norddeutsche Fürsten beitraten und sich zu einem


1) Nach Beendigung des Druckes der Urkunden ist noch der in dem Anhange mitgetheilte, interessante Brief des Ritters Joachim Maltzan im wolfenbüttelschen Archive von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt entdeckt.
2) Ueber den lippeschen Bund vgl. die Abhandlung Nr. III. in den Jahrb.
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großen Bunde vereinigten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Joachim Maltzan an der Stiftung dieses großen Friedensbundes beteiligt war, wie er überhaupt die Rolle des Vermittlers in der unheilvollen hildesheimischen Stiftsfehde spielte. Noch am 25. Februar 1540 sagte Maltzan, daß er den hildesheimischen "Krieg alle Zeit auf das treulichste widerrathen habe" (S. 178). Um großes Unheil zu verhüten, schickte der Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg die Edlen von Maltzan, ohne Zweifel Joachim Maltzan, und von Bülow in das Lager des französisch gesinnten Heinrich von Lüneburg bei Eschede (S. 36 - 37), um den Frieden zu vermitteln; aber die Erbitterung war zu groß, der Friedensversuch mißglückte und es kam am 29. Junii 1519 zu einer blutigen Schlacht auf der Soltauer Haide, in welcher Heinrich von Lüneburg den Sieg gewann. Joachim Maltzan mußte späterhin für seine friedliche Teilnahme büßen, indem der Herzog Erich von Calenberg dem Secretair Maltzan's seines Herrn Sachen und Briefe abnahm.

Auch der Termin der deutschen Kaiserwahl rückte immer näher heran. Carl V. bediente sich desselben Mittels, das Franz I. so verschwenderisch gebrauchte; spanisches Gold machte die östlichen Kurfürsten schwankend, ohne daß Franz und sein Diener es lange Zeit merkten, und am 28. Junii 1519 ward Carl V. einstimmig zum deutschen Kaiser gewählt. Franz hatte nicht eine Stimme. So waren alle seine großartigen Unternehmungen vergebens gewesen und Deutschland hatte gegen ihn ein mächtiges Oberhaupt gewonnen, welches in der Folge freilich auch Unheil genug über das deutsche Vaterland brachte.

Dennoch gab Franz noch nicht sogleich die Verbindungen mit den norddeutschen Fürsten auf, da er deren Hülfe vielleicht gegen seinen glücklichen Nebenbuhler gebrauchen konnte. Franz mußte am 24. Julii 1519 ohne Zweifel schon Nachricht von der Kaiserwahl haben, als er die Bemühungen Maltzan's lobte und die Verbindung mit Brandenburg festzuhalten empfahl. Brandenburg schien auch noch bis zum letzten Augenblicke geneigt zu sein, die Verbindung festzuhalten. Die Kurfürstin schickte dem Könige Haarnetze (? reticula) und weiße Gewänder (? camisia) und ihr Sohn der Prinzessin Renate einen Diamanten mit einem Briefe zum Geschenke (S. 343), welches Franz wohlgefällig und dankbar aufnahm. Aber bald wurden die Verbindungen abgebrochen. Am 21. Sept. 1519 lobte der Kanzler Duprat zwar den Fleiß, die Treue und die Rechtlichkeit, die Joachim Maltzan in dieser Angelegenheit bewiesen, welche leider einen unglücklichen Ausgang genommen, und rieth, die beabsichtigte Vermählung nicht weiter zu betreiben (S. 345 - 346). Am 30. Octbr.

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1519 forderte der Kanzler Duprat den Ritter Joachim Maltzan zur schleunigen Rückkehr nach Frankreich auf (S. 347).

Trotz der verabredeten Friedensruhe legte aber Heinrich der jüngere von Wolfenbüttel in der Stiftsfehde die Waffen nicht nieder, sondern unternahm hie und da Ueberfälle. Es wird auf der Rückreise des Ritters Joachim Maltzan nach Frankreich geschehen sein, daß Heinrich von Wolfenbüttel, als Gegner Frankreichs, den Secretair Maltzan's niederwarf und ihn der Sachen und der geheimen Briefschaften seines Herrn beraubte. Heinrich d. j. behauptete, die Briefe hätten "den Franzosen zu gute gehandelt und ihm zum Nachtheile practicirt, dem Bischofe von Hildesheim zu gute ihn und seinen Vetter Erich zu überziehen" (S. 349). Die Sache machte viel Aufsehen und ward viele Jahre lang behandelt. Am 4. Junii 1522 ersuchte der Ritter Berend Maltzan, Joachims Vater, den Herzog Erich von Calenberg um Herausgabe des seinem Sohne entwandten Gutes (S. 348), und am 3. October 1522 sollte Joachim Maltzan in der Altmark gerüstet haben, um sein Eigentum wieder zu erlangen (S. 349). In einem Recesse, den am 2. August 1523 der König von Dänemark in den Irrungen zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und den Herzogen Erich und Heinrich d. j. von Braunschweig aufrichtete, ward ausdrücklich verabredet, daß dem Kurfürsten die an Joachim Maltzan eigenhändig geschriebenen Briefe, die bei Maltzan's niedergeworfenem Diener gefunden worden, wieder ausgeliefert werden sollten (S. 351); aber erst am 15. April 1526 gab Heinrich d. j. von Wolfenbüttel diese Briefe an den Kurfürsten zurück (S. 351). Noch in der Zeit 1539 - 40 ward dieser Fall bei Untersuchung einer ähnlichen Vorkommenheit zwischen Heinrich d. j. von Wolfenbüttel an einem und Sachsen und Hessen am andern Theile staatsrechtlich weitläuftig behandelt und zur Vergleichung gezogen (S. 173 - 177), und 25. Febr. 1540 berichtet Joachim Maltzan selbst dem Landgrafen Philipp von Hessen über diesen Fall. Maltzan sagt freilich (S. 179), daß er nur des Königs von Frankreich Gesandter und damals, als seine Diener niedergeworfen seien, "kein römischer König, viel weniger ein römischer Kaiser am Leben gewesen sei, weil alle Kurfürsten zur Zeit, einen römischen König zu wählen, erst ausgezogen und zu Frankfurt noch nicht angekommen seien" (S. 179). Es scheint aber Joachim Maltzan nach Verlauf von 20 Jahren etwas geirrt zu haben. Die fraglichen Briefe nämlich, mit Ausschluß der an den Kurfürsten von Brandenburg wieder zurückgelieferten, welche wohl noch im Berliner Archive zu finden sein werden, sind von dem Archivrath Dr. Schmidt

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im Archive zu Wolfenbüttel wieder aufgefunden und in der Urkunden=Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan, Th. V, S. 323 - 347, mitgetheilt (vgl. S. 327, 350, 352). Da nun der letzte französische Brief des Kanzlers Duprat an den Ritter Joachim Maltzan vom 30. Oct. 1519 datirt ist, so werden die Briefe auch erst nach diesem Tage dem Secretair Maltzan's abgenommen sein. Die Feindschaft zwischen dem Herzoge Erich von Calenberg und Joachim Maltzan wegen dieser Angelegenheit ward erst später zwischen 1531 35 durch den König Ferdinand zu Breslau vertragen (S. 180).

Carl V. zog aus den Niederlanden zu seiner Krönung nach Aachen am 23. October 1520; am 28. Jan. 1521 eröffnete er den glänzenden und denkwürdigen Reichstag zu Worms (bis Ende Mai), auf welchem auch der Protestantismus öffentlich als eine Macht im deutschen Reiche auftrat.

Joachim Maltzan war im Frühling des Jahres 1520 in Meklenburg . Er hatte hier mit dem Herzoge Heinrich von Meklenburg 100 Kronen darauf gewettet, daß Carl V. vor Michaelis 1520 nicht in das Reich kommen würde (S. 40). Am 12. Mai 1520 war er zu Tangermünde (S. 38) und rieth von hier den Herzogen von Meklenburg, dem beabsichtigten Vertrage von Lüneburg wegen der hildesheimischen Stiftsfehde zur Stärkung der lüneburgischen Partei beizutreten, auch die Herzoge von Pommern dazu zu vermögen (S. 38).

Im Anfange des Jahres 1521, während des Reichstages zu Worms, war Joachim Maltzan wieder in Meklenburg . Der König hatte ihn zum Kurfürsten von Brandenburg und zum Herzoge Albrecht von Meklenburg gesandt; am 4. März lobte der König den Herzog wegen seiner Ergebenheit und bat ihn um die Fortdauer seiner Freundschaft (S. 43). Der Admiral Bonnivet schickte zugleich am 2. März dem Herzoge seine Pension und versicherte ihm, daß der König sich sehr freuen werde, wenn er ihn besuchen wolle, wie er gewünscht habe (S. 41). Der Herzog hatte sich am 6. Juni 1519 in den Dienst des Königs gegeben und leistete denselben, wenn auch nicht in der Person, sicher bis in das Jahr 1521 mit 200 Pferden. Man sieht hieraus, wie sehr Franz bemüht war, die Verbindungen mit seiner Partei in Deutschland zu erhalten.

Die politischen Verhältnisse wurden aber bald eben so schwierig, als die kirchlichen. Die Feindschaft zwischen Carl V. und Franz I. brach bald auf das heftigste zu den italiänischen Kriegen aus, welche im J. 1525 mit der Gefangennehmung des Königs Franz I. endeten. Bis zu Ende dieser Kriege war Joachim Maltzan in den Diensten des Königs Franz. So

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sehr er auch durch seine hohe Begabung und Tapferkeit dazu berufen war, Theil an diesen gewaltigen Kämpfen zu nehmen, so hielt er sich doch von denselben fern, theils weil er als deutscher Vasall nicht Feind seines Kaisers sein, theils weil er nicht gegen Mailand, um das es sich vorzüglich in diesen Kriegen handelte und für welches er einst so rühmlich gefochten hatte, feindlich auftreten wollte. Dieses Benehmen ist ein Zug einer höchst ehrenwerthen Gesinnung, die ihn von den unzähligen Söldlingen jener Zeit wesentlich unterscheidet. Zwar wird dies nirgends ausführlich gesagt; aber es ist auch kein einziger Beweis vorhanden, daß er je thätigen Antheil an den Feindseligkeiten gegen den Kaiser in den italiänischen Kriegen Theil genommen habe. Er diente dem Könige Franz als Rath, freilich auch im Kriege, als Gesandter und als Begleiter zu des Königs persönlichem Schutze.

Joachim Maltzan betrat in der ganzen Zeit seines Dienstes bei dem Könige Franz nur Ein Mal, so viel wir wissen, das Schlachtfeld, und zwar gleich beim Beginne der Feindseligkeiten. Nach einem verunglückten Einfalle der Franzosen in Spanien, kam es zuerst an den niederländischen Grenzen zum Kampfe. Robert von der Mark, Herr von Bouillon und Sedan, war mit dem Kaiser in Feindschaft gerathen und unter dem Beistande Frankreichs in Luxemburg eingefallen. Der Krieg des kleinen Feindes ward ein Kampf der beiden mächtigen Herrscher. Carl sandte ein großes Heer gegen den Feind unter Feldherren wie Heinrich Grafen v. Nassau, Franz v. Sickingen, Georg v. Frundsberg u. A. Franz rückte mit einem mächtigen Heere dagegen. Der Anfang des Feldzuges war für Carl viel versprechend. Beide Fürsten folgten ihren Heeren in Person. Carl's V. Heer verwüstete das Gebiet des Grafen von der Mark, überschritt die Grenzen Frankreichs, eroberte Mouzon und belagerte Mezieres. Hier wandte sich aber das Glück Carl's durch die Uneinigkeit seiner Feldherren. Bayard vertrieb die Kaiserlichen von Mezieres, das er tapfer verteidigte. Jetzt rückte der König Franz "mit großer Macht nach, bis 2 Meilen von Valenciennes, wo auch Carl V. persönlich war. Das französische Heer rüstete sich zur Schlacht, welche neben andern tapfern Kriegspersonen Joachim Maltzan ordnete, welcher aus des Königs Person zu warten, auch die Schlachtordnung schlagen zu helfen verordnet war". Als nun die Kaiserlichen, namentlich Georg v. Frundsberg, die Uebermacht der Franzosen wahrnahmen, mußten sie "aus dem Felde weichen und, obwohl viele von den Reisigen, darunter auch tapfere Leute, durch das französische Geschütz getödtet oder verwundet wurden, nahmen sie doch einen

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tapfern Abzug bis zum Kaiser in die Stadt Valenciennes, von wo der Kaiser in der Nacht entfloh. Wenn die Franzosen zu rechter Zeit mit der Schlachtordnung vorgerückt wären, hätten die Kaiserlichen schwerlich den Abzug nehmen und ihrer wenig davon kommen mögen" (S. 13 - 14). "Georg v. Frundsberg hielt diesen Abzug für eine seiner rühmlichsten Thaten." Dies geschah im Herbste des Jahres 1521.

Sogleich im Winter begannen nun die italiänischen Kriege um Mailand, an denen Joachim Maltzan, wie gesagt, als Feldherr nicht Theil nahm. Nach Beendigung des ersten für Carl V. glücklichen Feldzuges im J. 1522 war Joachim Maltzan wieder in der Heimath, um hier die Freunde Frankreichs festzuhalten. Die hildesheimische Stiftsfehde war wieder mit großer Heftigkeit entbrannt und es folgte im J. 1522 von beiden Parteien eine verwüstende kriegerische Unternehmung auf die andere. Da jetzt die Sache zum Aeußersten gelangt war, wollte Joachim Maltzan thätigen Antheil an dem Kampfe nehmen. Unter dem Vorwande, daß sein Diener seiner Briefe beraubt worden hatte er, unter der Begünstigung des Kurfürsten von Brandenburg im Kurfürstenthume eine Anzahl von Reisigen versammelt, in der Absicht, dem Bischofe Johann von Hildesheim zu gute die ihm feindlich gesinnten Herzoge Heinrich d. j. von Wolfenbüttel und Erich von Calenberg zu überziehen; er sollte am 28. Sept. 1522 "zu Tangermünde 800 Pferde in Futterung" gehabt haben (S. 349). Christoph v. Quitzow sagt, am 24. Aug. 1525, "J. Maltzan habe den Herzog von Braunschweig überziehen und verjagen wollen" (S. 54). Der Bischof von Hildesheim hatte am 29. Sept. noch 800 Knechte aus dem Münsterlande an sich gezogen und außerdem 450 Pferde. Mit seiner ganzen Macht that er einen verheerenden Ausfall, den Zuzug Maltzan's erwartend; aber die Feinde waren auch noch stark genug. Dies war aber die letzte Handlung in der Fehde; Hildesheim war bis zum Aeußersten erschöpft und entließ die Reiter. Am 3. Oct. 1522 berichtete Heinrich von Wolfenbüttel dem Landgrafen Philipp von Hessen, daß die Maltzan'schen Reiter auch auseinander gehen sollten. Im Anfange des Jahres 1523 begannen die Friedensverhandlungen.

In den nächsten beiden Jahren, in denen die italiänischen Kriege alle Kräfte in Anspruch nahmen, haben wir gar keine Nachricht von Joachim Maltzan. Wir haben nur eine Andeutung, daß er ein Mal wieder im Norden thätig war.

Trotz aller Kämpfe und Bedrängnisse ward Franz nicht müde, seine Verbindungen im Norden aufrecht zu erhalten und zu erweitern. Und hierin konnte ihm Niemand besser dienen,

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als Joachim Maltzan. Wir haben aber nur dunkle Andeutungen, aus denen sich jedoch mancherlei vermuthen läßt. Es war für Frankreich von großer Wichtigkeit, in dem Kampfe gegen Oesterreich das mächtige Polen freundlich gegen sich zu stimmen, um so mehr, da der König Sigismund I. die bekannte Bona, aus dem mailändischen Hause Sforza, ein Weib von heftiger, südlicher Natur, zur Gemahlin hatte. Was nicht unmittelbar zu erreichen war, sollte mittelbar geschehen. Am 13. December 1524 schloß der König Sigismund von Polen mit dem Herzoge Heinrich von Meklenburg und den Herzogen Georg und Barnim von Pommern ein umfassendes Bündniß 1 ), welches am 4. März 1524 durch Gesandte zu Danzig verabredet und am 27. October von dem Herzoge Heinrich ratificirt war und auch alte Verträge erneuerte. Alle Häuser waren durch nahe Verwandtschaft verbunden. Der beiden Herzoge von Pommern Vater Bugislav X. war mit einer Schwester des Königs Sigismund von Polen und eine Schwester Bugisla's wieder mit des Herzogs Heinrich von Meklenburg Vater vermählt gewesen; überdies hatten Heinrich von Meklenburg und Georg von Pommern zwei Schwestern, Prinzessinnen von der Pfalz, zu Gemahlinnen. In allen Schriften über dieses Bündniß wird zwar Joachim Maltzan nicht genannt, aber er wird um diese Zeit jedenfalls in Polen und in Meklenburg gewesen sein, um so mehr, da damals sein Vater schwach ward und bald darauf starb und Joachim mit seinem Bruder Georg in Penzlin succedirte. Der stralsundische Chronikenschreiber Johann Berckmann erzählt nämlich, "Berend Maltzan habe mit der Zeit seinen Wohnsitz zu Penzlin genommen, und er habe den Tag erlebt, daß sein Sohn Joachim den Rang vor dem Herzoge Albrecht behauptete ("über Herzog Albrecht ging=ginck bâven hertich Albrecht")" und einen weißen seidenen (blianten) Rock anhatte, "denn er war vom Könige von Polen ausgesandt" (S. 44). Dies kann nur im J. 1524 gewesen sein, denn Berckmann war zuerst nur bis zum Ende des Jahres 1524 Prädicant zu Neu=Brandenburg, nicht weit von Penzlin, und erzählt ausdrücklich, daß in diesem Jahre Herzog Albrecht mit seiner jungen Gemahlin zu Neu=Brandenburg gewesen sei und er für sie Maulbeeren von seinem Baume gepflückt habe. Joachim Maltzan wird also in dieser Zeit zu Penzlin und von dort nach Neu=Brandenburg gewesen sein, um vielleicht auch den Herzog Albrecht zu dem Bündnisse mit Polen zu bewegen. Zwar war er nicht im Dienste des Königs von Polen, sondern noch Diener des


1) Vgl. die Abhandlung Nr. IV in den Jahrb.
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Königs von Frankreich, aber er wird, in Uebereinstimmung mit seinem königlichen Herrn, einen außerordentlichen Auftrag von dem polnischen Könige gehabt haben. Dies Alles wird um so wahrscheinlicher, da der Herzog Heinrich von Meklenburg um diese Zeit an den Herzog von Holstein schreibt, der Ritter Joachim Maltzan habe vor kurzem Mittheilungen gemacht, welche sich ohne Gefahr schriftlich nicht mittheilen ließen; der Herzog von Holstein möge also ungesäumt einen seiner Vertrautesten Räthe, wie Hans oder Paul Rantzau, nach Schwerin senden, um diesem Alles vertraulich zu berichten (S. 40 - 47). Nun finden sich bei den polnischen Bündnißacten auch "Artikel", worauf Wolf Pogwisch und Jacob Rantzau mit den polnischen, pommerschen und meklenburgischen Räthen auf nächsten Sonntag Oculi in Danzig zusammentreten und beschließen sollten; es war mit Holstein ein ähnliches Bündniß, wie mit Meklenburg und Pommern, beabsichtigt, und außerdem auch noch eine bedeutende Theilnahme Dänemarks besprochen. Ob diese Erweiterung des Bündnisses zu Stande gekommen sei, hat noch nicht ermittelt werden können. - Am 16. December 1525 trat der Herzog Heinrich von Meklenburg dem lippeschen Bunde bei. - Der Stolz, den Joachim Maltzan, nach Berckmann's Mittheilung, gegen den Herzog Albrecht von Meklenburg bewies, wird wohl begründet gewesen sein, da Maltzan am 18. August 1536 an den Herzog Heinrich von Meklenburg schreibt: "Habe ich Ew. Fürstl. Gnade vor etlichen Jahren als ein junger Hof= und Kriegsmann mit Worten erzürnet, so habe ich mir das vorgenommen, daß ich es zwanzigfach und mehr Ew. Fürstl. Gnaden und derselben Erben will wieder einbringen".

Auf dieser Reise nach Polen legte Joachim Maltzan gewiß Grund zu den bedeutenden Bekanntschaften, welche in der Folge so überaus wichtig wurden, um so mehr, da er dieselben aus kaiserlichen Gesandschaftsreisen nach Polen und nach dem J. 1530 von seiner an Polen grenzenden Standesherrschaft Wartenberg aus zu erweitern Gelegenheit hatte.

Trotz der glänzenden Laufbahn seiner Jugend sehnte Joachim Maltzan sich nach dem Vaterlande zurück und wünschte sich einen häuslichen Heerd zu gründen. Schon am 13. Mai 1519 berichtet ihm eine befreundete Hand (S. 341): "Die von Ulm haben eine Grafschaft; auch die Fugger haben eine Grafschaft, genannt die Grafschaft Kerberg, und haben dem Kaiser 30,000 Gulden darauf geliehen: zu den zwei Grafschaften wäre wohl zu kommen und mancher wird bald darnach trachten. Schmiedet das Eisen dieweil es heiß ist". Jedoch hinderte

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ihn wohl der lebhafte Dienst bei dem Könige von Frankreich an der Ausführung seines Vorhabens.

Das Jahr 1525 war für Maltzan's Leben ein sehr wichtiges Jahr, indem er in diesem Jahre die schönen Herrschaften Graupen und Teplitz im Königreiche Böhmen, das damals mit dem Königreiche Ungarn unter Einem Herrscher stand, erwarb. Es wird schon im Jahre 1524 gewesen sein, daß der Ritter Berend Maltzan und seine Söhne Joachim und Georg diese Herrschaften käuflich an sich brachten. Leider sind, trotz aller Bemühungen, keine Urkunden über diesen Besitz aufzufinden gewesen, da sie wahrscheinlich alle verloren gegangen sind; die Wittwe des Oberjägermeisters Wilhelm von Kinski, Elisabeth Katharine, geb. Terzka von Lippe, soll sich nach der Ermordung ihres Schwagers Wallenstein nach Dresden geflüchtet und das ganze Archiv mit sich genommen haben, welches auf dieser Reise vollständig untergegangen sein soll (S. 45). Aber es gibt doch noch Nachrichten, welche den Gang der Begebenheiten klar erkennen lassen. Joachim Maltzan sagt in seinem Schlachtenberichte (S. 14) selbst, daß "er sammt seinem lieben seligen Vater und seinem Bruder etliche tapfere Güter, nämlich die Herrschaften Graupen und Teplitz im Königreiche Böhmen, gekauft" habe, und daß dies nicht lange vor des Königs Ludwig II. von Ungarn Tode geschehen sei. Mit diesem Berichte stimmt auch Eichler's Geschichte von Teplitz: "Die Besitzer von Teplitz", Prag 1828, S. 16 (S. 45), nach andern Quellen überein;

dieser sagt: "1524 waren Teplitz und Graupen in den Händen des Sigmund von Smrzicky, der es 1527 (?) an die drei Gebrüder Joachim, Georg und Bernhard von Maltzan verkaufte". Das Jahr des Verkaufes und die Verwandtschaft der Käufer sind hier offenbar nicht richtig angegeben. Die folgenden Angaben setzen Alles in das hellste Licht.

Der Ritter Berend Maltzan, Joachim's Vater, starb in der Mitte des Jahres 1525. Am 24. August 1525 datirt Christoph von Quitzow einen Brief an "Joachim Maltzan, Herrn Bernds Maltzan seligen Sohn", (S. 55) und schon am 5. Junii und am 18. Julii 1525 unterzeichnet sich Joachim Maltzan als "Erbmarschall" (S. 51 - 55).

Den König Franz traf ein hartes Geschick. Trotz seiner glänzenden Eigenschaften und Zurüstungen endete der erste italiänische Krieg am 23. Februar 1525 mit der für ihn unheilvollen Schlacht von Pavia, in welcher er selbst gefangen genommen ward; erst am 14. Januar 1526 gewann er durch den Frieden von Madrid die Freiheit wieder. Joachim Maltzan scheint sich

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in dieser Zeit, in welche zugleich seine Niederlassung in Böhmen fällt, von dem französischen Hofe entfernt gehalten zu haben.

So begann nun Joachim Maltzan eine in jeder Hinsicht neue Laufbahn. Nach seines Vaters Tode setzte er sich ohne Zweifel mit seinem Bruder auseinander, obwohl er Lehn und Rechte an Penzlin behielt. In seinem Testamente vom 31. Mai 1554 sagt er, daß die Stadt Penzlin ihm und seinem Bruder Georg gemeinschaftlich gehöre, und da sein Bruder dieselbe über 25 Jahre allein gebraucht habe, er und seine Erben sie eben so lange zu benutzen Recht hätten (S. 293). Seit dem Jahre 1525 datirt er aber seine Briefe von Graupen, einer nicht weit von dem lieblichen Badeorte Teplitz gelegenen stattlichen Burg, welche noch heute in malerischen Ruinen steht.

Bei der Erwerbung dieser böhmischen Herrschaften vermählte er sich mit Bernhardine von Wallenstein, einer Dame aus dem berühmten Geschlechte, einer klugen und gewandten Frau, welche ihren Gemahl 20 Jahre überlebte (S. 112 und 320 - 322). Wahrscheinlich ward diese Verbindung durch den französischen Dienst Maltzan's geknüpft; denn im J. 1523 hatten die Franzosen, um Oesterreich durch Hülfe Böhmens zu schwächen, mit einem Herrn v. Wallenstein ("Waldestein barone e gran capitano di Bohemia") Verbindungen angeknüpft 1 ). Am 10. September 1525 nennt Joachim Maltzan sich selbst Herrn "auf der Herrschaft Graupen und Teplitz und "der Krone Böhmen Einwohner und daselbst mit Wesen gesessen" (S. 56 - 57), und in seinem Schlachtenberichte sagt er selbst, daß er sich bald nach dem Erwerb von Graupen und Teplitz "in Böhmen mit dem Herrenstande aufs tapferste gefreundet (d. h. verschwägert) und Weib und Kind gehabt" habe (S. 14).

So war Joachim Maltzan am Ende des Jahres 1525, als er ungefähr 32 Jahre alt war, Besitzer zweier großer und schöner Herrschaften, dem Herrenstande angehörig, angesehen vermählt, mitbelehnt mit den Schlössern und Herrschaften Penzlin und Wolde und den daran haftenden wendischen und pommerschen Erbmarschallämtern (S. 111), berühmt und angesehen im Felde und im Rathe.

Kaum hatte er auf diese Weise sein Haus gestaltet, als für Oesterreich die Zeiten sehr ernst wurden und Maltzan's Kopf und Hand sehr willkommen waren. Im Frühling 1526 ward


1) Vgl. Ranke a. a. O. II, S. 415, Not. 1.
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Joachim Maltzan von seinem Bruder Georg in Meklenburg erwartet, wahrscheinlich um die väterliche Erbschaft zu ordnen.

Bald riefen ihn ernste europäische Verwicklungen auf einen größern Schauplatz zurück. Ungarn und Böhmen standen damals unter dem jungen Könige Ludwig II. von Ungarn, welcher mit Carl's V. und Ferdinand's Schwester, Maria, vermählt war. Ungarn befand sich in einem Zustande großer Aufregung, welche ihren Mittelpunct vorzüglich in dem mächtigen siebenbürgischen Woiwoden ("Weyda") Johann Zapolya fand, welcher nach der Königskrone strebte. Als dieser alle Hebel dazu in Bewegung setzte, rückte der Osmanen=Sultan Soliman im J. 1526 mit einem gewaltigen Heere gegen Ungarn vor, um Ungarn und Deutschland zu erobern und dem Reiche der Christenhunde ein Ende zu machen. Soliman's Zug war von Siegen bezeichnet; am 29. August 1526 schlug er bei Mohacz den von den Siebenbürgern im Stiche gelassenen König Ludwig II., der auf der Flucht seinen Tod fand, zog in Ofen ein und wandte sich darauf in sein Reich zurück.

Durch diesen Unglücksfall waren die Throne von Ungarn und Böhmen, wozu auch Schlesien und die Lausitzen gehörten, erledigt. Der Erzherzog Ferdinand von Oesterreich, mit des verstorbenen Könige Ludwig Schwester, Anna, vermählt und Bruder der verwittweten Königin von Ungarn, hatte ohne Zweifel die nächsten Ansprüche. Die Franzosen suchten sowohl in Ungarn, als in Böhmen dem Hause Oesterreich entgegenzuwirken; dennoch trug Oesterreich den Sieg davon. Zuerst suchte Ferdinand die böhmische Krone zu gewinnen. Durch sein gewandtes Benehmen erreichte er es, daß er am 23. October 1526 zum Könige von Böhmen gewählt ward. In Ungarn brachte es Zapolya dahin, daß er selbst am 11. Novbr. 1526 zu Stuhlweißenburg von seinen Anhängern gewählt und gekrönt ward. Durch die Bemühungen seiner Schwester, Maria, ward aber auch Ferdinand auf einem andern Reichstage zu Preßburg von der alten Partei am 26. November 1526 zum Könige von Ungarn gewählt.

Bei dieser wichtigen Wendung der Dinge verließ Joachim Maltzan sogleich die französischen Dienste und trat in die Dienste des neuen Königs von Böhmen. Er sagt hierüber selbst in seinen Schlachtenberichte (S. 14), "er habe dem Könige von Frankreich geschrieben, daß er ein Unterthan des Königs Ferdinand geworden sei und daher den Könige von Frankreich gegen das Haus Oesterreich nicht mehr dienen könne, und nachdem er sich in des Königs Ferdinand Dienst begeben, habe er von demselben Zusage erhalten, daß ihm, weil

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er zuvor nicht des Hauses Oesterreich oder des Königs von Böhmen Unterthan gewesen, alles solle verziehen sein, was er auf des Königs von Frankreich Seite gegen den Kaiser und den König gehandelt, auch daß Se. Majestät ihn mit besondern Gnaden und Ehren an= und aufnehmen wolle".

Im Anfange des Jahres 1527 sehen wir den Ritter Joachim Maltzan in den Diensten des böhmischen Königs Ferdinand. Am 19. Januar 1527 schrieb ihm der König, er ersehe aus seinen Briefen, daß er nichts unterlassen habe, was ihn zu Ehre und Nutzen dienen könne, und erwarte, in dem Vertrauen auf seine Ergebenheit, daß er in seinem Dienste klug, fest und unerschüttert beharren werde (S. 61). Wahrscheinlich bezieht sich dies auf die nahe bevorstehende Krönung; denn am 24. Februar 1527 ward Ferdinand in Prag zum Könige von Böhmen gekrönt. Am 11. Mai 1527 empfing er zu Breslau die Huldigung. Kurz vorher, am 12. April, war Joachim Maltzan in Berlin, um den Kurfürsten von Brandenburg zu bestimmen, zur Huldigung nach Breslau zu kommen; nachdem dieser zugesagt hatte, rieth er am 12. April auch dem Herzoge Albrecht von Meklenenburg dazu, auch nach Breslau zu kommen (S. 62).

Nachdem Ferdinand in Böhmen das Nothwendige geordnet und seine Wünsche erfüllt sah, rüstete er sich mit großer Macht, welche nöthig war, in Ungarn zu erscheinen, um seinen Gegner aus dem Felde zu schlagen. Der König hatte ein stattliches Heer zusammengebracht und angesehene Feldherren, wie Rogendorf, Nicolaus von Salm und Andere um sich; auch von Fürsten waren ihm Casimir von Brandenburg, Georg von Sachsen und Erich von Braunschweig zugezogen. Was aber bisher nicht bekannt gewesen ist, ist die hervorragende Stellung, welche Joachim Maltzan in diesem ersten und wichtigen Feldzuge einnahm: er war des "Heeres Oberster Feldmarschall in Einnehmung "der Krone Ungarn". Nicht allein Joachim Maltzan sagt dies in seinem Schlachtenberichte (S. 14): daß er dem Könige "als verordneter Oberster Feldmarschall den ersten Zug nach Ungarn gar tapferlich und getreulich vollbringen helfen"; auch der König Ferdinand sagt es zwei Male selbst, zuerst gleich nach seiner Krönung: daß er den Joachim Maltzan auf Graupen "bei dem gewaltigen Heerzuge in Einnehmung der Krone Ungarn als Obersten Feldmarschall gebraucht habe, in welchem Amt Maltzan sich auch ehrlich, ritterlich, fleißig und wohl gehalten" (S. 63), und dann am 2. August 1530 bei seiner Erhebung in den Freiherrenstand zur Belohnung seiner Verdienste (S. 89).

Der Feldzug unter Maltzan's Oberleitung war rasch und

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glänzend; die deutschen Truppen zeigten sich überall brav und tapfer. Am 31. Julii 1527 war Ferdinand mit seinem Heere an der ungarischen Grenze erschienen; am 20. August hielt er seinen Einzug in Ofen, wo der Markgraf Casimir von Brandenburg starb. Joachim Maltzan berichtet (S. 14) selbst, daß er "Sr. Majestät als verordneter Oberster Feldmarschall den ersten Zug im Ungerland gar tapferlich und getreulich vollbringen helfen, und obwohl Markgraf Casimir zu Ofen, ehe sich der Krieg geendet, in Gott verstorben, so haben doch Ihre Majestät auf dem Zuge die Feinde geschlagen und fast ganz Ungerland, Siebenbürgen, auch einen großen Theil von Dalmatien und Croatien eingenommen" (S. 15). Johann Zapolya ward bei Tokay aufs Haupt geschlagen und gezwungen, Ungarn zu verlassen. Am 3. November 1527 ward Ferdinand in Stuhlweißenburg zum Könige von Ungarn gekrönt. Dieser Sieg (S. 66) war aber nur ein augenblicklicher; es kostete noch viele und lange Kämpfe, ihn zu behaupten. Joachim Maltzan klagt um das J. 1551: "So man daselbst "verständiger Kriegsleute Rath gefolgt hätte, hätte man Ungerland wohl behalten mögen, aber da man des Katzianers und anderer neuer Hauptleute Vorhaben hat folgen wollen, so ist wissentlich, wie es darnach gegangen, wie auch jetzund noch täglich geschehen mag" (S. 15).

Joachim Maltzan hatte die Freude, nach dem Siege seinen Herrn in Stuhlweißenburg zum Könige von Ungarn gekrönt zu sehen. Da der Sieg für den Augenblick vollständig war, so kehrte Ferdinand bald nach Deutschland zurück und gab am 8. November 1527 dem "Joachim Maltzan auf Graupen, der dem Könige in dem jetzt vollbrachten gewaltigen Heerzuge zur Einnehmung der Krone Ungarn als Oberster Feldmarschall gedient, in welchem Amte er sich ehrlich, ritterlich, fleißig und wohl gehalten", zu seinem Abzuge mit seinen Dienern, Pferden, Hab und Gütern von dem königlichen Hofe in die Heimath einen freien Geleitsbrief (S. 63). Das Haus Oesterreich war des Ritters Joachim Maltzan für diesen Dienst auch lange dankbar eingedenk und erhob ihn vorzüglich dafür auf dem Reichstage zu Augsburg 1530 in den Freiherrenstand (S. 87).

Vorzüglich wegen der wachsenden kirchlichen Spaltungen hatten seit einigen Jahren keine fruchtbaren Reichshandlungen stattgefunden. Endlich ward ein neuer Reichstag auf den März 1528 nach Regensburg ausgeschrieben, obgleich "man nicht ohne Besorgnisse vor den Beschlüssen der Reichsstände" war. Joachim Maltzan ward von dem Könige Ferdinand nach Norddeutschland gesandt, um die norddeutschen Fürsten zum per=

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sönlichen Erscheinen auf dem Reichstage zu bewegen. Am 28. December 1527 war Maltzan bei dem Kurfürsten von Brandenburg, fand denselben aber, gegen die Bestimmung, nicht zu Hause; im Namen des Kurfürsten schrieb ihm der Graf Heuer von Mansfeld, daß der Kurfürst dem Kaiser und dem Könige zu Gefallen gerne auf dem Reichstage erscheinen wolle, wenn er Gewißheit hätte, daß der König Ferdinand dort persönlich erscheinen werde, indem ohne dies "schwerlich etwas Fruchtbares oder Beschließliches gehandelt werden möchte"; widrigenfalls bitte sich der Kurfürst die Artikel aus. Dies Alles schrieb Joachim Maltzan dem Könige Ferdinand von Graupen am 12. Januar 1528 (S. 65). Die Eröffnung des Reichstages ward aber von dem Könige Ferdinand auf den 3. Mai (Jubilate) verschoben (S. 66). Nun schickte der König wieder den Ritter Joachim Maltzan nach Norddeutschland, um die norddeutschen Kurfürsten zum Erscheinen zu bewegen. Der Kurfürst von Sachsen gab dem J. Maltzan am 16. April 1528 folgende Erklärung: obwohl Regensburg eine unbequeme Malstatt sei, so sei er willfährig geneigt gewesen, den Reichstag zu besuchen, wenn die andern Kurfürsten und Fürsten persönlich erscheinen würden, habe auch schon Fouriere zur Bestellung und Erkundigung nach Regensburg geschickt; da er aber erfahren habe, daß die Kurfürsten am Rhein nicht gewilligt seien, in eigener Person zu erscheinen, so sei es seines Ermessens zu nichts nütze, wenn er sich persönlich dahin verfügen wollte; würden aber die andern Kurfürsten und Fürsten persönlich erscheinen, so wolle er sich auch zu freundlichem Willen erzeigen (S. 66 - 69). Unter so bewandten Umständen hatte der Kaiser schon am 10. April 1528 den Reichstag ganz abgesagt.

Bald nahm aber der gewaltige Türkenkrieg vom Jahre 1529 alle Aufmerksamkeit und Kraft in Anspruch. Der Sultan Soliman erhob sich zum Vernichtungskampfe gegen die Christen; am 4. Mai 1529 zog er mit einem gewaltigen Heere aus, dessen Stärke man auf eine Viertelmillion schätzt Johann Zapolya vereinigte sich auch mit den Türken und bald war Ungarn ohne besondere Schwierigkeit gewonnen.

Die Sache war, nach Maltzan's Briefen, längst planmäßig vorbereitet. Selbst nach Meklenburg kamen die Werber Zapolya's, um ihm Kriegsknechte zuzuführen, und französisches Geld war über Meer in die Ostsee geschickt, um von den Ostseehäfen über Land gegen Oesterreich zu helfen. Am 15. Mai 1529 berichtet Joachim Maltzan dem Herzoge Heinrich von Meklenburg, daß Reiter und Fußknechte Willens seien, dem Johann Zapolya zuzuziehen und ihren Weg durch Meklenburg zu

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nehmen, und bittet ihn, dies nicht zu gestatten (S. 72); am 7. Junii klagt Maltzan, daß sich noch immer Knechte zu Johann Zapolya durchstehlen (S. 75). Am 10. Junii 1529 schreibt der Herzog Albrecht von Meklenburg an den Rath der Stadt Wismar, daß der Türke, der Feind der Christenheit, eine Botschaft, die sich für eine polnische ausgebe, durch den Woiwoden (Weyda) Grafen Hans von Zips, d. i. Johann Zapolya, ausgeschickt habe, um gegen das deutsche Reich zu handeln, und befiehlt, eine solche Botschaft nicht durchzulassen (S. 72). Ferner fordert Joachim Maltzan am 22. Mai 1529 die Herzoge von Meklenburg durch Briefe des Königs Ferdinand auf, "etlich französisches Geld, das gegen die kaiserliche und königliche Majestät über Meer gefertigt werde", als gute Beute anzuhalten, wenn es in die meklenburgischen Häfen kommen sollte; es wurden auch die Kurfürsten und Fürsten gewarnt, die werbenden Hauptleute, welche vorgeben würden, für den König Ferdinand Reiter zu sammeln, nicht durchzulassen, da der König keine Bestellung habe ausgehen lasssen.

Siegreich rückte das osmanische Heer gegen die Grenzen Deutschlands vor. Die äußerste Noth drängte zur Rüstung gegen den allgemeinen und gefürchteten Feind. Der König Ferdinand setzte eine Reichsversammlung zu Regensburg auf die Johanniswache 1529 an, auf der "alle Kurfürsten, verordneten Fürsten und kaiserlichen Regimentsräthe mit dem Könige zusammenkommen" sollten. Joachim Maltzan war im Namen des Königs bei dem Kurfürsten von Brandenburg gewesen und wollte am 7. Junii zum Kurfürsten von Sachsen ziehen, um beide zu bewegen (S. 74 und 76), denn es war Absicht, "von des Reichs wegen Kriegsvolk zu Roß und zu Fuße aufzunehmen". Am 7. Junii suchte Maltzan auch die Herzoge von Meklenburg zu vermögen, persönlich nach Regensburg zu kommen (S. 74 - 75). Der Tag zu Regensburg ward gehalten; es waren auf demselben der König Ferdinand, der Pfalzgraf Friederich, der Herzog Ludwig und noch ein Herzog von Baiern, der Landgraf von Leuchtenberg, die Bischöfe von Regensburg, Trient und Augsburg, die Botschafter der Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und sonst viele Grafen und Herren erschienen, und es ward daselbst beschlossen, daß der Zug gegen die Türken vor sich gehen solle (S. 77). Joachim Maltzan war auch auf dem Tage zu Regensburg und begleitete den König Ferdinand von dort nach Linz (S. 76). Von Linz ging noch im Julii der König auf den böhmischen Landtag nach Budweis, wo allerdings die wichtigsten und erfolgreichsten Beschlüsse gefaßt wurden: es ward beschlossen, dem

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Könige eine stattliche Hülfe zu stellen: auf sechs Monate: von Böhmen 6000 Knechte und 600 Pferde, von Mähren 3000 Knechte und 3000 Landgesessene mit der Wagenburg, aus Schlesien 3000 Knechte, außer der Stellung aus der Lausitz; über dies alles ward beschlossen und bewilligt, dem Könige mit aller Macht zu Hülfe zu kommen, wenn er von den Türken überwältigt werden sollte (S. 77). Der König Ferdinand wollte gegen Ende des Monats August mit seiner ganzen Macht zu Felde ziehen, um den Türken eine Schlacht zu liefern (S. 78). Der König ging mit dem Pfalzgrafen Friederich, Feldhauptmann des Reichs, nach Linz zurück. Joachim Maltzan blieb in Böhmen mit der Rüstung beschäftigt.

Während der Zeit zogen die Türken über die deutsche Grenze. Die ganze Christenheit gerieth in Schrecken, als Soliman am 26. September 1529 mit seinem wilden Heere vor Wien erschien und die Belagerung der Stadt begann. Auch Joachim Maltzan schätzt die Stärke des türkischen Heeres über 3 bis 400,000 Mann. Auf der andern Seite der Donau zog Johann Zapolya mit 100,000 Mann heran (S. 80). Die Türken verheerten und verbrannten auf ihrem Zuge alles, was ihnen entgegenstand, und ergossen sich über Wien hinauf gegen Linz, so daß der König dort nicht mehr sicher war; er ward am 4. Oct. in Prag erwartet (S. 80).

Jetzt war der Zeitpunct gekommen, wo die Lande des Königs Ferdinand " alle mit aller Macht" demselben zu Hülfe ziehen mußten. Joachim Maltzan giebt einen "im Kriegsrathe" in seiner Gegenwart gemachten Ueberschlag des christlichen Heeres, das so stark war, daß "kein christlicher Kaiser oder König so stark zu Felde gekommen innerhalb 300 Jahren" (S. 83 folgd.). Der Ueberschlag ging auf 22,800 Reisige, 224,000 Mann Knechte und 363 Stück große Geschütze; hievon stellte z. B. Böhmen allein an 40,000 Knechte, 2200 reisige Pferde, 3000 Wagen mit 600 Hakenbüchsen und 90 Stück Feldgeschütz (S. 84 und 85). Dieses Heer setzte sich noch im October "zur Errettung Wiens" in Bewegung. Joachim Maltzan war einer der Befehlshaber dieses Heeres, zu welchem er selbst auf eigene Kosten 20 gerüstete Pferde und 200 wohl geharnischte Knechte gestellt hatte (S. 15).

So oft und heftig aber auch die Türken Wien stürmten, so heldenmüthig hielt sich die Besatzung und schlug die wüthendsten Bestürmungen ab. Joachim Maltzan giebt die Stärke der Besatzung Wiens auf 30,000 Mann an (S. 80). Die Osmanen fingen an, an der Möglichkeit der Einnahme Wiens zu zweifeln; vorzüglich aber war es die Nachricht von dem Heran=

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rücken des böhmischen Heeres, wodurch sie von ihrem Vor= haben abstanden. Am 14. Oct. versuchte Soliman den letzten, vergeblichen Sturm. Noch in der Nacht desselben Tages begannen die Türken ihren Rückzug, da sie die schlechte Jahreszeit und die Tapferkeit der Christen zu bedenken hatten. Joachim Maltzan scheint dem Entsetzungsheere großen Einfluß zuzuschreiben, indem er sagt, daß, nach der Rüstung Böhmens, "die Türken von der Belagerung Wiens abgewichen sind und die Stadt also wiederum erlöset worden" (S. 15).

Das böhmische Heer in der oben angegebenen Stärke, sammelte sich in Mähren an der Grenze Oesterreichs bei Znaym, auf der Straße nach Wien, und lagerte um diese Stadt 4 bis 5 Meilen weit (S. 82, 84 und 15), um zur Schlacht zu ziehen (S. 84). Nachdem hier das Heer zwei Nächte im Felde gelegen hatte (S. 82), begann es den Zuzug. Da kam die Nachricht, daß die Türken von Altenburg schon bis jenseits Ofen zurückgewichen seien, und bald darauf die Botschaft, daß Soliman sich wieder ganz in die Türkei zurückgezogen habe. Daher ward im Kriegsrathe beschlossen, daß das böhmische Heer sich bis zum Anfange des Frühlings zurückziehen solle, und den Reichsständen ward der Zug abgeschrieben (S. 82).

Johann Zapolya empfing von den Türken die Krone Ungarns. Ferdinand hätte diesen eilfertigen Abzug Soliman's benutzen können, um rasch und mit Gewalt in Ungarn nachzudrängen; aber es fehlte ihm so sehr an Geld, auch an Kraft, daß gleich der Versuch scheiterte. Es war Zeit, daß der Kaiser in Deutschland erschien.

Die Räthe der böhmischen Krone, unter denen auch Joachim Maltzan, beschlossen einen böhmischen Landtag auf den 13. December 1529 zu Prag, wo der König mit der Königin persönlich zu erscheinen gedachten; zugleich sollten in allen Erblanden des Königs, in Mähren, Oesterreich, Schlesien u. s. w., Landtage gehalten werden, um für den nächsten Frühling den Feldzug in Ungarn zu beschließen, zu welchem man den Kaiser und den König erwartete (S. 82 - 83). Auch war eine Zusammenkunft des Königs mit seinem Bruder dem Kaiser in Augsburg auf die Zeit nach Weihnacht verabredet, um einen allgemeinen Reichstag zu beschließen (S. 83).

Trotz dieser ungeheuren Thätigkeit, welche Joachim Maltzan anf dem Felde des Krieges und der Politik entwickelte, machte er es grade in dieser Zeit möglich, seine ganze häusliche Lage zu verändern. Er kaufte nämlich im J. 1529 die freie Standesherrschaft Wartenberg in Schlesien, welche dem Obersten Burggrafen des Königreichs Böhmen, Zdenko Löw von Rozmital,

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gehört hatte (S. 86). Am 26. Julii 1529 hatte der König Ferdinand einigen seiner Gläubiger auf diesen Kauf 1500 Gulden gezahlt, ihm aber dennoch die Herrschaften Graupen und Teplitz erblich wieder eingeantwortet und ihm auch Aussicht auf Schloß und Herrschaft Tachau, im pilsener Kreise Böhmens, gegeben (S. 79). Im J. 1530 verkaufte aber Joachim Maltzan die Herrschaften Graupen und Teplitz an denselben einflußreichen Obersten Burggrafen Löw von Rozmital (S. 45). Wahrscheinlich war diese beiderseitige Veräußerung eine Art Tausch, wenn wir auch keine weitere Nachricht darüber besitzen. Durch diese Besitzveränderung ward die ganze Lage des Ritters Joachim Maltzan eine ganz veränderte, indem er Standesherr in Schlesien ward und dadurch in völlig neue Verhältnisse kam.

Was den Ritter Joachim Maltzan dazu bewog, seinen Wohnort zu verändern, ist dunkel. Vielleicht war es der Glaube, der ihn zu dem Entschlusse brachte, einen Kreis zu wählen, in dem er sich freier bewegen konnte. Es läßt sich nämlich annehmen, daß Joachim Maltzan sich früh zum lutherischen Glauben hinneigte. Am 18. Julii 1525 war er noch nicht lutherisch, da er in einem Injurienstreite dem märkischen Edelmanne Christoph v. Quitzow den Vorwurf macht, daß dessen "geistlicher Vater Martin Luther" sei, um welchen sich ein Streit zwischen ihnen angefangen habe. Zwar sagt Kurts in seiner Geschichte von Wartenberg, Joachim Maltzan sei 1529 evangelischen Glaubensbekenntnisses gewesen; dies läßt sich aber jetzt nicht mehr beweisen. So viel ist aber sicher, daß Joachim Maltzan früh und eifrig lutherisch ward; die Stadt, der Adel und die Dörfer seiner Standesherrschaft Wartenberg wurden, wahrscheinlich durch seine Beförderung, früh lutherisch und sind es bis heute zum größern Theile geblieben; im J. 1536 beförderte er die Vermählung der Töchter des lutherischen Herzogs Heinrich von Meklenburg mit den Herzogen von Schlesien "des evangelischen Glaubens" willen (S. 138); und seit dem J. 1547 war er die kräftigste Stütze der evangelischen Sache gegen den Kaiser Carl V. Wahrscheinlich ist es, daß ihn die Begebenheiten des Jahres 1530 entschieden auf die Seite der lutherisch Gesinnten drängten. "Schon im J. 1534 warnte der Bischof von Lunden den Kaiser vor Ferdinand's Räthen, welche theils dem Protestantismus ergeben seien, theils zu Frankreich sich hinneigten", und am 16. März 1550 klagt Joachim Maltzan, "daß ihm der evangelischen Religion halber genug Widerwärtigkeit widerfahren sei" (S. 216).

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Die Aufforderungen des Königs Ferdinand an seinen Bruder Carl, nach Deutschland zu kommen, wurden immer dringender. Nachdem Carl V. sich am 24. Februar 1530 zu Bologna zum römischen Kaiser hatte krönen lassen, erließ er von dort aus ein Ausschreiben zu einem Reichstage zu Augsburg auf den 8. April und zog darauf im Anfange des Monats Mai über die Alpen zu dem großen, glänzenden und denkwürdigen Reichstage, zu welchem er am 15. Junii seinen prachtvollen Einzug hielt. Fast alle Fürsten Deutschlands waren erschienen. Die Hauptgegenstände der Verhandlung waren die Religionsangelegenheiten und die Türkenkriege. In den Religionsangelegenheiten kam es zum offenen Bruche, indem die evangelischen Fürsten am 25. Junii eine Bekenntnißschrift, die augsburgische Confession, überreichten, an welcher sie fortan mit Entschiedenheit festhielten. Die Herzoge von Meklenburg waren auch anwesend und thaten sich durch Gewandtheit in der lateinischen Sprache hervor. Auch Joachim Maltzan war auf dem Reichstage als einer der Räthe des Königs Ferdinand (S. 95) und wird hier Anblicks der Glaubensfestigkeit der evangelischen Fürsten mit seinem Glauben zum Abschlusse gekommen sein. Joachim Maltzan erhielt auf diesem Reichstage für sich und seine Nachkommen eine Anerkennung, welche das glänzendste Zeugniß für seine großen Verdienste giebt. Am 2. August 1530 erhob der König Ferdinand ihn, in Betracht des alten, ehrenvollen, adeligen Herkommens seiner Vorältern, für die angenehmen, getreuen und großen Dienste, die er dem Könige und der Krone Bömen in trefflichen Händeln und Sachen, insonderheit mit der Rüstung seines Leibes, seiner Habe und Güter in den schweren Feldzügen und Kriegen als Oberster Feldmarschall in Eroberung und Einnehmung der Krone Ungarn, auch mit getreuem Rath zur Erhaltung der königlichen Regierung und sonst in mannigfaltiger Weise dem Könige, dessen Konigreichen und dem Hause Oesterreich vor andern geleistet, zum Freiherrn der Herrschaften und Schlösser Wartenberg im Herzogthume Schlesien und zu Penzlin und erstreckte diese Würde auch auf seinen Bruder Georg und ihrer beider Nachkommen, so daß diese sich in ewige Zeiten Freiherren und Freifräulein zu Wartenberg und Penzlin nennen und von männiglich genannt werden sollten, bei Strafe von 50 Mark löthigen Goldes; am 12. August 1530 bestätigte der Kaiser Carl V. diese Erhebung und bestimmte zugleich, daß die beiden Brüder und ihre Nachkommen auch "für des heiligen Reiches und der Krone Böhmen Freiherren und Freifräulein zu Warten=

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berg und Penzlin gehalten, geehrt und genannt" werden sollten, bei Strafe von 40 Mark löthigen Goldes (S. 87 - 95). Dies ist die älteste noch geltende und dazu wohl verdiente Erhebung, welche eine meklenburgische adelige Familie erfahren hat. Die Lehnherren der Freiherren Maltzan stellten ihnen eine Versicherung aus, in welcher sogleich eine Anerkennung der Erhebung lag, daß diese Erhebung zu Freiherren des Heiligen Römischen Reichs und der Krone Böhmen ihnen und ihren Erben an ihren altväterlichen Erblehen und andern Lehns= und Erbfällen nicht nachtheilig sein solle; der Kurfürst Joachim von Brandenburg, die Herzoge Georg und Barnim von Pommern und der Herzog Albrecht von Meklenburg thaten dies noch auf dem Reichstage zu Augsburg am 11. August 1530, der Herzog Heinrich von Meklenburg holte dies zu Güstrow am 22. Febr. 1531 nach (S. 96 - 101).

Am 19. November 1530 ward der Reichstagsabschied erlassen, durch welchen die lutherische Ketzerei auf das strengste untersagt ward. Die entschieden protestantisch gesinnten Fürsten aber versammelten sich am 22. bis 31. Dec. 1530 zu Schmakalden und schlossen den schmalkaldischen Bund zum entschlossenen Widerstande gegen jede Bedrückung, eine That, von der allerhöchsten Wichtigkeit für die ganze Welt.

Von Augsburg zog der Kaiser nach Cölln, um hier von den Kurfürsten seinen Bruder Ferdinand zum deutschen Könige wählen zu lassen, da er, der Kaiser, wegen seiner übrigen Länder oft vom deutschen Reiche entfernt sein müsse. Am 5. Januar 1531 geschah die Wahl und am 11. Januar die Krönung zu Aachen mit großer Pracht. Auch hiezu half Joachim Maltzan wesentlich mit; er selbst sagt in seinem Schlachtenberichte zu dem Kaiser, daß er "im augsburgischen Reichstage im 1530 Jahre gar getreulich habe helfen handeln, daß Ihre Majestät zum römischen König erwählt" worden sei (S. 17).

Joachim Maltzan erwarb sich in Schlesien wieder des größten Vertrauens und nahm hier eine angesehene Stelle ein. Er blieb des Königs Ferdinand Rath und ward von ihm zu den wichtigsten Geschäften gebraucht. Am 13. März 1531 sehen wir ihn auf seiner Standesherrschaft wirken; er nennt sich in den Urkunden "des heiligen römischen Reichs Freiherr zu Wartenberg und Penzlin und des Herzogthums Stettin und des Fürstenthums Wenden Erbmarschall" (S. 101 u. 111).

Die Türkengefahr ward wieder drohend. Der König Ferdinand verstand sich dazu, mit dem Sultan durch Gesandtschaften

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Unterhandlungen anzuknüpfen, jedoch vergebens. Am 26. April 1532 erhob sich Soliman zu einem zweiten gewaltigen Heerzuge gegen Oesterreich, und diesmal mit um so größerer Begierde, als der Kaiser Carl selbst ihm entgegentreten wollte. Mit unerhörter Pracht zog Soliman dem Feinde entgegen; die Stärke des türkischen Heeres ward auf eine Viertelmillion gerechnet. Während der Zeit ward seit dem 17. April endlich der lange beabsichtigte Reichstag zu Regensburg gehalten, um eine Türkenhülfe zu gewinnen, welche der Kaiser am 24. Junii 1532 als eine "eilende Hülfe" der Reichsstände ausschrieb. Am 24. Julii ging das türkische Heer bei Essek über die Drau. Im Anfange des Monats August war das ganze deutsche Reich in Bewegung und der Kaiser hatte Vertrauen und Muth. Joachim Maltzan nahm auch Theil an dem Zuge und führte die schlesischen Völker. Als Soliman bei Güntz vorüberzog, warf sich Niklas Jurischitz mit 30 Reitern und vielen Flüchtlingen in die Festung, in der Absicht, sie so lange als möglich zu vertheidigen; es mochten in der kleinen Festung im Ganzen 700 Mann Bürger und Bauern sein, außer den 30 Reitern. Die Türken belagerten die Festung mit ihrer ganzen Macht; elf Mal schlug die kleine Heldenschaar den Sturm ab. Beim zwölften Sturme am 28. Aug. hätten sich die Türken des Platzes bemächtigen können, wenn sie nicht vor dem Geschrei der Verzweiflung der Belagerten zurückgebebt wären. Soliman ließ von der Belagerung ab. Während der Zeit hatten Carl und Ferdinand ein ungewöhnlich glänzendes und tapferes Heer von ungefähr 80,000 Mann zusammengebracht und es auf dem Tulner Felde oberhalb Wien vereinigt. Im September belagerte Soliman auch Gratz vergeblich. Der türkische Vortrab, 8 bis 9000 Mann stark, alle zu Roß, zog aber schon durch den Wiener Wald gegen die Ebenen. Das christliche Heer war noch nicht zur Stelle; des Reichs Oberster Feldhauptmann, der Pfalzgraf Friedrich, war in Wien. Da "hat Herr Maltzan mit den schlesischen Reisigen, so viel von des Reichs und der Krone Böhmen Völkern hätten thun sollen, das erste Treffen in die Türken gethan, welches auch dermaßen gerathen, insonderheit weil der Pfalzgraf mit dem gewaltigen Haufen Reisigen bald nachgerückt, daß die Türken zum Theil im Felde todt blieben, zum Theil in den Gräben ertranken, die Mehrzahl von den Handschützen auf dem Moose erschossen, ein Theil aber nach Neustadt aus des Markgrafens Joachim von Brandenburg Seite versprengt und vollens erwürgt ward" (S. 15). Diese bisher unbekannte, genaue Nachricht haben wir aus dem Schlachtenberichte Maltzan's selbst. Auch Sebastian Schärtlin von Burten=

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bach war bei dieser That, welche am 19. September 1532 geschah. Auf die Nachricht von der Vernichtung des Vortrabes trat Soliman seinen Rückzug in so großer Unordnung an, daß er selbst mit Lebensgefahr durch die Drau schwamm und eilig sich nach Konstantinopel zurückzog. Der Kaiser Carl hätte jetzt wieder den Vortheil benutzen können; da aber das Land verheert und der Winter vor der Thür war, so entließ er am 5. October das Heer und begab sich durch Italien nach Spanien. Joachim Maltzan war noch am 17. October 1532 "in römisch=kaiserlicher Majestät und des heiligen Reichs Diensten in dem christlichen Heereszuge wider die Türken mit Geschäften verhaftet" (S. 106).

Aus allen diesen Kriegsthaten erkennt man klar, daß Joachim Maltzan der rechte Feldherr war, der mit Umsicht, Tapferkeit und Gewandtheit stets den Angriff auf den Feind machte und, dessen schwache Seiten erspähend, durch Unerschrockenheit und Geistesgegenwart stets siegte.

In den nächsten Jahren, welche freilich unruhig genug in Ungarn waren, ereignete sich keine Begebenheit von großer Bedeutung. Aber man fing an einzusehen, daß es gerathener sei, gegen den gemeinsamen Feind und den Hauptfeind Oesterreichs, den Türken, zusammenzustehen, als durch Sonderbündnisse dessen Macht zu stärken. Die ersten, geheimen Hanptverhandlungen wurden am polnischen Hofe gepflogen. Johann Zapolya hatte eine Tochter des Königs Sigismund I. von Polen zur Gemahlin. Im J. 1535 vermählte sich auch der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg mit Sigismund's Tochter, Hedwig. Bei Gelegenheit dieser Vermählung wurden schon Friedensverhandlungen gepflogen, und obgleich Joachim Maltzan "aus beweglichen Ursachen keinesweges mit zum Beilager hatte ziehen wollen", so ward er doch von dem Kurfürsten Joachim, welcher die Einleitung übernommen hatte, als Vermittler gebraucht (S. 113 - 117); der Kurfürst vertrauete ihm nach seiner Heimkehr aus Polen von dem Beilager eine Sendung zum Könige Ferdinand, um den Frieden anzubahnen. Der König von Polen und der Kurfürst von Brandenburg erboten sich, falls die Parteien sich selbst nicht einigen könnten, zur Vermittelung und schlugen einen Congreß zu Breslau im Frühling 1536 vor. Joachim Maltzan übernahm es, "als ein getreuer Diener des Königs Ferdinand", diesem die Verhandlungen persönlich vorzutragen; da er aber längere Zeit am Fieber krank gewesen war, so vertraute er die Sache am 1. Januar 1536 einem Briefe und diesen einem Edelmanne, seinem vertrauten Unterthan und Diener, zur Ueberbringung an den Kaiser (S. 113). Der Friede zwischen dem

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Kaiser Carl und dem Könige Ferdinand und Johann Zapolya kam jedoch erst am 24. Februar 1538 zu Stande, wie beabsichtigt war, nämlich daß nach dem Tode des Johann Zapolya derjenige Theil von Ungarn, welchen dieser im Besitze hatte, an Ferdinand fallen solle.

Im Jahre 1535 war Joachim Maltzan für den König Ferdinand auf Gesandtschaftsreisen wegen der dänischen "Grafenfehde", in welche bekanntlich der Herzog Albrecht von Meklenburg tief verflochten war. Er war am 10. Februar 1535 als "königlicher Rath und Orator" in Schwerin "in wichtigen Händeln und Sachen", um mit den Herzogen von Meklenburg zu verhandeln (S. 107). Am 16. Febr. 1535 gab ihm der Herzog Albrecht von Meklenburg eine Vollmacht zurück, um für ihn bei dem Könige in dieser Sache zu wirken, und versah ihn mit Instruction (S. 108 folgd.).

In den nächsten Zeiten sehen wir den Freiherrn Joachim Maltzan in friedlichen Angelegenheiten wirken, bald in eigenen, bald in fürstlichen Hausangelegenheiten.

Am 11. November 1535 bestätigte er als Standesherr, "Joachim Maltzan, des heiligen römischen Reichs Freiherr zu Wartenberg und Penzlin, des Herzogthums Stettin und des Fürstenthums Wenden Erbmarschall", einen zwischen zweien seiner Vasallen geschlossenen Contract, unter Zustimmung "der edlen, wohlgebornen Frau Bernhardine, gebornen von Walstein, seiner liebsten Gemahlin" (S. 111).

Am lebhaftesten beschäftigte ihn aber in den nächsten Jahren die Vermählung der beiden jüngsten Töchter des Herzogs Heinrich des Friedfertigen von Meklenburg, Margarethe und Katharine, mit schlesischen Herzogen, welche er auch glücklich zu Stande brachte (S. 118 - 159). Maltzan wirkte in diesen langen Verhandlungen zwischen beiden Parteien "als ein Unterhändler für seine Person", wie er wiederholt sagt (S. 149), und es war ihm selbst eine Freude, eine Verbindung zu Stande zu bringen, von welcher er viel Ersprießliches hoffte; daher kam auch die ungewöhnlich lebhafte Theilnahme und Thätigkeit, die er der Sache widmete. Die Haupttriebfeder zu dieser Verbindung war der "Glaube", zu dem sich die Parteien bekannten. Der Herzog Heinrich von Meklenburg war schon lange dem evangelischen Glauben zugethan gewesen und hatte sich grade damals offen zu demselben bekannt. Joachim Maltzan begünstigte in seiner Standesherrschaft früh die lutherische Lehre, und aus dem Eifer, mit welchem er grade diese fürstlichen Verbindungen des Glaubens wegen betrieb, läßt

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sich schließen, daß auch er der protestantischen Kirche angehörte (S. 138). Der Herzog Heinrich hatte noch zwei junge Töchter: Margarethe, welche damals 21 Jahre, und Katharine, welche 18 Jahre alt war. Sowohl diese beiden Prinzessinnen, als auch die schlesischen Prinzen wurden viel besprochen, weil mehrere Vermählungen auf die Bahn gebracht wurden. Zu gleicher Zeit wollte der Landgraf Philipp von Hessen die Prinzessin Margarethe mit dem Herzoge Ruprecht von der Pfalz und die Prinzessin Katharine mit dem Grafen Georg von Würtemberg vermählt wissen.

Joachim Maltzan strebte aber nach der Vermählung mit den schlesischen Prinzen, welche er zu vermählen wünschte: mit des Herzogs Carl I. von Münsterberg zweitem Sohne, Heinrich II., welcher damals 25 (oder vielmehr 20) Jahre alt war, und mit des Herzogs Friedrich II. von Liegnitz ältestem Sohne, Friedrich III., welcher damals im 19. Jahre stand. Joachim Maltzan beabsichtigte nun, daß Heinrich II. die ältere Prinzessin Margarethe, Friedrich III. die jüngere Katharine heirathen sollte (S. 121, 133).

Der Herzog Friedrich II. war ein angesehener Fürst, so daß "seit Menschengedenken kein reicherer und mächtigerer Fürst in Schlesien gewesen war, als er" (S. 120), der mit kluger Einsicht und Sparsamkeit seine Herrschaft bedeutend verbesserte; dazu war der Herzog Friedrich II. mit seinem Hause schon seit dem J. 1526 sehr entschieden evangelisch, und dies gab für die Vermählung zuletzt den Ausschlag, obgleich von anderer Seite eine Vermählung Friedrich's III. mit der jungen, schönen und reichen mittlern Tochter des Königs von Polen sehr begünstigt ward (S. 128). Als Joachim Maltzan Pfingsten 1536 zu Penzlin war, beabsichtigte er schon eine Unterredung mit dem Herzoge Heinrich (S. 118, 122); da ihn die Antwort des Herzogs nicht mehr in Penzlin traf und Maltzan nach Berlin reisen mußte, so schrieb er am 12. Junii von Berlin dem Herzoge und bat diesen um Antwort durch einen Eilboten (S. 119, 123). Von nun an betrieb Joachim Maltzan die Sache mit dem lebhaftesten Eifer (S. 128 folgd.) und redete alles "als für sich selbst" bis zur Vermählung ab. Die Praktiken aus Polen nahmen zu; weil kein heiratsfähiger Königssohn vorhanden war, achtete man den Prinzen Friedrich von Liegnitz "für den vermögendsten und tapfersten Prinzen, dem der König seine Tochter geben könne". Endlich hatte der Prinz zu Liegnitz eine lange geheime Unterredung bei Nacht mit Joachim Maltzan in dessen Gemache (S. 136) und erklärte diesem, daß er lieber eine meklenburgische Prinzessin mit 12,000 Gulden, als des Königs

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von Polen Tochter mit 32,000 ungarischen (Gold=) Gulden haben wolle, "um des Glaubens willen, weil des Herzogs Heinrich Tochter mit ihm im evangelischen Glauben übereinstimme", während er ihn bat, zur Ausführung der Angelegenheit keine Kosten zu sparen. Maltzan schreibt nun: "So ist es denn nun gewißlich auf der Bahn, wenn diese Freundschaft sich glücklich endet, daß die andere Tochter E. F. G. auch an einen hohen Ort ehelich mit E. F. G. Willen versehen werde, durch die Hülfe und Zulassung Gottes, auch E. F. G. und sonderlich E. F. G. Söhnen und derselben Erben zum Besten hieraus folgen wird ein Glück und andere Handlung. Ich getraue es mir mit Hülfe und Beförderung des alten und jungen Fürsten gewißlich durchzudrucken; darum habe ich durch E. F. G. Marschall nicht umsonst geschrieben, daß aus dieser Freundschaft und Heirath viel Gutes erfolgen würde; aber die Noth fordert, daß E. F. G. in diesen Händeln selbst Herr und Meister sei und nicht jeglichem Geiste seinem Rath Statt oder Glauben geben; denn heimlicher Neid und Furcht eines Andern Aufkommen ist nun in dieser Welt mannigfalt" (S. 137). Im Herbste 1536 war Joachim Maltzan wieder in Meklenburg bei dem Herzoge und beredete mit demselben zu Walsmühlen die Ehestiftung (S. 139), und im November 1536 sandte der Herzog Heinrich seinen Hofmarschall nach Schlesien, um die Ehepacten vorläufig zu entwerfen (S. 138 folgd.). Die Sache ward jetzt nachdrücklich betrieben. Nachdem Alles vorbereitet war, kam der junge Fürst in Begleitung des Freiherrn Joachim Maltzan und mehrerer anderer Räthe und des liegnitzschen Kanzlers nach Meklenburg und feierte hier am 13. Febr. 1537 seine Vermählung mit der meklenburgischen Prinzessin Katharine (S. 151 - 152). Der junge Herzog kam mit 30, Joachim Maltzan mit 16, die übrigen Herren vom Gefolge mit 2 bis 10 Pferden. - Leider nahm diese Vermählung einen höchst unglücklichen Ausgang. Der Herzog Friedrich III. ward "ein sittenloser, dem Trunke im hohen Grade ergebener Mann", der alle Formen eines feinern Lebens abstreifte und seiner Herrschaft entsetzt und seit 1559 in Gefangenschaft gehalten werden mußte, in welcher er erst im J. 1570 starb. Die Herzogin, welche erst im J. 1580 starb, gerieth in so große und unerhörte Bedrängniß, daß sie sich häufig herablassen mußte, zur Kehrung ihrer Noth weit und breit um Geschenke zu bitten. Ihr Sohn Heinrich XI. war ein eben so "unstäter Gast und Verschwender" wie sein Vater, mit dem er am Ende ein ähnliches Geschick theilte.

Dieser Hochzeit folgte bald die Vermählung der Prinzessin Margarethe mit dem Herzoge Heinrich II. von Münsterberg,

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wie Joachim Maltzan es vorausgesehen, gewünscht und eingeleitet hatte. Der Vater des Prinzen, der Herzog Carl I., wünschte, daß sein Sohn "eines reichen Herrn Tochter in Polen (Katharine von Schulowitz) mit 40,000 Gulden freien sollte; aber der Sohn wollte es nicht und gab dem Vater zur Antwort, er wolle seinen Stand nicht erniedrigen, sondern lieber eines Reichsfürsten Tochter mit 10 oder 12.000 Gulden nehmen, und beharrte auf seinem Entschlusse; darüber erzürnte er sich mit dem Vater, welcher nun (noch im J. 1536) das polnische Fräulein seinem jüngern Sohne Johann vermählte" (S. 120). Der Herzog Carl I. starb bald darauf, noch im Junii 1536, und sein Sohn Heinrich II. folgte ihm in der Regierung, wodurch die Vermählung sicherer, aber etwas aufgeschoben ward (S. 123). Der Herzog Heinrich II. beharrte darauf, die Prinzessin Margarethe zu heirathen (S. 133), und am 9. Junii 1537 erklärte sich auch der Herzog Heinrich von Meklenburg zur Vermählung seiner Tochter geneigt (S. 155) und beauftragte zugleich den Freiherrn Joachim Maltzan mit der Vermittelung zur Abschließung der Ehepacten (S. 157 folgd.), wozu Maltzan sein Haus angeboten hatte. Die Vermählung ward am 12. Nov. 1537 vollzogen. Im J. 1538 fing auch Heinrich II. mit seinen Brüdern an, das Land von dem Papismus zu reinigen. - Auch diese Ehe hatte nicht das erwünschte Ende, indem der Herzog mit seinen Brüdern so tief in Schulden gerieth, daß sie im J. 1542 die Herrschaft Münsterberg dem Herzoge Friedrich II. von Liegnitz verpfänden mußten; in diesen Verlegenheiten des münsterbergischen Hauses scheint Joachim Maltzan auch Unterhändler gewesen zu sein (S. 190 folgd.). Dazu kam, daß der Herzog schon im J. 1548 in einem Alter von 40 Jahren starb und die Gemahlin ihm 10 Jahre darnach in die Ewigkeit folgte.

Aus solchen wichtigen Ereignissen wird es klar, daß der Freiherr Joachim Maltzan an den deutschen Fürstenhöfen eine sehr bedeutende, einflußreiche Stellung einnahm.

Der Vertrag zwischen dem Könige Ferdinand und Johann Zapolya über Ungarn war am 24. Februar 1538 abgeschlossen. Aus mehrern Andeutungen geht hervor, daß Joachim Maltzan stark dabei betheiligt war, auf diese Weise das Band der christlichen Fürsten gegen die Türken zu befestigen, wie er schon seit dem J. 1535 durch den Kurfürsten von Brandenburg für den König von Polen mit der Anbahnung des Friedens betraut war. Am 14. Novbr. 1540 wird beim Reichskammergericht bestimmt gesagt, daß J. Maltzan "von der römischen Kaiserl. Majestät von einer Zeit zur andern mit mehr als einer Legation an

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etliche großmächtige Stände, wie an den König von Polen und darnach an den König von Ungarn, zum Theil der ganzen deutschen Nation und gemeiner Christenheit zu gute, beladen worden, welche vom August 1538 bis in das Jahr 1540 gewähret" (S. 162). Auch schreibt Joachim Maltzan am 12. September 1538 von Berlin dem Herzoge Heinrich von Meklenburg, daß "er mit großwichtigen Händeln beladen sei und von der römischen königlichen Majestät eine Schrift über die andere habe" (S. 163). Im Besondern ist eine Legation bekannt geworden. Trotz des durch Polen vermittelten Vertrages zwischen Oesterreich und Ungarn hatte doch der König von Polen eine strenge Grenzsperre gegen Ungarn und Schlesien angeordnet und namentlich seinen Unterthanen "bei harter Strafe ernstlich verboten, Ungarn und Schlesien mit ihren Kaufmannswaaren und Handtirungen zu berühren und persönlich durchzuziehen", wodurch den Landen des Königs Ferdinand große Beschwerde zugefügt ward. Da nun mehrere Schreiben ohne Erfolg geblieben waren, so bestellte der König Ferdinand eine ansehnliche Gesandtschaft aus sechs angesehenen Räthen und Edelleuten, unter denen auch Joachim Maltzan war. Das Zusammentreffen und die Abreise der Gesandten nach Polen ward vom 9. August 1538 mehrere Male aufgestützt, bis der endliche Ausbruch auf den 30. November 1538 bestimmt ward (S. 160 - 170). Es war jedoch nicht die Aufhebung der Grenzsperre allein der Zweck der Gesandtschaft, sondern Joachim Maltzan war außerdem noch mit andern geheimen, politischen Aufträgen betraut. Am 10. Mai 1539 brachte der König Ferdinand ihm schriftlich den wärmsten Dank "für seine Klugheit, seinen weisen Rath und seine ergebene Treue, welche er nicht allein gegen den Kaiser standhaft beweise, sondern auch in den sehr geheimen Verhandlungen mit den beiden Königen von Polen und Ungarn zum gemeinsamen Nutzen der Christenheit angewandt habe" (S. 171 - 172).

Im Herbste 1539 war Joachim Maltzan am kurfürstlich=sächsischen Hofe (S. 175) und im Februar 1540 in Meklenburg, namentlich zu Penzlin bei seinem Bruder (S. 180 und 162).

Der Abschluß des Vertrages zwischen Ferdinand und Johann Zapolya, welcher geheim gehalten werden sollte, aber dem Sultan hinterbracht war, hatte diesen argwöhnisch gemacht und wieder unter die Waffen gebracht. Soliman war im Herbst 1538 "persönlich stark in der Wallachei, wollte von dort nach Siebenbürgen ziehen und meinte im Winter den Krieg nach Ungarn und bis an Polen zu führen". Die Türkengefahr war wieder

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drohend. Joachim Maltzan spricht das ernste, männliche Wort: "Es wäre Noth, daß das deutsche Land erwachte" (S. 163). Die politischen Intriguen wurden wieder lebhafter. Da vermählte sich Johann Zapolya am 16. Februar 1539 mit des Königs Sigismund von Polen Tochter Isabella. Hiedurch ward der Argwohn zwischen allen Parteien noch mehr genährt. Unzufriedenheit und Aufruhr regte sich in Ungarn. Am 7. Julii 1540 ward dem Johann Zapolya ein Sohn, Johann Sigismund, geboren. Johann Zapolya aber starb am 21. Julii 1540. Ungarn hätte jetzt an Ferdinand fallen müssen. Aber es erhoben sich gleich Parteien, von denen die eine das fürstliche Kind mit dessen Mutter als ihr Oberhaupt anerkannte. Ferdinand war nicht stark genug, um mit gehöriger Macht und Entschlossenheit Ungarn zu überziehen. Während er zauderte, rasch vorzugehen, erschien auch der Sultan mit einem krieggeübten Heere im Felde und bedrohete die Christenheit mit der größten Gefahr. Der Winter ging mit Verhandlungen hin. Im J. 1541 erschien der Sultan persönlich wieder, schlug und zerstreuete Ferdinand's Heer und nahm Ofen ein. Ferdinand's Feldherr, der alte und unschlüssige Rogendorf, starb an den Folgen einer Verwundung. Der Sultan hatte drei große Heere eines um Ofen, die beiden andern standen 6 Meilen von Preßburg, nahe an der Grenze Mährens und 10 Meilen von Wien. So gerieth der größere Theil Ungarns in die Hände des gefürchteten Feindes der Christenheit. In Wien herrschte großer Schrecken und dazu großes Sterben, so daß "Niemand in der Stadt bleiben wollte, als Bauernvolk, und es daher zu besorgen war, daß, wenn nicht bald Rettung kam, Wien erobert und zerstört werden könnte". In dieser Noth boten die Erblande Ferdinand's alle ihr Kräfte auf. "Die Mähren rückten aufs stärkste zu Felde, das Gebirge einzunehmen und die Pässe zu besetzen; die Böhmen zogen auch stark heran, um Mähren und Oesterreich zu retten Die schlesischen Stände griffen sich dermaßen an, daß sie zur ersten gewaltigen Hülfe 20,000 Mann, sammt den 2500 Mann, die mit den Mähren in die Gebirgspässe vorangeschickt waren, stellten. Alle Stände erwählten einhellig den Freiherrn Joachim Maltzan zum Obersten Feldhauptmann der schlesischen Lande; Maltzan weigerte sich bis in den dritten Tag, die Würde anzunehmen, zuletzt aber, da sie nicht ablassen wollten, und er nicht anders merken konnte, als daß Gott es also haben wollte, nahm er als der geringste und unwürdigste Knecht Jesu Christi den hohen Befehl auf zwei Jahre an" (S. 181 - 182 und folgd.). Am 7. März 1541 bat er den Herzog Barnim von Pommern in dieser äußersten

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Not; um einen guten Hengst, da für Geld nicht Pferde genug zu bekommen seien (S. 182). Am 16. Mai 1541 wurden zu Breslau Kriegsvölker gemustert (S. 183). Bei der drohenden Gefahr war Ferdinand schon im Begriffe, dem Sultan mit Anerbietungen entgegenzukommen, als dieser bei eintretender schlechter Witterung sich nach Konstantinopel zurückzog.

Diese wiederholten Feldzüge der Türken mußten Oesterreich nothwendig im höchsten Grade schwächen und es war für den König Ferdinand die größte Gefahr, daß er immer weiter aus Ungarn verdrängt ward. Daher rieth Joachim Maltzan dem Könige Ferdinand am 1. December 1541 ernstlich und eindringlich zur Ergreifung umfassender und nachdrücklicher Maßregeln; er rieth dem Könige dringend, dahin zu trachten, daß ihm eine allgemeine deutsche Reichshülfe bewilligt werde; dann würden auch die Kronländer kräftiger auftreten und auch die Polen und die andern Nachbaren Oesterreichs gegen die Türken helfen (S. 185 folgd.). Der König nahm den Rath mit Dank an (S. 187). Auf dem im Anfange des Jahres 1542 eröffneten Reichstage zu Speier ward die Türkenhülfe gefordert und bewilligt. Der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg ward zum Obersten Feldherrn des Reichs ernannt und ihm ein Kriegsrath beigeordnet. Im Junii 1542 traf der Kurfürst vor Wien ein; am 5. Aug. stand das Heer bei Komorn. Joachim Maltzan, der als Oberster Feldhauptmann Schlesiens im Felde war, schreibt aus Ungarn, die Ungarn seien 24,000 Mann stark zugestoßen und das Christenheer sei 80,000 Mann stark. Am 19. August war das türkische Heer noch nicht angelangt; aber in Ofen lagen 20,000 Türken und das Heer war im Anzuge (S. 188). Endlich im September wagte der Kurfürst einen Sturm auf Ofen, welcher jedoch zurückgeschlagen ward und das deutsche Heer veranlaßte, sich nach Wien zurückzuziehen, ohne in diesem Jahre etwas ausgerichtet zu haben. Joachim Maltzan's Wunsch, "daß es einmal auf unserer Seite richtig zugehe" (S. 188), ward nicht erfüllt; im deutschen Heere war zu viel Unordnung, Schlaffheit und Zwiespalt.

Das J. 1543 war für Oesterreich und Deutschland sehr bedrohlich. Die französischen Waffen gegen Carl V. waren glücklich. Der König von Frankreich veranlaßte den bereitwilligen Sultan, persönlich noch einmal einen großen Feldzug gegen Oesterreich zu unternehmen. Am 10. August fiel Gran in die Hände Soliman's. Auf diese Nachricht gebot Ferdinand in seinen Kronlanden, "förderlich den zehnten Mann abzufertigen, und daß sich auch die Fürsten, Herren und Ritterschaft in eigener Person zu S. K. M. ins Feld zu Znaym ohne Verzug be=

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geben sollten" (S. 190). Auch Stuhlweißenburg mußte sich den Türken ergeben. Soliman hatte die Absicht, auf Komorn, Tyrnau und Preßburg vorzurücken (S. 16). Der König Ferdinand ließ nun Wien stärker befestigen und ging mit einem Heere nach Preßburg. Auch hier war es wieder Joachim Maltzan, der die große Gefahr von Deutschland abwandte, indem er in der Vorhut dem Feinde drohend entgegentrat. J. Maltzan berichtet selbst ausführlich und bestimmt (S. 16) folgendermaßen: "Als der Türke abermals mit großer Macht in Ungarn Gran und Stuhlweißenburg erobert hatte, in der Meinung, Komorn, Tyrnau und Preßburg vollends einzunehmen, hat Joachim Maltzan als Oberster Feldhauptmann der Schlesier und Lausitzer mit allem Kriegsvolk zu Roß und zu Fuß bis in die 8000 Mann stark drei Wochen länger, als das böhmische und mährische Kriegsvolk, bei Schintawa (bei Szered) an der Waag zu Felde gelegen und erwehren helfen, daß die Türken einen weitern Einfall, ihrem Vorhaben nach, nicht haben thun können, so daß der Pascha Muhamed Beck mit 23,000 Mann zu Rosse fünf Tage früher, als Joachim Maltzan aufbrach, auch aus Mangel an Proviant, nach der Türkei zurückziehen mußte, wie auch Joachim Maltzan getreulich dazu half, daß sowohl der böhmische und mährische Haufe, als auch die andern bis nach Preßburg kamen" (S. 16). Darauf endete Soliman den Feldzug und zog sich nach Konstantinopel zurück.

Am 24. September 1544 schlossen Carl V. und Franz I. zu Crespy endlich einen Frieden, durch welchen Frankreich auch Verpflichtungen gegen die Türkei einging. Da ging Soliman im October 1545 auch einen Waffenstillstand auf 18 Monate mit Carl V. ein, obgleich man hätte glauben sollen, daß Carl jetzt seine ganze Macht gegen die Osmanen hätte wenden müssen, und am 7. Oct. 1547 folgte ein fünfjähriger Waffenstillstand.

Der Kaiser Carl V. hatte aber Anderes im Sinne. Er war fest entschlossen, die Protestanten durch die Gewalt der Waffen unter seinen Willen zu zwingen. Unter dem größten Geheimniß traf er seine Zurüstungen, bis er sich sicher genug glaubte und seine Erklärung bestimmt aussprach. Es begann, nach Luther's Tode (18. Febr. 1546), der schmalkaldische Krieg (1546 - 47) gegen die protestantischen Fürsten, welche sich 1530 zur Vertheidigung ihres Glaubens zu Schmalkalden verbunden hatten, endlich aber auf eine Zeit den Waffen des Kaisers unterlagen, bis sie späterhin das spanische Joch abschüttelten. - In dieser ganzen, für die Welt so bedeutenden Entwicke=

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lung spielt Joachim Maltzan eine Rolle, welche so wichtig ist, daß sie von dem allergrößten Einflusse auf die ganze Geschichte ist, wenn sie auch bisher ganz im Dunkeln gelegen hat. - Im Sommer und Winter 1546 waren die Waffen des Kaisers nicht ganz so glücklich und die Sache ging nicht so rasch, als er es in seinem Siegestraum wohl erwartet hatte. Joachim Maltzan war einer der "obersten Befehlshaber" im ganzen Kriege und zwar Feldmarschall in der Heeresabtheilung des Königs Ferdinand, dessen Stellvertreter in seiner Abwesenheit ("marschalcus campi in Voitlandia absente rege") und Kriegsrath (S. 194), namentlich als das Heer des Königs im Vogtlande lag und sich im April 1547 mit dem Heere des Kaisers vereinigte. Darum konnte Joachim Maltzan es im J. 1552 dem Kaiser mit Nachdruck zu Gemüthe führen, daß, als der König Ferdinand und der Kaiser Carl "in den allergrößten Nöthen waren, er Ihren Majestäten als der Obersten Kriegsbefehlshaber einer im Vogtlande und anderswo das ganze Jahr Winter und Sommer im Felde und sonst nothdürftig und tapferlich gedient" habe (S. 16). - Auch die jungen Fürsten Johann Albrecht und Georg von Meklenburg mußten bei den papistischen Gesinnungen ihres Vaters Albrecht im kaiserlichen Heere dienen. - Mit dem beginnenden Frühling des Jahres 1547 nahm aber der mächtige Kaiser alle seine Kräfte gegen die kleinen schmalkaldischen Bundesgenossen, welche seine Unterstützung von außen hatten, zusammen und gewann einen entscheidenden Sieg gegen die Protestanten am 24. April 1547 in der Schlacht bei Mühlberg, in welcher er den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen gefangen nahm; den Landgrafen Philipp von Hessen brachte der Kaiser verrätherischer Weise in Haft: so hatte er die beiden bedeutendsten Fürsten des Bundes in seiner Gewalt. - In denselben Tagen ward auch Carl's V. alter Feind und Nebenbuhler, der König Franz von Frankreich, zu Grabe getragen. - Das Häuflein der Protestanten war jetzt nur klein. Nun erließ Carl V. auf dem Reichstage zu Augsburg im Mai 1548 das bekannte Interim, durch welches bis zur Entscheidung des Concils im wesentlichen die alten Zustände zurückgeführt werden sollten. Bei dem Widerwillen, auf den man überall stieß, ward das Interim an allen Orten, wo es irgend ging, mit der größten Rücksichtslosigkeit und Härte, selbst gegen fürstliche Personen, durchgeführt. Die Gemüther waren über alle diese Bedrückungen, über die Gewaltthätigkeiten der spanischen Herrschaft und über die Beengung des Glaubens tief gebeugt, und es bereitete sich eine Bewegung vor, welche doch endlich den Sieg errang, weil sie aus der reinsten Begeisterung

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für die höchsten Güter der Menschheit hervorging, mag man auch den Bruch der Formen tadeln, so viel man will, wie man es häufig gegen die protestantische Partei hervorzuheben liebt, von der papistischen Partei aber verschweigt.

Joachim Maltzan diente fernerhin einstweilen dem Könige Ferdinand, wie bisher, mit Pflichttreue. Im Mai 1548 war er mit dem Könige Ferdinand auf dem Reichstage zu Augsburg, als das Interim erlassen ward, und dort "mit der Römischen Königlichen Majestät seines allergnädigsten Herrn wichtigen Geschäften beladen", und glaubte vor Trinitatis "von dort nicht abkommen" zu können (S. 197). Von Augsburg ging er nach Wien (S. 202); am 17. Julii war er zu Olmütz und mußte "von der Römischen Königlichen Majestät wegen in Legation zur Königlichen Majestät von Polen eilen" (S. 198); er war bei dem Könige in Krakau (S. 202 folgd.).

Durch die sehr bedeutenden Opfer, welche er viele Jahre lang in so bewegten Geschäften dem Hause Oesterreich hatte bringen müssen, waren Joachim Maltzan's Vermögensverhältnisse in Unordnung gerathen; er ward wegen Schulden in Anspruch genommen und mußte daher wieder suchen, seine Forderungen einzutreiben. Daher drängte er die Herzoge von Pommern, ihm die Summen auszuzahlen, welche diese ihm und seinem Bruder von ihrem Vater Bernd Maltzan her wegen der Gewaltthat an Wolde über 40 Jahre schuldigten. Eine Ladung auf den Sonntag nach Laurentii hatte er der "gefährlichen Läufte und vorgefallener Sachen halber" nicht annehmen können; er versprach aber am 14. August 1548 von Wartenberg, am 16. October 1548 in Stettin zu erscheinen (S. 201). - Diese beiden Reisen nach Polen und nach Pommern, und von da sicher nach Meklenburg, waren ohne Zweifel von großem Einflusse auf die protestantische Sache.

Joachim Maltzan war tief und ernst protestantisch gesinnt und dabei noch immer ein treuer Diener des Hauses Oesterreich. In Polen stand er mit der hochgebildeten Familie Lasko in vertrauten Verhältnissen. Eine Bewegung zu Gunsten der protestantischen Sache konnte er nur von dem Norden erwarten. Er lenkte seine Blicke auf den Herzog Albrecht von Preußen und auf die Herzoge Barnim und Philipp von Pommern, seine Lehnsherren; die letztern blieben jedoch theilnahmslos. In Meklenburg war der Herzog Heinrich der Friedfertige zwar ernst protestantisch gesinnt, nahm jedoch keinen Theil an den politischen und kriegerischen Bewegungen. Sein Bruder, Herzog Albrecht, strenge papistisch gesinnt, war aber am 7. Jan. 1547 gestorben

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und sein ältester Sohn, der junge Herzog Johann Albrecht, war ein reich begabter Fürst von der höchsten geistigen Bildung, von fleckenloser Sittenreinheit und von glühender Begeisterung für die Wissenschaft, das deutsche Vaterland und die Reinheit des evangelischen Glaubens. Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich annehme, daß der Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg die kräftigste Triebfeder zur Erhebung der protestantischen Gemüther war 1 ). Joachim Maltzan sollte diesen ausgezeichneten Fürsten, auch seinen Lehnherrn, jetzt genauer kennen lernen. Der Herzog Moritz hielt es bekanntlich noch mit dem Kaiser.

Oft ist die Frage aufgeworfen, wer eigentlich der Urheber und die Seele der protestantischen Erhebung gegen das spanische Haus Oesterreich, gegen Kaiser Carl V. gewesen sei. Daß Moritz von Sachsen es wahrlich nicht gewesen sei, ist in den letzten Jahren vielfach erwiesen. Unter den Fürsten mag Johann Albrecht von Meklenburg wohl der Hauptbeförderer gewesen sein. Aber der eigentliche Urheber des ganzen Planes und derjenige, der ihn zur Reife brachte, war, wie ich glaube, Joachim Maltzan . Joachim Maltzan war ohne Zweifel ein Stern erster Größe, im Kriege wie im Frieden, ein Mann von großartigem, vorurtheilsfreiem Blick, von Jugend auf viel gewandt und erfahren, tief eingeweiht in alle europäischen Verhältnisse, ein Mann, der den großen Politikern jener Zeit viel, ja Alles abgelernt hatte, wie sie von im viel gelernt hatten. Er kannte in den geheimsten Tiefen alle Regungen der österreichisch=spanischen Politik und war, bei seinen protestantischen Ansichten, empört über den Vorfall der deutschen Nation. So wagte er das große Unternehmen und ein ernstes Spiel, das vielleicht Deutschland seinem Untergange entgegen geführt haben könnte.

Das Meiste und Beste über diesen Handel ward nicht der Schrift anvertrauet; wir können den Gang nur aus leisen Andeutungen vernehmen. Schon im J. 1538 sagte Maltzan: "Es wäre Noth, daß das deutsche Land erwachte. Den geheimen Handel hätte ich nun in meinen Händen" (S. 163). Doch läßt sich nicht sagen, ob damit die protestantische Sache gemeint sei. Am 14. August 1548 schrieb er an die pommerschen Herzoge: "Es wäre fast gut, Ew. Fürstlichen Gnaden und Derselben Landen und Leuten zum Besten, daß E. F. G. auf den (mir angesetzten) Tag Galli beide persönlich


1) Vgl. Andreas Mylius und Herzog Johann Albrecht I, von Lisch, in Jahrb. XVIII, S. 1 flgd.
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zu Stettin erschienen und zwei vornehmste und geheimste Räthe bei sich hätten, denn ich will nicht mit viel Freunden oder großer Anzahl, sondern auf das Eingezogenste da erscheinen und E. F. G. die Wege und Meinung anzeigen, darob E. F. G. Gefallen tragen mögen und mit mir, will's Gott, wohl content sein werden. Prudentibus pauca" (S. 203).

Im Mai 1549 war Joachim Maltzan zu Prag und ging von dort nach Wartenberg, um "sich zur Reise zum Könige Ferdinand geschickt zu machen" (S. 206 und 208). Der König hatte schon Verdacht auf Joachim Maltzan, denn Ihre Majestät wollte nicht gerne, daß er sich in diesen geschwinden Läuften weit aus I. Majestät Königreich und Landen begebe" (S. 206). In seinen Vorschlägen vom 27. Mai 1529, den Herzogen von Pommern "in guter Geheimniß vorzulassen", sagt er, wenn die Herzoge den Gebrechen zwischen ihnen und ihm "auf einmal ganz und gar abhelfen wollten, so würde es den Herzogen und deren Landen und Leuten zu einer Zeit zu allem Guten gereichen" (S. 209). Joachim Maltzan war damals in Wartenberg. Am 27. September 1549 war er ebenfalls zu Wartenberg, gedachte aber sich zu der Römischen Königlichen Majestät seinem allergnädigsten Herrn zu verfügen (S. 211).

Nachdem Joachim Maltzan die Sache überall eingeleitet hatte, ging er in den letzten Monaten des Jahres 1549 nach Polen. Der österreichische Hof war aber sehr gut unterrichtet. Am 12. December 1549 erließ der König Ferdinand einen Befehl an den Bischof Balthasar von Breslau, der zugleich Oberster Hauptmann von Schlesien war, dem "Joachim Maltzan wegen seiner Praktiken nach Polen nachzufolgen und denselben im Geheimen zu erkundigen, damit er zu Handen gebracht werde" (S. 211). Dies ist deutlich genug gesagt, schon am 30. Mai 1548 hatte der König Ferdinand dem Bischofe von Breslau "gute Aufacht gegen Polen" dringend ans Herz gelegt. Am 6. Jan. 1550 schrieb Maltzan von Wartenberg an die Herzoge von Pommern, "daß er ihnen in kurzer Frist Dienste erzeigen könne, die ihnen und ihren Landen und Leuten viel mal nützlicher und zuträglicher seien, als die Summe, die er zu fordern habe" (S. 213).

Diesmal ging das Ungewitter noch vorüber, ohne Joachim Maltzan zu berühren, sei es, daß man seiner nicht habhaft werden konnte oder das Aufsehen scheute, sich seiner Person zu bemächtigen. Jedoch hatte er die Genugthuung, daß der geheime

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Bund der Protestanten gestiftet 1 ) ward. Im Februar 1550, auf der zweiten Hochzeit des Herzogs Albrecht von Preußen, bei welcher Gelegenheit am 24. Februar 1550 sich Johann Albrecht von Meklenburg mit des Herzogs Tochter, Anna Sophie, verlobte, schlossen der Herzog Albrecht von Preußen, der Markgraf Johann von Brandenburg zu Cüstrin und der Herzog Johann Albrecht zu Königsberg das erste Hülfsbündniß, ohne jedoch etwas Schriftliches festzustellen, da die größte Geheimhaltung versprochen ward. Der Bund erstarkte im Stillen; der Markgraf Johann schrieb am 14. Junii 1550 an den Herzog Albrecht: Bei Meklenburg weiß es auch Niemand als Herzog Hans Albrecht, sein Kanzler (Johann von Lucka) und Herzog Heinrich, auch der alte Dietrich Maltzan, der viel gethan hat, Herzog Heinrichen zu gewinnen (S. 221 flgd.). Der Landrath Dietrich Maltzan, der erste Edelmann in Meklenburg, der hier die Reformation einführte, ein Mann von Gelehrsamkeit und großer Tüchtigkeit, war der älteste, vertraute Rath des Herzogs Johann Albrecht und ein Stammesvetter des Freiherrn Joachim Maltzan.

Ein Jahr hielt sich Joachim Maltzan noch auf seinem unsichern Standpunkte. Jedoch sprach er am 16. März 1550 zu Berlin die merkwürdige Klage aus, daß "ihm unter einem Schein einer andern Ursache der evangelischen Religion halben genug Widerwärtigkeit widerfahren sei" (S. 216). Dieses Bekenntniß löset alle Zweifel über die Lage der Dinge. Joachim Maltzan drängte die pommerschen Herzoge, welche häufig in Geldverlegenheit waren, um Auszahlung seiner Forderungen (S. 216 flgd.), da er theils gedrängt ward, theils dringendere Bedürfnisse voraussah; er schreibt, die Herzoge "würden es wirklich erfahren, daß, so Gott wolle, die Zeit kommen werde, daß er es getreulich und gehorsamlich verdienen werde" (216). Leider fehlen uns Briefe aus dieser Zeit an die übrigen Fürsten; grade die pommerschen sind die unwichtigsten. Am 13. April 1550 kündigte er den Herzogen von Pommern einen auf Trinitatis angesetzten Termin ab, "der Römischen Königlichen Majestät wichtigen Geschäfte halben" (S. 217). Am 31. Mai 1550 war er in Meklenburg zu Penzlin und bat die Herzoge von Pommern dringend um baldige Ansetzung eines Vergleichstages vor dem 19. Junii, da er von dem Könige nicht länger Urlaub habe, denn am 24. Junii wolle der König mit dem Kaiser auf dem Reichstage zu Augsburg zusammentreffen, und er, J. Maltzan,


1) Vgl. Andreas Mylius a. a. O. S. 24.
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sei auch dahin beschieden (S. 218 und 220). Noch am 25. Junii war Joachim Maltzan zu Güstrow (S. 222 flgd. und 225). Am 7. September 1550 war er auf seiner Herrschaft Wartenberg und erbot sich zu einem Termine auf den 16. October.

Endlich machte der kaiserliche Zorn sich Luft. Die Stimmung am österreichischen Hofe war eine sehr gedrückte. Man kannte dort die Bewegungen der Protestanten. Die Ungewißheit der Zustände war beengend und die Vorwürfe, die man sich beim Eingange neuer Nachrichten einander machte, waren aufreizend. Schon in den ersten Tagen des Jahres 1551 hatte der Kaiser "Kundschaft, daß sich der Markgraf von Brandenburg nebst einigen andern Fürsten unterstanden, wider ihn geheime, aufrührerische Praktiken zu treiben". Der erste Schlag traf den Freiherrn Joachim Maltzan, indem man seine Herrschaft einnahm und sich seiner Person zu bemächtigen suchte.

Joachim Maltzan hatte in einer so hohen und bewegten Stellung, wie er sie im Dienste des Hauses Oesterreich einnahm, große Opfer bringen müssen. Er selbst sagt in seiner Klage, daß er 24 Jahre lang in mannigfaltigen Feldzügen, Legationen und Commissariaten und auf Reichstagen dem Hause Oesterreich in hohem Vertrauen auf seine eigene Kosten viel Male ansehnlich gedient und demselben zu Ehren und Nutzen über 24,000 Thaler dargestreckt und von seinem eigenen Gelde ausgegeben habe (S. 17 und 289). Dazu mag die Verwaltung seiner Güter nicht nach Wunsch gegangen sein, da er fast immer auf Reisen war, und außerdem ward er wegen Bürgschaften, die er nicht ablehnen konnte, z. B. für die brandenburgischen Fürsten, in Anspruch genommen (S. 196 - 200). Ueberdies konnte er seine übrigen Forderungen, z. B. von den Herzogen von Pommern, von Brandenburg und Braunschweig, nicht eintreiben (S. 293). Vor allen Dingen aber waren es einige bestimmte Forderungen, welche den Vorwand zur Anwendung der Gewalt gegen ihn hergeben mußten. Er schuldigte einer "Frau Lewin" und einem "Hans Wachtel" eine Summe, welche sich nicht viel höher erstreckte, als die Summe, die er von dem Könige "Ferdinand zu fordern hatte", nämlich 20,000 ungarische Gulden, während seine Herrschaft Wartenberg von verordneten Commissarien 72,000 ungarische Gulden werth geschätzt war (S. 289). Der König hatte ihm durch den böhmischen Kanzler und zuletzt in eigener Person gelobt ("löblich zugesagt"), ihn von diesen Ansprüchen zu befreien und ohne Entgeltniß zu entledigen; aber solcher Zusage war nicht allein keine

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Folge geschehen, sondern man hatte unter dem Vorwande grade dieser Ansprüche Gewalt gegen ihn gebraucht (S. 16 - 17, 260, 265 - 266 u. 284 - 285). Die Lewin und Wachtel hatten geklagt.

Eben so gut man am österreichischen Hofe im Allgemeinen über die Bewegung der Protestanten unterrichtet war, war auch Joachim Maltzan über die Absichten gegen ihn unterrichtet. Er ging zu guter Zeit von Wartenberg zu den protestantischen Fürsten und überließ seinen Söhnen, Johann Bernhard und Franz, formell seine Herrschaft, welche diese am 12. November 1550 an Otto von Zedlitz aus Parchwitz verpfändeten (S. 227 und 312 - 313). Als nun der österreichische Hof sichere Kunde von den Zurüstungen hatte, schritt er zuerst gegen den alten Diener Joachim Maltzan vor. Am 22. December 1550 befahl der König Ferdinand dem Bischofe Balthasar von Breslau, königlichen Rath und Obersten Hauptmann in Schlesien, daß "Joachim Maltzan ohne einige Belagerung oder Gewalt, sondern durch andere Mittel, Anschläge und List ergriffen und zu Handen gebracht werden möchte" Zugleich ward den von Breslau und Namslan befohlen, im Geheimen mit Volk, Wagen, Waffen und anderer Nothdurft zu rüsten, um nöthigen Falls dem Bischofe zu assistiren, auch ein Mandat an die Stände erlassen, dem Obersten Hauptmann auf dessen Ansuchen zur Stärkung des Landfriedens rathhülflich und beiständig zu erscheinen. Für den Fall, daß die Execution vor sich ginge, ward Hans von Oppersdorf, königl. Hofrath, des münsterbergischen Fürstenthums und frankensteinischen Weichbildes königlicher Hauptmann (S. 237 flgd.), "als ein Kriegserfahrner" dem Bischofe in der maltzanschen Sache zugeordnet (S. 228). Zwar war gegen Joachim Maltzan auf dem Hofgerichtstage zu Breslau Michaelis 1550 ein Urtheil (wegen seiner Schulden) gesprochen und er hatte dasselbe rechtskräftig werden lassen; seine Schuld ward aber als "Verbrechen und Ungehorsam" ausgelegt (S. 229). Joachim Maltzan beschwerte sich bitter, daß der König wegen seiner gegen ihn eingeklagten Schulden "eine unerhörte, übereilte, thätliche Execution wider ihn und die Seinen in seiner wartenbergischen Herrschaft habe ergehen lassen", und beklagte sich über die "große Undankbarkeit für seine vielfältigen getreuen Dienste, da er hätte annehmen müssen, daß, wenn er etwas Großes gegen die Majestät verwirkt hätte, dessen er sich jedoch, Gott Lob, unschuldig wisse, der König ihn als einen alten, getreuen Diener mit solcher unerhörten, thätlichen Uebereilung verschont und ihn persönlich gefordert und seine Verantwortung gehört hätte"

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(S. 17). Diese Verantwortung ist freilich vom rein formellen Rechtsstandpuncte aus geschrieben. Der Hof war besser unterrichtet und nahm die Schuldklage zum Vorwande eines politischen Gewaltstreiches. Am 27. Febr. 1551 nennt der König Ferdinand den Freiherrn Joachim Maltzan gradezu einen "schlechten Menschen" (S. 238).

Der Verhaftbefehl kam jedoch zu spät. Wie immer im Leben, war Joachim Maltzan auch diesmal klug gewesen und hatte sich zu rechter Zeit in Sicherheit gebracht. Er wandte sich gegen Norden und hielt sich abwechselnd in Meklenburg, Brandenburg und Polen auf. Am 20. Januar 1551 befahl der König Ferdinand dem Bischofe von Breslau, mit Hans von Oppersdorf zu berathschlagen, wie die "wirkliche endliche Execution gegen Joachim Maltzan vorzunehmen sei, auf daß seine eigene Person zu Handen gebracht werde, auch auf etliche verdächtige Personen, welche Schwarze Reiter genannt werden wollten und sich beim Herzoge Friedrich von Liegnitz aufhielten, aus deren Thun und Lassen, auch ihre Reden zu achten, und wenn dergleichen verdächtige Personen in Erfahrung gebracht würden, dieselben ins Gefängniß einziehen zu lassen" (S. 230).

In der Zeit vom 20. bis 24. Jan. 1551 ward Schloß und Stadt Wartenberg eingenommen (S. 231 - 235) und mit 100 Knechten besetzt (S. 235 und 237) unter dem Befehle des Georg von Oppersdorf (S. 237). Der Herzog Friedrich von Liegnitz hatte seine Untersassen zur Einnehmung nicht abgefertigt (S. 232). Dagegen war der Herzog Georg von Brieg, welchem Joachim Maltzan mit Schuld verhaftet war (S. 196 flgd.), feindlich gegen diesen gestimmt (S. 234, 237 u. 241). Die Herrschaft ward sequestrirt. - Das alte maltzan'sche Schloß Wartenberg mit großen Vorwerken liegt auf einem mächtigen Burgwalle in einer Wiesenniederung von bedeutender Ausdehnung und ist wohl eine der größten Burgen Schlesiens gewesen. Das jetzige Schloß ist eine im J. 1608 gegründete Anlage der Grafen von Dohna und liegt an der Straße der Stadt, vor dem alten Burgwalle, von welchem es nur durch den alten Burggraben und den Garten getrennt ist, seit dem neuen Bau verfiel die alte Burg immer mehr und ward nach und nach abgebrochen. Jetzt steht nur noch ein Gebäude mit zwei Giebeln, an welches sich ein Schornstein im Renaissancestyl und ein Stück von einer alten Mauer lehnt; dieses Gebäude ist sicher ein maltzanscher Bau, aber auch der letzte Rest von der Burg (S. 231) nach 300 Jahren.

Joachim Maltzan's Frau und Söhne blieben zu Warten=

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berg. Am 31. Jan. 1551 bat sein Sohn Johann Bernhard den Bischof von Breslau, ihn nicht entgelten zu lassen, wenn sein Vater sich etwa ungebührlich eingelassen, und im Februar bat seine Frau Bernhardine, geborne von Wallenstein, sie nicht aus der Herrschaft Wartenberg zu verstoßen (S. 234 - 235).

Joachim Maltzan war in Meklenburg, als sein Schloß eingenommen ward. Am 5. Februar 1551 bat er von Penzlin die Herzoge von Pommern, "in dieser schweren Zeit" und in seinen alten Tagen um Erfüllung seiner Wünsche; er wußte damals die Einnahme von Wartenberg noch nicht, da er schreibt, daß er nächsten Lätare "von Königlicher Majestät wegen mit etlichen hohen Personen zu handeln" habe (S. 335 - 236).

Nach der Einnehmung von Wartenberg forschte man dem Freiherrn Joachim Maltzan nach. Am 14. Februar 1551 berichtete der Herzog Georg von Brieg, er habe denen von Posen wegen J. Maltzan geschrieben (S. 237). Am 27. Febr. 1551 schrieb der König Ferdinand an den Bischof von Breslau, daß er "wegen Joachim Maltzan an denKönig von Polen geschrieben habe, es übrigens seiner Reputation verkleinerlich halte, eines solchen schlechten Menschen halben einen Fürstentag auszuschreiben" (S. 238). Im Julii 1551 war J. Maltzan zu Posen und entschuldigte sich am 9. Julii, daß "er, als Kurfürstl. Gnaden zu Brandenburg Statthalter, wegen kurfürstlicher Geschäfte in Posen nicht zur Tagefahrt nach Schlesien kommen könne" (S. 240), was allerdings auch gerathen war. Wir sehen daraus, daß J. Maltzan die politische Seite der Einnahme von Wartenberg ignorirte und nur seine Geldverschuldung berücksichtigte.

Joachim Maltzan war also in die Dienste des Kurfürsten von Brandenburg gegangen. Er gab diese aber bald wieder auf und trat als Oberster Geheimer Rath in den Dienst des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg (S. 255 u. 314), aus reiner Neigung zu diesem jungen Fürsten, dem zu Liebe er dem Kurfürsten von Brandenburg den Dienst aufkündigte (S. 283). Auf diese Weise brach er offen mit dem österreichischen Hofe. Der Herzog Johann Albrecht hatte ihn durch einen Handschlag auf 8 Jahre angenommen; "nach Kriegsbrauch" hätte die Verschreibung auf Leben lang verstanden werden können (S. 282).

Indessen strebten Joachims Sohn Johann Bernhard und seine Verwandten mit Aufbietung aller Kräfte darnach, die Herrschaft Wartenberg in Händen zu behalten. Schon im April

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1551 ward seinem Sohne die Herrschaft zu "verwalten" übergeben (S. 239) und im Junii 1551 wollte Johann Bernhard nach Berlin reisen, um dort Geld zur Einlösung der Herrschaft Wartenberg aufzubringen (S. 240 - 241).

Während der Zeit gingen die Verhandlungen der protestantischen Fürsten rasch weiter. Schon am 25. Januar 1551, also in den Tagen der Einnahme von Wartenberg, hatte der Herzog Johann Albrecht 1 ) von Meklenburg, ohne Zweifel auf J. Maltzan's Rath, dringend gerathen, da die Gefahr zwinge und keine Zeit zu verlieren sei, den Bund durch auswärtigen Beistand zu stärken, dadurch daß man Frankreich oder England oder beide in das Bündniß ziehe. Am 20. Februar 1551 gelang es dem Markgrafen Johann von Brandenburg, den Kurfürsten Moritz von Sachsen vom Kaiser zu ziehen und für den protestantischen Bund zu gewinnen; sie wechselten Verpflichtungsurkunden für die Freiheit des Vaterlandes, die Selbstständigkeit des Reiches, den Schutz des Glaubens laut der augsburgischen Confession und die Befreiung der beiden gefangenen Fürsten von Sachsen und Hessen. Von jetzt an fanden unter den protestantischen Fürsten im Geheimen rasch hintereinander Berathungen und Zusammenkünfte statt. Zuerst war eine Zusammenkunft zu Naumburg. Im Mai ward zu Torgau zwischen dem Markgrafen Johann, dem Herzoge Johann Albrecht, dem Landgrafen Wilhelm von Hessen und dem Kurfürsten Moritz das Bündniß förmlich abgeschlossen.

Gleich nach dem Tage zu Naumburg ward von Torgau aus (noch im Mai 1551) Am 14. Julii 1551 ward, von Meklenburg aus, im Auftrage des Kurfürsten Moritz, des Markgrafen Johann und des


1) In den Jahrbüchern XVIII, S. 25, steht durch einen Druckfehler: "Herzog Johann", statt: "Herzog Johann Albrecht".
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Herzogs Johann Albrecht der sächsische Secretair Simon Rost als Gesandter nach England geschickt. Er ging am 17. Julii 1551 ab und übergab seine Creditive dem polnischen Grafen Johann Lasko, einem höchst ausgezeichneten und um die Reformation im höchsten Grade verdienten Gelehrten, welcher damals als Superintendent der protestantischen Gemeinde in London wirkte (S. 256) und dessen Familie Joachim Maltzan genau kannte (S. 254 - 255). Erst am 13. Oct. hatte Simon Rost Audienz bei dem Könige von England, von dem er jedoch nicht mehr erfuhr, als daß er unter gewissen Bedingungen nicht abgeneigt sei, der Sache beizutreten. Simon Rost erhielt die schriftliche Antwort erst am 19. November vom Könige und am 1. December von Lasko. Erst am 8. Januar 1552 kam Simon Rost von England bei dem Herzoge Johann Albrecht in Schwerin an (S. 246 flgd.).

Während der Zeit waren aber schon die protestantischen Fürsten unter sich und mit Frankreich fertig geworden. Am 3. October 1551 schlossen die protestantischen Fürsten auf dem Jagdschlosse zu Lochau ein Offensivbündniß unter sich und am 5. Oct. auf dem Jagdschlosse Friedewald mit dem Gesandten Frankreichs, dem Bischofe de Fresse von Bayonne, ein Schutz= und Trutzbündniß mit Frankreich.

In Folge dieses Bündnisses erneuerte der französische Connetable Herzog von Montmorency seine alte Freundschaft mit dem Freiherrn Joachim Maltzan und bat ihn, da er wohl einsah, daß Maltzan die Seele der ganzen Bewegung sei, dahin zu wirken, daß der König von Dänemark und der Kurfürst von Brandenburg in den Bund aufgenommen würden (S. 242 flgd.). Am Ende des Jahres 1551 hatte der Herzog Heinrich der Friedfertige einen Gesandten bei dem Könige von Dänemark und den (Hanse=) Städten und sollicitirte fleißig (S. 261).

Nach dem Ergebniß der Sendung des Secretairs Rost hielt man es für nöthig, eine angesehenere Botschaft nach England und zugleich nach Frankreich zu senden. Man konnte keine geeignetere Person dazu finden, als den Freiherrn Joachim Maltzan, der aus frühern Zeiten her großes Ansehen in Frankreich hatte. Zur Besiegelung und Auslieferung der Bündnißurkunden und zur allseitigen Ueberlegung des Planes ward der Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg=Culmbach nach Frankreich geschickt; dieser trat im December 1551 die Reise nach Frankreich an und ward im Anfange des Jahres 1552 am französischen Hofe eingeführt. Am 26. October 1551 erhielt Joachim Maltzan von dem Herzoge Johann Albrecht zu Güstrow seine Instructionen und Creditive zur Gesandtschaft

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an die Könige von England und Frankreich (S. 244 - 260) und zugleich Empfehlungsschreiben an den Grafen Johann Lasko und den Connetable Herzog von Montmorency) (S. 255 - 258); namentlich geht aus den Briefen an J. Lasko hervor, daß Joachim Maltzan mit dessen Brüdern in den vertrautesten Verhältnissen gestanden hatte und mit ihm genau bekannt war (S. 255). Wegen widrigen Windes auf der See konnte J. Maltzan nicht an den "vorgesetzten Ort" in England landen, kam aber an den englischen Gesandten, der ihm jedoch auch die frühere Antwort gab (S. 261). Joachim Maltzan ging daher von England nach Frankreich, wo er mit dem Markgrafen Albrecht von Culmbach zusammentraf (S. 262).

Der Herzog Johann Albrecht war unermüdet thätig. Am 28. November 1551 sandte er seinen Hofmarschall und Kriegshauptmann Werner Hohn von Basedow nach Königsberg zu seinem Schwiegervater, dem Herzoge Albrecht von Preußen, um diesem die bevorstehende Schilderhebung zu melden und die Mittel der Rüstung zu verabreden, "weil es der einzige Weg und kein anderer Weg jetzt menschlich vor der Hand oder zu finden" sei. Der Herzog Johann Albrecht ging selbst zum Kurfürsten Moritz zur letzten Beschlußnahme; am 14. December 1551 verhandelte er zu Grimnitz mit dem Markgrafen Johann, am 16. December war er in Berlin. Mit großer Anstrengung, zur Winterszeit, in welcher er sich mehrere Male die Nächte hindurch die Wege durch Boten zeigen ließ, gelangte er am 20. Decbr. nach Dresden, wo er am 21. mit dem Kurfürsten verhandelte; um Mitternacht des 21. Decbr. schrieb er an seinen Schwiegervater: "Das wird dem Vaterlande und Ew. Liebden selbst mit zum besten gereichen". Am 22. December früh reiste er von Dresden über Wittenberg in die Heimat zurück, wo er am 27. December ankam.

Während der Zeit hatte Joachim Maltzan's Sohn, Johann Bernhard, alle möglichen Mittel aufgeboten, die Herrschaft Wartenberg zu retten. Er erreichte es, daß der König Ferdinand am 11. December 1551 ihn zu Gnaden annahm, in der Voraussetzung, daß er sich als ein getreuer Unterthan verhalten werde, und den mit der Frau Lewin geschlossenen Vertrag und die Verpfändung von Wartenberg an Otto von Zedlitz bestätigte (S. 260, 267 und 313 - 313). Wachtel und die Lewin wurden nun abgefunden, jedoch wollte der König Ferdinand des Pfandschillings, der auf dem Rathhause zu Breslau liegen sollte, "mächtig" sein (S. 265 - 266).

Ueber den Vertrag mit dem Könige von Frankreich ward in Frankreich an verschiedenen Orten an dem Hoflager des

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Königs sieben Wochen lang verhandelt. Erst am 15. Januar 1552 unterzeichnete der König zu Chambord den Vertrag und am 2. Februar beschwor ihn in der Verbündeten Namen der Markgraf Albrecht, der nun sogleich in größter Eile mit Sebastian Schärtlin von Burtenbach, der bis dahin in französischen Diensten stand, nach Deutschland zurückkehrte. Wahrscheinlich mit dem Markgrafen oder einige Tage später reiste auch Joachim Maltzan, der ohne Zweifel allen Verhandlungen beigewohnt hatte, nach Deutschland zurück. Am 9. Februar 1552 gaben ihm der König Heinrich II. von Frankreich und der Connetable Herzog von Montmorency Schreiben an den Herzog Johann Albrecht zurück, in denen sie sich mit des Herzogs Ansichten und Plänen einverstanden erklärten (S. 261 - 263).

Endlich war die Stunde des Kampfes gekommen, so wie die Gesandten von Frankreich heimkehrten, brachen die Verbündeten auf. Der Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg, welcher zwar eifrig protestantisch war, aber nicht das Schwert ziehen wollte, ging am 6. Februar 1552 zum ewigen Frieden ein und dadurch ward Johann Albrecht, grade zu einer Zeit, wo es ihm am dienlichsten war, für's erste alleiniger Regent von Meklenburg. Nach den geheimen Verabredungen sammelte Johann Albrecht unerwartet und plötzlich durch eigene Mittel 600 wohl gerüstete Reiter, brach mit denselben sogleich auf und stand am 22. März 1552 zu Wolmirstädt. Sein Bruder, der Herzog Georg, stieß zu dem Kurfürsten Moritz. Am 1.April vereinigten sich alle Verbündeten vor Augsburg, welches am 5. April eingenommen ward. Die Würfel waren geworfen und die Protestanten standen dem Kaiser in dem Kampfe um die Freiheit des Glaubens und des Vaterlandes gegenüber, eine Begebenheit, so erhaben, wie selten eine in der Weltgeschichte.

Joachim Maltzan, der alte erfahrne und bewährte Kriegsheld und Sieger, kam früh genug nach Deutschland, um an dem Zuge Theil nehmen zu können, den er mit 15 Pferden mit führen half (S. 264). Er erlebte es noch, daß seine Sache, an die er Gut und Leben setzte, den Sieg gewann.

Die Ereignisse dieses "oberländischen Krieges" sind bekannt. Am 10. Mai führte Moritz das protestantische Heer grade auf den Kaiser los und am 19. Mai fiel die starke und wohl verwahrte und besetzte Ehrenberger Klause 1 ), die Eingangspforte Tyrols, vorzüglich durch das kühne Anstürmen des Herzogs Georg von Meklenburg. Furchtbar aufgeschreckt


1) Nach neuern Entdeckungen war auch Werner Hahn "Anno 1552 mit dem Herzoge Johann Albrecht im Kriege vor der Klause und Inspruck".
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ergriff der mächtige Kaiser die Flucht; sein Stern war für immer untergegangen. Am 26. Mai 1552 erreichten die Verbündeten in den Friedensverhandlungen zu Passau ihr Ziel, die Befreiung der beiden gefangenen deutschen Fürsten, die Abschüttelung des spanischen Joches und die Freiheit des Glaubens.

Johann Albrecht begann darauf am 17. Julii 1552 die Belagerung von Frankfurt a. M. Hier starb am 20. Julii der tapfere Herzog Georg den Tod für's Vaterland: eine feindliche Kanonenkugel riß ihm das rechte Bein weg.

Aus dem Feldlager vor Frankfurt a. M. sandte der Herzog Johann Albrecht seinen Geheimen=Rath Joachim Maltzan wieder an den König von Frankreich, um demselben über die Friedensverhandlungen von Passau zu berichten und, nach erreichtem Frieden, den Herzog Christoph, des Herzogs Johann Albrecht jüngern Bruder, der als Geißel nach Paris geschickt war, wieder zurückzuholen. Am 2. August 1552 stellte der Herzog das Creditiv und am 7. August die Instruction aus (S. 268 - 271). Joachim Maltzan nahm einen seiner Söhne, wahrscheinlich Franz, mit (S. 283), welcher noch im J. 1556 in Frankreich war (S. 315). Am 23. Aug. 1552 langte Joachim Maltzan am königlichen Hoflager zu Villers=Cotterets an (S. 272). Wegen der Freilassung des Herzogs Christoph, um den seine Mutter Anna so besorgt war (S. 274 flgd.), stieß J. Maltzan auf unerwartete Schwierigkeiten; man wollte die Geißeln nicht so bald herausgeben. Der Bischof von Bayonne, der bekannte französische Gesandte, der auch erst vor kurzem aus Deutschland heimgekehrt war, schreibt am 23. August an den Herzog Johann Albrecht (S. 272): "So viel E. F. G. Heren Bruder belangt, so solle derselbige so bald zurückgeschickt werden, als solches ohne Gefahr geschehen könne, obwohl der König ihn lieb gewonnen habe und wünsche, daß er länger in Frankreich bleibe, um die Sprachen gründlicher zu erlernen". Der Herzog Johann Albrecht hatte den Freiherrn J. Maltzan in Verdacht, daß "er, da er für sich selbst eine Bestellung vom Könige von Frankreich erlangt, sich seines Bruders nicht sehr angenommen habe", und argwöhnte "allerlei Praktiken" (S. 276). Joachim Maltzan versichert aber am 12. Januar 1554 dem Herzoge, daß er in keines andern Herrn Diensten gewesen sei, seitdem er von ihm vor Frankfurt geschieden, auch kein anderes Dienstgeld gehabt habe und habe, als von dem Herzoge (S. 282 und 283). Maltzan hatte auch den Herzog Christoph nicht verabsäumt. J. Maltzan schreibt am 12. Jan, 1554 an den Herzog: "Daß er so lange in Frankreich gewesen sei, habe er nicht umgehen können, weil er sonst

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den Prinzen nicht hätte herausbringen können; er hätte für die 1000 Kronen, die der Prinz dort schuldig sei, haften und dafür seinen Sohn an des Königs Hofe lassen müssen (S. 282 - 283). Joachim Maltzan that das Mögliche; er befreiete nach kurzer Zeit den Prinzen und sandte ihn mit seinem Hofmeister und Lehrer in die Heimath, wo er im Anfange des Monats Februar 1553 eingetroffen war.

Joachim Maltzan blieb noch länger in Frankreich. Er suchte dort das alte Dienstverhältniß der meklenburgischen Herzoge zu erneuern. Am 12. Januar 1554 schrieb er dem Herzoge Johann Albrecht, daß er es durchgesetzt haben würde, für ihn 6000 Kronen und für sich selbst 2000 Kronen jährlich auf Lebenszeit zu erwirken, wenn es der Bischof von Bayonne nicht verhindert hätte, dem der Herzog doch so viel getrauet habe (S. 283). Seine Reise von Frankreich nach Meklenburg war für ihn ein Triumphzug, der ihn nach einem so bewegten und gefahrvollen Leben in hohem Grade befriedigen mußte. Er ging von Paris über Nancy und Straßburg nach Heidelberg, wo ihm der Kurfürst, bei dem er viele Fürsten fand, "nur zu viel Ehre und Ausrichtung erzeigte", so lange er da war. Eben so ehrenvoll nahmen ihn die Landgrafen von Hessen, der alte und der junge, zu Cassel und der Herzog Johann Friedrich zu Gotha auf. Am 12. November 1553 kam er in Erfurt an (S. 279) und gedachte noch die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg zu besuchen und dann nach Meklenburg zu kommen, um dem Herzoge etliche wichtige Händel im Geheimen anzuzeigen (S. 279).

Diese Reise war aber Joachim Maltzan's letzte bedeutendere Begebenheit in seinem Leben. Wahrscheinlich war er, nach einem so sehr aufgeregten und angestrengten Wirken, unter Weges krank und schwach geworden, und seine Rückkehr ins Vaterland verzögerte sich lange. Am 5. Januar 1554 war er in Wittenberg, wo er lange blieb. Von dieser Zeit an ist seine Hand schwach und zitternd. Er kam in Geldverlegenheit; seine Herrschaft Wartenberg war aus seinen Händen gekommen und des Herzogs Johann Albrecht schwache Seite war das Geld, da er für seine Kräfte zu große Anstrengungen machte. Am 12. Jan. 1554 bat Joachim Maltzan ihn dringend um Auszahlung seines Gehaltes (von 500 Goldgulden jährlich), da er bisher nur zwei Termine, zu Augsburg und vor Frankfurt, und außerdem hier nur 300 Gulden zur Zehrung zu der Gesandtschaftsreise nach Frankreich ausgezahlt erhalten habe (S. 282). - Mit J. Maltzan war, wahrscheinlich auch in Frankreich (S. 286), der Organist

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Jacob Mors 1 ), der gleich lange mit Maltzan dem Herzoge Johann Albrecht gedient hatte (S. - 281), auf Reisen gewesen. Da J. Maltzan voraussah, daß sich sein Aufenthalt in Wittenberg in die Länge ziehen werde, so sandte er am 5. Januar 1554 den Jacob Mors mit einem Empfehlungsschreiben an den Herzog zurück (S. 281). Maltzan muß den Mann und seine Kunst sehr geliebt haben, da Jacob Mors der einzige Fremde ist, dem er in seinem Testamente etwas vermacht (S. 294). - Eben so hoch schätzte Maltzan die Wissenschaft. Während seines langen Aufentlhalts in Wittenberg, dieser Quelle der deutschen Bildung, ließ sich der greise Held am 29. April 1554 in die Matrikel der Universität eintragen, um den Ruhm zu besitzen, ein Bürger dieser erleuchteten Hochschule gewesen zu sein, und am 14. Junii seinen zweiten Sohn Johann Joachim immatrikuliren (S. 287). - Am 15. December 1554 wurden auch die drei Söhne Jost's Maltzan aus Cummerow zu Wittenberg immatrikulirt.

Joachim Maltzan muß in Wittenberg sehr kränklich und schwach geworden sein, da er sich veranlaßt fand, hier seinen letzten Willen auszusprechen. Am 31. Mai 1544 machte er zu Wittenberg sein formelles Testament (S. 288 - 297), bei dessen Errichtung M. Sebastian Dietrich, Rector der Universität, Dr. Johannes Bugenhagen, Dr. Georgius Major, Dr. Laurentius Lindemann, Mathias Major, Rathmann zu Wittenberg, Sebastian von Walwitz und Caspar von Bokertz Zeugen waren. Er sprach hierin sein protestantisches Glaubensbekenntniß bestimmt aus, indem er im Eingange sagt: "So befehle ich meine Seele in die Hände unsers Herrn und ewigen Heilands Jesu Christi, der sie ohne mein Verdienst und Zuthun durch sein Leiden, Sterben und Blutvergießen vom ewigen Tode, Teufel und Hölle aus lautern Gnaden und Barmherzigkeit erlöset hat". Durch seine Anordnungen sorgte er vor allen Dingen dafür, daß die Herrschaft Wartenberg, wenn irgend möglich, bei seiner Familie, oder doch bei der Familie seines Schwiegersohnes erhalten werde und daß seine Gemahlin und seine Kinder ihr Recht erhielten; auch seine treuen und geliebten


1) Jacob Mors war ein Sohn des Orgelbauers Antonius Mors in Antwerpen, welcher 3 Söhne und 20 Töchter, alle mit einer Frau, hatte. Die 3 Söhne waren: Hieronymus Mors, Organist am Dome zu Schwerin, welcher erst 1597 zu Schwerin starb, Antonius Mors, Orgelbauer, der 1560 die große Orgel zu Schwerin bauete, und Jacob Mors, Organist, vielleicht an der Schloßkirche zu Schwerin. Alle drei waren im Dienste des Herzogs Johann Albrecht. Vgl. Hederich's schwerinsche Chronik S. 42 und 93 und Jahrbücher V, S. 54.
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Diener bedachte er. Von dem gebildeten, gemüthlichen Sinne J. Maltzan's zeugt, daß er außer seiner Frau, seinen Kindern, seinen Dienern und dem Schreiber seines Testamentes, nur den Organisten Jacob Mors in seinem Testamente (mit 100 Thalern) bedachte (S. 294, vgl. oben S. 71).

Mit dem Pfandnehmer der Herrschaft Wartenberg gerieth Maltzan's Sohn Johann Bernhard in Streit, so daß dieser die Gläubiger noch nicht befriedigen konnte. Auf die Klagen der Gläubiger ordnete der zürnende König Ferdinand dieselben harten Maßregeln gegen Johann Bernhard an, die er gegen seinen Vater angewandt hatte. Am 25. Februar erließ er an den Bischof Balthasar einen Befehl des Inhalts: Da Johann Bernhard Maltzan sich in Bezahlung seiner Schulden ungehorsamlich verhalten habe und nicht anders zu befinden sei, daß er zum Nachtheil seiner Gläubiger die Sache in die Länge ziehen und Niemanden von Rechts und Billigkeit wegen bezahlen wolle, so solle der Bischof ihn (dem Landesgebrauche nach) gefänglich einziehen lassen, damit die, so rechtmäßige Anforderungen gegen ihn hätten, desto eher und förderlicher ihr Recht bekommen möchten (S. 285). Und doch war der König Ferdinand allein an dem Unglück schuld, indem er dem Freiherrn J. Maltzan seine Schulden, wie er versprochen hatte, nicht bezahlte, alte Ehrenschulden, welche eben so groß waren, als die Summe, welche Maltzan schuldig war. Da man des Freiherrn Johann Bernhard Maltzan so leicht nicht habhaft werden konnte, so erging am 29. October 1554 ein neuer Befehl, ihm zur gefänglichen Einziehung "nachzusetzen" (S. 297). - Am 18. März 1554 brannte die ganze Stadt Wartenberg ab, wobei sämmtliche Urkunden der Stadt verloren gingen (S. 231).

Im J. 1555 war Joachim Maltzan wieder in Meklenburg und hielt sich ohne Zweifel in Penzlin auf. Am 24. Februar 1555 war er bei der Vermählung des Herzogs Johann Albrecht mit Anna Sophie von Preußen zu Wismar und am 11. März vermittelte er als erster Geheimer Rath des Herzogs in Gemeinschaft mit den Landräthen einen Gemeinschafts= und Landestheilungsvertrag zwischen den herzoglichen Brüdern Johann Albrecht und Ulrich (S. 300 - 303); Joachim Maltzan besiegelt den Vertrag als der erste in der Reihe der Räthe und von diesen allein mit rothem Wachs.

Joachim Maltzan hatte sich im J. 1554 so sehr erholt, daß er wieder auf Reisen gehen konnte. Im März und April 1555 war er für die Herzoge von Meklenburg, ohne Zweifel vorzüglich wegen der Landestheilungsstreitigkeiten, am kufürstfich=brandenburgischen Hofe zu Berlin. Von hier berichtete er am 26.

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März und 6. April dem Herzoge Johann Albrecht über den Fürstentag zu Naumburg, auf welchem sich 2 Kurfürsten, 14 Fürsten und 30 Grafen verbunden hatten, im Geiste der augsburgischen Confession in einerlei Religion für einen Mann zu stehen (S. 304 - 307).

Endlich waren, nach der Erstarkung des Protestantismus, die Parteien des Streites müde. Der Kaiser Carl V. und der König Ferdinand spannten mildere Saiten auf. Auch Joachim Maltzan sollte Nutzen davon haben. Am 28. März 1555 schrieb er von Berlin aus dem Herzoge Johann Albrecht, "er habe jetzt Botschaft aus Schlesien, er werde die Herrschaft Wartenberg erblich wieder bekommen und seinen ältern Sohn Johann Bernhard mit Wesen dort sein lassen" (S. 305), es fehle ihm aber an Geld; er bat den Herzog wiederholt dringend "in seinen großen Nöthen um Jesu Christi Willen" um Zahlung seiner Forderung von 200 Goldgulden, um so mehr, da der Herzog ihm von den ihm zuletzt bezahlten 200 Gulden die Hälfte im Spiel ("mit Primiren") wieder abgewonnen habe (S. 306 - 308). J. Maltzan machte sich anheischig, dem Herzoge seine Bestallung zurückzugeben, wenn sich dieser einigermaßen billig mit ihm abfinden wolle (S. 306 und 308). Joachim Maltzan hatte allerdings in Deutschland überall Vertrauen, aber nirgends Dank gefunden. Alle seine Forderungen an Oesterreich, Brandenburg, Braunschweig und Meklenburg waren unbefriedigt (S. 293).

Trotz seines Alters und seiner Schwäche hatte J. Maltzan jetzt Neigung, wieder fremde Dienste zu nehmen, da er sich wieder kräftiger fühlte, wie auch seine Handschrift wieder fester und sicherer wird. Der Herzog von Preußen hatte ihm durch einen eigenen Boten geschrieben, daß der Herzog es herzlich gerne gesehen hätte, wenn Maltzan bei ihm zu Stettin erschienen wäre; Maltzan war gesonnen, den Herzog in Preußen zu besuchen, wollte aber zuvor mit dem Herzoge Johann Albrecht reden (S. 309). Maltzan hatte jetzt sogar Aussicht "bei dem Kaiser und insonderheit bei der Königin Maria und des Kaisers Sohn wieder zu großen Gnaden zu kommen und herrliche Pension zu bekommen, hatte aber doch ein Bedenken" (S. 310). Diese Achtung, welche selbst die bittersten Feinde vor ihm hatten, ist beispiellos.

In dem Jahre 1555 glückte es ihm endlich, die Herrschaft Wartenberg wieder zu gewinnen. Am 15. December 1555 erbot sich Otto von Zedlitz, dem Freiherrn Johann Bernhard Maltzan die Herrschaft Wartenberg wieder einzuräumen und die Pfandgelder in Empfang zu nehmen. Ohne Zweifel geschah dies

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durch die Vermittelung des kräftigen und umsichtigen Schwiegersohns Joachim Maltzan's, des Freiherrn Wilhelm von Kurzbach, Standesherrn aus Trachenberg. Dieser nahm auch von seinem Schwager Johann Bernhard Maltzan die Herrschaft Wartenberg auf kurze Zeit pfandweise an, bis sie Johann Bernhard bald nach seines Vaters Tode wieder übernehmen konnte (S. 313 und 231); dies geschah ohne Zweifel dadurch, daß Georg Maltzan auf Penzlin die Erben seines Bruders aus Penzlin, wovon die Stadt dem Joachim Maltzan zur Hälfte gehörte (S. 293), auskaufte; am 10. April 1558 zahlte Georg Maltzan den Erben seines Bruders 20,000 Goldgulden, also grade so viel, als Schulden auf Wartenberg hafteten, und trat denselben seine Rechte an Wartenberg ab (S. 317 - 318).

Nunmehr fingen auch die Bewegungen im deutschen Reiche an sich zu beruhigen. Am 26. September 1555 ward der Religionsfriede zu Augsburg geschlossen und dadurch dem Kampfe auf lange Zeit ein Ende gemacht. Der Kaiser Carl V., gebeugt und hinfällig, erkannte das Vergebliche seiner Bestrebungen und stieg im J. 1556 vom Throne ins Kloster.

Joachim Maltzan hatte noch die Freude, den Frieden zu erleben. Zuletzt erscheint er zu Schwerin am 7. Julii 1555 auf der Hochzeit des Burchard von Kramm (S. 311). Im Monat März des Jahres 1556 endete er, ungefähr 63 Jahre alt, sein reiches, ruhmvolles Leben und ward wahrscheinlich zu Penzlin begraben; seine Grabstätte ist nicht mehr aufzufinden. Rührend ist das Trostschreiben, welches der Herzog Johann Albrecht eigenhändig an seine Wittwe schrieb, in welchem er bekannte, daß ihr Mann "sein gar geliebter und getreuer Rath gewesen, desgleichen er nicht habe, noch je bekommen werde", und die Wittwe damit tröstete: "Des habt ihr euch zu trösten, daß er als ein wahrer Christ gestorben ist, auch kurz vor seinem Ende das hochwürdige Sacrament des Leibes und Blutes Christi empfangen hat" (S. 313 - 316).

So starb dieser große Mann, ein Kriegsheld und Staatsmann, wie Meklenburg in seiner Art keinen erzeugt hat, selbst für Europa groß, der alle bedeutenden Begebenheiten des 16. Jahrhunderts von Anfang bis zum Ende mit der größten Anstrengung hinausführen half, der, nie gebeugt, stets das hohe Ziel erreichte, das er sich vorgestellt hatte, und beim Sterben die große Genugthuung genoß, daß nach zahllosen Kämpfen und Wechselfällen alles wohl gerathen war, so daß er in Frieden sein Haupt niederlegen konnte. Das Vaterland wird ihm ewig Dank schuldig bleiben.

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Joachim Maltzan hinterließ eine Wittwe und sechs Kinder.

Seine Wittwe, Bernhardine, geb. v. Wallenstein, welcher er in seinem Testamente das ihr verschriebene Leibgedinge von 7500 Thalern in der Herrschaft Wartenberg, das Dorf die "Schleuse" und das Silbergeschirr versichert hatte (S. 291 - 292), war eine höchst ausgezeichnete Frau und eines so großen Mannes würdig. Noch in ihrem hohen Alter besorgte sie politische Geschäfte für das kaiserliche Haus. Am 1. März 1575 schickte sie, da sie "Alters und Schwachheit halber sich nicht persönlich stellen konnte", einen Edelmann, Faustinus Wild von Ottorawa, an den Kaiser, um demselben zu berichten, was "auf der jüngst zu Kalisch gehaltenen Zusammenkunft, dahin sie zu Beförderung Kaiserlicher Majestät Sachen gereiset gewesen, weil sie dort mit vornehmen Herren befreundet sei, von ihr zum Besten der Kaiserlichen Majestät ausgerichtet worden sei. Ihre Namensunterschrift ist ganz ungewöhnlich groß und kräftig. Sie starb am 29. Decbr. 1575 (S. 322) und mochte bei ihrem Tode ungefähr 70 Jahre alt sein.

Joachim Maltzan hinterließ ferner sechs Kinder: drei Söhne und drei Töchter (S. 289).

Der älteste Sohn, Johann Bernhard, welcher nach dem Testamente des Vaters (S. 290) die Herrschaft Wartenberg annahm und das Geschlecht fortpflanzte, starb, als kaiserl. Rath und Oberhauptmann der Fürstenthümer Oppeln und Ratibor, auf einer kaiserlichen Gesandtschaft zu Lublin am 7. Mai 1569.

Der zweite Sohn Joachim wird im J. 1554 zuletzt genannt.

Der dritte Sohn Franz starb am 22. Novbr. 1560 in seinen besten Jahren.

Die älteste Tochter Magdalene war an den Freiherrn Wilhelm von Kurzbach, Standesherrn auf Trachenberg, vermählt.

Die zweite Tochter Bernhardine und die dritte Tochter Mariane werden in dem väterlichen Testamente vom 3. Mai 1554 als damals unvermählt aufgeführt, werden aber späterhin standesgemäß verheirathet worden sein, da die, freilich nicht zuverlässigen genealogischen Tabellen, welche dem Freiherrn Joachim Maltzan noch mehr Töchter geben, diesen allen auch Männer zutheilen. Muthmaßlich wird die eine an einen Herrn v. Minkwitz verheirathet worden sein.

Die Herrschaft Wartenberg ging zunächst aus den Freiherrn Johann Bernhard Maltzan über, der sie bis zu seinem Tode behielt. Nach seinem im J. 1569 erfolgten Tode verkaufte die Vormundschaft seiner Kinder im J. 1570 die Herrschaft an den schlesischen Kammer=Präsidenten von Braun, von welchem sie 1592 an die Burggrafen von Dohna überging.

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Des Freiherrn Joachim II. Maltzan Enkel Joachim III. erwarb dagegen 1590 Militsch, Freihan und Neuschloß, wovon die Herrschaft Militsch noch jetzt im Besitze der maltzanschen Familie ist.

Joachim's III. Söhne, Joachim IV. und Johann Bernhard II., stifteten zwei Linien: zu Militsch und zu Neuschloß, später zu Penzlin. Die Nachkommen derselben sind also auch die Nachkommen des im Jahre 1530 in den Freiherrenstand erhobenen großen Joachim Maltzan.

Die ältere Linie ward im J. 1694 in den Grafenstand erhoben und ist noch gegenwärtig im Besitze von Militsch in Schlesien.

Die jüngere Linie, welche freiherrlich blieb, saß zuerst auf Neuschloß in Schlesien und darauf auf Penzlin. Aus dieser Linie stammen die jetzt noch blühenden Zweige der alten freiherrlichen Linie, die Söhne des Freiherrn Joseph Christian Heinrich, nämlich 1) Heinrich auf Tarnow † 1793, 2) Ferdinand, Erblandmarschall, auf Penzlin, † 1849, 3) Friedrich, Landrath, auf Rothenmoor etc. ., 4) Adolph auf Duchnow etc. . in Polen, jetzt zu Weistrop bei Dresden, und deren zahlreiche Kinder und Enkel, zum größten Theile in Meklenburg lebend.

 

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Anlage

Schreiben des Ritters Joachim Maltzan (an den Kurfürsten ron Mainz?) D. d. (1519)
(April?).


Non satis mecum admirari possum, cum r. v. jam semel regi D. meo litteras sigillatas presentari fecit ac deinde tam recenter et noviter iterum ac secundario r. v. fratri, domino meo obseruandissimo, veram et plenariam potestatem nobiscum tractandi et concludendi reliquit, in cuius testimonium litteris consociis articulos manu r. v. subscriptos vidimus, qui iam ad praefatum regem perferuntur, vt non alcius in eius animo precogitet atque reuoluet, quid hoc r. v. periculo et honoris et alterius detrimenti futurum sit. Nam adeo certum, vt Deus Deus est, adeo certum rex meus illa omnia simul cum auxilio pontificis maximi per omnem cristianitatem ac eciam r. v. infamem declarabit, et possibile est, vt erit ruina r. v., et difficulter falli potest, vt eciam invita r. v. illa res pro rege in effectum non sorciatur; videat tunc r. v., quantum periculum sese inmisit, nec laudabile est, vt frater qui de r. v. promissione confisus in simili verecundia derelinquitur, hec r. v. inde aliquid boni sperare potest. Nam in similibus casibus Deus punire solet. R. v. potuisset esse adiumento, vt pax in omni cristianitate facta fuisset ae bellum contra Turcos gereretur; possibile est, vt r. v. erit occasio, vt scisma fiat in cristianitate ac maior sanguinis effusio, quam vnquam facta sit in cristianitate; nam maior pars electorum ceterorumque regum et imperii principum concordati sunt pro rege ac fidem dederunt, et r. v. ita in effectu et veritate reperiet, si nunc alter deberet eligi, non posset fieri nisi vt minor pars maiorem vellet superare, hoc sine sanguinis

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effusione non fiet etc. Prudenti pauca. Ego admoneo r. v., vt velit cogitare, ex qua domo oriunda sit, et sese non ponere in periculo honoris; si non est alia difficultas, nisi vt tota summa ante electionem soluatur, fiet, et si non placet sigillare, vt copiam misimus, contentabit rex, vt r. v. litteras, quas antea dedit r. v., renouet ac de nouo ratificet, quoniam iste sunt optime (si quid aliud est). Quod r. v. mihi scribat, quod desiderat, procurabo vt fiat de fide debita, dum non est et minus quam de alia parte, et si opus est, faciemus securitatem, quod amplius Reue. V. desiderat, rogo quam humillime, r. v. alcius hoc negocium cogitet ac de me, vt ita scribo, non egre feret, nam melius est aperire vulnus, quam e contra summum sentire dolorem.

Nach dem Concepte von J. Maltzan's Hand im herzogl. Braunschweigischen Landes=Haupt=Archive zu Wolfenbüttel mitgetheilt von dem Hrn. Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.

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II.

Bericht

über

die Erstürmung der ehrenberger Klause

am 19. Mai 1552,

mitgetheilt

vom Archivar Dr. Lisch .


Etzliche warhaftige geschicht
von Zeittungen geschehen, welche sich
in der Chur= vnd fursten Lager
am 18. May, darnach folgendt am 20.
haben tzugetragen.


G estern den 18. May, do wir mit allem vnserm hauffen tzu Ros vnd Fus nicht eine grosse meil vorm gebirge nach der Clausen beber Fussen gelegen, haben die Chur= vnd Fursten lassen vmbblassen, das alle Reutter, bis vf vngeferlich drey Schwader, sollen im Lager bleiben bey ihren Rossen vnd harnischen, vnd erwartten weittern bescheidts, dem ist also gelebt.

Desselben tags haben die Chur= vnd fursten eigner Person alle fusknechte, Ausgenohmen die so ihre lager zu uorwahren hinder sich gelassen, ausgefurth dem gebirge tzu vnd kundtschaft bekohmen, das die feinde noch vor dem gebirge, tzwischen Ritta vnd Fussen gelegen in einem Lager, welches von Nattur starck, auch mit gemachten greben vnd vmgefelleten baumen also vorschlossen wehre, das man dem nicht abbrechen konnte.

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Ihre Chur= vnd f. g. aber habens lieber selbst sehen, dan gemeiner kuntschaft glauben wollen, daruber sich gemacht, das sie mit etwo tzweyhundert pferden in einer enge der Feindt wacht, die etwa tzwey oder drey hundert starck gewesen, befunden, welche wach sich mit Beumen wol vorhauen, ein stuck Feldtgeschutz vor sich vnd eins beber sich auf einem felssen gehabt, daraus sie weidtlich geschossen vnd sich fluchs gewehret, Aber die Chur= vnd fursten mit Ihrem Volck habens mit gewaldt aus Ihrem vortheil getrungen, das sie die Flucht auf Ritta genohmen, Wiewol der mehrertheil aus Ihnen vmbbracht worden.

Sobaldt der Lerm in Ritta kommen, seindt die knechte, so darinnen vnd darbey auf einer ebene gelegen, bey tzehn oder elffen starcker wolbesatzter Fendlein nach der Clausen geeilet.

Aber die vnsern satzten dermassen so dapffer ein sie, das sie sich trennen haben mussen, darüber der Feindt bis in ein Thausendt erstochen, erschossen, gefangen vnd auch viel im Lech ersoffen sei.

Vff vnser seitten vornimbt man, got sey Lob, noch niemandts der blieben sey, Ansgenohmen ein phar oder tzweyer gemeiner knecht, so ist auch der her Reußs, des Churfursten hoffmarschalck, etwas geschossen, man vorsicht sich aber nicht, das es ime schaden werde.

Wehre auch vnser Krigsvolck tzu Fues nicht so vermuetet gewesen, vnd man hets lenger am tag gehabt, hets noch besser kopffen geben.

Vnsere knecht seindt dise nacht in der feindt Lager vnd bis in die Claussen hinnan gelegen.

Heutten nimbt man sich vmb ein Blochhaus, so gegen der Claussen vberligt, ahn. Wan man das eroberdt, wie man dan des wenig sorge tregt, Dieweil die feindt in einn solche grosse flucht, tzertrennunge vnd schaden gebracht, so kan man die Claussen schissen, wie man wil, got vorleihe forder sein gnadt vff vnser seitten.

Der Keiser ist sehr schwach. Der Bischof von Arras sol in grossen vngnaden von ime weckgeschaffet sein.

Der Romisch Konigk hebt vnd tregt, woldt gerne die sach tzum vortrag haben, Ahber ohne Fanckreichs gutte bewilligung kans nicht sein.

Wie es sich mit vns vnd vnsern Beinden im gebirge alhie tzugetragen, demselben ist also, das wir gestern vnd ohne den tag gestern sie (deren dan tzwolff Fendlein sehr wolbesetzt gewehsen) in irem vortheil angegriffen vnd inen so weidtlich tzugeseßt, das sie von einem ordt in den andern getrungen, letztlich geschlagen, zertrendt vnd mit gewaltigem anlaufen die erenberger Claus vnd drey

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starcke Blochhaus dargegen vber vnd darunder gelegen, sampt einem schonen geschutz, vngeferlich bis die 30 Stuck, in vnseren gewaldt bekohmen, wie dan wihr vormittelst gotlicher vorleihung dermassen an die Pfortten vnnd mauren des Schlosses Erenbergk gesetzt, das vns dasselbige gleicher gestaldt nit het muegen vorsehen, Aber als solchs die Veindt, so darinnen lagen, ersehen, horendt sie auf von ihrem veindtlichen schissen, ergaben sich vns.

Neun knechtische Fendtlein haben wir eroberdt, vnd tzu vnsern handen bracht, glauben, das in ein Thaussent Personen der Feindt erschlagen, erschossen und im Leich ersoffen, auch wol vber die tzwey Thausendt bis in die drei Thausendt gefangen seyen, da doch vf vnser seitten nit glauben wir x oder xv personen vmbkohmen.

In Summa, es ist ein solche Victori gewesen, darbey wihr vnd menniglich augenscheinlich gesehen, das got vns geholffen hat, dan ohne das wehr es schir vber Naturlich gewesen, in solchem grossen gebirg, festung vnd vortheil, so die Veindt vor sich gehabt, tzu schlagen.

Vnser Knecht haben Reiche Beut bekohmen vnd sich also weidtlich vnd ehrlich gehalten, das es nuhr genug ist.

Philips Dit mit etzlichen gutten gesellen haben etzliche Esel erobert vnd daraus tzweiffels frey ein gutte beuth, dan wir haltens vor die tzahlung, so der Keiser eben seynem volck geschickt, got sey Lob und preis vor solche gnade.

Was man nuhn weitter fuhrnehmen wurdet die Berathschlagung geben, vnd do es profiandt halben muglich, werden wir den fux besser in der hol vnd spelunck suchen.

Nach einem gleichzeitig geschriebenen Berichte im großherzoglich meklenbur= gischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin.

 

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III.

Der lippesche Bund von 1519.

Von

G. C. F. Lisch


D ie Geschichte der besonderen Bündnisse in Deutschland ist von so großer Bedeutung für die Erkenntniß des Ganges der allgemeinen Bewegungen, daß ihre genaue Kenntniß unerläßlich ist. Es braucht kaum an die Hanse, den schwäbischen Bund, die Bündnisse der protestantischen Fürsten u. a. erinnert zu werden, um die Wichtigkeit dieser Seite der deutschen Geschichte zu begreifen. So bekannt nun auch manche andere Bündnisse, wie z. B. das schwäbische, geworden sind, so still ist es in der Geschichte von norddeutschen Bündnissen geblieben, wie große Wichtigkeit und Selbstständigkeit sie auch erlangt und offenbart haben, wie denn die nordische Hanse nichts weiter ist, als ein fortgesetztes, selbstständiges und freies Bündniß. Unter den norddeutschen Bündnissen ist nun der lippesche Bund von 1519 gewiß von großer Wichtigkeit, obgleich er bisher nirgends mit einer Sylbe erwähnt und erkannt worden ist. Es ist nicht die Absicht, diesen Bund in allen seinen Folgen und Bewegungen darzustellen, da das Material zur Erkenntniß desselben bis jetzt nur in wenigen, nach und nach neu entdeckten Actenstücken besteht, sondern es ist nur der Wunsch, die Abschließung und nächste Entwickelung des Bundes bekannt zu machen und in die Geschichte einzuführen, und dadurch zur weitern historischen Beobachtung aufzufordern.

Es war das verhängnißvolle Jahr 1519, in welchem der lippesche Bund geschlossen ward. Der Kaiser Maximilian war am 12. Januar 1519 gestorben und das nebenbuhlerische

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Ringen des spanischen Königs Carl V. und des französischen Königs Franz I. um die deutsche Krone drohte bis zum 28. Junii, dem Tage der Wahl Carl's V., alle sittlichen Bande in Deutschland zu zerreißen. Im nordwestlichen Deutschland drohete die aus einer Fehde zu einem verwüstenden Kriege zwischen den Häusern Braunschweig=Wolfenbüttel und Braunschweig=Lüneburg ausgeartete hildesheimische Stiftsfehde, welche mit erster Kraft von dem Tode Maximilian's bis zur Schlacht auf der soltauer Haide am 29. Junii 1519 wüthete, die Länder zu verheeren. Das muthige Auftreten Luthers erregte in ganz Deutschland großes Aufsehen und machte manche ängstliche Gemüther besorgt. Die ganze Zeit, welche so viele Kriegshelden und große Geister ersten Ranges erzeugte, war bewegt und kriegerisch gestimmt. Kurz es war eine Zeit, welche wohl gerechte Besorgnisse hervorrufen konnte.

Da traten am 12. Mai 1519 zu Höxter sehr viele Fürsten und Herren des nordwestlichen und Mitteldeutschlands zusammen, um auf 30 Jahre einen Bund zur Abwehr aller unrechtechtmäßigen Gewalt zu schließen, welcher der lippesche Bund genannt ward. Es waren Fürsten, welche nicht unmittelbar in die hildesheimische Stiftsfehde verwickelt waren. Es waren an der Spitze die braunschweigischen Herzoge und Brüder Erich, Bischof von Osnabrück und Paderborn, und Philipp zu Grubenhagen, ferner Wolfgang Fürst zu Anhalt, Wilhelm Graf zu Henneberg, Philipp der ältere, der mittlere und der dritte Grafen zu Waldeck, Eberwein und Arend Grafen zu Bentheim, Simon Herr zu Lippe, Jobst und Johann Grafen zu Schaumburg und Holstein, Jobst, Johann und Erich Gebrüder Grafen zu Hoya, Otto Graf zu Rietberg, Arend Graf zu Teklenburg, Friedrich Herr zu Diepholz, Ulrich Graf zu Regenstein, Adam Graf zu Beichlingen, Wolfgang und Ludwig Gebrüder Grafen zu Gleichen, Gebhart und Albrecht Gebrüder Grafen zu Mansfeld, Balthasar und Christoph Gebrüder Grafen zu Mühlingen und Barby, die reußischen Herren Heinrich d. ä. und Heinrich d. j. zu Gera, Schleiz und Lobenstein, Heinrich von Plauen zu Greiz Heinrich zu Weida, Hans Schenk Herr zu Tautenberg und Anarx Herr zu Wildenfels.

Aus der Ausfertigung der Bündnißurkunden zu schließen, theilten sich die verbündeten Fürsten und Herren in die Fürsten, Grafen und Herren des Harzkreises und in die westphälischen Grafen.

Der Bund ward auf 30 Jahre geschlossen, mit Ausnahme

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des Grafen Wilhelm von Henneberg, welcher sich nach 6 Jahren ein Kündigungsrecht vorbehielt.

Die Veranlassung war das Verlangen nach "Abwendung vieler mißbräuchlicher Sachen, so von manchen hohen und niedern Standes bisher vielmals gebraucht, und mancher unbilliger und unrechtlicher Bedrängniß, so täglich vor Augen und oftmals wider Recht und alle Billigkeit ausgeübt worden".

Der allgemeine Zweck des Bundes war das "Gedeihen gemeiner Christenheit, der deutschen Nation Friede, Einigkeit und Wohlfahrt, der Herren und Unterthanen Ehre, Nutzen und Gedeihen, besonders aber daß jeder tugendhaft zu handeln erinnert und bei Gleich und Recht bleiben und vor unrechter Gewalt geschützt werde" Die Verbündeten standen damals noch fest in der römischen Kirche, da der Bund nicht allein zu Ehren Gottes, sondern auch zu "Ehren seiner Mutter Maria und päpstlicher Heiligkeit" ausgerichtet ward und die Verbündeten sich verpflichteten, die "Mutter Gottes und alle Heiligen anzurufen und der Dreieinigkeit zu Ehren Messe lesen zu lassen".

Die besonderen Zwecke und Einrichtungen des Bundes waren:

1) keiner sollte des Andern abgesagter Feind werden und keiner den Angreifenden wissentlich "hausen, hofen, ätzen, tränken, beherbergen, geleiten oder demselben irgendwie Hülfe und Beistand leisten";

2) keiner der Verbündeten sollte im Fall der Zwietracht zwischen ihnen selbst, ihren Stiftern, Landen und Leuten mit thätlicher Handlung eingreifen, sondern sich an Gleich und Recht genügen lassen;

3) zur Beilegung der Zwietracht wurden Schiedsgerichte eingesetzt, so daß für jeden Fall der Zwietracht von jedem Theile zwei Räthe von Adel, "doch nicht Doctoren!", und ein Obmann aus den Einigungsverwandten bestellt werden sollten, welche in schriftlicher Verhandlung binnen zwanzig Wochen die Sache zum Urtheil zu bringen hätten;

4) verpflichtete man sich, die Ritterschaft der Länder bei Gleich und Recht zu handhaben und bei vorkommenden Irrungen Tage anzusetzen, den Bürgern und Bauern zu endlichem Rechte zu verhelfen, Handel und Gewerbe zu schützen und schirmen;

5) zur Zeit größern Unfriedens sollte jeder der beiden Kreise verbunden sein, bis zu 200 Reitern und 400 zu Fuß (die kleine Hülfe) zu stellen, deren Stellung die dazu verordneten Hauptleute und Räthe zu erkennen Macht haben sollten;

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6) wenn irgend einer der Bundesverwandten mit Gewalt überzogen würde, so sollten alle Bundesverwandten mit aller ihrer Macht auf ihre eigene Kosten und ihren Schaden den Ueberzogenen zu retten und zu entsetzen suchen.

Dies waren die wesentlichen Hauptpuncte des Bundes, welche allerdings wichtig und umfassend genug sind. Außerdem wurden die einzelnen Puncte noch weitläuftig und genau auseinandergesetzt und die Mittel und Wege zur Erreichung der Zwecke beschrieben.

Schließlich ward festgesetzt, daß dieses Bündniß keinen gegen die römisch=kaiserliche Majestät oder gegen einen Lehnherrn eines Jeden binden solle.

Die Bündnißurkunde ward in 4 Exemplaren ausgefertigt, von denen 1 bei dem Bischofe Erich von Osnabrück, 2 bei den Fürsten, Grafen und Herren des Harzkreises und 1 bei den westphälischen Grafen niedergelegt ward.

Im großherzoglich meklenburgischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin entdeckte ich eine Abschrift dieser Bündnißurkunde, welche zwar sehr gut, aber stark vermodert war. Im königlichen Archive zu Hannover, wo der Herr Archiv=Secretair Dr. Sudendorf auch das Bündniß entdeckt hatte, werden zwei Originalausfertigungen der Urkunde und mehrere Abschriften derselben aufbewahrt; das königliche Archiv gestattete mir gütigst die Vervollständigung der schweriner Abschrift aus einer hannoverschen Abschrift. Dies also hergestellte Exemplar hier mitzutheilen 1 ), ist der Hauptzweck dieses Beitrages zur deutschen Geschichte.

Später entdeckte ich noch mehrere Verhandlungen über diesen Bund, welche die Fortentwickelung desselben klar an den Tag legen.

Ob sich französischer Einfluß bei der Stiftung des Bundes geltend gemacht habe, läßt sich noch nicht bestimmen. Es ist eben so leicht möglich, daß der Bund auch im Gegensatze zu den politischen Einwirkungen geschlossen ward. Grade um die Zeit der Abschließung des lippeschen Bundes (12. Mai 1519) war der gewandte Gesandte des Königs Franz I., der Ritter Joachim Maltzan, in Norddeutschland, um die norddeutschen Fürsten für Frankreich zu gewinnen; es glückte ihm auch mit dem Herzoge Heinrich dem mittlern von Braunschweig=Lüneburg, und am 14. Mai 1519 schloß er ein zu Schwerin unterzeichnetes Bündniß zwischen dem Könige Franz und dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen von Meklenburg.


1) Vgl. Anl. Nr. 1.
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In der Folge, vor dem 16. December 1525, traten die Herzoge Erich und Heinrich der jüngere von Braunschweig=Calenberg und Wolfenbüttel, welche die eine Seite der Streitenden in der hildesheimischen Stiftsfehde bildeten, ferner die Grafen Johann von Oldenburg und Edzart von Ostfriesland 1 ) dem Bunde bei.

Später traten noch mehrere Fürsten dem Bunde bei. Der Herzog Heinrich der jüngere von Braunschweig bemühete sich sehr um die Erweiterung des Bundes. Er hatte mit dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen geredet, daß dieser und die Herzoge von Pommern in den Bund treten möchten, und unter Mittheilung einer Abschrift der Bündnißurkunde darüber mit demselben schriftliche Verhandlung gepflogen. Am 22. December 1524 forderte der Herzog Heinrich von Meklenburg die Herzoge von Pommern auf 2 ), dem Bunde beizutreten.

Auf den Freitag nach Lucie (15. Dec.) 1525 war zu Hannover eine "Tagesatzung zur Vollziehung (d. i. Erneuerung) derselben Vereinigung" angesetzt. Der Herzog Heinrich d. j. von Braunschweig lud nun am 3. November 1525 die Herzoge von Meklenburg und Pommern zu sich nach Wolfenbüttel ein, mit der Bitte, ungefähr zwei Tage vor dem angesetzten Tage bei ihm anzukommen und mit ihm nach Hannover zu reiten. Die Versammlung ward an dem bestimmten Tage, am 15. Dec. 1525, und den folgenden Tagen zu Hannover gehalten. Am 16. Dec. ward das Bündniß erneuert, worüber die Original=Urkunde im königlichen Archive zu Hannover aufbewahrt wird, und an demselben Tage wurden mehrere Fürsten aufgenommen, namentlich der Erzbischof Christoph von Bremen, Herzog von Braunschweig, die Herzoge Georg und Barnim von Pommern und der Herzog Heinrich der Friedfertige von Meklenburg 3 ). Daß die Versammlung eine Erneuerung des Bundes beabsichtigte, geht auch daraus hervor, daß der meklenburgische Kanzler Caspar von Schöneich auf die Aufnahmsurkunde des Herzogs Heinrich von Meklenburg schrieb: "Geändert höxterische Verschreibung". Auf der Tagsatzung erschienen nicht persönlich: der Fürst Wolfgang von Anhalt, alle reussischen Grafen, der Graf Gebhard von Mansfeld, die Grafen Jobst, Ulrich und Bernhard von Regenstein, der Graf Wolf von Gleichen, die Brüder Heinrich und Anarx von Wildenfels und Hans Schenk Herr zu Tautenberg; von allen diesen


1) Vgl. Anl. Nr. 3.
2) Vgl. Anl. Nr. 2.
3) Vgl. Anl. Nr. 3.
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werden im schweriner Archive schriftliche Vollmachten aufbewahrt, durch welche sie den Herzog Philipp von Braunschweig=Grubenhagen beauftragen, den Herzog Heinrich von Meklenburg in den Bund aufzunehmen. Auch das hannoversche Archiv bewahrt mehrere Vollmachten dieser Art.

Der Herzog Heinrich von Meklenburg wird persönlich auf dem Tage zu Hannover gewesen sein, da keine einzige Andeutung vom Gegentheile vorhanden ist. Es fehlen alle Entschuldigungen, Vollmachten u. s. w., welche im Falle des Ausbleibens immer vorhanden sind. Noch am 5. Dec. 1525 bat der Herzog Heinrich d. j. von Braunschweig den Herzog Heinrich von Meklenburg inständig, in eigener Person zu kommen, denn, schreibt er, er habe "Zuversicht, es solle unser beider Zusammenkunft in allen Sachen desto verträglicher, aber unsern beiderseitigen Widerwärtigen und Abgönnern nicht angenehm sein, und alles, was uns in den Sachen zwischen unserm lieben Herrn und Bruder von Bremen und unserm Schwager von Sachsen gutes zu thun möglich, damit die auf andere Wege gebracht, darin wollen wir bei uns keinen Mangel erscheinen lassen". - Der Herzog Heinrich von Meklenburg war ohne Zweifel mit dem Landrath und frühern Hofmarschall Joachim Hahn 1 ) auf Basedow und mit dem Kanzler Caspar von Schöneich anwesend, da der letztere die Aufnahmsurkunde für den Erzbischof Christoph von Bremen eigenhändig vielfach verändert und erweitert hat. Am 16. Decbr. 1525 traten also, unter Erneuerung des Bundes, demselben auf zehn Jahre bei der Erzbischof Christoph von Bremen, die Herzoge Georg und Barnim von Pommern und der Herzog Heinrich von Meklenburg, welche sich verpflichteten, zu der "kleinen Hülfe" 75 Pferde und 150 Mann zu Fuß zu stellen. Der Vertrag ward jetzt in 5 Exemplaren ausgefertigt, zur Aufbewahrung für den westphälischen Kreis, für den Harzkreis, für die Fürsten von Braunschweig, für den Erzbischof von Bremen und für die Herzoge von Pommern.

Die kirchlichen Bewegungen waren während der Zeit immer heftiger geworden, die Reformation hatte sich bereits in alle norddeutschen Länder Eingang verschafft und die Einwirkungen auf die Stimmung des Volkes traten überall hervor. Unter diesen Umständen war die Aufnahme des Kurfürsten Johann von Sachsen, welche ohne Zweifel auf dem Tage zu Hannover besprochen und erreicht war, von der größten Bedeutung. Schon am 31. Dec.1525 setzten der Herzog Philipp von Braunschweig


1) Vgl. Anl. Nr. 5.
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und der Graf Albert von Mansfeld die Aufnahme des Kurfürsten auf den Montag nach Lätare, d. i. den 12. März 1526 zu Halberstadt an 1 ). Der Herzog Heinrich von Meklenburg ging nicht selbst nach Halberstadt, sondern bevollmächtigte 2 ) den Landrath Joachim Hahn auf Basedow, welcher den Herzog auf den Tag zu Hannover begleitet hatte, in seinem Namen am 12. März 1526 von dem Kurfürsten Pflicht zu nehmen und demselben wiederum Pflicht zu thun und ferner mit beschließen zu helfen, was die Bundesverwandten für gut und nöthig erkennen würden.

Dies ist Alles, was über den lippeschen Bund und seine Wirksamkeit bisher hat erforscht werden können. Wie weit sich die Wirksamkeit erstreckt, muß weitern Forschungen überlassen bleiben. Im J. 1526, als die Bauernaufstände in vollem Gange waren, mag der Bund durch seine Rüstungen viel genützt haben. Im J. 1526 forderte der Herzog Heinrich von Meklenburg, auf Ersuchen der Kurfürsten von Mainz und Sachsen, seine Landstände auf, einen Reiterdienst zu stellen, da sich "viele Bauerschaften gegen ihre Obrigkeit empört" hätten.

Wie lange der lippesche Bund gedauert habe, darüber lassen sich bis jetzt nur Vermuthungen wagen. Wahrscheinlich ist, daß er nach und nach in die Bündnisse der protestantischen Fürsten überging oder vielmehr diese aus ihm hervorgingen, bis der ganze Norden Deutschlands protestantisch und zu andern Bündnissen vereinigt worden war. Wahrscheinlich ward am 12. März 1526 auf dem Tage zu Halberstadt der erste Grund zu den protestantischen Bündnissen gelegt; denn schon am 12. Junii 1526 ward der erste protestantische Bund von Torgau geschlossen, durch welchen die braunschweigischen Herzoge von Lüneburg und Grubenhagen, der Herzog Heinrich von Meklenburg, der Fürst Wolfgang von Anhalt und die Grafen von Mansfeld der am 4. Mai geschlossenen Vereinigung des Kurfürsten Johann von Sachsen mit dem Landgrafen Philipp von Hessen zu Magdeburg beitraten.

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1) Vgl. Anl. Nr. 4.
2) Vgl. Anl. Nr. 5. Der Herzog schrieb dem Landrath Joachim Hahn die Reise vor: von Basedow über Pritzwalk, Havelberg und Magdeburg nach Halberstadt, und übersandte demselben "acht Gulden zur Zehrung", mit dem Versprechen, wenn er mehr bedürfen würde, ihm dies auf seine Anzeige zu entrichten.
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Anlagen.


Nr. 1.
Der lippesche Bund norddeutscher Fürsten und Herren.

D. d. Lippe (Höxter). 1519. Mai 12.


In dem Nhamen des Hern Amen.

Wir von gots gnaden Ehrich, Bischoff zu Oßnabrug vnd Paderborn, Hertzog zu Braunschweig, Philips auch Hertzog zu Braunschweig, Wulffganck Furste zu Anhalt, Graff zu Aschkanien [vnnd Her zu Bernburgk, Wilhelm graue vnnd her zu] Hinnebergk, Philips der Elter, Phillips der mitler, Vatter vnnd Son, vnnd Philips der dritte, Graffen vnnd Hern zu Waldeck, Ewerwin vnnd Arndt Graffen zu Bentem vnnd Steinforth, gefettern, Simon Edler Her zu Lippe, Jobst vnnd Johan Graffen vnnd Hern zu Holstain vnnd Schomburgk, Jobst, Johan vnnd Ehrich gebruder Graffen zur Hoya vnnd Bruchusen, Otto Graue zum Ritberge, [Arnt] Graff zu Teckelnburgk, Friederich Edler Her zu [Diepholt], Vlrich Graff vnnd Her zu Reinstein [vnnd Blan]kenburgk, Adam Graff vnnd Her zu [Beichelin]gen, Wulffganck vnnd Ludwig gebruder Graffen von Gleichen. Hern zu Ernstein vnd Blanckenhein, Gebert vnnd Albrecht gebruder Graffen vnd Hern zu Mansfelt, Balthaßar vnd Christoff gebruder Graffen zu Mullingen vnnd Hern zu Barba, Heinrich der Elter vnnd Heinrich der Junger Hern zu Gera, Schleitz vnnd Lobenstein, Hainrich Reuß von Plaw, Her zu Greitz vnnd kranichfelt, Heinrich Her zu Weida vnnd Wildenfels, Hans schenck Her zu Tutenberg, Heinrich vnnd Anarg Hern zu Wildenfels vnd Schonkirchen, Tunt kunth vnd öffentlich bekennen, das wir zu abwendunge vyler mißbreuchlicher sachen, so von manchen hohen vnnd niddern stands pis anher vylmals gepraucht, dergleichenn mancher vnpillicher vnnd vnrechtlicher bed[reng]niß, so teglich vor augen [vnnd]

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zum offtermalen widder recht vnnd alle Pilligkeit begegent vnd furgewendt sein worden, mit wolbed[achtem] zeit[lichen] Rath, zu Ehren got dem almechtigen, [Marien] seiner gebenedieten gebererinnen vnnd allem h[imme]lischen Here, Auch zu Stat[tli]chem dinst vnnd ged[eihen ge]meiner Christenheit, babst[licher] heilig[keit], [deutz]scher Nation zu frede, einigkeit [vnnd wo]lfart [vn]ser selbst, vnser vnterthanen vnnd [verwanten ehre, nutz] vnnd gedien, [vns] vnte[r ein]an[der, vnnd sunderlich das jeder] tugentsam zu handlen erinnert vnd also [den fußstap]fen vnser fureltern in Ehren vnnd tugenden [zu volgen] auffnehmen bey gleich vnnd Recht pleiben [vnnd] vor vnrechter gewalt geschutzt vnd gehanthabt werden mochten, vor vns alle, vnser Erben vnd Nachkomen dreissig Jar langk die [negst, wie hernach] folgt, zueinander voreinigt, vorbunden [vnnd vnwider]ruflich vortragen haben. Dweilen [aber an die] gnade gots nichts fruchtparlichs [oder bestendigs] furgenohmen, noch vyl weniger in guter entschafft bracht mag werdenn, derhalben vnd domit disse Einigung durch vorlihung des Almechtigen zu erhaltung der Erbar= und gerechtigkeit stanthafftig vnnd in ein auffnhemig wesen gemeiner Christenheit deutzscher Nation komen vnnd pleiben moge, Sol Ein Jder zum stath= vnnd Erlichsten, so Ihme belegen, alle weich ader fronfast, zu lob vnnd Ehre got dem Almechtigen vnnd vmb gnade, gluck vnnd wolfarth zu erlangen, die mutter gots vnnd Alle himelisch Her fleissig anruffen, ein Ampt vnnd Messe von der Heiligen Dreiheit mit eingelegten, darzu uerordenten collecten, Auff das der Almechtig zu solcher angefangen voreinunge durch seine guthe vnnd barmhertzigkeit gnad, gluck vnnd ßeligkeit vorlihen wolle, lesen zu lassen vorpflicht sein, Vnnd Nachdem Fursten, Grauen, Hern vnnd Adel ahne tugenth pilch nicht zu achten, Noch vyl weniger in auffnemen komen mag, haben Wir vnns wie volgt voreinigt vnnd vortragen. Dwile vnmoglich, auch lenge halb zu setzen vordrießlich, In wilchenn wegen kan ader mag widder Ehre gehandelt werdenn, derhalb, wer Es sach, das vnser einer ader meher, So in disser einigung begriffen, widder Ehr [oder] nichthaltung disser voreingung, wilchs der Almechtig gnediglich verhuten wolle, handeln wurde, Also das dem ader denselben schmelich vnd vnehrlich vorwirkung vnleuckbar vnnd sich zu Ehr vnnd Recht nit vorantworten konten lassen, der ader dieselben von vnns andern dorumb verhaß, verach vnd verschmecht sein, mit dem ader denselben auch wissentlich widder Essen noch trincken vnnd gantz keine freuntschafft oder gemeinschafft mit dem ader denselben haltenn, Sondern kegen dem ader den sollen vnnd

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wollen wir daß der ader die vmb solch vbilthaith gestrafft mit Hochstem fleiß [trachtenn]; Wurde aber Jmands zu entgegen diser seiner verpflichtung dem ader denselbenn furderunge ader furschub ertzeigenn, Es sol auch des werdes von vnns allen gehalten vnnd durch vns andere darvmb gestrafft, Auch zu haltunge diß vortrags getzwungen werden. Domit aber solch einigung vnnd zusamensetzunge ahn keinem orth vermindert, sundern freundtlich, gnediglich, gutwillig vnnd vnterthenigk [vnzerrugket] gehalten werden, Vnnd ob sich einich mißuer[standt], zweitracht ader Irrunge zwuschen vns vnd vnsern vnderthan begebe, wie dieselben vnnd In was zeit gehort, gepillicht vnnd hingelegt werden soll, derhalbenn wir vnns weiter wie folgt voreinigt: als nemlich, so sich einich Irrung ader zweitracht zwuschenn vnns selbst, vnsern Stifften, Landen ader Leuthen erheben vnnd begeben wurden, soll vonn keinem teil tethlich begonnen ader handelunge furgenhomen werden, Sunder wilchem teil [deß not], dem andern vmb die geprechen [in] seiner behausunge mit ernennunge eins tags vnnd gelegener malstatt thun schreiben, Vnd so der ernanter tagk dem andern teil nicht gelegen, Sollen sie sich vor außgange Funff wochen, des tags vnnd malstet vorgleichenn, Alßdan von Jdem teil Sollen zwene Rethe vom Adel, doch nicht Doctores, wilche von den parten [irer] pflicht zu derselben handelung ledich getzelt, niddergesetzt, vor denselbtigenn viern sal die [klag] vnd antwurth von den parten nottorfftiglich gehort vnd furpracht werden, Vnnd so die Niddergesatzten der Sachen gnugsam grunt entpfangen, alßdenne fleiß furwenden, die parte in der guthe vnd mit willen zu entscheiden. Wurden sie aber den Irrungen nicht maes finden mogen, So sal der Cleger dem beclagten seine zuspruche in vier wochen nach endunge des tags schrifftlich zuschickenn, darauff den der beclagte sein antwurt in vier wochen dem Cleger auch widderumb in schrifften vbersenden sal, Vnnd sal der Cleger seine einredde nach empfahung des beclagten antwurt alsdan bynnen dreien wochenn dem beclagten auch schicken, darauff dan der beclagter seine nachredde dem Cleger binnen dreien wochen, doch Jder teil dem andern die setze in seine behausung vbbirsenden sal, vnd sal mit dem dritten satz [mit zeit, auch zuschickung] wie mit dem andern satz gehalten werden, Vnnd Also das in zwentzigk wochen zu entlichem vrteil beschlossenn. Wer es aber sach, daß einich parte zeugen furen wolt, sollen in zeit des andern satzes gehort, Vnnd so Ihme die zeit zu kurtz, sollen die niddergesetzten Rethe den parten die zuuerstrecken, desglichen so es die notturfft erfurdert, Jder teil den vierden satz auch zulassen macht haben, vnnd in des beclagden letzten satz sal nichts Newes

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einbracht; Wurde aber was Newes einbracht, sal auff das Newe eingebrachte Nichts erkant, noch gesprochenn werdenn, Vnnd das also durch die Parthien zu entlichem vrteil bey Pehen vnnd verlust der sachenn, binnen angetzeigter frist beschlossen, Vnnd wan also durch sie entlich beschlossen, sollen alßdan beide parthen Jder Rethe auff den viertzenden tagk nach einbringung des letztern satzes, ahn den ort, da vormals gehandelt, Es wer dan, das sie sich einer andern malstath vorgleichten, einkomen lassen, vor dieselben sollen die eingebrachten gerichtshendel gelegt, vnnd nach fleissiger vbbirsehung derselben die sach nach Irer Hochsten vorstentnus vnd erfharnus der billigkeit vnnd dem rechten gemeß durch Sie entscheiden, gericht vnnd versprochenn werden sol. Vnnd was also durch sie gesprochen, dar ahn sollen sich beide begnugen lassen, kunten sich aber die Niddergesatzten Rethe des entscheids nicht vorenigen, aus was vrsachen das zukome, nichts außgeschlossen, sollen Sie macht [haben], einen vorstendigen obman, doch aus disser einigung vorwantnuß, ahn stath eins Richters erwelen, Vnnd wilcher also aus vns zum obman gekoren, sol die obmanschafft ahnnhemen. Vnnd wem derselb nach gnugsamer vntericht, wodurch sich die Rethe nicht vorgleichen konnen, zufal thuth ader durch sie selbst ein meres, minders ader sunders sprechenn wirdt, dabey sol es also ahne mittel bleibenn. Doch sal der Obman bey den pflichten, so Ehr zu dissem vertrag gethan, verbunden sein, die sach zum furderlichsten zu entschafft zu pringen. Begebe sichs aber, das Eynich teil des gesprochen vrteils beschwert Vnnd widder recht vnnd Naturlich gesetz gesprochen zu sein vormeint, sol Er nicht[s destweniger] dem Vrteil folgen vnnd geleben Vnnd sich volgend nach gelebtem vrteil alßdan vnnd nicht Eher ahn Heuptleuth vnnd Rethe, so [in dem] kreiß, [in wilchem] Er gehorig, gesetzt sein, beclaget, vor dieselben die hendel vnnd gerichts Acta sampt allem, so in der sachen einpracht, furlegen, Vnnd was also durch Sie gesprochenn, ein enderunge, edder das Es bey gesprochenem entscheidt pleiben solle, erkanth, dem sollen beide teil folge gelebenn. Vormeinte aber vbber das einicher teil dadurch auch beschwert zu sein, mag Er allen heuptleuten sampt Iren zugeordenten rethen schreiben, dieselben sollen sich tags vnnd zeit vorgleichen vnd allen einungsverwanten zum furderlichsten bescheiden, Namhafftig tag vnnd zeit ansetzenn, Wilchen tagk wir alle durch vnser person ader durch vnser dartzu verordente besuchen sollenn, Vnnd was also durch gemeine Eynungsuerwantenn erkant, vor recht ader gleichmessig ansehen, sollen und wollen sich beide teil besetigen vnnd benugen lassen, Auch den bey gethanen pflichten folgen zu geleben schuldig sein. Wue die Rethe ader sacheweltige vber das sie vor vns

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keine fhar ader wagnusse Staen dorffenn, noch sollenn, Bnnd doch zu vbbirflus geleite begerten, Sollen wir sie durch vnser Furstentumbe, [graf]schaffte, Herschaffte, gebiete vnnd Stette mit gnugsamer zuschickunge der vnsern der maß fhelig vnnd sicher durch vnnser Stiffte, Lande vnnd gebiete gelaiten lassen. Was vnnser Ritterschafft vnnd schiltbortige kegen vns, vnter den so [sy] nit gesessenn, zu schaffen gewinnen, Sollen vnnd wollen wir mit Hochstem fleiß, auff das dar aus kein weiterung entsten, furkomenn, Vnnd so verhor vnnd Handelung vonnotenn, tage antzusetzen, wilchen die solch sachen belangen, besuchen sollen, Vnnd daselbst die sach in der guthe ader auff einen auftrag vorfassenn, Vnnd also vnnser Ritterschafft in gnedigem empfehel haben, Sie bey gleich vnnd Recht hanthaben vnnd pleiben lassen. Aber vnnsern vnterthanen als Burgern vnnd Baurn sollen von vnns ahn geburendenn Eudenn souil muglich zu entlichem rechten gehulffen werden, Vnnd sal sich einer kegen dem andern ahn gleich vnnd recht benugen lassenn. Der gleichenn sollen [auch] vnser vorgnanten Hern Ritterschafft, Stette, vntirsassen, kauffleuthe vnd andere wandernth volck zu wasser vnnd lanth Ire kauffmanschafft vnnd gewerbe vmb geburenden zol vnnd gleite, als in den landen genge ist, fhelig, sicher vnnd vnbeschwert handeln, treiben, zihen, gehen, hin vnnd her fhuren, Vnnd Vnnser yder sal des andern leuthe, Ire leibe, habe vnnd guther in seinem Furstentumb, landen vnnd gebieten gleich den seinen trewlich schutzen vnnd schirmen. Es sol auch keinem [kumerer] wurt ader were Ihmandt van Rechts geweigert gestaten werden. So auch die feind [ader] beschediger Einer oder mehir in disser Einigung begriffen, Inn vnsern Stifften, Landen, Graffschafften, Herschafften, Stetten, vbirkeitenn vnd gebietenn, antzutreffen vnnd zubekomen weren, Sollen vnnd wollen wir dieselben ahnnhemen, sich kegen vnserm Einigungßuerwanten ahn gleich vnnd Rechte begnugen zu lassen. Wir ader vnnser Amptleuth sollen auch kein gleit anders geben, sundern [in dem alweg, so Einer] widder die, so in disser Einigung, tethlich gehandelt hette, ausschliessen, Aber auff ansuchen vnsers Einigungsuorwanten ader die [seinen], So dieselben beschediger in vnsern vbbirkeitenn vnnd gebietenn antzutreffen werenn, wollenn wir denselben auf Ire ansuchen geburlichs rechten nicht weigern, Sundern auff Ire bitten vnnd Ersuchenn die vorwircker in gefenknus vnnd guthe verwarung setzenn lassen, ordentlichs vnd schleunigs rechtens kegen denselben gestatten, Vnnd also keiner dem andern am rechten hinderlich erscheinen. Dergleichen sal keiner des andern oder der seinen abgesagter feinth, Ader die Inen ader Sie angegriffen oder

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beschedigt hetten Ader zu beschedigenn vnnd antzugreiffenn in vbung vnnd furnhemen stunde, in seinen landen, Herschafften, schlossen oder gebieten nicht wissentlich hausen, houen, etzen, trenken, enthalten, gleiten, noch Ihnen Eynicherey weise, wie solches namen haben mochte, furschub, hulff oder beistant thun, noch durch die seinen vnnd die, so Ihme verwanth, Oder der, so Er vngefherlich mechtig ist, zu thun gestatten. Nachdem wir nu so uil moglich damit wir zu tuglichem [wergk] gereitzet, Auch das ein yder sich sampt seinen vndertanen vnnd verwantenn kegen dem andern ahn gleich vnnd recht begnugen lasse, Auch vnser lant vnd leuth, Vndersassen vnnd Burger anligen vnnd widderstant, so in zeit gemeines frides furfallen mocht, ein gleich be[tracht], form vnnd masse, wie man denselbtigen [in] allerley sach Nachgehen sol, gesetzt vnd verordnet haben, haben wir betracht vnd furgenhomen, auch zusetzen, was auff vnnser einigung, zusamensetzung vnnd verstant in zeit grossers vnfriddens, das got gnediglich abtzuwenden vnnd zu uerhuten [gerne steh vnd mass] haben solle, Als nemlich, Wurde einem ader mehir, so in dissem vnserm vertrag begriffenn, recht vnnd billigkeit geweigert, Sollen Heuptleuth vnnd Rethe, so in dem kreis, darinn Er ader die gesessen, wilche durch den ader die ersucht, zum besten, so er fuglich, vorschriebenn, Wolt aber solch furschrifft nicht helffen, vnnd zum rechten vnnd Pilligkeit fruchtparlich erspriessen, Sollen solche beschwerde dem heuptman vnnd Rethen vbbir den kreis, in wilchem Ehr gesessenn, antzeigung gescheen, derselbtige sal die andern Heuptleuth vnd Rethe zum furderlichsten ahn gelegene endt bescheiden Vnnd daselbst sal durch sie die [beschwerde], derhalb dan geclagt, furgnomen, vnd Nach gnugsam be.[wegen] die hulff zurkennen macht haben, Vnnd wie die hulff durch sie erkant vnnd vns andern vmb Reisig vnnd fusfolch schreiben vnn erfurdern, demselbtigen wollen wir also folge geleben, doch sollen sie die hulff nit hoher, den das vns in Westphalen vnnd den so in den hartkreis getzogen, dergleichen wir widderumb Ihnen, mit zweien hundert Reutern vnnd [IIII] hundert zu fus auff vnser Ides, so schicken sal, Eigen kosten vnnd pferdschadenn, so lang man der bedurffen, bis zu austrage der Sachenn gewertig zu sein, zurkennen vnd zu uerstrecken, noch zu bschweren macht haben. Wurde aber vnnser einer ader mehir seine ader Ire [anzal] zu Roß vnnd fueß nicht schicken konten ader wolten, [solle] der ader dieselbigen einen Iden [monat] vor einen Reisigen zehen gulden vnnd vor einen fußknecht vir gulden zu schicken vnnd [zu vorrichten] verpflicht sein, So vil aber vnn[ser einer] angeschlagen vnnd durch. . . . . [die hulf] widder einen

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Fursten ader andern, [so ein] Ider dawidder nicht zu handeln furbehalten hat, solchs sal ahn den zwen hundert pferden vnd vier hundert fußknechten, souile derselbige verpflicht, abgehen, Was auch wir in Westualen dergleichen wir in dem Hartzkreis geschlagen, [vor Graffen,] Ritterschafft vnnd stette zu vns [bringen] vnnd zihen mochten, solchs sal in die zwen hundert pferde Vnnd vierhundert zu fues [gezogen vnd auf] erkenntnuß der Heuptleuth [vnd reth nicht hoher, dan] wie vorgemelt, zu schickenn verpflicht sein. Wer es aber das sich ahn einem kreiß mehir, dan ahn dem andern Fursten, Graffen, Hern, Ritterschafft ader stette schlugen [vnd das die schicknus] der zweier hundert Reuter vnnd vierhundert zu fues nach vermoge der macht vngleich, darumme sollen sich die Heubtleut vnd Rethe vnderedden vnd solchs gleichmessig zu machen, dardurch keiner hoher oder mehir den der ander beschwert, vorpflicht sein; konten Aber Heuptleuth vnd Rethe sich des nicht vereinigenn, Alßdan [vnser] einigungsuorwanten bescheiden, daselbst sollen wir bey gethanen pflichten, gleichmessig ahne widdersetzen anschlahen lassenn, Doch das nimant in die einigung ahne der andern wissen genhomen, Sundern so mit etlichen gehandelt, solchs sal durch den heuptman vnnd Rethen den andern heuptleuthen vnnd Rethenn vormeldet werden, wilche es dan den andern auch furhalten sollen, Vnnd was also durch gemeine Einigungsuerwanten do Inne fur guth geachtet, sol auch folge gelebt werdenn. Dergleichen sollen die, so in einem Iden kreiß gesessen, Heuptleuth vnnd Rethe zu setzenn, Auch zu uerandern macht haben. Dergleichen sollen auch Hauptleuth vnnd Rethe, so durch den merentheil gekoren, durch die andern zugelassen, zwey Jar langk antzunhemen, Auch gemeiner Einigungsuorwanten Ehre, nutz vnd gedien nach Hochstem vermogen nachzutrachten vnnd furdern schuldig vnnd verbunden sein. Auff derselben furdern vnnd furbescheidt sollen vnnd wollen wir erschienen ader vnser Volmechtig schicken, Vnns darahn [nichts] dan gots gewalt vnnd [ehe hafft] vorhindern lassen. Wurden aber vnser etliche auß vrsachen auspleiben, was alßdan durch die andern beschlosssenn, demselben sollen vnnd wollen wir von allen teilen folge zu geleben vorpflicht sein. Wollen auch ahn gelde eine lage thun, dadurch Bottenlhon vnnd anders, so auff vnser aller notturfft gewenth, ahne Ire der Hauptleuth vnnd Rethe darlegen, außgericht werde. Vnnd sal die hulff mit den zweien hundert Reuthern vnnd vierhundert zu fuß keinem teil nicht Eher, es sey dan, das man der bedurffend, vnnd ane sulchs Wir so In Westphalen, dergleichen Wir so am Hartz vnnd andern enden gesessen, Einander bey gleich vnnd recht nicht erhalten konten, ader sonst

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aus beweglichenn vrsachen zuerkant wurde. Wer es aber, das Irgend einer [vnter] vnns ader meher durch einen andern fursten, Grauenn, Hern ader andern geistlichen ader weltlichen Hohenn ader niddern standes mit gewalt ader sonst vbirtzogen beschedigt wurde ader vermutlich geacht, das einer ader mehir vbirtzogen werden solten, So sollen vnnd wollen wir den ader dieselben vnser einigungsuerwanten mit aller vnser macht auff vnser eigen kost vnd scheden retten vnd entsetzen vnnd keiner auff den andern warten ader vortzihen, sundern zu Roß vnd fuß mit anderer kriesch notturfft, Wehr vnnd geschutz Vnserm Einigungsuorwanten auff sein erfordern zutzihen, Vnnd ob es die notturfft erfordert, den Veinden enkegen reisen, damit sie vnsers ader vnsers Einigungsuorwanten Erde vnd Eigenthum zu beruren abgewendt, Vnnd wollen von Ihme ader von Ihnen nicht scheiden, sonder trewlich bey Ihme ader Ihnen, auff vnnser darlegen, kost vnnd scheden, guts vnnd bestes gewarten, dar Inn gantz kein entschuldigung ader weigerung, wie menschen sinne erdencken konten, ader hiefur erdacht wer, suchen ader furwenden. Wurde aber vnnser einer ader meher sein ader Ir antzal zu Roß vnnd fuß nicht schicken konten, sal er ader die das mit gelde, souil in seinem vermugen, erstatten vnnd verlegen. Es sal sich auch vnter vns Einigungsuerwanten keiner alßdan hinter dem andern abscheiden, absunen, noch richten lassen, Vnnd was vonn gefangen vnns oberlangt, die sollen mit gefangen, ob der wes dem kegenteil ader vorstrickt weren, erleddigt werden. Ob einir aber mehir abgefangen vnd der was, das wir dieselbigen nit kegen denen, so wir erobbert, widderumb ledig machen konten, alßdan sollen wir die sach, es weren dan lose gemacht, wir bewilligten dan alle dar Inne nicht richten lassen, Vnnd was von Schatzgelde in solchem tetlichen furnhemen geburlich außgeben, das sol von vnns Einigungsuorwanten semptlich nach Iglichs anteil außgericht vnnd geben werden. So auch Einer ader mehir vnsere Einigungsuerwanten vortrieben, den sollen wir andern sampt seinem weibe vnnd kindern, biß so lange wir Ihme das seine widderumb Irlangen, erhalten. So man auch mit gewalt zoge vnnd etwas gewonne, Es wer im Felde ader aber in stetten, schlossen, Flecken ader anderm, nichts außbescheiden, sol einem iglichenn nach antzal seines folckes zugerechenth vnnd der gewinst gegeben werden, als einem Reisigen vor drey besoldete kriegßknechte Vnnd einen zcimpel ßoldener vor zwen Baurn gerechnet. Hieuon sal außgescheiden sein, ob etwas den Einigungesuerwanten abgewonnen, vnnd widder erubbert [wurde, was derselben erobert] sal ahne mittel vnnd abtzugk denn ader dem, so es ver=

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lorn, zukomen. Es sollin auch In solchen hendeln vnser Schlos, Stette vnd Fleckenn, sonderlich die, so der Sach gelegenn, dem andern zu [aller] notturfft, doch ahne schaden vnnd darlegenn, offen sein vnnd pleiben, Vnnd yhe eins vnderthan vnnd verwanten krigsfolck von den andern vmb das Ire veylen kauff vnnd alle souil moglich haben. Ap sich auch die sach zu einer vertzuglichen Vhede begeben wurde vnnd ahn noth mit gewalt außtzuzihen, ader im Felde zu beharren, so sollen wir Einigungsverwanten nach erkentnus der Heuptleuth vnnd Rethe, ader wie durch vns alle beschlossen, Reuther vnnd Fusfolck, souil notturfft vnnd angetzeigt wirt, auff vnnser kosten vnnd scheden dem ader denselbenn zuschicken; wurde aber derselb sich wollenn beclagen lassen, alßdan, so in seinem vermugen, sal Er die Reisigen auch knechte vonn vns andern zugeschickt in seinen kost, [doch] auff vnser besoldunge, nehmen. Wir wollen abermals nichts desto weniger dem ader denen mit allem dem, so in vnserm vermogen, Es sey mit prouanden, Buchssen, leuthen vnd andenn dartzu gehorend vortzustrecken vnd nicht zuuorlassen, sonder zu entsetzen vnnd zu retten vorpflicht sein. Es sal auch keiner gestattenn, kriegsfolck durch sein Lanth, so Einer ader meher beschedigt wolt werdenn, wue es in seinem vormugen zu uerhindern, durchpassirn lassenn, Vnnd ob einer vor sich selbst vnter vnns ahn vnser ander vorwilligunge etwas fhedemessig zu handeln vnderstunde, ader zuuor, Ehir disse eynigunge auffgericht, forgenhomen, dartzu sal vnnser keiner zu helffen vorvflicht sein. Wir haben vnns auch weiter vorpflicht vnnd vorwilligt, das wir nach festen heusern zu bawen, auch nach geschutz sampt Aller notturfft zur were gehörent vnd dinstlich, souil in eines Iden vormogen, trachtenn wollenn.

Disser vnnser vertragk vnnd zusamenbindunge sal vnns kegen Ro. Key. Mt. dergleichen kegenn Eines yden lenhern nicht binden, Sundern dieselben sollen hir Innen sampt den Nachuortzeichenten außgeschlossenn sein, Als nemlich Wir Philips Hertzog zu Braunschweigk Alle fursten von Sachssenn, Wir Graff Wolff vonn anhalt Alle fursten vonn Sachssenn, Marggraffen Jochim von Brandenburgk, das Stifft Merspurgk vnnd Alle vnsere vettern von Anhalt, Wir Graff Wilhelnm von Hinnebergk den Churfursten vnnd Hertzogen Johansen zu Sachssen vnnd die Graffen, Hern vnd Ritterschafft zu Francken, Wir Philips der Elter, Philips der mittler Vatter vnnd Son vnnd Philips der drith Graffen vnnd Hern zu Waldeck zihen auß Mentz, Hessen, Sachssen vnnd Cleue, Wir Ewerwin Graff zu Benthem den Bischoff von

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Munster, denn Bischoff zu Vtricht vnnd Hertzog Georg zu Sachssen, Wir Graff Arndt zu Benthem den Bischoff vonn Coln, den Bischoff von Munster vnd den Hertzogen zu Geldern, Wir Graff Otto zum Rittberge Denn Lantgraffen vonn Hessen, Wir Simon Edler Her zur Lippe den Bischoff zu Coln, den Hertzogen zu Cleue, den lantgrauen zu Hessen vnd die itzige Einigung mit dem Bischoff zu Hildeshem, so lange die weret, Wir Graff Johan vnnd Jost vonn schomburgk den Bischoff von Coln, die Hertzogen von Gulich vnnd Cleue, Munster vnnd Luneborg Vnnd die itzige Einigung mit Hildeshem, solang das wert, Wir Friderich, Edler Her zu Diffolth Nemen aus den Bischoff von Munster, den Hertzogen zu Gulich vnnd Berga, den Lantgrauen zu Hessen vnnd den Hertzogen von Luneborg, Wir Graff Gebert vnnd Albrecht von Mansfelt den Churfursten vnnd Hertzog Johansen zu Sachssen, Wir Adam Graff vnnd Her zu Bichlingen den Churfursten vnnd Hertzog Johansen zu Sachssen vnd denn Lantgrauen von Hessen, Wir Heinrich der Elter vnnd Heinrich der Junger, Hern zu Gera die Marggraffen zu Brandenburgk, Vnnd wir Heinrich vnd Anarch Hern zu Wildenfels vnnd Schonkirchenn, nachdeme Wir mit dem Churfursten vnnd Hertzog Johansen zu Sachssen einen vertrag habend sein, dergleichen dweil wir vermutens vnsere notturfft vns der maß mit Hertzog Georgen zu Sachssen auch zu uertragen, wollen wir solchen vertrag vnnd wes wir vnns dar Inne kegen Ire Churfl. vnnd f. g. verbuntlich gemacht, ader kegen Hertzog Georgenn zu Sachssen verbintlich machen wurde, außgetzogen vnnd vorbehalten habenn, kegen dhenen wir mit der thath ader sonst in keinerley weise, wie solchs nhamen haben mag, handeln sollen, sondern vns kegen einem iglichem Ro. keyr. vnnd konige, dergleichenn kegen vnsern lhenhern, als trewen vnd fromen lhenleuten zusteth, halten vnnd ertzeigenn, Doch haben wir Wilhelm Graff vnd Her zu Hinnebergk in disse Einigung nicht lenger dan Sex Jar die negsten nach dato, als vnns dan von den andern Einigungsuerwanten nachgelassen, gewilligt, der gestalt, ob wir nach außgange sulcher Sex Jar nicht lenger darin sein woltenn, des wir alßdan sulchs vnsern Einigungsuorwanten ein halbes Jar zuuor auffkundigen sollen. Vnnd wir vorgnanten Furstenn, Grauen vnd Hern bey vnsern furstlichenn vnnd vnser andern Ehrenn Vnnd trewenn Sollen vnnd wollen alle Artirkel, so in dissem vortrag vormelt, ahne weigerung halten, vnnd zu uolntzihunge derselben Punct vnnd Artickel disser Einigung Haben vorgnanten fursten, Grauen vnnd Hern solchs alles, wie in disser Einigung van worten zu worten geschrieben vnnd

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begriffen steth, semptlich vnnd ein Iglich sonderlich dem andern mit hantgebenden trewen In Crafft vnnd ahn Stadt eines geschwornen vnd gelerten Eides gelobt vnnd zugesagt, stet, fest vnd vnuerpruchlich zu halten, darwidder nit thun, noch zu thun gestatten, vnns auch douon nit absoluiren, nach entpinden lassen, In keinerley weise, wie das menschen sinne erdencken mogen, Sundern vnser leib, habe, guther vnnd aller vnser vermogen, trewlich bei einander zu setzen, alle geferde vnnd argelist gantz außgeschlossenn. Des in sicherheit ist disser vertrag gefierfacht, Wilcher wir Ehrich bischoff zu Oßnabrug einen, Wir fursten, Grauen vnd Hern am Hartz zwene, Vnnd den vierdenn Wir westphalischen Grauenn behaltenn, Vnnd zu vnwidderufflicher vrkunde vnnd haltung Vnser Jglicher sein angeborn Sigel fur sich, alle seine Erben vnnd Nachkomen Wissentlich dar ahn thun hengen. Gescheen zur Lippe, Nach Christi vnsers Hern geburt Tausent funffhundert vnnd darnach im Neuntzehenden Jar, Donnerstags nach Misericordia domini.

Nach einer gleichzeitigen Abschrift auf Papier, welches jedoch ungewöhnlich starck vermodert ist, im großherzogl. mecklenburg. Geheime und Haupt= Archive zu Schwerin. Im königlichen Archive zu Hannover werden von den 4 Originalen, welche ausgefertigt wurden, 2 aufbewahrt; die vorstehende Abschrift ist nach einer im königl. hannoverschen Archive aufbewahrten Abschrift ergänzt; diese ist jedoch etwas leichtfertig und nicht so genau und zuverlässig, als die vorstehende Abschrift aus dem schweriner Archive.
Nach brieflichen Nachrichten vom J. 1525 war das Bündniß zu Höxter abgeschlossen.


Nr. 2.
Der Herzog Heinrich von Meklenburg fordert die Herzoge von Pommern zum Beitritt zum Lippeschen Bunde auf.

D. d. Schwerin 1524. Dec. 22.


An die Herzogen zcu Pommern.

Hochgebornen fursten, lieben oheim. Als vnser lieber ohme herzog Heinrich von Braunszwig vns hiebeuorn zcu irkennen gegeben, das an seyne L. gelangt sein solte, wie vielleicht seyne L. solchs auch gerne wolte, das etzliche mochten, das E. L. vnd wir in die eynung, so von etzlichen fürsten, graffen vnd herren zcu Huxster ist vffgericht, gezogen mochten

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werden, mit bitt, solch auch an E. L. zcu gelangen lassen vnd alsdenne seyne L. dar vff zcu beantwurten, vnd wir nach gehabter vnderredung mit E. L. vnd nach vat derselben an seyne L. begert, vns ein abschrifft der selben vortracht zcu vbersenden, vns der zcu ersehen, vff das E. L. vnd wir seyner L. dar vff deste eigentlicher hetten zcu beantwurten, vnd seyne L. vns dem noch solch Copie zcugefertiget vnd abirmals vormoge inligends zcedl bey vns vmb antwurt angereget, So vbirsenden wir e. l. hirbey solche abschrifft der ehnung mit freuntlicher bitt, nach vbirsehung der selben vns zu entdecken, ap sie sich doryn zcu lassen gewillt adir nicht, vff das wir dem noch seyne L. haben zcu beantwurten. Das sein wir allczeit geneigt kegen E. L. fruntlich zcu uordinen. Datum zcu Swerin, am Dornstag nach Thome apostoli, Anno etc. , XXIIII.

Zcedl in vorgemelten briff.

Auch lieben Oheim wollen wir E. L. nicht vorhalten, das vns der homeister von Preussen schrifftlich zu erkennen gegeben, das der konig von Polen vnd seyne L. irer gebrechen halben vor den konig zu Hungern vff trium regum schirstuolgend zcu Prespurg handeln sollen, mit bitt, ime vnser rethe zcu schicken, wie E. L. aus inligender abschrifft desselben seyns schreibens egentliche wirt zcu uornemen haben, vnd szo denne zcwischen koniglicher wirde zcu Polen, E. L. vnd vns jungst fruntliche vorstentnis vffgericht, dar durch vns nicht gesynt, seyner L. in solchem seinem ansuchen zcu willfarn vnd in selbig eynunge vorlassen, das wir allerseits einander ratificationes derselben solten zcuschicken, E. L. vnd wir auch nachuolgig Irer K. Wird geschrieben, Ihr solche ratificationes vff zceit, die auch vorflossen, zcuzcufertigen vnd die iren dar kegen zcu entpfaen lassen, szo haben wir dem nach zcur fruntlichen vorlohnung (?) desselben vnser ratification, vnd nach deme die latinisch, mit eyner latinischen missiuen an seyne K. W., doch alles vff E. L. vorbesserung vnd gefallen, begreiffen vnd stellen lassen, do von wir E. L. hierbey abschriffte schicken, mit freuntlicher bitt, E. L. wolle vns dar vff ir bedencken auch darbey anzceigen, vff welche zceit sie bedacht sein, der gleichen ratification seyner K. W. mit iren boten zcu senden, szo wollen wir deme zcuuorn vnnser ratification vnd missiue vorsigelt E. L. zcuschicken, solche Ir K. W., wie sich nach vormoge der vffgerichten eynung, auch vnser beiderseits zcu schreiben gezcymt vnd geburt, zcuzcufertigen vnd dar kegen ire ratificationes zcu entpfaen vnd vns

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beiderseits widervmb zcu brengen, des wir auch E. L. freuntlicher gutter meynung vnerinnert nicht wolten lassen.

Nach dem Concepte von des meklenburgischen Canzlers Caspar von Schöneich Hand im großh. Meklenb. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.


Nr 3.
Der Herzog Heinrich von Meklenburg tritt dem Lippeschen Bunde bei.

D. d. Hannover 1525. Dec. 16.


Vonn gotsgnaden wir Heinrich hertzog zu Meckelnborg etc. . Bekennen vnd thuen khundt, Nachdeme vnd als die hochwirdigen in got hochgebornen Fursten, wolgebornen vnd edeln Graffen vnd Hern Her Erich Bischof zu Osnabrugk vnd Paderborn vnd her Philips, gebrueder, hertzogen zu Braunßwigk, her Wolfgang furst zu Anhalt, graf zu Ascanien vnd her zu Bernburg, her Wilhelm Graf vnd her zu Hennenberg, Philips der Elter vnd Philips der Junger Graffen vnd hern zu Waldeck, Ewerwin vnnd Erhart, geuettern, grauen vnd hern zu Benthein vnd Steinforden, Simon Edler her zur Lippe, Johann vnd Jost, graffen zu Holstein vnd Schaumborg, Otte Graf zu Ritberge, Curdt graf zu Teckelnborg, Jost, Johann vnd Erich gebrueder, graffen vnd hern zur Hoei vnd Brockhusen, Friderich graf vnd her zu Diefholt, Vlrich graff vnd her zu Reinstein vnd Blanckenborgk, Adam graf vnd her zu Beichelingen, Wolfgang graf von Gleichen, her zu Ernstein vnd Blanckenhofen, Gebhart vnd Albrecht gebruder graffen vnnd herrn zu Mansfelt, Balthazar vnd Cristoffer gebrueder Graffen zu Mullingen vnd hern zu Barba, Heinrich her zu Gera, Schleutz vnd Lobenstein, Heinrich Reuß von Plaw, her zu Greutz vnd Crannichfelt, Heinrich her zu Weida vnd Wildenfels, Hans Schengk her zu Tautenberg, Heinrich vnd Anarcks hern zu Wildenfels vnd Schonkirchen, vnsere lieben hern Oheimen, freunde vnd besundern, Gote dem Almechtigen zu lobe vnd vmb erhaltung friedes, rechtens, auch handthabung desselben, vnd gemeyner wolfart willen, sich vnderlangk eyner loblichen voreynung vnd zußamenbindung freuntlichs verstants vertragen vnd daruber vorsigelte brieffe zur Lippe nach Cristi vnsers lieben hern geburt Im XVC vnd XIX Jare, Dornstags nach Misericordia domini, vfgericht vnd beschlossen, vnd die an eydes stat festiglich zu halten

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gelobt vnd zugesagt haben, Vnd sich nachuolgig die hochwirdigisten hochgebornen fursten, wolgebornen graffen, Erstlich her Erich vnd her Heinrich der Jünger zu Braunßwig vnd Luneborg hertzogen, her Johann graff zu Oldenburg vnd Delmenhorst, her Edesart graffe zu Ostfrislant, vorschiner zceit, vnd nachfolgig her Cristoffer Ertzbischof zu Bremen, Administrator des Stifts Vherden, zw Braunßwig vnd Luneborgk hertzogk, vnd her Georg vnd her Bernym gebrüder, zu Stettin, Pommern, der Cassuben vnd Wenden hertzogen, fursten zu Rugen vnd graffen zu Gutzkow, sich vf heute dato, gleich den andern obgemelten fursten, graffen vnd herrn In obgemelte lobliche eynung begeben, das wir vns neben vnd mit Iren liebden vnd sie mit vns zu obgnanten fursten, graffen vnnd herrn Inhalts Ires Idern vnd vnserer besundern beyvorschreybunge Iren liebden vnd Ine zugestellet begeben haben, Daruf Ire liebden vnd sie Vns vnder Irer aller Ingesigel, solichen itztgemelten vertrag vnd vereynigung, Am Jare vnd tage, wie obgemelt, vfgericht, In welchem sich Ire liebden vnd sie gegen vns, In allermassen wir gegen Ine, hie mit vorpflichtiget vnd vorbintlich gemacht, Auch mit vnder vnserm nhamen vnd neben Irer liebden vnnd Iren Ingesigeln mit vnserm Ingesigel mit zu besigeln, In gleichlautenden vilfeltigen formen vnder die puntsuerwanten zu uorteylen, derselben brieffe vnd vertrege vns eynen dauon zu vbirantwurten vorlassen vnd zugesagt, Vnd vns mit einander, Ire liebden vnd sie mit vns vnnd wir mit Ine, bey handtgebenden trewen an eydts stat zugesagt, In des vnd auch hin fur angetzeigten vertrag alle seynes Inhalts vnd vormugens trewlich zu halten vnnd deme ane alle geferde nach zu komen, Alles nach vormoge vnd Inhalts eynes beybrieffs, dene vns Ire liebden vnd sie pis zuuorfertigung vnnd vbirantwurtung obangetzeigter vortrege von Irent= auch der abwesenden puntsuerwanten wegen vorsigelt, vorreicht vnd zugestelt haben, mit weiterer vorwilligung vnd beschließung, So eyner ader mher vns eynungsuorwanten beschwerdt ader vergeweldigt wurde, vnd das die andern Seiner liebden ader Irer liebde ader Irer ordentlicher weyse zu gleiche vnd rechte mechtig, Vnd so etlich vnder vns deme selben aus lhenschaft adir anderen dinsten hulffe zu ertzeigen vorhindert, So sollen doch dieselben widder den ader die beschwerdt werden, nicht dienen, noch In keynerley weyse Inen zu nachteyle zu handeln sich vormogen lassen: Demnach gerheden vnd globen wir bey vnsern waren worten, trewen vnd gutten glauben In craft dis briefs, an eydts stat, das wir berurte voreynung In allenn puncten, clausulen vnd artickeln dar Inne vorleibt fur vns vnuerbruchlich, vhest vnd vnwidderruflich

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halten sollen vnd wollen, vnd das darbeneben abgeredt, wie wir auch angenomen, das wir zu der kleinen hulffe LXXV pferde vnd I 1/2 C Man zu fueß an alle Inrhede zu schigken vorpflicht sein sollen vnd wollen. Vnd daruf obgemelten fursten, Graffen vnd herrn, Souil der ytzo zu Honouer gewesen, auch an stat vnnd von wegen der andern abwesenden eynungsuorwanten handtgelubnuß an eydts stat, Dem alßo, sampt obangetzeigten artickel, In welchem vorleibt, So vnter vns eynungsuerwanten eyner ader mher beschwerdt vnnd wir andern des ader der wir ordentlicher orthe zu gleiche vnd rechte mechtig, So etliche vnder vns denselben aus lehnschaft ader andern diensts hulffe zu ertzeigen vorhindert, widder dene ader die nicht zu dienen, noch in keinerley weyße zu handeln, vormogen lassen, trewelich nachzukamen, gethaen haben, deßgleichen Ire Liebden vnd sie, souil der ytzo beyeinander gewesen, vor Ire person, vnd vnsere liebe ohem her Erich Bischoff zu Oßnabrug, von wegen der abwesenden westfelschen kreiß, vnd her Philips, gebruder, zu Braunswig hertzogen, von wegen der abwesenden Im Hartzischen krais, vnd her Heinrich der Junger hertzog tzu Brunswick, von wegen seins vettern hertzoge Erichs vnd grafen von Oldenborg, von welchen dan Ire liebden volmacht vnd ratifieation derselben fordern vnd vns die vbirantwurten sollen vnd wollen, dieselbig voreynung zur Lippe vfgericht, gegen vns auch In allen puncten vnd artickeln zu halten, an eydts stat, gelobt, zugesagt vnd versprochen haben, an alle argelist vnd gefherde, Doch haben wir In diese eynung nicht lenger den x Jar lang, ßo sich nach dato diß vnsers briefs nechst erfolgen werden, Als vns dan von obgenanten diesen eynungsuerwanten nachgelassen, gewilliget, dergestalt, ab wir, nach ausgange solichen X Jar nicht lenger dar Inne sein wolten, das In vnserm gefallen stehen sal, das wir alsdenne solichs denselben vnseren eynungsuorwanten ein halb Jar zuuorn vfkundigen wollen, Vnd vns vorbehalten, das gemelte Eynung vns widder key. Mt. In keinen weg binden solle, dar Inne wir auch die hertzoge zu Luneborgk, hertzog Albrechten zu Meckelnborgk vnnd hertzog Magnus zu Sachssen ausgetzogen, Vnnd haben der wegen des zu vrkhundt diese vnsere vorschreybung gleichs lauts vnder vnserm anhangenden Ingesigel gefunffechtigt vorfertigen, vnnd Eine den fursten, graffen vnd hern des Westphelischen kreises vnd die Ander des Hartzischen kreises, die dritte den fursten zu Braunschwick, die vierde dem ertzbisschoffen zcu Bremen, die fünffte den herzogen zcu Pommern, pis zu vmbschreybung, vorfertigung vnd vbirantwurtung oftberurter eynung zur Lippe vfgericht, bey sich zu haben vnd zu behalten,

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die gegeben ist zu Hanouer, Sonnabents nach Lucie, Nach Christi vnsers hern geburt Im funftzehenhundersten vnd funfvndtzwentzigsten Jar.

Nach dem von dem Canzler Caspar v. Schöneich an mehreren Stellen corrigirten Concepte im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Auf der Rückseite steht von des Canzlers Hand:

"Geandert horsterisch vorsschreibung etc. ."


Nr. 4.
Der Herzog Philipp von Braunschweig und der Graf Albrecht von Mansfeld bestimmen einen Tag zur Aufnahme des Kurfürsten Johann von Sachsen in den Lippeschen Bund.

D. d. 1525. Dec. 31.


Vnser freuntlich vnd gantz willige dienste zuuor. Hochgeborner, durchleuchtiger furst, freuntlicher lieber her ohem vnd gnediger herr. Wir haben bei dem hochgeborn, durchlauchtigsten fursten, vnserm lieben hern Ohem vnd gnedigsten hern, dem churfursten zu Sachsen etc. . die wege gesucht, dadurch s. l. vnd f. g. gewilligt, sich zu e. l. furstlichen gnaden vnd vns In die Eynung so zur Lippe vfgericht, zu begeben, vnd vff montagk nach letare schirst seiner liebden vnd f. g. geschickten zu Halberstad zu haben, daselbst den Eynungsverwanten nah vermoge der Eynung pflicht zu thun vnd widdervmb pflicht von denselben zu nhemen bewilliget. Deweil wir dan solchs voriger bewilligung nach vnd vns allen zum pesten furgewend, Solchs auch also bei s. l. vnd f. g. erlanget, derhalb vnser freuntlich vnd dinstlich bitten, E. l. vnd f. g. wollen vff obbestimpten montagk Ire geschickten angezeigts orts mit gnugsamer volmacht auch haben, dadurch solher handel auch volzogen werden mocht, Solchs haben Wir E. l. vnd f. g., denen wir zu dienen ganz willig nicht verhalten wollen. Datum am newen Jars abend Im XVC. vnd XXVI. Jar.

Von gots gnaden Pilips, herzog zu
Braunschweigk, vnd Albrecht, graff vnd
          her zu Manffeld.

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Dem hochgeborn durchlaucht, fursten hern Heinriche herzogen zu Meckelburk, fursten zu Wenden, grafen zu Sweryn, der lande Stargart vnd Rostog hern, vnserm freuntlichen lieben hern ohem vnd gnedigen hern zu handen.

(L. S.)        (L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin. Das Jahr der Ausstellung ist ohne Zweifel 1525, da das Jahr als mit Weihnacht beginnend angenommen ist, indem der Termin zur Aufnahme des Kurfürsten auf den 12. März 1526 angesetzt war.


Nr. 5.
Der Herzog Heinrich von Meklenburg bevollmächtigt seinen Rath Joachim Hahn zur Aufnahme des Kurfürsten Johann von Sachsen in den Lippeschen Bund.


D. d. Schwan 1526. März 1.

Wir Heinrich hertzog zu Meckelnburg etc. . bekennen offentlich mit diesem vnserm briffe, nach deme vnd als der hochgeborne furste her Johans herezog zcu Sachsen, des heiligen romischen reichs erczmarschalk vnd Churfurst, lantgraff zcu Doringen vnd marggraff zcu Meissen, vnser lieber ohme vnd swager, sich zcu vnsern eynigungsvorwanten vnd vns, laut der voreynung zcur Lippe vffgericht vnd beschlossen, begeben wil vnd der halben eyn tag vffen montag nach Letare negstkumfftig, von seyner L. pfficht zcu nhemen, auch der selben seyner L. widervmb pflicht zcu thuen, kegen Halberstat in zcu kommen angesetzt ist, vnd wir egener person vff solchen tag zcu kommen vorhindert, so haben wir den erbarn vnsern rat vnd lieben getrewen Achim Hanen volkomen gewalt vnd macht gegeben, von vnseret wegen von seyner L. adir der selben geschichten vnd dor zcu verordneten solhe pflicht zcu nhemen, auch die widervmb zcu thun, vnd ferrer zcu handeln vnd beschlissen helffen alles das von gemeynen buntsuorwanten eyntrechtiglich fur gut vnd noet angesehen vnd bewilligt wirt, Geben ime solchen gewalt hie in crafft dis briffs, mit vnserm zcu rugk vffgedruckten ingesigel beuestiget vnd geben ist zcu Swan, Dornstags nach reminiscere, Anno etc. . XXVI.

Nach dem Concepte von des Canzlers Caspar v. Schöneich Hand im großherzogl. meklenb. Geh. Und haupt=Archive zu Schwerin.
Der Herzog sendet dem frühern Hofmarschall, damaligen Landrath Joachim Hahn auf Basedow die vorstehende Vollmacht von Schwan am Donnerstag nach Invocavit (22. Febr.) 1526 durch einen Brief, in welchem der Herzog auch schreibt:

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"vffen montag nach Letare schirst volgendt zcu Halberstat inzcukomen vnd dar selbst von wegen der eynung jungst zcu Hanober in deynem beiwesen vffgericht, neben andern dar zcu uorordenten zcu handeln etc. ."


Nr. 6.
Der Herzog Heinrich von Meklenburg fordert seine Vasallen auf, sich zu rüsten, um den Kurfürsten von Mainz und Sachsen gegen die aufrührerischen Bauern zu Hülfe zu ziehen.

D. d. 1526.


     Vonn godds genaden Hinrick hertoge tho Meckelnborch etc. .

Vnnsen gunstigen gruet touorn. Erbare lieue getrwe Nha deme dy vnnses vorsehens vnuerborgenn, dat in etlickenn örden düdischker Nation etlicke vele Burscoppen sick gegen ehre ouericheyten entpört, tho hope gedaen vnnd gegen die suluen vnnd andere mit der dhaet gantz geswinde vnnd beswerlicken vorgenhomen vnd gehandelt vnd darmit ock so fernne fortgefarn, dat sick etlicke Burscoppen in den Landen vnd Stifften Döringen, Magdeborch, Mentz vnnd andere mehr der anstottenden Landen derglicken beswerlicke geschwindicheit tho ouen vnderstanden, dat ock tho besorgenn, wo solkes in bequemer tydt mit wedderstande vnd anderm gebörlickem Insehennde nicht vorkhomen vnd verhudet wörde, dat solckes noch wider inritten vnd to vordellinge vnnd verdrückinge aller ouericheyten vnd gemeynen Adels vnd guder regirung vnd ordenung reicken mochte, Vnnd vns die Hochwirdigste Hochgebornen forsten vnnsere lieuen hern Ohemen vnd Swegere die beiden Chorforsten Mentz vnd Sassen etc. . derhaluenn tho wederstande angetögder geswindenn vnnd beswerlickenn vornhemen vmme einen Rütherdeenst fruntlicken angesöcht, vnd wy ock in betrachtinge der mercklichen obligen, den ehren leffden der verwantnisse nha tho dhende, fruntlick gewilliget, So is vnnse gutlick begernn, du willest dyner verwandtnisse nha vns tho vnser geböre, tarmit du vns verpflichtet, vnd sonst vnser besondern gonstigen touersicht nha, so wy tho dy dragen, solcken Rütherdeenst leysten vnd volnbringen helpen vnd die derhaluen           In eigener persone, edder effte du

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des verhindert in dyne stede           Reysige knechte mit guten starckenn perden, Ruggen, kreueten, Armtügenn, knekoppen, houetharnisch vnd Speten thom ernste wol gerustet tho          synn edder hebben, Geschicket forder vp vnse leuerung vnd schaden vns neuen andern vnsen vnderdhanen vnd dene, so wy ehne tho ordenen werden, tho nottorfft vnd vpentholt guter regirung, aller ouericheit vnd gemeynes Adels vnd affwendung solcker geswinden vnd verderfflicken vornhemen hochgemeltenn vnnsen herrn vnnd frunden vnd ehrem anhange angetögden Rütherdeenst tho doende vnd tho leysten helpenn, Wo wy dy des, edder die dynen, alßdenne fernner berichten latenn willen, Vnd dy darinne vnnser sonderlickenn gonstigen touersicht nha, sonder beswerde vnnd vttenbliuen gutwillig ertögenn, Dar ane deestu vns besonder dancknhamich gutgefallen, Inn allem gudenn wedervmme gegen dy tho beschulden, Datum

Im großherzogl. meklenb. Geh. und Haupt=Archive befindet sich eine große Menge von Abschriften des vorstehenden Formulars, von denen keines ausgefüllt ist; nur ein Exemplar hat die Jahreszahl 1526.

 

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IV.

Das polnische Bündniß von 1524.

Von

G. C. F. Lisch.


Z u derselben Zeit, als der Herzog Heinrich der Friedfertige seinen und der pommerschen Herzoge Eintritt in den lippeschen Bund 1 ) betrieb, erweiterte er die Verbindungen Norddeutschlands gegen Osten hin durch ein Bündniß mit dem Königreiche Polen, mit welchem Meklenburg im Laufe des 16. Jahrhunderts in mannigfache Berührungen kam. Dieses Bündniß ist bisher eben so wenig bekannt gewesen, als der lippesche Bund. Rudloff (Meklenburg. Gesch. III, 1, S. 68) hat zwar nach Chemnitz's Chronik, welcher er am häufigsten zu folgen pflegt, eine Andeutung über dieses Bündniß; diese ist jedoch zu unklar und unbestimmt, als daß sie sicher leiten könnte; er sagt: "Auf der andern Seite trat Heinrich (durch seinen Gesandten Dr. Marschall) der Erbverbindung bei, welche die Herzoge Georg und Barnim von Pommern mit dem Könige Sigismund von Polen, in dessen Kriege mit dem bisherigen Hochmeister des deutschen Ordens, jetzigen Herzog von Preußen, Markgraf Albrecht von Brandenburg (18. Januar 1525), zu Petrikau errichteten; der König versicherte beiden Häusern für ihre Hülfleistung außer einer vollständigen Entschädigung und Theilnehmung an den bevorstehenden Eroberungen seinen Beistand gegen den Kurfürsten Joachim von Brandenburg etc. . Doch machte (8. April) der Friede zwischen Polen und Preußen die beiderseitige Erfüllung


1) Vgl. die voraufgehende Abhandlung Nr. III.
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unnöthig". Da hier von einem vorübergehenden Kriegsbündnisse die Rede ist, so hat Rudloff entweder das eigentliche Bündniß nicht gekannt, oder er hat es nach den Auszügen bei Chemnitz nicht richtig gedeutet.

Es ward nämlich im J. 1524 ein dauerndes Bündniß zwischen dem Könige von Polen, an einem, und den Herzogen von Meklenburg und Pommern, am andern Theile, geschlossen. Zwar fehlt im Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin das Original der Urkunde und die wenig bearbeiteten Acten haben nur den neuern Titel: "Entwürfe eines Bündnisses" u. s. w.; aber spätere Erklärungen lassen bestimmt erkennen, daß es nicht bei einem Entwurfe geblieben, sondern daß das Bündniß wirklich und selbstständig abgeschlossen sei und nicht mit dem Vertrage von Petrikau zusammenhange.

Schon am 4. März 1524 waren die zahlreichen und vornehmen Gesandten des Königs von Polen mit den Gesandten der Herzoge Georg und Barnim von Pommern, nämlich Georg, Grafen von Eberstein und Herrn zu Naugart, Valentin von Stoientin, herzoglichem Hauptmann zu Loiz, und mit dem Gesandten des Herzogs Heinrich von Meklenburg, dem herzoglichen Rath Dr. Nicolaus Marschalk, auf eine vom 4. Februar 1524 zu Krakau datirte Einladung des Königs, zu Danzig versammelt, um die Grundzüge zu dem beabsichtigten Bündnisse in einer Punctation festzusetzen. Am 27. October 1524 ratificirte der Herzog Heinrich von Meklenburg das von den Gesandten verabredete Bündniß und am 13. December 1524 ward dasselbe von den Herzogen von Meklenburg und Pommern unterschrieben und besiegelt.

Daß dieses Bündniß wirklich abgeschlossen sei, ist nicht zu bezweifeln, da mehrere urkundliche Zeugnisse dafür reden. Als der Herzog Heinrich von Meklenburg am 22. December 1524 die Herzoge von Pommern zum Eintritt in den lippeschen Bund aufforderte, sandte er denselben auch die Ratification des polnischen Bündnisses, "nachdem zwischen Königlicher Würde zu Polen, E. Liebden und uns jüngst freundliche Verständniß aufgerichtet", und stellte den Herzogen die Verbesserung der Entwürfe frei 1 ). Deutlicher redet noch ein Brief 2 ) des Königs Sigismund August von Polen, des Sohnes des Königs Sigismund I., an den Herzog Albrecht von Preußen, vom 10. December 1555, in welchem er diesem schreibt, daß, nachdem er jüngst zu Danzig mit den Herzogen von Pommern das einst von seinem


1) Vgl. oben die Abhandlung über den lippeschen Bund, Anl. Nr. 2, S. 100,
2) Vgl. Nr. 2.
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Vater mit diesen geschlossene Bündniß erneuert habe, er auch die Erneuerung des Bündnisses mit Meklenburg wünsche und zu diesem Zwecke dessen Gesandten erwarte, wozu er auch auf den Rath und die Hülfe des Herzogs von Preußen hoffe. Der Herzog Johann Albrecht von Meklenburg hatte sich nämlich am 24. Februar 1555 mit des Herzogs Albrecht von Preußen Tochter Anna Sophie vermählt und war mit seinem Schwiegervater sehr vertraut. Im August des J. 1563 sollten auch wirklich Hülfstruppen zu dem Kriege Polens gegen die Moskoviter von Meklenburg gestellt werden 1 ).

Möglich ist es, daß die Original=Urkunden im Jan. 1525 zu Petrikau ausgewechselt wurden. Am 20. Januar 1525 schickte der König Sigismund von Petrikau seinen Gesandten, den Baron Andreas von Gorka, zur Hochzeit des Herzogs Barnim ("ad nuptias illustris principis domini Barnim, Stetinensis et Pomeranie ducis etc., nepotis nostri charissimi") und beauftragte denselben zugleich mit einer Gesandtschaft an den Herzog Heinrich von Meklenburg. Im J. 1524 war auch der Ritter Joachim Maltzan als außerordentlicher Gesandter des Königs von Polen in Meklenburg 2 ). Wahrscheinlich war Maltzan beauftragt, mit den Herzogen über des Königs Absichten zu reden, da die königlichen Gesandten nicht nach Meklenburg kamen.

Das Bündniß sollte eine noch größere Ausdehnung haben. Als der König von Polen am 4. Febr. 1524 seine Gesandten zur Beredung des Bündnisses von Krakau abschickte, beauftragte er dieselben, auch zugleich mit dem Könige von Dänemark Verhandlungen anzuknüpfen. Um diese Zeit bat 3 ) nämlich der Herzog von Meklenburg den "Herzog von Holstein", einen seiner vertrauten Räthe nach Schwerin zu senden, da Joachim Maltzan vor kurzem angekommen sei und seine Mitheilung sich nicht füglich der Schrift anvertrauen lasse. Im großherzoglichen Archive zu Schwerin werden noch aufbewahrt "Artikel, worauf die gestrengen und erbaren her Wolf Pogwisch Ritter und Jacob Rantzow mit Königlicher Wirde zu Polen, furstlichen zu Pommern und Mekelnburgk verordenten Rethen, so vf kunftigen Sontag Oculi (28. Febr. d. i. 1524) binnen Dantzigk kommen werden, volmechtiglich handelen und beschliessen mogen", Da Zeit und Ort übereinstimmen, so ist es wahrscheinlich, daß auch die dänischen Gesandten im J. 1524 zu


1) Vgl. Anl. Nr. 3.
2) Vgl. die Abhandlung über Joachim Maltzan oben S. 32.
3) Vgl. Lisch Maltzan. Urk. V, S. 46.
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Danzig mit den polnischen Gesandten verhandelten, als die pommerschen und meklenburgischen Gesandten dort waren. Ob das Bündniß zum Abschluß gekommen sei, geht aus den Acten nicht hervor. Die "Artikel" enthalten ungefähr dieselben Puncte, welche das Bündniß mit Pommern und Meklenburg enthält. Es wurden die Kriegshülfen zwischen den verschiedenen Ländern genau bestimmt, namentlich aber festgestellt, daß Polen und Dänemark einander mit tausend Mann zu Wasser und den dazu nöthigen Kriegsschiffen dienen sollten. Außerdem wurden Pläne zur Gewinnung der Hansestädte an der Ostsee für den Bund besprochen.

Die Abschließung der Bündnisse mit Polen fiel in eine höchst merkwürdige Zeit für die östlichen Länder. Polen war in beständiger Reibung mit dem deutschen Orden in Preußen. Durch den Frieden von Thorn 1466 hatte der Orden die größere und bessere Hälfte seines Gebietes an Polen abtreten und für die kleinere Hälfte den König von Polen als Lehnherrn anerkennen müssen. Die letzten Hochmeister hatten sich geweigert, die Huldigung zu leisten. Der Hochmeister Albrecht Markgraf von Brandenburg ergriff gegen Polen die Waffen, jedoch zu seinem Nachtheile, da er von allen Seiten verlassen ward. Während der Zeit war der ganze Orden früh und entschieden lutherisch geworden. Im J. 1525 nahm Albrecht das Ordensland als ein Herzogthum Preußen für sich und seine Erben von der Krone Polen zu Lehn, vermählte sich mit des Königs Friedrich I. von Dänemark Tochter und gründete ein neues weltliches Herzogthum, Schritte, welche das größte Aufsehen erregte. Albrecht ward in der Folge der Hauptanreger der protestantischen Kämpfe gegen die spanische Obergewalt im deutschen Reiche und seine Tochter Anna Sophie an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg vermählt, welcher mit seiner hohen Bildung die Seele der großen protestantischen Bewegung in Deutschland war.

Auf diese Weise ward im Jahre 1525 ein großer Bund gestiftet, welcher die nordöstlichen Länder umfaßte: Polen, Preußen, Pommern, Meklenburg, Holstein und Dänemark. Am 16. Dec. 1525 traten die Herzoge von Pommern und Meklenburg auch dem lippeschen Bunde bei, welcher den Nordwesten Deutschlands umfaßte. Am 12. März 1526 ward der Kurfürst von Sachsen in den lippeschen Bund aufgenommen und am 12. Junii 1526 der torgauische Bund geschlossen. Gleich darauf im J. 1526 schloß der Kurfürst Johann von Sachsen ein Bündniß mit dem Herzoge Albrecht von Preußen. Dies sind die umfassenden Bestrebungen zur Kräftigung Norddeutschlands, welche mehr als je Noth waren und endlich auch den Sieg davon trugen, wenn auch nicht alle

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Kräfte zur Erlangung desselben wirkten; aber sie waren durch das Bewußtsein der Vereinigung groß geworden.

Das Bündniß Polens mit Pommern und Meklenburg fand wohl seine erste Veranlassung in den nahen verwandtschaftlichen Beziehungen, in denen diese Fürstenhäuser zu einander standen. Die Herzoge von Pommern waren Schwesterkinder des Königs von Polen; die Herzoge von Meklenburg und Pommern waren Geschwisterkinder unter einander, außerdem Heinrich von Meklenburg und Georg von Pommern Schwäger, nach folgender Uebersicht:

Übersicht zum Bündnis Polens, Pommerns und Mecklenburgs

Was nun den Zweck und Inhalt des zwischen Polen, Meklenburg und Pommern geschlossenen Bündnisses betrifft, so war der Inhalt der Bundesurkunde 1 ) folgender. Im Allgemeinen ward die Erneuerung der alten Verträge und die Bewahrung einer dauernden Freundschaft beliebt. Im Besondern versprachen die Herzoge von Pommern und Meklenburg dem Könige von Polen: diesem gegen jeden Feind des Königreichs nach allen Kräften beizustehen, gegen die Heiden und Ketzer aber nach ihrem Gefallen in dem Maaße, wie der König sich dazu verpflichtet halte; ohne Wissen und Rath aller Theile keinem Feinde den Krieg anzukündigen; keinen feindlichen Truppen den Durchzug durch die Staaten zu gestatten; zur Aufrechthaltung des Landfriedens und zur Bestrafung von Gewaltthätigkeiten ein Bundesgericht einzusetzen, dessen abgeordnete Richter alle drei Jahre zusammenkommen sollten, um den Unterdrückten Recht zu verschaffen; die Grenzen und den alten Besitzstand der Länder zu achten und zu schützen; zu Lande und zur See nach den bisherigen Satzungen ungehinderten und sichern Handel zu befördern; Ueberläufern kein Geleit zu geben, u. s. w. Dies war der Inhalt des Bündnisses.

Die Kriegshülfen wurden besonders beredet und ergeben sich aus den "Artikeln", welche dem Bündnisse zwischen Polen, Dänemark, Pommern und Meklenburg zum Grunde gelegt wurden. Es sollten dienen:


1) Vgl. Anl. Nr. 1.
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1) die Königreiche Polen und Dänemark einander zu Wasser mit 1000 Knechten und so viel Kriegsschiffen, Schiffsleuten, Geschützen etc. ., als dazu gehörten und nöthig seien;

2) die Königreiche Polen und Dänemark den Herzogthümern Pommern, Meklenburg und Holstein einem jeden mit 2000 Knechten und 600 gerüsteten Pferden und dazu gehörendem Geschütz;

3) das Herzogthum Pommern dem Königreiche Polen und den Herzogthümern Meklenburg und Holstein mit 1000 Knechten und 400 Pferden und dazu gehörendem Geschütz, dem Königreiche Dänemark aber zu Wasser mit 1000 Knechten auf dänischen Schiffen, zu Lande in den Herzogthümern mit 1000 Knechten und 400 Pferden und dem dazu gehörenden Geschütz;

4) das Herzogthum Meklenburg dem Königreiche Polen und den Herzogthümern Pommern und Holstein mit 500 Knechten und 200 Pferden und dem dazu gehörenden Geschütz;

5) das Herzogthum Holstein dem Königreiche Polen und den Herzogthümern Pommern und Meklenburg mit 500 Knechten und 200 Pferden und dem dazu gehörenden Geschütz.

Die Erforschung der Abschließung und weitern Entwickelung dieser Bündnisse dürfte von großem Interesse sein.

 

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Anlagen.


Nr. 1.

Bündniss des Herzogs Heinrich von Meklenburg und der Herzoge Georg und Barnim von Pommern mit dem Könige Sigismund von Polen.

D. d. 1524. Dec. 13.


Dei gratia nos Henricus, dux Megapolensis, Vandalorum princeps, comes Suerinensis, terrarum Rhostochii ac Stargardie dominus, Georgius et Barnymus, fratres, duces Stetinenses, Pomeranie, Caschubie, Sclauonie et principes Rugie, comites in Gutzkou, Quoniam ad faciendas et innouandas vltra naturalis et sanguinis vinculi necessitudinem federis et inscriptionis conuentiones inter sacram regiam maiestatem dominum serenissimum dominum Sigismundum, regem Polonie, ducem magnum Lituanie, Russie Prussieque dominum et heredem, dominum nostrum gratiosum, consanguineum et amicum singularem, heredes eius ac successores ac posteros reges regni Polonie futuros, necnon nos, heredes ac successores nostros, legatos nostros ac oratores, videlicet nobilem et generosum, egregios et strenuos dominum Georgium comitem de Ebersthein et dominum in Naugarten, dominum Nicolaum Marschalch, iuris vtriusque doctorem, et dominum Valentinum [de Stogentin], iuris pariter vtriusque doctorem et capitaneum in Lotze, in quadragesima superiore in ciuitatem Gedanensem destinauimus cum mandato nostro pleno, vt vna cum prefate maiestatis regie reuerendissimo, reuerendis et strenuis ac egregiis dominis, domino Joanne, Gnesnensis ecclesie archiepiscopo et primate, legato nato, domino Mathia, Cuyauiense et Pomeza-

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niense, domino Joanne, Culmense episcopis, dominoque Stanislao de Coschyeletz, palatino Colisiense, Marienburgense, Bulgostiense et Stetinense capitaneo, domino quoque Georgio de Bayzen, palatino Marienburgense et capitaneo Gnewense, atque domino Achatio de Czema, succamerario Pomezanie et capitaneo Schlochowiense, vt coniunctiones eas amiciciarum et vicine societatis, confederationis diue felicisque memorie prefatorum dominorum predecessorum inter se et eorum dominia inscriberent firmarentque, provt ex monumentis literatoriis in thesauris partium earum euidentius constat adseruatis, innouando addendoque vbicumque necessarium, quod et animo ab eis deliberato, consilio ac tractatibus oportunis vnanimiter diligenterque consummatum, quemadmodum literis id patentibus partium earum ac sigillis adpensis ipsorum clare continetur, que date sunt in ciuitate Gedanensi dicta feria quarta post dominicam Letare anno domini millesimo quingentesimo vigesimo quarto, quam quidem amiciciarum coniunctionem et societatis vicine confederacionem vtrumlibet nos gratam et ratam accepimus cum conditionibus omnibus et articulis hincinde situatis, provt in literas ipsas latius relatum.

In primis itaque nos Henricus, Georgius ac Barnymus duces prefati iure federis ipsius et coniunctionis inite promittimus pro nobis, heredibus ac successoribus nostris, quod cum ipso domino rege Polonie simus et esse debeamus in amicicia perpetua vigore literarum earum sicque Regie maiestati prefate adsistamus consiliis et presidiis oportunis, fauore et auxiliis, pro posse nostro, aduersus quemlibet hostem Regni, ac etiam terra propinquius adiacente, in euentu omni, quo aliqui ipsum terrasue eius aut dominia impetere aut via alia quacumque hostiliter inuadere simul vel diuisim voluerint molestauerintque aut inuaserint in effectu. Contra paganos autem, hereticos et scismaticos in remotioribus agentes pro virtutis nostre arbitrio et beneplacito nos, heredes ac successores nostri domino regi Polonie dicto, heredibus ac successoribus eius adsistemus et opitulabimur, quemadmodum et ipse, heredes ac successores eius ediuerso tenebuntur. At presidia et auxilia et reliqua adsistentie officia secundum confederationis inite tenorem hoc pacto inuicem obseruabimus, vt expensis nostris propriis contederatis adsimus cum

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exercitus nostri presidiis et auxiliatoribus. Vbi autem limites terrarum dominorum confederatorum, in quorum fauorem ducemus exercitum, progressiue attigerimus, mox dominus terre eius, cui misimus presidium, auxiliatores illos in confinibus terre sue per codiutorem suum excipiet, qui eis in progrediendo de transitu pacifico commeatuque habendo iusto auxiliatorum precio, ere videlicet ipsorum proprio coemendo, consulat et adsistal. Preterea si quis auxiliatorum eorum in prelio aut extra illud modo predicto militando contra hostem alterius captus vel detentus vel alias in obligationem receptus fuerit, illi per partem, ad quam presidium missum fuerit, in redimendo consuletur et suffragabitur. Quare captiui omnes et singuli ex hostibus, racione quacumque capti, in potestate et manu domini eius, cui latum est presidium, vicissim esse debent. Ad hec expugnationes arcium, castrorum, ciuitatum, opidorum et locorum quorumuis aliorum, deo optimo maximo concedente, ea omnia et singula illi, ad quem ex confederatis quondam pertinebant, veniunt restituenda; quod si nulli confederatorum prius pertinuissent, nihilominus tunc illi ex confederatis cedant, in cuius fauorem presidium ipsum fuerit missum. Sed enim quia confederatorum interest, vt alter eorum alterius curam habeat, atque ideo, vt ordinatum, inter nos nunquam quisquam bellum cuiquam hosti indicere debet, insciis et inconsultis ceteris; fieri enim fortasse posset modis aliquibus et viis, communicato inuicem confederatorum consilio, vt absque bello iniuria emendari poterit, quod et ipsi confederati nos omnes inuicem obseruabimus, nisi forte aliquis inopinate inuaderetur. Ceterum vt etiam ordinatum inter nos per oratores ipsos, quod nullus confederatorum gentes sine suas, siue alienas aduersus aliquem confederatorum per loca dominiorum suorum hostili molimine proficisci conantes transire redireue permittat, pro virium nostrarum possibilitate tuebimur, neque illos quoquo modo occulte vel manifeste adiuuemus, vt hosti ad vsum et confederatorum alicui ad damnum perueniant. Et quoniam iacula preuisa minus feriunt vt conuentum inter nos confederatos, hincinde pro vero et indubitato federe obseruando, quociens nos aduersus aliquem confederatorum presentiemus insidias parari aliquas vel dominia eius, iuxta posse nostrum nos opponemus, vt vel industria nostra, vel viribus auertamus et

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nihilominus alium, quanto fieri poterit, citius premonea mus, vt ita rebus suis tempestiue prouideat. Liberum tamen esse confederatis nobis omnibus debet, vt ere proprio in dominio vnius aut confederatorum omnium ad necessitatem nostram gentes, quotiens volumus, conducere valeamus, idque vltra debitum confederationis subsidium, quod supra expressum, sed cum scientia tamen atque adeo ex prescripto et ordinatione principis eius, ex cuius dominio gentes conducende erunt. Prouidere etiam debemus, vt inter nos est ordinatum, ne in confinibus dominiorum nostrorum latrocinia, cedes, spolia, inuasiones, detentiones et depactationes confederatorum fiant, et si factum,quod absit, pro damnis commissis, iniuriis et excessibus iudices commissarii vtrinque erunt delegendi, rebus dominiorum exposcentibus, qui percomode de re ea diiudicent, modo et forma, vt pro tempore inter nos oportunum visum fuerit, tam in ciuilibus, quam in criminalibus. Specialiter vero inter maiestatem regiam et nos Georgium et Barnymum duces ordinatum est, vt omni triennio in opido Chonitz simul conueniant iudices commissarii, ad diem sancti Galli proxime futuri inchoando et sic consequenter de triennio in triennium, qui oppressis, iniuriatis et dammficatis cum plena potestate tam in criminalibus, quam ciuilibus iusticiam indilatam sint ministraturi. Atenim vt partes insticie sue remedium expeditius assequantur, iccirco de quolibet dominio querele iudicialiter diffiniende hincinde modo infrascripto mittende sunt, veluti si quis subditorum serenissimi domini nostri regis a quopiam ex subditis illustrium principum predictorum iniuria afficitur, is querelam suam in manus domini palatini Pomezanie pro tempore existentis tempestiue mittet. Curabit vero dictus palatinus libellos eiusmodi querelarum in manus domini prefecti Stulpensis destinare, et in eo per quartale vnius anni diem conuentus predicti preueniet. Similiter facturi sunt subditi illustrium dominorum principum Pomeranie, qui querelas suas contra subditos serenissimi domini regis Polonie ad dominum prefectum Stulpensem deferent, qui eiusmodi libellos subditorum dominiorum suorum ad palatinum Pomezanie tempore prescripto mittere curabit. Officiales itaque illi duo predicti dominiorum suorum subditos tandem, tam actores, quam reos, ad locum et diem conuentus predicti iudicialiter comparere iubebunt, qui si com-

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parere noluerint, etiam tune in contumaciam non comparentis iudices nihilominus commissarii parti conquerenti iusticiam administrabunt, secundum quod ius et equitas dictauerit, quod et de actoribus non comparentibus similiter intelligendum est. Identidem obseruandum erit, si quis de terris Polonie aut ex ducatu Pomeranie cum alterutris subditis in conuentu dicto iure experiri velit, querelas enim suas in manus capitanei Poznaniensis pro tempore existentis mittat, vt in omnibus formula suprascripta a parte vtraque obseruetur. Similiter vero a dominis confederatis omnibus prouideri debet, vt in manutenendis limitibus dominia vtraque concernentibus equitas obseruetur. Neque vero confederati nos quenquam confederatorum de possessione sua vetusta et vsu bonorum aliquorum aut pertinentiarum eiicere volumus, nisi auctoritate principis illius adhibita, in cuius scilicet dominio bona ea fuerint situata. Et quanquam confederati nos ex innata nobis virtute, vicissitudine et affinitate hincinde trahamur, vt alter comodis alterius cauere soleat, cupimus tamen ex ordinatione huius confederationis et volumus, vt ex conuentione nostra et vinculo eo maius comodum et incrementum reportetur, vt statuto nostro ex parte omni obseruando, et volumus, vt subditi nostri, confederatorum, heredum successorumque eorum mutua, libera ac secura hincinde commercia in dominiis nostris, districtibus ac locis, terra marique querere et exercere valeant, remoto omni impedimento, totiens quotiens subditis et mercatoribus nostris confederatorum expedire et conuenire visum fuerit, saluis tamen iuribus patrie et confederatorum inuicem, quemadmodum hactenus obseruatum. De colonis vero profugis, ex quibus non modica differentia ac controuersia oriri plerumque solet, ita vt est statutum ab oratoribus ipsis, quod ab hoc confederationis tempore infra annos quinque quisquis repetitus fuerit, petenti ipsi, quatenus ius de ipso competit, plane restituatur, seruare inuicem et seruari volumus. Elapso vero quinquennio eiusmodi, a scientie tempore computando, quam scientiam tamen is, qui repetitionem facit, iuramento suo medio probare tenebitur, pro proscripto haberi, si sic, vt prefertur, minime probaurit. Transgressoribus vero et aliis quibuscunque facinore quocunque aut excessu siue comminationibus aut suspicione quauis alia notatis conductum saluum nullum dabimus, nisi

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cautione ante recepta de stando iuri et parendo in loco videlicet delicti, vbi venturo eidem loci dominus ex confederatis conductu nouo, saluo tamen conductu priore, prouidebit. Ouod si talis iuri vel rei iudicate parere satisfacereque noluerit, mox tanquam proscriptus habendus inter nos et subditos nostros, nec est deinceps amplius nobis et nostris fouendus contraque ipsum capiendum et puniendum auxilium et consilium prestandum. Et eos federis, coniunctionis et amicicie modos, conditiones et articulos suprascriptos, concorditer sic ab ipsis oratoribus conclusos et pro [com -]modo confederatorum nostrorum omnium stabilitos, pro nobis ac heredibus nostris, presentibus ac futuris, pro regia maiestate, heredibus ac successoribus ac inter nos firmiter et perpetuo obseruandos sigillis nostris adpensis muniuimus munimusque et adprobamus, confirmamus ac acceptamus et manibus nostris propriis inscripsimus et illis subscipsimus. Date Suerini et Stetini, die mensis Decembris decimo tertio, anno a natali Christiano millesimo quingentesimo vigesimo [quarto].

Nach dem Concepte von der Hand des herzoglich=meklenburgischen Rathes Dr. Nicolaus Marschalcus Thurius, welcher auch Bevollmächtigter des Herzogs Heinrich von Meklenburg zur Abschließung dieses Bündnisses war, im großherzogl.=Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.
Diese Urkunde ist entworfen nach der Punctation der Gesandten zu Danzig vom 4. März 1524 und nach der Ratification derselben durch den Herzog Heinrich, d. d. Wismar, 27. October 1524, welche beide Urkunden in Abschrift auch im großherzogl. Archive zu Schwerin aufbewahrt werden. Das Concept der Ratification ist in zwei Exemplaren vorhanden, von denen das eine von dem meklenburgischen Canzler Caspar v. Schöneich, das andere von Nicolaus Marschalk durchcorrigirt ist; beide Correcturen sind beim Entwurfe der Bündnisurkunde auch berücksichtigt.
Das Concept der vorstehenden Urkunde ist ursprünglich datiert:

Date Suerini et Stetini at calendas Januaris (1. Jan.) anno a natali Christiano millesimo quingentesimo vigesimo quinto.
Darauf sind die Worte:
"ad calendas Januarias"
unterstrichen, d. h. durchstrichen, und statt deren die Worte:
"die mensis Decembris decimo tertio"
(13. Decbr.)
auf dem Rande beigeschrieben. Das Wort "quinto" ist aber zu corrigiren vergessen; es hätte nach der Veränderung des Tages

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unzweifelhaft in "quarto" verändert werden müssen. Daher ist in den vorstenhenden Text die Aenderung [quarto] aufgenommen. Dies ist um so sicherer geschehen, als im Eingange gesagt ist, daß die Gesandten in den letzten Fasten in Danzig zusammengetreten seien; und dies geschah im J. 1524.
Auch das Uebersendungsschreiben an den König von Polen ist vom "tage Lucie (13. Dec.) 1524" datiert.
Im Eingange ist in dem vorstehenden Concepte bei dem Vornamen Valentinum der Zuname de Stogentin ausgelassen, welcher in allen übrigen Verhandlungen beigeschrieben und daher hier in [ ] hinzugefügt ist; der Mann, ein in der pommerschen Geschichte sehr bekannter Mann war, ein Freund Marschalk's, welcher demselben prid. cal. Januarii 1521 seinen zu Rostock in seinem Hause gedruckten Commentariolus Annalium Herulorum siue Megapolensium dedicirte ("Valentino Stoientinio, equestris ordinis uiro et iurisconsulto clarissimo").



Nr. 2

Der König Sigismund August von Polen sprich gegen den Herzog Albrecht von Preussen den Wunsch aus, das alte Bündniss mit Meklenburg zu erneuern, nachdem er dasselbe schon mit Pommern erneuert.

D. d. Rudniki 1555. Decbr. 10.


Sigismundus Augustus dei gratia rex Polonie, magnus dux Lithuanie, Russiae, Prussiae, Mazouiae, Samogithiae etc. dominus et haeres.

Illustris princeps, domine consobrine charissime, Salutem et prosperitatem. Ex literis Illustritatis vestrae, quas ad nos manu sua scripsit, cognouimus id quod antea multis rebus perspexeramus, solere illam pro sua in nos obseruantia ei nostris regnique nostri fulciendis viribus cogitare, idque nobis est uehemeter gratum. Ad quod quidem ad illustres dominos Pomeraniae duces attinet, Gedani cum fuissemus, diui parentis nostri in hoc exemplum iudiciumque libenter secuti, foedera olim inita renouauimus. Illustrium etiam dominorum Megapolensium ducum ea de re animum si cognitum exploratumque haberemus sique sciremus, quem ad locum

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et ad quod tempus oratores suos ea tractaturos mittere uelint, nostros quoque consiliarios essemus eodem huius rei conficiendae causa missuri. In quo qiudem Illustritatis vestrae potissimum consilio, quod nobis defert, vti cogitamus. Cupimus Illustritatem vestram diu bene valere. Datae ex Rudnjkj, die X Decembris, anno domini MDLV°, regni nostri XXVI°.

Sigismundus Augustus     
Rex sst.               

Nach einer im 16. Jahrhundert genommenen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt=Archive zu Schwerin.
Auf der Rückseite steht von der Hand des Archivars Samuel Fabricius:

"Copia Könings Sigismundi Augusti zu Polen Schreibens an Herzog Albrecht von Preußen etc. ."


Nr. 3

Der Herzog Johann Albrecht sendet den Ritter Friedrich Spedt ab, um von der dem Könige von Polen vertragsmässig schuldigen Hülfe gegen die Moskoviter befreiet zu werden.

D. d. Schwerin 1563. Aug. 13.


Episcopo Atrobatensi etc.

Etsi nobis non erat dubium, quin Fridericus Speth, eques auratus et consiliarius noster, quem ad Reverend. Vest. legatum mittimus, cuius denique fidei et industriae causam nostram apud Reuerend. Vest. exponendam commisimus, nostris verbis diligenter esset accurateque acturus, tamen magis veteris nostrae et plane constantis beneuolentiae testandae causa, quam quod causam nostram commendationis egere apud R. V. existimaremus, ad R. V. duximus esse scribendum. Causam notam R.V. et plane aequissimam iam ante apud Serenissimum et potentissimum Philippum Hispaniae regem etc., dominum

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et consanguineum nostrum charissimum, nostris et literis et nunciis agitatam, in solius R. V. suffragio et autoritate sitam esse confidimus. Nos igitur vel temporibus, quorum perturbatione causa nostra annis superioribus afflicta minus potuit expediri, vel quod in ipsum Serenissimi Regis in Hispaniam discessum incidebat, illam moram asscribendam, et vti Serenissmi Regis literis iubemur, commodius tempus iudicauimus esse expectandum. Erat omnino nobis illa res difficilis et quod eodem tempore pro liberando archiepiscopo et fratre nostro duce Christophoro, qui tum a Magistro ordinis Liuonici obsidebantur, nobis capienda arma, exercitus colligendus et incridibiles erant sumptus faciendi. Nunc autem, cum ad commune Muscouitis inferendum bellum ratione coniunctionis a Rege Poloniae euocemur, multo est difficilius, quod, cum ex superioribus sumptibus nondum emerserimus, noui et fortassis pro belli diuturnitate et magnitudine auxiliorum, quibus tenemur, maiores erunt faciendi. Quamobrem vt quod aequitas nostrae causae et tanti Regis dignitas et ratio posteritatis, quam sapientes non fere negligere consueuerunt, postulat, R. V. patrocinio impetremus, pro nostra diuturna familiaritate et constanti nostra de R. V. existimatione etiam atque etiam rogamus. Ouod si S. Rex in hac nobis debita causa aequum se nobis et amicum ostenderit et in posterum, quae nunc temporum varietates et inclinationes rerum impendent, nostra vti opera volet: faciemus ne vel nobis amor et obseruantia defuisse vel tanti Regis amicicia temere repudiata esse videatur. R. V. quae sunt a principe et nominis et dignitatis vestrae studiosissime expectanda, omnia camulate quae possumus benigneque, vt debemus, pollicemur. R. V. diutissime cupimus et rectissime valere. Datum Suerini, Idibus Augusti, Anno M. D. LXIII.

Joannes Albertus               
dei gratia dux Megapolensis etc.     


Parmensi etc.

Fridericum Speth, equitem auratum, consiliarium, et Andream Hoen, secretarium nostrum, de quadam nostra causa ad Dilectionem Vestram ablegamus. His igitur meis verbis agentibus ut et fidem tribuere et in ipsa re

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causam non solum notitiae, sed beneuolentiae dare non dubitet Dilectio Vestra, maiorem in modum rogamus. Nos vicissim in obseruatione Dignitatis vestrae et beneuolentiae mutuae ab officio principis nullo loco discedemus. Dilectionem Vestram rectissime valere optamus. Datum Idibus Augusti etc.

Joannes Albertus etc.     

Nach dem Concepte im großherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin.

 

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V.

Wiener Gesandtschaftsberichte

über

die Persönlichkeit und die Gesinnungen der Herzoge
Adolph Friedrich I. und Johann Albrecht II.
von Meklenburg.

mitgetheilt

von G. C. F. Lisch.


D. d. 1620. Mai 17. und Junii 7.

Allerdurchleuchtigster, Großmechtigster vnd vnüberwindtlichster Römischer Keyser, Allergnedigster Herr.

E wrer Römischen Kayserlichen Maytt. habe ich nicht vnterlaßen sollen, allerunterthenigst zu endtecken, das deroselben ich aus Torgaw, aus Magdeburg, Lübeck vnnd Lawenburgk, vnnd also zu vier mahlen, allerunterdenigst referirt habe, was Ew. Maytt. bestalter Cammerer vnnd Kriegs Obrister Herr Julius Heinrich Herzogk zu Sachsen etc. . vnnd ich nach meinem wenigem vermögen bey den Reichs=Ständen in den Ober= vnnd Nieder=Sächsischen Craisen auf Ew. Maytt. allgnedigsten Beuehlich vorrichtet, - - - - - - - - - - - - - -

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

das wir - - - bis in das Hertzogthumb Mechlenburgk an Hertzog Hannß Albrechten Hoff gereiset:

Vnnd ob nun zwar dieser Hertzogk zu Mechlnburgk der Caluinischen Religion zugethan, dennoch hatt er vnnß auch Stattlich empfangen vnnd gehalten vnnd sich gegen Ew.

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Maytt. mundtlich vnnd schrifftlich woll erclärt; - - er hat nebenst seinem Herrn Bruder in ihren Landen weder den Böhmen noch der Union oder yemandt anders (wie auch dieser Orter andere Fursten mehr gethan haben), Ew. Maytt. officirer außgenommen, zu werben verbietten lassen. - - - - - - -

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Datum Stettin den 17. May 1620 nach newem Styll.

Ew. Röm. Kay. Maytt.                              
allerunterdenigster vnnd gehorsambster
Hieronymus von Elueren.        

(Aus der folgenden sechsten Relation:)

Von Stettin sein wir furt geruckt vnnd haben vnsern wegk nach Schwerin zu herren Adolf Fridrichen Hertzogen zu Mechelnburgk genommen, welchen wir einen schönen, ansehnlichen, verstendigen vnnd von gantzen hertzen Ew. Maytt. mit gehorsamer, großer, eifrigen deuotion zugethanen hern befunden, seine guete resolution ist hiebey gethan auch zu finden etc. .

D. d. Leiptzigk den 7. Junij Anno 1620 nach neiem styll.

Hieronymus von Eluern.     

Auszug aus zwei Gesandtschaftsberichten im k. k. Haus=, Hof= und Staats=Archive zu Wien, bezeichnet XI, I. (In dem fünften Berichte vom 17. Mai ist eine große Relation über den dänischen Hof.)

 

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VI.

Ueber die Hausmarken und das
Loosen

in Meklenburg,

von G. C. F. Lisch.


D ie Hausmarken sind eine so interessante Erscheinung, daß sie oft und wiederholt zur Sprache gebracht sind, namentlich seitdem sie in dem gegenwärtigen Jahrhundert immer mehr verschwinden und sie in Deutschland bald ganz vergessen sein werden. Eine tiefere, wissenschaftliche Bedeutung hat den Hausmarken aber erst in den letzten Jahren der Professor Dr. Homeyer zu Berlin gegeben, welcher über dieselben eine gediegene Abhandlung in der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gelesen hat.

Homeyer hat nämlich in seiner Abhandlung:

"Ueber die Heimath nach altdeutschem Recht, insbesondere über das "Hantgemal", gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 1852,

von dem Begriffe des altdeutschen "Hantgemal" (Handzeichen, ausgezeichnetes Grundstück, Stammgut) auch auf die nordischen Hauszeichen übergeleitet und den Begriff derselben wissenschaftlich zu bestimmen gesucht.

Homeyer sagt: "Um die dergestalt vorgezeichnete Verbindung wirklich zu knüpfen, verfolge ich einen Gebrauch germanischer Völker, wonach ein an einem Grundstück haftendes Zeichen zugleich dem Besitzer zur Beglaubigung

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seiner Willenserklärungen dient. Die frühesten Zeugnisse giebt das skandinavische Alterthum. Es kennt ein Zeichen unter dem Namen bolmaerke: Zeichen der Wohnstätte, Hausmarke" - - (S. 70). "Bolsmaerke war das Zeichen, womit der Hofeigenthümer seine Besitzthümer bezeichnete. - - Daß nun jene Hauszeichen auch als chirographa zur Unterzeichnung gebraucht wurden, bezeugen die schwedischen Forscher einstimmig" (S. 71).

"In Dänemark begegnen wir, wie in Schweden, dem auf das Grundstück hinweisenden bomaerke oder búnafn. Man findet es häufig auf Leichensteinen, Siegeln, Wappenschilden zur Bezeichnung der Personen und Familien."

"Aus Schleswig und Holstein sodann liegen zahlreiche Zeugnisse vor. Der Pastor Scholz zu Cappeln erzählt, daß die Bauern im 16. Jahrhundert als ihre "angeborne" oder " gebrücklike Mark" ein eigenes Zeichen statt der Namensunterschrift zogen, und daß in Holstein noch in der Zeit seiner Erinnerung leibeigene Bauern ihr Markzeichen in dem Balken über der Hausthür eingehauen hatten. Nach dem II. Bericht der Schlesw. Holst. Lauenb. Gesellsch. 1837, S. 15, finden sich diese Zeichen noch manchmal im Lande auf dem Thürbalken, an den Thüren, auf Geräthen, alten Schränken, Kirchenstühlen, Leichensteinen, so wie statt Namensunterschrift auf Urkunden" (S. 72) u. s. w.

"Die tiefe Verborgenheit, aus welcher die Gewohnheit solchergestalt nur zufällig ans Licht tritt und die Weise ihres Schwindens in den letzten Menschenaltern läßt mich glauben, daß der im Obigen für Skandinavien und einen guten Theil des deutschen Küstenlandes nachgewiesene Gebrauch früher eine ausgedehntere Verbreitung hatte, und daß er sich der weitern Forschung auch für solche Gebiete, wo der Ausdruck "Handgemal" bekannt war, noch erschließen mag."

"Die Rechtssitte besteht also wesentlich darin, daß das Wahrzeichen eines Grundstücks zugleich chirogra phum seines Besitzers ist (S. 74). Die Hausmarken erinnern oft an die Runen, vornämlich an die zusammengesetzten oder Binderunen, welche ein ganzes Wort ansdrücken, und möchte ich den Zusammenhang zwischen den Runen und Hausmarken, besonders den ältern, nicht gradezu bestreiten."

"Die Hausmarken trennen sich ferner von den Steinmetzzeichen dadurch, daß diese nicht das Besitzthum oder den Besitzer, sondern den Werkmeister, die Bauhütte, den Künstler u. s. w. bezeichnen" (S. 75).

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"Sie sind auch von den bildlichen Wahrzeichen der Häuser, namentlich von den Wappen figuren zu sondern " (S.76).

"Die Bezeichnung der Grundstücke und einzelner dazu gehöriger Gegenstände mit runenähnlichen Figuren ist für die Vorzeit viel allgemeiner, als sie oben nachgewiesen, namentlich auch im mittlern und südlichen Deutschland verbreitet zu denken. Ich versetze sie in die Epoche der ersten Ansiedelungen. Sie geht von dem Besitzer aus, sei es, daß er das Zeichen schon vorher für sich, seine Waffen und sonstige fahrende Habe geführt hatte, oder daß er es nun erst bei der Gewinnung eines festen Herdes auf einem "Eigen" erwählte. War aber auch das Zeichen dem Wohnsitz von der Person zugekommen, so nahm es doch im Laufe der Geschlechter Theil an jener Natur des Grundstücks, kraft welcher es die Personen überdauert und nach germanischer Anschauung ihre rechtliche Stellung bestimmt. Als Hauszeichen bleibt es dasselbe bei allem Wechsel der Besitzer und des beweglichen Zubehörs. So empfängt der Besitzer wiederum sein Zeichen von dem Besitzthum. Ebenso vergleicht sich hiermit die jetzt vorzugsweise noch in Westphalen bewährte Sitte, daß der Bauerhof dem, der ihn annimmt, dem Tochtermann etwa des vorigen Besitzers, den Namen giebt, so daß gewisse Benennungen für Hof und Besitzer auch beim Wechsel der Familien schon durch Jahrhunderte bestehen" (S. 78).

Homeyer hat darauf im Jan. 1853 ein Rundschreiben an alle Geschichts= und Alterthumsforscher und Vereine erlassen und dieselben ersucht, ihre Forschungen auch den Hausmarken zuzuwenden. In diesem Circulare bestimmt Homeyer den Begriff der Hausmarken noch schärfer, indem er sagt: "Unter dem Namen Hausmarke (Hofmarke, bolmaerke, bomaerke) kennt Norddeutschland und Skandinavien gewisse Figuren mit der Bedeutung,

"daß sie einem Grundstücke (Haus, Hof, Kirche) sodann dessen beweglichem und unbeweglichem Zubehör, endlich auch dem zeitigen Besitzer zum gemeinsamen Wahrzeichen dienen."

"Aus wenigen, meist geraden Linien gebildet, schließen sie sich häufig an das Kreuz, an die Runen, besonders an die zusammengesetzten oder Binde=Runen an, gehen in neuerer Zeit auch wohl in einfache Darstellungen von allerlei Geräth (Spaten, Beil, Anker u. s. w.) oder in Buchstaben über. Der Zeit nach finden sie sich mit Sicherheit schon als Zeichen des bol, d. i. praedium, villa, in den schwedischen Gesetzen des 13. Jahrhunderts, geschieden von einem bloß persönlichen maerke;

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sodann in Lübeck am Ende des 13. Jahrhunderts in den Siegeln der Bürger."

Mit dieser Bestimmung des Begriffes kann ich mich nur vollkommen einverstanden erklären. Sammelt man, da der Gebrauch nicht mehr durchgreifend ist, alle Kennzeichen, so ergiebt sich als unzweifelhaft, daß die Hausmarke, wie auch schon der Name andeutet, ein an einem Hause (oder Grundstücke) haftendes, willkürliches Zeichen war, mit welchem nicht nur alles gezeichnet ward, was zum Hause gehörte, sondern mit welchem ursprünglich auch der Besitzer unterzeichnete, wenn er über Gegenstände verfügte oder verhandelte, welche zum Hause oder dessen Betriebe gehörten; im Laufe der Zeit diente die Hausmarke immer mehr auch als Zeichen der Person. Die Hausmarke blieb immer dieselbe, wenn auch die Besitzer wechselten, und der neue Besitzer nahm für Haus und Hof mit Zubehör die alte Hausmarke an.

Es ist hiebei aber sehr wohl zu berücksichtigen, daß während der Zeit, als die Hausmarken allgemein üblich waren, also während des ganzen Mittelalters, das Erbe viel fester und dauernder war, als in unsern Zeiten, wo die Besitzer unaufhörlich wechseln. Die Häuser und Höfe blieben viele Generationen hindurch in der Familie, und daher konnte sich auch der Gebrauch der Hausmarke so sicher halten. Mit dem dauernden Erbe verschwand auch nach und nach die Hausmarke.

Mit der Hausmarke ward daher gezeichnet: 1) das Haus oder der Hof mit den dazu gehörenden Gebäuden; 2) der Kirchenstuhl; 3) der Leichenstein auf dem Begräbnisse; ferner der zum Hause gehörende Besitz, namentlich auf dem Lande das "eiserne Inventarium", nämlich 4) das Vieh und 5) die Ackergeräthschaften; auch 6) andere Geräthe.

Es giebt in alten Städten an den Häusern, in alten Kirchen mit altem Mobiliar auf Leichensteinen und Kirchenstühlen, in den Archiven aus den Seegeln noch ungemein viele Hausmarken. Meiner Ansicht nach nützt es aber nicht viel oder gar nichts, die noch vereinzelt vorhandenen, zahllosen Hausmarken zu sammeln. Die alten Hausmarken waren ohne Zweifel willkürlich erfundene Zeichen, welche durch die mannigfaltigste Zusammenstellung von graden Linien gebildet waren; möglich ist es, daß die Rune oder das Kreuz den ersten Anstoß zur Hausmarke gaben. Wichtig allein könnte es werden, wenn sich aus Siegeln an Urkunden die Hausmarke mehrere Generationen hindurch feststellen und das dazu gehörende Haus nebst Kirchenstuhl und Leichenstein noch nachweisen ließe. Ganz unmöglich wird

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eine solche Forschung nicht sein, aber sehr schwierig; vielleicht gelingt sie noch in den nächsten Zeiten.

Seit Homeyer's Aufforderung sind auch schon andere Forschungen erschienen, namentlich hat Michelsen eine Abhandlung "Die Hausmarke. Eine germanistische Abhandlung. Jena 1853", herausgegeben. Diese, obgleich sie neue Beiträge zu der Sache und ältere Literatur beibringt, führt die Angelegenheit nicht weiter. Auch die Definition S. 45 steht hinter der Homeyer'schen zurück, wenn Michelsen sagt: "Die Hausmarke war ein Zeichen des beweglichen Gutes, des leblosen, wie des lebendigen; aber sowie das Baugut, so war auch der Bau, Haus und Hof mit der Marke versehen". Michelsen läßt hier also die Hausmarke von dem beweglichen Gute auf das Haus übertragen werden, nimmt also das Gegentheil von dem an, was bisher ziemlich allgemein angenommen ist. Wenn ferner Michelsen sagt: "die Wappen sind decorirte Marken" (S. 53) und ähnlich sind die Steinmetzzeichen (S. 60) und die Kaufmannszeichen" (S. 64), so glaube ich, daß er sich hierin im Irrthum befindet. Ich bin der Ueberzeugung, daß die Wappen Zeichen für die Personen und die Geschlechter waren und mit der Hausmarke nichts zu schaffen haben. Doch hiervon wird weiter unten die Rede sein.

Ich habe mich lange bemühet, den Hausmarken nachzuforschen, und will hier das mittheilen, was ich Merkwürdiges habe erfahren können. Ich bemerke dabei, daß ich keine Hausmarken, deren ich tausende hätte sammeln können, beibringen und beschreiben, sondern nur solche Fälle mittheilen will, welche von Einfluß auf die Rechtsgeschichte sein können. Ich habe mich bemühet, Nachrichten aus solchen Gegenden zu sammeln, in denen noch alte Sitte und Volkstracht herrscht, also in der Gegend von Doberan und Bützow und auf der Insel Pöl, in den Hansestädten Rostock und Wismar, auch in den Archiven.

Im Allgemeinen waren oder sind in Meklenburg in diesem Jahrhundert noch einige Reste vom Gebrauche der Hausmarken in Uebung: man zeichnete die Kornsäcke, die mit dem Getreide zur Mühle, und die "Hausbackenbrote", welche zum Bäcker geschickt wurden, mit einer "Marke"; dieser Gebrauch ist noch an vielen Orten herrschend eben so der Gebrauch der "Kerbhölzer", zweier zusammenpassender Hölzer, von denen jeder Theil eines hat, in welche auf dem Lande die Arbeitstage zur gegenseitigen Controle eingeschnitten werden, ein Gebrauch, der sich auch noch in Westphalen findet: wenn diese Kerbhölzer auch nichts mit der Hausmarke zu schaffen haben, so deuten sie

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doch auf den alten Gebrauch, Zeichen einzuschneiden, ehe die Schrift allgemeiner ward.

Am längsten haben sich die Hausmarken in Meklenburg auf der Insel Pöl 1 ) gehalten und hier läßt sich ihr Gebrauch noch am klarsten verfolgen. Die Hausmarken waren, nach der Erinnerung aller alten Leute, früher ohne Ausnahme an allen Häusern der Erbpächter und Hauswirthe (sowohl des ehemals schwedischen, als auch des vormals lübischen Antheils der Insel) angebracht und zwar gewöhnlich über dem Thürbalken auf einer Ziegeltafel; die Hausmarke war in eine Tafel aus gebranntem Thon von ungefähr einem Quadratfuß Größe eingegraben und über dem Thürbalken eingemauert. Innerhalb der letzten 12 bis 16 Jahre sind aber die meisten alten Bauerhäuser auf der Insel abgebrochen und neue an deren Stelle erbauet, an welchen letzteren man die Hausmarken nicht wieder angebracht hat; viele alte Häuser sind auch bei Gelegenheit vorgenommener Reparaturen um ihre Hausmarken gekommen. Im Anfange des Jahres 1854 gab es auf der Insel Pöl noch zwei Häuser, welche noch die Hausmarke trugen: ein sehr altes Haus des Schulzen zu Brandenhusen, welches die Hausmarke Hausmarke , und ein anderes altes Haus zu Niendorf, welches die Hausmarke Hausmarke hatte. Aber noch im Laufe dieses Jahres sind auch diese Hausmarken, wahrscheinlich die letzten in Meklenburg, verschwunden. - Wenn aber auch die Hausmarken selbst an den Häusern verschwunden sind, so ist es doch auf der Insel Pöl noch allgemein üblich, das in Meklenburg sogenannte "eiserne Inventarium" der Hofstelle (d. h. das zur Hofstelle der früher hörigen oder leibeigenen Bauern als Pertinenz gehörende Inventarium an Ackergeräth und Vieh), namentlich Pflugscharen, Spaten und Hacken mit der Hausmarke zu bezeichnen. Die Schmiede kennen die Marken ihrer Arbeitsgeber ganz genau, und ohne für jeden einzelnen Fall dazu aufgefordert zu werden, prägen sie bei Anfertigung der gedachten eisernen Inventarienstücke die Hausmarke diesen Gegenständen ein. Auch die Kornsäcke, in denen das Korn


1) Ich verdanke die Mittheilungen über die Insel Pöl dem Herrn Pastor Hempel zu Kirchdorf auf Pöl.
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zur Mühle gebracht wird, sind ohne Ausnahme mit der in Druckerschwärze aufgedruckten Marke bezeichnet. Endlich ward in frühern Zeiten dem Rindvieh und den Pferden ganz allgemein die Hausmarke aufgebrannt, und noch jetzt geschieht dies bei einigen Hauswirthen. An Kirchenstühlen und Gräbern ist früher die Hausmarke ohne Zweifel allgemein üblich gewesen; auf jetzt abgebrochenen, alten Kirchenstühlen stand die Hausmarke aus dem 16. Jahrhundert und auf einigen älteren, ziemlich verfallenen Grabmonumenten ist sie noch jetzt kenntlich. In der neuesten Zeit hat aber die Bezeichnung der Kirchenstühle und der Gräber mit der Hausmarke ganz aufgehört. Geändert ist und wird die Hausmarke nie, auch wenn die Hofstelle auf eine andere Familie mit anderm Namen übergeht: die Leute sehen sie als ein mit dem Besitze des Grundstückes verbundenes Wappen an, obgleich sie dasselbe nie in den Siegeln führen. Die auf Pöl noch gebräuchlichen Zeichen sind zweierlei Art: theils sind sie willkührliche Verbindungen gerader Linien, und diese stammen wohl noch aus alter Zeit; theils sind sie Abbildungen von Gegenständen des gewöhnlichen Lebens, wie: "Hufeisen, Stundenglas, Fenster, Raute, Krähenfuß, Kesselhaken, Pflugschar", auch wohl Buchstaben.

In der Gegend von Doberan 1 ) sind die Hausmarken in einigen Dörfern auch noch im Gebrauche, jedoch in beschränkterer Ausdehnung. - In dem Dorfe Retschow bezeichnet man noch damit die Pflugscharen ("Hâkeisen"), Eggen, Rickpfosten (d. h. Barrierepfähle zur Einhegung der Koppeln), Sacke und Brote und bezeichnet damit auch die Loose, wovon weiter unten die Rede sein wird. Die Zeichen sind entweder Abbildungen von Geräthen oder Buchstaben, nämlich: "Haspel, Mistforke, Stundenglas, Fenster und die Buchstaben A, B, H, M und P"; ein Gehöft hat drei Marken: M für Rickpfosten, Eggen und Brote, O für Hakeisen und Säcke, I für das Loos. - In dem Dorfe Satow sind die Hausmarken auch noch bekannt, aber im Verschwinden begriffen; man bezeichnete zuletzt damit die "Hakeisen", indem die Marken in die Eisen eingetrieben wurden ; die ganze Sache ist jetzt fast verschollen, jedoch haben sich die Zeichen noch ermitteln lassen. Die Marken waren: in Ober=Satow: "Pflugrad, Mistgabel, Tischfuß, Tannenbaum, Liekhaken (Gelenkhaken zur Verkürzung der Kesselkette), Stundenglas, Melkhüker" (dreifüßiger, niedriger Stuhl oder Schemel, beim Melken der


1) Die nächstfolgenden Nachrichten verdanke ich den Bemühungen des Herrn Pastors Vortisch zu Satow.
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Kühe gebraucht); in Unter=Satow: "Kesselhaken, Hühnerfuß, Theerbütte". - Auch in dem Dorfe Ober=Steffenshagen ist es noch bekannt, daß folgende Hausmarken existirten:

"Raute ("Ruthe"), Fünfeck ("Fieführ", fünfstrahliger Stern), Hufeisen und Winkeleisen"

In einigen andern Dörfern bei Doberan 1 ) sind die Hausmarken noch im Gebrauche. Sichern Berichten zufolge hatten in frühern Zeiten die Bauern ihre Hausmarken über dem Hofthor in den Balken eingeschnitten, jedoch findet sich keine mehr. Die Hausmarken werden aber noch in Anwendung gebracht für Ackergeräthschaften, Vieh auf der Weide, Säcke, Rickpfosten und Loose. Es sind noch folgende Hausmarken im Gebrauche: in dem Dorfe Bartenshagen: "Baum, Axt, Leiter, Pflugschar, Stundenglas, Heugabel, Forke, Hufeisen"; in dem Dorfe Parkentin: "Hühnerbein, Stundenglas, Bleß (ein Oval mit einem Striche darin), ein B, ein V, 1 Kerbe, 2 Kerben, 3 Kerben, 4 Kerben"; in dem Dorfe Hohenfelde: "Stundenglas, "Hühnerbein".

Dies sind, wie es scheint, die letzten Reste der Hausmarken in Meklenburg, die aber wohl bald ganz verschwinden werden.

In der Gegend von Bützow 2 ) hat sich keine Spur von Hausmarken mehr entdecken lassen.

Von großem Interesse ist noch die Anwendung der Hausmarken zur Bezeichnung der Loose. Nach der erwähnten Abhandlung hat Homeyer eine zweite, höchst interessante Abhandlung herausgegeben:

"Ueber das germanische Loosen, von Homeyer. Aus den Monatsberichten der königl. Akademie der Wissenschaften. December 1853. Berlin 1854".

Homeyer forscht der Etymologie und der Bedeutung des Wortes Loos nach und beleuchtet die Stellen in den alten deutschen und nordischen Gesetzen. Er ist so glücklich gewesen, auf den Inseln Hiddensee und Föhr und zu Peenemünde noch Reste des alten Loosens aufzufinden, welches mit einem alten norddeutschen Ausdrucke Kaveln genannt wird. Bekanntlich berichtet schon Tacitus Germ. c. 10 über das Loosen bei den Germanen, daß sie nämlich Stücke von Baumzweigen mit Zeichen ("notis quibusdam") bemerkt hätten (Auspicia sortesque ut


1) Die nächst folgenden Nachrichten verdanke ich dem Herrn Hofglaser Beckmann zu Doberan.
2) Trotz der fleißigen Forschungen des Herrn Friedr. Seidel zu Bützow.
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"qui maxime observant. Sortium consuetudo simplex: "virgam frugiferae arbori decisam in surculos amputant eosque notis quibusdam discretos super candidam vestem temere ac vortuito spargunt" etc.). Eine andere alte Stelle findet sich in der Lex Frisionum t. 14, wo die "sortes" also beschrieben werden: "tali de virga praecisi, quos tenos vocant"; - teen (goth. tains, mittelhochd. zein) heißt: Zweig, Ruthe (vgl. Homeyer a. a. O. S. 4 flgd.) Diese uralte deutsche Sitte des Verloosens oder Kavelns durch hölzerne Loose 1 ) findet sich auch noch in Meklenburg. Es ist schon oben gesagt, daß man in dem Dorfe Retschow die Hausmarken auch zu den Loosen anwendet, die man Kaveln nennt. Dieser Gebrauch ist auch noch im Dorfe Börgerende an Rethwisch, bei Doberan, am Strande der Ostsee, im Gebrauche. Man nimmt runde Haselzweige von etwa 1/2 Zoll Durchmesser, schneidet aus diesen Stücke von 1 1/4 bis 1 1/2 Zoll Länge und schneidet in die Rinde die Hausmarken der Gehöfte; mit diesen Loosen wird dann "gekavelt", wenn z. B. die Wiesen verlooset werden.

Hausmarke

Der Herr Hofglaser Beckmann hat dem Vereine die Loose dieses Dorfes, die immer neu aus frischen Haselruthen geschnitten werden, eingesandt und ich theile hier eine Abbildung eines derselben mit. Die Hausmarken von Börgerende sind Abbildungen von Gegenständen des gewöhnlichen Lebens, wie: "Beil, Fenster, Raute, Leiter, Pflugschar, Kesselhaken, Hühnerfuß, V, I, II" u. s. w.

Auf der Insel Pöl wird nie mit der Hausmarke gelooset, was auch nicht leicht vorkommen kann, da hier von jeher jeder Hauswirth seine abgesonderte Hufe hat und für gemeinschafliche Dienste ein für alle Mal Reihenfolge festgesetzt ist.

Dies scheint mir die Bedeutung der Hausmarken zu sein.

Als abgeleitet erkenne ich den Gebrauch, daß man sich, als die Kunst des Schreibens allgemeiner ward, der Hausmarke statt der Namensunterschrift bediente. Die norddeutschen Archive bewahren viele urkundliche Schriftstücke, namentlich aus dem 16. Jahrhundert, welche, wenn der Aussteller nicht schreiben konnte, mit dessen "angeborner Marke" unterschrieben sind. Dieser Gebrauch spielt schon in persönliche Verhältnisse über, ob=


1) Der Gebrauch, daß, wenn der Schulze die Bauern zusammenrufen will, er einen Knüppel im Dorfe von Haus zu Haus herumschickt, verschwindet auch immer mehr.
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gleich man dabei nicht vergessen darf, daß das Haus damals viel länger in der Familie forterbte, als jetzt. Vielleicht ließe sich auch sagen, daß sich dieser Gebrauch wahrscheinlich auch nur in den Städten findet.


Von der größten Wichtigkeit ist die Vergleichung der Hausmarken mit den Wappen, namentlich um die Bedeutung der Hausmarken in das rechte Licht zu stellen. Ich kann Michelsen (a. a. O. S. 53) nicht beistimmen, wenn er meint, "die Wappen seien decorirte Marken". Wenn auch hin und wieder einige alte adelige Geschlechter solche Zeichen im Schilde führen, welche mit den Hausmarken Aehnlichkeit haben, wie z. B. die von Gagern einen Kessellhaken (oder "Liekhaken": Gelenkhaken), so ist dies doch noch kein Beweis dafür, daß ein solches Zeichen ursprünglich eine Hausmarke gewesen sei, da bekanntlich alle möglichen Geräthe in den alten adeligen Siegeln vorkommen; überdies sind solche Fälle sehr vereinzelt. Auch kann ich meinem Freunde Masch (Lübeker Urkunden - Buch I, S. 761) nicht ganz beipflichten, wenn er sagt: "man darf die Hausmarken sicherlich den Wappenbildern des Adels gleichstellen". Man kann nur sagen, daß der gewöhnliche Bürger seine Hausmarke auch zum Siegeln gebrauchte. Vollkommen recht hat aber Masch gewiß in der Hauptsache, indem er sagt: "So wie der Adel die Wappenbilder zur Bezeichnung seiner Standes= und persönlichen Rechte anwandte, so gebrauchte der Bürger einfachere Zeichen, die meistens aus geraden, mannigfach gebrochenen und über einander gelegten Linien zusammengesetzt sind, und bediente sich derselben in allen Rechts= und Eigenthumsbezeichnungen, wie sich jene der Wappen bedienten". Ich glaube, man muß hier schärfer unterscheiden.

Die Wappen dienten zur Bezeichnung der persönlichen Verhältnisse, der Person und ihres Geschlechts (d. h. Familie) und stehen mit dem Eigenthum in keiner Verbindung. Der Adel hat nie Hausmarken, vielleicht weil der persönliche Lehndienst die Hauptseite seiner Stellung bildete.

In den Städten muß man aber die Patricier oder Geschlechter strenge von den gewöhnlichen Bürgern der Gewerke scheiden. Gewiß in allen größern Städten, mochten sie freie Reichsstädte sein oder nicht, gab es "Geschlechter", d. h. Rathsgeschlechter, aus denen sich der Rath ergänzte, in den größern freien Reichsstädten Patricier genannt. Alle diese

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Geschlechter" führen ein für die Personen erbliches Wappen in Schild und Helm; die "Siegelfähigkeit" ist ein sicheres Kennzeichen des Patriciats. Ich habe diese Ansicht in meiner Abhandlung Ueber das rostocker Patriciat, in den Jahrbüchern des Vereins für meklenb. Geschichte XI, S. 169 flgd. ausführlich entwickelt und bewiesen, wie ich hoffe. Daß die ältesten lübeker Bürgersiegel von 1290 (im Lübeker Urkunden - Buche I, Tab. I) Hausmarken haben, ist noch kein Beweis, daß die Aussteller keine Siegel mit Wappen hatten. Die ältesten rostocker Bürgersiegel von 1314 (Jahrb. a. a. O. Tab. II, zu S. 187) sind ungefähr ein Vierteljahrhundert jünger und haben alle, mit einer Ausnahme, Wappenzeichen im Schilde. Woher dieser Unterschied ? Ich glaube beweisen zu können, daß die "Geschlechter" oder die Patricier in den Städten doppelte Siegel führten, eines mit dem Geschlechtswappen und eines mit der Hausmarke. . Die Patricier führten das Geschlechtswappen, wenn sie als Mitglieder der Geschlechter auftraten, sie führten Hausmarkensiegel, wenn sie Urkunden über Eigenthumsverhältnisse ausstellten . Daher erklärt es sich, daß die lübeker Patricier von bekannten Geschlechtern Hausmarkensiegel gebrauchten, als sie Geldwechsel ausstellten, obgleich sie damals gewiß schon Wappensiegel hatten, da die rostocker Patricier schon ein Vierteljahrhundert später solche besaßen. Im Gegensatze führten die rostocker Patricier an der Urkunde vom 9. Januar 1314 (in Schröter's Beiträgen zur Meklenb. Geschichtskunde S. XX, vgl. Jahrb. XI, S. 176 und Tab. II) mit einer Ausnahme alle Wappensiegel, als sie dem Landesherrn eine rein politische Urkunde ausstellten; die eine Ausnahme ist die, daß Bernhard Kopmann (Tab. II, Nr. 2) eine Hausmarke gebrauchte, während Arnold Kopmann (Nr. 1) das Familienwappen führte, also dasselbe ein Mal repräsentierte.

Die Patricierwappen kommen im Verlaufe der Zeit sehr häufig vor; eben so oft kommt es vor, daß dieselben Geschlechter Hausmarken auf ihren Siegeln gebrauchten. Es mag sich der angegebene Unterschied nicht immer nachweisen lassen; oft fehlte im Laufe der Zeit vielleicht einem Patricier ein Geschlechtswappen, oft vielleicht ein Hausmarkensiegel, so daß sich der Unterschied wohl schwer strenge nachweisen läßt; aber ursprünglich wird dies gewiß der Fall gewesen sein.

Ich bin im Stande, einen schlagenden Beweis für meine Ansicht zu liefern. Es ist vor kurzem ein vielleicht in den Revolutionszeiten des 15. Jahrhunderts verloren gegangenes Doppelpetschaft des Hans Kirchhof, aus der bekannten rostocker Patricierfamilie, aus der ersten hälfte des 15. Jahr=

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hunderts stammend, gefunden worden, welches an einem Ende das bekannte Wappen der Familie Kirchhof, im Schilde einen Halbmond und darunter einen Stern, am andern Ende die Hausmarke des Hans Kirchhof hat (vgl. Jahrb. XVIII, S. 299). Aus solchen Beispielen scheint klar hervorzugehen, daß die Patricier immer zwei Siegel führten. In den Jahrb. XI a. a. O. Tab. II und III sind viele erbliche Wappen rostocker Familien abgebildet; daß die Patricier daneben auch immer Hausmarkensiegel führten, geht aus den in den Jahrbüchern abgebildeten, hier wieder mitgetheilten Hausmarken mit: der Hausmarke Hausmarke des bekannten Patriciers Ludwig Kruse vom Jahr 1333 und der Hausmarke Hausmarke des Hans Katzow vom Jahr 1491, der sich 1516 "Knappe" nennt.

Hiezu scheint folgende Erscheinung zu stimmen. In der Nicolaikirche zu Rostock stehen am Westende quer einige, wie es scheint zusammengehörende, in demselben Style gearbeitete, kurze Kirchenstühle hinter einander; an dem Seitenstücke des vordern Stuhles sind 3 (Patricier=) Wappen, an dem Seitenstücke des hinter diesem stehenden Stuhles sind 3 Hausmarken geschnitzt. Wahrscheinlich gehören diese Stühle zusammen; leide ist über die Wappen und Hauszeichen bis jetzt noch nichts erforscht.

Von hohem Interesse würde es sein, wenn sich der Gebrauch der Wappensiegel und der Hausmarken in bestimmten Familien längere Zeit hindurch nachweisen ließe; jedoch ist dies eine Forschung von sehr großem Umfange.

Uebrigens ward auf die Anfertigung der Siegel strenge geachtet, damit kein Mißbrauch geschehe. In der wismarschen Goldschmiedsrolle vom J. 1403 (Burmeister's Alterthümer des Wismarschen Stadtrechts S. 65) heißt es §. 14: "Nemandt von den goltsmeden schal graven segel edder pitzier ienigen upsichtigen edder weldigen personen, sunder em schude denne vorwissing, dat dat mark sin egen mark sy edder schildt".

Anders ist es mit dem eigentlichen Bürgerstande, dem gemeinen Kaufmann und dem Handwerker. Diese führten nur

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Hausmarken im Siegel. Dies kommt ohne Zweifel daher, daß dieselben als Personen keine publicistische Bedeutnng hatten. Wenn sie nicht grade "unecht" geboren waren, hatte ihre Herkunft keinen wesentlichen Einfluß auf ihre bürgerliche Stellung. Daher werden die Patricierfamilien immer "Geschlechter" genannt, weil das Geschlecht, d. h. die Herkunft, den Personen Stellung und Rechte verlieh. Der eigentliche Bürger führt daher nur die Hausmarke, weil das Bürgerrecht und in Folge dessen der Besitz des Hauses, an welches sehr häufig besondere Gerechtigkeiten, z. B. Braugerechtigkeit, geknüpft waren, die Grundlage der bürgerlichen Stellung des Bürgers war. Die Hausmarke des Bürgers diente daher auch wohl nicht allein zur Bezeichnung alles dessen, was zum Hause gehörte, z. B. Kirchenstuhl und Grab, sondern wahrscheinlich auch alles dessen, was durch das bürgerliche Gewerbe des Besitzers von dem Hause ausging, z. B. bei dem Kaufmanne der Waarenballen und Tonnen, bei dem Handwerker der verfertigten Geräthte. Noch bei Menschengedenken bezeichneten die Tuchmacher der Stadt Malchow das von ihnen verfertigte Tuch jeder mit seiner Hausmarke. Man kann daher wohl annehmen, daß die Kaufmannszeichen ursprünglich Hausmarken waren. Ich kann daher nicht mit Michelsen (a. a. O. S. 64) annehmen, daß "die Firma als solche ihre Marke hatte"; vielmehr entlehnte die Firma ihre Marke wohl von der Hausmarke. Da nun der Bürger kein anderes Zeichen als die Hausmarke hatte, so gebrauchte er dieselbe auch zum Siegeln.

Die Steinmetzzeichen sind nur willkührlich angenommene Zeichen der Arbeiter.

Jeder angesessene Mann, welcher nicht von Adels= oder Patriciergeschlechtern stammte, führte nur eine Hausmarke. Selbst angesehene Bürger hatten kein Wappensiegel. So führte z. B. 1423 der herzogliche Vogt zu Ribnitz Johann Krüger nur das beistehende Hauszeichen im Siegel (vgl. Lisch Berichtigung einer von dem Staatsminister v. Kamptz gemachten Aeußerung, Schwerin, 1844, S. 68).

Hausmarke

Daß die Bauern Hausmarken führten haben wir oben gesehen und ist allgemein bekannt. Eine höchst seltene Erscheinung ist, daß Bauern Wappenschilde führen. Im Jahre 1349 verkaufte der Bauer (villanus) Nicolaus Ehlers zu Weitendorf auf der Insel Pöl seine Hufe dem Heiligen Geist=Hospitale zu Lübek und stellte dabei Bürgen. Sein Bru=

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der, sein Sohn und sein Enkel besiegeln die Urkunde mit Siegeln, welche einen Schild mit einer Lilie, unter welcher drei Kugeln stehen, führen. Der Bauer Henning Kroos zu Timmendorf führt drei Krüge ("Krôs": Krug) im Schilde. Von den Bauern Nicolaus und Barthold Schulte, Brüdern, führt Nicolaus Schulte einen Schild, auf welchem eine rechte Spitze und im untern Abschnitte drei Herzen stehen, sein Bruder Barthold

dagegen nur die hieneben stehende Hausmarke Hausmarke. Der wismarsche Bürger Johann von Pol führt bei dieser Gelegenheit die hieneben stehende Hausmarke (vgl. Jahrbücher XV, S. 76 flgd.).

Hausmarke

- Dieses Beispiel ist bis jetzt ohne gleichen. Wenn auch die Bauern auf Pöl wohl immer freier standen als andere Bauern, und immer ihre Hufe abgesondert besaßen, wie noch jetzt die westphälischen Bauern, so ist doch ein zweites Beispiel von Siegeln mit Wappenschilden im Besitze von Bauern nicht bekannt geworden. Heute freilich führen die Bauern auf Pöl Siegel mit ihrem Namenszuge, obgleich sie auch noch die Hausmarke gebrauchen.

Dies sind die sichern Ergebnisse der Forschungen über den Gebrauch der Hausmarken in Meklenburg. Die eingeflochtenen historischen Beobachtungen sind einige hervorragende und schlagende Beispiele, - und für mehr wollen sie nicht gelten, - welche sich bei längern und angestrengtern Studien wohl vermehren lassen, die ich aber andern Händen oder andern Zeiten überlassen muß.

 

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VII.

Erinnerungen

an die nordische Mythologie
in Volkssagen und Aberglauben Meklenburgs,

von

W. G. Beyer , Dr., Archiv=Secretair.


Z wei Jahrzehnde sind bereits verflossen, seit der ehrwürdige Altmeister der vaterländischen Alterthumskunde, Jacob Grimm, den unumstößlichen Beweis geführt hat, daß die Herrschaft der aus der Edda bekannten nordischen Götter vor Einführung des Christenthums nicht auf Skandinavien beschränkt war, sondern sich auch über das gesammte germanische Festland erstreckte. Die Art aber, wie dieser Beweis geführt ward, verdient unsere höchste Bewunderung. Von heiliger Liebe zu seinem Volke und Vaterlande getragen, hat der große Mann mit unendlichem Fleiße in alten und neuen Büchern, aber zugleich in den Sagen und Mährchen der Hütten des armen Landvolkes und der Kinderstuben der Reichen geforscht, und jede, auch die leiseste Spur der längst aus dem Leben entflohenen Götter verfolgt, bis es ihm gelang, in das geheimnißvolle Dunkel ihres Heiligthums selbst einzudringen, wo seinem frommen, ahnungsvollen Geiste vergönnt ward, die hehren Gestalten zu schauen, die sich seit Jahrhunderten dem Blicke der Sterblichen entzogen hatten.

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Seine "deutsche Mythologie" ist gleichsam ein Tempel, den er den durch die Wissenschaft wieder erweckten heimischen Göttern erbauet hat. Seitdem haben sich auch andere deutsche Gelehrte mit größerem oder geringerem Erfolge bemüht, dies vaterländische Pantheon weiter auszubauen, zu reinigen und zu ergänzen 1 ), und in der That scheint es fast eine Pflicht der Pietät zu sein, daß Niemand zurückhält, der auch nur einen einzigen kleinen Baustein zur Vollendung des großen Baues zu liefern im Stande ist. Von dieser Ansicht getrieben, habe auch ich seit Jahren eifrig geforscht, ob sich auch in unserer Heimath vielleicht noch Spuren jener alten untergegangenen Götterwelt finden mögten, und meine Mühe ist nicht ohne Belohnung geblieben. Zwar habe ich in meiner jetzigen Stellung während der letzten 10 Jahre fast nur aus abgeleiteten Quellen, d. h. aus Büchern, schöpfen können, während in unserem Volksleben selbst gewiß noch manche lebendige Quelle unbenutzt im Sande verrieselt; aber meine dringende Bitte um Unterstützung an alle in dieser Beziehung glücklicher gestellten Vereinsmitglieder 2 ) ist leider ohne allen Erfolg geblieben, weshalb ich nicht länger säumen zu dürfen glaube, das, was ich selbst gesammelt habe, anspruchslos mitzutheilen. Vielleicht gelingt es mir durch diese Mittheilung dennoch, auch Andere anzuregen, in ihrer Umgebung die allenthalben noch zerstreut liegenden Schätze zu sammeln. Wer es noch nicht versteht, der kann es mit Grimm's Werken lernen, selbst aus dem dürren Sande des gemeinen Lebens Gold zu scheiden.

Aus den Forschungeu Grimm's und seiner Nachfolger ergiebt sich, daß die Verehrung der beiden Hauptgottheiten des Nordens, Othin und Thor, auch in Deutschland am verbrei=


1) Für Norddeutschland ist hier besonders zu nennen: A. Kuhn und W. Schwartz, norddeutsche Sagen, Mährchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848. Ich habe dies Werk in der folgenden Abhandlung neben Grimm's deutscher Mythologie zur Vergleichung vielfach benutzt und citire dasselbe mit den Anfangsbuchstaben der Verfasser K. u. Sch., sowie den Grimm mit Gr., letzteren jedoch in der Regel nach der älteren Ausgabe, da mir die neuere bei der letzten Redaction nicht zur Hand war. Benutzt sind natürlich auch Müllenhoff's und andere norddeutschen Sagensammlungen, welche aber auch schon in den vorgenannten Werken berücksichtigt sind, weshalb ich in der Regel nur jene citire. Dagegen zeigten sich die einheimischen älteren und neueren Schriften, z. B. die vielen Rostocker Festprogramme, Schmidt' Fastelabends=Gebräuche, Fr. Studemund's poetische Bearbeitung sogenannter Meklenburgischer Sagen und andere fast durchaus unfruchtbar für meine Zwecke.
2) Vgl. Jahresbericht von 1851, S. 11 ff. - Wo ich im Folgenden keine Quelle angegeben, habe ich entweder unmittelbar aus dem Munde des Volks, besonders in Parchim und dessen Umgebung, geschöpft, oder aus dem Berichte meiner Söhne, von welchen der eine Landmann ist und der andere als Ingenieur gleichfalls vielfach mit dem Landvolke verkehrt.
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tetsten war und am tiefsten in den Seelen der Menschen Wurzel geschlagen hatte, weshalb sie am schwersten auszurotten war, und vorzugsweise noch bis auf den heutigen Tag zahlreiche Spuren in den Sagen und der ganzen religiösen Anschauung des Volkes zurückgelassen hat. Diese Beobachtung finden wir auch in Meklenburg und der benachbarten Mark Brandenburg 1 ) vollkommen bestätigt, wogegen in beiden, Jahrhunderte hindurch nur von Slaven bewohnten, Ländern auch nicht die leiseste Erinnerung an die slavischen Götter zurückgeblieben ist. Keine einzige, wenn auch halb verklungene Sage deutet dem forschenden Freunde unserer Vergangenheit die heiligen Stätten an, wo einst die berühmten Tempel des Radegast und seiner Genossen standen, deren Macht und Herrlichkeit aus dem Gedächtniß der Enkel des überwundenen und in seiner Eigenthümlichkeit völlig untergegangenen Wendenvolkes spurlos verschwunden ist, wogegen die siegreich eingewanderten Sachsen neben dem dreieinigen Gotte der Christen auch die alten heidnischen Götter der Heimath in das eroberte Land einführten, und in blindem Wahne, aber zugleich mit fast kindlicher Treue, noch Jahrhunderte hindurch in Leid und Freude, in Furcht und Hoffnung, in Haß und Liebe an ihnen festhielten. Zwar ist Meklenburg heute unleugbar ärmer an alten Sagen, als andere deutsche Länder, was theilweise seinen Grund darin haben mag, daß das Volk, dem dieselben angehören, schon als Christen einwanderte, wenigstens erklärt sich daraus sicher die Beobachtung, daß diese Sagen bei uns nur selten an bestimmte Oerter und Namen, welche meistens slavisch geblieben sind, anknüpfen. Doch ist auch durch die verheerenden Kriege des 17. Jahrhunderts, durch welche die neuere Zeit bei uns mehr als anderswo von der Vergangenheit gleichsam losgerissen ist, namentlich mit dem Untergange fast der Hälfte der ehemaligen Dörfer, vieles verloren gegangen; denn grade die Dörfer sind die eigentlichen Bewahrer alter Traditionen, da in den Städten die Bevölkerung fortwährend mit zu vielfachen neuen Elementen gemischt wird und die skeptische Schulbildung der oberen Stände zu tief in die unteren Schichten hinabdringt, der von der Hand in den Mund lebende Tagelöhner auf den Höfen des flachen Landes aber so wenig an die Vergangenheit, als an die Zukunft denkt. Dazu kommt ferner der fromme Eifer der protestantischen Kirche, welche sofort nach errungenem Siege alle alten Sagen und Gebräuche des Volkes ohne Unterschied als papistische Ab=


1) Dr. Adelbert Kuhn, Ueber das Verhältniß Märkischer Sagen und Gebräuche zur Altdeutschen Mythologie; in den Märkischen Forschungen Bd. 1. 1841, S. 115 ff.
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götterei, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln unablässig verfolgte, selbst mit Zuhülferufung des weltlichen Schwertes, welches namentlich unter dem Herzog Gustav Adolph zu Güstrow (1654 - 1695) ganz in dem Sinne der Geistlichkeit mit consequenter unerbittlicher Strenge geführt ward. Dagegen sind in neuerer Zeit, wie in ganz Dentschland, so auch in Meklenburg, in Folge der allgemeiner verbreiteten Kultur und der vorherschend politischen Richtung der Zeit, wodurch der Einfluß der Religion auf Leben und Sitte des Volkes überhaupt geschwächt ist, auch die Ueberreste des alten Heidenthums im raschen Absterben begriffen. Noch aber ist genug übrig geblieben, um mit Hülfe der in ältern Schriften aufgezeichneten Nachrichten den Charakter desselben mit Sicherheit zu erkennen, dieser ist aber, wie gesagt, rein deutsch, eine Erscheinung, welche wichtig und bedeutungsvoll für die Geschichte unseres Landes ist und einen neuen Beweis liefert, wie vollständig nach der sächsischen Eroberung desselben die zurückgebliebenen, verhältnißmäßig unbedeutenden, slavischen Elemente in den deutschen aufgegangen sind, und wie albern es ist, wenn sich hin und wieder selbst gelehrte Forscher noch immer darin gefallen, unser Meklenburg als ein halb slavisches Land zu betrachten.

Ich wende mich nunmehr zunächst zu der Erforschung der Ueberreste der

Othins= oder Wodans=Sage

in Meklenburg, bemerke aber sofort, daß es nicht darauf ankommt, jeden einzelnen Zug derselben aus nordischen Quellen als ächt nachzuweisen, denn der heidnische Kultus in Deutschland wird theils von jeher manches Eigenthümliche gehabt haben, theils ist die noch lebende Sage wichtig und bedeutend genug, um selbst die Edda zu erläutern und zu ergänzen, ja in einzelnen Fällen zu berichtigen.

Der nordische Odhinn, bei den Longobarden und Sachsen Wôdan genannt, ist nach Grimm's Erklärung des Namens das allmächtige, alldurchdringende Wesen, und dieser Erklärung entspricht vollkommen das Wesen der Gottheit. Er ist der göttliche Geist, der von Anfang an über dem Chaos schwebte und, dasselbe durchdringend, Schöpfer des geordneten Weltalls ward, in welchem er fortan als höchster Herscher des Himmels nach unerforschlichem Rathschlusse waltet. Daher sein Name Alfadur, Allvater, Vater aller lebendigen Wesen, Götter und Menschen, deren Leben und Tod, Heil und Verderben in seiner Hand ruht. - Er ist die Nacht, welche den Tag, der Tod, welcher das Leben erzeugt. - Jener ersten Periode der Schöpfung des Weltalls vergleicht sich aber in dem ewigen Kreislaufe des Jahres

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der wüste, dunkle, todesstarre Winter, aus welcher die Erde im Frühling durch den schöpferischen Hauch Gottes zu neuem Leben geweckt wird. Daher ist der Winter schon nach unzweideutigen Sagen der Edda die Jahreszeit der Herrschaft Othins, sein eigentliches Reich, und dieser Auffassung entspricht auch seine ganze äußere Erscheinung: ein Greis in grauem Mantel, mit breitkrempigem Hute, weißem Schilde und der kriegerischen Lanze, auf schneeweißem Rosse reitend, dazu einäugig, gleich der schielenden, nur die Hälfte des Tages leuchtenden Wintersonne, - so schildert ihn die nordische Sage. - Aus diesem ursprünglichen Wesen Othins als höchster und allgemeiner Naturgottheit entwickelt sich nun durchaus einfach und ungezwungen seine ethisch= persönliche Erscheinung. Sein dunkles geheimnißvolles Walten war nicht geeignet, Liebe und Vertrauen zu wecken, sondern erfüllte die Seele der Sterblichen mit Furcht und Grauen. Daher der Glaube, daß nur blutige Opfer seinen Zorn besänftigen, und selbst Menschenblut floß an seinem Altare, dessen Name Woutan schon im Heidenthume als der Schreckliche, Wüthende gedeutet ward. Demgemäß erscheint er vor allem als Gott des Krieges 1 ) und der Jagd, aber zugleich des Handels und der Schifffahrt, da der Verkehr mit fremden Völkern immer als eine Art Krieg betrachtet ward; ferner als Beschützer der zumeist nur im Winter betriebenen Künste und Gewerbe, sowie aller geheimnißvollen Weisheit, weshalb das ganze unheimliche Zauberwesen in seinem Dienste geübt ward. Sieg, Ehre und Reichthum kam von ihm, aber er vertheilte seine Güter nach ewigem Schicksalsschlusse, der dem Auge des Sterblichen als Laune und Willkür erschien, so war er vorzugsweise der Gott der Hohen und Reichen, der Fürsten und Helden, welche nach dem Tode bis zum Untergange der Welt mit ihm in dem freudenreichen Walhalla zu leben hofften, während die Masse des Volkes von seinem Himmel ausgeschlossen blieb.

Als Gattin Othins erscheint in der Edda die hohe Göttermutter Frigg, auch Fjörgyn und Jörd, d. h. Erde, genannt. Sie war also nach der Vorstellung des Nordens eine Erdgöttin, aber dem Wesen ihres Gatten gemäß ist dabei ursprünglich sicher nicht an unsere erwärmende und ernährende Erde zu denken, die der Mensch zu allen Zeiten als seine liebe Mutter betrachtet


1) Der besondere Gott des Krieges, Othins Sohn Tyr, althochd. Ziu, ist offenbar nur eine jüngere Abspaltung aus dem vielseitigen Wesen des Vaters. Das Wort, mit welchem viele Beinamen Othins und Thors zusammengesetzt sind, bedeutet überhaupt das göttliche, Gott, und Othin selbst heißt ausdrücklich Sigtyr, der Siegesgott. - Daß Tacitus den germanischen Othin dem römischen Mercurius verglich, ist bekannt, andern erschien er als Mars.
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hat, sondern an den chaotischen Urstoff aller Dinge, aus welchem Othin das Weltall schuf, als er im Anfang der Zeit, denselben mit seinem göttlichen Geiste durchdringend, sich gleichsam mit ihm vermählte. Aber diese abstracte Idee lag natürlich den Begriffen der Menge zu fern, weshalb man sich schon früh damit begnügt zu haben scheint, in der hohen Gattin Allvaters, mit welcher dieser seinen Himmelsthron theilte, einfach und ohne weitere mystische Deutungen ein Vorbild der sorgenden Hausfrau und Mutter zu verehren, ja offenbar wird sie selbst in der älteren Edda mehrmals mit der Freia, der Göttin der Liebe, verwechselt, wie umgekehrt mehre Mythen, welche nur auf Frigg, Othins Gemahlin, zu passen scheinen, von der Freya erzählt werden, z. B. daß sie auf einem mit Katzen bespannten Wagen zur Schlacht ziehe und sich mit Othin die Erschlagenen theile 1 ).

Diesem seinem ursprünglichen Wesen gemäß tritt Wodan in den Sagen des germanischen Festlandes überall, nachdem er durch das Christenthum seiner Göttergestalt entkleidet ist, als unheimliches, nächtliches Schreckbild auf, ja häufig gradezu in der Gestalt des christlichen Teufels. Neben ihm aber erscheint zugleich seine Gattin, mit ihm gleichsam zu einem Wesen verschmolzen, als ein weiblicher Wodan, der unter den verschiedensten Namen als Frau Freke und Frick, Frau Holle, Bertha, Harke u. s. w., selbst als Hera und Diana, oder ohne besonderen Namen als die weiße Frau in allen Gegenden Deutschlands bekannt ist; gleich ihrem Gemahle eine wahre Wintergottheit im glänzenden weißen Kleide, mit eisiger Nase 2 ), die, wenn sie ihr kaltes Bett macht, die Luft mit Schneegestöber erfüllt.

Die meklenburgische Sage kennt nun gleichfalls sowohl die männliche, als die weibliche Gottheit, aber beide nur unter dem ächten, alten Namen des Gottes Wode, unverkennbar eine bloße Verkürzung aus Wodan. Die neueren einheimischen Schriftsteller, welche dieser Erscheinung gedenken, schreiben den Namen nach der Volksmundart ihrer Gegend bald Wode oder Waud, bald Wôr oder Waur. Dcr Doppellaut au, oder genauer vielleicht ou, vertritt nämlich in der breiten Aussprache des Landvolkes, besonders im östlichen Meklenburg, bekanntlich die Stelle des ursprünglichen tiefen ô, und das auslautende d vor dem abgeworfenen e verwandelt sich nach allgemeiner meklen=


1) Gr. S. 193. Vgl. auch S. 192.
2) Das heutige Volk giebt ihr eine eiserne Nase, was ein offenbares Mißverständniß ist. Auch in Frankreich ist sie als dame blanche allgemein bekannt und die notre dame aux neiges erklärt vielleicht auch dort die Bedeutung der weißen Farbe.
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burgischer Aussprache in r, z. B. de Gor' (Gaur'), statt Gode =der Gute, de Bôr' (Baur') statt de Bode=die Bude, de Rôr' (Raur') statt de Rôde=die Ruthe und der Rothe, u. s. w. Wode, Waud', Wor' und Waur' sind also nur verschiedene Formen eines und desselben Namens. Mehr abweichend ist die Form Gode, welche bei uns jedoch nur von der weiblichen Erscheinung, der Fru Goden, in der südlichen Grenze des Landes, wie der benachbarten Prignitz, Lüneburg, Braunschweig u. s. w. gebraucht wird, aber durchaus nicht irre machen darf, da auch der Name des Gottes Gwodan, Godan geschrieben wird. Endlich findet sich noch die Form Wol statt Wor' 1 ), die ich zwar aus dem Munde des Volkes selbst nicht zu bestätigen vermag, die aber auch im Holsteinschen (Müllenhoff S. 371) und in der Gegend vom Steinhuder See im Hannoverschen (K. u. Sch. S. 395) vorkommt und sich dem Schaumburgischen Wold vergleicht (Gr. S. 105).

Die Weiblichkeit der Fru Woden oder Goden beruht übrigens vielleicht nur auf einem Mißverständnisse, denn das Fru könnte ursprünglich dem althochdeutschen frô, gothisch frauja, d. h. Herr entsprochen haben, da Ulfilas grade diesen Ausdruck vorzugsweise zur Bezeichnung Gottes gebraucht, und in der That scheint auch der Pastor Mussäus zu Boizenburg, ein scharfsinniger Beobachter der Sitten und Sagen des Volkes, in seiner Gegend einem männlichen Fru Wod begegnet zu sein 2 ). Da indeß unsere Fru Woden zugleich der Frau Fricke, Holda, Bertha u. s. w. in andern Gegenden Deutschlands vollkommen entspricht, so ist doch auch möglich, daß sich die Sage ursprünglich auf eine weibliche Gottheit, nämlich die nordische Frigg, bezieht, auf die man nicht nur den Namen ihres Gatten übertrug, sondern beide auch dem Wesen nach mit einander vermischte. Daß aber für den Namen der weiblichen Erscheinung die Form Gode vorherrschend ward, hängt ohne Zweifel damit zusammen, daß man vorzugsweise die milderen Züge der Sage auf sie übertrug und dem gemäß ihren Namen durch die gute Frau erklärte. Diese Bezeichnung paßt indeß keineswegs auf das eigentliche Wesen der Erscheinung, weshalb in einigen Gegenden des Landes die Sage, ohne Zweifel in jüngerer Zeit, der Fru Goden noch eine Fru Bösen 3 ) entgegensetzt, grade wie


1) Ueber den Aberglauben, von dem verstorbenen Prof. Flörke zu Rostock, in dem Freimüthigen Abendblatt 1832, Nr. 698 ff.
2) Mussäus über die niedern Stände in Meklenburg, Jahrb. II, S. 130.
3) Im 16. und 17. Jahrhundert kommt auch der Familienname Frobose ziemlich häufig vor.
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die Frau Holde auch als Frau Unholde erscheint. Dagegen treten der männliche Wode und Fru Goden niemals neben einander auf, indem vielmehr in allen Gegenden, wo jener sein Wesen treibt, d. h. namentlich an der Seeküste und in der Mitte des Landes, diese völlig unbekannt ist, und umgekehrt.

Am bestimmtesten tritt nun die Identität dieser Erscheinungen mit den heidnischen Gottheiten in den abergläubischen Gebräuchen des Volkes zur Zeit der Ernte und in den sogenannten Zwölften, d. h. den 12 Tagen von Weihnacht bis H. drei Könige hervor, in welche Zeit die beiden Hauptopferfeste des Nordens fielen, an welche sich vorzugsweise die Verehrung Othins oder Wodans knüpfte. Das große Herbstopfer war zwar zunächst und hauptsächlich ein Dankopfer für den Erntesegen (til ars), aber es galt auch zugleich dem kommenden Winter (at fagna tha vetri, d. h. zum Empfange des Winters), und diese Bedeutung tritt auch auf dem Festlande in den Gebräuchen unsers Erntefestes bestimmt und unzweideutig hervor, indem man früher allgemein und theilweise noch jetzt beim Abmähen des Winterkorns auf jedem Felde einen Haufen stehen ließ und feierlich dem Wode weihete.

Das älteste Zeugniß für diesen merkwürdigen Gebrauch enthält der ausführliche Bericht des Rostocker Predigers Nicolaus Gryse aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. "Im Heidendome", erzählt derselbe, "hebben tor tydt der Arne de Meyers dem Affgade Woden umme gudt Korn angeropen, denn wenn de Roggenarne geendet, hefft man up den lesten Platz eins ydern Veldes einen kleinen ordt unde Humpel Korns unafgemeyet stan laten, dat sulwe baven an den Aren drevoldigen thosamende geschörtet unde besprenget, alle Meyers syn darumme hergetreden, ere Höde vom Koppe genamen und ere Seyßen na dersulven Wode unde geschrencke dem Kornbusche 1 ) upgerichtet, unde hebben den Wodendüvel dremal semplick lud averall also angeropen unde gebeden: Wode, hale dinem Rosse nu Voder, Nu Distel und Dorn, Thom andren Jhar beter Korn! - Welker affgodischer gebruck im Pavestdom gebleven, darher denn ock noch an dessen orden, dar Heyden gewanet, by etlyken Ackerlüden solcker avergelovischer gebruck in der anropinge des Woden tor tydt der Arne gespöret wert" 2 ).


1) Offenbar ein Druckfehler statt: geschrenkedem, d. h. verschränktem, keuzweise gebundenem Büschel Korn.
2) Spegel des Antichristischen Pavestdoms und Lutherischen Christendoms, Na Ordnung der v Hovetstücke unsers H. Catechismi underscheiden dorch Nicolaum Grysen. Rostock durch Steffen Müllmann MDXCIII. dat 2. Gebot. (Bogen 1.)
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Diese Erzählung wird vollkommen bestätigt durch einen gleichzeitigen Bericht über den auf dem Lande herrschenden Aberglauben, wovon leider nur ein Bruchstück im hiesigen Archive erhalten ist. Darin heißt es: "Wan nemblich die Roggen=Ernte geendiget, lassen die Meyer auf dem letzten Stücke Ackers ein klein Plätzlein oder, wie mans nennet, Humpel roggen stehen. Densulven vnafgemeyten Roggen schurtzen sie oben an den arndten dreyfach zusammen vnd besprengen ihn mit Wasser. Wan das geschehen, stellen sie sich samptlich mit gebloßeten Heuptern in einen beschlossenen Circul oder Kreyß herumb, richten ihre Seicheln auffwerts gegen den geschrenckten Kornbusch, rufen vnd schreyen vber laut:

Ho Wode, Ho Wode, du goder,
   Hale dinem Rosse nu voder,
Hale nu Disteln vnd Dorn,
   Thom andern Jar beter Korn!" 1 )

Eben dieses Gebrauches erwähnt auch der Präpositus Franck zu Sternberg in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, wobei er allerdings den Nicolaus Gryse als seinen Gewährsmann anführt, aber zugleich versichert, daß er selbst alte Leute gesprochen, welche sich dieser Feldlust noch aus ihrer Jugend erinnert hätten. Auch giebt er den Weihspruch etwas abweichend so an:

Wode! Wode!
   Hahl dinem Rosse nu Boder!
Nu Distel und Dorn,
   Ächter Jahr bäter Korn! 2 )

Zu Franck's Zeit war also das eigentliche Wodensopfer schon außer Gebrauch, aber gleichwohl haben sich noch bis auf den heutigen Tag unzweifelhafte Spuren desselben erhalten. Noch jetzt nämlich sind die angeführten Verse in den Dörfern der Umgegend von Rostock bekannt, wenn auch nur in dem Munde der Kinder, und noch jetzt ist es eben dort Sitte, am Ende des Feldes einen Büschel Korn stehen zu lassen, wenn man ihn auch nicht mehr in feierlichem Gesange und Tanze dem Gotte weihet. In der Gegend zwischen dem Schweriner See und der Warnow, namentlich bei Bützow, hat man das Opfer zwar eingezogen, aber allgemein scheuen sich die Schnitter, die letzte Schwade, welche der Wolf genannt wird, abzumähen, und jeder strengt


1) Der Berichterstatter hat offenbar den Nicol. Gryse vor sich gehabt, und vielleicht hat dessen Ezählung eben Veranlassung gegeben, darüber Bericht einzufordern. Dadurch wird aber dem Gewichte des letzteren nichts genommen.
2) Dav. Franck A. u. N. M., 1753. B. I, S. 57.
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seine äußerste Kraft an, um nicht der letzte zu sein. Wem aber dennoch das Loos gefallen ist, den Wolf mähen zu müssen, der muß an einigen Orten dieser Gegend mit seiner Binderin eine mit buntem Bande geschmückte Strohpuppe daraus machen, welche gleichfalls Wolf genannt, in eine Garbe gesteckt und mit dieser oben auf die letzte Hocke gepflanzt, später aber häufig mit zu Hause genommen und bei dem folgenden Erntebier aufgestellt wird. Der Wolf war bekanntlich Wodans geheiligtes Thier, und wir werden später noch öfter bemerken, daß derselbe in den Sagen und Aberglauben des Volkes gradezu die Stelle des Gottes selber vertritt, dessen Namen man zu nennen sich scheuet. Jene Wolfpuppe ist also ein wirkliches Götzenbild.

Derselbe Gebrauch findet sich in der ganzen Ukermark und den angrenzenden meklenburgischen Aemtern, z. B. in Mirow und Wredenhagen. Die Puppe jedoch, welche entweder auf dem letzten Fuder jubelnd heimgebracht oder von der letzten Binderin feierlich in das Dorf getragen wird, hat hier allgemein den eben so bezeichnenden Namen des Alten, de Oll' (K. u. Sch. S. 396 - 397 und 399). Zwar glaubt Kuhn diesen Namen auf Thor beziehen zu müssen, welchem demnach auch das Opfer gebracht wäre, allein abgesehen davon, daß der Name selbst bei weitem besser auf Wodan paßt, als auf den männlich kräftigen Donnerer, so weis't die Vergleichung mit dem beschriebenen, durchaus gleichen Erntegebrauch bei Bützow und die dortige Benennung der Puppe zu entschieden auf den Zusammenhang der Sitte mit dem schon im 16. Jahrhundert beschriebenen Wodansopfer hin, als daß man denselben verkennen könnte. Eben so entschieden spricht dafür der ganz ähnliche Gebrauch im Oldenburgischen unter Anrufung des Waud, und im Schauenburgischen, wo in den noch jetzt üblichen Weihversen der Empfänger unter dem Namen Wold gradezu als himmlische Gottheit und zwar als der aus seinem Throne (Hlidskialf) sitzende Othin geschildert wird: Häven=Hüne weit wat schüt, jümm hei dal vom Häven süt (Gr. S. 105 und 2te Ausg. S. 106).

Auch im Hannoverschen kennt man den Gebrauch, nur daß das Opfer hier der Fru Gauen dargebracht wird, deren Identität mit unserer Fru Goden nicht zweifelhaft ist. Die Namen sind nur dialectisch verschieden, da man in dortiger Gegend z. B. auch Fauer statt Foder=Futter, Raue statt Rode =- Ruthe, und de gaue statt de gode= die gute spricht. Höchst interessant aber ist es, hier die in Meklenburg schon im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Verse mit geringer Abweichung und

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auf die Frau Goden angewendet, wiederzufinden 1 ). Eben so tritt auch in der Altmark die Fru Gode in die Stelle ihres Gemahls, indem die Opferähren hier das ver 2 ) Goden deel genannt und ihr als Strauß geweihet werden. Auch das Erntefest selbst heißt dort hin und wieder Vergodendêl (K. u. Schw. S. 394).

Endlich ist derselbe Gebrauch auch in Schonen, Blekingen und andern nordischen Gegenden nachgewiesen; wie früher in Meklenburg wird hier noch jetzt die letzte Garbe, theilweise unter feierlichem Gesang und mit Anzündung eines Freudenfeuers, dem Othin dargebracht, oder vielmehr seinem Pferde (Gr. S. 104 und 529 - 530), eine Bestimmung, welche nicht zu übersehen ist, da der Gott selber blutige Opfer forderte. Doch ward ihm in einigen Gegenden des Nordens bei dem fröhlichen Gelage nach vollendeter Ernte ein Trankopfer gespendet, woran vielleicht auch bei uns noch der alte Name dieses Gelages, des heutigen Erntebiers, erinnert. Nach Franck a. a. O. ward dasselbe nämlich früher Wodelbier genannt, ein Ausdruck, welchen auch Mantzel zu kennen scheint, wenn er neben Gilden, Ahrenklazen und andern Gelagen auch der Weddelbiere gedenkt 3 ). Nach Mantzel (Thl. 24, S. 65) soll übrigens das Erntefest früher feststehend am Bartholomäustage (24. Aug.) gefeiert sein, wobei es Sitte gewesen, aus einem Roggen=Brote allerlei Figuren und symbolische Bilder zu schneiden. Darauf soll der Vers Bezug haben:

De mi minen Teller snitt,
ut minen Kes maket ên Schipp,
ênen Bartelmäus ut min Brod,
den heff ick in min Hus unnoth!

Was nun die Bedeutung dieses Opfers betrifft, so halte ich es ganz entschieden für einen Irrthum, wenn selbst Grimm, und nach ihm alle neueren, dasselbe als ein Dankopfer auffassen und dem zufolge den Todesgott Wodan, den greisen Herrscher


1) Gr. S. 153, und in Bezug auf den dortigen Dialect, 2te Ausgabe, S. 434.

Die Verse lauten hier:
Frau Gaue, halet ju Fauer!
Düt jar up den Wagen,
ander jar up de Kare!

Die beiden letzten Verse sind wahrscheinlich nur durch Mißverständniß umgedreht und lauteten ursprünglich vielleicht:

Düt jar up de Kar,
up den Wagen ander Jar!

2) Das "ver" ist eine bekannte und im Mittelalter allgemein übliche Verkürzung aus Fru.
3) Mantzel (Prof. in Bützow) Bützowsche Ruhestunden 1764, Thl. 13, S. 51.
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im Reiche des Winters, zugleich zu einem Gotte der Fruchtbarkeit stempeln, der den Erntesegen verleihe. Wie ich schon oben angedeutet habe, entspricht dies Opfer nach meiner Ueberzeugung vielmehr dem alten nordischen blôt at fagna tha vetri, zum Empfange des Winters; es war ein Sühnopfer, dem herannahenden Todesgotte dargebracht, damit er die künftige Saat nicht verderbe. Er war es nicht, der den Segen der Ernte verlieh, aber er konnte ihn zum voraus vernichten. Darum ward die ihm geweihete Garbe von dem Winterkorn genommen und für das nächste Jahr die Verdoppelung derselben verheißen. Diesen Sinn, welcher bei einem andern, gleich zu erwähnenden Aberglauben rücksichtlich des Flachsbaues noch deutlicher hervortritt, hat schon Franck, gewiß nach den Berichten seiner Gewährsmänner, richtig erkannt und eben so wird derselbe in den Berichten über die ähnlichen nordischen Gebräuche bestimmt ausgesprochen, z. B. in Bezug auf das Kornopfer für das Pferd des wilden Jägers auf Mön und des sogenannten Jöde zu Upsala (Gr. S. 529 und 530). In dem gleichen Sinne endlich opfert man in Norwegen am Julabende selbst den Sperlingen eine Garbe Korn (Gr. S. 106), eine Sitte, welche sich gleichfalls auch auf dem Festlande, in einigen Gegenden Hannovers wiederfindet, wo man den letzten, unabgeschnittenen und mit einem Strohbande zusammengebundenen Kornbüschel den Vogelzehnten (vågeltejen) nennt (K. u. Schw. S. 395).

Aber auch das zweite, und gewiß das Hauptopfer in dem Erntefeste des Nordens, das blôt til ars, wird auf dem heidnischen Festlande nicht gefehlt haben. Wenn gleichwohl die Nachweisung desselben schwieriger ist, so liegt der Grund davon einfach darin, daß das christliche Ernte=Dankfest unmittelbar in dessen Stelle getreten ist und deshalb die alten heidnischen Gebräuche in diesem Falle vollständiger verdrängt hat. Doch scheint auch davon immer noch Einiges übrig geblieben zu sein. Nicht bloß das Ende der Ernte, sondern auch der Anfang derselben, das Anmähen, wozu die Schnitter und Binderinnen noch jetzt mit bunten Bändern festlich geputzt auf das Feld hinausziehen, ward in früheren Zeiten viel feierlicher begangen als jetzt, ja es ward sogar im ganzen Lande (nicht bloß bei Mirow, K. und Schw. S. 398) kirchlich durch das Läuten der Glocke geweihet. Im Heidennthume aber ward wahrscheinlich schon jetzt das erste Dankopfer gebracht, wodurch es sich zu erklären scheint, daß in einzelnen Gegenden, z. B. in der Prignitz, das übliche Kornopfer nicht aus der letzten, sondern aus der ersten Garbe, welche schlechthin Austgarbe heißt, genommen wird (K. und

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Schw. S. 397), was unverkennbar auf ein ursprünglich doppeltes Opfer hinweis't. Vielleicht ward die große Krone, aus Aehren und Blumen gewunden und mit seidenen Bändern und Knittergold reichlich geschmückt, welche man bei uns überall beim Erntefest aufhängt und bis zum nächsten Jahre aufbewahrt, früher gleichfalls aus dieser ersten Garbe genommen. In der Gegend von Höxter und Minden herrscht nun aber der Gebrauch, auf diese Krone einen hölzernen Hahn zu befestigen, und auch in andern Gegenden Deutschlands spielt dieses Thier eine Hauptrolle bei den Erntegebräuchen, indem bald bei Ueberbringung des Erntekranzes von der Herrschaft ein Hahn geschenkt, bald ein feierliches Hahngreifen veranstaltet wird, ja hie und da wird sogar die letzte, von den Binderinnen mit einem Kranze geschmückte Garbe, der Hahn genannt, wie bei uns der Wolf (K. u. Schw. S. 397 und 398). Der Hahn war aber Thor's geweihetes Thier, wie der Wolf das des Wodan; jene Garbe war daher unzweifelhaft das dem Thor, dem Gotte der Fruchtbarkeit, dargebrachte Dankopfer neben dem Sühnopfer Wodan's, obgleich der heutige Gebrauch beide nicht mehr strenge auseinanderhält.

Das Hauptfest des Jahres, das 12tägige Julfest, feierte der heidnische Nordländer bekanntlich zur Zeit der Winter=Sonnenwende. An ihm wurde zwar allen Göttern geopfert, vor allen aber Othin, dem Gotte der Götter, der grade um diese Zeit am unumschränktesten herrschte. Wir dürfen daher erwarten, daß sich auch in den christlichen Festgebräuchen und dem sich daran knüpfenden Aberglauben manche Erinnerung an die einst so mächtige Gottheit erhalten habe, - und so ist es auch. Selbst an dem Christabende und in Begleitung des heiligen Christkindes wußte sich der heidnische Gott in die festlich erleuchteten Wohnungen der Gläubigen einzuschleichen und weiß es wohl noch hie und da, wenngleich bis zur Unkenntlichkeit vermummt. Auch gegen diese Entweihung des christlichen Festes erließ der Herzog Gustav Adolph; unterm 25. November 1682 ein strenges Edict, worin es namentlich heißt, daß an diesem Feste "dem gemeinen Gebrauch nach allerlei vermummte Personen unter dem Namen des Christkindleins, Nicolai und Martini auff den Gassen umher lauffen, in die Häuser entweder willig eingeruffen werden oder auch in dieselben sich hineindringen, derogestalt, daß den Kindern eingebildet wird, als wenn es das wahre Christkindlein, welches sie anzubeten angemahnet werden. Nicolaus und Martinus auch als Intercessores bei demselben die Kinder zu vertreten sich annehmen, auch sonsten andre nichtige, unchristliche, muthwillige Dinge in Worten und Werken

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vornehmen und treiben". Diese Mummereien aber hätten "aus dem abergläubischen und abgöttischen Papstthum, ja wohl gar mutatis nominibus et personis aus dem stockfinsteren Heidenthume den Ursprung", weshalb dieselben "bei willkürlicher und ernster Strafe gänzlich abgethan und durchaus bei Adel und Unadel verboten sein sollen". Die Art der Intercession der gedachten beiden Heiligen wird nicht näher bezeichnet und auch die Schriftsteller, welche dieser Mummereien gedenken, setzen dieselben als bekannt voraus. In einem Weihnachtsprogramme des Professors Herm. Christ. Engelken in Rostock von 1727 führt dieser jedoch an, daß das Christkind weiß gekleidet, sein Begleiter, der Rug' Klas, dagegen in allerlei rauhe Felle gehüllt und daß beide noch von einer Schaar jugendlicher Gestalten umgeben waren, welche Engel vorstellten. Der alte Franck aber, welcher gleichfalls heftig gegen diese Sitte eifert, macht die merkwürdige Aeußerung, daß wir als Christen für dergleichen Teufelsspiel billig einen Abscheu tragen und unsere Kinder nicht mit Wodansgesichtern erschreckten sollten, wann wir sie mit dem lieben Jesus=Kindlein erfreuen wollten; viel weniger sollte man ihnen Christum und den Teufel zugleich zur Anbetung darstellen.

Hiezu giebt nun der in andern benachbarten Gegenden noch bis heute erhaltene Gebrauch den besten Commentar. In den Marken, Anhalt, Hannover, Westfalen u. s. w. sucht nämlich der auch hier entweder Klas oder Ruprecht genannte Begleiter des Christkindes durch künstliche, mit weißen Tüchern behängte Auswüchse auf Rücken und Brust die Gestalt eines Schimmelreiters nachzuahmen, während andere Bursche, in der Gegend von Ruppin die Feien genannt, sich das Gesicht schwärzen und als alte Weiber verkleiden (K. u. Schw. S. 402 - 403 und Märkische Forschungen a. a. O. S. 117 - 118). - Ganz dieselbe Vermummung findet sich in andern Gegenden Norddeutschlands bis nach Thüringen hinaus und anscheinend hie und da auch in Meklenburg um Fastnacht wieder, wohin überhaupt viele ursprüngliche Weihnachts= und Neujahrsgebräuche verlegt zu sein scheinen (K. u. Schw. S. 369 u. Rabe, plattd. Volksbuch S. 227). - Dieser Schimmelreiter, ein echtes "Wodansgesicht", ist offenbar kein Anderer, als der Gott selbst mit seinen Walkyrien, welche in Meklenburg schon 1727 in Engel verwandelt waren. Gegenwärtig kommen indeß diese Verkleidungen bei uns, so viel ich weiß, um Weihnacht überhaupt nicht mehr vor; nur die Erinnerung an den heiligen Nicolaus hat sich erhalten, indem man an dem Christabende den unartigen Kindern zu drohen pflegt, Nuhklas werde kommen und sie in den Sack stecken (worauf

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auch Franck anspielt), während das Kind Jes' (gewöhnlich Klingjes) die artigen beschenke. Wie der heilige Nicolaus, dessen Fest die katholische Kirche bekanntlich am 6. December begeht, zu dieser Rolle kommt, weiß ich nicht anzugeben. Der heilige Martin dagegen, dessen das Edict von 1682 neben jenem gedenkt, der aber jetzt gänzlich vergessen ist, erscheint in andern Sagen gleichfalls als Schimmelreiter im weiten Mantel, und auch die ihm geweihete Gans weist auf Wodan hin worauf schon Kuhn aufmerksam gemacht hat (K. u. Schw. S. 517 u. a. a. O.). Uebrigens sind die Worte des Gesetzes ohne Zweifel so zu verstehen, daß einer von beiden, nicht beide zugleich, also nur eine Person unter zwei verschiedenen Namen, als Begleiter des Christkindes aufgetreten sei, wenigstens wissen schon Engelken und Franck von einer doppelten Begleitung nichts.

Völlig unverkappt treibt aber der alte Kriegs= und Jagdgott und sein weiblicher Doppelgänger in den auf den heiligen Abend folgenden und während der ganzen alten Festzeit bis zu dem Tage der heiligen Drei Könige, welche Zeit man bekanntlich schlechthin die Zwölften nennt, sein unheimliches Wesen. Es ist dies nämlich die Zeit der wilden Jagd des Wode und der Fru Woden; zwar kommt diese Erscheinung den ganzen Winter hindurch vor (niemals im Sommer), vorzugsweise jedoch fiel das Jagdfest des Gottes in die heiligen Zwölften, weshalb ich hier zusammenstelle, was die Sage darüber berichtet. Den allgemeinen Glauben an diese wilde Jagd bezeugt schon der oben angeführte Bericht über den auf dem Lande herrschenden Aberglauben aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, wo versichert wird, daß "der Bauren bericht nach mehr gemeldter Wode, oder vielmehr der Teuffel selbst, sich oftmals zur Winterzeit des Nachts gleich einem Jäger mit einem Geschrei vnd hunden auffm Felde hören vnd sehen lasse". Ganz ähnlich spricht sich Nicol. Gryse a. a. O. darüber aus. Johann Peter Schmidt, Professor in Rostock 1 ), bemerkt gleichfalls, indem er von Wodan spricht, daß noch viele Leute, besonders aber die Jäger den Wahn hegten, "als wenn um Weihnachten und Fastelabend aus der sogenannte Woor, die Goor, der wilde Jäger ziehe, das ist: der Teuffel mit einem Hauffen Polter=Geister eine Jagd anstelle". Auch Franck (a. a. O. S. 55 und 56) kennt diese Wodensjagd namentlich in den Zwölften und versichert, daß man in allen Ostseeländern Vieles davon zu erzählen wisse, wie der Wode hier über den Hof, dort über die Küche gejagt. Er


1) Fastelabendssammlungen, oder geschichtsmäßige Untersuchung der Fastelabends=Gebräuche in Meklenburg etc. Rostock 1742, S. 76, in der Note.
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meint aber, daß die Fabel in Meklenburg ziemlich vergessen sei, nachdem durch Einführung der Glashütten die mehrsten Hölzungen des Adels sehr dünne gemacht worden. Wie sehr er darin irrte, beweisen die Berichte des Professors Flörke (über den Aberglauben, a. a. O.) und des verstorbenen Pogge auf Zierzow 1 ) u. a., welche übereinstimmend versichern, daß der Glaube an diese Jagdzüge noch jetzt unerschüttert und allgemein verbreitet ist. Eine genauere Schilderung der Jagd giebt Mussäus (a. a. O. S. 133). Nach ihm reitet der wilde Jäger, gewöhnlich "Waud", an der Elbe Fruh Wod genannt, auf einem Schimmel mit vielen bellenden Hunden an einer Kette und vielen Kutschen über und neben einander, zuweilen auch (an der Elbe) in Gestalt eines Heuschobers, und wird von Einigen für einen alten Edelmann gehalten. Er thut denen nichts, die mitten im Wege bleiben; daher sein Zuruf an den Wanderer: "midden in den Weg!" Aehnlich erschien er einem Bauern in Ganschow bei Güstrow. Auch ihn warnte der Führer des Zuges durch den Zuruf: "Hol den Mittelweg, unn min Hunnen dôn di nicks!" 2 ) Er befolgt den Rath, und kliff, klaff, kliff, klaff geht es über ihn hinweg "aß ên grote Klugenball" (d. h. als eine verwirrte Masse von Weberknäueln und Spulen). Auch einer Büdnerfrau aus Gutow, welche mit einem Mädchen von Bolkow nach Rosin ging, begegnete der unsichtbare Zug, welcher das Mädchen festbannte, daß sie durchaus nicht über den Bach kommen konnte, während ihr Hund furchtbar heulte und die Pferde, aus einer nahen Koppel ausbrechend, spornstreichs davon jagten, "Dat wier ok de Wor'." Noch schlimmer erging es Anderen, ja es fehlt nicht an Beispielen, daß die wilde Hetze den ihr begegnenden Wanderer förmlich zerriß und sich in seine Gliedern theilte. Auch saus't der unheimliche Zug mitunter mit Pferd und Wagen unter furchtbarem Lärm mitten durch menschliche Wohnungen; so geschah es z. B. auf dem Weitendorfer Hofe, man sagt, zur Strafe des grausamen Gutsherrn.

Dieser wilde Jäger wird nun in andern Gegenden Meklenburgs abermals durch ein weibliches Wesen, die Frau Woden oder Goden, vertreten, über welche uns von dem Pastor


1) Beobachtungen über die wilde Jagd, im Freimüthigen Abendblatt 1832, Nr.121, Beil. Pogge erklärt die Naturerscheinung, welche zu der Sage Veranlassung gegeben habe, durch die oft sehr zahlreichen Züge wilder Gänse, welche im Winter gegen Süden ziehen und ein in der That sehr unheimliches Geräusch und Geschnatter verursachten. Der alte Franck dagegen erinnert für frühere Zeiten daran, daß die Begattungszeit der Wölfe ungefähr in die Zwölften falle, wobei diese Thiere die Nacht mit furchtbarem Geheule erfüllten.
2) Nach einer Holsteinischen Sage lautete der Ruf, im großen Mardelweg zu bleiben. Müllenhoff S. 584. (Mardel statt Mirrdêl=Mitteltheil?)
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Günther im achten Jahrgange dieser Schrift (S. 202 ff.), sowie in den norddeutschen Sagen (S. 2 - 3) aus den Aemtern Eldena und Grabow, Wredenhagen und Mirow sehr interessante Erzählungen mitgetheilt wurden. Nach der Eldenaer Sage war sie menschlicher Herkunft, eine reiche Frau, welche einst zur Strafe frevelnder Jagdlust mit ihren 24, nun in Hunde verwandelten Töchtern in die Wolken versetzt und zu der wüsten Gespensterjagd verdammt ward, durch welche der Wanderer in den dunkeln Winternächten der Zwölften, vorzüglich in der Christnacht und der Altjahrsnacht so oft in Schrecken gesetzt wird und die selbst durch die menschlichen Wohnungen hindurch braus't, wenn die Bewohner unvorsichtig genug sind, an solchen Abenden die Thüren (oder Luken) offen zu lassen. Grade so erzählt die Sage in andern Gegenden Deutschlands die Geschichte Hackelbernds und anderer männlicher wilder Jäger, deren Identität mit Wodan Grimm (S. 515 ff.) überzeugend nachweis't - Auch die einzelnen Züge in der Erscheinung unserer Fru Goden finden sich ganz ähnlich bei jenen wieder, so z. B. die Art und Weise, wie dieselbe sich rächt, als der Bauer zu Zirtow in das Gejuche der über sein Haus ziehenden Jagd mit einstimmt. Wie Fru Goden diesem ein Menschenbein, woran noch der Strumpf saß, mit den Worten ins Fenster warf: "Hestu mit jucht, möst ok mit freten", so ward der Schneider in Münsterland zur Strafe für denselben Frevel durch einen Pferdefuß vom Tische geschlagen, wobei ihm mit fürchterlicher Stimme zu gerufen ward: "willst du mit jagen, mußt du mit knagen" (Gr. S. 521). Auch in den zahlreichen Holsteinischen Sagen vom Wode und seinen Stellvertretern kommt dieser Pferdeschinken ganz in derselben Weise mehrmals vor (Müllenhoff, S. 369, 371 - 584). Eben so finden wir das auf dem Heerde zurückbleibende klagende Hündchen aus dem Jagdgefolge der Fru Goden in der Eldenaer und Mirower Sage, auch bei dem Helljäger der Wesergegend (K. u. Schw., S. 275 und 276), sowie bei dem westfälischen Hackelberend (Gr., S. 517) wieder; ja selbst die Verwandlung desselben in Stein wird dort, wie hier, mit geringer Abweichung erzählt. Auch stimmt die Mirower Sage mit jener darin überein, daß der Hund sich im folgenden Jahre der Jagd freiwillig wieder anschließt, nur ist ihr der auf seiner Lagerstelle zurückbleibende Goldklumpen eigen, wogegen der Hund in Semmerin nur durch das zauberhafte Brauen des Biers durch den Eierdopp gebannt werden konnte. Dies letzte Ereigniß erzählt aber auch eine andere einheimische Sage in Ueberinstimmung mit denen anderer Länder von den Zwergen bei

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Peccatel 1 ). Eigenthümlich scheinen der Eldenaer Sage die 24 Töchter, welche man vielleicht auf Othins Walkyrien beziehen darf, was abermals für die Zurückführung der Fru Goden oder Woden auf einen Herr Wodan sprechen würde.

In andern Zügen ist Fru Goden dagegen, wie schon oben bemerkt ward, völlig identisch mit der bekannteren Frau Holle (welche übrigens hie und da gleichfalls an die Spitze der wilden Jagd gestellt wird). Wie jene, hält namentlich auch diese ihren Umzug zu Wagen, niemals zu Pferde, und beschenkt diejenigen, welche ihr einen Dienst geleistet haben, mit den abfallenden Spänen und andern werthlosen oder unsauberen Dingen, die sich aber in der Hand des gläubig Empfangenden in reines Gold verwandeln. Ganz eigenthümlich ist aber wieder der Gesang im Kreise tanzender Kinder zu Gorlosen:

Fru Goden hett mi'n Lämmken geven,
darmit sall ick in Freuden leven.

Außer dem Wode und Fru Woden sind in den heiligen Zwölften aber auch alle übrigen bösen Geister in lebhafter Bewegung, und zu keiner Zeit des Jahres haben sie so große Gewalt über die Menschen, als namentlich in der Christ= und Neujahrsnacht 2 ), wo sie die Brunnen verunreinigen, das Vieh verderben, z. B. dasselbe hinkend machen und mit Läusen besetzen und überhaupt den Menschen in jeglicher Weise zu schaden suchen. Auch die Hexerei und alle Zauberkünste gelingen zu keiner Zeit des Jahres so leicht, als in den gedachten Nächten, weshalb um diese Zeit in Stadt und Land noch heute zahllose abergläubische Gebräuche geübt werden, namentlich zur Erforschung der Zukunft 3 ). Dagegen darf das heilige Fest durch keine Arbeit entweihet werden, weshalb während der ganzen 12 Tage alle gewöhnlichen häuslichen Arbeiten ruhen, namentlich wird kein Stall ausgemistet, kein Zeug gewaschen oder getrocknet, kein Spinnrad und keine Haspel gerührt. Der wilde Jäger oder Fru Woden würden die Verachtung dieses Gebrauches an den Ungläubigen bitter


1) Gr., 2te Ausgabe, S. 437. - - Jahrbücher IX, S. 371.
2) Die ähnliche Bewegung der bösen Winter=Geister im Frühjahre, welche jedoch eine ganz andere Veranlassung hat, kann ihre Erklärung erst bei Besprechung der Frühlingsfeste, welche ich auf Thor beziehe, finden, weshalb ich zur Vermeidung von Wiederholungen auf den 2ten Theil dieser Abhandlung verweisen muß.
3) Der Herzog Gustav Adolph erließ daher unterm 14. October 1683 zur Abstellung des abergläubischen Wesens in den Zwölften gleichfalls ein besonderes Edict, worin namentlich die bei der Jagd in dieser Zeit üblichen abergläubischen Gebräuche verboten wurden, die man wohl kennen möchte. Vergl. übrigens Herm. Christ. Engelken's und Mantzel's Weihnachtsprogramme, wo viele abergläubische Gebräuche in den Zwölften, namentlich am Weihmachts= und Neujahrsabend, angeführt werden. Ferner Jahrbücher IX, S. 219, Nr. 43 - 44.
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rächen, namentlich das Vieh verderben, oder mindestens den Flachs beschmutzen 1 ). Auch eigenthümliches Backwerk erinnert noch an das heidnische Julfest und seine Opfer, nämlich außer den überall bekannten Pfeffernüssen und Honigkuchen auch allerlei Figuren aus gewöhnlichem Semmelteige, namentlich Reuter, Schweine und Hasen, welche vom gemeinen Manne ohne weitere Unterscheidung Has'=Puppen genannt werden. Vielleicht ist auch auf dies Fest zu beziehen, was Mantzel von einem in Rostock gebräuchlichen "großen Festverschenkungsbrote" erzählt, welches "ên Wulff" genannt werden 2 ). Dagegen dürfen in dieser Zeit keine Erbsen gegessen werden.

Aehnliche Vorschriften galten auch und gelten theilweise noch immer für die Heilighaltung des dem Wodan geweiheten und seinen Namen tragenden Wochentag. Bekanntlich hieß der Mittwoch früher Wodanstag. An diesem Tage aber und ganz besonders an dem Aschermittwoch in den Fasten darf man nach dem Glauben unserer Landleute sich eben so wenig mit der Flachsarbeit beschäftigen, als in den Zwölften, weder spinnen und haspeln, noch weben, weil der Wode sonst durch das Gespinnst fährt, oder es beschmutzt, noch den Leinsamen säen, weil sonst, wie der alte Franck a. a. O. hinzufügt, Wodans Pferd den Flachs zertreten würde, was ich auf die dem jungen Flachse, welcher nach der Bauerregel 100 Tage nach Weihnacht gesäet werden soll, oft verderblichen Nachtfröste beziehe, welche gewöhnlich strichweise, wie die kalten Nebelwolken über das Feld ziehen, die Saat verderben. Diese besondere Aussicht, welche dem Wodan und seiner Gemahlin über den Flachsbau und die Weberei zugeschrieben wird, scheint übrigens einfach dadurch erklärt, daß hierin die Hauptarbeit, ja fast die einzige Beschäftigung des Landvolks während der langen Winterabende besteht. Auffallender Weise sollen dagegen die Erbsen, das verbotene Gericht während der Zwölften, nach anderen überhaupt alle Kornarten, grade am Mittwoch oder Sonnabend gesäet werden, damit die Sperlinge sie nicht stehlen. Man hätte vermuthen sollen, daß sie aus diesem Grunde grade umgekehrt nicht am Mittwoch gesäet werden dürften.

Außer Zusammenhang mit den heidnischen Festtagen steht die von Mussäus a. a. O. mitgetheilte Sage, in welcher der


1) In der Gegend von Güstrow spinnt und haspelt man jedoch grade in dieser Zeit stillschweigend Garn, welches dann zauberkräftig ist. Kranke, welche durch eine solche Lage Garn hindurch kriechen, werden gesund.
2) Bützowsche Ruhestunden, Thl. 21, S. 22. Sonstige eigenthümliche Festgerichte dieser Zeit sind mir nicht bekannt.
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Wode als Feind der Zwerge erscheint, mit welchen er fortwährend im Kampfe stehe und die er fast schon vertilgt habe; grade sowie der thüringische wilde Jäger den Moosleuten nachstellt, einer Art Waldgeister, welche nach Grimm (S. 520) den Uebergang zu den Zwergen bilden. Auch nach der Lauenburger Sage verfolgt er die Zwerge (Müllenhoff, S. 372 ff. und S. 575). - Auffallend ist ferner die Rolle, welche ihm die Sage in der Gegend von Güstrow zutheilt, indem sie ihn als Grenzwächter bestellt. So hat man ihn z. B. öfters auf der Scheide zwischen Ganschow und Gerdshagen und eben so zwischen Zehlendorf und Weitendorf auf und ab wandern gesehen, mit dem Rufe: "Hier geit de Scheer! Hier geit de Scheer!" Hoffte man von Wodan, dem Gotte des Krieges, vorzugsweise den Schutz der Grenze gegen feindlichen Ueberfal? Und sind etwa die im Leben allzustrengen Herren Amtmänner, welche nach jüngeren Sagen häufig zur Strafe nach ihrem Tode denselben Posten bekleiden, wirklich nur Stellvertreter des Gottes, wie Hackelbernd und andere die wilde Jagd führende Förster und Jagdliebhaber? - Wenn Wodan in dieser letzten Sage ausnahmsweise zu Fuß erscheint, so finden wir dagegen an vielen anderen Orten den Teufel selbst auf seinem Schimmel, z. B. am Teufelsbach bei Friedrichsruh zwischen Parchim und Crivitz. Auch ein aufgezäumter Schimmel ohne Reuter läßt sich hie und da an solchen Teufelsorten sehen, immer aber dem Begegnenden Böses verkündend. - Auch Fru Woden fährt nicht immer unstät durch die Lüfte. Bei Rühn hat sie z. B. als weiße Frau, deren Identität mit Holde u. s. w. Grimm nachweis't, in einem hohlen Baume Wohnung genommen, von wo aus sie den Vorübergehenden in dunklen Nächten oft erscheint, doch habe ich nicht eigentlich erforschen können, zu welchem Zwecke.

Auch in den glänzenden Sternbildern am nächtlichen Himmel fanden unsere heidnischen Vorfahren vielfache Spuren ihrer Götter, zumal Othins und der Seinen. Der hellere lichtweiße Gürtel, welcher sich über den ganzen Himmel zieht und unter dem Namen Milchstraße bekannt ist, hieß nach Grimm's Vermuthung in Deutschland früher die Irmanstraza, d. h. die allgemeine Weltstraße, und war zugleich die Straße des Himmelskönigs, die Wodansstraße, weshalb er auch in dem Ortsnamen Wodenswegh eine Anspielung auf diesen Himmelsweg zu finden glaubt (Gr., S. 105 u. 212). Auch im Amte Stargard giebt es ein Wodensweghe, jetzt Godenswege genannt, wornach das schon im 13. Jahrhundert vorkommende, jetzt erloschene Rittergeschlecht der von Wodensweghe den Namen führte. Indeß ist der Ortsname ohne Zweifel erst von den einwandern=

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den Deutschen aus dem Magdeburgischen, wo derselbe gleichfalls vorkommt, in das Land Stargard eingeführt. - Zu dieser Straße gehört ferner der Wagen des Gottes, wie das Sternbild des großen Bären bekanntlich genannt wird und welcher in den Niederlanden früher Wönswaghen, im Angelsächsischen aber Wönsthisl hieß, d. h. Wodanswagen und Wodansdeichsel, denn Wön ist Verkürzung aus Wodan, da auch der Mittwoch im Niederländischen Wönsdag hieß. Sonst hieß er auch der Karlswagen, und nach christlicher Sage sollen Elias, Christus und andere Heilige aus ihm gen Himmel gefahren sein. Andere an verschiedenen Orten wiederkehrende Sagen bezeichnen nun zugleich den kleinen, über der Deichsel stehenden Stern als den Fuhrmann, welcher den Wagen zur Strafe, nach andern zum Lohne, für alle Ewigkeit lenken muß. In Holstein heißt dieser Fuhrmann Hans Dümkt, anderswo Dümcke, und in Meklenburg soll er, wie Grimm aus Adelung anführt, Duming genannt werden (Gr., S. 419 u. 704, 2te Aufl., S. 688 und Müllenhoff, S. 360). Diese Angabe kann ich soweit bestätigen, als in Meklenburg wirklich ein Stern den Namen Dümling (Däumling), d. h. Zwerg, führt. Mein Gewährsmann, ein Bauer aus der Gegend von Parchim, verstand aber darunter nicht jenen Fuhrmann des Wodanswagens, sondern den damals gerade hell leuchtenden Abend= und wahrscheinlich auch den Morgenstern und wußte nichts zur Erklärung des Namens anzugeben. Sollte wirklich auch dieser Stern denselben Namen geführt und irgend eine verlorne Sage das Verhältniß desselben etwa als Diener der auf= und untergehenden Sonne erklärt haben? - Neben dem Wagen Othins sah man im Norden auch die Spindel der Frigg, welche die christliche Sage bald der Maria beilegte, bald in den Stab des heiligen Jacob verwandelte, wovon aber jetzt keine Erinnerung übrig geblieben zu sein scheint.

Es bleibt noch übrig, einen forschenden Blick in die Naturgeschichte zu werfen, denn bei der eigenthümlichen sinnlich poetischen Anschauungsweise des Heidenthums tritt das innige Verhältniß zwischen Gott und Natur nur um so deutlicher hervor, weshalb wir nicht zweifeln dürfen, in den Thiersagen und selbst in den Namen der Pflanzen und Thiere zahlreiche Spuren der alten Götter zu finden.

In Bezug auf Wodan ist hier vor allem des Wolfes zu gedenken. Die wichtige Rolle, welche dieses Thier in der nordischen Sage spielt, ist bekannt. Othin selbst hatte beständig 2 Wölfe zu seiner Seite, Geri die Gier und Freki den Grimm, welche die gesammte, dem Gotte dargebrachte Opferspeise ver=

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schlangen. In den einheimischen Sagen vertritt der Wolf daher mehrmals gradezu die Stelle des Gottes selbst, z. B. oben in dem Ernteopfer. Daher wagte es Niemand während der Zwölften den Namen des Thieres zu nennen, aus Furcht, daß er auf den Ruf erscheinen möge, wie das Sprichwort: "wenn man vom Wolfe spricht, ist er nicht weit", beweis't. In dem angeführten Edicte des Herzogs Gustav Adolph vom 14. Decbr. 1683 wird dieser Aberglaube speciell hervorgehoben. Auch Franck (A. und N. M. I, S. 55) versichert, daß der Schäfer um diese Zeit lieber den Teufel nenne, als den Wolf, aus Furcht, daß er ihm sonst unter die Schafe fahre, und Mantzel 1 ) erzählt, daß ein Bauer selbst den Namen seines Amtmanns, welcher Wolf hieß, nicht auszusprechen gewagt, sondern ihn Herr Undeert (Unthier) genannt habe. Das Thier aber hieß um diese Zeit "der Graue". Grade so scheuet man sich, den Namen des Teufels zu nennen, welcher andrer Seits gleichfalls als seelenverschlingender Wolf dargestellt wird. Allgemein bekannt ist ferner die Sage vom Werwolf, wornach viele Menschen die Macht besaßen, sich durch Anlegung eines Wolfgürtels in einen Wolf zu verwandeln, und dann in der Nacht als Werwolf umherschweiften, um ihre Feinde oder deren Vieh zu zerreißen. Im Jahre 1682 wurden mehre Menschen in Fahrenholz, welche angeklagt waren, daß sie sich in Wölfe verwandeln könnten, in gerichtliche Untersuchung gezogen, und noch vor 30 Jahren wurden in allen Kinderstuben zahlreiche Beispiele dieser Zauberei erzählt, obgleich es bei uns seit länger als 100 Jahren keine Wölfe mehr giebt; ein Beweis, wie allgemein diese Sage ehemals verbreitet gewesen sein muß, so viel ich mich aber erinnere, habe ich in meiner Jugend nur von männlichen Werwölfen gehört, nie von weiblichen, obwohl in anderen Gegenden das Geschlecht keinen Unterschied macht. Vgl. Gr., S. 621, und K. u. Schw., S. 18 und S. 469, wo auch eine Werwolfssage von Malchin erzählt wird. Auf die nach dem Wolfe genannten Pflanzen komme ich noch zurück. - Dem Wolfe am nächsten verwandt unter den wilden Thieren ist der Fuchs. Sein Verhältniß zu den Göttern ist jedoch zweifelhaft. In Island soll er Waldthor genannt werden, ohne Zweifel mit Bezug auf seinen rothen Balg, doch scheint grade dieser Spottname zu beweisen, daß er nicht zu Thors Sippschaft gehöre. Das falsche lügnerische Wesen dieses Raubthieres paßt bei weitem besser zu Wodan. Auch scheint es, daß auch sein Name in den Zwölften vermieden ward; man


1) Bützowsche Ruhestunden 21, S. 23.
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nannte ihn den Rothen, wie den Wolf den Grauen - Auch die übrigen Raubthiere hat das Heidenthum ohne Zweifel in Beziehung zu Wodan gedacht, doch ist uns wenig davon überliefert, was besonders in Bezug auf den Bären auffallend ist. In Bezug auf den Iltis, welcher anderswo als Katze angesehen wird (Elkatze, auch Elbthier, engl. polekaz), bemerke ich noch, daß unser Landmann ihn Hönerköter (Hühnerköter) nennt. Den Marder, Mårt, scheint man dagegen fast mit dem gespenstischen Nachtmar, welcher gleichfalls Mårt genannt wird, in Verbindung zu bringen. - Von den kleineren Thieren ist vielleicht noch die graue Maus mit den klugen Augen und den scharfen Zähnen und ihrem ganzen nächtlichen Treiben zu nennen. Ein grausamer Aberglaube hofft von einem durch die Augen dieses Thiers gezogenen blutigen Faden, den man dem Kinde um den Hals bindet, gute Wirkung auf das Zahnen desselben, und steckt in gleicher Hoffnung den bei dem Schichten ausgefallenen Zahn in ein Mauseloch. - Noch deutlicher aber tritt diese dämonische Natur bei der gespenstischen Fledermaus hervor, die den Kindern in die Haare fährt und selbst dem blutsaugenden Vampyr verwandt ist. - Wenn wilde Thiere opferbar wären, so würde ich den Hasen hieher zählen. Ich erinnere an die Haspuppen im Weihnacht und den Aberglauben, daß der über den Weg laufende Hase Unglück bringe. Auch die auf der Haide tanzenden gespenstischen Hasen sind in Meklenburg wohl bekannt.

Unter den vierfüßigen Hausthieren war zunächst das Pferd, als Schlachtroß, zumal das weiße, Othins Opferthier 1 ). Namentlich im Julfeste fielen auch Pferdeopfer, woher vielleicht der von Engelken in seinen Weihnachtsprogrammen angeführte Gebrauch, daß am zweiten Weihnachtstage im ganzen Lande den Pferden die Ader geschlagen und das Blut zu abergläubischen Curen gebraucht ward, seinen Ursprung haben mag; der Heilige Stephan, dessen Fest auf diesen Tag fiel, ward daher als Schutzheiliger der Pferde verehrt. Sicherer gemahnt an dies Hauptopfer Wodans der Menschen= und Pferde=Schinken, welchen der Wode dem, der ihn verhöhnt, zuwirft, indem er ihn zur Theilnahme an seinem Mahle aufforderte. Das weiße Pferd vertritt oft, gleich dem Wolfe, den Gott selbst und darum hat auch der Teufel wenigstens einen Pferdefuß, wenn er auch in Menschengestalt erscheint. Auf unsern alten Bauernhäusern sieht man noch jetzt allgemein auf der Spitze beider Giebel, über dem sogenannten Eulenloch, zwei ausgeschnitzte Pferdeköpfe, welche das


1) Gr., S. 376 ff. Auch bei den Slaven waren Rosse dem Kriegsgotte heilig.
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Haus gegen Zauberei schützen sollen. Das ist aber nicht etwa slavische Sitte, sondern findet sich in Westfalen und dem größten Theil von Norddeutschland wieder. Ein Pferdekopf unter dem Kopfkissen des Kranken verscheucht nach Mussäus Fieber=Phantasien, und mit einem Pferdeherzen, in des Teufels Namen gekocht, kann man die Hexen zwingen, sich selbst anzuklagen. - Nächst dem Pferde gehört hieher ohne Zweifel der Hund, der gezähmte Wolf, mit welchem er auch die Wuthkrankheit theilt, der treue Gefährte des Jägers, weshalb wir ihn auf der wilden Jagd natürlich überall als Begleiter des Gottes finden, und das nächtliche Heulen der Hunde ist noch heute nach allgemeinem Glauben Unheil und Tod verkündend. Auch Hundeopfer wurden im Julfeste gebracht, worauf vielleicht die Redensart Bezug hat: "he geit aß de Hund in de Twölften", womit der Bauer bei Güstrow Jemanden bezeichnet, der still und trübselig umherschleicht und die Gesellschaft der Menschen meidet. Das früher übliche Schlagen der Hunde um Fastnacht soll dagegen aus Italien stammen. - Nach unserer Sage fährt auch Fru Goden mit Hunden, die sie wohl nur von ihrem Gemahl entlehnt hat. Nach der Edda dagegen ist der Wagen Freya's mit Katzen bespannt, was ich aber vielmehr auf die Frigg beziehen zu müssen glaube, welcher sonst der ihr vor allen gebührende königliche Wagen fehlen würde. Dafür spricht auch die nahe mythische Verwandtschaft der Katze mit dem Wolfe, die in unseren Hexen=Sagen deutlich hervortritt. Wie aber vorzugsweise nur Männer sich in Werwölfe verwandeln, so nur Frauen in Katzen. - Das Schaf dagegen in seinem schneeigen Winterfließ scheint sich wohl zu Frigg's Opferthier zu eignen, weshalb die Gorloser Kinder, wie wir gesehen haben, sich umgekehrt von Fru Goden ein Lämmchen schenken lassen. Der Reisende achtet auf das Begegnen der Schafheerde; zur Rechten verkündet sie einen freudigen Empfang, zur Linken das Gegentheil.

Der König der Vögel ist bekanntlich der Adler. Daher sah man vor Othin's Wohnung über dem Wolfe einen Adler schweben. Bei uns ist das Thier zu selten, weshalb ich auch keine Sage von ihm kenne.

Bekannter sind Othin's heilige Raben, Huginn und Muninn (die Denkkraft und die Erinnerung), die klugen Boten des Gottes, welche ihm nicht nur alle Ereignisse berichten, sondern auch seine Beschlüsse verkünden. Ihr Flug über dem kämpfenden Heere brachte hier Sieg, dort Niederlage und Tod. Auch Baldr's Tod ward durch Othin's Raben geweissagt. Daher kündet der Ruf des Raben über eine menschliche Wohnung noch jetzt einen Todesfall an. Nach hannoverschen Sagen führt der

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Nachtrabe das wilde Heer, ja selbst den Wagen des Gottes am Himmel (K. und Schw., S. 199 - 200). Zu dem Geschlechte der Raben gehören aber auch die diebischen Elstern und Dohlen, deren dämonische Natur vielfach durchblickt. Krähenzüge bedeuten Krieg. Mehre Giftpflanzen sind nach ihnen benannt; auch die giftige Brechnuß heißt bekanntlich Krähenauge, und eine unleserliche Schrift vergleicht man mit Krähen= und Eulenfüßen, welche Bezeichnung sich ursprünglich gewiß auf geheimnißvolle Zauberzeichen bezieht, wie der Drudenfuß.

Die hier mit der Krähe zusammengestellte Eule, der nächtliche Raubvogel, von welchem die Sage vielerlei zu erzählen weiß, steht auch darin dem Raben nahe, daß auch ihr unheimlicher Ruf als Todesmahnung gilt, wobei sie gleichsam als der Tod selbst erscheint, der sein Opfer auffordert, ihm zu folgen (Kumm mit!). Auch sonst ist ihre Erscheinung Unheil bringend, wie die Sprichwörter bezeugen: "Dar hätt ên Ul seten", von dem Fehlschlagen der Hoffnung, und "Hê iß mit Ulensat besei't", von dem Unglücksvogel, dem Nichts gelingt. - Zweifelhaft ist die Stellung des Kukuks mit der räthselhaften Doppelnatur. Als Frühlingsvogel gehört er einem durchaus andern Mythenkreise an, aber der Glaube, daß er im Winter zum Raubvogel (Havk, d. h. Habicht) werde, ist auch hier allgemein. Er ist weissagend: auf die Frage: "Kukuk vom Heven) wo lang' sall ick noch leven?" giebt sein Ruf die Zahl der noch zu hoffenden Lebensjahre an, und in Holstein verkündet er auf eine ähnliche Frage den Mädchen, wie lange sie noch ledig bleiben müssen. Sein Lachen ist Unglück bringend, sein Speichel verkündet Regen. Bei der Verwünschung zum Kukuk vertritt er den Teufel. Auch in der Fabel, daß er sein Ei in das Nest der Grasmücke lege, und der junge Wechselbalg demnächst der Pflegemutter zum Danke den Kopf abbeiße, tritt seine dämonische Natur deutlich hervor. Die Sage, daß er ein verzauberter Bäcker sei, ist hier gleichfalls bekannt, von der Versetzung seiner frommen Frau und Töchter an den Himmel als Siebengestirn ist dagegen nur noch das Sprichwort von uneinigen Eheleuten übrig, die einander gerne aus dem Wege gehen: "se leben aß Kukuk unn Sävenstiern", welches Gestirn nicht sichtbar ist, so lange der Kukuk ruft. Der Wiedehopf ist unsern Landleuten nur unter dem Namen Kukuksköster bekannt; ich kenne aber keine Sage, die dies Verhältniß erklärte. Auch mehrere Pflanzen werden nach ihm benannt. - Die mythische Bedeutung des Schwanes in der nordischen Göttersage ist bekannt. Zwei Schwäne schwammen auf Urda's Brunnen an Yggdrasils Esche. Die Walkyrien, welche die gefallenen Helden von der Wahlstatt

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zu Othin führten, erschienen nach Anlegung ihres Schwanhemdes in Gestalt eines Schwanes, und sind die Schwanjungfrauen der deutschen Sage. Der Gesang des sonst stummen Vogels ist sein eigener Todesgesang. In Meklenburg hält sich dies heilige Thier nur selten auf, um so auffallender ist es aber, unter den verhältnißmäßig wenigen deutschen Ortsnamen des Landes 2 Schwansee, 1 Schwanheide und 1 Schwanbek zu finden. Auch mehre kleine Gewässer führen den Namen Schwanensee, und eine Waldung in der Gegend von Penzlin und Gr.=Vielen heißt in älteren Acten die Schwanheide, ein daran stoßender See aber noch jetzt der Wodens=See. - Dem Schwane zunächst verwandt ist die zahme Gans. Sie ist nach christlicher Mythe dem Heil. Martin geweih't, den wir oben als Stellvertreter Wodan's fanden. Aus der Farbe ihres Brustknochens erkennt man die Strenge des Winters. Feen und Elbe erscheinen öfter mit Gänsefüßen. - Von dem Kornopfer, welches den Sperlingen zur Julzeit und in der Ernte gebracht wird, war oben die Rede. Ebenso ist bemerkt, daß er die Entweihung des Festes Wodan's rächt, indem er vorzugsweise den an ihm gestreuten Samen stiehlt. Er gehört zu den wenigen Vögeln, welche den Winter über bei uns bleiben.

Hätten wir genauere Kunde über die mythische Naturgeschichte der Alten, wir würden auch unter den Fischen und Amphibien zahlreiche Wodan's=Thiere finden. Unter jenen ist zunächst an den Hecht zu denken, das scharfzahnige Raubthier der Gewässer. Merkwürdig ist daher die Sage von dem zauberhaften einäugigen Hechte welche früher auch in der Gegend von Parchim erzählt ward. Auch von weissagenden Hechten berichtet die Sage 1 ). - Unter den Amphibien gehörte sicher die giftige Kröte hieher, die neben der Schlange bei allen Hexentränken die Hauptrolle spielte. Othin selbst ward in Schlangengestalt verehrt. Zwerge und verwünschte Prinzessinnen treten oft in Krötengestalt auf, und wer die Gebote der Zwölften übertritt, zieht sich Kröten und Frösche ins Haus oder Läuse in den Pelz. Von einem einsam sinnend umherschleichenden Menschen sagt man: "hê geit, aß de Pogg' in den Mânschien".

Ich komme endlich, mit Uebergehung der Insecten und Würmer, über die ich Nichts beizubringen weiß, zu den Pflanzen, unter welchen die giftigste von allen, der große Wasserschierling (cicuta virosa) Wodan's Namen trägt. Die


1) K. u. Schw., S. 28 und 29, vgl. mit S. 155 und 56 und 472. Jetzt ist die Sage dort nicht mehr bekannt.
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Wurzel dieses Gewächses heißt nämlich in Meklenburg, zugleich mit Rücksicht auf ihre Gestalt, der Wodendung 1 ). In andern Gegenden wird dasselbe der Wuthschierling, der Wütherich genannt, ein Wort, dessen Beziehung auf Wodan und sein wüthendes Heer Grimm nachweis't (S. 95). Auch die Wuthkrankheit der Wölfe und Hunde erinnert an ihn. Eben diese Bezeichnung findet sich nun auch bei mehren Giftpflanzen, deren Namen in andern Gegenden von dem Wolfe oder dem Teufel selbst entlehnt sind, und grade diese Wechselbeziehung ist ungemein wichtig. Man vergleiche nur folgende, meistens auch in Meklenburg gebräuchliche Namen von Giftpflanzen:

Die Teufelsbeere, Wolfskirsche, Wuthbeere (Atropa belladonna), soll zugleich Heilmittel gegen die Hundswuth sein; aus der Wurzel der A. mandragora machte man das auch bei uns bekannte Alrünken, Alraune, eine Puppe, der man die stärkste Zauberkraft zuschrieb; - das Teufelsauge, Bilsenkraut (Hyosciamus niger), woraus eine berühmte Hexensalbe gemacht ward; - die Teufelskirsche, Hundskirsche, Hundsbeere (Lonicera xylosteum), eine Art Geisblatt oder Albranke; - die Teufelswurz, Wolfswurz, Wolfskraut (Aconitum napellum und lycoctonum), der Sturmhut, Eisenhut, altnordisch Tyrhjalm, dänisch troldhat, englisch Libbardban, zugleich zauberkräftig; - die Teufelskirsche, Teufelsbeere, Judenkirsche (Physalis alkekengi); - die Teufelsmilch, Wolfsmilch, Hundsmilch (Euphorbium); - die Wolfsbeere, Fuchsbeere, Einbeere, Sternkraut (Paris quadrifolia); - das Wuthkraut, der Gauchheil (Anagallis phoenicea und arvensis), zugleich Heilmittel gegen die Wuthkrankheit - Für den Nachtschatten (Nachtschaden? englisch nightshade, Solanum nigrum und dulcamera) kenne ich nur die Namen Albranke und Schlafbeere, keinen Teufels= oder Wolfsnamen, und für den giftigen Lolch (Lolium tremulentum) nur ein Tollkorn, kein Wuthkorn. - Nicht giftig, aber gewiß zauberkräftig ist die Teufelsklaue, Wolfsklaue, Drudenfuß (Lycopodium), dessen feiner Saamenstaub Hexenpulver oder Blitzpulver hieß 2 ). Aus dieser Zusammenstellung folgt unabweislich, daß die Wörter Teufel, Wolf und Wuth hier vollkommen gleichbedeutend gebraucht sind, woraus zugleich, selbst


1) Wredow, tabellarische Uebersicht der in Meklenburg wild wachsenden Pflanzen. S. 289 und in Acten des 17. Jahrhunderts.
2) Die Wolfsbohne (Lupinus) hieß schon bei den Römern lupinum, und Wolfsgesicht, dänisch ulvetjaes, ist Uebersetzung des griechischen λυκοπσις, Wolfsrachen aber ist von der Gestalt der Blume entlehnt, ohne mythische Beziehung. Einige andere Wolfskräuter weiß ich nicht näher zu bestimmen.
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ohne Rücksicht auf jenen Wodendung, klar wird, daß dieser Wolf nur der mythische sein kann, und daß dieser Teufel kein anderer ist, als Wodan. Weniger entscheidend sind die von andern Wodansthieren entlehnten Pflanzennamen, z. B. das Katzenkraut (Teucrum marum) und Katzenmünze (Nepeta cataria); das Krötenkraut (Senecio vulgaris), früher modelgeer (madelgêr) genannt und zu Liebeszauberei gebraucht (Gr., p. CLXI); der Raben = oder Krähenfuß (plantago major und plantago aquatica, Wegerich), aus dessen Blättern die sogenannten Heckemännchen gemacht wurden, von denen man glaubte, daß sie im Spiele Glück brächten; die Krähenzehe und die Krähenbeere; desgleichen die Kukuksblume (bei uns orchis maculata, in andern Gegenden Lychnis flos cuculi), der Kukukssalat oder das Kukuksbrod (oxalis acetosella) und der Gauchheil (anagallis arvensis und veronica anagallis) u. s. w. Wichtig ist auch, daß fast alle diese Wodanskräuter zugleich Zauber= und Hexenkräuter sind; hieher gehören aber auch sonst noch, schon dem Namen nach, das Hexenkraut (Lutea circaea) und der Hexenbaum (Vogelkirsche und Ahlkirsche). Von andern größeren Gewächsen erscheinen besonders der Flieder (Sambucus nigra), die Haselstaude und der Schwarzdorn in vielen Sagen als zauberhaft. Der Flieder spielt in unsern Hexengeschichten und abergläubischen Curen eine große Rolle und steht in holsteinischen Sagen in directer Verbindung mit dem wilden Jäger (Müllenhoff, S. 378 - 80). Aus der Haselstaude wird die Wünschelruthe geschnitten, deren Bezug auf Wodan, der selbst als personificirter Wunsch erscheint, Grimm ausführt (Gr., S. 99). Sie verträgt sich nicht mit der Eiche, wie der Schwarzdorn mit dem Weißdorn feindlich ist. Wenn der erstere blüht, giebt es einen Nachwinter; zugleich aber schützt er vorzugsweise gegen alle Zauberkünste.

Ueberblicken wir nun noch ein Mal die hier zusammengestellten Bruchstücke alter, vom Volke selbst nicht mehr verstandener Sagen, sowie die damit zusammenhängenden abergläubischen Gebräuche und Fabeln, so kann gewiß nicht der leiseste Zweifel über den gemeinschaftlichen Ursprung derselben aus dem uralten heidnischen Götterglauben unserer Vorfahren übrig bleiben, ja man wird zugestehen müssen, daß die Gesammtheit dieser einzelnen Züge uns das Bild des Gottes, dem sie entlehnt sind, mit überraschender Klarheit erkennen lassen. Wem aber dies Bild allzu grausig und fratzenhaft erscheint, der vergesse nicht, daß bereits ein volles Jahrtausend verflossen ist, seit dasselbe von dem Altare herabgestürzt ward, auf dem es einst gläubige Anbetung fand, daß es seitdem nur Gegenstand des Hasses und des Ab=

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scheues gewesen ist und sich nur in einzelnen Bruchstücken heimlich und unerkannt bis auf unsere Zeit erhalten konnte. Aber wenn es auch gewiß ist, daß der ehemalige Beherrscher des Himmels und der Erde erst durch das Christenthum zu einem fratzenhaften Teufel erniedrigt ward, so ist doch auch eben so gewiß, daß er schon den Heiden selbst als Woutan, d. h. als eine finstere, Furcht und Schrecken erregende Gottheit, erschien. Einen ganz entgegengesetzten Charakter hat

die Thor= oder Donar=Sage.

Der nordische Thôrr, althochdeutsch Donar, der Donnerer, gehört einer jüngeren Phase in der Entwickelung der Weltschöpfung an, als Othin, dessen Sohn er genannt wird. Er ist der aus der dunklen, kalten Nacht geborne lichte, warme Tag, das aus ewigem Tode erwachte Leben. Aber während Othin als der allgemeine höchste Welttgeist erschien, ist Thor der besondere höchste Gott der Erde, wo er als Beherrscher der Elemente die Ordnung vollendet, und die empörten Elementargeister, welche die Edda als winterliche Reif= und Bergriesen darstellt, mit seinem gewaltigen Hammer niederschmettert. Wenn er, ein schöner, kräftiger Mann mit rothem Barte, auf dem mit zwei Böcken bespannten Wagen über das Himmelsgewölbe hinfährt, so bebt die Erde unter dem rollenden Donner; der brausende Sturm ist sein Odem, der die seegenschwangern Wolken vor sich her treibt, und zermalmende Blitze durchzucken die Luft, so oft er den feurigen, gewaltigen Hammer schwingt. Aber während die Wolke ihren Segen für alle Menschen über die Erde ausschüttet, trifft der rächende Blitz nur den Schuldigen. Hiemit ist uns sein ganzes Wesen enthüllt. Er ist vor allem der lichte, freundliche Sommergott, der Gott der Fruchtbarkeit 1 ) und der Liebe, aber zugleich Gott der Gerechtigkeit.

Thor's Gemahlin, die schönhaarige Sif, ward gleich der Frigg als Erdgöttin verehrt, aber dem Wesen ihres Gatten entsprechend, erscheint sie im Gegensatze zu dieser als die sommerliche Mutter Erde, bald im jugendlichen Blüthenkranze des Frühlings, bald im goldenen Schmucke des Herbstes. Sie ist die Göttin der Schönheit und Liebe und entspricht wahrscheinlich der Hertha oder Nerthus (der mütterlichen Erdgöttin der Ger=


1) Wie neben Othin Thor als besonderer Kriegsgott verehrt ward, so finden wir im Norden den Freyr neben Thor als besondere Gottheit der Fruchtbarkeit. Freyr war jedoch kein Afe, sondern Niords Sohn aus dem Geschlechte der Vanen, Halbgötter, woraus sein jüngerer Ursprung folgt.
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manen des Festlandes deren schöne Frühlingsfeier uns Tacitus schildert 1 ).

Thor, der in Liebe und Gerechtigkeit waltende nächste Vater des Menschengeschlechtes, der Landâs, wie ihn die Edda nennt, d. h. der allgemeine Landesgott, und seine Gattin, die liebe Mutter Erde, waren hiernach vorzüglich die Gottheiten der ackerbauenden und friedliebenden Masse des Volkes, welches ihnen nicht nur in diesem Leben ales Heil und den ganzen reichen Segen der Natur verdankte, sondern auch dereinst nach dem Tode in ihrer Friedenshalle zu wohnen hoffte. Es ist daher natürlich, daß der neubekehrte Heide in dem Gotte der Liebe, welchen ihm die Apostel des Christenthums predigten, vor allem seinen "guten Vater" Thor wieder zu erkennen glaubte, während die fromme Ehrfurcht, mit welcher er bisher zu der Mutter Erde gebetet hatte, eben so natürlich auf Maria, die liebreiche Mutter Gottes, übertrug, und so erklärt es sich zugleich, daß der mächtige Donnerer selbst in den Sagen und Mährchen des Volkes fast nirgends mehr als ein selbstständiges göttliches Wesen hervortritt, während der gefürchtete Wodan noch heute unter dem alten Namen sein Opfer empfängt. Aber die kindliche Ehrfurcht und die heitere Liebe, mit welcher das Volk einst an dem Altar des Frieden und Freude verbreitenden Sommergottes trat, ist gleichwohl nicht aus den Gemüthern entwichen, sondern tritt in zahlreichen Gebräuchen und abergläubischen Meinungen, ja in der ganzen eigenthümlichen Naturanschauung des niederen Volkes unverkennbar hervor.

Schon die Heiligkeit der Naturerscheinung, in welcher das Heidenthum vorzugsweise das unmittelbare Walten der Gottheit erkannte, ist bemerkenswerth. Noch jetzt blickt mancher fromme Christ ehrfurchtsvoll und mit entblößtem Haupte zu der dunklen Gewitterwolke empor und glaubt, daß Gott ihm in diesem Augenblicke näher sei, als sonst; und wenn der Allmächtige in dem rollenden Donner und dem zuckenden Blitze seine Gegenwart offenbart, ruht alle Arbeit, der Genuß von Speise und Trank ist frevelnde Sünde, und wer es wagt, unehrerbietig mit dem Finger in die Wolke zu zeigen, in welcher der Unsichtbare thront, muß darauf gefaßt sein, sofort den rächenden Blitzstrahl auf sich herabzuziehen. Diese heilige, ehrfurchtsvolle Scheu, mit welcher das Volk das "Gotteswetter" betrachtet, geht offenbar weit


1) In den Eddaliedern wird der Sif verhältnißmäßig selten gedacht. Ihr Ansehen scheint vielmehr durch den Dienst der jüngeren Freya, Freyr's Schwester, welche im Norden gleichfalls als Göttin der Liebe und Schönheit verehrt ward, schon früh verdunkelt zu sein.
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über den Eindruck hinaus, welchen die Erhabenheit der Naturerscheinung an sich auf jeden denkenden und fühlenden Menschen machen muß, sie ist eine unbewußte Anbetung des heidnischen Gottes.

Die Verehrung Thor's als Gott der Fruchtbarkeit war eine nothwendige Folge der erquickenden und befruchtenden Wirkung des Gewitters nach langer schwüler Sommerhitze. Im Mittelalter hatten sich noch viele hierauf bezügliche altheidnische Gebräuche erhalten, z. B. feierliche Prozessionen zur Erstehung eines befruchtenden Regens, Besprengung der Saat mit Weihwasser, oder Bestreuung derselben mit geweiheter Asche, wobei verschiedene Heilige, namentlich Elias und Johannes, oft gradezu an die Stelle des heidnischen Donnergottes traten (Gr., S. 117), die Mutter Maria aber eben so unverkennbar die heidnische Erdgöttin vertrat. Diese Gebräuche sind jedoch bei uns nach Einführung des Protestantismus völlig vergessen, und nur in den Bauerregeln über die Witterung, den zu hoffenden Ernte=Segen u. s. w. ist hin und wieder einiges erhalten, was an den alten Glauben an ein unmittelbares Eingreifen des Gottes erinnert, z. B. die Hoffnung auf eine reiche Obsternte, "wenn de Dunner äver de Bleusten geiht", d. h. wenn es während der Blüthezeit donnert, wogegen ein Gewitter über unbelaubten Bäumen Obstmangel verkündet. - Aber nicht bloß das Gedeihen der Saaten, sondern auch die fröhliche Entwickelung des thierischen Lebens, namentlich des Menschen selbst, stand unter Thor's Obhut: er war zugleich Gott der Liebe und der Ehe. Daher wurden im Alterthume die Hochzeiten am Donnerstage oder, wie noch jetzt bei uns, am Freitage, den heiligen Tagen des Thor und der Freya, gefeiert. Ein Gewitter während der Hochzeit bedeutet eine fruchtbare Ehe. In andern Gegenden muß die Braut während des ersten Gewitters nach der Hochzeit ein schweres Gewicht heben, was Gesundheit und Stärke verleiht und die Lasten der Ehe erleichtert. - Wer den Segen spendet, kann ihn aber auch versagen, wer Leben und Gesundheit verleiht, gebietet zugleich über Siechthum und Tod. Daher wurden ansteckende Seuchen, welche am häufigsten Folge langer Sommerschwüle sind, oder doch durch diese begünstigt werden, im Alterthume dem Thor zugeschrieben. Ebenso alle hitzigen und entzündlichen Krankheiten, namentlich das Fieber (goth. heitô, brinnô), das Zahnweh, die Rose und allerlei Hautausschläge, Geschwüre und selbst die brennende Wunde; ferner der Schlagfluß, die fallende Sucht oder Schwere Noth (Epylepsie), Ohnmacht, Schlaflosigkeit, männliches Unvermögen und allgemeine Schwäche, sowie Fehler der Sinne, namentlich des Auges, und

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Gedächtnißschwäche. Daher ist sicher an Thor zu denken, wenn von einem Menschen, der ein sogenanntes Feuermal oder rothes Haar hat, und den man bekanntlich für falsch hält, gesagt wird: Gott habe ihn gezeichnet. Von dem Urheber dieser Uebel hoffte man aber wiederum auch ihre Heilung; daher z. B. die wunderbare heilkräftige Wirkung des Donnerkeiles, sowie des Donnersplitters, auf die ich zurückkomme: eine mythische Homöopathie, die wir auch schon oben in der Wodanssage angetroffen haben und wofür wir später bei Besprechung des auf Thor bezüglichen Elementardienstes und der ihm heiligen Pflanzen und Thiere reichliche Belege finden werden. Der moderne Rath, einen Teufel durch den andern zu vertreiben, ist also nicht heidnisch.

Wenn aber Wodan Glück und Unglück nur nach Wilkür und Laune zu vertheilen schien, so erscheint Thor's Segen stets nur als Lohn der Tugend und des Fleißes, sein Zorn dagegen als Strafe der Sünde. Die tief gewurzelte Ansicht, daß Mißwachs und ansteckende Seuchen von der erzürnten Gottheit als Strafe der Gottlosigkeit und zur Buße und Besserung über die Menschen verhängt würden, ist daher nicht bloß christlich, sondern schon im Heidenthume begründet. Eben so allgemein ist der Glaube an den rächenden Blitzstrahl; daher die bekannten Flüche, womit der Beleidigte seinem Feinde droht, daß ihn der Donner regieren oder holen, oder daß das Donnerwetter d'rein schagen solle 1 ). Vor allem aber war Thor der Rächer der im Verborgenen geübten, heimlichen Sünde. Der Glaube, daß der Meineidige vom Blitze erschlagen werde, ist uralt, und noch vor Kurzem haben unsere Zeitungen mehre Fälle berichtet, wo nach der Ueberzeugung des Volkes dies Gottesgericht wirklich vollzogen ward. In Acten des 16. Jahrhunderts werden auch Beispiele erzählt, daß der Meineidige auf der Stelte erblindet sei. Im Alterthum ward daher der feierliche Eid unter Anrufung des Thor geleistet, welchem mitunter auch seine Verwandten Niördr und Freyr zur Seite standen. Mit Recht bezieht daher Grimm den im Mittelalter sehr gebräuchlichen Schwur bei dem Barte, oder unter Berührung des Bartes mit der Hand auf den rothen Bart des Donnergottes. Denselben Sinn aber hatte der gleichfalls vorkommende Gebrauch, daß der Schwörende einen Büschel Aehren gen Himmel halten mußte. Noch jetzt


1) Grimm, S. 561, führt mehre gleichbedeutende Flüche an, von welchen einige auch bei uns bekannt sind, namentlich "datt dî de Dros hal!" Statt des Dros citirt man auch den Schinder, womit die von Grimm angeführte Bedrohung mit dem Stöpker übereinstimmt, denn Stöpker, von stäupen, ist der Gerichtsbüttel.
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hört man häufig die Bekräftigung eines Gelübdes mit den Worten "Dunner hal!" oder "Dunner sla!", d. h. der Blitz soll mich treffen, wenn ich lüge, für welchen Fall man sich sonst bekanntlich auch dem Teufel anheim giebt. - Wenn mich aber nicht alles täuscht, so fand nicht bloß die feierliche Eidesleistung im Angesichte Thor's statt, sondern es stand die Pflege der Gerechtigkeit überhaupt, wenigstens das gesammte Beweisverfahren unter seiner Obhut. Seiner Wanderung zur Gerichtsstätte der Götter wird in der Edda ausdrücklich gedacht. Nach einzelnen Beispielen hatte dort zwar Othin den Vorsitz, aber Thor fällte den ersten Spruch und hatte das letzte Wort. In andern Fällen hatte Thor wirklich den Vorsitz. Alle übrigen Götter neben diesen beiden waren schweigende Zuhörer. Hieher gehören vor allen die Ordalien, diese Appellation an die allwissende Gottheit zur Ermittelung der Wahrheit und Unschuld auf der einen, sowie zur Enthüllung der Lüge und des geheimen Verbrechens auf der anden Seite, worauf ich noch zurückkommen werde.

Wie in Thor's Donnerwetter die drei Hauptelemente, Feuer (Blitz), Wasser (Regen) und Luft (Sturm) auf sein Gebot zusammenwirken, so finden wir dieselben auch sonst vorzugsweise im Dienste dieses Gottes. Vor allen aber ist das Feuer sein Element; denn wenngleich die reine, erleuchtende und erwärmende Flamme fast als ein lebendiges, heiliges Wesen verehrt ward, so war sie doch nur die irdische Erscheinung des Gottes, und der Feuer=, wie überhaupt der Elementardienst, war Thor=Dienst 1 ). In der Edda wird das Feuer neben dem Sonnenlichte für das höchste Gut erklärt. Nach dem Glauben unserer Landleute sind Feuer und Wasser allen Menschen gemeinsame, unmittelbare Gottesgaben, für welche man keinem Sterblichen danken dürfe; man dankt dem, welcher diese Gottesgabe darreicht, ausdrücklich nur "vör de Möh" (für die Mühe). - Wer das Feuer verunreinigt, bekommt schneidendes Wasser, und selbst an den mit der Flamme spielenden Kindern rächt sie sich in der nächsten Nacht. - Zahlreich sind die aus der Beobachtung


1) Unter dem Vulcan, dessen Verehrung Cäsar bei den Germanen beobachtete, ist sicher Thor zu verstehen, während die Verehrung der Sonne und des Mondes sich auf den Cultus verschiedener Gottheiten bezogen haben wird. Unter der Luna indeß mag vorzugsweise Frigg zu verstehen sein. - Sollte der nordische Name des Gottes Thôrr vielleicht gar zu dem altnordd. thûrr, althochd. dorr=aridus (dürr, dörren) su stellen sein? - Auch in dem nordischen Loki, wahrscheinlich riesischer Abkunft und ursprünglich identisch mit Loge, dem Sohne der Urriesen (Fornjoter), ist das Feuer , personificirt, aber die ungezähmte, zerstörende Naturkraft, während in Thor, dem Beherrscher aller ‹Elemente, die höhere Einheit der Natur dargestellt ist.
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der Flamme gezogenen Vorbedeutungen: das dumpfe Prasseln (Bullern) des Feuers bedeutet Zank, das Knistern und Sprühen der Flamme dagegen Freude, die sogenannte Blume am Lichte verkündet frohe Botschaft, der Hobelspan den Tod eines Angehörigen. Wenn die Axt des Zimmermannes bei Errichtung eines Hauses Funken sprüht - gleich Thor's Donnerhammer -, so ist das Haus zum Voraus dem Feuer geweiht.

Allgemein verbreitet ist bekanntlich die Heiligkeit der Flamme des Herdes; der Feuerherd ist gleichsam der Hausaltar der Familie und ward von jeher als eine geheiligte Stätte betrachtet. Die in vielen Gegenden herrschende Sitte aber, während des Gewitters Feuer auf dem Herde anzuzünden, und der feste Glaube, daß in ein solches Haus der Blitz nicht einschlage, beweisen den Zusammenhang des Herdes mit dem Thorcultus. Grimm (S. 693) führt eine Stelle aus Hansens Geizhals an, wo die blaue Flamme, "Donners Blösken" genannt und gleich dem Donner selbst um Hülfe angerufen wird, und unser Frank (A. u. N. M. I, S. 229) versichert, daß zu seiner Zeit die Köche einen Theil der Speise, namentlich des Fleisches, dem Gotte des Feuers zu opfern pflegten, wie man früher beim Gastmahle einen Theil des Getränkes als Opfer der Hertha auf die Erde gegossen habe. - Wie der Herd, wird auch der Ofen heilig gehalten, worüber Grimm mehre Einzelheiten beibringt. Bekannt ist die früherhin sehr ernsthaft gemeinte Anbetung des Ofens in dem Pfänderspiel junger Leute: "Aben, Aben, ick ber di an, gif mi ênen goden Mann, giffst du mi kênen goden Mann, so ber die de Düvel an". Aus diesen mythischen Zusammenhang des Feuers und der Liebe weisen auch die Scherzreden hin, daß nur ein Junggeselle das erloschene Licht wieder anzublasen vermöge, und daß der keine Kinder zu hoffen habe, dem das Anschlagen des Feuers mit Stahl und Stein nicht gelingen will.

Bekannt ist ferner, daß in den Gottesgerichten vorzugsweise das Feuer oder vielmehr der in dem Feuer wirkende Gott selbst zur Ermittelung der Schuld oder Unschuld befragt ward. Der Zusammenhang dieser Feuerprobe mit dem Thorcultus wird aber bei näherer Betrachtung der dabei gebrauchten Werkzeuge völllig unzweifelhaft. Schon die 9 glühenden Pflugscharen, welche der Angeklagte mit nackten Füßen betreten mußte, erinnern an den Gott des Ackerbaues, noch bestimmter aber weis't der geglühete eiserne Handschuh auf Thor hin, welcher gleichfalls einen künstlichen Handschuh von Eisen trug, mit dem er den glühenden Schaft seines Donnerhammers faßte, und selbst bei der einfachen glühenden Stange, die der Unglückliche eine

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Strecke tragen mußte, mochte man ursprünglich an die torrida chalybs denken, die Saxo Grammaticus statt des Hammers dem Thor zuschreibt. Solche Feuerproben waren nun im Mittelalter auch in Meklenburg üblich, und eine Wittenburger Sage berichtet ein bemerkenswerthes Beispiel derselben aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Ein der Brandstiftung verdächtiger Bürger bewies seine Unschuld, indem er unveretzt ein glühendes Eisen berührte, welches hierauf sofort verschwand. Aber wie Thor's tief in die Erde geschmetterter Donnerkeil nach der Meinung des Volkes nach neunjähriger Frist wieder emporsteigt, so verbrannte sich auch hier nach Verlauf eines Jahres ein Arbeiter bei der Pflasterung des Steindammes die Hand an demselben, unter dem Damme verborgenen und noch jetzt glühenden, Eisen und gestand das Verbrechen. - Unverkennbar hängt mit der hier entwickelten Ansicht auch der Aberglaube zusammen, daß sich die Zunge des Verläumders mit Blasen belege, sowie die Drohung, mit welcher man lügnerische Kinder schreckt, daß ein Rauch hinter ihrem Rücken die Lüge verrathe.

Eine andere Wirkung des Feuers ist die, daß es gegen böse Geister schützt; darum darf in einem Hause, worin eine Leiche im Sarge, oder ein ungetauftes Kind in der Wiege ruht, das Feuer oder Licht nicht erlöschen. - Noch allgemeiner verbreitet ist der Glaube an die natürliche Heilkraft des Feuers, wobei wieder hervorzuheben ist, daß es diese Kraft nur gegen Krankheiten äußert, die von Thor gesandt sind. Fieberkranke Kinder z. B. werden auf den Ofen gelegt (Gr., S. 676); die Rose heilt man durch die Funken des Feuersteins, das strömende Blut stillt man, indem man das verwundete Glied drei Mal in das Ofenloch steckt, und Brandwunden hält man gegen die lodernde Flamme. Völlig klar aber wird der heidnische Charakter dieses allgemeinen Volksglaubens an die Heilkraft des Feuers durch das bei allgemeinen Viehseuchen beobachtete Verfahren. Zunächst ward ein Stück der Heerde zur Versöhnung der zürnenden Gottheit als Opfer dargebracht, indem man es in dem Backofen verbrannte. Nahm die Gefahr aber zu, so ward auf förmlichen Gemeindebeschluß ein allgemeines feierliches Nothfeuer 1 ) angezündet, welches gleich der reinen Himmelsflamme


1) Den Ausdruck Nôtfeuer leitet Grimm entweder von nôt=necessitas ab, also ein zur Zeit der Noth entzündetes Feuer, wie Nothstern (Comet), Nothschuß u. s. w., im Gegensatze zu dem festlichen Freudenfeuer (ignis jucunditatis), oder von der Wurzel, goth. hniudan, althochd. hniotan, altnordd. hnioda =quassare, terere, tundere, wie das schwedische vrideld oder gnideld, d. h. durch Reibung entzündetes Feuer. Nicolaus Gryse bezeichnet das (  ...  )
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selbst noch nicht durch profanen Gebrauch entweiht sein durfte, sondern einem trocknen Holzscheite durch Reibung entlockt und mit dem Reisig von sieben oder neunerlei verschiedenen heiligen Sträuchen unterhalten ward. Ohne Zweifel begann die eigentliche Feier, wenn die reine Flamme emporloderte, in heidnischen Zeiten mit einem wiederholten Opfer, worauf dann die ganze Heerde jubelnd durch das Feuer getrieben ward.

In Meklenburg erschien unter dem Herzoge Gustav Adolph von Güstrow unterm 13. September 1682 eine eigene Verordnung wider die abergläubischen Viehcuren, namentlich das Nothfeuer, welches im fränkischen Reiche schon aus einer allgemeinen Kirchenversammlung im J. 742 verboten ward. Dessenungeachtet bezeugt Dav. Francke (a. a. O. I, S. 231), daß dasselbe zu seiner Zeit noch in vollem Gebrauche sei, ja ein in der Neuen Monats=Schr. von und für Meklenburg, Jahrg. 1792, Nr. 7, mitgetheiltes Beispiel beweis't, daß diese merkwürdige Sitte noch im Ende des vorigen Jahrhunderts so allgemein verbreitet war, daß sich selbst größere Stadtgemeinden derselben nicht schämten. Zu Anfang des Julimonats eben dieses Jahres ward nämlich nach diesem Berichte "die Sternberger Rindviehheerde von der sogenannten Feuerkrankheit befallen; verschiedene Häupter starben sehr schnell daran, und man beschloß, das übrige Vieh durch ein Nothfeuer zu treiben. Am 10. d. M. ließ der Magistrat daselbst öffentlich ausrufen, daß am folgenden Tage, vor Sonnenaufgang ein Nothfeuer zum Besten der städtischen Rindviehzucht angemacht werden würde, und ermahnte zugleich jeden Einwohner, am Abende in den Küchen ja kein Feuer anzuzünden. Am 11. Morgens 2 Uhr war fast die ganze Bürgerschaft vor dem Luckower Thore versammelt und half mit vieler Mühe das schüchterne Vieh durch das an drei verschiedenen Stellen brennende Nothfeuer jagen und glaubt noch ganz zuversichtlich, solches mit dieser Feuerprobe vom Tode errettet zu haben. Zur völligen Sicherheit hielt man es auch noch für rathsam, dem Rindvieh die rückständige Nothfeuerasche einzugeben". - Die Art und Weise der Entzündung dieses Feuers wird in diesem Berichte als bekannt vorausgesetzt, aus den weiteren Verhandlungen über das Ereigniß, das natürlich Aufsehen erregte (Nr. 8 und 11 von 1792 und Nr. 6 von 1793 der


(  ...  ) Johannisfeuer als ein Noth= und Lodtfeuer. Der letztere Ausdruck kommt vielleicht von der Wurzel lôt, in der Zusammensetzung lôt-stat, d. h. Freistätte, Asyl, und lôt-eigen, d. h. volles, echtes, freies Eigen. Statt loteigen kommt auch lud- und lutereigen vor, also lutter=rein. Lodtfeuer wäre also wirklich reines Feuer, wie das Nothfeuer auch sonst genannt wird.
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gedachten Schrift) ergiebt sich jedoch, daß dasselbe hier im Lande durch Reibung eines um einen eichenen Pfahl geschlungenen Strickes oder zweier Holzscheite gegen einander entzündet und durch siebenerlei Holz genährt ward. Eben so beschreibt schon Franck die Art der Entzündung des Feuers, wobei er gleichfalls namentlich hervorhebt, daß der Pfahl, um welchen der Strick gewunden ward, von Eichenholz, also von dem heiligen Baume Thor's, genommen werden mußte, was auch in den von Grimm aus verschiedenen Ländern mitgetheilten Berichten ganz gleichmäßig wiederkehrt. Die Asche des erloschenen Feuers ward nach Franck zu allerlei abergläubischen Dingen gemißbraucht; an andern Orten streuete man dieselbe z. B. über den Acker, um die Pflanzen gegen das Ungeziefer zu schützen. - Daß diese Feuer in älteren Zeiten auch zum Schutze der Menschen gegen ansteckende Krankheiten entzündet wurden, ist kaum zu bezweifeln, zumal wenn man hiemit die unten zu besprechenden Gebräuche bei dem Freudenfeuer zu Ostern und Johannis vergleicht, aus welchen zugleich die Beziehung auf Thor noch bestimmter hervorgeht. Interessant ist aber, daß man in neuester Zeit bei dem Erscheinen der Cholera zu der alten Sitte zurückkehren zu wollen schien, indem man an vielen Orten zur Reinigung der Luft öffentliche Feuer entzündete.

Endlich ist zu erwähnen, daß Thor's heilige Flamme nicht nur an der Wiege des Neugebornen brannte, um ihn gegen die Macht der bösen Geister zu schützen, nicht nur den lebendigen Leib von bösen Krankheiten reinigte, sondern auch nach dem Tode die ihm geopferte Leiche in Asche verwandelte, die der Erde zurückgegeben ward, während die befreite Seele mit der lodernden Flamme zu den höheren Göttern hinauf wallte. Thor selbst aber segnete den Scheiterhaufen mit seinem heiligen Hammer, wie er einst die Ehe gesegnet hatte. Diese Sitte des Leichenbrandes ist zwar längst der christlichen Beerdigung der Todten gewichen, aber die Erinnerung scheint noch fortzuleben in der Sorgfalt, womit man Haare, Nägel und dergleichen abgelösete Theile des Körpers verbrennt, um sich vor Schaden zu sichern; denn wenn z. B. ein Sperling mit dem abgeschnittenen Haare sein Nest bauen sollte, würden anhaltende Kopfschmerzen die unausbleibliche Folge sein. Blut wird dagegen der Erde oder dem Wasser anvertrauet.

Viel schwächer sind bei uns die Spuren der Heiligkeit des Wassers und der Luft und deren Beziehung auf den Thorcultus. Die Luft ist ursprünglich Othinisches Element. In der jüngeren Edda heißt es bei Aufführung der Güter, die Othin seinen Söhnen verleihet, unter anderm auch: "Wind verleih't er

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den Schiffern". Neben ihm war die Herrschaft der Winde dem Niördhr und seinem Sohne Freyr anvertrauet, so daß Thor, als allgemeiner Gott des Wetters, speciell in Bezug auf dies Element wohl schon im Alterthum ziemlich im Hintergrunde stand. In unserer Heimath aber sind überhaupt abergläubische Meinungen, welche auf eine besondere Verehrung eines Gottes der Stürme hinwiesen, sehr selten, was in einem Küstenlande ziemlich auffallend ist. Zu erwähnen ist indeß der Glaube, daß heftige Winterstürme für das kommende Jahr Krieg verkünden. Den Wirbelwind (Küsel) hält das Volk für ein Werk des Teufels. Er wird sogar "lêve Herr Düvel" angeredet und man opfert ihm, um ihn zu besänftigen, etwas von seinen Kleidungsstücken. Beides weis't mehr auf Othin hin, als auf Thor. - In Bezug auf die Verehrung des Wassers und dessen Verwandtschaft mit dem Feuerdienste ist die Bemerkung Grimm's interessant, daß die Wörter Brunnen von brennen (prinnan), Sôt von sieden (siodan) und Welle von wallen (wallan) abzuleiten seien, eine gewiß merkwürdige Ideenverknüpfung, welche die ursprüngliche mythische Einheit dieser Elemente unter dem Donnergotte, dem Herrn des himmlischen Feuers wie des himmlischen Wassers (Jupiter tonans und Jupiter pluvius) beweis't. Völlig entscheidend aber ist die merkwürdige Verehrung des Sees am Berge Helanns, dem das Volk Opfer bringt, um den Gott des Sees zur Sendung eines befruchtenden Gewitters zu bewegen (Gr., S. 337). Auch die mythischen Wirkungen des Wassers sind denen des Feuers fast ganz gleich. Dahin gehört namentlich die Heilkraft des Wassers. So setzen unsere Bauern z. B. dem Kranken ein Gefäß mit Wasser unters Bett, damit er sich nicht wund liege, wobei sichtlich nicht von einer natürlichen Eigenschaft des Elementes, sondern von dem dem Wasser inwohnenden göttlichen Geiste Hülfe gehofft wird. Andere hieher gehörige Gebräuche werden wir bei Beschreibung der Oster= und Johannisfeste kennen lernen. - Wie das Feuer, ward ferner bekanntlich auch das Wasser bei den Ordalien gebraucht, indem man den Angeklagten, besonders weiblichen Geschlechts, in den Strom oder in den See warf, wobei jedoch merkwürdiger Weise das naturgemäße Untersinken als Beweis der Unschuld galt. Diese Wasserprobe war im Mittelalter auch in Meklenburg bekannt und ward namentlich in den Hexenprozessen noch im 17. Jahrhunderte häufig angewendet.

Daß Thor, der Sommergott, von welchem Gesundheit oder Siechthum der Thier= und Pflanzenwelt abhing, auch in diesen Naturreichen, gleich Othin, seinen Anhang hatte, versteht sich von selber. Unter den ihm gehörigen Säugethieren weiß ich

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aber kein wildes zu nennen, denn daß der Fuchs trotz seines Beinamens "Waldthor" wahrscheinlich zu Othin's Sippe gehörte, ist schon oben bemerkt. Wahrscheinlich waren aber das starke Elch oder Elen und der Hirsch Thor's Thiere, ja unter den mythischen Böcken, die den Donnerwagen ziehen, sind ursprünglich vielleicht zwei Elche zu verstehen. Unter den Hausthieren gehört dagegen vor allen die Ziege und namentlich der Bock hieher, das Sinnbild männlicher Zeugungskraft, welcher bei allen Völkern dem Donnergotte geweih't war. Früher schrieb man verschiedenen Theilen des Bockes ungemeine Heilkraft zu. Mit dem Horne und den Haaren wurde in Pestzeiten geräuchert, auch um Ohnmächtige und Epileptische (aus der schweren Noth) zu wecken. Das Blut innerlich gegen Gift, Epilepsie, besonders aber gegen den Stein zu gebrauchen; man schrieb dem Bocksblute eine solche Kraft zu, daß man selbst den Diamant damit aufzulösen vermöge, zumal wenn das Thier mit gewissen Pflanzen genährt sei; äußerlich gegen Geschwulst. Die Milz äußerlich, oder indem man sie bloß auf dem Ofen verdorren ließ, gegen Milzkrankheiten. Das Mark kräftigend. Die Milch gegen Schwindsucht und Auszehrung. Die Steine im Magen und in der Galle schweißtreibend. Der Harn und die Harnblase wider den Stein und Harnkrankheiten. Der Koth wider Pest, Beulen und andere Geschwüre. Ein Decoct aus der Haut mit der Asche der Haare blutstillend. Die Galle gegen das Fieber, äußerlich stimulierend. Ganz ähnliche Wirkungen schrieb man dem Horne, dem Blute, Geburtstheilen, Testikeln und andern Theilen des Hirsches zu, namentlich auch dem sogenannten Hirschkreuzbein, einem angeblichen Gewächse am Herzen des Thieres, welches z. B. auch gegen Melancholie schützte; eben so dem in dem Magen und dem Herzen gefundenen Steine. Noch höher stand die Heilkraft des Elen, namentlich des Horns und der Klaue, welche innerlich als Brandpulver genommen, oder äußerlich, indem man ein Stück in das linke Ohr steckte oder als Amulet trug, als das sicherste Mittel gegen die schwere Noth galten. Endlich wurden auch verschiedene ausländische Bockarten ganz in derselben Weise benutzt: z. B. der sogenannte Bezoarstein, aus dem Magen des capricervus orientalis, und der Moschus, welchen man gleichfalls einer Bocksart zu verdanken glaubte und dem man insbesondere eine Gedächtniß stärkende Kraft zuschrieb 1 ). - Zahlreiche Pflanzen und niedere Thiere sind nach dem Bocke genannt, der hier öfter fast


1) Vgl. Joh. Schröder pharmacopoeia universalis. Nürnberg 1748.
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als der Stellvertreter Thor's erscheint, wie der Wolf als Stellvertreter Othin's. Höchst merkwürdig ist aber die Rolle, welche der Bock bei den Hexenfahrten auf dem Blocksberge spielt. Der hier verehrte Bock ist der Teufel selbst; er ist schwarz von Farbe, zwischen seinen Hörnern brennt eine Flamme, und am Ende des Festes brennt er sich selbst zu Asche (Gr., S. 557 u. 605). Es liegt nahe, in diesem Teufel in Bocksgestalt den Thor zu erkennen; aber das Zauberwesen ging nicht von ihm, sondern von Othin aus. Ich hege daher die Vermuthung, daß hier, wie in zahlreichen andern Fällen, vielmehr der nordische Loki, Vater der Todesgöttin Hel (Hölle), mit dem christlichen Teufel, dem er überhaupt am nächsten verwandt war, zu einem Wesen verschmolzen ist. Wahrscheinlich war auch ihm, dem wilden Feuergeiste, gleich dem Thor, ein Bock geweiht, der sich durch seine schwarze Farbe auszeichnen mogte. Dafür spricht, daß nach der Aussage unserer Hexen der Teufel mitunter auch in Gestalt eines schwarzen Pferdes auf dem Blockberg erschien. Ein schwarzer Hahn verkündete in der Unterwelt den letzten Morgen, und Hel selbst war halb schwarz, halb weiß. - Daß auch der kräftige, den Pflug ziehende Stier dem Gotte des Ackerbaues geweiht war, wie die Kuh seiner Gattin, der Mutter Erde, ist zwar aus dem Alterthume nicht nachzuweisen, darf aber mit Sicherheit vorausgesetzt werden, und wird durch die Rolle, welche er in unserm Pfingstfeste spielt, vollkommen bestätigt. Ueberhaupt rechne ich alle männlichen Hausthiere, namentlich die gehörnten, hieher. Das Horn ist Zeichen männlicher Kraft und Thor selbst war gleichsam gehörnt, wie Jupiter Ammon, indem ein Steinsplitter, den ein Riese auf ihn schleuderte, in seinem Haupte stecken blieb. Auf jene Bedeutung des Horns bezieht sich das Hörnertragen des betrogenen Ehemannes, eine Ironie, die sich noch bitterer wiederholt, wenn man dem entmannten Hahn seinen Sporn auf die Stirn setzt.

Unter den wilden Vögeln beziehe ich alle den Frühling und Sommer verkündenden Zugvögel, welche sämmtlich für heilig und unverletzlich, sowie für Glück bringend galten, aus Thor; unter allen aber voran den Storch. Er hat verschiedene Namen, unter welchen in Meklenburg Adebar der bekannteste ist, althochd. odebero, adebero, odebore, odeboro, otivaro, mittelhochd. adebar, niederdeutsch adebar, adebero, woraus in Hamburg durch Verkürzung äbêr, êber geworden ist. Auch in den Niederlanden heißt er odevare, hodevaro und ôyivâr, woraus man oude vader (alter Vater) gemacht hat. Auch bei uns wird er allgemein Adebar, Arebar, Arebare und in der Gegend von Dömitz Aettebär genannt. Das Wort ist sehr ver=

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schieden erklärt; mir scheint am nächsten zu liegen, die erste Sylbe auf den Stamm ôd, in dem allgemeinen Sinn von Glück (felicitas), zurückzuführen. Odebar oder adebar ist also wörtlich Glücksbringer, welches genau dem Heylebart entspricht, einem andern mittellhochdeutschen, noch jetzt in Lüneburg, Braunschweig und Hessen gebräuchlichen Namen desselben Vogels. In der Prignitz und einem kleinen Theile von Meklenburg heißt er Hainotte oder Hannotter, was ich nicht zu erklären weiß. Seine Verwandtschaft mit Thor ist aus vielen Zügen völlig klar. Sein Erscheinen ist im Allgemeinen Heil und Glück bringend, was nach dem Obigen schon sein Name sagt; man beobachtet aber, ob man den ersten Storch des Jahres fliegend, oder auf einem Neste sitzend gesehen hat; ersteres bedeutet zunehmenden Wohlstand, letzteres Eheglück. Vor allem aber bringt er dem Hause, worauf er nistet, seinen Segen und schützt es namentlich gegen Feuer, besonders gegen den Blitz; sollte dasselbe aber dennoch vom Feuer bedroht werden, so bringt der vorahnende Vogel seine Brut Tags zuvor in Sicherheit, weshalb schon Attila aus dem Abziehen der Störche von dem belagerten Ravenna auf den Untergang der Stadt schloß. Um ihn zum Nisten auf einem Hause zu bewegen, baut man ihm in einigen Gegenden ein Nest auf dem Feuerherde. Der Donnerkeil (Belemnit), den Thor mit dem Blitze auf die Erde schleudert, heißt in Dänemark Tordenkile, Tordensteen, aber auch Storksteen, und auch in einigen Gegenden Deutschlands Storchstein. Auch er schützt gegen das Einschlagen des Blitzes. Das wichtigste Geschäft des Storches aber, welches gleichfalls unzweideutig auf Thor, den Gott der Liebe und der Ehe, hinweis't, ist bekanntlich nach allgemein verbreiteter Kindersage die Zutragung der Kinder, die er nach der gewöhnlichsten Vorstellung aus dem Sumpfe holt (Kindersoll), weshalb unsere Kinder noch fleißig singen: "Adebare Nester, bring mî ‚n lütte Swester! Adebare Roder (Rore) 1 ), bring mî ‚n lütten Broder (Brore)!" Auch nach dem Storche werden verschiedene Pflanzen genannt. - Sollte die griechische Sage von dem Pelekan, der seine Brust öffnet, um seine Jungen mit dem eigenen Blute zu ätzen, in dem germanischen Alterthum etwa von dem Storche erzählt sein? Unter Pelekan soll der Baumspecht zu verstehen


1) Roder (sprich Roré) ist der Rothe. Man hat also gewiß nicht nöthig, an roda, den slavischen Namen des Storches, zu denken. Im Lüneburgischen singen die Kinder: "Heilebart im Neste, bring mick ´n lüttje Swester! Heilebart du Luder, bring mick nen lüttjen Bruder!"
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sein, obwohl es nicht dessen eigentlicher Name war 1 ). In mittelalterlichen Darstellungen jener Fabel erscheint aber der Pelekan unverkennbar als ein in seinem Neste stehender Storch, so namentlich auf dem Helme des Wappens der meklenburgischen Familie Swartepap aus dem 14. Jahrhundert (Jahrbücher XVII, S. 43). Das Fleisch des Storches, besonders aber die Galle, das Fett und der Magen wurden früher auch als Arzneimittel gebraucht, namentlich gegen die Pest, Epilepsie, Schwindel, Gicht, Nervenübel und Gelenkkrankheiten. - Nächst dem Storche ist die Schwalbe der am meisten geehrte Frühlingsvogel. In ihrem Zwitschern bei ihrer Ankunft hört das Volk die Klage; "aß ick hier vörrig Jahr was, dunn wüß hier Lôf unn Gras, die Jahr iß hier nix - nix - nix!" Nach Grimm wird sie des lieben Hergotts Vogel genannt. Ueberall gilt sie für heilig und unverletzlich; wenn man eine Schwalbe tödtet, soll es vier Wochen regnen; ihr Nest bringt gleich dem Storchneste Glück. An der Stelle, wo man im Frühling die erste Schwalbe sieht, soll man unter seinem Fuße eine Kohle finden, welche gegen das Fieber schützt; wenn dagegen eine Schwalbe unter die Kuh hindurch fliegt, giebt diese rothe Milch (Blut), was nach dem Aberglauben anderer Länder die Strafe der Zerstörung eines Schwalben= oder Rothkehlchennestes ist, wogegen wieder Andere glauben, daß in dem letzteren Falle der Blitz das Haus des Frevlers treffen werde, Die Seeschwalbe heißt auch Brandvogel. Wie der Bock und der Storch hat auch die Schwalbe wunderbare Heilkraft, namentlich das Herz und das Blut des Thieres, womit man die schwere Noth, Entzündung, Geschwüre und das böse Gesicht heilte, das Fieber und Melancholie vertrieb und das Gedächtniß stärkte. Ein angeblich im Magen der jungen Schwalbe gefundener Stein ward von Kindern und Erwachsenen als Amulet getragen zum Schutze gegen eben diese Uebel, und weil er den Trägern die Liebe der Menschen erwarb. Auch die Schwalbe hat ihre besonderen Kräuter. - Die Donnerziege (capella coelestis), Himmelsziege, Donnerstagspferd, Wettervogel und Regenvogel genannt, verräth ihre Beziehung auf Thor schon durch ihren Namen. Ihr Flug soll ein nahendes Gewitter verkünden; nach schwedischem Aberglauben zeigt ihr erstes Erscheinen den Menschen ihr Schicksal an (s. überhaupt Gr., S. 126). Die Na=


1) Πελεκάν kommt von πελεκάω ich haue mit der Axt. Der Specht hieß δρυοκαλάωτης, δενδροκάλαπτης Baumpicker, Baumhacker, oder κραύγός der Schreier
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turforscher glauben, daß unter dem caprimulgus des Plinius die Donnerziege zu verstehen sei und nennen sie daher auch deutsch Ziegenmelker. Auch soll sie in einigen Gegenden die Nachtschwalbe oder die Hex genannt werden, was fast den Verdacht erregt, daß sie gleich dem Kukuk ein Zaubervogel war. - Auch den Kibitz macht der allen Kindern bekannte Gesang: "Kiwitt, wo bliv' ick? In'n Brummelbärn Busch! dar spr in ick, dar danz ick, dar hev ick min Lust!" fast verdächtig. - Von sonstigen Frühlingsvögeln, z. B. der im Mittelalter vor allen heiligen Meise, sowie von der Nachtigall und andern Singvögeln, weiß ich aus Meklenburg nichts zu berichten.

Von den zahmen Vögeln gehört nur der Hahn hieher, welcher aber auch ein ächter Thorsvogel ist, zumal der rothe Hahn. Nach der Völuspa verkünden einst drei Hähne den letzten Morgen des Weltunterganges: in Walhalla Gullinkambi, der Goldkamm, d. h. die Sonne selbst, der jeden Morgen die Einherier weckt; auf der Oberwelt Fialar, der Hochrothe, auf dem Gipfel eines Waldbaumes sitzend, und unter der Erde in Hela's Behausung ein schwarzer (rußfarbiger) Hahn, dem kein besonderer Name gegeben wird. Hier bezieht sich die rothe Farbe vielleicht auf das Morgenroth. In der Drohung, jemandem den rothen Hahn auf das Dach zu setzen, wird er der Flamme verglichen. Der Hahnenkrat verkündet den Morgen und verscheucht die bösen Geister. Aber auch in der Frühlingsfeier, dem Morgen des neuen Jahres, spielt der Hahn eine Rolle, wie wir unten sehen werden. Eben so haben wir ihn bereits bei dem Erntefeste auf der dem Thor geweihten Garbe und der bunt geschmückten Festkrone gefunden. Der goldne Hahn auf den Thürmen, den Grimm schon im 10. Jahrhundert nachweis't, stammt nach ihm aus jener Frühlingsfeier, hat aber auch als Wind= und Wettervogel eine passende Bedeutung. Der Vergleich des Ehewirths mit dem Haushahn liegt nahe. In Meklenburg herrschte früher die Sitte, der Braut zur Hochzeit einen Hahn zu schenken, welcher Bruthân hieß. Später verstand man darunter das auf der Hochzeit den Gästen vorgesetzte Zuckerbackwerk, welches also ursprünglich gewiß die Gestalt des Hahns gehabt haben wird. Auch ward der ganze Hochzeitsschmaus Hânenbier genannt 1 ). Liegt der Bezeichnung des betrogenen Eheherrn als Hahnrei eine besondere Fabel zum Grunde? Auch das Huhn wird auf Thor oder seine Gattin Bezug gehabt haben. Der von jeder Feuerstätte zu gebende Grundzins bestand


1) Polizei=Ordnung von 1516 und 1572, Tit. v. Hochzeiten.
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von Alters her in einem Huhn (Rauchhuhn, Herdhuhn), bei dessen Auswahl nach Grimm früher besonders auf die rothe Farbe gesehen ward. Sollte etwa auch die altherkömmliche Hammerscult, eine Abgabe von Hühnern und Eiern, auf Thor's Hammer Bezug haben? 1 ) Der Aberglaube in Bezug auf Hühner ist sehr mannigfaltig, aber seine Deutung nicht überall klar. Vielleicht machte früher auch hier die Farbe einen Unterschied. Ein krähendes Huhn verkündet Unglück; Hühnerfedern in dem Kopfkissen des Sterbenden erschweren den Tod; das Nesselfieber wird auch Hühnerbad genannt, und man glaubt, daß die Krankheit entstehe, wenn man sich an solchen Orten aufhalte, wo die Hühner ein sogenanntes Sand= oder Staubbad genommen haben. Zur Heilung des Uebels streut man den Hühnern zwischen Hemd und Brust hindurch Brodkrumen. An andern Orten soll der Keichhusten Hühnerweh genannt werden. Bekannter ist das Hühnerauge, Leichdorn.

Auch verschiedene Insecten gehörten zu Thor's Thieren. Namentlich der große gehörnte Hirschkäfer (Lucanus cervus), auch Donnerkäfer, Donnerguge, Donnerpuppe, Feuerkäfer, Feuerschröter, Feuerträger, Börner, Eichkäfer und Eichochse genannt. Man glaubt, daß er mitunter eine Kohle zwischen den Hörnern trage, sein Geweih als Zahnstocher gebraucht, schützt gleich dem Donnersplitter vor Zahnschmerz. Wer ihn entführt, dem schlägt der Blitz ins Haus. - Der Marienkäfer (Coccinella) heißt bei uns auch Sonnenkäfer, Sonnenpferd, Gottespferdchen und Johanniskäfer. Ihn zu tödten, bringt Unglück; unsere Kinder setzen ihn auf die Hand und bitten ihn auszufliegen und gut Wetter zu holen (Herr Gotts Pierdken fleg ut, unn bring mi godes Weder mit!). - Ob auch Schmetterlinge, namentlich die Tagfalter, die Bienen, die Ameisen, die Spinnen u. a. hieher zu ziehen sind, bin ich zweifelhaft. Von den ersteren, bei uns Sünnenvagel oder Bottervagel genannt, weiß ich sonst nichts beizubringen als den bekannten Kindergesang, wodurch das Thier eingeladen wird, sich zu setzen. Ein Bienenschwarm bedeutet Gäste, nach andern Feuer, wenn er sich an ein Haus setzt 2 ). Gegenstände, welche bei sympathetischen Kuren gebraucht sind, vergräbt man in einen "Emken= oder Mirenhupen", d. h. Ameisenhaufen. Vgl. auch


1) Die Rede: Es kräht kein Hahn darnach! ist wohl eine Anspielung auf die Geschichte des Apostels Petri.
2) Andere abergläubische Meinungen in Bezug auf die Bienenzucht finden sich in der N. Monats=Schrift von und für Meklenburg 1793, St. 3, S. 83.
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Gr., Aberglaube Nr. 88 und 98. Eine kleine Spinnenart bringt Glück (Glücksspinne). Spinnengewebe legt man auf Wunden, um das Blut zu stillen, auch hilft dasselbe gegen das Fieber; Spinnengewebe in der Küche deutet auf Verliebtheit der Köchin. Der Mettensommer (Mädchensommer), d. h. das im Frühling und Herbst über's Feld ziehende Spinngewebe, anderswo Mariengarn und in Schweden Zwergsnetz (dwärgsnät) genannt, hatte jedenfalls eine mythische, wenn auch jetzt nicht mehr zu erkennende Bedeutung (Gr., S. 454).

Zahlreich sind wieder die auf den Thorscultus bezüglichen Pflanzen. Vor allem war die heilige Eiche bei allen heidnischen Völkern Thor's Baum. Die christlichen Missionaire erwähnen wiederholt der heiligen Donnereiche (robur Jovis), der das Volk göttliche Verehrung zollte (Gr., S. 44 und 45). Noch jetzt glaubt das Volk, daß die Nähe einer Eiche gegen Blitz sichere, und schreibt derselben außerordentliche Heilkraft zu. Kinder läßt man durch den Spalt einer alten Eiche kriechen, damit sie Gedeihen (Däg) haben mögen, und Lahme und Sieche hoffen davon Heilung ihrer Leiden. Noch vor einigen Jahren wanderten Tausende gläubiger Kranken aus allen Gegenden des Landes zu einer solchen heiligen Eiche in der Nähe von Grevesmühlen, bis der Eigenthümer sie fällen ließ, und andere, wenn auch minder berühmte Bäume der Art gab es viele im Lande, z. B. bei dem Dorfe Rom bei Parchim, welche Thor selbst vor einigen Jahren zerschmettert hat. - Von der Linde ist mir nichts Bemerkenswerthes bekannt, obwohl man es fast erwarten sollte; eben so wenig von andern Bäumen. Dagegen ist die mythische Bedeutung des Dornstrauchs schon oben hervorgehoben. Hier ist noch anzuführen, daß die erste Blüthe des Schwarzdorns ein Fiebermittel ist. Nach Grimm's Untersuchung pflanzte man auf die Grabhügel der Todten einen Dornstrauch oder wilde Rose. Die Rose findet man bekanntlich noch jetzt sehr gewöhnlich auf Gräbern, aber sie ist nicht bloß Todesblume, sondern zugeich Blume der Liebe. Das Rosenöl ward früher äußerlich gegen Augenentzündung, Zahnschmerzen, Ohrenschmerzen, und innerlich gegen Fieber und Flüsse angewendet. Der durch einen Insectenstich erzeugte moosartige Auswuchs an den wilden Rosen heißt Schlafsdorn. Er soll gegen Zauberei schützen, namentlich legt man ihn Kindern in die Wiege, welche verrufen sind, daß sie nicht schlafen können. Man darf aber nicht über Wasser gehen, wenn man ihn pflückt. - Ueberhaupt scheinen alle stachlichen und brennenden Gewächse von Thor zu kommen; man verglich diese Eigenschaft ohne Zweifel der Wirkung des Feuers, und der Stachel der Pflanze schien überdies dem Horn der Thiere zu

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entsprechen. Hieher gehört namentlich die große Brennnessel (urtica dioica), bei uns Dunner = oder Hirre=Nettel genannt (von hyr=Feuer, daher Hyrrekin, der Name einer Riesin, was nach Gr. igne fumata bedeutet). Von dieser Nessel glaubte man nach Franck (A. u. N. M. I, S. 59), daß sie dem Donner widerstehe, weshalb man sie zum frischen Biere legte, damit es sich nicht breche 1 ). Junge Nesseln gehörten zu dem Grünen=Donnerstags=Kohl. Hühner peitscht man mit Nessel, um sie zum Brüten zu bringen; warum man aber jungem Federvieh die Füße damit peitscht, weiß ich nicht, denn der mir angegebene Grund, daß man es an den Nesselbrand gewöhnen wolle, ist zu einfältig, als daß man nicht einen andern voraussetzen dürfte. Vergleiche auch oben über den Zusammenhang des Nesselfiebers mit den Hühnern. - Außer den eigentlichen Getreidearten mit den stachlichten Aehren, welche nothwendig dem Gotte des Ackerbaues gehörten, sind hier unter den eßbaren Pflanzen auch die Schotenfrüchte, Erbsen und Bohnen, zu nennen. Früher hielt man die Erbse für ein Mittel gegen Zahnschmerz, indem man den kranken Zahn damit berührte und sie dann in fließendes Wasser warf. Eben so vertrieb man die Warzen. Sie durften in den Zwölften nicht genossen werden, sind aber das eigentliche Donnerstags=Gericht. Die mythische Bedeutung der von einem Pockennarbigen gebräuchlichen Redensart, der Teufel habe Erbsen oder Bohnen in seinem Gesichte gedroschen, verstehe ich nicht, wenn eine darin liegt. - Hieran schließen sich endlich noch eine ganze Reihe von Pflanzen, welche ihre Verwandtschaft mit dem Gotte oder den ihm heiligen Thieren schon durch ihren Namen verrathen, aber dieselbe größtentheils auch durch besondere Eigenschaften bewähren. Dahin gehören vor allen, außer der besprochenen Donnernessel, folgende Donnerkräuter: Donnerbart (Sempervivum tectorium), auch französisch Joubarb (barba Jovis), der Hauslauch, den man bei uns überall auf Stalldächern sieht, weil er dem Vieh Gedeihen bringt und dasselbe gegen Krankheiten schützt. Nach Andern schützt er aber auch das Haus gegen den Blitz (Gr., S. 125). Die saftigen Blätter sind Heilmittel gegen Brandwunden.


1) Dieser Sitte liegt aber auch zugleich eine Erinnerung an Thor als Trinkgott zu Grunde. Mit seinem Hammer ward der Kelch (Trinkhorn) geweihet, und er selbst wird als der stärkste Trinker dargestellt, der Ströme leert und ein Mal fast das Meer ausgetrunken hätte (Wirkung der Sommerhitze). Ueberdies war ja das Gedeihen des Korns, woraus das Hauptgetränk des Nordens gebrauet ward, seine Gabe. Eben so stand der Hopfenbau unter seiner Obhut, weshalb derselbe am Donnerstage ruhen mußte.
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Das Donnerkraut (Sedum telephium), die fette Henne, bei uns Heil aller Wunden, dänisch Tordensur, französisch Joubarbe des Vegnes genannt. Außer Wunden soll es auch Brandschaden, Geschwüre und Hautflecken heilen. Die Donnerbohne (Ophrys ovata, auch die Orchis?), sonst Wundkraut, Bruchkraut, Knabenkraut. Der Donnerflug (Fumaria officinalis), der Erdrauch, soll auch Albrauch und Albraute genannt werden. Heilkräftig gegen Milzkrankheiten, Gelbsucht, Blattern und Scorbut (Scharbock). Mädchen stecken die zufällig gefundene Pflanze in den Busen, dann begegnet ihnen der künftige Geliebte. Aber auch die Osterluzei (Aristolochia), sonst Fieberwurz, Hohlwurz, führt diesen Namen. Sie ist gleichfalls ein vielgebrauchtes Heilmittel gegen Wunden, Geschwüre, Krätze, Feuermale, Augenübel, die fallende Sucht, Schlag und Krämpfe. Die Wurzel um die Hüfte gebunden, befördert die Geburt u. s. w. Die Donnerdiestel (Eryngium campestre). Die Donnernelke, Bartnelke (Dianlhus barbata?). Die Donnerrebe (Hedera terrestris), Erdepheu, auch Grundrebe, Gundelrebe und Gundermann genannt. Sie ist heilkräftig gegen Wunden, Lungen= und Nierenübel, Gelbsucht, Taubheit u. s. w. Ihr Geruch, wenn man sie in den Händen zerreibt, schützt in Pestzeiten gegen Ansteckung und stärkt das Gedächtniß. Wenn im Frühling die Kühe zuerst ausgetrieben werden, soll man sie durch einen Kranz von Gundermann melken. Wer Walpurgis einen solchen aufsetzt und damit zur Kirche geht, kann alle Hexen sehen (Gr., Aberglaube Nr. 462 und 463). Der Donnerbesen ist ein struppiges, nestartiges Gewächs auf den Baumästen, welcher dem Blitze zugeschrieben wird. Das dänische Tordenskraeppe versteht Grimm von der Klette (Aretium Lappa); nach andern Angaben ist es der Lattich (Tussilago, von tussis, der Husten), eine officinelle Frühlingsblume, besonders bei Brustkrankheiten, Entzündungen und Fieber; eine Art derselben (Petasites) galt für ein Pestmittel und wird daher Pestilenzwurz genannt. Uebrigens ist auch die Klette officinell. - Hieran schließen sich endlich die nach den Thorsthieren genannten Pflanzen. Bocksbart ist der deutsche Name verschiedener Pflanzen: 1) Tragopogon ist officinell, besonders gegen Brustübel; 2) Origanum vulgare, der Majoran oder Dost, auch Wohlgemuth, gleichfalls officinell; 3) Spiraea aruncus, Waldbocksbart, Geisblatt. Die Bocksbeere, die Ackerbrommbeere und andere Berren tragende Sträuche. Die Bocksbohne (Menyanthes trifoliata), auch Bocksklee, Fieberklee, Bitterklee und Lungenkraut, officinell gegen Fieber, Brustübel, den Scharbock u. s. w. Bocksdiestel (Astragalus tragacantha), auch

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Bocksdorn, Tragant, officinell gegen Brustübel und Augenkranheiten, Bocksdorn (Lycium); eine Art (L. europaeum) gilt in Italien für den Strauch, woraus die Dornenkrone Christi gflochten war, - der heilige Dorn. Bockshorn (Foenum graecum sativum), auch Schön=Margarethe, eine Schotenfrucht, officinell, gegen Brustübel, Augenübel, Geschwulst etc. . Bockspeterlein (Sanguisorba officinalis, auch Saxifraga?), Bockspimpinell, Bockspetersilie, das Blutkraut, Sperberkraut, Wiesenknopf; an der Wurzel soll mitunter eine rothe Beere wachsen. Officinell, gegen ansteckende Krankheiten, vertreibt Sommerflecken, Zahnschmerz etc. ., vortreffliches Wundkraut. Das Bocksgeil und Bockskraut weiß ich nicht zu bestimmen. Der Beifuß (Artemisia) heißt auch der rothe und weiße Buck (Bock?) oder St. Johannisgürtel. Officinell gegen Mutterbeschwerden und allerhand Frauenkrankheiten. Ein Kranz um den Nabel der Wöchnerin, hilft in Kindesnöthen. Im Schuh der Reisenden schützt es gegen Müdigkeit. Das Salz der Asche ist ein Pestmittel. An der Wurzel des Krauts liegt eine Kohle, welche gegen Epilepsie hilft. Geisfuß (Aegopodium). - Nach dem Storche werden in Meklenburg genannt: die Adebarsblom, auch in andern niedersächsischen Gegenden Heilebartsblom, Aebérsblom, die Storchblume (Iris palustris, auch Pseudo - Acorus und Acorus adulterinus), die Schwertlilie. Die Slaven nannten die Iris überhaupt perunica, nach dem Donnergotte Perun. Adebarsbrod (Geranium Robertianum), das Ruprechtskraut. Der allgemeine Name für Geranium ist Storchschnabel, nach der Gestalt der Saamenkapsel. Adebarsnippen (Delphinium consolida), Rittersporn, auch Lerchenfuß, Lerchenklaue, ist heilkräftig. - Schwalbenkräuter sind: Schwalbenwurz (Asclepias Vincetoxicum), auch Heilkraut (Gr., Aberglaube Nr. 217) und Schwalbenkraut (Chelidonium), auch Maikraut, bei uns Schöllkraut, gleichfalls heilkräftig. - Unter den Hahnkräutern hat der Hahnenkamm (Rhinanthus) seinen Namen nur seiner Gestalt zu verdanken; ebenso vielleicht der Hahnenkopf (Hedysarum). Der Hahnenfuß (Ranunculus) dagegen hat wohl andere Bedeutung; eine Art (R. bulbosus) heißt Brennkraut, Brennwurz, wegen des scharfen, Blasen ziehenden Saftes. Der Hühnerdarm, auch Hühnerbiß und Hühnersalbe (Alsine media), ward früher gegen Entzündung, Ausschlag und Milchbeschwerden der Frauen gebraucht.

Diese Beispiele genügen, um den innigen Zusammenhang der alten Arzneikunde mit dem heidnischen Götterglauben, namentlich mit dem Thorcultus, darzuthun. Aber auch hier, wie in Bezug auf die Heilkraft des Feuers, bestätigt sich die voran=

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gestellte Bemerkung, daß es nur bestimmte Gattungen von Krankheiten waren, gegen welche man bei diesem Gotte Hülfe suchte, weil man grade ihn als den Urheber derselben betrachtete, so daß er also nicht etwa als ein nordischer Aesculap aufzufassen ist. Noch eine letzte Bestätigung findet diese Ansicht dadurch, daß auch dem Blitze selber und dem nach dem Glauben des Volkes als Kern des Blitzes zur Erde niedergeschleuderten Donnersteine, also dem unmittelbaren Einschreiten des Gottes, dieselben Wirkungen zugeschrieben werden, als den unter seiner Herrschaft stehenden irdischen Elementen, Thieren und Pflanzen. Dieser Stein, auch Donnerhammer, Donneraxt oder Donnerkeil genannt, ferner Albgeschlost und Teufelsfinger, Strahlstein, Schürstein u. s. w., dänisch Tordensteen und Storksteen, d. i. der Belemnit 1 ), soll sich bei jedem neuen Donnerschlage allmählich wieder aus der Tiefe der Erde empor heben und nach sieben Jahren die Oberfläche wieder erreichen. Sein Schwitzen verkündet das Herannahen eines Gewitters; er schützt nicht nur das Haus, in welchem er aufbewahrt wird, gegen den Blitz, sondern auch den, der ihn in der Tasche trägt, jedoch nur den Keuschen; er widersteht ferner allen Zaubereien und befreiet vom Albdrücken; auch verleiht er seinem Besitzer Stärke und läßt ihn im Kampfe überwinden; Kindern in die Wiege gelegt, befördert er den Schlaf und schützt sie gegen Brüche; als Pulver zerrieben, ward er früher von den Aerzten als Wundmittel, gegen den Stein, Milzstechen, Gelbsucht u. s. w. empfohlen. Eben so lindert ein Splitter des vom Blitze getroffenen Baumes den Zahnschmerz, also immer und immer wieder dieselben Uebel, die wir überall in dem Bereiche des Wirkungskreises dieser Gottheit gefunden haben.

Nun erst werden wir im Stande sein, die an den Festen des Gottes üblichen Gebräuche und den vielfachen daran hangenden Aberglauben zu verstehen.

Unter den Wochentagen ist dem Thor bekanntlich der 5te heilig; altnord. Thôrrsdag, angels. Thunresdag, dän. Tordensdag etc. . Auch in Deutschland findet sich neben Donnerstag häufig eine mehr oder weniger contrahirte Form, z. B. Dornstag, in unsern älteren Acten sehr gewöhnlich, ebenso in Schlesien Dornst'g oder Durnst'g, in Thüringen Dornstig, Dorstig, Thorstig oder Thurstig, und im Hennebergischen Thorstag. Schon der heilige Eligius († 659) eiferte gegen die Feier dieses Tages durch


1) Hin und wieder hält man auch die Feuerstein=Keile in den heidnischen Gräbern für solche Donner=Keile.
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Arbeitslosigkeit; in dem Verzeichniß der verbotenen heidnischen Gebräuche im fränkischen Reiche zur Zeit des Karlmann (um 743) wird namentlich auch der sacra und feriae Mercurii et Jovis, d. h. Wodan's und Thor's gedacht, und eben so erwähnt Burchard von Worms († 1024) der Feier des 5ten Wochentages zur Ehre Thor's (in honorem Jovis). Vgl. Gr., Anhang p. XXX, XXXII und XXXVII. Noch jetzt soll in Esthland der Donnerstag heiliger gehalten werden als der Sonntag. Ebenso hält man in Schweden und Dänemark für unerlaubt, an diesem Tage zu spinnen und Holz zu hacken (Gr., Abergl. Schw. u. Dän. Nr. 55 u. 110), und auch in der Mark wagt man nicht, an demselben zu spinnen (K. und Schw., S. 132). In Meklenburg erließ der Herzog Gustav Adolph im J. 1663 eine Circular=Verordnung an alle Prediger des Landes, über den in ihrer Gemeinde herrschenden Aberglauben zu berichten, zu welchem Zwecke ihnen ein weitläuftiges "Inquisitions=Formular" mitgetheilt ward. Das Formular war jedoch wenig zweckmäßig abgefaßt, und das ganze Examen hatte natürlich geringen Erfolg, da die Gefragten in ihren Antworten die eigentliche Frage zu umgehen suchten. Die 6te Frage lautete z. B.: "Ob, was und warumb man dieses oder jenes auf den Donnerstag, Freytage, Sonnabendt thue oder lasse?" Darauf antwortete die Gemeinde zu Cammin: "Wo sie nicht spinnen am Donnerstage, dürfen sie am Freytage nicht haspeln", und in Jördensdorf: "Sie hätten wohl gehört, daß man am Donnerstage nicht sollte ausmisten oder spinnen, sähen aber keinen Grund davon". Der Herzog erließ hierauf am 11. December 1684 ein offenes Mandat an alle Beamte "zur Ausrottung des Aberglaubens, daß man am Donnerstage nicht spinnen dürfe". Außerdem versichert Franck (A. und N. M. 1, S. 59), daß auch die Beschäftigung mit dem Hopfenbaue an diesem Tage bei dem Volke für unerlaubt galt, indem man zur Strafe der Verletzung dieses Verbots die Ausartung des Hopfens in Nesselhopfen fürchtete. - Als besonderes Donnerstag=Gericht werden Erbsen genannt (K. und Schw., S. 468, Nr. 13).

Wichtiger als diese Wochentagsfeier sind natürlich die hohen Jahresfeste des Gottes im Frühlinge und Sommer. Ursprünglich nämlich feierten ohne Zweifel alle aus Hochasien stammenden europäischen Völker jährlich vier große Feste, welche, durch die vier Phasen des scheinbaren Kreislaufs der Sonne bestimmt, religiösen Ursprungs waren, aber gewiß von Anfang an überall zugleich zu bürgerlichen Zwecken benutzt wurden, da Religion und Staat auf das Engste verbunden waren. Gleichwohl hatte Othin nach dem Berichte der Ynglinga=Saga für den skandina=

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vischen Norden nur drei große Opferfeste angeordnet, nämlich im Herbst, Winter und Sommer, und eben so finden wir auch auf dem germanischen Festlande in den älteren Zeiten nur zwei oder drei allgemeine Volksversammlungen, mit welchen in heidnischen Zeiten natürlich die religiöse Feier verknüpft war. Wenn daher Tacitus den Germanen den Herbst, sowohl der Sache als selbst dem Worte nach abspricht, so mögte Grimm ihnen dagegen den Frühling bestreiten 1 ). Allein von jenen nordischen Opferfesten ward das erste, wie wir gesehen haben, im Herbste zum Empfange des Winters, das zweite in der Mitte des Winters, das dritte aber, wie gleichfalls ausdrücklich gesagt wird, zum Empfange des Sommers (tha fagna their sumari), d. h. im Frühling gefeiert, denn nach allgemeinem germanischen Sprachgebrauche bilden die Sonnenwenden, im Widerspruch mit der astronomischen Eintheilung des Jahres in unsern Kalendern, aber unsern klimatischen Verhältnissen gemäß, nicht etwa den Anfang, sondern die Mitte des Sommers oder Winters (Mittsommer und Mittwinter), während Frühling und Herbst nur Unterabtheilungen des Sommers sind, oder vielleicht nur die Scheidepunkte, den Uebergang von der einen zu der andern Hauptjahreszeit bezeichnen, gleichsam die Morgen= und Abenddämmerung des Jahres. Diesem Sprachgebrauche und dem nordischen Klima gemäß fanden wir denn auch die Feier des Herbstfestes nicht in der Tag= und Nachtgleiche, sondern schon nach beendigter Ernte, und eben so wird das Frühlingsfest von Anfang an bei dem wirklichen Beginne des nordischen Frühlings, im Mai, gefeiert worden sein. In eben diesem Monate hielten die Longobarden ihre allgemeine Volksversammlung 2 ). Im fränkischen Reiche ward dieselbe zwar zur Zeit der Merovinger schon am 1. März gehalten (Campus Martius, Märzfeld) 3 ), allein das beruhte vermuthlich auf römisch=gallischer Sitte. Als daher die deutschen Völker diesseits des Rheines mit dem fränkischen Reiche vereinigt waren, verlegte Pipin die Versammlung im Jahre 755 in den Mai (Campus Majus oder Majicampus, Maifeld), welche Neuerung ausdrücklich mit dem Erscheinen des Baiernfürsten Tassilo in Verbindung gebracht wird 4 ), und damit stimmte auch die Zeit der drei feststehenden ungebotenen Gerichtsversammlungen im Innern Deutschlands überein. Während


1) Tac. Germ. c. 26. - Gr. deutsche Rechtsalterthümer S. 822 und 823.
2) Paul. Diacon. 3, 35.
3) Ann. Mett. ad a. 692 (Pertz, M. G. I, 321).
4) Ann. Patav. ad a. 755 (Pertz, I, 40; Fredegar, cont. 2, app.
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nämlich das Wintergericht in der Regel im Anfang Januars, seltener im Februar gehegt ward, finden wir das Frühlingsgericht fast überall im Mai, seltener schon im April (Ostern), aber fast nie im März 1 ), das dritte aber zu Joannis oder Michaelis, worauf wir noch zurückkommen.

Anderer Seits ist indeß nicht glaublich, daß die germanischen Völker die für die Entwickelung des Naturlebens wichtige Tag= und Nachtgleichen, deren Feier ihnen gewiß aus hohem Alterthume vor ihrer Einwanderung in die nordische Heimath überliefert sein wird, ganz unbeachtet gelassen haben sollten, zumal die ersten Frühlingsboten, wie der Storch und das duftende Märzveilchen allerdings auch bei uns schon im März eintreffen. Sehr wahrscheinlich fand daher schon in diesem Monate eine Art Vorfeier statt, eine feierliche Frühlingsverkündigung, während das eigentliche öffentliche Volksfest bis zum Mai ausgesetzt blieb. Nach Einführung des Christenthums wurden diese heidnischen Feste zwar hauptsächlich durch die christlichen Oster= und Pfingstfeste ersetzt, an welchen deshalb auch in der That die meisten heidnischen Gebräuche haften geblieben sind, allein viele derselben finden wir doch auch in der Fastnachts= und Himmelfahrtsfeier erhalten, und auch der alte Maitag selbst ist noch immer unvergessen. Es ist daher nicht mehr möglich, die ursprüngliche Ordnung dieser verschiedenen Gebräuche zu ermitteln, weshalb ich in dem Folgenden, ohne Rücksicht auf die jetzige Zeitfolge, lediglich das Gleichartige zusammenzustellen mich bemühen werde.

Von höchster Wichtigkeit für die Bedeutung des ganzen Festes ist es nun zuvorderst, daß gerade der Lenzmonat nach dem Donnergotte benannt ward; in Calendarien des Mittelalters findet sich nämlich für den März der Name Thormond, und noch jetzt heißt derselbe in Dänemark Tormaaned. Eben so wurden nach der Predigt des heiligen Eligius schon im 7. Jahrhunderte vorzugsweise im Monat Mai die Donnerstage heilig gehalten, und noch jetzt haften gerade an dem Grünen Donnerstage eine Menge abergläubischer Gebräuche. Allgemein war früher die Sitte, an diesem Tage einen Kohl von neunerlei


1) Vgl. Gr. Rechts=A. S. 823 ff. Unter 22 hier angeführten Beispielen von drei jährlichen Gerichten fiel das Frühlingsgericht 14 Mal in den Mai, 4 Mal in den April, 2 Mal auf Ostern (April) und 1 Mal auf Lätare (März). In einem Falle aber fehlt es ganz. Unsere einheimischen Nachrichten reichen nicht weit genug zurück. Ich kenne nur ein Beispiel von drei ungebotenen Gerichten, nämlich im Kloster Dargun: Weihnacht, Ostern und Michaelis (1262). Die späteren allgemeinen Bürgerversammlungen wurden in der Regel nur 1 oder 2 Mal gehalten. Ueber die Zeit der Landtage ist aus älteren Zeiten gar nichts bekannt.
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Kräutern zu essen; wer es nicht that, bekam sicher das Fieber, während andere fürchteten, noch vor Martini ein Esel zu werden (Gr., Aberglaube Nr. 275 und 940). Ja Franck (A. und N. M. I, S. 59) versichert, daß in Meklenburg Mancher der Meinung sei, wenn er an diesem Tage, da Christus das Abendmahl eingesetzt, nicht solchen Kohl esse, welcher vornehmlich aus jungen Nesseln bestanden, daß es um sein Leben wohl so gefährlich stehen mögte als um die Seele dessen, der ein Verächter des heiligen Abendmahls. Andere essen statt des Kohls Bretzel, noch andere endlich fasten, um sich gegen das Fieber zu sichern (Gr., Abergl. Nr. 44 und 84). Ein am Grünen Donnerstage gelegtes Ei trägt man auf den Boden, um das Haus gegen den Blitz zu sichern. (Ueber dies Gründonnerstagsei und das daraus geschlüpfte Huhn vgl. auch Gr., S. 635.) Ueberhaupt spielten Eier und der Hahn, Thor's Thier, eine wichtige Rolle im Frühlingsfeste: allbekannt sind die Ostereier, und auch die Sitte des Hahnenschlagens um Fastnacht oder Ostern gilt fast durch ganz Deutschland 1 ). In manchen Gegenden tanzt das jubelnde Volk am Ostertage um Thor's heilige Eiche (Gr., S. 45). Endlich war es Thor, der die Heilighaltung des Festes überwachte: sein Blitz erschlägt den, welcher an einem der hohen Festtage im Frühlinge arbeitet oder geflickte Kleider trägt 2 ). Neben Thor wird aber auch seine Gattin nicht vergessen sein. Tacitus nennt zwar die Zeit nicht, wann das von ihm beschriebene Fest der Erdgöttin durch Umführung ihres heiligen, mit Kühen bespannten Wagens, welcher Freude und Frieden brachte, wohin er kam, gefeiert sei. Allgemein wird aber diese Feier, gleich dem ähnlichen Umzuge Freier'e und der Freia in Schweden, in den Frühling versetzt. Sicherer würden die Feste der von Beda genannten angelsächsischen Göttinnen Hrede und Eastra, von welchen jene dem März, diese dem April den Namen gegeben, hieher gehören, wenn die Existenz dieser Göttinnen selbst sicher stände und nicht etwa umgekehrt nur aus dem Namen der Monate und der in ihnen gefeierten Feste gefolgert sein sollte. Eastra, althochd. ôstar, d. h. Osten, scheint im Alterthum der Morgen und der Frühling bedeutet zu haben. Vgl. jedoch Gr., S. 180 ff. und S. 349.


1) In Frankreich opferte man dem Wassergeiste einen Hahn, welcher aus einem an einem Donnerstage des Monats März gelegten Ei geschlüpft war (Gr., S. 566).
2) Haltau's Jahreszeitbuch der Deutschen, S. 251 - 255. Vgl. Gr. Abergl. Nr. 517, 703 und 772. Der Gott hielt überhaupt was auf Ordnung: Wer sich das Zeug auf dem Leibe flicken läßt, verliert das Gedächtnis. Das Gedächtniß war aber Thor's Gabe.
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Das also waren die Gottheiten des wiederkehrenden Sommers, denen das Volk sich mit Jubel zuwandte. Aber wie das Herbstfest, so hatte auch die Frühlingsfeier einen doppelten Charakter. Nach der Edda ward das Sommeropfer zugleich für den Sieg (til sigrs) dargebracht und hieß Siegesopfer (sigrblôt), was ich eben von dem Siege des wieder erwachenden Lebens über den Todesschlaf des Winters verstehe. Dieser Rückblick auf den scheidenden Winter tritt daher noch jetzt in zahlreichen Gebräuchen hervor und giebt dem Feste seinen eigenthümlichen Charakter. Hierauf beziehe ich namentlich das nochmalige Wiedererscheinen Wodan's mitten in dem Jubelfeste des Frühlings. Nach mehren Angaben hält nämlich der Wode mit seinem nächtlichen Gefolge seinen letzten Umzug um Fastnacht, und um eben diese Zeit, oder in einigen Gegenden der benachbarten Mark gar erst um Pfingsten, wiederholt sich die bei den Weihnachtsgebräuchen geschilderte Mummerei des Schimmelreuters (K. und Schw., S. 369 u. 384. Märkische Sagen, S. 308). Schwerlich aber ist diese Erscheinung dem Festzug des Gottes um Mittwinter zu vergleichen, vielmehr glaube ich dieselbe nur auf dessen Abzug, wie seine erste Erscheinung im Herbste auf seinen Einzug, deuten zu müssen 1 . Wie nämlich nach nordischen Sagen Thor beim Eintritt des Winters dem Othin die Herschaft abtrat und zum Kampfe mit den Riesen nach Osten zog, so wird auch Othin dem siegreich wiederkehrenden Sommergotte das Feld geräumt und sich mit der ganzen Schaar seiner bösen Wintergeister weiter nach Norden oder in die höheren schneebedeckten Bergregionen zurückgezogen haben. Darauf beziehen sich die in verschiedenen Gegenden üblichen Gebräuche zur Vertreibung der bösen Geister, z. B. im Altenburgischen am Abend vor der Mainacht durch Schlagen mit brennenden Besen, im Harze zu derselben Zeit durch Schießen, unter jubelndem Lärm, und in Hessen zu Fastnacht durch Knallen mit der Peitsche. Dies Peitschenknallen bald am Oster=, bald am Pfingstabend ist auch in der Mark (K. und Schw., S. 376, 377 und 381), sowie in Meklenburg Sitte, namentlich in Parchim, wo die Hirtenknaben


1) Im Herbste und Frühling ging daher der Zug durch die Luft, während der Gott in den Zwölften auf der Erde jagte. K. und Schw., S. 427, Nr. 244 und S. 428, Nr. 253. - Der erste Umzug der wilden Jagd, ihr Einzug, fand nach einigen am Bartholomäustage statt, demselben Tage, an welchem früher unser Erntebier gefeiert ward, und der zugleich ein Hexentag war. Gr., 2te Ausg. 883 - 884 und 1003. K. und Schw., S. 300, Nr. 112 - 114. Merkwürdig ist auch die Oldenburger Sage, wornach im Herbste auch die Störche nach dem Blocksberge ziehen, wie im Frühjahr die Hexen, K. und Schw., S. 400, Nr. 116.
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und Pferdejungen der gesammten Kämmereidörfer am Pfingstabend in die Stadt kommen und mit mächtigen Peitschen knallend die Straßen durchziehen, wofür sie sich eine Gabe erbitten. Doch ist man sich des in Hessen angegebenen Grundes hier nicht mehr bewusst.

Aus dieser Ansicht erklärt sich ferner die wunderbare Hexenfahrt in der Nacht des ersten Maitags, an welcher das Volk in Schweden und Dänemark, wie in ganz Deutschland mit unerschütterlichem Glauben festhält und sie fast in jedem Dorfe durch eigenthümliche Sagen und Märchen zu bekräftigen weiß. Auch bringt die Sage diese Hexenfahrt hin und wieder noch mit dem Schmelzen des Schnees in Beziehung, ohne doch den rechten Sinn zu treffen (K. und Schw., S. 376). In Schweden und Norwegen nennt man die Zusammenkunftsorte böse Felder (balvolde, campus malus), welche auf Bergen liegen, z. B. auf Trommenfjeld, einem Berge der Insel Tromsö, oben an der Finnmark, oder auf Blakulla, einem einsamen Meeresfelsen zwischen Seeland und Oeland. In Dänemark geht der Zug zum Hekla auf Island (Hekkelfjelds oder Haekenfeld), welcher Name des Hexenberges: Hekelvelde sich merkwürdiger Weise auch in Niedersachsen wiederfindet 1 ). Der berühmteste Hexenberg in ganz Norddeutschland ist aber bekanntlich der Blocksberg oder Brocken, die höchste Spitze des Harzes, während in Mittel= und Süddeutschland verschiedene Höhen des Thüringer Waldes, Riesengebirges, Schwarzwaldes u. s. w. seine Stelle vertreten. In dieser unheimlichen Nacht ist es rathsam, sehr auf der Huth zu sein, damit die vorbeiziehenden Hexen den Menschen und dem Viehe keinen Schaden zufügen, weshalb man auf dem Lande Haus= und Stallthüren häufig mit Kreuzen bezeichnet, oder durch sonstige Hexen scheuchende Mittel sichert. Uebrigens ziehen die Hexen, als irdische Zauberer, nur zur Theilnahme an dem großen Festschmause ihres Meisters, des Teufels, nach dem Blocksberge und kehren am Morgen mit dem ersten Hahnenkrat oder nach anderen am 12ten Tage zurück. Daß aber andere böse Geister ihren bleibenden Aufenthalt dort haben, scheint schon aus dem unchristlichen Fluche zu folgen: "Fahre zum Blocksberg", oder dem Wunsche, einen lästigen Plagegeist los zu werden: "Ich wollte, er säße auf dem Blocksberge", wie man ganz


1) (Gr., S. 561 und 592). Könnte vielleicht auch der im Harze und andern Gegenden Niedersachsens statt des Wode als Führer der wilden Jagd genannte Hackel= oder Heckelberend, Heckelberg oder Heckelblock, welches Gr. S. 519 von dem nordischen hökull und als femin. hekla=Gewand, Mantel, ableitet, hieher zu ziehen sein?
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eben so in Dänemark sagt: fara til Hekkelfjelds, oder gaa du dig til Hekkenfjelds (Scheer dich zum Teufel)!

Unzweideutiger ist dieser Sieg des Sommers über den Winter in den von Grimm, S. 440, aus verschiedenen Gegenden Deutschlands gesammelten Gebräuchen am Maitage dargestellt, unter welchen das feierliche Maireiten in Schweden und Norddeutschland den ersten Rang einnimmt, und welches in älterer Zeit auch in Meklenburg wohl bekannt war. In den Städten Schwedens und Gothlands pflegten nämlich im Mittelalter nach alter Sitte zwei Reiterschaaren junger Bürger am ersten Mai zu einem Festspiele auszureiten, der Führer der einen Schaar in Pelz und Winterkleider gehüllt, mit dem Speer bewaffnet, der andere aber, Blumengraf genannt, unbewaffnet und mit Laub und Blumen geschmückt. Dennoch überwindet der Blumengraf seinen Gegner im Kampfe, an welchem auch das beiderseitige Gefolge Theil nimmt, indem er ihn zu Boden rennt, worauf das umstehende Volk ihm feierlich den Sieg zuerkennt. Dies Fest, dessen weiterer Verlauf nicht mitgetheilt wird, galt in mehren Städten für wichtig genug, um zu seiner Begehung förmliche Maigrafengilden zu gründen. Ein solches Maireiten und die Maigrafschaft war nun auch im nördlichen Deutschland mit geringeren oder größeren Abweichungen wohlbekannt, namentlich in Stralsund, Greifswald, Hildesheim, Köln u. s. w. 1 ). Eben so finden wir auch in Wismar unzweideutige Spuren desselben Festes, welches hier in der Pfingstwoche von der sogenannten Papegoyengesellschaft, einer schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts bestehenden, ziemlich reich dotirten Zunft der wohlhabendsten Bürger der Stadt, gefeiert ward und dadurch noch an Interesse gewinnt, daß damit zugleich ein Papegoyen= oder Vogelschießen verbunden war, welches wenigstens in späterer Zeit als Hauptzweck der Innung erscheint. Aus den ältern Zeiten fehlt uns leider jede genauere Nachricht über den Verlauf dieses Festes, allein eine Schilderung des Festzuges aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts 2 ) läßt im Vergleiche mit der angeführten schwedischen Sitte keinen Zweifel über dessen Bedeutung zu. Am Morgen des Pfingstmontags begab


1) Ueber das Stralsunder Maireiten s. Jahrb. VIII, S. 229 ff., wo Beispiele aus dem 15. Jahrhundert gegeben werden. 1564 ward es, nachdem es längere Zeit nicht gehalten, wieder eingeführt. Vgl. auch Baltische Studien, Jahrgang 1841.
2) Dietr. Schröder (Diacon. zuWismar), Beschreibung der Stadt und Herrschaft Wismar, S. 134 ff. (1743). Vgl. Jahrb. VII, S. 179 ff. und VIII, S. 228 ff.
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sich nämlich die Gesellschaft in folgender Ordnung zu dem Schießplatze vor dem Lübschen Thore hinaus: voran ein reitender und auf's Beste geschmückter Knabe, von zwei Rathsdienern geführt; ihm folgte zu Fuß der vorigjährige König in der Mitte der beiden Bürgermeister, darauf der ganze Rath, und hinter diesem der sogenannte Maigraf, von zwei Schaffnern der Gesellschaft begleitet, endlich die gesammten Zunftgenossen, sämmtlich zu Fuß. Auf dem Platze angelangt, begann sofort das Vogelschießen, nach dessen Beendigung sich die Brüderschaft in demselben Zuge, dem sich diesmal auch die Frauen und Töchter anschlossen, anscheinend jedoch ohne den zugführenden Knaben, zum Tanze nach dem sogenannten Thiergarten vor dem Altwismarschen Thore hinaus begab, wo zuvörderst zwei Jungfrauen dem neuen König einen silbernen Becher überreichten, demnächst aber der alte und der neue König nebst drei Bürgern und vier Gesellen und eben so viel Frauen und Jungfrauen den ersten Tanz aufführten, den zweiten aber der Maigraf und seine Zugeordneten. Am folgenden Donnerstage oder Freitage gab endlich der neue König, nach einer sehr unvollständigen Aufzeichnung der Statuten der Gesellschaft aus dem Jahre 1379, ein Gastmahl (Krud), auf welchem auch der neue Maigraf für das folgende Jahr gewählt ward. Ueber den Zweck dieser Wahl giebt weder jene Aufzeichnung, noch irgend eine andere Nachricht die gewünschte Auskunft. Aus seinem Namen erkennt man jedoch mit Sicherheit den Repräsentanten des Sommers, während der allein in der ganzen Gesellschaft berittene Knabe an der Spitze des Zuges ursprünglich ohne Zweifel den Winter vorstellte. Beide aber werden schon Morgens auf dem Schießplatze den alterthümlichen, mit der Besiegung des schwächeren Winters endenden Kampf ausgefochten haben, wodurch die ursprüngliche Veranlassung und die eigentliche im 18. Jahrhundert längst vergessene Bedeutung des Festes charakterisirt ward.

Ein solches Vogelschießen am 2ten Pfingsttage war aber in allen meklenburgischen Städten althergebrachte Sitte 1 ). In Rostock ist dasselbe gleichfalls schon im 15. Jahrhundert nachgewiesen, indem die 1466 gegründete Landfahrer=Krämercompagnie daselbst unter anderm zu ihrer Belustigung auch ein Vogelschießen hielt, was aber nicht das einzige war, indem wenigstens im 17. Jahrhundert auch die sogenannten Stadtjunker und selbst


1) Eben so in den Nachbarländern in den Städten und auf dem Lande, wobei häufig auch der bekannte Schimmelreiter auftritt, während auffallender Weise sein Gegensatz, der Maigraf, vergessen ist. K. und Schw., S. 381 - 382.
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die "Gesellen" in der Pfingstwoche oder an dem folgenden Trinitatis=Sonntage gleiche Feste feierten 1 ). In den kleineren Städten ward dasselbe wenigstens im Anfange des 16. Jahrhunderts mit den Schützenzünften verbunden, wenn es nicht zu deren Gründung Veranlassung gegeben haben sollte 2 ). Der älteren Maigrafschaft finde ich nirgends weiter gedacht. Wichtig ist aber, daß der abzuschießende Vogel auch in Rostock als ein Papegoi bezeichnet wird; und eben so kommt in Brüel 1502 urkundlich ein "Papegojenbom" vor. In einer Supplik der Schützenzunft zu Gadebusch vom Jahre 1707 heißt es, ohne Zweifef nach älteren Nachrichten in der Schützenlade, daß die Zunft schon vor mehr als 100 Jahren, "als man noch mit stählern Bogen nach dem sogenannten Gojen geschossen", bestanden habe, und noch zu Franck's Zeiten war der Ausdruck "Gojen=Schießen" im allgemeinen Gebrauche (A. und N. M. III, S. 24). Schon Nic. Gryse, welcher des Vogelschießens zu Pfingsten mehrmals gedenkt, leitet dasselbe, gleich Franck und Andern, aus dem Heidenthume ab, betrachtet dasselbe aber sonderbarer Weise als eine Verspottung des heil. Geistes, indem er annimmt, daß der abgeschossene Vogel ursprünglich eine Taube gewesen sei. In späteren Zeiten war derselbe vielmehr allgemein ein Adler. Der Name Goje aber hatte sehr wahrscheinlich eine mythische Bedeutung. In der Edda kommt eine mythische Jungfrau Gôi vor, nach welcher in der nordischen Sprache der letzte Wintermonat Februar benannt ward und von welcher auch unser Schützenvogel den Namen haben könnte; ja man könnte ihn direct auf den Namen des Wintergottes selbst zurückführen, da sich für Wodan in mehren Gegenden auch die Form Woe, Woje und für Fru Goden eben so Fru Goen, Goje findet. Dieser Wodansvogel auf hoher Stange als Zielscheibe jubelnder Schützen wäre also wiederum ein Symbol des unterliegenden und verspotteten Winters, welchem gegenüber dann zugleich Thor's Hahn, den man im Alterthum, namentlich in Schweden, an demselben Feste auf die Spitze eines grünen Maibaumes pflanzte, als Symbol des Sommers eine höhere Bedeutung gewänne.

Dieselbe Bedeutung hatte der im Frühlinge von der fröhlichen Jugend umgetragene Hahn oder ein anderer Sommervogel, zum Theil künstlich aus Papier geschnitzt, und neben demselben eine Krähe oder ein vierfüßiges Winterthier, z. B. Fuchs, Iltis


1) Jahrb. VII, S. 188 ff.
2) Polizei=Ordnung von 1516, Tit. "Van Schuttengilden", wo denselben ausdrücklich erlaubt wird, "in de Pfingst=Weke den Vagel af tho scheten".
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oder Marder, welches demnächst getödtet ward. Doch weiß ich dafür kein einheimisches Beispiel anzuführen, weshalb ich der Sitte nur im Vorbeigehen zur Vergleichung erwähne 1 ).

Die hohe Wichtigkeit der Frühlingsfeier und der Charakter derselben als eines allgemeinen Freudenfestes prägt sich am bestimmtesten in dem bei uns noch unvertilgten Volksglauben aus, daß die Sonne selbst bei ihrem Aufgange am Ostermorgen freudig tanze. Der heidnische Ursprung dieses Glaubens ist freilich zweifelhaft; wenn man ihn mit dem Ausspruche der heiligen Schrift zusammenhält, daß sich die Sonne bei dem Tode des Gekreuzigten verfinstert habe, so scheint der Gedanke an eine freudige Bewegung derselben am Auferstehungsmorgen dem christlichen Gemüthe allerdings nahe zu liegen. Anderer Seits aber paßt diese tanzende Sonne doch auch so trefflich zu dem fröhlichen Siegesfeste des Sommers, daß es schwer wird, eine bestimmte Entscheidung zu fällen. - Sicherer gehört ein anderer, an eben diesem Morgen übliche, Gebrauch dem Heidenthume an. Wie nämlich nach Tacitus die Mutter Erde selbst an ihrem Jahrestage zu einem geheimnißvollen Bade geführt ward, so glaubte auch der Sterbliche durch ein kühles Bad am Morgen dieses Festes den Körper stärken und von allerlei Ausschlag und andern Uebeln reinigen zu können (Gr., Aberglaube Nr. 776 und 1014). Auch das Vieh treibt man an vielen Orten am Ostermorgen vor Sonnenaufgang zu gleichem Zwecke ins Wasser; andere aber bewahren das an eben diesem Morgen schweigend geschöpfte Wasser sorgsam auf, in dem Glauben, daß es das ganze Jahr hindurch nicht verderbe und ein kräftiges Heilmittel sei, namentlich gegen das Fieber; und im Stargardischen endlich fängt man auch den in der Osternacht gefallenen Thau in leinenen Tüchern auf, mit welchen man sich am Morgen gleichfalls zur Heilung verschiedener Krankheiten zu waschen pflegt. Aehnliche Kraft schreibt man auch dem Märzschnee oder an andern Orten dem Märzregen zu 2 ).

Das Hauptopferthier in dem Frühlingsfeste scheint der Stier gewesen zu sein. Am Donnerstage oder Freitage vor Pfingsten ward nämlich früher bei uns der für das Fest bestimmte fette Ochse von den Schlächtern feierlich durch die Stadt geführt, mit einem Blumenkranze um das Haupt,


1) Gr., S. 439. Märkische Forschungen I, S. 300 - 301.
2) Die jährliche Wasserweihe der katholischen Kirche, d. h. die Einsegnung der mit Wasser gefüllten Taufbecken, fand nach Gryse am Grünendonnerstage statt, ward aber erst Ostern durch dreimaliges Eintauchen der geweiheten Kerze vollendet, wodurch das Wasser wunderthätig ward.
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die Hörner mit Gold= und Silberschaum belegt und einer Citrone auf der Spitze, endlich auch der Schwanz mit Blumen und bunten Bändern geschmückt, welche während des Zuges noch durch die Mädchen vermehrt wurden; kurz, in dem ganzen Aufzuge, welcher z. B. in Parchim erst vor wenigen Jahren wegen seiner Gemeingefährlichkeit (!) von der Obrigkeit verboten ward, war der festlich geschmückte Opferstier nicht zu verkennen. Dieser Pfingstochse, oder wie er in Rostock und Güstrow heißt "Pîp=Oß", ist auch in andern Gegenden Deutschlands, namentlich in Thüringen, wohlbekannt, und der durch ganz Norddeutschland geltende Vergleich: "geputzt wie ein Pfingstochse", beweis't die frühere weite Verbreitung der Sitte. In der Mark herrscht in den Dörfern der Gebrauch, um Fastnacht oder Pfingsten statt des wirklichen Stieres, einen in eine Kuhhaut gekleideten Burschen, dem man einen Topf vor das Gesicht bindet und mit Kränzen und Blumen reich schmückt, als Ochsen umher zu führen und endlich unter Scherz und Jubel zu schlachten, indem man den Topf mit einem Knittel zerschlägt. - Mit diesem am Pfingstsonntage verzehrten Opferstier bringt Mantzel 1 ) das Lümmelbier, wie das Pfingstgelage genannt werde, in Verbindung. Lümmel ist nämlich bekanntlich bei uns ein Spottname des Stiers, mit welchem die Knaben ihn zornig zu machen suchen. - In Hannover und Braunschweig scheint man wenigstens früher am Maitage vorzugsweise Kälber geschlachtet zu haben 2 ). Andere Festspeisen im Frühjahre sind außer den schon besprochenen Gründonnerstagsgerichten und den Ostereiern und Oterkuchen, namentlich in der Fastnacht, Schinken, geräuchertes Rindfleisch und Knackwurst, sowie die sogenannten Hêtwecken. Der letztere Name, dessen erster Theil bald durch Hêden (Heiden), bald durch Hêde (Flachs) u. s. w. erklärt wird, bedeutet wahrscheinlich ganz einfach heiße Wecken (Semmel), da man sie, mit Butter, Zucker und Gewürz gefüllt, heiß aufträgt und in heißer Milch genießt, während gewöhnliche Wecken nur kalt gegessen werden. Ihre Form ist bei uns viereckig, wie die der Kröppeln in Thüringen, worin man ein Kreuz erkennen will, in der Mark aber werden sie länglicht rund gebacken, im Harze dreieckig, und noch anderswo vertritt der Pfannkuchen oder Eierkuchen die Stelle derselben.

Unter den Festspielen und Volksbelustigungen im Frühlinge standen früher die Fastnachtsgebräuche fast oben


1) Bützowsche Ruhestunden, Thl. 7.
2) Leibnitz, scriptor. rer. Brunsw. III, p. 262.
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an, sind aber jetzt bei uns fast ganz vergessen. Aus den "Fastelabendssammlungen" des Prof. J. P. Schmidt zu Rostock geht hervor, daß es damals (1742) noch allgemeine meklenburgische Sitte war, zu Fastnacht Tannenbäume vor die Häuser zu pflanzen und sich gegenseitig mit grünen Sträußen zu beschenken, während arme Kinder mit solchen Sträußen von Haus zu Haus zogen, und unter dem Gesange:

Ich bring' zum Fastelabend einen grünen Busch,
Habt ihr nicht Eier, so gebet mir Wurst!

um eine Gabe baten, was man "den grünen Fastelabend bringen" nannte. Ferner suchten die jungen Bursche am Fastnachtsmorgen die Mädchen im Bette zu überraschen, wo sich dann diese durch das Versprechen eines Hêtweckenschmauses von dem angedrohten Peitschen mit einer birkenen Ruthe befreien mußten, während man sich in den höhern Ständen mit zierlichen Ruthen aus Silberdraht beschenkte, auf welchen Bündel=Kinder, schnäbelnde Täubchen, ein Storch mit einem Kinde im Schnabel u. dgl. dargestellt waren. Jenes Hetweckenstäupen ist auf dem Lande noch jetzt vielfach in Gebrauch, und in Schwerin zogen die Müllergesellen noch bei Menschengedenken am Fastnachtsmorgen mit Sträußen und einer mit Band gezierten Ruthe bei den Bäckern und ihren sonstigen Kunden umher, um ein Geschenk zu erbitten 1 ). Endlich waren zu Schmidt's Zeit die Fastnachtsmummereien, welche in südlichern Ländern, und in Deutschland vorzugsweise am Rhein, mit so großem Aufwande an Geld und Witz getrieben werden, auch bei uns noch in allgemeinem Gebrauche, wogegen das Schlagen der Hunde um eben diese Zeit ausdrücklich als eine fremde Sitte bezeichnet wird. - Ferner gehört zu diesen Frühlingsfesten auch das Austreiben der Kuhheerde am alten Maitage, woran auf dem Lande und in den kleineren Städten die ganze Bevölkerung Theil zu nehmen pflegt. Früher pflegten die Kühe wohl auch mit Maibusch, d. h. mit grünenden Birkenreisern, geschmückt zu werden, die letzte aber wird von den Hirten zur Verspottung der wartenden Magd mit einem Strohkranze versehen, und ward früher, wenn ich nicht irre, "Dauslepersch" genannt, ein Name, welchen ich mit Beziehung auf die häufige Zusammenstellung von


1) In dem alten Rom rennten zur Zeit der Lupercalien (15. Februar) die Priester des Pan oder Lupercus (der Wolfszwinger) nackt mit einer Schürze von Bocksfell in den Straßen umher und geißelten die ihnen begegnenden Weiber mit Striemen von Bocksfell, was für ein Mittel gegen die weibliche Unfruchtbarkeit galt. Man pflegt unsere Fastelabends=Ruthen von dieser römischen Bocksgeißel abzuleiten und überhaupt die ganze Fastnachtsfeier auf jene Lupercalien zurückzuführen, worin wenigstens Uebertreibung liegt.
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"Dag und Dau" (Tag und Thau), z. B. "vör Dag und Dau", d. h. vor Tages Anbruch, durch Langschläferin erklären mögte, welcher aber in der Mark in einem andern Sinne vorzukommen scheint. Im Felde findet sodann unter großem Zulaufe der Einwohner ein Bollenstoßen (Stierkampf) statt, wobei hie und da auch ein Preis für den Eigenthümer des Siegers ausgesetzt ist. In Dörfern, wo nur ein Stier bei der Heerde ist, pflegt man zum Theil auch ein Stoßen der Ochsenheerde zu veranlassen. Vgl. K. und Schw., S. 388 und 389. - Das Bestecken der Hausthür und der Flur am Pfingstmorgen mit Maibusch ist, wie in ganz Deutschland und Skandinavien, auch bei uns Gebrauch; die anderswo übliche Errichtung eines Maibaumes ist hier jedoch unbekannt, und eben so wird das Bestreuen der Gassen mit Laub und Blumen in den Städten bis zu dem Auszuge der Schützenzunft zu ihrem Königsschusse verspart. Letzteres, an die Stelle des ehemaligen Vogelschießens getretene Fest, ist nun allgemein ein Scheibenschießen, welches im Frühjahre, aber nicht gerade immer um Pfingsten, gefeiert wird, mehre Tage dauert und überall mit Würfelspielen unter Zelten im Freien, sowie mit einem Balle der Schützen verbunden ist. Jenes Würfelspiel findet sich aber häufig auch ohne den Königsschuß am 2ten Pfingsttage erhalten. - Auf dem Lande findet an diesem Tage auch noch häufig ein Pferderennen statt, theils bloß unter den Pferdejungen, theils so, daß diese und die jungen Knechte zwei besondere Geschwader bilden, welche neben einander nach dem gesteckten Ziele jagen. Der Preis besteht aber bloß in Eßwaaren und Getränken, welche vorher von den Bauern erbeten, am Ziele auf einer Tonne aufgestellt und gemeinschaftlich verzehrt werden. Eigenthümliche Benennungen des Siegers und sonstige etwa an das alte Mairennen erinnernde Gebräuche habe ich nicht erforschen können.

Seinen Höhepunkt aber scheint das Fest im Alterthume mit dem Entzünden des nächtlichen Freudenfeuers erreicht zu haben, welches man am Osterabende, seltner schon um Fastnacht, zu entzünden pflegte. Bei uns ist diese heilige Flamme zwar längst erloschen, aber in vielen Gegenden des nördlichen Deutschlands, z. B. im Harze, Thüringen, Westfalen u. s. w., sieht man sie noch jetzt aus allen Höhen lodern. Die Ableitung dieser Sitte aus dem germanischen Heidenthum ist freilich von Vielen bezweifelt, indem man darin vielmehr eine durch das Christenthum in Deutschland eingeführte Nachahmung der allerdings sehr ähnlichen altrömischen Gebräuche in den zu Ehren der Pales, einer mütterlichen Frühlingsgöttin, am 19. April gefeierten Palilien zu erkennen glaubt (Gr., S. 348). Allein ähnliche Früh=

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lingsfeste, zu welchen z. B. auch das dem christlichen Osterfeste selbst zum Grunde liegende jüdische Pascha gehört, finden wir fast bei allen indogermanischen Völkern in Europa und Asien, ohne daß das eine sie von dem andern entlehnt hätte. Ueberdies sind die Osterfeuer vorzugsweise nur im Norden Deutschlands gebräuchlich, während sie in dem, dem römischen Einflusse zugänglicheren, Süden und Westen in der Regel durch Johannisfeuer ersetzt werden. Die katholische Kirche wußte sich übrigens den heidnischen Gebrauch allerdings schon früh für ihre Zwecke anzueignen, indem die Geistlichkeit, wahrscheinlich nur die Stelle der verdrängten heidnischen Opferpriester vertretend, der am Osterabende entzündeten Flamme, durch welche dann das vorher auf allen Herden sorgsam gelöschte Feuer erneuet ward, förmlich die religiöse Weihe ertheilte, und dadurch die segensreiche Kraft, welche das Volk dieser Flamme zuschrieb, als Wirkung des geistlichen Segens darstellte. Unser Nicolaus Gryse berichtet ausführlich über diese, mit der gleichfalls zu Ostern stattfindenden Kerzenweihe nicht zu verwechselnde, Feuerweihe, ohne jedoch des vom Volke entzündeten Festfeuers zu gedenken, welches also damals in Meklenburg nicht mehr in Gebrauch gewesen zu sein scheint. Die Bitte des segnenden Priesters aber lautete nach ihm: "Godt wolle alle dat by dem sülven hilligen Füre, nevenst dem Für, so van dissem wyder angesticket und gebödt wert, gesaden unde gebraden werd, hilligen, und den kolden Lyff der Menschen, so sick darby wermeden, segnen, ja ock de fürigen Pile des Düvels uthlöschen". Schon hieraus läßt sich schließen, daß das Osterfeuer ursprünglich zugleich ein reines und reinigendes Nothfeuer war, wie dies in Bezug auf das Johannisfeuer ausdrücklich bezeugt wird. Höchst merkwürdig aber ist der alterhümlich=mystische Name "Bocksdorn" für das Osterfeuer, den Grimm (S. 349 **) nicht zu erklären weiß. Wahrscheinlich ist in der von ihm angeführten Belagstelle "Borckshorn" zu lesen; wenn man sich aber erinnert, daß die Götter häufig durch die ihnen geheiligten Thiere vertreten wurden, so scheint der Vergleich der heiligen Flamme des Thor mit dem Horne des Bockes nicht grade sehr ferne zu liegen. Ist das richtig, so würde zugleich das räthselhafte Sprichwort: "Jemanden ins Bockshorn jagen", durch die Hinweisung auf die durch das lodernde Nothfeuer getriebene Heerde eine sehr passende Erklärung finden. Aber selbst die Bezeichnung der Flamme als Bocksdorn scheint mir in demselben Sinne nicht unstatthaft. Auf jeden Fall aber liegt hierin eine neue Bestätigung des Zusammenhanges dieser Feuer mit dem Thordienste.

Ich wende mich jetzt zu dem Mittsommerfeste, worüber ich kürzer sein kann. Unter den nordischen Opferfesten fehlt das=

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selbe, und eben so ist auch auf dem Festlande keine allgemeine Volksversammlung zur Zeit der Sommersonnenwende nachzuweisen. Dagegen ward das ungebotene Ding schon in älteren Zeiten an einzelnen Orten um Johannis gehalten, wogegen dann das gewöhnlichere Herbstding wegfiel 1 ). Hiernach scheint es allerdings, daß man ursprünglich in ganz Deutschland kein Johannisfest kannte und daß es erst später an einzelnen Orten anstatt des Herbstfestes eingeführt sei, und dies wird noch dadurch bestätigt, daß mit Rücksicht auf das nördliche Klima, wie wir gesehen haben, das Frühlingsopferfest überall bis zum Mai verschoben, das Herbstopfer dagegen an das Ende der Ernte zurückgelegt ward, wodurch der Raum zwischen beiden für ein drittes Fest allzu sehr beengt scheint. Allein dies scheint dennoch nur von dem mit einer allgemeinen Volksversammlung verbundenen öffentlichen Opferfeste zu gelten, denn daß man den wichtigsten Zeitabschnitt des Jahres, die Sommersonnenwende, unbeachtet und ohne alle religiöse Feier hätte vorüber gehen lassen, ist kaum denkbar. In der That finden sich denn auch in ganz Europa Spuren einer Sonnenwendsfeier, welche sich in ein hohes Alterthum zurückführen lassen und unbezweifelt heidnischen Ursprungs sind. Auch ist an eine Entlehnung von den heidnischen Römern und die spätere Verbreitung durch das Christenthum um so weniger zu denken, als wir in dem alten Rom kein ähnliches Fest von Bedeutung um diese Zeit kennen und auch in den neueren Zeiten grade in Italien die geringsten Spuren desselben finden, wogegen der Hauptherd desselben in Gallien und demnächst in Deutschland gelegen zu haben scheint.

Der Verlauf dieser Sonnenwendsfeier ist übrigens dem der Frühlingsfeier sehr ähnlich, und nur eine Wiederholung der Hauptmomente der letzteren, namentlich des heiligen Bades am Morgen und des Freudenfeuers am Abende des Festtages. Wie die Frühlingsfeste war auch der Johannistag ein Ruhetag, namentlich mußte die Gartenarbeit ruhen; wer an diesem Tage Kraut holt, bekommt den Krebs und eben so, wer in der heiligen Nacht die Wäsche hängen läßt. Dagegen sammelte man die uns schon bekannten Heilkräuter, namentlich Beifuß, Rittersporn, Lattich, Knabenkraut u. a. m., vorzugsweise am Johannistage,


1) Unter den 22 Ortschaften, aus welchen Grimm die Zeit der ungebotenen Dinge mittheilt, hatten 6 ein Johannisding und darunter nur 2 daneben noch ein Herbstding zu Michaelis und Martini; an einem Orte ward dasselbe im Juli gehegt, an 2 Orten im August, an 40 im September, darunter 7 am Michaelistage selbst, an dreien unbestimmt im Herbst, an einem im October und an zweien am Martinitage.
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wodurch ihre Kraft erhöhet ward; ja der Rauch solcher Johanniskräuter, während eines Gewitters entzündet, schützte das Haus selbst gegen Blitz und Donner und beschwichtigte den Sturm. Wie im Frühlinge unter dem Fuße dessen, der die erste Schwalbe erblickte, so fand man auch am Johannistage an der Wurzel verschiedener Pflanzen eine heilkräftige Kohle, an andern aber einen Blutstropfen. Zu den Volksbelustigungen gehörte namentlich das gleichfalls schon aus dem Frühlingsfeste bekannte Hahnenschlagen. Eigenthümlich sind dagegen die in vielen Gegenden am Johannistage gefeierten Rosenfeste (K. u. Schw., S. 391), worauf sich vielleicht auch die Rosengärten, d. h. öffentliche Belustigungsplätze vor unsern Städten, namentlich Rostock und Schwerin, beziehen mögen 1 ). Ueber das Johannisbad und seine wunderthätige Wirkung handelt Grimm S. 330 ff. Aus unserer Heimath weiß ich nichts Aehnliches beizubringen. Die Hauptfeierlichkeit war aber auch hier das Freudenfeuer, welches noch jetzt in einem großen Theile Europa's, bei den Völkern gallischer und germanischer Herkunft, am Johannisabend zum Himmel emporlodert, so namentlich in dem ganzen südlichen Deutschland und den deutschen Provinzen Oesterreichs, ferner am Unterrhein, dem katholischen Westfalen, am Südharze, in Thüringen, einem Theile von Brandenburg, Meißen, Schlesien und den russischen Ostseeprovinzen. Auch jenseits des Meeres, in Stockholm, war es noch vor wenigen Jahren ein wahres Volksfest und ist es in den schwedischen Gebirgen noch jetzt. In Frankreich erhält dasselbe sogar noch gegenwärtig die kirchliche Weihe, indem die Geistlichkeit in feierlicher Procession zu der Höhe zieht auf welcher der Scheiterhaufen steht, um denselben zu entzünden 2 ). Eben so war es früher in Deutschland, wo das Feuer in den alten Reichsstädten Nürnberg, Augsburg und andern selbst auf öffentlichem Markte unter Theilnahme der Fürsten und des Adels, welche Tänze um dasselbe aufführten, entbrannt ward. Die Entzündung geschah aber durch Reibung, wie bei dem außerordentlichen Nothfeuer. Wie dieses war auch das Johannisfeuer heilkräftig; nicht bloß die Viehheerden jagte man durch die Flamme, sondern auch Menschen sprangen hinüber, um sich gegen das Fieber und andere Gebrechen zu schützen. Erbsen am Johannisfeuer gekocht, heilen alle Wunden (Gr., S. 350).


1) Sollte in dem bekannten, jetzt allerdings sinnlosen Gesange der im Kreise tanzenden Kinder: "Kringelkranz, Rosendanz, Ketel hängt up'n Für u. s. w.", ursprünglich ein Opfergesang am Johannisfeste stecken? Vgl. Müllenhof, S. 484, wo indeß der erste Vers lautet: "Ringeldanz, Rosenkranz etc. ."
2) Grimm, S. 353. Eine sehr anziehende Schilderung des Johannisfeuers in den Pyrenäen=Departements findet man in den Blättern f. literar. Unterhalt., Mai 1843, Nr. 135 und 136.
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Doch genug dieser Einzelheiten, statt deren Häufung ich lieber zum Schlusse noch die einfache Schilderung des Johannisfestes in unseren nördlichen Gegenden aus der letzten Zeit des Katholicismus von unserm Nicol. Gryse mittheilen will. "Wenn S. Johannisdach in Landt kümpt vnd vorhandten ys", sagt der würdige Priester in echt protestantischem Eifer über das heidnische Unwesen, "so geidt man dem sülven under Ogen mit stinkenden Loddeken 1 ), drifft sine Aperye mit Byvoth und sine Gökelye mit S. Johannis=Blode, sampt velen anderen kindischen und närrischen Alefanzeryen affgödischer Wyse, in deme men S. Johannem alse enen Godt hesst angeropen, unde under anderem gesungen: Te deposcimus, ut crimina nostra ac facinora continua prece studeas absolvere. - Ok hefft men S. Johannes=Blomen gewyhet, und de Lüde averredet, dat de sülven gewyheden Blomen gudt weren vor den Donner, dat derselve in dat Hus, dar se weren, nich slan konde. - Ock hefft men an dissem Dage gewyheden Byvoth umme sik gegordelt, edder gebunden und gesecht, dat wenn einer densulven by sik hedde, so werde he nich mode up der Reise, wen he ginge, were ock godt vor de Wehedage des Ruggens. Ja wenn men an dissem Dage um Twolffen in de Erde na syner Art gröve, unde ene Kale unter dem Byvoth fünde, so were de Kale vor dat Feber sehr gudt. - Jegen den Avendt warmede men sik by S. Johannis Lodt=unde Nodtfür, dat men uth dem Holte sagede. Solckes Für stickede men nicht an in Godes, sondern in S. Johannis Namen, lep unde rönnte dorch dat Für, spökede mit demsülven alse Urs unde Molochs=dener, richtete vele Affgaderye uth, dreff dat Vehe dar dorch, und ys dusent fröuden vul gewesen, wenn men de Nacht mit groten Sünden, Schanden unde Schaden hefft thogebracht."

Nach dieser zusammenhängenden Schilderung des Wodans= und des Thorskultus, so weit sich derselbe aus den Sagen, Gebräuchen und Aberglauben des Volkes, verglichen mit den Ueberlieferungen der Edda, noch jetzt erkennen läßt, glaube ich nicht nöthig zu haben, meine Ansicht noch besonders gegen einzelne frühere Irrthümer zu vertheidigen. Oder wäre es nöthig, die Behauptung zu widerlegen, daß nicht nur das Herbst= und das


1) Lorrik, d. h. Lattich (Tussilago) oder die Klette (Aretium). Unter der letztern findet sich nach märkischem Aberglauben die Johanniskohle (K. und Schw., S. 393), nach Gryse und dem noch jetzt in Meklenburg verbreiteten Glauben dagegen, unter dem Beifuß (Artemisia). Das Johannisblut, an dessen Wurzel sich an diesem Tage ein Blutstropfen findet, soll Hypericum perforatum sein.
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Winteropfer zur Ehre Wodans dargebracht seien, sondern auch die Sommerfeste, namentlich die ganze schöne Frühlingsfeier, auf ihn zu beziehen sei, den man als eine allgemeine Sonnengottheit betrachtet (K. und Schw., S. 512 und 513)? Es ist schon auffallend genug, den Gott der Jagd und des Krieges zugleich als den des Ackerbaues und den Spender des Erntesegens dargestellt zu finden; wie man aber gar darauf kommen konnte, den alten Graubart zum Gotte des Frühlings zu machen, scheint in der That unbegreiflich! Allerdings ward auch Thor nicht bloß Vater, sondern auch Großvater genannt, allein das ist der Ausdruck der kindlichen Liebe, mit der er verehrt ward, zugleich mit Bezug auf die Abstammung des Menschengeschlechtes, aber ohne Anspielung auf ein hohes Alter des Gottes, der vielmehr stets in kräftigem Mannesalter erscheint. - Noch tiefer einschneidend ist aber eine Aeußerung Grimm's, wodurch er das Verhältniß beider Hauptgottheiten kurz also bezeichnet: "Gutes von Odhinn, Böses von Thôrr", das wenigstens sei die Ansicht des jüngeren Heidenthums gewesen (Gr., S. 693. Nachtrag zu S. 501). Dies folgert aber Grimm lediglich aus einer Erzählung der Gautrekssage, in welcher Othin das Schicksal des Jünglings Starkadhr in dem Rathe der Götter bestimmen ließ. Dieser Jüngling wird als Othin's Pflegesohn bezeichnet, weshalb dieser ihm ein glückliches Geschick zu verleihen sucht, während Thor seiner Mutter zürnte und deren Schuld an dem Sohne, der übrigens offenbar den Sinn der Mutter geerbt hatte, rächen wollte, weshalb er demselben die von ihm kommenden Gaben entzog. Daraus die allgemeine Folgerung zu ziehen, daß von Thor nur Böses komme, scheint doch allzu rasch. Die Sage ist aber höchst wichtig für die Bestimmung der Gaben, welche der Mensch dem Othin, und welche er dem Thor verdankt. Letzterer, welcher das erste und das letzte Wort hat, verkündigte nämlich dem Jüngling, daß er niemals eignen Grund und Boden erwerben, daß sein Geschlecht mit ihm erlöschen, daß er selbst an Gedächtnißschwäche leiden und in jedem Kampfe schwere Wunden empfangen solle, daß er in jedem Lebensalter eine böse That (nîdhingswerk) begehen, von Habgier geplagt und dem Volke verhaßt sein werde. Dagegen verkündete ihm Othin langes Leben (drei Mannesalter), Tapferkeit und Sieg, die besten Waffen und Kleider, Reichthum an Geld und Gut, die Gabe der Dichtkunst, und Ruhm und Ehre bei den edelsten Männern. Damit stimmt die jüngere Edda (Hyndlul. 3) überein, wornach Othin den Kriegern Tapferkeit und Sieg, den Großen des Volkes Klugheit und Beredtsamkeit, den Dichtern Lieder, andern seiner Söhne Reichthum, und den

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Schiffern günstige Winde verlieh. Nach der Völuspa dagegen verlieh Othin dem ersten Menschenpaare den Geist, Hönir die Vernunft (die Sinne), Lodhr das Blut und schöne Farbe, und eben so kam nach der jüngeren Edda Geist und Leben von Othin, Vernunft und Bewegung von Wile, das Antlitz, Sprache, Gefühl und Gesicht von Ve. Darnach ist Thor später offenbar in die Stelle der fast niemals wieder vorkommenden Brüder Othin's, Lodhr und Hönir, oder Wile und Ve (Feuer und Wasser) getreten. Von selber versteht sich übrigens, daß auch Othin jene Gaben, die er seinen Günstlingen verlieh, andern, denen er zürnte, versagte, wie umgekehrt Thor natürlich denen, die er in seinen Schutz nahm, dieselben Gaben verlieh, die er dem Starkadher absprach. Diese Thorsgaben aber finden wir ohne Ausnahme wieder unter den wunderthätigen Wirkungen, welche der heutige Aberglaube den dieser Gottheit geheiligten Thieren und Pflanzen zuschreibt, selbst das Gedächtniß und die Liebe des Volkes (Schwalbenstein) nicht ausgenommen: gewiß eine überraschende Bestätigung meiner Ansicht über das Wesen und den Charakter des Thor und sein Verhältniß zu Othin.

 

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VIII.

Nachtrag

zu der kritischen Geschichte

der

sogenannten "Prillwitzer Idole".

(Zu Jahrgang XIX, S. 168 - 286.)

Von F. Boll.


A ls in den Jahren 1827 bis 29 die auf des Professors Levezow Betrieb zu Neustrelitz angeordnete Commission zur Prüfung der "obotritischen Alterthümer" in Thätigkeit war, hat sie es leider versäumt, zu Neubrandenburg, wo die Gebrüder Sponholtz gelebt, genauere Erkundigungen über deren Nachlaß einzuziehen. Es scheint in Neustrelitz unbekannt gewesen zu sein, daß die Jacob und Gideon Sponholtz'sche Concurs=Sache damals noch im besten Gange war; eine Anfrage bei dem General=Anwalde (actor communis) der Sponholtz'schen Gläubiger, dem Hofrath Brückner, würde zu sehr genügenden Resultaten geführt haben. Dieser war inzwischen im J. 1837 verstorben, und erst, als die erste Hälfte meiner den oben genannten Gegenstand erörternden Abhandlung bereits nach Schwerin zum Druck abgegangen war, brachte ich in Erfahrung, daß die Sponholtzschen Papiere unter dem Nachlasse des Hofraths Brückner, wenn auch durch einen Bau in großer Verwirrung, unter einem

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Berge anderweitiger alter Acten, noch vorhanden seien. Was ich damals, nach erhaltener Erlaubniß, in Eile auffinden konnte, habe ich noch S. 178, Anm. S. 215, und S. 233 ff. mitgetheilt. Ich habe seitdem die Mühe nicht gescheut, weitere Nachsuchungen nach den auf die fragliche Angelegenheit bezüglichen Documenten anzustellen, und bin so glücklich gewesen, die meisten (und wohl die wichtigsten) derselben noch wieder aufzufinden. Obwohl sie nun kein wesentlich anderes Resultat gewähren, als was der aufmerksame Leser bereits aus meiner Abhandlung im vorigen Jahrgange unserer Jahrbücher wird gewonnen haben, so kann ich es mir doch bei dem Interesse, welches jene Untersuchung auch in psychologischer Hinsicht bietet, nicht versagen, dieselben hier noch nachträglich mizutheilen.

Es hat wohl nicht leicht eine in jeder Hinsicht conservativere Familie gegeben, als die der Gebrüder Sponholtz war. Während hier in Neubrandenburg durch die beiden großen Stadtbrände in den Jahren 1675 und 1737 fast alle öffentlichen und privaten Documente und Papiere vernichtet worden sind, hat die Pälcke=Sponholtz'sche Familie ihre Familien=Papiere bis zu den Zeiten des dreißigjährigen Krieges hinauf, und theilweise noch darüber hinaus, zu erhalten gewusst. Seitdem Jacob Sponhotz im J. 1759 das Oberhaupt der Familie wurde, scheint er schlechthin Alles aufbewahrt zu haben, alle Aktenstücke aus vielfachen Processen, alle Correspondenzen nebst den Antworten im Concept, alle Rechnungen u. s. w. Alles dieses war bis zum J. 1837 noch vollständig erhalten beisammen, und würde früher gewiß noch eine reichlichere Ausbeute geliefert haben, als ich jetzt daraus noch habe beschaffen können. Jacob Sponholtz war, trotz eines schwächlichen Körpers, eine unverdrossen arbeitsame, besonders schreibselige Natur: das bezeugen die vielen Nachrichten, Aufsätze, Entwürfe u. s. w., welche er, unermüdlich bis in sein 75. Lebensjahr, mit fester Hand niedergeschrieben hat.

Unter diesen eigenhändig ausgesetzten Nachrichten ist denn auch eine für unsere Frage von dem höchsten Interesse, nämlich ein Bericht über den Verkauf der sog. Prillwitzer Idole an Hempel und Masch. Leider ist sie nicht datirt, doch höchst wahrscheinlich bald nach Beendigung dieser Angelegenheit, etwa in den Jahren 1772 oder 73, abgefaßt. Sie ist, wie ihr Inhalt zeigt, nicht etwa ein zur Veröffentlichung bestimmter, also vielleicht mit irgend welcher beschönigenden Tendenz geschriebener Aufsatz, sondern ein bloßes pro memoria für die Familie, wahrscheinlich in der Absicht abgefaßt, die Veräußerung dieses Familien=Eigenthums, sowie sein Verfahren in dieser Angelegenheit, seinen Brüdern gegenüber, deren Vermögen er damals noch mit

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verwaltete, zu rechtfertigen. Ueber dieses eigenthümliche Verhältnis welches den Schlüssel zur richtigen Beurtheilung jener "Nachricht" enthält, will ich zunächst die Erklärung des Jacob Sponholtz aus einer andern eigenhändigen Nachricht desselben vom J. 1790 mittheilen:

Unser seel. Herr Vater, Andreas Friderich Sponholtz, gebohren hir, den 14 Jun. 1698; Gold und Silber=Arbeiter hieselbst, und
Unsere sel. Frau Mutter, Johanna Palicken, gebohren den 19 Mai 1704.
Feierten Ihren Hochzeits=Tag den 27 Nov. 1727. In Ihrer glücklichen Ehe, hatten Sie, 6 Söhne, und 2 Töchter, davon die 3 ersten Söhne, und beiden Töchter, Ihnen in der Ewigkeit vorgingen, und die 3 jüngsten in Leben hinterliessen. Wie der Herr Vater, den 1sten Sept. 1759 starb, nachdehm Er 61 Jahr, 14 Wochen 2 Tage gelebt, und unsere liebe Frau Mutter, alt 55 Jahr, als betrübte Wittwe, die gesetzmässige Vormundschaft für Ihre 3 Söhne, als Jacob, Ernst, Sponholtz, geb. den 17 Dec. 1734 alt 25 Jahr, Jonathan Benjamin Sponholtz, geb. den 14 Oct. 1740. alt 19 Jahr, Gideon Nathanael Sponholtz, geb. den 15 April 1745. alt 14 Jahr allein bey behielte, auch in der ganzen Wirdschaft Keine Veraenderung vorging, sondern die bisherige Einrichtung, als mit den Gold und Silber Handel; und Verfertigung solcher Waaren, mit denen liegenden Gründen, die Theils zur Unterhaltung in eigenen Gebrauch, Theils aber Verpachtet waren, wie auch die auf Zinssen ausgeliehene Gelder: so muste Jacob Ernst, welcher seit 1750 bis den 25 Dec. 1755 bey seinen Hrn Vater gelernet, und bis dessen Tode, als Gesell bey Ihm gearbeitet 1 ), die Geschäfte des verstorbenen Vaters übernehmmen; den Gold und Silber Handel: dessen Verarbeitung: Hanel und Wandel: Buch und Rechnung führen: in, und ausser Gericht, alle Angelegenheiten besorgen. Alle Einnahmme von der Profession, von denen liegenden Gründen: Huffen, Gärten, Wiessen, Häusser, die Zinsen von denen ausgeliehenen Geldern - Alles floß in der gemeinschaftlichen casse. Dahingegen, wurden auch alle Ausgaben auf derselben besorget.


1) Jacob Sponholtz hat nie als Gesell gewandert; als er das Meister=Recht erwerben wollte, hatte er dieserhalb, so wie wegen seines Meisterstücks, viele Schwierigkeiten von Seiten der Zunft zu überwinden.
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Diesse Einrichtung dauerte nicht nur bis den 19 Maj 1782 als zum erfolgten Tode der Frau Mutter, nachdehm Sie 78 Jahr 3 Stund gelebt, sondern auch bis den 4 Dec. 1786.

Wenn wir nun hiernach berechtigt sind, die unten mitzutheilende "Nachricht" als ein bloßes Familen=Document zu betrachten, so springt die große Bedeutung desselben für die Frage über Aechtheit oder Unächtheit der Prillwitzer Idole sogleich in die Augen. Denn daß Jacob Sponholtz hier nicht von einem eigenen, betrüglich untergeschobenen Fabrikate, sondern von Alterthümern redet, die er selbst unzweifelhaft für ächt hielt, wird keinem Leser dieses Actenstückes entgehen. Auch halte ich es bei seiner Vorsicht und Schlauheit gradehin für unmöglich, daß es ihm hätte in den Sinn kommen können, gegen seinen Hausarzt Hempel einer verhältnißmäßig geringen Summe wegen sich zu compromittiren, zumal da er, wie wir weiterhin sehen werden, wegen einer weit bedeutenderen Summe zu demselben in einem sehr delicaten Verhältnisse stand und alle Ursache hatte, gegen diesen sich keine Blöße zu geben. Das einzige Interesse, welches Jacob Sponholtz bei der ganzen Angelegenheit hatte, war, als man ihm dieses alte Familien=Eigenthum so zu sagen aus den Händen wand, es wenigstens zum höchsten Preise auszubringen, und dieses Interesse hat er redlich verfolgt. Hat er dabei in irgend einer Beziehung hinter dem Berge gehalten, so hat es darin, daß er die Miene annahm, als halte er den Metallwerth dieser Alterthümer für sehr bedeutend, wie denn Hempel anfangs des Glaubens war, daß diese Alterthümer zum Theil fast Kronen=gold=haltig wären (XIX, 180), und Genzmer noch den Strich von Mittelgolde an ihnen erkennen will (XIX, 181 u. 189). Denn daß Jacob Sponholtz, nachdem sein Großvater, der Goldschmied Pälcke, schon mehrere Stücke eingeschmolzen, um ihren Metallwerth zu prüfen (XIX, 212), noch so sehr über den wirklichen Metallwerth dieser Alterthümer sollte im Unklaren gewesen sein, erscheint sehr wenig glaublich.

Noch beweisender fast ist das zweite mitzutheilende Document, ein von Jacob Sponholtz's Hand aufgesetztes Verzeichniß der an Hempel überlassenen Alterthümer. Wer dieses Verzeichniß geschrieben hat, der kann nicht der selbsteigene Verfasser dieser Alterthümer gewesen sein. Obwohl sie nach den gegebenen Bezeichnungen meistens leicht auf den Woge'schen Kupfertafeln bei Masch aufzufinden sind, so sind doch eben diese Bezeichnungen der Art, daß es auf der Hand liegt: derjenige, der diese Alterthümer so bezeichnete, hatte keine Ahnung von ihrer wirklichen Bedeutung, und war schlechthin unfähig, Alter=

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thümer, die irgend welche mythologische, symbolische u. s. w. Bedeutung haben sollen, unterzuschieben.

Professor Levezow scheint besonders den zweiten der Sponholtz'schen Brüder, Jonathan, weil er der geschicktere Goldarbeiter war, in Verdacht gehabt zu haben, daß die Prillwitzer Idole aus seinen Händen hervorgegangen seien. Allein dieser war, als Hempel im Sponholtz'schen Hause die Alterthümer entdeckte und nach und nach an sich brachte, gar nicht in Neubrandenburg anwesend. Er hatte Neubrandenburg am 24. Juni 1767 verlassen und seinen Weg über Hamburg und Berlin nach Danzig genommen, wo er bei seinem Vaterbrudersohn, F. W. Sponholtz, über ein Jahr lang in Arbeit stand und von wo er erst am 10. December 1768 in seine Vaterstadt zurückkehrte. In einem Briefe aus Danzig an seine Mutter vom 11. Mai 1768 fragt er: "ob Gideon sich noch zu nichts begeben will? Er sollte doch etwas lernen und reisen nach Hamburg; da wird er viele Veränderung, auch sehr schöne Gartens und kostbare Bluhmen sehen". In der Antwort vom 26. Mai 1768 (Concept) klagt die Mutter, daß sie im verwichenen Winter viel krank gewesen und durch die Nachlässigkeit ihres bisherigen Hausarztes sich genöthigt gesehen habe, diesen zu entlassen und "Herrn Doktor Hempel anzunehmen". Der Brief schließt mit der Frage: "Von denen Rhetradischen Götzen, hast du davon auch gehört?" Sie setzte also wohl voraus, daß von den jüngst über dieselben veröffentlichten Zeitungs=Artikeln im Hamburgischen Correspondenten und Altonaischen Merkur vielleicht etwas zu seiner Kenntniß gekommen sei.


1.

Bericht

des Goldschmiedes Jacob Sponholtz

über den

Verkauf der Prillwitzer Alterthümer an den Doctor Hempel
und den Superintendenten Masch.

Zur Nachricht.

Der Herr Doct. Medic. Hempel, welcher ein sehr grosser Liebhaber von allen Seltenheiten, bekam von ohngefehr hir im Hausse den Löwen, welchen man Zernbock nennet, zu sehen.

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Voll von Verwunderung und Neugirde bath derselbe, Ihm diesses Stück mit nach seiner Wohnung zu geben, um es recht betrachten zu können. Nach etlichen Tagen kam der Hr. Doctor wieder hir und sagte daß wäre ein Götze von den alten Wendischen verehrten Göttern. Diessen wolte Er kauffen, was man verlangte? Ich forderte 1 Louis'dor, die Er auch so gleich erlegte. Er frug, wo man bey eine solche Rarität gekommen? Worauf die Antword, daß sie von meinen Großvater Palicken geerbet, und derselbe hette solches von meinen Großvater Bruder dem Pastor Friderich Sponholtz aus Prillwitz vor etwa 60, 70 Jahren erhandelt. Diesser hette solche in seinen Garten welcher bey den Prillwitzschen Prädiger Hausse, mahl aus der Erde gegraben. Der Hr. Doct. Hempel ward von diesser Erzehlung gleichsahm Endzückt und ausser sich. Er forschete ob nicht mehrere Stücke vorhanden. Er ward äusserst unruhig, Er bath, Er flehete, Er gab alle möchliche Versprechungen die Stücke so man Ihm zeigen wolte, zu kauffen, oder nur anzuleihen; Sie gleich baar zu bezahlen, oder in letztern Fall alles möchliche Pfand bis zur wieder Abliewerung zu setzen. Vier, 5 Mahl, und noch öffter kam, der Hr. Doct. täglich bey uns um zu bitten, daß man ihm noch einige Stücke, wenigstens zeigen solte, wan man sie gleich nicht verkauffen wolte. Endlich wuste ich keine Auswege und Entschuldigungen mehr zu machen. Er erhielte alsso 24 Stück und zwar die kleinsten. Diesse waren aber nicht vermögendt, seine Neugirde völlig zu stillen. Er wolte noch mehrere haben. Bezahlte inzwischen diese mit 7 Louis'dor 1 ) Nach viehlen anfodern empfing Er noch 12 Stück, und entlich noch 8 Stück. Es fehlte zwar an der Bezahlung, gab jedoch nach viehlen erinnern, einen Wechssel, Daß Er noch 100 Thlr. alt Gold schuldig wäre 2 ). Versprach auch das Capital bis dahin zu verzinssen. Weil Er aber, Mahl gehört, daß mein seel. Vater bey Umgiessung der Glocke hir an der Kirche, 2 Grappen geschenkt hatte, und diesse die Geschirre, worin die Götzen in Prilwitz gefunden; so vermuthete Er daß noch mehrere Sachen


1) Jacob Sponholtz hat in seinem Journal eingetragen: "Hr. Dokt. Hempel den 22 Januar [1768] 7 Louisd'or", und darunter noch bemerkt: "1 Lou.dor", womit wohl der zuerst für den Zernebock erhaltene gemeint ist. Dieser Posten ist gelöscht.
2) Unter dem 22. Februar 1768 bemerkt Jacob Sponholtz in seinem Journal: "Hr. Dokt. Hempel vor die Alterthümer 12 Louisd'or, vor das übrige will er geben 8 Lou.dor". Dieser Posten ist nicht gelöscht und auch niemals bezahlt worden. Jacob Sponholtz creditirte anfangs seinem Hausarzte diesen Posten ohne Handschrift; erst später gelang es ihm, wie wir sehen werden, von Hempel einen Wechsel über 100 Thlr. Gold, datirt im Antoni=Termine 1768, zu erhalten, über den es im J. 1775 zum Processe kam (XIX, 215 Anm.). Dieser Wechsel ist also zurück datirt.
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vorhanden, die man Ihm doch überlassen möchte. Ja der Herr Praepositus Gentzmer kam hir sehr offt, bath man solte Ihm doch die übrigen verkauffen, leihen, oder nur zeigen. Ob man gleich diesses alles mit guthen Worten ablehnete, daß man Keine mehr hette, oder was man sonsten vorwendete; so machte der Herr Pastor Primarius [Stock] mir doch sehr offt die wiederholte Bitte, daß ich Ihm, oder den Herrn Doctor Hempel, oder den Herrn Superintendent Masch, welcher die Samlung von D. Hempeln kauffen wolte, überlassen möchte. Unter viehler Endschuldigung, daß der Hr. Doct. böse werden dürffte; ich auch noch meine Bezahlung nicht von Ihm erhalten: auch nicht eimnahl einen Schein auf der rückständigen 100 Rth. von Ihm hätte und sonsten: unterließ der Hr. Past. Prim. Stock nicht mir offt anzufodern 3 ). Bis entlich den 2 Jul. 1770 der Hr. Superintendent Masch selbst hir bey den Hrn. P. P. Stock logirten. Liessen mich zu sich ruffen. Stelten mir den Nuzzen vor, wan ich die übrigen auch herraus gebe, wie das gantze Publicum daran profitirte, wie schätzbar Ihnen solche Gefälligkeit, wie groß meine Sicherheit sein sollte. Indehm gegenwärtig ein Juwelenring, der nicht für 300 Rth. gekaufft, auch etliche 100 Rth. baares Geld, welches alles zu mein Unterpfand, auf mein Verlangen, sein solte. Ich brachte Ihnen also des Abends um 10 Uhr noch 7 Stück hin. Weil ich aber kein Pfand zu nehmen verlangte: so gab der Hr. Superintendent mir dem bekannten Revers 4 ). Auf ferneren Anhalten des Hrn. Past. Stock überbrachte Ihm den 10 Jul. 1770 die übrigen 17 und letzten Stücke. Er übersante solche


3) Am 21. Juni 1770 schrieb Stock an Jacob Sponholtz: "Ew. Hochedelgeboren werden es nicht ungütig nehmen, wenn ich Sie hiemit an dem gütigen Versprechen erinnere, womit Sie mich ohnlängst erfreuet. Ich habe das Zutrauen zu Ihrem rechtschaffenen Hertzen, daß Sie es nunmehr erfüllen und mir alles in der Stille überreichen werden, was Sie noch von den seltenen Alterthümern gefunden. Ich setze Ihnen dafür baare Caution, so viel Sie verlangen und verspreche Ihnen zugleich die größte Verschwiegenheit. Sie wissen, daß ich weiter kein Interesse dabei habe, als die Beschreibung des alten Wendischen Götzen=Dienstes dadurch in mehrerer Vollständigkeit zu sehen". Den Grund, weshalb Jacob Sponholtz die Sache als "Geheimniß" behandelte und Alles "in der Stille" und mit der "größten Verschwiegenheit" abgemacht wissen wollte, haben wir schon von Rühs (XIX, 246) erfahren: er befürchtete nämlich, daß die Alterthümer würden von der Landes= oder der Gutsherrschaft (von Prillwitz) reclamirt werden, und er sie ohne Entschädigung würde herausgeben müssen. Er antwortet übrigens (Concept) ablehnend an Stock, weil der "Punkt", den er Stock entdeckt habe, noch immer nicht erledigt sei. Er meint damit ohne Zweifel, daß er von Hempel immer noch keine Bezahlung, ja nicht einmal ein Document über die Schuld erhalten habe; "nach der Berichtigung dieser zögernden Geldsache" verheißt er, sein Versprechen sofort zu erfüllen.
4) Nämlich, durch den sich Masch verpflichtet hatte die ihm von Jacob Sponholtz anvertraueten Alterthümer binnen 4 Wochen wieder zu restituiren. Siehe weiter unten Nr. 3.
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nach Strelitz. Kurtz nach dehm kam der Hr. Superint. wieder hir, bey Hr. P. Stock, handelte mit mir, ich solte Ihm solche verkauffen, oder dem Hn. HoffMarschall von Dewitz, Exselenz, weil ich aber solches nicht wolte, so solte ich Ihnen doch zusagen, das Vorkauffs Recht, welches ich auch versprach, indessen solte das Geheimniß 5 ) itzo aufhören, und Er wolte sie bekant machen. Ich willigte hirin. Hr. Past. Stock sagte es gleich darauf dem Hrn. Doct. Hempel, das noch mehr Sachen vorhanden. Der Hrr. Doct. kam vol Erstauent und Eiffer hir nach zu fragen, und ging zornig weg. Der Hrr. Superint. sante einen Radgast wieder von Strelitz zurück welcher doppelt wäre, und alsso übrig, diessen solte ich dem Hrn. Doct. Hempel vor seine Medicinischen Verordnungen zum Present geben, um Ihm etwa zu beruhigen. Der Hr. Superin. schrieb indessen an den Hn. D. H. die gantze Begebenheit, zeigte auch an daß Er bereits den einen mir zurückgesanten Radegast in Händen gehabt und bewegte damit den Hr. D. Hemp. daß Er Ihm seine 45 Stück vor 300 Rth. verkauffte. Die Herzogliche Regirung sante mir ein HochFürstliches Befehl zu, daß ich die Wendischen Alterthümer so ich noch in Händen, nicht verderben, noch einschmeltzen, sondern solche nach Strelitz übersenden solte. Diesses Befehl brachte nach d. Hrn. Land Syndicus Pistorius, um solches zu beantworten. Derselbe hielte solches vor unnöthig, und ist auch nicht beantwortet. Rieth mir aber an: ich solte den Hrn. P. Stock bitten mir die Sachen wiederzuschaffen, Letzterer wolte sie aber kauffen, both 125 Rth. alt Gold weil ich den beständig bath sie mir wiederzusenden um solche erstlich zu probiren 6 ), um den Werth zu erfahren: so hatte der Hr. Sup. solche probiren lassen, und sante mir den Attest des Hrn. Müntz Rendant Wilbergs zu 7 ). Herr Rath Fischer 8 ) ließ mich zu sich ruffen, wolte gern wissen waß ich vor die Alterthümer so zu Strelitz wären, haben wolte? Ich solte sie doch den Hn. Superint. verkauffen. Den schrieb Er, waß ich haben wolte! Antwordt, ich müsse sie erstlich probiren, doch wan ich 300 Rth. erhielte so könten sie solche behalten. Bey Hr. P. Stock hielte offt um die Wiederherrausgaabe an, schrieb auch etliche Mahl an den Hrn. Sup. Der Hr. Land Syndicus Pistorius rieth


5) Siehe oben Anm. 3.
6) Jacob Sp. schreibt an den Superintendenten Masch (undatirtes (Concept): "Weil Ew. Hochwürden noch für Ostern [1771] hoffen, hier in Neubrandenburg zu kommen, so bitte hiedurch gehorsamst um die sembtlichen Alterthumsstücke ohnbeschwerd wieder mitzubringen, denn ich zweifle nicht, daß wenn ich zur Ueberzeugung meiner Brüder die Alterthumsstücke selbst probirt und nachgesehen, gewis die Ehre haben werde, mit Ew. Hochw. Selbst zu handeln".
7) Siehe unten Nr. 4.
8) Der damalige Stadtrichter zu Neubrandenburg.
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beständig an ich solte sie verkauffen. Der Hr. P. Stock both entlich 150 Rth. Der Hr. Superint. schrieb Er früge nichts nach den Sachen, sante sie aber doch nicht mit 9 ). Weil ich vermuthete, das ich am Ende gar nichts bekommen würde; so ließ den Mittelsten Weinachtstag 1771 es mir gefallen die übersanten 150 Rth. bey Hn. P. Stock zu nehmen. Der Hr. P. Stock aber sagte, um zu zeigen das Er aufrichtig handle, Er wolte noch 2 Lou.d'or zugeben. Gab mir also 160 Rth. Alt Gold, ich Quitirte Ihm 10 ).



9) Einen Umstand übergeht Jacob Sponholtz hier in seiner Relation, nämlich daß er zuvor noch einen Versuch gemacht habe, die Alterthümer zu höherem Preise nach auswärts zu verhandeln. Unter dem 11. Juni 1771 fragt er bei seinen Commissionären in Hamburg (Bollmann & Seumnicht) an, ob sie ihm nicht einen Käufer zu den Alterthümern nachweisen könnten? "Sie finden zwar viehle Liebhaber, sind auch schon 300 Rth. in Louisd'or davor gebothen, da man sich aber versichert hält, das diesses nicht den Werth des Metalles, geschweige die Antiquität erreichet, so wolte Ew. Hochedelgeb. hiedurch ergebenst bitten" u. s. w. Diese wiesen ihn an den Makler M. Bostelmann, der in diesem Geschäfte mache. An ihn wendete sich Jacob Sponholtz wiederholt (noch am 12. October 1771), scheint auch noch an andere Personen in Hamburg deshalb geschrieben zu haben, ohne daß er Antwort bekam. Nun ging er zunächst (im November 1771) Hempeln zu Leibe (Concept): "Weil ich itzo nicht vermögend zu meiner nöthigen Ausgaabe Geld zusammen zu bekommen, so wolte hiedurch Ew. Wohlgeb. ergebenst um meine Bezahlung bitten. Wan dieß nicht möglich und daß man über den Preiß der mir abgedrungenen Alterthumer [nicht] fertig werden kan, wofür Ew. Wohlgeb. niemahls mir daß, was ich verlanget, sondern allemahl wilkürlichen Preiß gebothen, auch lange nicht die Helfte des wahren Werthes davor bezahlen wollen, auch meine mir noch zugehörigen Sachen mit einem Vortheil von 115 p.Cent verhandelt haben, und doch mir nicht von den gelösten Gelde bezahlet haben, so ist es wohl das beste Mittel, daß ich Ew. Wohlgeb. die Paar Rth. Hand Geld zurückgebe und mir meine obgemelten Sachen in natura wieder ausbitte". Den Effect dieses Schreibens hat Jacob Sp. unter dem Concepte vermerkt: "Der Hr. Doctor kam eiligst in gröster Hitze hier, sagte auf Antoni gewis zu bezahlen" (bezahlte aber nicht). - Nun wendete er sich gegen Masch und schrieb unter dem 13. December 1771 an ihn: "Um die Zurücksendung der angeliehenen Alterthümer wolte ich Ew. Hochw. hiedurch gehorsahmst bitten. Nach Verlauf von etwa 4 Wochen beliebten den 2 Jul. 1770 Ew. Hochwürd. mir gütigst zu versichern, solche wieder zurückzusenden. Der Hr. Past. Prim. Stock Hochehrw. und der Hr. Landsynd. Pistorius Wohlgeb. Haben mir viehlfältig und bei aller Gelegenheit sie zu verkaufen angerathen. Ob ich zwar nie gewilliget diesse Stücke zu veräussern, so haben Ersterer mir doch 150 Rth. und Letzterer 130 Rth. alt Gold gebothen. Zuverlässig glaube ich zwar, daß ich mehr als 300 Rth. davor erhalten könte, wan ich diesse Stücke eintzeln verhandelte. Allein weil ich weiß, daß Ew. Hochwürden Belieben finden Käuffer zu sein, so sollen sie für 200 Rth. alt Gold zu Dienst stehen. Ist diesses gefällig, so bitte gehorsahmst mir solche 40 Louisd'or mit negsten gütigst zu übersenden; wiedrigen Falles ersuche ganz ergebenst mir die Sachen nur bald wieder zu übermachen, welches zu meinen ohnfehlbaren Nuzzen sein wird". Hierauf erfolgte der Abschluß des Handels durch Stock.
10) Nachdem der Handel mit Masch abgeschlossen war, fand sich im folgenden Jahre noch ein neuer Käufer, nämlich Maschens Gegner, der Magister Thunmann (Schreiben desselben an Jacob Sp., d. d. Berlin, den 13. April 1772). Jacob Sp. antwortet am 2. Mai d. J.: was bisher im Ganzen geboten sei, belaufe sich etwa auf 100 Louisd'or! "Wen Ew. Wohlgeb. allenfalles Belieben finden möchten, diesses mit ein reelles Plus zu übersteigen, so stehet die gantze Sammlung noch zu Diensten". Jacob Sp. scheint also bei dem Abschlusse mit Masch wegen eines noch erfolgenden Höhergebotes sich reservirt zu haben.
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2.

Verzeichniß

der an Doctor Hempel überlassenen Alterthümer,

niedergeschrieben

vom

Goldschmiede Jocob Sponholtz.

Der Herr Doctor Hempel Hochadelgeb. Empfingen von mich an Alterthumsstücke

  1) 1 Löwen,
  2) 1 Mensch mit einen Vogel auf d. Kopff,
  3) 1 grosse dicke Röhre,
  4) 1 Menschen Bild mit Stachel um den Kopff,
  5) 1 Rundes Stück worin mitten ein Loch,
  6) 1 Stück bald als eine Klock,
  7) 1 Schnalle,
  8) 1 Menschen bild mit Stachel um den Kopff,
  9) 1 Klein Bild mit Kuhfüsse,
10) 1 Bild mit den Hund auf den Kopf,
11) 1 Kopff mit einem Vogel,
12) 1 Drach mit Flügel,
13) Eine Platte, wo der Kopf abgehauen wird,
14) Eine Platte,
15) 1 Stück wo sich 2 Menschen anfassen,
16) 1 Nackter Jung hat Vogel aufs Haupt,
17) 1 Hirsch,
18) 1 Frau,
19) 1 Nackter Springer,
20) 1 Alter Kerl,
21) 1 Pfeiffer,
22) 1 Nackter Jung,
23) 1 Hand,
24) 1 Nackter Junge mit Flügel,
25) 1 Dudel Sack,
26) 1 Schwerd,
27) 1 Bildgen,
28) 1 Nachter Juna mit abgebroch. Fuß,
29) 1 Arm,
30) 1 Weib,

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31) 1 Weintraub,
32) 1 Hund Bild,
33) 1 Messer
34) 1 Messer
35) 1 Messer
36) 1 Messer
37) 1 Vierfüssig Tiehr,
38) 1 Schnalle
39) 1 Schnalle,
40) 1 Menschen Bild mit 3 Gesichter,
41) 1 Menschen Bild, das gröste,
42) 1 Menschen Bild mit 1 Hand


3.

Verzeichnis

der vom Goldschmiede Jacob Sponholtz empfangenen Alterthümer,

niedergeschrieben

vom

Superintendenten Masch und Past. Primar. Stock.

Spezification.

1) Ein Nackender Radegast.
2) Ein kleiner Radegast.
3) Ein Götze mit einem Flügel auf dem Kopfe.
4) Ein Gitter.
5) Ein krummes Opfer=Messer.
6) Ein dreieckigtes Opfer=Messer.
7) Eine Opfer=Schaale.

Vorhin specificirte sieben Stücke Alterthümer habe heute dato von der Güte des Hn. Sponholtz in NBrandenburg geliehen empfangen; reversire mich hiemit, selbige geheim zu halten, und nach Verlauf von etwa 4 Wochen, ihm selbige in seine Hände zurück zu liefern: es sey denn, daß es dem Hn. Sponholtz gefällig wäre sie zu verkaufen, und sich ein Käufer fände, dem sie alsdenn nach seinem Befehle gegen Erlegung des Kaufgeldes überliefert werden würden.

Alles dieses bescheinige mit meines Nahmens Unterschrift.
Neubrandenburg den 2 Jul. 1770

A. G. Masch.     

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Den 10. Jul. a. c. haben mit des Hn. Sponholtzens Hoch=Edelgeb. noch folgende St. der Alterthümer für des Hn. Superintendenten Masch Hochwürden eingeliefert

  1) ein etwas größer Götzen=Bild, dessen Arme einen halben Mond formiren.
  2) ein Götze, in der Mitte zerbrochen, der unter s. Füßen einige geflügelte Thiere.
  3) eine mit Laub=Werk umwundene Seule.
  4) eine schmale Säule, mit Köpfen.
  5) ein kleiner narckender Radegast.
  6) ein kleines nackendes Götzen=Bild auf einem Postament und eine Figur in dem rechten Arm.
  7) eine grose Schale mit gegossenen Figuren inwendig.
  8) eine kleine Opfer=Schale.
  9) noch eine.
10. 11) 2 Opfer=Messer.
12) ein großes Götzen=Bild ohne Füße.
13) ein nackender Radegast, mittlerer statur.
14) ein Gitter=Werk, mit einem Vogel inwendig gezeichnet.
15) ein kleines Götzen=Bild auf einer längeren Säule.
16) ein abgebrochen Opfer=Messer.
17) ein abgebrochen Stück.

welches insgesamt dem Hn. Sponholtzen wiederum zu treuen Händen soll überliefert werden. Dabey ihm die Versicherung ertheilt wird daß niemand daran Ansprache machen soll, sondern alles treulich wiederum abgegeben werden soll.

NBr. d. 10. Jul. 1770.

Stock     


4.

Bericht

des Münz=Rendanten Wildberg

über die

im Auftrage des Superintendenten Masch vorgenommene
Prüfung des Metallgehaltes der Alterthümer

Neu - Strelitz d. 12ten Febr. 1771.

Auf Ersuchen des Herrn Superintendent Masch habe heute dato einige Stücke Metallener Alterthümer, so wol mit

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dem Münzgewichte gewogen, als auch mit der Probiernadel untersuchet, damit der Gehalt des Metalles einigermaßen bestimmet werden könne Habe also nach den gedruckten Ver=Zeichniße folgende Stücke gewogen und probieret.

 No.  1. Radegast wigt 3 Mk. 7 L. ist ohngefehr 5 löthig
   " 2. Radegast ist 10 Loth ohngefehr 5 löthig
     Derselbe halb Bley Kan nicht bestimmet werden
   " 7. Nemisa 1 Mk. 14 Loth ist auch 5 löthig
   " 8. Zislbog 2 Mk. 12 Loth. 5 löthig
   " 12. Asri 12 Mk. 8 Loth ist an einigen Stellen 5 löthig
     das übrige Bley
   " 14. Sieba 2 Mk. 31/2 Loth. 5 löthig
   " 17. eine Stange 12 Loth a 3 löthig
   " 21. der Herbst 1 Mk. 9 Loth. 5 löthig
   " 22. Ein Götze 4 Loth 5 löthig
   " 33. der Friedensstab 1 Mk. 4 Loth ongefehr 5 löthig
   " 40. Ein Opferteller 4 Mk. 12 Loth ist 3 löthig
   " 41. Ein Opferteller ist nicht wie in der gedruckten Nachricht 
     stehet 10 löthig Silber, sondern Bley
   " 43. ist Metall
   " 44. Eine Opferschale 2 Mk. 13 Loth 4 löthig
   " 47. ist Metall
   " 50. wiget 7 Loth. 4 löthig
   " 52. wiget 7 Loth. 3 löthig
   " 54. wiget 4 1/4 Loth. 3 löthig
   " 56. wiget 13 Loth 3 löthig
   " 57. wiget 9 Loth 3 löthig
   " 58. wiget 8 Loth. 3 löthig

Damit nun gewis würde, ob der Strich wahres Silber anzeige oder nicht, so habe von den Herrn Superintendent ein länglicht Stückgen Metal, welches von dem Stücke No. 14 abgebrochen, und dem Strich nach 5 löthig war, erhalten, das ich damit die Probe machte den wahren Gehalt zu finden, und da ich zuerst die Hälfte dern auf der Capelle probirte, so blieb gar kein Silber übrig, sondern die Maße von den Metal verflog, um noch gewißer zu sein, habe die andere Helfte in der Münze in Gegenwart des Hrn. Münz=Meister Löwen, und des Hrn. Wardein Knust wieder Probieren laßen und selbige es gleichfals so befunden. Das der Metal welches dem Strich nach 5 löthig ist gar kein Silber enthält, sonder aus Bley und andern Flüchtigen Metallen bestehet, und da das dem ansehen nach 5

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löthig kein Silber enthält, so is gewis das das 3 und 4 löthige scheinende noch vielweniger etwas von Silber enthalte 1 )

Dieses habe auf Verlangen des Herrn Superintendenten attestiren wollen Neu-Strelitz d. 12ten February 1771

B. C. Wildberg             
Münz Rendant    (L. S.)

Jacob Sponholtz hatte also immer noch nicht von Hempel die Bezahlung seines Wechsels erreichen können, so dringend er auch darum angehalten. Es könnte auffallen, daß er dennoch ganzer drei Jahre sich geduldete, bis er zum Aeußersten, zur Klage gegen Hempel, schritt (XIX, 214, Anm.), wenn wir nicht aus Acten erführen, welche delicate Verhältnisse inzwischen eingetreten waren, die Jacob Sp. geboten, Hempel auf alle Weise zu schonen. Der Kammerjunker von Gäfertsheim, Pächter des Domanialgutes Quastenberg, hatte Concurs gemacht, und in Folge desselben gerieth Jacob Sp. in eine ganz eigenthümliche Klemme, in welcher Hempel seine Noth noch sehr vermehren konnte. Vernehmen wir über diese Angelegenheit, welche die Personen und die Verhältnisse sehr deutlich charakterisirt, den Bericht, welchen der Pastor Heinzelmann zu Wolkenzin, der im von Gäfertsheim'schen Hause als Lehrer fungirt hatte, auf Erfordern unter dem 12. August 1771 an die Justiz=Canzlei zu Neustrelitz abstattete: "Der Herr von Gäfertsheim hatte sein Silberzeug vor einigen Jahren a 100 Louisd'or bei dem Schuster Barckow versetzt. Selbiger drang in termino auf seine Bezahlung. Der Herr Doctor Hempel ließ sich durch die Bitten des Herrn von Gäfertsheim bewegen, diese Summe bei dem Goldschmied Sponholtz auf eine kurze Zeit zu negotiiren. Die Zeit verstrich und debitor hielt kein Wort, wurde auch abermals von Herzogl. Kammer mit Execution belegt. Er beschloß also sein Silberzeug zu verkaufen, nachdem er manche Reise in und außerhalb Landes gemacht. Zu dem Ende, um seine Pachtung zu behalten, bat er mich, nach Brandenburg zu reisen, und solche gänzlich zu verkaufen. Ich that es, schrieb aber noch aus Brandenburg, ob er sich nicht anders zu rathen wüßte, und ob es ihn nicht gereuen würde, und erhielte schriftlich die Antwort:


1) Dennoch schreibt Masch in den gottesdienstlichrn Alterthümern der Obotriten S. 46: "Die hiesigen Götzen sind von einem vermischten Wesen, welches nicht Gold, nicht Silber, nicht Kupfer, nicht Messing, sondern alles unter einander ist, Die mehrsten sind silberhaltig, und findet man nach dem Striche der Probirnadel 2, 3, 4 bis 10 löthiges Silber".
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Nein, und eine abermalige Vollmacht. Weil er nun seiner Lage nach in kurzer Zeit viele Tausende bekommen würde, so wollte ich ihm in dem Stande gerne setzen, daß er's innerhalb einem halben Jahre wieder bekommen möchte. Ich überließ demnach mit dem Herrn Doctor Hempel solches Silberzeug käuflich an Sponholtz, doch bedung ich dabei aus, daß wenn creditor ein douceur bekäme, so sollte es dem debitori frei stehen, sein Silberzeug wieder zu fordern innerhalb dieser Frist. Sponholtz schlug das douceur aus, ließ sich das Letztere gefallen, wann er dann nur 6 pCt. Zinsen bekäme. Ich hob also 600 Rth. und selbige wurden sogleich zur Herzogl. Rentei gesandt. Ich erinnerte darauf oft den Herrn von Gäfertsheim, allein das Geld blieb aus und in mente. Ich bat darauf Sponholtz, terminum, den er schon mal auf 6 Monate prolongirt, noch einmal zu prolongiren, allein vergeblich, derselbe bewies mit einer Specification, daß er Alles nach dem Werthe bezahlt hätte, und sagte, daß er bereits Alles verschmolzen, und habe seit der Zeit, daß ich aus dem Hause meines ehemaligen Hrn. patroni gewesen, nichts weiter davon gehört". - Nun hatte zwar Jacob Sp. das v. Gäfertsheim'sche Silberzeug laut des aufgesetzten Contractes vom Doctor Hempel für 1140 Rth. gekauft, allein er war unvorsichtig genug gewesen, im Antoni=Termin 1770 eine von Hempel in die Feder dictirte Zins=Quittung auszustellen, worin es "das von dem Herrn Doctor Hempel bei ihm versetzte Silberzeug" benannt war. Diese Quittung fiel dem actor communis der v. Gäfertsheim'schen Gläubiger in die Hände, und dieser ermangelte nicht, sofort eine Klage gegen Jacob Sp. auf Herausgabe des v. Gäfertsheim'schen verpfändeten Silberzeuges zur Concursmasse anzustellen. Jacob Sp. kam nun arg ins Gedränge und konnte durch Hempel's Aussage vielleicht um seine 1140 Rth. kommen; Pistorius mußte alle seine Kunst aufbieten, ja die Sache bis ad extraneos treiben, um endlich im Jahre 1778 für Jacob Sp. den Sieg zu erkämpfen. Als aber die Sache erst so weit gediehen war, daß Hempel's Aussage Jacob Sp. nicht mehr schaden konnte, kam es zwischen beiden wegen des Wechsels zum völligen Bruch, und nun unterließ mich Jacob Sp. nicht, wegen sofortiger Bezahlung Hempeln zu Leibe zu gehen, aber, wie wir gesehen haben (XIX, 215), mit schlechtem Erfolge, da Hempel seinen Angriff durch eine kleine Gegenrechnung, 228 1/2 Rth. für ärztliche Bemühungen, zu neutralisiren wußte.

Endlich geben die aufgefundenen Papiere auch noch über Gideon Sponholtz einige interessante Aufschlüsse. Zunächst den, daß seine Fabrication von Alterthümern auch damals nicht ganz

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unbemerkt blieb. Ich habe XIX, 233 seinen Briefwechsel mit dem Zollinspector Dreyer in Berlin, soweit er damals vorlag, mitgetheilt. Noch ein Brief von Dreyer ist seitdem aufgefunden, der den Beweis liefert, daß Dreyer, sei es durch eigenen Scharfsinn, sei es, daß Herr Nix nicht reinen Mund gehalten, Gideon auf die Sprünge gekommen war. Dreyer schreibt, d. d. Berlin, den 26. April 1790: "Fast hatte ich Ihnen schon ganz vergriffen, denn ich glaubte nicht, daß Sie noch über unsern Erdball sich aufhielten, sondern dachte: dieser ist schon unter die Erde. Nun Dank für übersandtes. Die heydnischen Sachen betreffend, so war meiner Einsicht nach die Schere kaum 100 Jahre alt, mithin stammet sie von keinen Wenden her. Ebenfalls das Messer von Eisen. Die ovale bleyerne Taffel hat der Meister sich damit verdächtig gemacht, daß er lauter reines Bley genommen, das thaten die Alten nicht, 2) daß die Buchstaben nicht altväterlich genug und kein Verstand daraus zu bringen, auch nichts ruhnisches ist. Das Holz (wahrscheinlich versteinertes) war viel ächter als die Echniten. - Finden sich bei Ihnen denn keine Alveolen, concha - triloba und Lituiten? imgleichen Enckriniten mit dem Stiehl und Pentackriniten?"

Auch über den Verkauf des Gideon'schen Alterthums=Cabinets an den Herzog Karl erfahren wir Näheres. Nach einer von Jacob Sp. Hand geschriebenen Notiz war füher das Project im Gange gewesen. Gideon's Sammlung von Alterthümern, Naturalien und Kunstsachen an die Kaiserin (Katharina) von Rußland zu verkaufen, hatte sich aber durch den Tod der Kaiserin zerschlagen. Den Vorschlag, seine Götzen und Alterthümer für eine Leibrente an den Herzog Karl zu überlassen, machte an Gideon zuerst von Berlin aus (am 29. September 1802) J. Reimmann, der zum Hofstaate des Prinzen Friedrich von Preußen gehörte, indem er sich zugleich anheischig machte, die Sache beim Herzoge zu vermitteln. Der Handel kam im J. 1803 oder 4, als es mit den Vermögensverhältnissen der Gebrüder Sponholtz bereits mißlich aussah, für eine jährliche Leibrente von 250 Rth. Gold und 12 Faden Holz zu Stande. Die Alterthümer wurden nach Prillwitz an den Pastor Schmidt abgeliefert, und dieser hatte auch die Auszahlung der Geld=Rente an Gideon zu besorgen. In dieser Angelegenheit war damals auch der Hofrath Reinicke, derzeiten Herzogl. Cabinets=Secretair, thätig, derselbe Reinicke, der später die Untersuchung über die Aechtheit oder Unächtheit der Alterthümer leitete und auf den "auffallenden Unterschied"zwischen den Idolen der sog. Masch'=

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schen und der sog. Potockischen Sammlung "immer aufmerksam gemacht hat" (XIX, 280, 281).

Schließlich will ich noch nicht unerwähnt lassen, daß Herr Obermedicinalrath Brückner in Ludwigslust den Vorschlag gethan hat, die Frage über die Aechtheit der Masch'schen Sammlung, die durch das Voraufgehende zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit erhoben ist, auf chemischem Wege zu entscheiden. Er schreibt an mich unter dem 20. November 1854: "In Beziehung auf die Götzen noch Folgendes. Der ächte edle Rost (patina) ist basisch kohlensaures Kupfer=Oxyd=Hydrat, müßte also, der Theorie nach, mit Säuren brausen. Alle Rezepte zur künstlichen Nachbildung desselben enthalten aber Säuren und Salze (Salpetersäure, Salpetersaures Kupferoxyd, Essig, Weinsteinsäure, Salmiak, Kochsalz; Borax habe ich nirgends erwähnt gefunden, doch würde es sich damit eben so verhalten), können also an sich mit Säuren nicht brausen. Daran würde man also die achten Götzen von Gideon's Fabrikaten unterscheiden können*). Es wäre freilich nicht unmöglich, daß im Laufe so vieler Decennien die künstliche patina auch Kohlensäure aus der Luft eingesogen hätte; doch zweifle ich daran, denn wo sollte die früher angewendete Säure geblieben sein. Ein vorsichtiges Experiment würde die Sache bald entscheiden, ohne den Alterthümern zu schaden".

Neubrandenburg, den 18. Januar 1855.

Franz Boll.     

 


Note.

*) Auch die Masch'sche Sammlung ist unächt,
und zwar ohne allen Zweifel, versteht sich nach meiner Ansicht. Hätten die Figuren "edlen Rost", wie wohl mitunter vermuthet wird, so brauchten Alterthumsforscher sie bekanntlich nur anzusehen, um ihre Aechtheit zu constatiren; man brauchte

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durchaus nicht auf Brückner's Vorschlag, den Rost chemisch zu untersuchen, einzugehen, denn den edlen Rost, dieses sichere Kennzeichen des Alterthums, erkennt der Forscher vor Allem durch den Blick. Die Ausführung des Vorschlages Brückner's ist aber unmöglich, da die Figuren gar keinen Rost haben! Schon Levezow, auf den man mehr hören sollte, als es der Fall ist, sagt S. 41. - 42; "Von dem, was die Antiquare auf den Bronzen des Alterthums, im höhern Sinne, edlen Rost" nennen, ist auf diesen Runendenkmälern "keine Spur" , weil (S. 43) ihnen dazu eine Hauptbedingung fehlt) "nämlich die ursprünglich geglättete Oberfläche" u. s. w., u. s. w. In Hinsicht auf andere Kennzeichen ist Levezow weniger entschieden, namentlich in Hinsicht des Metalls (S. 41). Und grade das Metall muß die Sache wesentlich entscheiden. Ich habe vor mehreren Jahren die Figuren viele Tage lang, ohne weiter etwas zu thun, untersucht und kann mit Bestimmtheit versichern, daß z. B. die Figuren bei Masch: Fig. 4 Vodha, Fig. 6 Percunust, Fig. 9 Ipabocg, Fig. 14 Asri, Fig. 15 Sieba, Fig. 34 Zirnitra aus modernem, citronengelben Messing, einem Metall, welches bekanntlich dem Alterthume fremd ist, gegossen sind und jene rauhe, grauliche Gußhaut haben, mit welcher der roh gegossene Messing zu erscheinen pflegt. Podaga Fig. 5 hat auf den neuen, abgefeilten Gußnäthen Runen! Nemisa Fig. 7 und Zislbog Fig. 8 sind ebenfalls aus Messing und mit einem künstlichen Firniß überzogen. Und der Schuaixtix am Ende ist aus Zinn. Vor allen Dingen müssen aber die Verzierungen der Figuren jede Selbsttäuschung nehmen. Levezow hat sich S. 62 deutlich genug ausgesprochen. "Der Verfertiger nahm seine Zuflucht zu einem Vorrathe von Modellen und Patronen, wie sie Gold=, Silber= und Broncearbeiter zur Verzierung zu gebrauchen pflegen, und fügte sie, wo sich nur immer dazu Platz finden wollte, ein" u. s. w. Ich kann versichern, daß mehrere Figuren mit solchen Verzierungen aus der Zeit Ludwig's XIV, aufgeputzt sind; ganz moderne Jagdscenen und anderes, was Levezow gerügt hat, nicht wieder zu erwähnen, will ich nur bemerken, daß wiederholt auf den Figuren ein Mann aus der "Perrückenzeit" vorkommt, mit Perrücke, Dreimaster, Knieehosen, Staatsdegen u. s. w. - Kurz, ich kann versichern, daß, wenn man die Puppen mit klarem und unbefangenem Auge ansieht, es unmöglich ist, an die Aechtheit zu denken. Sollte man, wogegen ich nichts haben kann, meinen Erfahrungen und den Figuren selbst nicht trauen, so kann ich auch die Unächtheit beweisen. Die beiden Radegaste, Hauptfiguren, bei Masch Fig. 1 und 2, sind immer vorzüglich für

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ächt und wichtig gehalten, und grade diese beiden Figuren sind sicher falsch. Ich entdeckte 1839 in einer zurückgestellten Schachtel die Originale zu diesen Puppen, zwei an Armen und Beinen sehr verstümmelte Figuren aus Bronce, mit leichtem (nicht edlem) Roste, welche zu der Herstellung der bei Masch dargestellten Figuren benutzt sind, aber auf eine so plumpe Weise, daß man die Restaurationen in den Abbildungen bei Masch augenblicklich erkennen kann. Diese Nachbildungen, welche unter den für ächt gehaltenen Figuren oben an stehen, können also keine Originale sein, also auch nicht die denselben eingegrabenen Runen. Die Originale mögen ächt sein, vielleicht Torsen antiker Bachusbilder oder dergleichen, aber gewiß nicht die Runen auf denselben, deren neuere Eingrabung man leicht erkennen kann. Einen sichern Beweis für die Unächtheit der Runen liefert der Umstand, daß die Runen auf den Nachbildungen nicht mit den Originalen abgegossen, sondern nach dem Gusse eingegraben sind; hätten die Originale bei dem Abgusse die Runen gehabt, so hätten sie mit abgegossen werden müssen. Die Nachbildungen sind mit Firniß überzogen, den ich am Lichte habe klebrig machen können. In einer Falte fand ich noch Reste von einer modernen, weißen Gußform (aus Gyps?), die ich mit einem Messer herausschneiden konnte. Uebrigens kannten Masch und Levezow (nach hinterlassenen Handschriften) die Originale, hielten diese aber für Stücke, deren Guß nicht gelungen sei! Einige Figuren sind allerdings ursprünglich ächt, nämlich die eben erwähnten Originale zu den beiden Radegasten (ohne die Runen) bei Masch Fig. 1 und 2, vielleicht römischen Ursprungs, - der Zernebog oder Löwe bei Masch, Fig. 17, ein gut gearbeitetes byzantinisches Bildwerk, - ein Kämpfer, bei Potocki Fig. 107, ein wahrscheinlich römisches Bildwerk, welches auch Levezow sich wiederholt für beachtenswerth als Kunstwerk angemerkt hat. Das mag alles Aechte sein; aber slavisch ist es nicht, germanisch auch nicht. Die Runen sind alle unächt. Das Runenalphabet steht auch in Klüver's Meklenburg.

Die ganze Sammlung, die Masch'sche, wie die Potockische, ist unächt. Es mag interessant sein, zu wissen, wer die Masch'sche Sammlung gemacht hat, - von Bedeutung für die slavische Mythologie ist aber die Beantwortung dieser Frage durchaus nicht.

Ich könnte diese Bemerkungen bei jeder Figur bis zum Beweise darstellen. Dazu gehörte aber viel Zeit und viel Geld; man müßte zu den Forschungen, zu den Beschreibungen und Untersuchungen von jeder Figur wenigstens zwei getreue (!!), gute Abbildungen haben, um zu beweisen, daß an der Sache -

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nichts ist. Und für nichts ist das viel zu viel Mühe und Geld, das man besser für edlere Zwecke verwenden kann.

Ich habe hier keine Untersuchungen geben und keinen neuen Streit hervorrufen wollen. Ich spreche diese meine Ansicht und wohl begründete Erfahrung auf vielfältige Aufforderung, mich über diese Sache auszulassen, hiemit öffentlich nur für meine Freunde aus und für alle, die meiner Erfahrung glauben wollen . Diejenigen, welche mir nicht glauben wollen, mögen bei ihrem Glauben bleiben, und die, welche gegen meine Ansicht beweisen wollen, durch vollständige (!!), bildliche Darstellungen beweisen.

Schwerin

G. C. F. Lisch.     

 

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IX.

Ueber die

Gräfin Adelheid von Ratzeburg

Von

G. C. F. Lisch.


D ie Gräfin Adelheid von Ratzeburg, die letzte Person, welche den Namen von dieser Grafschaft trug, hat allerdings so viel Interesse für die Geschichte unsers Landes, daß eine genauere Erforschung der über sie redenden Urkundcn von Wichtigkeit hat erscheinen müssen. Deshalb ist diese Frau auch in neuern Zeiten wiederholt der Gegenstand der Forschung in andern Ländern Deutschlands gewesen und die Literatur über sie ist jetzt ziemlich erschöpfend. Da sie in zweiter Ehe an den Grafen Adolf I. von Dassel vermählt war, so genügt eine Verweisung auf die neuern Schriften, welche die Grafschaft Dassel zum Gegenstande der Untersuchung genommen haben. Vorzüglich sind es drei Aufsätze, welche auch für die meklenburgische Geschichte Bedeutung haben:

1) Geschichte des Herzogthums Lauenburg von v. Kobbe, Bd. I, 1836, S. 233 flgd. und S. 242 flgd.

2) Geschichte der Grafschaft Dassel vom wail. Justizrath Koken in Hildesheim, im vaterländischen Archiv des historischen Vereins für Niedersachsen, Hannover, Jahrgang 1840, S. 139 - 252.

3) Diplomatische Geschichte des Grafenhauses Ravensberg von Haarland, in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte

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und Alterthumskunde Westphalens, Bd. I, Münster, 1838, S. 145 flgd.

4) Kritische Beiträge zur Geschichte und Genealogie der Grafen von Dassel, von E. F. Mooyer in Minden, in derselben Zeitschrift, VIII, Münster, 1845, S. 87 - 124.

Ich bin dazu so glücklich gewesen, einige besiegelte Original=Urkunden der Gräfin Adelheid ans Licht zu bringen. Schafft auch das entdeckte Siegel der Gräfin nicht mehr Klarheit, so ist doch die Entdeckung und die Gewißheit über die Beschaffenheit desselben wichtig genug, um die Funde öffentlich mitzutheilen.

Ueber die Gräfin Adelheid selbst kann ich nichts Besseres thun, als im Folgenden die Worte meines gelehrten Freundes Mooyer mitzutheilen und auf v. Kobbe's Geschichte von Lauenburg zu verweisen. Mooyer sagt a. a. O. S. 96 flgd. und S. 104:

"Adelheid war eine Tochter Günther's, Grafen von Kefernberg, und eine Schwester Ludolf's, Grafen von Hallermund († 15. Nov. 1255). Zuerst war sie mit Bernhard II., Grafen von Ratzeburg, einem Sohne Bernhard's I. († 1195) und einem Enkel Heinrich's von Badewide († 1178?), vermählt. Dieser Bernhard II. war anfänglich geistlich, nahm aber die Regierung über Ratzeburg an, nachdem seine beiden älteren Brüder Volrad und Heinrich kurz vor oder im Jahre 1191 das Zeitliche gesegnet hatten und nachdem sein Vater Bernhard I. ebenfalls des Todes verblichen war und der Papst ihm die Dispensation ertheilt hatte. Aus seiner Ehe mit der Adelheid entsproß Bernhard III., der aber schon bald nach 1195 starb. Bernhard II. selbst erlag 1200 dem Tode (Dahlmann, Geschichte von Dänemark, I, S. 336). Darauf vermählte sich Adelheid mit Adolf I., Grafen von Dassel, und als dessen Gemahlin wird ihrer im Jahre 1209 gedacht (Wolf, Versuch einer Geschichte der Grafen von Hallermund 22; Meyer und Erhard Zeitschrift des westphäl. Vereins I, 181). In Folge dieser Vermählung, da Adelheid die Erbin von Ratzeburg war, nannten sich die Grafen Adolf I. und Ludolf II. von Dassel von 1201 bis 1203 auch Grafen von Ratzeburg (Lappenberg, Hamburgisches Urkundenbuch I. S. 288 (vom J. 1201) und 354; Urkundenbuch der Stadt Lübeck I, S. 15; vgl. v. Kobbe, Gesch. des Herzogthums Lauenburg I. S. 333); nach dieser Zeit aber nannte sich Albert, Graf von Orlamünde, welcher 1200 zum Ritter geschlagen und gleich nachher vom Könige von Dänemark zum Statthalter von Holstein ernannt war, auch Graf von Ratzeburg (Allgem.

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Weltgeschichte XXXII, 514), wie derselbe denn auch, zufolge der Urkunden, sich in verschiedenen Zeiten dieses Titels bediente (vgl. Jahrb. des Vereins für meklenb. Gesch. XIV, S. 193). Anzunehmen, daß Adolf's I. Grafen von Dassel Söhne schon 1201 den Titel von Grafen von Ratzeburg geführt hätten, ist unzulässig, weil sie so zeitig aus Urkunden nicht nachzuweisen sind, auch dann nicht aus der Ehe mit der Adelheid, verwittweten Gräfin von Ratzeburg, hervorgegangen sein könnten, weil die Vermählung der letztern erst damals vor sich ging. Ich nehme nun an, daß Adolf I. zweimal verheirathet gewesen sei und daß vier Kinder ihn überlebten. Diese letzteren lernen wir aus einer Urkunde 1 ) vom J. 1224 kennen, die gleich nach dem Ableben Adolf's I., der, wie wir angegeben haben, noch in demselben Jahre am Leben war, ausgestellt sein muß. Diese vier Kinder hießen Ludolf IV., Adolf, Berthold und Adelheid (Dr. Kunze, Geschichte des Augustinerklosters Hamersleben S. 10; Meyer und Erhard, Zeitschrift I, S. 192). Daß die drei Knaben nicht aus der Ehe Adolf's I. mit der Adelheid, verwittweten Gräfin von Ratzeburg, entsprossen sind, scheint in den Worten der eben angezogenen Urkunde von 1224 zu liegen; denn es bekennt darin Adelheid, Gräfin von Ratzeburg, wie sie sich selbst nennt (Aleidis dei gratia comitissa de Ratisburch, nicht von Ravensberg, wie Kunze fehlerhaft schreibt, da sie nicht einen Grafen von Ravensberg heirathete, sondern erst ihre gleichnamige Tochter, wovon sogleich mehr gesagt werden soll), daß sie zehn Hufen Landes, acht Höfe und eine Wiese zu Hamersleben dem dortigen Pankrazstifte gegen eine Geldsumme verkauft habe, und zwar mit Einwilligung ihrer Erben Ludolf, Adolf und Berthold und ihrer Tochter Adelheid. Ihre Erben konnten aber nur Kinder aus der Ehe Adolf's I. von Dassel sein, da der Sohn Bernhard's II., Grafen von Ratzeburg, vor dem Vater starb und dadurch Adelheid gerade die Erbin wurde, weil andere Kinder aus ihrer ersten Ehe nicht vorhanden waren. Daß aber die drei namentlich aufgeführten Söhne nicht Kinder der Adelheid waren, sondern aus einer frühern Ehe des Grafen Adolf I. herrühren mußten, ist meines Erachtens durch die Worte Erben (heredes) ausgedrückt, vornämlich wegen des Zusatzes bei der Tochter (filia nostra), denn wenn es die eigenen Söhne der Adelheid gewesen wären, dann würde sie unbezweifelt statt Erben sich des Wortes Söhne (filiorum nostrorum) bedient haben, wie sie dies von ihrer Tochter Adelheid sagt. Dies als


1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. III.
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richtig vorausgesetzt, wird dadurch der Stammbaum des Dasselschen Geschlechts um drei Glieder vermehrt, die bisher als solche in denselben nicht aufgenommen worden sind. Daß nun Adolfs I. Frau Adelheid eine Schwester Ludolf's II. Grafen von Hallermund war, geht ganz deutlich aus einer Urkunde vom J. 1237 hervor (Kunze 11), nur kann im Originale, falls dasselbe noch vorhanden ist, nicht Comitissa de Ravesburch gestanden haben, es muß vielmehr de Racesburch heißen".

"Adelheid, das vierte Kind Adolf's I., wurde die zweite Gemahlin Ludwig's I., Grafen von Ravensberg (1217 † 15. Jan. 1249), erscheint als solche zuerst im J. 1244 und starb 1262, jedenfalls vor dem 30. October 1263."

Die Gemahlin des Grafen Adolf I., Adelheid, nannte sich während ihres ganzen Lebens, auch noch nach dem Tode ihres zweiten Gemahls, Gräfin von Ratzeburg, um, wie v. Kobbe a. a. O. S. 248 sagt, "Ansprüche zu bezeichnen, welche im staatsrechtlichen Verhältnisse einen verlorenen, aber nicht aufgegebenen Besitz andeuten", z. B. in einer besiegelten Urkunde 1 ), welche zwischen 1224 - 1240, vielleicht um das J. 1230, ausgestellt sein muß, und noch zuletzt in ihrem Testamente 2 ), durch welches sie ihrer Tochter ihre Erbgüter abtritt.

 

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1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. IV, und Nr. V.
2) Vgl. Urk.=Samml. Nr. VI.
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X.

Miscellen und Nachträge.


1.
Der Bischof Ragibrat von Meklenburg


I n den Jahrbüchern des deutschen Reichs unter der Herrschaft König und Kaiser Otto's III., 983 - 1002, von R. Wilmans, Berlin, 1840, wird Folgendes gesagt (S. 74): Bei der am 16. October 992 erfolgten Einweihung der Stephanskirche zu Halberstadt waren der Kaiser Otto und viele Große und Bischöfe Deutschlands gegenwärtig. "Die Chronik von Quedlinburg gedenkt außerdem noch Ragibrat's, des Bischofes von Meklenburg, und wir dürfen hieraus ohne Zweifel wohl entnehmen, daß, wenn die Landschaften an der Ostsee auch nicht die Oberhoheit des deutschen Reichs anerkannten, sie doch das Christenthum nicht so gänzlich zerstört hatten, als man aus den Berichten vom J. 983 vermuthen sollte." - Wilmans erläutert diese Darstellung in der Note 4 also: "Das Chron. Halberstad ap. Leibn. VI, 117, welches das Quedl. ausschreibt, hat Rembertus Nielemburgensis, die Ausgabe von Schatz p. 18 aber Mikalenburgensis und der Annal. Saxo: Racisburgensis; doch verdient das Quedl., offenbar in dieser Zeit abgefaßt, den Vorzug. Merkwürdig indessen bleibt es, daß Otto in einer Urkunde von diesem Jahre, wo er übereinstimmend mit dem Ouedl. alle um ihn versammelten Bischöfe aufzählt, seiner nicht erwähnt. Diese Urkunde ist zu Hildesheim den 15. März ausgestellt (nicht bei Böhmer), und Eichhorn Episc. Curiens. Prob. 32 glaubt mit Recht, daß statt März ein späterer Monat gesetzt werden müsse".

Ueber den Zug des Kaisers Otto III. durch Meklenburg im K. 995 vergleiche man den folgenden Abschnitt.


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2.
Ueber den Namen Meklenburg.


In den Jahrbüchern I., S. 174 ist zuerst über die Ableitung und die Form des Namens Meklenburg berichtet. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß diese Schreibweise die allein richtige und daß der Name aus hochd. michil. niedd. mikil= groß, und Burg zusammengesetzt sei, wie Lütgenburg aus niedd. lütge oder lütt=klein, und Burg u. s. w. Ich kenne andere Etymlogien , namentlich die, daß Miklenburg aus Mjuklat, nordische Form für Niclot, und Burg zusammengesetzt sei, also Niclotsburg bezeichne, wobei man denn einräumt, daß man auf einen frühern Niklot, als den letzten Wendenkönig, zurückgehen müsse. Bei dieser Etymologie bleibt dann aber immer noch das zweite, deutsche Wort Burg unberücksichtigt, welches doch ohne Zweifel deutsch ist. Das Wort Meklenburg ganz aus slavischen Wurzeln herzuleiten, wird also nie gelingen. In Jahrb. IX, S. 407, habe ich die Etymologie des erfahrnen posenschen Bischofs Boguphal († 1253) eingeführt, welcher die Herleitung vom Könige Mjuklat oder Miklo zuerst hat. Dieser hätte gerne Lust, die lateinische Uebersetzung des zweiten Wortes der Zusammensetzung: Magnopolis aus dem slavischen pole=Ebene, Feld, abzuleiten. - Alles Etymologisiren, wie jedes Forschen, nimmt aber ein beklagenswerthes Ende, wenn es nicht historisch getrieben wird. Es ist nicht meine Absicht, hier die Geschichte des Namens Meklenburg zu durchforschen; ich will nur ein schlagendes Beispiel dafür geben, daß der Name schon in der ältesten Zeit, im J. 995, urkundlich die hochdeutsche Form Michelenburg hatte, also zu einer Zeit, wo man sich der Worte noch ganz klar bewußt war. Wilmans sagt in den Jahrbüchern des deutschen Reiches unter Otto III. 983 - 1002, Berlin, 1840, S. 82: Der Zug gegen die Slaven wurde gegen Anfang Septembers ausgeführt; er galt vorzüglich den Obodriten und Velotabern. - - Otto verwüstete das Land, zerstörte die Städte und Burgen der Slaven und drang in diesen Gegenden so weit vor, wie kein anderer König seines Stammes. Den 10. September finden wir ihn in Michelenburg - -, den 3. October aber in der Gegend der heutigen Tollense und den 6. desselben Monats in Havelberg". Die Urkunden sind in Böhmer Regesta chron. dipl., Frankf.

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1831, Otto III., Nr. 750 d. d. Michelenburg (in Erath cod. dipl. Ouedlinb., Frankf. 1764), Nr. 751 d. d. in pago Tholensani (in Eccard historia geneal. principum Saxon. sup. Lips. 1722) und Nr. 753 d. d. Hauelinbergae (in Heydenreich Historie der Pfalzgrafen von Sachsen, Erfurt 1740) aufgeführt. Es leidet also keinen Zweifel, daß im J. 995 der Name Meklenburg hochdeutsch als Michelenburg=d. i. Großburg, verstanden ward, da der Kaiser Otto III. den Namen so auf der Burg schreiben ließ. Die Urkunde 1 ) theile ich im Anhange mit.

G. C. F Lisch.     

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3.
Das heilige Blut und dessen Capelle im Dome zu Schwerin.


Der Dom zu Schwerin besaß in einem in einen Jaspis eingeschlossenen Tropfen des heiligen Blutes Christi ein berühmtes Heiligthum, welches der Graf Heinrich I. von Schwerin auf seinem Kreuzzuge nach Jerusalem (1219 - 1222) hier von dem Cardinal=Legaten Pelagius geschenkt erhielt und nach seiner glücklichen Heimkehr am Grünen=Donnerstage 1222 der Domkirche zu Schwerin schenkte 2 ). Die Kirche aber besaß schon vorher ein besonderes Heiligthum: in einem Ablaßbriefe 3 ), welchen der Papst Honorius III. am 29. Junii 1220 auf Bitten des Grafen Heinrich von Schwerin, des tapfern Vertheidigers der römischen Kirche ("Romanae ecclesiae strenui defensoris"), dem Dome zu Schwerin schenkte, wird ausdrücklich gesagt, daß die junge Kirche zu Schwerin das "Sacrament Jesu Christi" besitze ("ecclesia Zwerinensis, noua plantacio, in qua sacramentum domini nostri Jhesu Christi pie creditur esse reconditum"). Das Datum dieses Ablaßbriefes ist durchaus gesichert; die Art und Weise, wie in demselben des Grafen Heinrich gedacht wird, scheint darauf hinzudeuten, daß dieser erst


1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. 1.
2) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 72 flgd. und Jahrb. XIII, S. 151.
3) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 65 flgd.
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auf seinem Kreuzzuge nach Palästina begriffen und auf dem Zuge nach dem heiligen Lande bei dem Papste gewesen war: denn sonst würde der Schenkung des heil. Blutes ohne Zweifel ausführlicher und bestimmter Erwähnung geschehen sein, wenn die Ablaßbulle nach der Rückkehr des Grafen von dem Kreuzzuge ausgestellt worden wäre. Es ward also schon vor der Darbringung des berühmten Heiligen=Blutes, welches der Graf Heinrich I. von seinem Kreuzzuge aus dem heiligen Lande mitbrachte, ein anderes Heil. Blut im Dome zu Schwerin aufbewahrt. Ich habe diese Ansicht schon in der Geschichte der heil. Bluts=Capelle in Jahrb. XIII, S. 151 - 152 (und in dem Separat=Abdrucke S. 11 - 12) ausgesprochen. Und diese Ansicht wird durch eine alte Nachricht bestätigt. In dem Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, Hannover 1838, VI, S. 653, beschreibt Lappenberg eine alte Handschrift der Bibliothek zu Wolfenbüttel, welche am Ende auch eine

Historia de duce Heinrico Leone et de Heinrico episcopo Lubecensi

enthält. Die 38 ersten Blätter, welche einige Heiligengeschichten enthalten, sind von älterer, vermuthlich der letzten Hälfte des 12. Jahrhunderts angehöriger, etwas erblaßter Schrift. Die Schrift der letzten 20 Blätter ist neuer, weniger reich an Abbreviaturen, mit einfachen rothen Ueberschriften und Anfangsbuchstaben.

Auf den letzten 7 1/2 Blättern steht die oben erwähnte Erzählung vom Herzoge Heinrich dem Löwen und vom lübecker Bischofe Heinrich. Dieser Aufsatz erweiset sich lediglich als ein wirklicher Auszug des letzten Capitels von Helmolds und von Arnolds von Lübek Chronik, so ferne sie die Reise des Herzogs nach dem gelobten Lande und die Lebensverhältnisse des Bischofes betreffen, mit den zu erwähnenden Zusätzen und einigen Urkunden. Der ganze Aufsatz bezweckt zunächst die Geschichte einer vom Herzoge Heinrich angeblich aus dem Morgenlande mitgebrachten Reliquie, dem heil. Blute Chsti. Zu Cap. 7, 8 und 9 ist ein Zusatz eingeschaltet, in welchem erzählt wird: der Herzog Heinrich der Löwe habe an die Stelle des auf dem Zuge nach dem gelobten Lande in seinem Gefolge gestorbenen Bischofs Conrad von Lübek den Abt zu St. Aegidii in Braunschweig wieder zum Bischofe verordnet und diesem und dem Grafen Guncelin von Schwerin sehr viele Geschenke gemacht; so habe er auch das heilige Blut Christi in zwei Theile getheilt und einen Theil dem einen, den andern Theil dem andern (Grafen Guncelin

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von Schwerin) mit nach Hause gegeben. Der Zusatz lautet wörtlich:

"Erantque in comitatu ducis prefati (Heinrici) ad duo milia hominum. - - Nec immemor beneficiorum, in locum Conradi episcopi, qui mortuus fuerat in via, dominum Henricum abbatem sancti Egidii in Brunswik episcopum instituit et promouit, donans ei et Guncelino comiti Suerinensi munera plurima: et sanguinem domini nostri Jhesu Christi, quem in duas particulas cum tremore et amore diuidens: partem uni et partem alteri tribuit, et ad terras proprias tantis muneribus honoratos et onustos remisit".

Es ist also hiernach keinem Zweifel unterworfen, daß sich schon seit dem 12. Jahrh. ein heiliges Blut, vor dem berühmten, im Dome zu Schwerin befand.

G. C. F. Lisch.     

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4.
Die Einweihung des Domes zu Schwerin


wird von Hederich in seiner Chronik von Schwerin auf den St. Vitus=Tag des J. 1248 gesetzt:

"1248. Weihet Wilhelm etc. . den Thumb zu Schwerin am tage Viti in Beyseyn 3 Bischöff Verden, Lübeck und Camin, und stifft zum ewigen Gedächtniß auf den Tag Viti ein Ablass".

Dies ist die bisher bekannte, älteste Quelle. Es ist jetzt jedoch in dem Rudloff'schen Nachlasse eine Urkunde vom 21. August 1249 1 ) entdeckt, in welcher der Einweihung unter den von Hederich angegebenen Umständen gedacht wird, indem der Bischof in derselben sagt, daß,

"als er unter Beistand der Bischöfe von Lübeck, Verden und Camin am Tage des H. Vitus die Kirche zu Schwerin geweihet habe, er zum Gedächtniß dieser Weihung dem Dom=Capitel den Zehnten von 11 Hufen in Robertsdorf geschenkt habe".


1) Vgl.=Samml. Nr.VII.
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Es möchte hiernach nicht nur wahrscheinlich sein, daß der Dom im J. 1249 geweihet sei, da der Bischof als von einer bekannten, vor noch nicht langer Zeit begangenen Feierlichkeit redet und vielleicht eine Andeutung hätte fallen lassen, wenn schon über ein Jahr verstrichen gewesen wäre. Es wäre daher möglich, daß die Angabe des J. 1248 ein Versehen von Hederich wäre, indem er in seinem Index die Erwählung des Bischofs Wilhelm richtig in das Jahr 1248 setzt und darauf alle Handlungen desselben ohne Angabe der Jahre aufführt. Der Bischof Wilhelm ward im J. 1248 gewählt. Am 16. Sept. 1248 datirt er eine Urkunde: "pontificatus nostri anno primo" 1 ). Die hier mitgetheilte Urkunde vom 21. August 1249 ist die letzte des Bischofs, die bekannt geworden ist, und wahrscheinlich ein Theil seines Testamentes.

Dennoch wird die Angabe Hederichs richtig sein, da auch in dem Visitationsprotocolle von 1625 gesagt wird:

"1248 hat Wilhelmus, der V. Bischof von Schwerin im ersten jahre seiner Regierung den Dom zu Schwerin am tage Viti eingeweihet".

Es ist also wahrscheinlich, daß der Bischof in der testamentarischen Urkunde vom 21. August 1249 nur eine frühere Bestimmung wiederholt.

Uebrigens gab auch nach Clandrian's Regesten der Urkunden des Bisthums im J. 1249 auch der Erzbischof von Cölln dem Dome einen Ablaß "für die, welche zum gebew der Kirche geben würden".

G. C. F. Lisch.     



1) Vgl Lisch Mekl. Urk. III, S. 96.
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5.
Der Dom zu Güstrow

und
die Heilige Cecilie


Das Dom=Collegiatstift zu Güstrow ist bekanntlich im J. 1226 gegründet und besonders der Heil. Cecilie geweihet ("ad honorem - - beate Cecilie virginis"), vielleicht die einzige Kirche im Lande, welcher dieser Heiligen geweihet war. Es liegt darin eine alte, tiefe Beziehung. Der Dom zu Güstrow war freilich späterhin eine zu dem Bisthume Camin gehörende Stiftung; bei der Gründung gehörte sie aber noch zum Bisthume Schwerin, wie denn der Dom vorzüglich auf Zureden des zweiten schweriner Bischofs Brunward ("de consilio Brunwardi episcopi Zverinensis") gegründet ward. Die Bischöfe von Schwerin standen nun in ältester Zeit fest zu den Grafen von Schwerin und mußten dies, wenn sie ihr Reich ausbreiten wollten. Die Grafen von Schwerin waren aber mit den weltlichen und geistlichen Würdenträgern jenseit der Elbe innig verbunden. Und so kam es, daß der Dom zu Güstrow unter dem Protectorate des uralten Bisthums Hildesheim, nach dem Muster desselben ("secundum ordinem ecclesie Hildesiensis" ) eingerichtet ward. Zu Hildesheim war damals ein schweriner Graf Friederich, Gunzelin's I. jüngster Sohn, Dompropst; er kommt als solcher 1220 - 1237 oft vor; im J. 1237 ward er nach dem Tode des Bischofs Brunward Bischof von Schwerin (vgl. Rudloff Meklenb. Gesch. I, S. 198, und II, S. 32); daher war auch wohl sein älterer Bruder, der berühmte Graf Heinrich I., bei der Stiftung des güstrower Domes gegenwärtig.

Die Heilige Cecilie aber war eine Hauptheilige des Domes zu Hildesheim seit der Stiftung des Dom=Capitels im J. 872. In einer alten hildesheimer Chronik heißt es:

"Ipse ( Altfridus quartus episcopus: 847 - 874) anno incarnationis domini 872 - - inchoatum Hildeneshem monasterium dei gratia consummavit et divinae maiestati in honore sancte Mariae sub tytulo sanctorum Cosmae et Damiani, Tyburtii et Valeriani et sancte vir-

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ginis Cecilie devotissime dedicavit kal. Novembris".
Chronicon Hildesheimense in Pertz Mon. IX, p. 851.

Noch heute steht ein altes silbernes Brustbild der Heiligen Cecilie, welches ihren Schädel einschließen soll, (heraldisch) rechts auf dem Hochaltare des Domes zu Hildesheim.

G. C. F. Lisch.     

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6.
Der H. Godehard in Kessin.


In Jahrb. VI, S. 70 flgd. ist ausgeführt, daß es einen wendischen Götzen Goderak gab, daß dieser in dem Orte Goderak, im Lande Rostock, verehrt und daß die Warnow früher auch Guderaksaa genannt ward, ferner daß der Heidenbekehrer Bischof Berno von Schwerin den Götzen stürzte, für den Götzen Goderak den Heiligen Godehard substituitte, für sich und seine Nachfolger den Ort Goderak geschenkt erhielt und denselben Godehardsdorf, jetzt Goorstorf, nannte. Von Wichtigkeit ist es nun, daß der Heil. Godehard noch sonst im Lande Rostock und zu Kessin von Bedeutung war. Die Kirche zu Kessin war dem H. Godehard geweihet. Der Herr Senator Dr. Mann theilt aus dem alten rostocker Stadtbuche von 1261 - 1270 ein Testament des rostocker Gärtners Johann Frese mit, welcher unter anderm auch dem H. Godehard zu Kessin 4 Schillinge vermacht:

"Johannes Friso ortulanus - - condidit testamentum suum - - et contulit: -- s. Elisabeth in Butzow XI 1/2 . sol. et b. Marie ibidem XI 1/2 sol;- - s. Paulo in Sywan I mr; - - ad s. Godehardum in Kezcin IIII sol; ad redimendam crucem in Riga X mr."

In der Kirche zu Kessin befindet sich noch eine ziemlich gute, große, hölzerne, geschmackvoll bemalte Bildsäule von ungefähr dreiviertel Lebensgröße, welche einen sitzenden Bischof darstellt, der in der rechten Hand einen Krummstab, auf dem

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linken Arme ein Kirchenmodell hält. Wahrscheinlich stellt sie den H. Godehard vor. Dem Anscheine nach stammt die Bildsäule aus dem 15. Jahrhundert.

Die Kirche hat übrigens nichts Ausgezeichnetes. Der quadratische Chor, ein guter Feldsteinbau, ein Gewölbe groß, welches mit einem großen Kreise geschlossen ist, stammt aus dem zweiten Viertheil des 13. Jahrhunderts und ist ganz gewöhnlich. Das nicht gewölbte Schiff, von zwei Gewölbelängen Größe, ist ein jüngeres Werk, ungefähr aus dem 15. Jahrhundert.

G. C. F. Lisch.     


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7.
Von dem Streite auf dem Jellande.


Der Streit auf dem Jellande (vgl. Jahrb. XVII, S. 118), in welchem der Herzog Erich von Sachsen=Lauenburg im J. 1358 während des schweriner Krieges einen bedeutenden Sieg über den Herzog Albrecht von Meklenburg gewann, ist bisher der Oertlichkeit nach ganz unbekannt gewesen. Ohne Zweifel ist, nach der Mittheilung des Herrn Dr. Techen zu Wismar, das Jelland die Insel Seeland, deren Name eigentlich Sjøland geschrieben, aber noch heute Jelland ausgesprochen und auch geschrieben wird, z. B. bei den Namen von Schiffen. Dies stimmt auch zu dem Verlaufe der Begebenheiten. Der Herzog Albrecht mußte den Grafen von Holstein in der Zeit vom Anfange August bis in den October 1358 gegen Dänemark (nach Fehmern, Seeland und Schonen) folgen; während der Zeit ward am 24. August 1358 Plau eingenommen und vier Wochen darnach gewann der Herzog Erich über den Herzog Albrecht die Schlacht auf dem Jellande, welches nach dem Verlaufe der Begebenheiten nur in Dänemark liegen kann. Die Ereignisse dieses Krieges sind noch sehr dunkel, jedoch werden die in den Jahrb. a. a. O. mitgetheilten Nachrichten dazu dienen können, dieselben bedeutend aufzuklären.

Die Form Jelland kommt sonst noch vor, z. B. in den Verhandlungen über den Krieg der Hansestädte gegen Dänemark in Folge der Cöllner Conföderation vom J. 1367. In dieser Cöllner Conföderation (vgl. Sartorius Urkundl. Geschichte des

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Ursprunges der deutschen Hanse, herausgegeben von Lappenberg II, S. 607) heißt es:

vnde de coggen vnde lude van den steden van de wendeschen siiden vnde van Prussen scholen mit erer ghantzen vlote mit alle den schepen, de dor den Oresund willen, rede wesen, uppe paschen neghest komende to zeghelende vp den Gheland, sik dar to vindende vnde to de vlothe van der Zudersee to zeghelende in den Oressund.

Hier ist offenbar auch nur Seeland zu verstehen: die holländischen Schiffe (aus der Südersee) sollen in den Sund (Oresund) kommen und die Schiffe der wendischen Hanse und von Preußen, also aus der Ostsee, sollen sich bei Seeland (Geland) versammeln, um sich mit den erst genannten Schiffen im Sunde zu vereinigen.

In dem Receß der Abgeordneten der Seestädte zu Rostock am 16. März 1368 (bei Lappenberg a. a. O. S. 620) heißt es:

Item quod quivis debet esse expeditus cum suis armatis in proximo festo pasce, sed omni semoto dubio dominica Quasimodogeniti supra Gelland debent esse congregati.

Es ward also noch einmal bestimmt, daß die Schiffe der wendischen Hanse am Sonntage Quasimodogeniti 1368 auf der Höhe (so muß hier das lateinische "supra" und vorher das plattdeutsche "up" erklärt werden) von Gelland, d. i. Seeland, versammelt sein sollten. Die Ausfertigung im rostocker Archive hat die Form "Gelland", eine kopenhagener Ausfertigung liest "Seland", welches hier zugleich als Erklärung dienen kann. Lappenberg bemerkt dazu, nicht mit Recht:

"Hafn. irrig Seland. Rost. hat de richtige Lesart, S. oben die Cölner Conföderation",

ohne jedoch die Form Gelland zu erklären.

Die Flotte hatte sich demgemäß auch um Ostern im Sunde vereinigt; vgl. Dittmer Geschichte des Krieges der See= oder Wendischen Städte mit Dänemark und Norwegen in Folge der Cöllner Conföderation vom J. 1367, Lübeck 1853, S. 24 und 26. Dittmer erklärt S. 24 den Gelland für einen Ort "bei der Insel Rügen" und versteht darunter ohne Zweifel die schmale und ungünstig gelegene Meerenge Gellen oder Jellen zwischen Festland und Insel Rügen bei Stralsund, welche aber sicher nicht gemeint sein kann, da wohl keine ungünstiger und unbequemer gelegene Stelle hätte ausgesucht werden können, als diese.

G. C. F. Lisch.     


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8.
Ueber die Burg Davermoor.

(Nachtrag zu Jahrbüchern XV, S. 63 flgd.)


In Jahrb. XV, S. 63 flgd., ist durch Urkunden vom 13. bis 16. Jahrhundert nachgewiesen, daß das früher den Preen zuständige Gut Davermoor bei Gr. Brütz, welches den v. Halberstadt gehörte, lag und das Gut sei, welches jetzt Gottesgabe heißt. In der meklenburgischen Zeitung, 1851, Nr. 180, Beilage, ist zwar aus unbegründeten, neuern Sagen Zweifel dagegen erhoben; aber die Urkunden reden zu bestimmt, als daß solche Sagen von irgend einem Gewicht sein könnten. Da aber der Name der Burg selten vorkommt, so theile ich hier nachträglich noch eine später aufgefundene Urkunde 1 ) mit, welche den Namen der Burg wiederum bestätigt und Schlüsse auf die Sage derselben gestattet. Am 13. Januar 1357 verschrieb nämlich der Graf Otto von Schwerin seinem Marschall und Burgmann Henning Halberstadt (ohne Zweifel auf Brüsewitz) für eine Schuld von 125 Mark lüb. Pfen. die Beden aus folgenden in der Grafschaft Schwerin nicht weit von Brüsewitz gelegenen Dörfern: Rüting, Schönfeld, Gr. Eixen, Wendisch=Brüsewitz, Wendisch=Grambow, Davermur, (aus 4 Hufen in) Gr. Rogahn und Gr. Trebbow, zur Erhebung bis zur Tilgung der Schuld,

G. C. F. Lisch.     


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9.
Ueber das Dorf Zweendorf

oder
Wozezekendorf und Albertsdorf.


Wie sich einer an sich interessanten, wenn auch scheinbar geringfügigen Sache fortwährend merkwürdige Eigenthümlichkeiten ablauschen lassen, so auch den in der Ueberschrift genannten Namen. In Jahrb. V, S. 70 flgd., ist die Geschichte dieser Namen ausführlich behandelt.


1) Vgl. Urk.=Samml. Nr. XVIII.
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Die Dörfer gehörten in der ältesten Zeit unserer Geschichte, in der ersten Hälfte des 13. Jahrh., einem Ritter Albert vom Buge. Nach diesem hieß:

Albertsdorf der Ritterhof, und
Wozezekendorf das dazu gehörende Bauerdorf;
Zweendorf oder To den twen dorpen wurden
beide Güter zusammen genannt,

nachdem beide an das Kloster Doberan gekommen waren.

Als dieses Kloster im J. 1257 das Gut Albertsdorf gekauft hatte, ward beschlossen:

Albertsdorf in
Abtsdorf (villa abbatis) umzutaufen,

aber dieser Name erhielt nie allgemeinen Eingang; jedoch kommt in den Klosterrechnungen häufig die Form:

Wo=Absdorf (= zu dem Abtsdorf)

mit der wendischen Präposition Wo= (= zu) vor.

Nun scheint die Entdeckung 1 ) von großem Interesse zu sein, daß Albertsdorf und Wozezekendorf derselbe Name sind. Der polnische heilige Albert, ein geborner Böhme, zuletzt Erzbischof von Gnesen (995), hieß nämlich zuerst Woiciech. Seitdem ist in den slavischen Ländern der Name Woiciech (auch abgekürzt Woytech) für Albert allgemein und der heil. Albert heißt noch heute in Polen: Swente Woiciech.

Nimmt man nun an, daß sich diese Uebersetzung des Namens schon früh über alle slavischen Länder verbreitete, so mag es nicht unwahrscheinlich sein, daß Wozezekendorf oder Wozezkdorf nichts als eine wendische Uebersetzung des deutschen Namens Albertsdorf ist und daß der Ritterhof einen deutschen, das Bauerdorf einen wendischen Namen von gleicher Bedeutung erhielt.

Die erklärende Nachricht steht in Dlugossi Historia Poloniae I, p. 106.

981. Primo episcopo Pragense Dithmaro mortuo, Adalbertus, Bohemus natione et lingua, de nobilibus parentibus ortus (pater eius Slawnik, mater eius Strzezistawa), in Pragensem episcopum acclamatione cleri et populi electus est. - - Hic in baptismo nomen Bohemicum Woiciech, quod significat exercituum consolator, acceperat; sed episcopus Maideburgensis, apud quem exegerat adolescentiam, eum Adalbertum difficultale expressionis originarii nominis motus cognominat.


1) Nach gütiger Mittheilung Sr. Excellenz des Herrn Barons v. Maltzan auf Duchnow etc. . in Polen, zu Weistrup.
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Der Name Wozezekendorf ward übrigens schon früh abgekürzt, indem, wie häufig, die erste Sylbe Wo= abgeworfen ward, während man dieselbe Sylbe, freilich in anderer Bedeutung, dem Namen Abtsdorf vorsetzte. In einer im wismarschen Stadtbuche enthaltenen Urkunde vom J. 1369 (feria III. post Johannis baptiste) werden als Bürgen einer Verschreibung für die Kirche zu Russow unter Andern genannt: "Hermannus de Ortzen de Roggow, Hintzeke Mathei de Russow, Johannes Smale de Tzetzekendorp, Antonius Vten, Conradus Vten de Tzetzekendorp etc."; als Vorsteher der Kirche zu Russow werden genannt: "Hintzeke Mathei, Johannes Smale de Tzeetzekendorp, Johannes Burmester de Alberstorpe".

G. C. F. Lisch.     


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10.
Der Verfasser des Reineke Vos

ist seit der Eröffnung neuer Quellen in meiner ältern Geschichte der Buchdruckerkunst in Meklenburg (in den Jahrbüchern Bd. IV.) wiederholt Gegenstand kritischer Forschungen gewesen. Ich habe a. a. O. S. 204 das Augenmerk auf den von mir entdeckten rostocker Stadtschreiber Hermann Barckhusen, als möglichen Verfasser des Werkes, zu lenken gesucht. In den Jahrbüchern XVIII, 1853, S. 178, hat F. Boll nachgewiesen, daß die protestantische Glosse der ersten in Rostock erschienenen Ausgabe von 1539 nicht von Nicolaus Baumann sein könne, daß vielmehr H. Barckhusen "an der Herausgabe des plattdeutschen Reineke betheiligt gewesen" sein dürfte. Ganz zu demselben Resultate, und gleichzeitig mit Boll, jedoch ganz unabhängig von diesem, gelangt F. Zarncke in seiner scharfsinnigen Abhandlung "Zur Frage nach dem Verfasser des Reineke" in Moriz Haupt's Zeitschrift für deutsches Alterthum, IX, 2, 1853, S. 374 - 388, in welcher er S. 386 annehmen zu müssen glaubt, daß Nicolaus Baumann seinen Theil an der Herausgabe des plattdeutschen Reineke haben könne, daß dagegen "am einfachsten alle Thatsachen und Verhältnisse stimmen, wenn wir Hermann Barckhusen, den als niederdeutschen Uebersetzer bekannten Drucker einer alten Ausgabe des Reineke, vielleicht der princeps desselben, auch für den niederdeutschen Bearbeiter desselben halten dürfen".

G. C. F. Lisch.     


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11.

Des meklenburgischen Canzlers

Heinrich Husan Urtheil über die Polen

aus dem Jahre 1573,

mitgetheilt

von

G. C. F. Lisch.


Auszug eines Schreibens des meklenburgischen Canzlers Dr. Heinrich Husan an den Herzog Johann Albrecht I. von Meklenburg.

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Der Turcke, der Bapst vnd Gaistlichen in Polen haben mit ihrem intercediren vnd votieren durchgedrungen vnd erhalten, das der Hertzogk von Anjou aus nechstvorgangene Pfingsten zum Könige gewehlet worden. Weil nun beide Antichristen vber solcher wahl conspiriert, so haben E. F. G. vornunftiglich zu ermessen, was vor frucht daraus erfolgen werden, vnd ist wol zu glauben, das der Periodus mit dem Kunigkreich Polen herumb vnd aus sey vnd die vilfeltigen sünde der Polen auf einmahl gestraft werden sollen.

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Datum Sontags nach Trinitatis, Wittenbergk, Anno etc. . 73.

Heinrich Husanus D.     

 

Vignette
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XI.

Urkunden - Sammlung,

von

G. C. F. Lisch .


Nr. I.

Der Kaiser Otto III. schenkt seinem Kämmerer Thiezo das Dorf Poztrigami im Burgwart Bibrizi.

D. d. Meklenburg 995, Sept. 10.


In nomine sanctae et individuae trinitatis. Otto divina fauento clementia Rex. Omnium fidelium nostrorum, tam praesentium, quam futurorum, piae deuotioni pateat, quomodo nos ob petitionem et interuentum fidelium nostrorum dedimus Tiezoni, nostro camerario, villam unam Poztrigami dictam, in burgwardio Bibrizi et in comitatu Sigiberti comitis sitam, atque eandem villam cum omnibus pertinentiis suis, hoc est areis, aedificiis, terris cultis et incultis, agris, pratis, campis, pascuis, venationibus, aquis aquarumue decursibus, piscationibus, viis et inuiis, exitibus et reditibus, quaesitis et inquirendis, cunctisque aliis appendiciis, quae adhuc dici, inueniri aut nominari possunt, ei in proprium tradidimus, ea videlicet rationo, ut idem iam dictus Tiezo noster camerarius de praefata villa sibi a nobis tradita liberam dehinc faciendi,

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quid velit, potestatem habeat, seu eam tradere, vel commutare aut vendere, seu magis sibimet retinere voluerit. Et ut haec nostra traditio firma et inconuulsa permaneat, hoc praeceptum inde conscriptum sigilli nostri impressione signari iussimus manuque propria, ut infra videtur, corroborauimus.

Signum Domni Ottonis Gloriosissimi Regis.
Hildibaldus Episcopus et Cancellarius vice Willegisi
Archiepiscopi Recognovi.

Dat. IIII. Id. Sept. Anno Domin. incarnat. DCCCCXCV.

Indict. VIII. Anno autem tertii Ottonis regnantis nono. Actum Michelenburg.

"Ex schedis Leibnitianis", gedruckt in Erath cod. diplom. Quedlinburg., Frankfurt 1764, p. 26.


Nr. II.

Das Dom - Capitel zu Ratzeburg verkauft wegen zu grosser Entfernung dem Kloster Ebstorf seine Güter in Baven mit dem Walde, mit allem Rechte, welches wailand Heinrich von Badewide und seine Nachfolger daran gehabt haben.

D. d. Ratzeburg (1210).

Nach dem Originale im Archive des Klosters Ebstorf.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Ego Heinricus prepositus ecclesie beate Marie in Raceburch et conuentus eiusdem loci notum facimus tam futuris, quam presentibus, quod bona ecclesie nostre in Bauen sita ecclesie in Ebbekestorp propter locorum distantiam cum silua adiacente pro quadraginta marcis argenti vendidimus cum omni iure, quod Heinricus de Bodewede felicis memorie et sui successores in eisdem bonis habuerunt. Igitur ut predicta ecclesia in Ebbekestorp predicta bona inconcussa possideat, presentem ei indulsimus paginam sigillo nostre ecclesie roboratam.

Nach dem von mir im J. 1851 durch Beförderung Sr. Excellenz des Herrn Landschafts - Directors v. Hodenberg zu Lüneburg abgeschriebenen Originale, auf Pergament, in einer alten, kräftigen,

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schönen Minuskel, die Eingangsformel mit verlängerten Buchstaben (aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts).
An einer Schnur von grüner Seide hängt das erste ratzeburger Capitelsiegel (?): ein grosses, rundes Siegel, in dessen leerem Felde eine Maria sitzt, welche mit der rechten Hand das Christkind auf dem Schoosse, mit der ausgestreckten linken eine Lilie hält; die Umschrift ist grössten Theils abgestossen:

Umschrift
Siegel

Dieses Siegel ist ein anderes, also ein noch älteres Siegel, als das bisher bekannte ältere Siegel des Dom - Capitels von Ratzeburg (vgl. Masch Gesch. des Bisth. Ratzeburg S. 704). Ausser der ganzen Darstellung unterscheidet sich dieses älteste Siegel von dem älteren bestimmt dadurch, dass es im Anfange der stark beschädigten Umschrift Inschriftskreuz S ein verkehrtes S hat.

Auf der Rückseite der Urkunde steht von einer Hand des 13. Jahrh.:

De silua Bauen.

Ein Propst Heinrich kommt im 13. Jahrh. vor: unter dem Bischofe Philipp 1204 - 1215 und unter dem Bischofe Conrad 1284 - 1291 (vgl. Masch Bisth. Ratzeb. S. 113 und 193). Wahrscheinlich fällt diese Urkunde in die Zeit des ersten Heinrich.

Baven ist ein noch vorhandenes Dorf im Fürstenthume Lüneburg.

Im J. 1264, XVI. Kal. Febr., verleiht der Bischof Gerhard von Verden dem Kloster Ebstorf das Eigenthum der Zehnten in Bavene (vgl. Sammlung Ungedruckter Urkunden zur Niedersächsischen Geschichte, 1749, Stück I, S. 13).

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Von Besitzungen des Bisthums Ratzeburg in Baven ist bisher noch nichts bekannt gewesen.

Die Zeichnung des Siegels, welches ich selbst nach dem Originale studirt habe, ist ein Geschenk des Herrn Directors Volger zu Lüneburg.

G. C. F. Lisch.     


Nr. III.

Die Gräfin Adelheid von Ratzeburg verhauft zehn Hufen, acht Höfe und eine Wiese zu Hamersleben dem Stifte S. Pancratii daselbst.

D. d. 1224.

Alte Abschrift im königl. preuss. Provinzial - Archive zu Magdeburg.


Alheidis dei gratia comitissa de Ratisburch Christifidelibus vniuersis tam presentibus, quam futuris eternam in vero salutari salutem. Quanto temporis malicia existit euidentius, quanto pauperes opprimuntur, cum violencia fortius inualescit, tanto magis necessario quiritur et oportet, vt ea, que ad subsidia necessitatis Deo famulancium sacris ecclesiis deputantur, siue donationis, siue emptionis titulo transeant ad easdem, ordinatissime et diligentissime tam modernis, quam posteris nota fiant, vt auferatur modernis occasio reclamandi et nihilominus calumpniandi materia posteris subtrahatur. Hinc est quod vera protestacione recognoscimus et fatemur, quod nos decem mansos proprietatis nostre et octo areas atque pratum sita in Hamersleue cum omni vtilitate presenti pariter et futura et specialiter cum iure aduocatie, quod nobis in predictis bonis libere tunc vacabat, Deo et beato Pancratio ad vsus fratrum, qui in Hamersleue domino famulantur, iusto vendicionis titulo vendidimus, accedente vendicioni nostre voluntate pariter et consensu expresso heredum nostrorum Ludolphi, Adolphi et Bertoldi et filie nostre Adelheydis. Et pro quolibet manso recepimus decem et septem marcas communis argenti, quas nobis integre recognoscimus persolutas. Insuper promisimus et tenemur hanc venditionis nostre seriem, vbicunque et quandocunque fuerit oportunum, in iudicio siue extra iudicium firmiter et simpliciter confiteri et ipsam ecclesiam, vt eadem

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bona cum omni iure et aduocatia quiete possideat, pro posse et viribus fideliter adiuuare tam per nos, quam per heredes nostros, quam eciam per consanguineos nostros et amicos. Ut igitur autem huius rei veritas luce clarius ad omnium noticiam deferatur, presens priuilegium conscribi fecimus et ad euidenciam ueritatis sigilli nostri munimine roborari. Huius rei testes sunt: Otto prepositus in Schenigge, Bernaldus prepositus in Niendorp, Bernardus prepositus in Suderborch, Gerhardus capellanus episcopi Merseburgensis, Herbordus de Nenstede; milites: Guncelinus de Berwinkele, Richardus de Sehusen, Conradus de Hamersleue senior et Conradus iunior, Conradus Nagel, Theodericus de Ottenleue. Actum anno gracie milesimo ducentesimo vicesimo quarto, Indictione (XII ?).

Aus dem königl. preuss. Provinzial - Archive zu Magdeburg, ex libro rubro monast. s. Pancratii in Hamersleue, conscripto ao. 1546, durch Herrn Archivar Stock mitgetheilt in der Zeitschrift des Vereins für westphäl. Geschichte, 1, 2, 1838, S. 191. Dessen Versicherung zufolge ist das Original der Urkunde im Archive nicht vorhanden. Einen Auszug derselben hat Kunze, Geschichte des Augustiner Klosters Hamersleben, Quedlinburg, 1835, S. 10 u. 11.


Nr. IV.

Die Gräfin Adelheid von Ratzeburg verkauf unter Einwilligung ihrer Söhne dem Kloster Riddagshusen eine Hufe von ihrem Erbtheil in Hedebere,

[um 1230].

Original im herzogl. Braunschweig. Laniles - Haupt - Archive zu Wolfenbüttel.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Aleythis comitissa de Raceburch omnibus presens scriptum inspicientibus. Ex processu temporis labitur, quod humana disponit ratio, nisi testibus et litteris confirmetur. Nouerint vniuersi et singuli presentem paginam inspecturi, quod nos de consensu filiorum nostrorum et heredum mansum vnum de nostro patrimonio in Hathebere claustro in Riddageshusen et fratribus

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pro XIII marcis et dimidia uendidimus perpetuo possidendum. Ne igitur factum nostrum aliqua obliuio deleat uel posteritas infringat, presentem paginam sigilli nostri munimine fecimus roborari. Testes huius facti sunt: Henricus sacerdos de Dasle, Richardus de Sehosen, Thidericus de Listungen, Fredericus.

Aus dem Codex Riddageshusensi sec. XIV im königl. preuss. Geh. Staats- und Cabinets - Archive zu Berlin, mitgetheilt von dem Herrn Geh. Archivrath Höfer zu Berlin. Die in diesem Codex enthaltenen 14 Urkunden über Hedebere von 1221 bis 1305 stehen in chronologischer Folge; die vorstehende Urkunde steht zwischen 1277 und 1282.

Da der Graf Ludolf von Dassel, der Stiefsohn der Gräfin Adelheid, im J. 1241 nicht mehr am Leben war, so ist diese Urkunde sicher vor dem J. 1240 ausgestellt, da die beiden Söhne der Gräfin, Ludolf und Adolf, in der folgenden Urkunde zugleich ihre Zustimmung zu diesem Verkaufe geben. Da nun der Graf Adolf I., der Gemahl der Gräfin Adelheid, im J. 1224 starb, so muss diese Urkunde zwischen 1224 - 1240 ausgestellt worden sein.

Das Original wird im herzogl. braunschweigischen Archive zu Wolfenbüttel aufbewahrt. Der Herr Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel, welcher den vorstehenden Text mit dem Originale verglichen hat, bemerkt dabei:

Die Urkunde ist auf einem sehr kleinen Pergament, in Minuskel, die Eingangsformel mit verlängerter Schrift geschrieben. An dem pergamentenen Siegelbande hängt das Siegel der Grafin, welches zwar sehr beschädigt ist, jedoch erkennt man, dass das Siegelbild, von welchem Hals und Kopf fehlen, eine "aufrecht stehende weibliche Gestalt in einem faltenreichen, mit Sternen besetzten und umgebenen Gewande" darstellt.


Nr. V.

Die Grafen Ludolf IV. und Adolf von Dassel geben ihre Einwilligung zu dem von ihre Mutter Adelheid ausgeführten Verkaufe einer Hufe in Hedebere an das Kloster Riddagshusen.

[um 1230].

Original im herzogl. braunschweigischen Landes - Haupt - Archive zu Wolfenbüttel.


Vniuersis Christi fidelibus presentem litteram inspecturis Ludolfus et Adolfus dei gratia comites de Dasle salutem in perpetuum. Nouerint tam presentis,

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quam futuri temporis fideles, quod mater nostra mansum vnum situm in Hedeberge uendidit ecclesie in Riddageshusen perpetuo pacifice possidendum. Huic uendicioni assensum praebuimus, et vt recta in perpetuum et firma permaneat, presentem paginam sigilli nostri attestatione fecimus communiri. Huius rei testes sunt: comes Adolfus, Conradus de Soleke, Hermannus de Dasle, Conradus Coperperth, Sigehardus de Edessen.

Nach dem Originale im herzogl. braunschweigischen Landes- Haupt- Archive zu Wolfenbüttel, auf einem kleinen Pergament, in einer sehr kräftigen Minuskel geschrieben, mitgetheilt von dem Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel. Das Siegelband ist von Pergament; das Siegel fehlt.


Nr. VI.

Die Gräfin Adelheid von Ratzeburg übergiebt ihrer Tochter Adelheid, vermählten Gräfin von Ravensberg, die zeitlichen Güter, welche sie bisher zu Eigenthumsrecht besessen.

D. d. Hoya 1244, Mai 6.

Original im königl. preussischen Geheimen Staats- und Cabinets-Archive zu Berlin.


In nomine domini Amen. Alheithis dei gratia dicta cometissa de Raceburgh omnibus hoc scriptum inspecturis salutem in dominorum domino Jesu Christo. Vt acta legitima in suo valeant vigore persistere, necesse est ea litterarum ac testium robore solidari. Hinc est quod ego prenominata A. maritali iamdudum auxilio viduata presenti scripto protestor, bona mea temporalia, que hactenus iure proprietatis possedi, dilecte filie mee Alheithi comitisse de Rauensberch libere et integraliter materno affectu contuli iure proprietatis in perpetuum possidenda, quorum nomina pro parte subdistinguo: curia Oldenthorpe, curia Thedekessen, due curie Bennenhusen, proprietatem Henethen cum curia Dunchem, Hottenhem et Stemne, quicquid etiam proprietatis in partibus orientalibus possedi, similiter superaddo. Testium vero nomina, in quorum presentia hec facta sunt, hec sunt: comes Hinricus de Hoya, Hinricus

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et Ludolfus fratres de Brochusen, dominus Wluerus de Rothen; reliquorum militum nomina sunt hec: Gerhart de Quernhem, Lutbertus de Thehem, Gerhart de Rubo, Reinbert de Mothehorst, Rolf dictus Clauus, Reinhart gograuius, Herebort pincerna, Brun de Relinchusen, Jacob de Nemore, Segebant, Arnold Rorlehake, Thideric Klenkoc, Rodolfus, Guntherus et duo filii sui, Bernhardus et alii plures. Vt igitur omnis malignatio seu inuidiosa supplantatio futurorum penitus excludatur, presentem cedulam sigilli mei munimine duxi roborandam. Acta sunt hec anno domini MCCXLIIII, die Johannis ante portam latinam, loco Hoya.

Nach dem Abdruck in Lamey diplomatischer Geschichte der alten Grafen von Ravensberg, Cod. dipl., p. 33, Nr. XXIX, und darnach in v. Kobbe Gesch. von Lauenburg, I, S. 248. Im Auszuge gedruckt in der Zeitschrift für westphälische Geschichte, I, S. 180.

Das Original mit dem wohl erhaltenen Siegel der Gräfin Adelheid wird im königl. preuss. Geh. Staats- und Cabinets- Archive zu Berlin aufbewahrt. Nach der Mittheilung des Herrn Geh. Archivraths Höfer ist das Siegel von parabolischer Form und hat folgende Darstellung: in dem mit Blumen gezierten Siegelfelde ist eine ganze weibliche Figur in faltenreichem Gewande stehend dargestellt, welche in der rechten Hand einen Blumenstengel hält und die linke auf dem Leibe ruhen lässt. Von einem Wappenschilde oder sonstigen Zeichen ist keine Spur auf dem Siegel. Die Umschrift lautet, in Unzialen:

Sigillum comitisse Adelheidis de
Racesbugrh

mit dieser Versetzung der Buchstaben Racesbugrh, statt Racesburgh.

Herr Höfer bemerkt auch, dass im Text der Urkunde Stemne, statt Stemme bei Lamey u. a., zu lesen sei.


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Nr. VII.

Der Bischof Wilhelm von Schwerin, welcher zum Andenken der Weihung des Domes zu Schwerin zum Besten der Domherren eine Gedächtnissfeier mit den Zehnten aus 11 Hufen in Robertstorf gestiftet hat, gründet testamentarisch von den Einkünften der bischöflichen Tafel eine Präbende aus den Dörfern Stove, Kartlow und Wodorf.

D. d. Warin 1249, Aug. 21.

Aus der Rudloff'schen Urkunden - Samml. im Archive zu Schwerin.


In nomine sancte et indiuidue trinitatis. Wilhelmus dei gracia Zwerinensis episcopus [omnibus Christi fidelibus salutem in domino. Nouerint vniuersi,] quod cum assistentibus nobis venerabilibus dominis Lubicense, Verdense, Caminense episcopis in die S. Viti Zwerinensem dedicaremus ecclesiam, in memoriam prime (nostre?) dedicationis [ex mandato Henrici fundatoris], - - - assignavimus decimam [XI] mansorum in [Robertes]thorp, [ita ut de dimidia canonicis seruicium procuretur, de reliqua uero parte decimarum noster anniuersarius sollempniter agetur Ceterum] - - - - de redditibus mense nostre prebendam ordinamus, XVI choros annone: IIII siliginis, IIII ordei, VIII auene, que scilicet annona dabitur de hiis villis: S[t]ove, Cartlowe et Wodarghe. - - - Testes hii aderant: clerici: Rudolphus prepositus, Wernerus decanus, Nycolaus scolasticus, Johannes de Wittenborg, Engelbertus de Cobandin, Theodericus capellanus noster, canonici Zwerinenses; laici: Hinricus de Zernyn, Godefridus de T[ribbow]e, Thidericus Z[oy]e, Johannes phisicus et alii quam plures. Datum et actum in Waryn anno domini M. CC. XLIX, XII kalend. Septembris.

Nach einer Abschrift in der im J. 1851 ervorbenen Rudloffschen Urkunden - Sammlung im grossherzogl. meklenburg. Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.

Diese Urkunde, deren Abschrift wahrscheinlich aus Kopenhagen und aus dem v. Negendank'schen Nachlasse stammt, ist sehr wichtig, da in derselben die Einweihung des Domes zu Schwerin ausgesprochen wird, über welche bisher nur Urkunden -

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regesten bekannt waren; vgl. Lisch Meklenb. Urk. III, S. 93, und Jahrb. XIII, S. 150.

Leider ist auch die Rudloff'sche Abschrift nicht vollständig, indem überall die unwesentlichen Stellen ausgelassen sind; jedoch enthält sie das historisch Wichtige wörtlich.

Es sind jedoch noch andere Nachrichten über diese Urkunde aufbewahrt. Wichtig ist der Auszug in Dan. Clandrian's Protocol der auss den Schwerinschen Stiffts - Brieffen gemachten Extracten, 1603, fol. 76 b:

"Wilhelmus Bischoff zu Zwerin gibt von dem einkommen seines Bischofflichen Tisches den Zehenden von eilff Hufen zu Robertesthorp, dauon den Canonicis die helffte zum dienste gegeben werden soll vnd von der andern helffte seine Jarbegengnuss bestellet werden. Ordnet auch eine präbende von 16 Dr. korns, alss 4 Dr. Rogken, 4 Dr. garsten, 8 Dr. Habern auss den Dorffern Stoue, Cartlow, Wodarge. Acta sunt haec in Warin 1249, 32 kal. Septembris."

Aus dieser gewiss genauen Regeste und nach einer ähnlichen Urkunde des Bischofs Wilhelm vom 3. Sept. 1248 in Lisch Mekl. Urk. II, S. 26 flgd., ist die vorstehende Urkunde an den Stellen [ ] durch Conjectur ergänzt, um Zusammenhang in dieselbe zu bringen.

Auch der Archivar Chemnitz hat diese Urkunde noch gekannt, indem er sagt:

"Im selbigen Jahre 1248 am Tage Viti hat Wilhelmus der fünfte Bischof zu Schwerin im ersten Jahr seiner Regierung die Thumkirche daselbst im Beisein der dreien Bischöfe zu Verden, Lübek und Camin zum ersten geweihet und zum Gedächtniss der Weihung von dem zum bischöflichen Tische gehörenden Einkommen den Zehnten von 11 Hufen im Dorfe Robertstorf zu einer ewig währenden Präbende gegeben".

Diese Nachricht ist schon viel unbestimmter und vermengt die beiden verschiedenen Stiftungen des Bischofs.

Darin stimmen jedoch beide mit der Urkunde überein, dass der Bischof eine Stiftung aus den Zehnten

"von 11 Hufen des Dorfes Robertstorf"

machte, während in der Rudloff'schen Abschrift fälschlich steht:

"decimam VI mansorum in Rebstorp" ,

wo offenbar VI statt XI, und Rebstorp statt rob'storp (Roberstorf) fälschlich gelesen ist.

Auch der schweriner Rector Bernh. Hederich führt in seinem Index annalium ecclesiae sive episcopatus sverinensis (aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts): in dem "Vicariarum et praebendarum numerus" eine Präbende "ex Sclone, Karthow et Wodarghe 97 b" auf, offenbar falsch statt Stoue, und Kartlow gelesen.

Auch in der Rudloff'schen Abschrift steht fälschlich: Sclove, statt Stove .

Ueber den historischen Inhalt der Urkunde, so wie überhaupt über den Bischof Wilhelm berichtet Hederich in seinem Index Folgendes:

"Wilhelmus episcopus Suerinensis eligitur anno 1248, fol. 87 a.

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Praepositum habet Rodolphum, decanum Wernerum. ibid et. 97 b",

(die vorstehende Urkunde).

"Transigit cum Tessemaro milite ob decimas in Tesmestorp, 129 b",

(d. 21. März 1249 in Lisch Meklenb. Urk. III, S. 96).

"Cum Adamo Noui Claustri preposito ob 200 mr. mutuo datas antecessori Theoderico et duos mansos in Moytin, 87 a",

(d. 3. Sept.1248 in Lisch Meklenb. Urk. II, S. 26 flgd.).

"Templum Suerinense primus consecrat in die s. Viti, 97 b, in memoriem primae dedicationis ex mandato Henrici fundatoris, 78 b, seruitium instituit et testamento confirmat, ibid., et praebendam de reditibus mensae suae fundat, 3 b, 97 b".

Es ist von Hederich augenscheinlich vorzüglich immer die vorstehende Urkunde berücksichtigt, welche wohl ein Theil des Testamentes des Bischofs Wilhelm war.

Auch sagt Hederich in seiner Schwerinschen Chronik:

"1248 Weihet Wilhelm etc. den Thumb zu Schwerin am Tage Viti in Beyseyn 3 Bischöff Verden, Lübek und Camin, und stifft zum ewigen Gedächtniss auf den Tag Viti einen Ablass".

Die weltlichen Zeugen sind in der Rudloff'schen Abschrift fast alle verschrieben:

Godfride de Thue, statt: Godefridus de Tribowe

                          ibowe

Thidericus Zyge, statt: Thidericus Zoye,
Johannes philicus, statt: Johannes phisicus.

Die beiden ersten sind aus andern gleichzeitigen Urkunden (z. B. in Lisch Meklenb. Urk. II, S. 28, und III, S. 93 und 96, vgl. Schröder P. M. I, S. 631, und Fabricius Urk. des Fürstenth. Rügen, II, Urkunden, S. 26) restituirt.

Der "magister Johannes phisicus", wohl der bischöfliche Leibarzt, kommt früher öfter vor, z. B. am 21. Mai 1236 beim Bischofe Brunward in Lisch Meklenb. Urk. II, S. 18.


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Nr. VIII.

Der Fürst Borwin von Rostock bezeugt, dass der Bürger Bernhard Schele zu Ribnitz diejenigen Güter des Klosters Bersenbrück bei Osnabrück, welche er in Anspruch genommen, nach rechtlicher Entscheidung diesem Kloster abgetreten kabe.

D. d. Ribnitz 1252, Sept. 25.

Nach einer Abschrift aus den Urkunden des Klosters Bersenbrück.


Borwinus dei gratia dominus in Rothstocke omnibus fidelibus Christi, quibus praesens scriptum fuerit exhibitum, salutem in auctore salutis. Quia rex regum et dominus dominantium nos ad hoc in terris nostris exaltavit, ut pacem et concordiam inter discordantes reformare debeamus, constare desideramus universitati fidelium, quod bona venerabilis monasterii in Bersenbrugge, ordinis Cysterciensis, quae Bernardus Luscus, civis in Ribeniz, impetiit, praepositus eiusdem ecclesiae coram nobis, sicut iuris dedit sententia, obtinuit et idem Bernardus in manus nostras sub sacramento baptismatis et fide sua, quam deo vovit, se obligavit, ut nec ipse, nec aliquis heredum vel successorum suorum praefatam ecclesiam molestare praesumat. Vt autem haec rata maneant et illibata, praesentem paginam conscribi fecimus et sigillo nostro muniri. Acta sunt haec coram nobis, praesentibus consulibus et scabinis, in ecclesia nostra Ribeniz, anno domini M° CC° L° II° VII° kal. Octobris. Data in Rothstocke.

Aus der grossen Henseler'schen osnabrückischen Urkunden - Sammlung, T. III, handschriftlich auf der osnabrücker Stadtbibliothek, aus einem Copiarium des Klosters Bersenbrück, mitgetheilt von dem Herrn E. F. Mooyer zu Minden.

Das Cistercienser - Nonnen - Kloster Bersenbrück, gestiftet 1231, liegt nördlich von Osnabrück zwischen Vörden und Quakenbrück.

Die Veranlassung und Bedeutung dieser Urkunde ist ganz ungewiss; wahrscheinlich stammte der ribnitzer Bürger Bernhard Schele aus Westphalen.

Die Urkunde ist aber dadurch wichtig, dass sie die älteste, bisher bekannte Urkunde ist, welche über die Stadt Ribnitz redet.

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In Jahrb. XII, S. 473 und 371 ist das Alter der Stadt Ribnitz vom J. 1271 auf das J. 1257 zurückverlegt, und durch die vorstehende Urkunde kommen wir auf das Jahr 1252.

Zwei andere Urkunden vom 9. August 1274 über den wahrscheinlich zu derselben Zeit entstandenen Streit einiger anderer Einwohner der Stadt Ribnitz mit demselben Kloster sind unten mitgetheilt.


Nr. IX.

Der Fürst Nicolaus verleiht den Pfarrern in der Propstei (Alt-)Röbel und zu Malchow, Kieth und Jabel das Recht, über ihr Vermögen testamentarisch zu verfügen und befreiet ihre Leute von Zöllen und öffentlichen Diensten .

D. d. 1256.

Extract im grossherzogl. meklenburgischen Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin.


Nicolaus dominus de Werle preposito in Robele et sacerdotibus in ipsius prepositura commorantibus una cum trium ecclesiarum Malchow, Kithe et Jabele sacerdotibus et plebanis libertatem contulit, res suas in tres partes distribuendi: primam pro debitis persoluendis, secundam ecclesie, tertiam amicis et pauperibus. Insuper confert ipsis, ut eorum homines sub ecclesiis commorantes a vectigalibus et structuris vrbium, necnon a ceteris seruitiis sint exempti. Datum 1256.

Aus einem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. angefertigten Extract der Urkunden der Kirchen zu Röbel.


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Nr. X.

Der Fürst Waldemar von Rostock erneuert den Vergleich, welcher vor seinem Vater Borwin und dem Rath der Stadt Ribnitz zwischen dem Kloster Bersenbrück und Robert, Werner und Gerhard Schmidt abgeschlossen ist.

D. d. 1274, Aug. 9.


Nos Woldemarus dei gratia dominus terre Rozstock omnibus Christi fidelibus hoc scriptum inspecturis salutem in domino. Que geruntur, evanescunt simul cum tempore, nisi a voce testium vel litterarum notulis recipiant munimentum. Sciant ergo presentes ac posteri, quod quidam rancor discordiarum, qui versabatur inter sanctimoniales quamvis innocentes et quosdam servos scilicet Rodbertum et Wernerum et Gerhardum, quondam coram patre nostro domino Borwino amicabili compositione, consulibus civitatis Ribenitz ac burgensibus eiusdem civitatis fuerat annullatus in hunc modum, ut unionem pacis iam dicti servi cum amicis suis iuramento in reliquis se servaturos perpetuo confirm[arent]. Quoniam ex temporis diuturnitate a memoria predictorum pacis compositio pro parte fuerat avulsa, idcirco hoc factum coram nobis et consulibus civitatis iam dicte et quam pluribus viris discretis, tam clericis, quam militibus, est amicabiliter innovatum. Ut compositio tunc facta perpetuo conservetur, hoc scriptum fecimus sigilli nostri munimine roborari. Datum anno domini MCCLXXIIII, in vigilia sancti Laurentii.

Gedruckt in: Antistitum Osnabrugensis ecclesiae res gestae, a. J. J. Sandhof, II, p. CLIII, Nr. CX, B. 1. Vgl. Urk. vom 25. Sept. 1252 und die folgende Urkunde.


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Nr. XI.

Der Rath der Stadt Ribnitz erneuert den zwischen dem Kloster Bersenbrück und Robert, Werner und Gerhard Schmidt wegen Brandstiftung und Räuberei der letztern früher abgeschlossenen Vertrag.

D. d. 1274, Aug. 9.


Universis presentibus et futuris presens scriptum inspecturis advocatus, consules ceterique concives in Ribeniz salutem in eo, qui est omnium vera salus. Que labuntur in tempore, ne simul labantur cum lapsu temporis, solent linguis testium et litterarum apicibus perhennari. Noverint universi presentis seculi et futuri, Robertum quondam. Wernerum et fratrem suum, filios Joannis Fabri, rancorem et dissensionem cum coenobitis sanctimonialibus in Bersenbrugge quondam habuisse, ex cuius maligne radicis vigore malignitas animi prodiit operis in effectum, ita ut coenobium dictarum monialium cum rebus multarum villarum, que ibidem ob timorem dissensionis dominorum Westfalie recondite fuerunt, incendiis devastarent. Cuius rei enormis excessus cum predictis tribus et cum eorum affinibus eradicatus plane fuit et sedatus, taliter, ut hii tres et eorum consanguinei abrenuntiarent omnibus, si que habent tractare et exequi a dicti coenobii coenobitis, coram viris fidedignis, super hiis dantes scriptum suum signatum sigillo civitatis Ribeniz, huius effectus compositionis ex diuturnitate temporis immemores denuo exigentes emendam, nescientes qualem, litteras suas transmittentes, quod iterum sicut prius resignaverunt, dantes domino deo, quidquid haberent exequendum, considerantes nihil iuris habere contra dicti saepius claustri moniales. Ut autem hec compositio et concordia robur sortiatur eternum, presentem paginam dedimus munimine sigilli civitatis Ribeniz roboratam. Huius rei ordinatio coram domino Henrico plebano civitatis Ribeniz, domino Hartmanno sacerdote, Kerstiano sacerdote, domino Gregorio milite de Jorcke, Sigero milite, coram consulibus eiusdem civitatis, scilicet Theodorico Guolone, Hermanno Albo, Joanne Novo Pistore, Joanne

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de Bolhagen, Marquardo, Johanne Pezewive, Bertoldo Guolone, Nicolao Ratzecowe, Theotordo carnifice, Johanne Mudersell, Engelhardo piscatore, et ceteris quam pluribus concivibus eiusdem civitatis est peracta. Et ne matura deliberatione hec facta ab hiis tribus aut eorum affinibus aut heredibus possint infirmari, hii predicti viri testimonium perhibent. Datum anno domini MCCLXXIIII, V. idus Septembris, vigilia Laurentii. Preterea ad maiorem huius rei firmitatem dominus Gregorius miles sui appensione sigilli idem roboravit.

Gedruckt in: "Antistitum Osnabrugensis ecclesie Res gestae" a. J. J. Sandhoff, II, p. CLIV, Nr. CX, Nr. 2. Mitgetheilt vom Herrn E. F. Mooyer zu Minden. Das Datum dieser beiden Urkunden ist ohne Zweifel falsch, indem diese "in vigilia Laurentii" ausgestellt sind, welche nicht auf den 9. Sept., sondern auf den 9. Aug. fällt. - Man vgl. die Urk. vom 25. Sept. 1252, Nr. VIII.


Nr. XII.

Der Fürst Nicolaus von Werle belehnt den Ritter Henning von Rostock mit dem Dorfe Faulen-Rost.

D. d. Güstrow 1275.

Nach beglaubigten Abschriften im grossherzogl. Meklenburgischen Geh. und Haupt - Archive zu Schwerin.


Nicolaus dei gratia dominus de Werle omnibus presens scriptum visuris salutem in perpetuum. Universi sciant, quod nos de bona nostra voluntate militi Henningo dicto de Rostok et suis heredibus villam Rostock cum omnibus pertinentiis et iuribus suis, quae habuit et nunc habet, contulimus perpetuo possidendam, nullo etiam alterius funiculo mensurandam. Ut hoc igitur stabile permaneat atque firmum, perpetuo permanendum sigillo nostro corroboramus. Testes sunt: [Henricus] Grube, [Henricus] Vlotow, milites, Nicolaus Gallus, advocatus in Gustrow, Wescelus, marschalcus, [Henricus] de Sywan, claviger, et alii quam plures fide digni. Acta sunt haec in Gustrow, anno domini millesimo ducentesimo septuagesimo quinto.

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Nach mehreren beglaubigten Abschriften aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts. Es sind in diesen Abschriften ohne Zweifel einige Unrichtigkeiten; namentlich werden: Henricus Grubo, Henricus Vlotow und Henricus de Sywan alle drei mit dem Vornamen Henningus belegt, was ohne Zweifel falsch ist, da sie in vielen Urkunden jener Zeit stets den Vornamen Henricus haben, welcher hier auch in [ ] eingeführt ist. Statt Henricus de Sywan, welcher auch öfter vorkommt, steht in der einen Ahschrift irrthümlich Suvam, in einer andern Schuwan u. s. w.

Die Urkunde betrifft ohne Zweifel die Belehnung der Familie Rostke mit dem Gute Faulen - Rost. - Die Familie führte ursprünglich den Namen von Rostock, wie sich auch aus der vorstehenden Urkunde ergiebt; im Laufe der Zeit wandelte sich dieser Name in die Form Rostke um, welche zuletzt allein galt. Die Familie starb im 17. Jahrhundert nach und nach ab; Caspar Christoph Rostke auf Kraase, wahrscheinlich der letzte des Geschlechts, lebte noch im J. 1714. - Das Gut hiess ursprünglich ebenfalls Rostock, darauf auch Rostke und endlich Rost. Der Vorsatz Faulen-, der noch nicht erklärt ist, findet sich schon früh. Im Jahre 1385 ward Maltzan von Schorssow zu "Vůlen Rozstock" erschlagen (vgl. Lisch Maltzan. Urk. II, S. 357). Im J 1491 hiess das Gut Vulenrosteke (vgl. daselbst IV, S. 211), eben so 1494: Vul - Rostke und Vulenrostke. Die Form Faulen - Rost findet sich zuerst am Ende des 17. Jahrhunderts.

Die vorstehende Urkunde war im J. 1629 noch im Besitze der Familie von Rostke auf Faulenrost, welche seit dem dreissigjährigen Kriege aus der Geschichte verschwindet.


Nr. XIII.

Das Dom - Capitel zu Ratzeburg verkauft dem Kloster Medingen 12 Wispel Roggen in dem Dorfe Sekersdorf.

D. d. Ratzeburg 1291, April 14.

Nach dem Originale im Archive des Klosters Medingen.


Vniuersis Christi fidelibus presencia visuris seu audituris Hinricus diuina miseracione prepositus, prior totumque Raceburgensis ecclesie capitulum oraciones in Christo cum gaudio spiritus septiformis. Res gesta ideo litteris inscribitur, ne per obliuionis rubiginem temporis articulo deleatur. Ea propter nouerint vniuersi, quos id nosse fuerit oportunum., quod consensu vnanimi iusto empcionis titulo vendidimus preposito et conuentui sanctimonialium in Medinge in villa Sekeresdorpe

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duodecim mensuras siliginis, que wichomethe vulgariter appellantur, pro duodecim marcis denariorum Lubicensium, co iure, eadem libertate, qua nos hactenus habuimus quiete ac pacifice, extunc et inantea perpetuo possidendas, renunciantes in hiis scriptis omni iuri seu vtilitatibus, que nobis competebant in reditibus antedictis. Et ne cuiquam apud posteros oriatur dubium de premissis, presens scriptum inde confectum supra nominatis preposito et conuentui contulimus nostri sigilli appensione fideliter communitum. Datum Raceburch, anno domini M ° c c °XC° I°, in die Thiburcii et Valeriani martirum beatorum.

Nach dem von mir im J. 1851 durch Beförderung Sr. Excell. des Herrn Landschaftsdirectors v. Hodenberg in Lüneburg abgeschriebenen Originale, auf Pergament, in einer kleinen, scharfen Minuskel. An einem Pergamentstreifen hängt ein Viertheil des neuern Capitelsiegels aus weissem Wachs,

G. C. F. Lisch.     


Nr. XIV.

Die Ritter Vicke, Nicolaus und Mathias Voss auf der Burg Wolde bestätigen der Pfarre der von ihren Vorfahren gestifteten Kirche zu Hinrichshagen die zu derselben gelegten zwei Hägerhufen mit allenGerechtigkeiten.

D. d. 1311, Oct. 28.

Nach einer Abschrift im grossherzogl. meklenburg. Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin.


Vniuersis presentia visuris seu audituris. Nos Vicke, Nicolaus et Matthias, milites, dicti Vosse, de castro Waldis, salutem in domino. Cum cultus diuinus merito sit augendus et in robore suo semper sit seruandus, ideo notum esse volumus omnibus presentibus, quam futuris fidelibus, quod ecclesiam in Hinrichshagen, fundatam in honorem dei et beati Nicolai per nostros progenitores cum duobus mansis indaginalibus, ut ibi vigent, cum pertinentiis omnibus inclusis intra terminum eorundem. videlicet pascuis, pratis, syluis, aquis, campis et cum omni pensione annali, scilicet decima maiori et minori, proprietate et cum omni iudicio et iuris-

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dictione et in participatione usufructuum quorumlibet pertinentium eiusdem ville communitati, ratificauimus et in presentibus ratificamus. volentes nihilominus, eadem bona, sic rationabiliter a nostris progenitoribus dotata, ecclesie pro usu rectoris eiusdem per nos et successores nostros infringibiliter adiacere. In cuius rei euidentiam nostra sigilla presentibus sunt appensa. Datum anno domini M° CCC° XI°, ipso die Simonis et Jude beatorum apostolorum.

Nach einer Abschrift von der Hand des Kirchen - Visitations - Secretairs Simon Leupold.


Nr. XV.

Der Fürst Heinrich von Meklenburg bestellt die Ritter Heine von Schwerin, Segeband vom Berge genannt von Hallermund, Otto Grote, Segeband vom Berge genannt Rike und Segeband von Wittorp zu Hauptleuten in den Festungen des Herzogs Otto von Lüneburg, in welche sie sich auf des Fürsten Heinrich Veranlassung gegen die Mark Brandenburg gelegt haben.

D. d. Lichen 1315, Oct. 8.

Nach einer Abschrift aus dem 17. Jahrhundert.


Omnibus presens scriptum cernentibus Hinricus dei gratia Magnopolensis ac Stargardiae dominus salutem in domino sempiternam. Recognoscimus et testamur publice per presentes, quod carissimos nobis milites strenuos et famosos dominos Heinonem de Swerin, Seghebandum de Monte de Halremund dictum, Ottonem Magnum, Seghebandum de Monte Ricke dictum et Seshebandum de Wittorpe, praehabita deliberatione matura, in municionibus avunculi nostri carissimi domini Ottonis ducis Luneburgensis, ubi se de facto nostro intromiserint contra Marchiam Brandeburgensem, nostros idoneos et authenticos capitaneos constituimus in his scrip-

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tis, ita videlicet, quod quaecunque damna aut debita ratione huius, sive in captivitatibus seu rerum amissionibus, aut etiam necessariorum acquisitionibus seu etiam stipendiariorum convencionibus incurrerint, ipsos et heredes ipsorum ab omnibus huiuscemodi damnis ac debitis, quae rationabiliter poterunt educere, reddere debemus in festo Michaelis perenne futuro liberos, quietos penitus et indemnes, nobis protectum, si quem ordinaverint, reservando. Super quibus omnibus firmiter et sine obstagio iniacenciae ac dubio quolibet observandis nos una cum fidelibus nostris militibus: Bussone de Dolla, Alberto de Dewitz, Gerhardo de Swerin, Vilizze, Vickone de Plote, Vickone Soneken, Heynone de Stralendorp seniore, Johanne Rosendal, Reinkino de Plesse, Cunrado de Cremon, Bertholdo Pren, Wiperto de Luzowe, nostro marschalco, promisimus fide data, dantes eisdem presentes litteras sigillo nostro ac sigillis premissorum nostrorum firmiter in testimonium roborates. Datum Lychen, anno domini M. CCC. XV. feria quarta in profesto Dyonisii.

Nach einer Abschrift von der Hand des Grossvoigts Thomas Grote zu Celle († 1657) gedruckt in des Freiherrn Julius Grote Urkundlichen Beiträgen zur Geschichte des Königreichs Hannover und Herzogthums Braunschweig, Wernigerode, 1852, Nr. 24, S. 20.

Diese Urkunde bezieht sich ohne Zweifel auf den bisher nicht bekannt gewesenen Krieg der lüneburgischen Herzoge mit dem Markgrafen von Brandenburg im J. 1315, welcher in Jahrb. XVIII, S. 191 flgd. behandelt ist. Dieser Krieg war offenbar kein Krieg, den Lüneburg allein für sich mit Brandenburg führte; der Krieg war der bekannte grosse Krieg Heinrichs des Löwen von Meklenburg gegen Brandenburg, in welchen derselbe seine Nachbaren und Verwandten hineinzog; daher schloss der König von Dänemark am 7. Sept. 1315 einen Vertrag mit den lüneburgischen Herzogen, dass sie ihm dienen sollten gegen den Markgrafen von Brandenburg, und stellt zu Bürgen die Fürsten und Grafen Wizlav von Rügen, Heinrich von Meklenburg, Nicolaus von Schwerin, Otto von Hoya und Gerhard von Rendsburg; vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, S. 228, nach Huitfeld Danm. Kron. I, p. 383. Vgl. Rudloff M. G. II, S. 217. - Es mögen jedoch auch Misshelligkeiten zwischen Lüneburg und Brandenburg und andern Nachbaren obgewaltet haben, welche bei dieser Gelegenheit mit zur Entscheidung kommen sollten; in dem Templiner Frieden vom 25. Nov. 1317 heisst es: "De castro Hidzacker ac aliis controuersiis inter ducem Lunenburgensem et ducem Saxonie pendentibus dominus marchio et dominus Magnopolensis placitare debent etc. Super dampnis inter uasallos marchionis et ducis Luneburgensis factis suos ex vtraque parte milites deputauerint in iure uel amicicia decidendis". Vgl. Lisch Maltzan. Urk. I, S. 266.


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Nr. XVI.

Der Herzog Rudolph von Sachsen, der Erzbischof von Prag und Andere bezeugen die von dem Markgrafen Waldemar von Brandenburg vorgenommene Abtretung der Lausitz an die Krone Böhmen.

D. d. Tempelberg bei Fürstenwalde 1348, Oct. 2.

Nach dem Originale im kaiserl. königl. Haus-, Hof- und Staats=Archive zu Wien.


Wir Rudolff von gottes gnaden hertzog zu Sachsen, des heiligen romischen reichs erzmarschalk, Arnestus erzbischoff zu Praag, Rudolff der iunger herzog zu Sachsen, Johanns herzog zu Meckelnburg von denselben gnaden, Albrecht zu Mügelingen, herr zu Barbey, Andreas ritter zu Globk. Albrecht ritter von Warburg, Dietrich probst zu Berlin, Andreas von der Dube, Botte von Turgaw, Jesske von Michelsperg, Wanicke von Wartenberg und Jobst von Rosenberg verjehen und thun kundt offentlich mit diesem brieff allen den, die ihn sehen oder lesen, dass wir dabey gewesen seindt und das gesehen und gehört haben und darüber zu gezeugen geschrieben und gebeten sein und gezeugen auch das mit crafft dits brieffs, dasz der hochgeborne fürste und herr herr Waldmar marggraf zu Brandenburg und zu Landesperg, des heiligen romischen reichs erzcammerer angesehen hat die treue und die gnade, die ihme der allerdurchlauchtigste furst und vnser gnediger herr herr Karll romischer konig, zu allen zeiten merer des reichs und kunig zu Behmen, sein land zu gewinnen, (erzeigt hat) und noch wol erzeigen mag, und hat dem vorgenandten vnserm herrn dem romischen kunige und kunige zu Behmen, seinen erben und nachkomben kunige zu Beheimb und desselben kunigreich und der krone zu Behmen geben und verschrieben mit seinen briefen die mark zu Lausitz - - - - -

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Und des zu urkundt und zu ewigen gedechtnuss und sicherheit geben wir vnsern brief versiegelt mit vnsern

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innsiegeln, der geben ist zu Tempelberg bei Fürstenwaldt, da man zalte nach Christi geburth dreyzehen hundert iahr, in dem acht und vierzigsten iahre, des negsten donnerstag nach Michelstag.

Diese hier im Auszuge mitgetheilte Urkunde, welche Riedel in seinem Cod. dipl. Brand. II, 2, S. 225 flgd. aus Lünig Cod. Germ. I. S. 1054, hat abdrucken lassen, befindet sich im Originale im k. k. Haus-, Hof- und Staats-Archive zu Wien, wo ich sie im Sommer 1851 untersuchte, jedoch nicht ganz abschrieb, weil der Inhalt kein Interesse für Meklenburg hat.

Von Interesse sind jedoch einige Siegel.

An erster Stelle hängt des Herzogs Rudolf von Sachsen Secret mit einer schönen Gemme.

An vierter Stelle hängt das Siegel des Herzogs Johann von Meklenburg: ein kleines, rundes Siegel, welches einen Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe rnit dem abgerissenen Halsfell und über dem Schilde im Abschnitte ein A hat und im Rande die Umschrift:

Umschrift .

Dieses Siegel kommt in meklenburgischen Archiven nicht vor und ist wahrscheinlich nur zur Aushülfe und zum Gebrauche auf der Einen Reise gemacht.

Dieselben Siegel hangen an einer andern daneben aufbewahrten Urkunde des Herzogs Rudolf von Sachsen von demselben Datum, in welcher auch des Herzogs Albrecht von Meklenburg mit andern Fürsten, "die zu dem mal nicht gegenwartig waren", gedacht wird.


Nr. XVII.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg verleiht dem Herrn Otto Wend von Ileburg eine jährliche Hebung von einer Last Hering und hundert grossen Stockfischen aus dem Kloster Doberan.

D. d. 1352, Dec. 21.

Nach dem Originale im königl. sächsischen Haupt- Staats- Archive zu Dresden.


Wie Albrecht van der gnâde godes ên hertoghe tů Meklenborch, tů Stargarde vnde tů Rozstok ên herre bekennen vnd betůghen ôpenbâre in desseme brêue, dat wi mit vulleme willen vnde wiscop vser eruen hebben

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ghelêeghen vnde lîgen in desseme brêue deme acbâren manne vnde herren her Otto Wende van Yleborch vnde sînen rechten eruen êne last hâringes vnde ên hundert grôtes stokuisches alle iâr vptobôrende to sunte Mertens dâghe van deme abbate vnde moneken to deme klostere, dat ghehêten is Dobraan, van der renthe, de se vs plichtich sint; wêre it ôk dat de vôrsprôkene abbad vnde moneke em edder den sinen van sîner weghene den hâring vnde stokuisch nicht ennen gheuen to tyden, so scole wi hertogh Albrecht em edder den sînen van sîner weghene dâr pandes helpen ôuer den abbad vnde de moneke, dat em de hâring vnde de stokuisch werde. To êner betůghinghe desser ding so hebbe vse cleyne ingheseghel wi hêten hengen vôr dessen brêf, de ghegheuen is na godes bôrt dûsent iâr drê hundert iâr in deme twêvndeueftighesteghen iâre, in sunte Thomas dâghe des hilghen apostels. Dâr ôuer was: her Vrederich van Lochen, her Hinrich Stralendorp, her Vicco Stralendorp, riddere, Bertram Kůle vse ko u okemêster, Bussow van Schuderen, knapen, vnde mêr lůde, de der trůwe werdich sint.

Nach dem Originale auf Pergament. Das Siegel fehlt.


Nr. XVIII.

Der Graf Otto von Schwerin und Teklenburg verschreibt seinem Marschall und Burgmann Henning Halberstad für eine Schuld von 125 Mk. Lüb. Pf. die Bede aus mehrern Dörfern der Grafschaft Schwerin bis zur Tilgung der Schuld.

D. d. Schwerin 1357, Jan. 13.

Nach dem Originale im grossherzogl. meklenburg. Geheimen und Haupt - Archive zu Schwerin.


Nos Otto dei gracia comes Zwerinensis et Thekeneburgensis omnibus presencia visuris et audituris cupimus fore notum, quod honesto famulo Henningho Halberstad, marschalco et castrensi no-

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stro dilecto in Zwerin, suisque ueris heredibus in centum marcis et XXV marcis in toto Lubicensium denariorum iustis nostris ex debitis racionabiliter sumus obligati, quos quidem denarios in vniuerso ipsis assignauimus presentibus et assignamus in precariis villarum nostrarum Ruthinge, Sconeuelde, Magna Exen, Slauica Bruseuitze, Slauica Grambowe, Dauermur, Magna Roghan ex quatuor mansis et Magna Trebbowe nunc in festo beati Michahelis proxime venturo expedite subleuandos et sic deinde deinceps singulis annis, vt semper, in quolibet festo beati Michahelis prefatas precarias dictarum villarum pacifice capiendas, quousque idem Henninghus Halberstad suique heredes legitimi summam principalem prescriptam ex toto sustulerint et habuerint precariis ex eisdem, compotum tamen de perceptis singulis annis nobis faciendum et percepta defalcanda, quo facto littere debent innouari. In quorum testimonium sigillum nostrum presentibus est appensum. Datum Zwerin anno domini M ° CCC° L mo septimo, in octaua epyphanie domini.

Nach dem Originale, auf Pergament, in einer cursivischen Minuskel. An einem aus der Charte geschnittenen Pergamentstreifen hängt des Grafen kleines, rundes, vierschildiges Siegel, an der 1 und 4 Stelle mit 3 Seeblättern (für Teklenburg), an der 2 und 3 Stelle mit dem queergetheilten Schilde (für Schwerin).

Im Texte ist sicher compotum zu lesen, d. i. computum=Berechnung.


Nr. XIX.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg quittirt den Kaiser Carl IV. über 100 Mark brand. als Abschlagssumme auf das Pfandgeld von Lenzen, welches dem Herzoge für 6000 Mk. brand. verpfändet ist.

D. d. 1374, Mai 11.

Nach dem Originale im k. k. Haus-, Hof- und Staats - Archive zu Wien.


Wy Albrecht von gotis gnaden herczug zu Mekelemburg, graue zu Zweryn, zu Stargarden vnd zu

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Rostocke herre bekennen vnd tun kund offenlich mit dissem briue, das der allerdurchleuchtigiste furste vnd herre her Karl romischer keiser zu allen zeiten merer des reichs vnd kunig zu Behem, vnsir liebir gnediger herre, von den sechstusent marken Brandenb. silbers, die er vns pflichtig ist zu gebene vnd dar vor er vns Lenczen hus vnd stad vorpfendit vnd vorbriuet hat, als dieselbin seine briue auswisen, vns hat gegulden hundert mark Brandenburg, silbers vnd gewichtes, vnd lazzen dem egenanten vnsern herren dem keysere vnd seinen erbin vor vns vnd vor vnsern erbin derselbin hundert mark silbers quyt, leddig vnd loez, mit vrkund dicz briues vorsigilt mit vnserm angehangen insigell, der gebin ist nach cristes geburte dreuczenhundert iar in dem vier vnd sibenczichstem iare, an dem tage der hymeluart vnsers herren.

Nach dem bisher unbekannt gewesenen Originale im k. k. Archive zu Wien, im J. 1851 durch den Archivar Lisch.

An einem Pergamentstreifen hängt das zweischildige Secret des Herzogs.

Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. 1, 2, S. 63 flgd.

Am 17. Mai 1374 schloss der Kaiser Carl IV. mit den Herzogen von Pommern und Meklenburg: zu Prenzlau einen Landfrieden, welcher von dem Herrn J. v. Bohlen entdeckt und in den Baltischen Studien XV, Heft I. 1853, S. 137 flgd. mitgetheilt und beleuchtet ist. Die vorstehende Urkunde und die beiden folgenden dienen für Meklenburg zur Erläuterung in der Chronologie.


Nr. XX.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg quittirt den Kaiser Carl IV. über 1000 Mark brand. als Abschlagssumme auf die letzte Hälfte des Pfandgeldes von Lenzen, welches dem Herzoge für 6000 Mk. Brand. verpfändet ist.

D. d. 1374, Mai 18.

Nach dem Originale im k. k. Haus -, Hof- und Staats - Archive zu Wien.


Wir Albrecht von gotis gnaden herczug zu Mekelemburg, graue zu Zweryn, zu Stargarden vnd zu Rostok herre bekennen vnd tun kund offenlich mit dissem

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briue, das der allerdurchleuchtiste furste vnd herre her Karl Romischer keyser zu allen zeiten merer des reichs vnd kunyg zu Behem, vnser liebir gnediger herre, von den sechs tusent marken Brandbg. silbers, die er vns pflichlig ist zu geldene vnd dor vor er uns Lenczen hus vnd stad vorpfendit vnd vorbriuet hat, als dieselbin seine briue vsweisen, vns gegulden vnd beczalet tusent mark Brandbg. silbers vnd gewichtis von den leczten dry tusent marken, die er vns nu vff den nehsten sant Georgen tag beczalen vnd gelden sal, vnd lassen dem egenanten vnsern herren dem keisere vnd seinen erbin vnd auch yre boergen, als die egenanten yre briue vsweisen, vor vns vnd vor vnsern erben der selbin tusent mark Brand. silbers quyt, ledig vnd los, mit vrkund dicz briues vorsigelt mit vnserm angehangen insigill, der gebin ist nach Cristus geburte dreuczenhundert iar in dem vier vnd sibenczichstem iare, an dem donrestage nach der auffart vnsers herren.

Nach dem bisher unbekannt gewesenen Originale zu Wien, im J. 1851 durch den Archivar Lisch. An einem Pergamentstreifen hängt das zweischildige Secret des Herzogs.


Nr. XXI.

Der Herzog Albrecht von Meklenburg quittirt den Kaiser Carl IV, über 500 Mark brand. als Abschlagssumme auf das Pfandgeld von Lenzen, welches dem Herzoge für 6000 Mk. brand. verpfändet ist.

D. d. 1374, Mai 18.

Nach dem Originale im k. k. Haus -, Hof- und Staats - Archive zu Wien.


Wir Albrecht von gotis gnaden herzug zu Mekelemburg, graue zu Zweryn, zu Stargarden vnd zu Rostok herre bekennen vnd tun kund offenlich mit disem briue, das der allerdurchleuchtigiste furste vnd herre her Karl Romischer keyser zu allen zeiten merer des reichs vnd kunig zu Behemb, vnsir liebir gnediger herre, von den sechs tusent marken Brandenburg[ischen] silbers,

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die er vns pflichtig ist zu geldene, vnd dar uor er vns Lenczen hus vnd stad vorpfendit vnd vorbriuet hat, als dieselbin seine briue vswiesen, vns hat gegulden vnd bezalet funfhundert mark Brandenburgischen silbers vnd gewichtes von den ersten drytusent marken, die er vns nu vff den nehesten sant Mertins tage beczalen vnd gelden sal, vnd lassen dem egenanten vnsern herren dem keysere vnd seinen erbin vnd auch yre borgen, als die egenanten ire briue vswisen, vor vns vnd vnsere erben derselben funfhundert mark Brandbg. silbers quyt, ledig vnd los, mit vrkund ditz briues vorsigilt mit vnserm angehangen insigill, der gebin ist nach Cristus geburte dreuczenhundert iar in dem vier vnd sibenczigisten iare, an dem donrestage nach der auffart vnsers herren.

Nach dem bisher unbekannt gewesenen Originale zu Wien, im J. 1851 durch den Archivar Lisch. An einem Pergamentstreifen hängt das zweischildige Secret des Herzogs.

 

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