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Inhalt:

Jahrbücher

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

aus

den Arbeiten des Vereins

herausgegeben

von

Dr. G. C. Friederich Lisch,

großherzoglich=meklenburgischem Archivar und Regierungs=Bibliothekar,
Conservator der Kunstdenkmäler des Landes,
Vorsteher der großherzoglichen Alterthümer= und Münzensammlung zu Schwerin,
Ritter des königl. preußischen Rothen Adler=Ordens, Inhaber der großherzoglich=meklenburgischen goldenen Verdienstmedaille und der königlich hannoverschen goldenen Ehrenmedaille für Wissenschaft und Kunst und der kaiserl. russischen großen goldenen Verdienstmedaille für Wissenschaft
Ehrenmitgliede
der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig und der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Dresden, Mainz, Görlitz, Hohenleuben, Meiningen, Würzburg, Sinsheim, Königsberg, Lüneburg und Christiania,
Ehren=Correspondenten der kaiserlichen Bibliothek zu St. Petersburg
correspondirendem Mitgliede
der geschichts= und alterthumsforschenden Gesellschaften zu Lübeck, Hamburg, Kiel, Stettin, Hannover, Halle, Jena, Berlin, Salzwedel, Breslau, Cassel, Regensburg, Reval, Riga, Leyden, Kopenhagen, der königlichen Akademie zu Stockholm und der kaiserlichen archäologischen Gesellschaft zu St. Petersburg,
als
erstem Secretair des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.


Neunzehnter Jahrgang.


Mit zwei Tafeln im Farbendruck, einer Steindrucktafel und drei Holzschnitten.


Mit angehängtem Jahresberichte.

Auf Kosten des Vereins.

Vignette

In Commission in der Stillerschen Hofbuchhandlung zu Rostock und Schwerin.


Schwerin, 1854.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Schwerin.
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Inhaltsanzeige.


A. Jahrbücher für Geschichte. Seite.
   I. Ueber die Caselier in Meklenburg, von dem Archivar Dr. Lisch 1
  II. Tilemann Heshusius und Johann Draconites, von dem Professor Dr. Julius Wiggers zu Rostock 65
 III. Ueber die Fürstin Woizlava und die Kapelle zu Althof, von dem Archivar Dr. Lisch 138
 IV. Kritische Geschichte der sogenannten Prillwitzer Idole, von dem Pastor F. Boll zu Neu=Brandenburg 168
B. Jahrbücher für Alterthumskunde.
   I. Zur Alterthumskunde im engern Sinne.
       1. Vorchristliche Zeit.
          a. Zeit der Hünengräber 289
          b. Zeit der Kegelgräber 297
                   Kegelgrab von Schwaan, von dem Burgemeister Daniel zu Schwaan 297
Mit 1 Steindrucktafel.
                   Kegelgrab von Steffenshagen in der Prignitz 307
Mit 1 Holzschnitte.
                   Bronzefund von Viecheln 317
Mit 1 Holzschnitte.
          c. Zeit der Wendengräber 321
                   Die wendischen Gräber der Eisenperiode verglichen mit den gallisch=fränkischen Gräbern im Luxemburgischen, vom Archivar Dr. Lisch 321
          d. Außereuropäische Völker 329
       2. Mittelalter und neuere Zeit 330
  II. Zur Baukunde 335
       1. Vorchristliche Zeit. 335
                Der wendische Burgwall von Vipperow 335
       2. Mittelalter 338
          a. Weltliche Bauwerke 338
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          b. Kichliche Bauwerke 342
                Blätter zur Geschichte der Kirche zu Doberan, von dem Archivar Dr. Lisch 342
                Ueber die alte fürstliche Begräbnißkapelle und das Grab des ersten christlichen Fürsten Pribislav in der Kirche zu Doberan 342
                Ueber das Octogon der Heil. Grabes=Kapelle in der Kirche zu Doberan 367
                Ueber die Heil. Bluts=Kapelle bei der Kirche zu Doberan 373
                Ueber die Bülowen=Kapelle in der Kirche zu Doberan 378
                Ueber die Kirchen zu Rethwisch, Lichtenhagen und Steffenshagen bei Doberan, von demselben 393
                Ueber die Bau-Perioden des Domes zu Schwerin, von demselben 398
                Ueber die Kirche zu Vipperow, von demselben 403
 III. Zur Münzkunde 413
       1. Vorchristliche Zeit. 413
                Goldbracteat 413
       2. Mittelalter 414
                (Ribnitzer) Münze der Herrschaft Rostock 414
       3. Neuere Zeit 414
                Der Münzfund von Slate, von dem Archivar Dr. Lisch 414
                Ueber bischöflich=ratzeburgische Doppelschillinge, von demselben 418
Mit 2 Münzabdrücken.
 IV. Zur Wappenkunde 419
  V. Zur Schriftenkunde. 421
 VI. Zur Naturkunde 422
                Ueber das Urstiergerippe von Toddin, von dem Archivar Dr. Lisch 422

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A.

Jahrbücher

für

Geschichte.

 


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I.

Ueber

die Caselier in Meklenburg,

von

G. C. F. Lisch.


D er größte und berühmteste Mann, welcher unter der ruhmreichen Regierung des Herzogs Johann Albrecht I. 1 ) aus Meklenburg hervorging, war ohne Zweifel Johannes Caselius, welcher als ein Mann von tiefer Gelehrsamkeit, feinem Geschmack, vielseitiger Bildung und edlem Charakter einen europäischen Ruf nicht allein bei seinem Leben besaß, sondern in der gelehrten Welt auch noch heute hat, so daß der berühmte philologe Joh. Scaliger von ihm sagen konnte, "daß nichts Herrliches genannt werden könne, was seinen großen Eigenschaften gleichkomme", 2 ) und der große Isaac Casaubonus ihn den "Vater aller gelehrten Bildung" ("omnis eruditionis parentem") nannte. So vielfach bearbeitet und bekannt nun auch die Wirksamkeit dieses großen Mannes ist, so dunkel ist doch dessen Jugend=Geschichte und Bildung und namentlich die Veranlassung, welche ihn unserm Vaterlande Meklenburg und dessen hochherzigem Fürsten Johann Albrecht zuführte und lange erhielt, was für uns allerdings ein sehr großes Interesse hat. Diese Dunkelheit hat zunächst und vorzüglich ihren Grund in der Wandelbarkeit des Namens, welchen Johannes Caselius in seiner Jugend, und namentlich sein Vater führte, ehe Johannes


1) Die geistige Bewegung am Hofe des Herzogs Johann Albrecht I. habe ich in meiner Abhandlung: "Andreas Mylius und der Herzog Johann Albrecht I." in Jahrb. XVIII. S. 1 flgd. zu schildern versucht. Auf diese Abhandlung beziehe ich mich in allen Fällen, wo man hier eine ausführlichere Schilderung jener Zeit erwarten könnte.
2) "Nihil tam magnificum praedicari posse, quod eius summae virtutes non superarent."
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Caselius die bestimmte Form Caselius in seinem Namen annahm.

In der Forschung über die Herkunft des Vaters des Johannes Caselius kann ich nur fremden, zuverlässigen Forschungen folgen, da es mit zu großen Schwierigkeiten verbunden, ja unmöglich sein würde, den Quellen dieser fremden Untersuchungen nachzuforschen. In Beziehung auf die Verhältnisse des Vaters und des Sohnes zu Meklenburg habe ich aber das Glück gehabt, viele neue Quellen aufzufinden, welche vollständig Aufklärung geben werden und welche ich hier zu eröffnen beabsichtige. Es liegt nicht in meiner Absicht, das ganze Leben des Johannes Caselius und seine große wissenschaftliche Wirksamkeit zu schildern; dies würde ein Werk sein, welches weit über die Grenzen der meklenburgischen Geschichte hinausgehen würde und der Gelehrten=Geschichte angehört. Mein Zweck ist, die Caselier als Meklenburger und ihre Stellung zu dem Herzoge Johann Albrecht I. in unsere Geschichte einzuführen, welche dadurch ohne Zweifel eine große Bereicherung erhalten wird.


I. Mathias Bracht Chesselius,

Vater des Johann Caselius.


1) Lebensabriß des Mathias Bracht Chesselius.

Johannes Caselius 1 ) stammte aus einer alten und angesehenen adeligen Familie, der Chesselier oder vonChessel in dem Herzogthume Geldern, von denen noch in der Mitte des 17. Jahrh. eine an den Ufern der Maas auf einem Hügel erbauete Burg Namens Chesselium erwähnt wird. Der Urgroßvater Johann's war Volquin von Chessel, welcher Petronella, eine Tochter des reichen Bürgers Peter Enden zu Bracht, zur Frau hatte. Der Stammbaum des Johannes Caselius gestaltet sich von hier an folgendermaßen:


1) Vgl. folgende Schriften über Johannes Caselius:
1) De vita Johannis Caselii, von Johann Sigfried, Helmstädtische Univers. Leichenrede von 1613, wieder gedruckt in Jonannis Caselii Epistolae, Hanoverae, 1718.
2) De Johannis Caselii erga bonas litteras meritis, epistola scripta a Jacobo Burckhard, Wolfenbutteli, 1707.
3) Ueber Johann Caselius in Krey Andenken an die Rostockschen Gelehrten, Zweites Stück, 1815, S. 29 flgd.
4) Spiel und Spangenberg Vaterländ. Archiv für das Königreich Hannover, Jahrgang 1824, S. 253 flgd.
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Stammbaum Johannes Caselius

Der Vater des Johannes Caselius, der fünfte Sohn des Gotthard von Chessel, hieß Mathias, welcher sich, wir wissen nicht aus welchem Grunde, nach seiner Großmutter Bracht nannte und sich auch wohl den Beinamen Chesselius zulegte. Ich werde Gelegenheit haben, dies im Verfolge der Untersuchung bestimmt zu beweisen, muß das Resultat der Forschung aber vorausschicken, um die für uns wichtige Geschichte des Vaters unsers Johannes einleiten zu können. Johannes Caselius nennt auch selbst in einem Briefe 1 ) vom Jahre 1610 seinen Vater Mathias Caselius von Bracht ("Mathias Caselius Brachtonus"). Gewöhnlich nennt sich sein Vater Mathias Bracht oder Mathias Bracht Chesselius.

Wegen der Religionsverfolgungen und des Verlustes seines Vermögens, auch auf Zureden angesehener Männer verließ der junge und talentvolle Mathias Bracht, welcher um das J. 1492 geboren sein wird, sein Vaterland und verweilte längere Zeit in England und Schottland und ging sogar nach Spanien. Als sich aber der Protestantismus in Deutschland mehr und mehr Bahn brach, wandte er sich nach Deutschland, wo er freilich viele Jahre hindurch ein sehr bewegtes Leben führte.

Zuerst finden wir ihn sicher 1533 als Lehrer zu Göttingen, wo in diesem Jahre sein berühmt gewordener Sohn Johannes Caselius geboren ward. Er wird hierher um das J. 1530 gekommen sein, da er im J. 1552 sagt, daß er 20 Jahre Lehrer gewesen sei. Sein Sohn Johannes Caselius sagt in einem Briefe an den Rath der Stadt Göttingen, daß seinem Vater die Schule daselbst anvertraut worden sei zu der Zeit, als Johannes Sutelius dort die Reformation gepredigt habe, dessen er sich noch aus seiner Kindheit erinnere; 2 ) Sutelius ward aber


1) Vgl. Joh. Caselii epistolae, p. 523.
2) "Tum tenerae aetatis primam euram demandaverant patri meo, Mathiae Caselio, quo tempore populum docebat Joannes Sutelius, quem ego post adolescentulus docentem saepe audivi." Joh. Caselii epistolae p. 514.
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als der erste protestantische Prediger an der Nicolaikirche zu Göttingen dort 1529 eingeführt.

Darauf ward er, "Mathias Bracht", bei der Einführung der Reformation in der Stadt Nordheim als Capellan, d. i. Prädicant oder zweiter Prediger, im J. 1539 dem Pfarrer Jürgen Thomas beigeordnet. Er diente hier von Ostern 1540 bis Michaelis 1541 gegen ein Jahrgehalt von 52 Gulden 1 ). Er kam zunächst von Witzenhausen, da er aus der Kämmerei "2 Gulden vor Furlon von Witzenhusen na Northeim" erhielt. Dies läßt schließen, daß ihn der berühmte Superintendent Anton Corvin, der wackere Kämpfer für die Reformation, begünstigte, indem dieser damals an der Pfarre zu Witzenhausen stand. Es ist sicher außer Zweifel, daß dieser Capellan "Mathias Bracht" mit dem im J. 1555 in Nordheim wieder auftretenden "Mag. Mathias Caselius Bracht" dieselbe Person sei, da alle Zeitrechnungen und Lebensumstände dafür sprechen.

Von Nordheim mag Mathias Bracht wieder nach Göttingen zurückgegangen sein, da er einige Jahre aus der Geschichte verschwindet. Es ist nämlich bei dem Mangel an sichern Quellen nicht zu ermitteln, ob unser M. Bracht der im J. 1543 zum Superintendenten in Gandersheim ernannte "M. Mathias Brachius" 2 ) sei.

Als im J. 1547 die Mönche zu Nordheim wieder zum Papismus zurückgefallen waren, sandte der Superintendent Anton Corvin ihnen den "Herrn Mathiam Bracht", welcher persönlich zu Corvin nach Pattensen gekommen war, als Prädicanten zu, um die Reformation in der Klosterkirche durchzuführen; Corvin schrieb, Pattensen 1. Nov. 1547, an den Rath der Stadt Nordheim, er "habe sonderlich mit gemelten Herrn Bracht geredt, daß in der Klosterkirche für den münchen, damit inen ire Unwissenheit bekandt werde, zur Beßerung der Catechismus und die Kinder=Lahr fürgenohmen und für und für getrieben werden solle". 3 ) Er war sicher noch im Februar 1548 in Nordheim. Wir erkennen in dieser Berufung deutlich die vorherrschende Begabung Bracht's zum Amte eines Lehrers, welches er so viele Jahre an verschiedenen Orten verwaltete.

Von Nordheim kam Mathias Bracht gleich darauf nach Gandersheim als Rector der dortigen Schule. Dies sagt Johannes, welcher die Schule zu Gandersheim besuchte, selbst in


1) Vgl. Brönnenberg Vaterländ. Archiv für Niedersachsen, Jahrg. 1840, S. 379.
2) Vgl. Schlegel Kirchen= und Reformationsgeschichte der hannoverschen Staaten II, S. 192.
3) Die Quellen hierüber sind eröffnet in Brönnenberg Vaterländ. Archiv, a. a. O. 1840, S. 379, die Briefe über diese Berufung sind abgedruckt daselbst S. 367 flgd.
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einem Briefe 1 ) Von hier mußte er aber in Folge des Interims noch im J. 1548 weichen.

Die Zeit seines Aufenthalts von 1548-1555 ist bisher unbekannt gewesen. Er war aber nach den vor mir entdeckten Quellen in dieser Zeit in Meklenburg, wo er etwa 5 bis 6 Jahre, sicher 1551-1554, wirkte.

Da aber seine Stellung in Meklenburg für den Unterhalt seiner Familie nicht ausreichend war und er mit vielen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hatte, so suchte er eine andere Stelle welche er auch bald fand. Er kam zum dritten Male nach Nordheim. "M. Mathias Caselius (quem et scholae quaedam antiquo cognomine Bracht appellant) war Capellan zu Nordheim an Lüder Goldschmidt's oder Aurifaber's Stelle vom August 1555 bis Mich. 1559 und bezog hier ein Gehalt von 88 Mark. In den nordheimer Kämmerei-Registern erscheint er nur unter dem Namen Bracht." 2 ) Es leidet jetzt wohl keinen Zweifel, daß dieser Bracht mit dem Mathias Bracht, welcher früher schon zwei Male in Nordheim predigte, dieselbe Person war. Von Nordheim ging er nach Göttingen.

Entweder kurz vor oder nach diesem seinen letzten Aufenthalte in Nordheim, oder nach seiner Auswanderung aus Gandersheim im J. 1548, hatte er auf kurze Zeit das Predigtamt zu Catlenburg. 2 ) Es ist über diese Anstellung jedoch nichts Näheres bekannt geworden. - Er kam von Nordheim nicht gleich nach Göttingen, indem A. Mylius am 15. März 1560 an den Herzog Johann Albrecht schreibt, daß "des M. Johannes Caselius Vater ohne Anstellung in Nordheim lebe" (vgl. unten).

Endlich gelangte Mathias Bracht nach einem viel bewegten Leben zur Ruhe, indem er nach Göttingen als Prediger an der Kreuzkirche berufen ward. Hier lebte er an 20 Jahre, indem er erst im J. 1580 in dem hohen Alter von 88 Jahren starb.


2) Wirksamkeit des Mathias Bracht Chesselius in Meklenburg.

Nachdem hier der viel bewegte Gang des Lebens dieses tüchtigen Mannes in einem bestimmten Umrisse dargestellt ist, wird sich seine bisher unbekannte Stellung in Meklenburg, so


1) "Sub bellum videlieet id erat, quod Germanicum postea dictum fuit quando puer admodum, frequentans ludum Gandershaemensem, "- - gubernantte illa omnia patre meo Mathia Caselio Brachtono, - - habebam in caeteris aequalibus tres fratres Strubios." Joh. Caselii epistolae p. 523.
2) Die Quellen hierüber sind erst eröffnet in Brönnenberg Vaterländ. Archiv, Jahrg. 1840, S. 381.
2) Die Quellen hierüber sind erst eröffnet in Brönnenberg Vaterländ. Archiv, Jahrg. 1840, S. 381.
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wie der erste Schritt seines berühmten Sohnes ins bürgerliche Leben klarer erkennen lassen. Daß dies früher schwer möglich gewesen ist, liegt theils in der großen Dürftigkeit der auf uns gekommenen Nachrichten, theils darin, daß Vater und Sohn in früherer Zeit einen anderen Namen führten. Der Vater führte früher nur den Namen Mathias Bracht, erst in Meklenburg erscheint er mit dem Namen "Mathias Bracht Kesselius". Sein berühmter Sohn ließ freilich den Namen Bracht aus seinem Namen fort, nannte sich aber in seiner ganzen Jugendzeit immer "Johannes Chesselius" (statt Caselius) und ward auch von adern Chesselius oder Kesselius genannt. Erst dadurch, daß die Gleichheit dieser Namen ermittelt ist, ist die Erforschung des Zusammenhanges zwischen den in Rede stehenden Personen möglich gewesen.

Bald nachdem Mathias Bracht wegen der Vollstreckung des Interims aus Gandersheim 1548 hatte weichen müssen, kam er nach Meklenburg und ward hier der erste protestantische Prediger in Fürstenberg (im jetzigen Großherzogthume Meklenburg=Strelitz). Ohne Zweifel ward er durch den ächt und kräftig evangelisch denkenden Herzog Johann Albrecht, welcher seit dem Anfange des J. 1547 regierte, ins Land gerufen, vielleicht durch den Herzog selbst auf dessen Reisen zur Beförderung des Protestantismus vom Interim (1548) bis zum oberländischen Kriege (1552), vielleicht durch einen seiner geistreichen protestantischen Diener. So viel ist gewiß, daß er im Dec. 1551 in Fürstenberg wirkte, da der Herzog damals des "Prädicanten von Fürstenberg" Sohn in seinen Studien unterstützte, unter welchem kein anderer als Johannes Caselius verstanden werden kann. Wir besitzen über die Anstellung des Mathias Kesselius zu Fürstenberg aber eine vollständige und ausreichende Quelle, freilich nur eine, nämlich einen Brief des "Mathias Bracht Kesselius", 1 ) welcher erst vor kurzer Zeit in zurückgelegten, ungeordneten Papieren des schweriner Archives aufgefunden ist. Leider ist dieser Brief nicht datirt; er kann aber wohl nur im Jahre 1552 geschrieben sein, da der ganze Verlauf der Begebenheiten für dieses Jahr spricht. In diesem Briefe klagt nun "Mathias Bracht Kesselius, "Diener des Wortes Gottes zu Fürstenberg", daß die ihm endlich anvertrauete Gemeinde zu Fürstenberg durch die Nachlässigkeit und Verderbtheit seiner papistischen Vorgänger so tief gesunken sei, daß er kaum einige Ordnung herstellen könne, wenn nicht des Herzogs hülfreiche Hand eingreife. Da nun


1) Vgl. in dem Anhange, Beilage Nr. 1.
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dazu seine Familie von neuen Leiden heimgesucht werde, so werde er um so mehr von Niedergeschlagenheit gequält, da er in seinem Amte nichts Fruchtbarliches ausrichten könne. Er bittet daher den Herzog dringend, ihn von Fürstenberg an eine andere Kirche zu versetzen, wenn möglich an eine solche, mit welcher eine öffentliche Schule verbunden sei, da er dieser gerne täglich eine oder die andere Stunde gönnen wolle, da er, nachdem er ungefähr 20 Jahre Lehrer gewesen sei, aus Erfahrung wisse, daß auf diesem Wege das Reich Christi am meisten erweitert werde. Man erkennt in dieser Aeußerung nicht allein den eifrigen Lutheraner, sondern auch den unverwüstlichen Schulmann. Er bittet den Herzog um eine Visitation zu Fürstenberg, um dort die gänzlich zerrütteten kirchlichen Verhältnisse 1 ) zu regeln. Aus dem Briefe geht auch hervor, daß Mathias Kesselius noch nicht lange ("temporis plusculum") in Fürstenberg gewesen war.

Durch eine Nachschrift überreicht Mathias Kesselius dem Herzoge eine Ausarbeitung ("ingenii specimen") seines Sohnes und bittet, daß er dieselbe gnädig aufnehmen und dessen Studien zum Nutzen der Kirche und des Vaterlandes befördern wolle. Dies ist der erste wichtige Schritt, den der junge Johannes Caselius auf seiner ruhmreichen Laufbahn that, da er sich hiedurch dem edlen Herzoge näherte, welcher ihn für eine große Wirksamkeit würdig ausbilden ließ.

Der Wunsch des Mathias Kesselius ward sehr bald erfüllt. Er ward um Pfingsten des J. 1553 2 ) als Schul=Rector ("Schulmeister") nach Neu=Brandenburg berufen und sein Sohn ihm als Lehrer (" Schulgeselle") beigeordnet. Mathias Kesselius muß ein tüchtiger Schulmann gewesen sein. Sein Sohn Johannes sagt von ihm in einem Briefe 3 ) an den Rath der Stadt Göttingen: "Mein Vater war ein braver und pflichtgetreuer Mann, und so viel es in jener Zeit möglich war, nicht ungelehrt; als einer aus der Schule des Alexander Hegius und dessen Genossen, welche die ersten Keime der Wissenschaften


1) Kesselins schickt dem Herzoge zugleich ein Sündenregister der Fürstenberger über deren Thaten, die sie in einigen Wochen während der Abwesenheit des Marschalls Andreas Buggenhagen ausgeübt hatten. Kesselius nennt den Andreas Buggenhagen irrthümlich des Herzogs Marschall; die Buggenhagen waren pommersche Marschälle. Dagegen ist es gewiß, daß Andreas Buggenhagen damals meklenburgischer Vogt zu Fürstenberg war.
2) Der Nachfolger des Kesselius in der Pfarre zu Fürstenberg war Hermann Stake aus Paderborn, welcher im J. 1553 von dem Superintendenten eingeführt war; der herzogliche Vogt zu Fürstenberg, Andreas Buggenhagen, hatte ihn im Sept. 1553 eigenmächtig seiner Stelle entsetzt und ward deshalb von dem Herzoge zur Verantwortung gezogen. Daraus folgte 1571 M. Heinrich Timann, vorher Rector der Stiftsschule zu Schwerin.
3) Vgl. Joh. Caselii epistolae p. 514-515.
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in jenem Theile Deutschlands legten, hatte selbst davon etwas in sich aufgenommen. Daß er aber besondern Fleiß in der Unterweisung der Jugend aufwandte, lehrt die Erfahrung, da aus jener ersten, damals erst entstehenden Schule (zu Göttingen) Männer hervorgegangen sind, welche auf den Universitäten die gelehrten Studien mit Glück verfolgten und unter dem Beifalle des Vaterlandes diesem zur Zierde gereichen".

Der Vorgänger des Mathias Kesselius in Neu=Brandenburg war Johann Kolradt. Bei der Visitation vom J. 1552 ward bestimmt: "Demnach der jetzige Schulmeister Johann Kolradt ziemlich gelehrt und bis in das 21. Jahr getreulich bei der Schule gedient und viel Gutes geschafft, sehen wir es für billig an, daß er die Zeit seines Lebens der Supremus und Magister scholae sei und bleibe und daß ihm die Bestallung auf 50 Gulden zur Ergötzung seines angewandten Fleißes, so lange er am Leben bleibt und der Schule dient, folge."

Johann Kolradt behielt diese Stellung aber nicht lange, indem er schon im J. 1553 durch Kesselius verdrängt ward und dafür mit dem Rathe und andern Altgesinnten gegen die neue Ordnung der Dinge conspirirte.

Das großherzogliche Archiv bewahrt einen interessanten Bericht 1 ) des herzoglichen Richters Licentiaten Erasmus Behm vom 7. Mai 1553 über den plötzlichen Tod des als Protestanten, Theologen und Dichters berühmten Superintendenten (vom 19. Oct. 1552 † 5. Mai 1553) Dr. Erasmus Alberus zu Neu=Brandenburg, welcher zugleich über die Anstellung der beiden Kaselier in Neu=Brandenburg vollständige Aufklärung giebt. Der Licentiat Erasmus Behm mußte unter andern am 2. Mai 1553 im Namen des Herzogs von dem alt gesinnten und widerspenstigen Rath der Stadt fordern, daß "der Rath und E. Behm den zum Schulmeister annehmen sollten, welcher Kirchherr zu Fürstenberg gewesen sei", worauf der Rath die "stolze Antwort" gab: "sie hätten denselbigen Mann von Fürstenberg sammt seinem Sohn zum Schulmeister angenommen und wollten sich mit ihm wohl vergleichen und bedürften des Doctors und des Licentiaten Handlung nicht". Darauf habe E. Behm den Superintendenten mit dem angenommenen Schulmeister sammt dem jungen Casselio und noch einem Schulgesellen in sein Haus zum Mittagsmahl gebeten". E. Behm berichtet weiter, am 3. Mai 1553 sei Dr. Alberus, den die Brandenburger haßten


1) Vollständig nach einer Archiv=Abschrift gedruckt in F. Boll's Erinnerungen aus der Geschichte von Neu=Brandenburg, im Wochenblatt für Mecklenburg= Strelitz Neu=Brandenburg, 1849, Nr. 38, S. 150 flgd.
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und versäumten, "mit dem angenommenen Schulmeister und Schulgesellen nach der Mahlzeit spazieren gegangen, gesungen und fröhlich gewest". Als nun am 4. Mai der Rath mit Alberus verhandeln wollte, berief dieser die Prädicanten, sammt dem neuen Schulmeister und die Schulgesellen zum Handeln, in Hoffnung, die Schule und Kirche zu der Ehre Gottes und Besserung gemeines Nutzens in Einigkeit zu bringen". Dagegen habe aber der alte Pfarrer Martinus Wendt und der alte Schulmeister sammt den vier Burgenleistern und dem Stadtschreiber neben etlichen ihren Jüngern und Anhängern conspirirt, so daß der Dr. Alberus dadurch in große Aufregung gekommen sei. In der darauf folgenden Nacht vom 4. auf dem 5. Mai rührte den Dr. Alberus der Schlag. Um 4 Uhr Morgens ließ er "den neuen Schulmeister rufen und sagte zu ihm: O lieber Herr Casselius, der liebe Gott will mich aus diesem Trübniß erlösen, ich habe speciem apoplexiae ich werde sterben müssen". Am 5. Mai Abends 9 Uhr starb der große Mann in Kraft und inbrünstiger Ergebenheit.

Aus diesem Berichte ergiebt sich klar die Anstellung und der Geist des wackern Mathias Kesseluis, der einem so bedeutenden Manne, wie Erasmus Alberus, lieb und werth war. Auch in Neu=Brandenburg blieb Mathias Bracht Kesselius nicht lange. Schon im Aug. 1555 ging er als Capellan zum dritten Male nach Nordheim, von wo er nach Mich. 1559 nach Göttingen berufen ward.

So sagt die bisher bekannte Geschichte. Nach einem eigenhändigen Briefe des M. Andreas Mylius an den Herzog vom 15. März 1560 verhält sich die Sache anders. Mathias Kesselius war aus Neu=Brandenburg durch das Unrecht des Rathes der Stadt verdrängt und lebte damals ohne Anstellung in Nordheim. Der Herzog beabsichtigte 1560, in die damals noch ganz katholischen Leibgedingsämter seiner streng papistischen Mutter Anna endlich die Reformation einzuführen und suchte namentlich einen tüchtigen Prediger für die Stadt Crivitz. A. Mylius schlug dazu den Mathias Kesselius vor:

"M. Chesselii pater, iniuria Brandenburgensium eiectus, uacans conditione, Northemi est, vir grauis et doctus. Illum Criuitzii existunarem collocandum. Si uidebitur, mittat Celsitudo Tua literas M. Joanni Chesselio, eius filio; Furstenbergum uenturum spero".

Jedoch trat im J. 1561 darauf Michael Bramburg als Pradicant zu Crivitz auf.


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II. Johannes Caselius
in seinen Beziehungen zu Meklenburg.


Das Leben des Johannes Caselius erhält erst durch die Darstellung des Lebens seines Vaters seine rechte Begründung. Johannes Caselius, der älteste von den Söhnen des Mathias Bracht Kesselius, war am 17. Juni 1533 zu Göttingen geboren, als sein Vater daselbst erster protestantischer Schulmeister war, daher nennt er sich auch bei seinen ersten Auftreten wiederholt "Goettingensis". Seinen Jugendunterricht erhielt er auf den Schulen zu Göttingen, Nordheim und Gandersheim und durch seinen Vater, der an diesen Orten längere Zeit wirkte, 20 Jahre lang als Lehrer diente und gelehrt und geschickt genug war, um junge Leute zur Universität vorzubereiten. Auch soll er nach älteren biographischen Nachrichten eine Zeit lang auf der Schule zu Nordhausen gewesen sein, wo er den Unterricht des damals berühmten Michael Neander genoß.

Während seiner ersten Jugendstudien schreibt er sich beständig "Johannes Chesselius Göttingensis".

Im J. 1551, als sein Vater Prediger zu Fürstenberg in Meklenburg geworden war, bezog er die Universität Wittenberg, vorzüglich um Melanchthon zu hören. Hier ward er am 3. Sept. 1551 immatriculirt: 1 )

1551. "Johannes Kesselius Göttingensis. 3. Sept."

Nota adscr. "Caselius, J. U. D. Professor Rostochiensis".

Der scharf blickende Herzog Johann Albrecht muß schon früh auf den reich begabten Jüngling sein Auge geworfen haben; denn als er im Decbr. 1551 in Folge des lochauer Bündnisses eine Reise zu dem Kurfürsten Moritz nach Dresden machte, schenkte er, nach der Reiserechnung, 2 ) auf seiner Rückreise durch Wittenberg am 23. Dec. 1551

"2 Goldgulden des Prädicanten von Fürstenberg Sohn, der zu Wittenberg studiret".

Hierunter kann nur Johannas Caselius verstanden werden. Bemerkenswerth ist, daß der Herzog keine andere außerordentliche Ausgaben in Wittenberg machte, als diese eine, was dafür zeugt, daß er sich bei seiner großen Eile um keinen andern kümmerte.


1) Vgl. Album academiae Vitebergensis ed. Foerstemann, Lipsiae, 1841, p. 269 a.
2) Bemerkenswerth ist, daß in dieser Rechnung das Jahr sicher noch mit Weihnacht begonnen wird. Die Einnahmen und Ausgaben werden bis zum 24. Dec. unter dem J. 1551, von da an (25. Dec. 1552) unter dem J. 1552 aufgeführt.
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Daß der Herzog ihn schon früh unterstützt habe, geht aus dem Reverse 1 ) des Johannes Caselius vom 19. Juni 1560 hervor, in welchem er selbst bekennt, daß er für die "Fülle der Wohltaten, mit denen der Herzog ihn von Jugend an überhäuft habe ("beneficiorum, quibus me idem princeps a pueris cumulate est prosecutus"), dankbar verpflichtet sei". In einem spätern Briefe 2 ) an Petrus Victorius zu Florenz sagt er, daß er den Dienst des Herzogs Johann Albrecht nicht verlassen könne, da er von Jugend 3 ) auf bei ihm gelebt habe und von ihm freigebig unterhalten worden sei ("neque tamen a duce Megapolitano discedere volui, apud quem et a puero vixissem et a quo fuissem habitus paene liberaliter."). Ferner sagt er in der Einladung zu seiner Hochzeit an den Herzog vom 20. Sept. 1571, daß er vom Anfange seiner Jünglingsjahre an von dem Herzoge unterstützt worden sei ("tibi gratias agam, quod ab ineunte adolescentia non solum subleuasti munificentia tua tenuitatem meam, verum etiam semper mihi tribuisti plurimum").

Hiemit stinunt denn auch eine Aeußerung in einem seiner ersten Briefe 4 ) vom J. 1554 überein, nach welcher ihm einige gelehrte Männer gerathen hatten, nach Wittenberg zurückzukehren ("qui mihi fuerunt autores Vitebergam redeundi"). Hier in Wittenberg erfreuete er sich als ein ergebener Schüler Melanchthon's der besondern Gunst dieses ausgezeichneten Mannes.

Vermuthlich aber waren seine Mittel zu schwach, als daß er sich auf der Universität hätte erhalten können. Er ging, wahrscheinlich im Herbste des J. 1552, zu seinen Aeltern nach Fürstenberg zurück und empfahl sich von hier aus dem geistreichen Herzoge, welcher junge Talente mit Liebe unterstützte, durch eine Ausarbeitung, 5 ) welche sein Vater dem Herzoge mit folgenden Worten 6 ) überreichte:

"Ingenii specimen filius offert, quod precor ut Tua Celsitudo clementer accipere ejusque studia in Christi ecclesiae et Tuae Celsitudinis usum paterne fovere dignetur".


1) Vgl. Beil. Nr. 5.
2) Vgl. J. Caselii epist. p. 184.
3) In der Dedication seiner Leichenrede auf den Andreas Mylius an die Herzoge Adolph Friedrich und Johann Albrecht sagt er (1611), daß er noch den Herzog Heinrich den Friedfertigen in einem Alter von 70 Jahren als junger Mensch (also ungefähr 1550) gesehen habe:
"Henricum ducem ego septuaginta annorum principem peradolescens vidi."
4) Vgl. Beil. Nr. 3.
5) Wahrscheinlich hangt hiemit der erste Brief des Caselius im Anhange zusammen.
6) Vgl. Beil. Nr. 1.
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Dies ist der erste wichtige Schritt zu der glänzenden Laufbahn, welche J. Caselius seitdem verfolgte, indem er sich einen fürstlichen Gönner erwarb, wie es deren wenige gegeben hat.

Der Herzog Johann Albrecht hatte im J. 1552 die allgemeinen politischen und kirchlichen Verhältnisse geordnet und fing im J. 1553 an, dem Einzelnen seine Sorgfalt zuzuwenden; namentlich legte er einen sichern Grund zu seinem großen Gebäude in der Stiftung gelehrter Schulen, in die er vor allen Dingen geistreiche Männer als Lehrer einzuführen suchte; zugleich befriedigte der edle Fürst dadurch seine Hauptneigung, die Beschäftigung mit den Wissenschaften. Im Jahre 1553 stiftete er als Musterschule die Fürstenschule zu Schwerin und berief zu der Einrichtung schon vorher zum Rector seinen nachmaligen Liebling Mathias Dabercusius. Zu gleicher Zeit nahm er an vielen andern Orten die Reformation des Schulwesens vor. Johann Albrecht blickte sehr tief in das menschliche Leben; er begnügte sich in Beziehung auf die Schulen nicht damit, Anstalten zu gründen und ihnen eine befriedigende Einrichtung zu geben: er ging viel tiefer in die Sache ein, und holte schon die jungen Schüler hervor, indem er sie aufmunterte und belohnte und sich von ihren Eigenschaften und Kenntnissen selbst überzeugte. In der richtigen Ansicht, daß seltene Männer sehr - selten sind, suchte er selbst verborgene Talente auf und ließ sie nach seinen Wünschen ausbilden. So zog sich Johann Albrecht selbst für sich und seine Nachkommen und den Staat eine große Schaar wackerer Männer heran, auf die er sicher rechnen konnte und durch deren Wirksamkeit ihm im reifern Alter das Leben verschönert ward.

Zu diesen Talenten, welche der Herzog selbst hervorzog und begünstigte, gehört vor allen Dingen Joh. Caselius. Sein Vater Mathias Kesselius, welchem der Herzog vor kurzer Zeit die Pfarre zu Fürstenberg verliehen hatte, fühlte sich hier nicht glücklich, da er bei der Versunkenheit der Gemeinde nicht viel Frucht schaffen konnte, und bat den Herzog um Versetzung, namentlich an eine Pfarre, mit welcher eine öffentliche Schule verbunden sei. Am 19. Oct. 1552 setzte der Herzog den berühmten und geistreichen, viel geschmäheten und verfolgten, damals flüchtigen Dr. Erasmus Alberus zum Prediger und Superintendenten in Neu=Brandenburg ein, wo er alsbald den alten Sauerteig auszufegen begann und neue Einrichtungen schuf, namentlich die Schule neu gestaltete. Wahrscheinlich war Erasmus Alberus die Veranlassung, daß er den alten, wenn auch verdienten Rector von der Schule entfernte und den gewiegten Schulmann Mathias Kesselius von Fürstenburg zum

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Rector (Schulmeister) der Schule in Neu=Brandenburg und dessen Sohn, unsern Johannes Caselius, zum Lehrer (Schulgesellen) daselbst um Pfingsten des J. 1553 beförderte (vgl. oben S. 9.). Leider lebten beide mit E. Alberus nur wenige Tage zusammen, da diesen schon am 7. Mai 1553 ein plötzlicher Tod hinwegraffte. So war Joh. Caselius schon in seinem zwanzigsten Jahre Lehrer an der Schule zu Neu=Brandenburg.

Als er ein Jahr in Neu=Brandenburg gelebt hatte, klagte er einem Gönner, wahrscheinlich dem M. Andreas Mylius, seine Noth 1 ) und bat um Fürsprache bei dem Herzoge. Er wünschte seine angefangenen Studien fortzusetzen; "er sehe jetzt, wie groß die Schularbeiten seien; er fliehe zwar die Beschwerden nicht, wenn er auch jämmerlich gequält werde, aber er sehne sich, sich in den Wissenschaften zu vervollkommnen, damit er einst, zu etwas Höherem berufen (ad majra vocatus), der Kirche Gottes und dem Staate nützen könne. In Brandenburg, wo er den Winter nicht ohne großen Schaden gelebt habe, habe er keine Aussicht sich fortzubilden". Welche Folgen die Berufung der beiden Kesselier nach Neu=Brandenburg hatte, beweiset z. B. die Matrikel der Universität Wittenberg, 2 ) auf welcher in den nächsten Jahren folgende Neubrandenburger immatriculirt wurden:

1553. Angelus Berstein Neobrandenburgensis. 14. Junii.
1554. Erasmus Bohemus junior Neobrennopyrgensis. 8. Oct.
Josua Petri Neobrennopirgensis. 8. Oct.
Balthasarus Gotteschalckus Brennobirgensis. 8. Oct.
1555. Petrus Techatius Brandenburgen. Megalop. 14. Maii.
1556.       Bernhardus Sperwackt Neobrandeburgensis. 5. April

Johannes Caselius scheint aber so bald seine Wünsche nicht erreicht zu haben; wahrscheinlich mußte er noch längere Zeit in Neu=Brandenburg bleiben. Sein Vater zog im Aug. 1555 als Prediger nach Nordheim. Ihn selbst finden wir einige Jahre darauf wieder in Wittenberg, wo er sicher im J. 1558 lebte. Unterm 21. Juni 1558 finden wir in der Matrikel der Universität Wittenberg 3 ) eine sonderbare Immatriculirung;

(Kesselius)
1558.       "Johannes Redelsen Hussensis (Holsatus)".

1) Vgl. Beil. Nr. 3.
2) Vgl. Album, acad. Viteberg. 1. c. p. 282-326.
3) Vgl. daselbst p. 347 b.
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Das Wort Kesselius ist übergeschrieben und das Wort Holsatus beigeschrieben. Es waltet hier allerdings gewiß ein großer Irrthum ob; aber durch die Ueberschrift des Namens Kesselius wird sicher bewiesen, daß Johannes Caselius 1 ) damals in Wittenberg war.

Daß Johannes Caselius sicher seit dem J. 1558 in Wittenberg lebte, geht aus seinem Briefe 2 ) von Wittenberg vom 1. Dec. 1559 bestimmt hervor. Der Herzog hatte ihn freilich ansehnlich unterstützt; diese Unterstützung war aber beim gänzlichen Mangel eigener Mittel nicht ausreichend gewesen. Johannes Caselius hatte also zu Wittenberg eine Privatschule ("domesticam scholam") gehalten und einige Jahre lang Söhne adeliger oder sonst anständiger Aeltern unterrichtet, und sich dadurch freilich unterhalten, aber mit Schwierigkeit und zum Nachtheil seiner Ausbildung; er war alfo gewissermaßen Privat=Docent gewesen. Er hatte sich daher aufgerafft ("collegi ipse me") und war zu den Wissenschaften zurückgekehrt, um so mehr, da er glaubte, daß dies von ihm erwartet werde, und wissenschaftliche Arbeiten vorgenommen. Er hatte ein Gedicht über den Maulbeerbauni des Zachäus (Lucas 10, 1 flgd.) oder vielmehr über den Zachäus auf dem Maulbeerbaum drucken lassen, welches er dem Herzoge Johann Albrecht widmete. Die Schrift führt den Titel:

Συκομωραiα Ζαχαiου

carmine descripta ad illustrissimum principem ac dominum d. Johannem Albertum etc. a Johanne Chesselio. Witebergae anno 1559, mense Junio.

Auf dem Titel nennt er sich noch Chesselius; die Dedication ist aber unterschriebene Ιωάννης Κ ασήλιος, also Caselius: in dieser Schrift tritt er zuletzt mit dem Namen Chesselius und zuerst mit der Namensform Caselius auf, welche er von jetzt an beibehält; die Form Chesselius gebraucht er nicht mehr. - Der Herzog liebte vor allen andern Dingen die Heilige Schrift in classisches Latein oder Griechisch übersetzt oder umschrieben. In demselben Jahre 3 ) erschien noch: "Jo. Chesselii epicedion scriptum Joach. Mullero Hamb. Senatori. Witteb. 1559. 4°".

In Wittenberg war Caselius Magister geworden, da


1) Am 1. Sept. 1554 war ein "Joannes Chesselius Bernicensis" in Wittenberg immatriculirt worden; vgl. Album acad. Viteb. p. 297 b. Dieser gehört ohne Zweifel zu einer andern Familie.
2) Vgl. Beil. Nr. 4.
3) Noch am 30. März 1564 wird von dem Kammer=Secretair Joachim Plesse des Johannes Caselius Bruder Christoph noch "Chesselius" genannt.
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er 1563 in die Rostocker Universttats=Matrikel als "artuim magister Wittebergensis" eingetragen wird.

Er überreichte dem Herzoge von Wittenberg aus am 1. Dec. 1559 nicht allein diese Schrift, sondern auch zwei andere handschriftliche, eine griechische und eine lateinische, welche jedoch noch nicht ganz vollendet waren, und gab sich ganz der Unterstützung des Herzogs hin ("Trado autem me Tuae Celsitudini totum petoque, ut meis musis sua honitate, ope, subsidio et liberalitate non desit"). Zugleich hatte er dem M. Andreas Mylius anvertraut, wie er wünsche, daß ihn der Herzog im nächsten Sommer nach Frankreich schicken möge, damit er sich dort in den Wissenschaften und Sprachen vervollkommnen könne. Sein Wunsch, auf Reisen zu gehen, ward auch schon im nächsten Sommer erfüllt. - Ungefähr um dieselbe Zeit gewann sein Vater eine bleibende Stelle in Göttingen.

In den älteren Beschreibungen des Lebens des Caselius wird gesagt, daß er längere Zeit auch zu Leipzig, Rostock und Frankfurt a. O. studirt habe. Die Quelle, aus welcher diese Angabe herrührt, ist das Doctor=Diplom, 1 ) welches Caselius am 28. Jan. 1566 zu Pisa empfing. Hierin wird, ohne Zweifel nach den Angaben des Caselius selbst, gesagt, daß

"Johannes Caselius, Mathiae filius, Gottingensis, - - in celeberrimis Lipsiaca, Rostochiana. Francofordiana ad Viadrum atque Bononiensi academiis - - per plures annos legibus insudavit."

Caselius hatte aber ohne Zweifel am längsten in Wittenberg studirt, und doch wird dieser Universität in dem Diplome gar nicht gedacht. Auch ist in den brieflichen Quellen von andern Universitäten, als der wittenberger und den italienischen, nicht die Rede. Zu langen Studien auf den übrigen Universitäten fehlte es dem Caselius an Geld, und es bleibt für dieselben kaum Zeit übrig, da seine Studienzeit fast ganz von seinem Aufenthalt in Wittenberg ausgefüllt wird. Dennoch wird er kürzere Zeit auf diesen Universitäten verweilt haben, um hier die bedeutendern Männer kennen zu lernen, da er in einem Schreiben an die meklenburgischen Landräthe 2 ) vom J. 1610 selbst sagt, daß er mehrere Universitäten besucht habe.

"Statim enim de universa studiosa iuventute mereri studebam, neque id vulgari modo, cum et plures academias adiissem et clarissmios


1) Vgl. Joh. Caselii epist., Hanov. 1718, Vorwort.
2) Vgl. Joh. Caselii epist., p. 171.
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doctores audivissem, etiam in Italia et me et sapientissimam vetustatem retulissem."

Ohne Zweifel ging Caselius von Wittenberg auf einige Zeit nach Leipzig, wo er sich das Wohlwollen des berühmten Professors Joachim Camerarius erwarb, in dessen Hause er fortan vertrauter Freund war. Möglich ist es, daß er sich kurze Zeit auch zu Frankfurt a. O. aufhielt; jedoch wird dies nicht lange gedauert haben. Zu Rostock wird er auch, vielleicht einige Male, kürzere Zeit studirt haben, da er ein Schützling des Herzogs Johann Albrecht war und sein Vater in Meklenburg wohnte. Man kann aber annehmen, daß J. Caselius wesentlich ein Zögling der Universitäten Wittenberg und Leipzig war.

Im Frühling des J. 1560 ging Caselius nach Meklenburg zurück. Bei seinem Abgange von der Universität Wittenberg gab er im J. 1560 eine Elegie an die Universität, seine Freunde und Genossen heraus. Am 3. Jan. 1560 bat Andreas Mylius den Herzog um 20 rheinische Goldgulden für den "Wittenberger Magister", unter welchem sicher Johannes Caselius zu verstehen ist; A. Mylius beklagt sich beim Herzoge, daß der Cabinets=Secretair Joachim Plesse, nach der Weise der Cassenverwalter, wieder gesagt habe, "daß er kein Geld habe":

"Joachimus Plessen pecuniam se negat habere, quod siue ita est, sine consuetudinem suam in negando seruiat, ego Magistrum Vuitebergensem cum aliqua eius molestia tenere cogor. Rogo autem Celsitudinem Tuam, ut mihi 20 Renanos mittat, quos ille nomine Celsitudinis Tuae reddam".

Im März 1560 ward Caselius in Fürstenberg erwartet. Andreas Mylius schreibt am 15. März 1560 an den Herzog:

"M. Chesselii pater, iniuria Brandenburgensium eiectus, uacans conditione Northemi est, vir grauis et doctus. Illuin Criuitzii existimarem esse collocandum. Si uidebitur, mittat Celsitudo Tua litteras M. Joanni Chesselio, eius filio; Furstenbergum venturum spero".

Um Ostern 1560 war er zu Rostock, da er zu dieser Zeit für die Universität ein kleines griechisches Gedicht auf das Veilchen herausgab Epigramma de viola Johannis Caselii, gedruckt in Scripta in academia Rostochiensi publice proposita, ed. a Joh. Posselio, Rostochii, 1567, fol. 24. Er fing hier, nach unsern Begriffen als Privat-Docent, an zu lehren. Er sagt im J. 1610 in seinem Briefe an die meklenburgischen Landräthe, daß er vor 50 Jahren an der Universität Rostock zu lehren angefangen habe:

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"Testis mihi est academia Rostochiana ab anni fere quinquaginta".

Nachdem er auch in Schwerin bei dem Herzoge gewesen war, kam er mit demselben dahin überein, daß dieser ihn zur höhern Ausbildung nach Italien und Frankreich schicken wollte. Am 19. Juni 1560 stellte er zu Schwerin dem Herzoge einen lateinischen Revers 1 ) aus: "daß er aus besonderer Verehrung der Tugenden des Herzogs und aus Dankbarkeit für die großen Wohlthaten, die derselbe ihm von Jugend auf erwiesen, diesem sein Leben zu weihen verheißen habe; da nun seine ganze Lebensrichtung es wünschenswerth mache, der Herzog es auch für gut befunden habe, daß er auf drei Jahre nach Italien und Frankreich gehe, der Herzog auch die dazu nöthigen Mittel herzugeben beschlossen habe, so verspreche er, nach drei Jahren zu dem Fürsten zurückzukehren und ihm in dem ihm zu Theil werdenden Lebensberufe, vorzüglich aber durch Beredsamkeit, in Treue, Fleiß und Aufrichtigkeit zu dienen: er hoffe sicher, sich so ausbilden zu können, daß er im Stande sein werde, die edle Reinheit des Herzogs schirmen, zieren und gegen Verläumdungen schützen und alles das darbringen zu können, was ein gebildetes Leben fordere".

Caselius rüstete sich auch sofort zur Abreise. Der Herzog schrieb eigenhändig in sein Tagebuch:

"210 Thaler Johanni Chesselio vf dreijerige vnterhaltunge zum studio in welschland vnd frankreich gegeben zu Schwerin".

Am 16. Sept. 1560 schrieb 2 ) Caselius von Nürnberg an den Herzog, da dieser ihm befohlen hatte, so oft als möglich zu schreiben. Er meldet dem Herzoge, daß er beschlossen habe, zuerst nach Italien zu gehen, und bat ihn, ihn nicht zu verlassen, da die Reise groß und schwierig sei, worüber er an Andreas Mylius geschrieben habe.

Er ging zuerst nach Bologna und studirte hier, auf der berühmten Schule des römischen Rechts, die Rechtswissenschaft, vorzüglich aber unter dem berühmten Carl Sigonius die classische Literatur. Doch bald zog ihn das feinere Leben und der gelehrte Petrus Victorius, 3 ) Lehrer der griechischen und lateinischen Sprache, nach Florenz, welches ihn so sehr fesselte, daß er nicht zur Reise nach Frankreich kam.


1) Vgl. Beil. Nr. 5.
2) Vgl. Beil. Nr. 6.
3) J. Caselius nennt in seiner Leichenrede auf den Herzog Johann den "Petrum Victorium magnum illum litterarum athletam".
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Zu gleicher Zeit war an denselben Orten Samuel Fabricius, der Sohn des Schweriner Reformators Egidius Faber, den der Herzog ebenfalls auf Schulen und Universitäten ausbilden ließ und nachher zu seinem Archivar, dem ersten meklenburgischen Archivar, und Bibliothekar machte. Samuel Fabricius war noch im J. 1558 auf der Schule zu Schwerin und bei dem Rector Dabercusius in Pension. Am 12. Aug. 1560 erhielt der Herzog Nachricht aus Bologna von einem deutschen Kaufmann Othmer Buochschor, welcher mit Augsburg Verbindungen hatte, wohin der Herzog in Geldverbindungen stand:

"Samuel Fabritzy hellt sich zimlich woll. Er wartt seinem study, auch der wälschen sprach zimlich wol aus, so ist er auch gott sei lob frisch vnd gesund".

Am 14. Febr. 1561 wurden

"264 3/4 Thaler - - nach Bononien an Otmer Puscher (d. i. Buochschor) geschickt, soll Samuel Fabritius zu seinem Studio haben".

Am 6. März 1563 schrieb der Herzog in sein Tagebuch:

"40 vngerische Ducaten bey Petro dem Trumeter dem Samueli Fabricio gen Florentz geschickt zu seiner Unterhaltung".

Am 18. Sept. 1561 schickte der Herzog an Caselius für ihn und Fabricius Geld, 150 Thaler für Caselius und 100 Thaler für Fabricius, und lobte ihre Studien ("vtriusque autem studia probamus - - uosque in eo genere usui nobis et ornamento fore speramus").

Außer andern Bekannten schloß sich auch der Sohn des leipziger Professors Joachim Camerarius 1 ) an J. Caselius.

Johannes Caselius stand schon jetzt in Italien, wie in Deutschland, in großem Rufe. Vorzüglich liebte ihn der große Petrus Victorius, der ihm mit inniger Freundschaft zugethan war und ihn überall als einen ungewöhnlich braven, gelehrten, feinen und mit allen Gaben des Geistes herrlich gezierten Mann pries 2 ).


1) Im Juli 1562 schickte der Herzog Johann Albrecht den Philipp Chitlerus, einen von den preußischen Knaben, welche er mit aus Preußen gebracht hatte ("de quo magnam spem habemus"), nachdem er ihn 6 Jahre lang unter des Rectors Daberensius Leitung auf der Schule zu Schwerin hatte vorbilden lassen, auf die Universität Leipzig und stellte ihn hier unter die Leitung des Joachim Camerarius.
2) So schreibt Petr. Victorius IV. Kal. April. 1563 an den Markgrafen Joachim Friedrich von Brandenburg:
"Pervenil tandem Caselius Florentiam. Ejus adventus multis de caussis fuit mihi gratissimus. Nam diligo valde hominem, et non sine causa diligo. Praeter enim suavissimos mores. summam probitatem, singularem doctrinam, quibus omnibus ingenii dotibus prae- (  ...  )
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Nachdem Caselius im J. 1562 zu Bologna einen Brief an den Markgrafen Joachim Friedrich von Brandenburg herausgegeben hatte ("Epistola ad ill. princ. Joachim. Frid. march. Brand., Bononiae, 1562", auf der rostocker Universitäts=Bibliothek), machte er im Herbste des J. 1562 noch eine Reise durch Italien und schickte sich dann zur Heimkehr 1 ) zum Herzoge Johann Albrecht an. Dieser schreibt 1562 in sein Tagebuch:

"1562. 40 vngerische Gulden dem Cesselio bey seinem brudern geschicket zur Zerung herausser aus Italia 1. Septbris"
     "50 thaler ihm dem Cesselio zur zerung hinein vnd zum klepper, Goldberg am 2. Sept.".

Nach des Casilius Heimkehr schreibt der Herzog in sein Tagebuch:

"1563. 67 thaler Bartholomeo dem ferrarischen Secretario zugestellt, die er für dem Kesselio ausgelegt".

Am 9. Jan. 1563 war er auf der Reise in Leipzig bei Joachim Camerarius, von dem er um so herzlicher aufgenommen ward, da er sich seines Sohnes in Italien angenommen hatte. Camerarius gab ihm einen Brief 2 ) an den Herzog Johann Albrecht mit:

"cum Johannes Casselius, quo filius meus multum in Italia usus esset, ad te, Illustrissime princeps, reuertens et me salutasset",

in welchem er bedauert, daß Caselius so sehr eile und er deshalb dessen Mittheilungen nicht nach Wunsch genießen könne.

Gleich nach seiner Heimkehr nach Meklenburg ward er Ostern 1563 3 ) Professor der griechischen Sprache und der Philosophie an der Universität Rostock. Er ward während des Rectorats des Dr. Laurentius Kirchhof vom Herbste 1561 bis Trinitatis 1563 in die Universitäts=Matrikel 4 ) gegen das Ende dieser Zeit eingetragen:

"Joannes Caselius Gottingensis, poeta laureatus, artium magister Wittebergensis, propter virtutis et eruditionis splendorem honoratus".

Dabei geschrieben ist:


(  ...  ) clare instructus est, intellexi illum et multis signis plane cognovi magnum amatorem mei esse et quasi praeconem quendam meae laudis et nominis". J. Caselii epistolae, p. 99; vgl. 190 etc.
1) Vgl. Beil. Nr. 8.
2) Vgl. Beil. Nr. 7.
3) Vgl. Beil. Nr. 9.
4) Vgl. Rostocker Etwas, 1740, S. 205.
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"I. U. D., Professor Graecae Linguae et Philosophiae",

ohne Zweifel von späterer Hand, da Caselius erst im J. 1566 zu Pisa Doctor juris ward.

Er hielt in Rostock am 1. Sept. 1563 seine Antrittsrede: 1 ) λόγος εiς φιλοσοφiαν, oder: Oratio pro studiis bonarum litterarum ed. 1577. K. Jan.

In Rostock wirkte er in seinem Berufe mit Eifer und Glück. Als aber im J. 1565 in Rostock zu den politischen Unruhen noch die Pest 2 ) verheerend einbrach, war an ein erfolgreiches Wirken nicht zu denken, und Caselius sehnte sich nach Italien. Der Herzog Johann Albrecht ging gerne auf seinen Wunsch ein und verhieß ihm wieder Unterstützung zu dieser Reise. Am 16. März 1565 bat er, als die Pest immer näher kam, den Herzog um das verheißene Geld und die Briefe, die er mit nach Italien nehmen solle, da seine Abreise nahe bevorstehe. Caselius ging zuerst nach Bologna, wo er jedoch in eine lange und gefährliche Krankheit fiel. Am Ende des Jahres ging er wieder nach seinem Lieblingsorte Florenz, wo Petrus Victorius 3 ) sich seiner mit der treuesten Liebe annahm; dieser schreibt 4 ) am 31. Dec. 1565 an den Markgrafen Joachim Friedrich von Brandenburg:

"Pervenit tandem Caselius Florentiam, cum Bononiae prius longo et periculoso morbo conflictatus esset. Ejus adventus multis de caussis fuit mihi gratissimus" etc.

Caselius selbst schreibt 5 ) von Florenz am 14. Jan. 1566 an den Herzog Johann Albrecht:

"uix enim ab aestiuo morbo uitam eripui et huic retinendae iam incumbo".

In einem am 3. Febr. 1566 geschriebenen Nachtrage zu diesem Briefe schreibt er dem Herzoge, daß er nach Pisa gereiset gewesen sei, um sich dort unter die Zahl der Juristen einschreiben zu lassen:

"Pisas abii ibique egi. ut ceteris iuriscon-


1) Vgl. Krey Beitr. zur meklenburgischen Kirchen= und Gelehrten=Geschichte, I, S. 126.
2) Im Juli 1565 war die Universität in Rostock ganz aufgelöset: alle Professoren und Studenten waren geflohen. Der Handel hörte ganz auf; ja es wurden keine Rathssitzungen gehalten.
3) Petrus Victorius war, bei allen großen Verdiensten, ein sehr eitler Mann, welcher stolz auf Caselius war und sich dessen zu seiner Verherrlichung bedienen wollte, warum er ihn in jedem Briefe bittet. Als nun Victorius alt ward, mochte dies unerträglich werden. so daß Caselius selbst 1567 dem Victor Bassewitz räth, nicht bei dem alten Victorius" zu hören. Vgl. J. Caselii epist. p. 155.
4) Vgl. J. Caselii epist. p. 99.
5) Vgl. Beil. Nr. 10.
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sultis adscriberer: non tamen his studiis, quae ego nemine negligentius colui atque, ut doctis uidear, excoluii, desertis. - - Etsi autem me, ut debeo, metior: tamen omnibus suffragantibus adeptus fui quodl uolebam, ut in ordinem hunc amplissimum reciperer et omnia mihi eiusdem insignia contribuerentur".

Er ward nämlich am 28. Jan. 1566 zu Pisa im erzbischöflichen Pallaste unter sehr ehrenvollen Lobsprüchen zum Doctor der Rechtsgelehrsamkeit 1 ) erhoben, machte jedoch in der Folge keinen amtlichen Gebrauch von dieser Wissenschaft. Unter den Zeugen dieser Promotion zu Pisa steht oben an: "dominus Joachimus Bassevicius Megapolitanus", aus Lewetzow, 2 ) mit welchem Caselius sehr vertraut war und an den mehrere Briefe in der Briefsammlung 2 ) gerichtet sind.

Dieser "Joachim von Bassewitz zu Lewetzow" ward wegen seiner Bildung am 9. Febr. 1577 zum Hofmeister des Prinzen Johann bestellt und begleitete denselben nach Leipzig auf die Universität.

J. Caselius war mit der meklenburgischen Familie v. Bassewitz sehr vertraut; sie wird in seinen gedruckten Briefen oft genannt und in seiner Briefsammlung ist (pag. 150) eine eigene Abtheilung von Briefen "Ad nobiles a Bassewitz". Mit Joachim v. Bassewitz von Lewetzow, aus dem Hause Thorstorf, und Vicke v. Bassewitz (von Dalwitz?) hatte er in Italien studirt. Den jungen Lüdeke v. Bassewitz von Dalwitz (?) hatte er nach seiner ersten italienischen Reise im Jahre 1563 zu Rostock bei sich im Hause gehabt. Des J. Caselius jüngster Bruder Daniel datirt einen Brief vom 29. Jun. 1567 von "Lukow", ohne Zweifel Hohen=Lukow bei Rostock, wo er sich also bei den v. Bassewitz aufhielt.

Caselius lebte nun bis in das J. 1567 vorzugsweise in Florenz, besuchte aber auch andere Städte, namentlich wiederholt Bologna, und trat hier überall mit den berühmtesten Männern seiner Zeit in Verbindung, wie mit Manutius, Muretus, Roborteuo u. A. Der Herzog Johann Albrecht schickte ihm fleißig Geld, um das er jedoch dringend anhalten mußte. Auch verkehrten mit ihm die Meklenburger, die sich in Italien aufhielten; namentlich wohnte mit ihm in einem Hause der gebildete Joachim Hahn, Sohn des Otto Hahn, aus dem Hause Basedow,


1) Das Doctordiplom ist in Joh. Caselii epist. Hannov. 1718, im Eingange vor der Vorrede abgedruckt.
2) Vgl. J. Caselii epst. p. 150 sq. und 164.
2) Vgl. J. Caselii epst. p. 150 sq. und 164.
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"Joachimus Han, Othonis filius, iuuenis animo ita exculto, cuiusmodi ego Megapolitanos esse complures uelim".

Joachim Hahn reisete im Dec. 1566 1 ) von Florenz nach Meklenburg zurück.

Caselius strebte jetzt nach Hause zurück, es fehlte ihm aber an Geld; es war die Schattenseite im Leben des Herzogs Johann Albrecht, daß er für seine Freigebigkeit und seine großartigen Pläne nie Geld genug hatte. Der Herzog schickte dem Caselius im März 1567 zwar 100 Thaler; diese reichten aber lange nicht hin zur Bezahlung seiner Schulen und zum Reisegelde. Caselius reiste nach Bologna, um dort Geld aufzunehmen; hier verweigerte ihm aber der "bekannte Kaufmann" (wahrscheinlich Othmer Buockschor) bestimmt und erzürnt jede Hülfe. Das Wechselgeschäft von Schwerin nach Bologna über Augsburg war schwierig und gefährliche sowohl der Herzog als der Kaufmann hatten früher Verluste erlitten. Caselius klagte daher am 3. April 1567 dem Herzoge seine Noth 2 ) und bat dringend um Geld.

Im Anfange des Monats Juli 1567 trat Caselius endlich seine Rückreise nach Meklenburg an. P. Victorius, der ihm im täglichen vertrauten Umgange sehr lieb gewonnen hatte und seine hohen Gaben bewunderte, meldete 3 ) am 28. Juni dem Markgrafen Joachim Friederich von Brandenburg seine bevorstehende Abreise:

"Cum redeat ad vos Caselius, vir probus et magnis ingenii dotibus ornatus, committendum mihi non putavi, iuvenis illustrissime, quin ad te scriberem. - - Ut autem in mihi valde jucundo Caselii nomine epistolam terminem: cum antea quoque ipsum valde diligerem eximiasque ipsius dotes bene cognitas haberem; in hac tamen nova nostra colisuetudine (fuit enim ille fere omni hoc tempore mecum) melius eas perspexi atque omni ex parte probavi".

Caselius reiste von Florenz über Bologna nach Venedig, von hier durch Tyrol nach Inspruck. Von Inspruck ging er nach Wien, da er gerne die Stadt sehen wollte, welche schon eine Kaiserstadt geworden war. Am 8. Sept. schrieb er dem Herzoge, 4 ) daß er einige Tage in Wien verweilen und erst im


1) Vgl. Beil. Nr. 10.
2) Vgl. Beil. Nr. 12.
3) Vgl. J. Caselii epist. p. 102.
4) Vgl. Beil. Nr. 13.
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October in Meklenburg werde ankommen können. In Wien traf er den Bartholomäus Gryphius, den der Herzog vor kurzem als lateinischen Geheimen und Legations=Secretair in Dienst genommen hatte. Er schrieb jedoch noch am 21. Oct. 1567 aus Wien 1 ) an P. Victorius. Er hatte nämlich in Wien die Liebe des berühmten und einflußreichen kaiserlichen Leibarztes Johannes Crato 1 ) gewonnen, durch dessen Empfehlung der Kaiser Maximilian ihn in den Adelsstand erhob, oder vielmehr ihm die Erneuerung seines Adels und einen neuen Adelsbrief 2 ) verlieh, welcher am 14. Dec. 1567 ausgefertigt ward. Nachdem Caselius zu Dresden gewesen war, hielt er sich am 7. Dec. 1567 zu Leipzig auf, von wo er einen Brief 3 ) an Victor von Bassewitz schrieb, welcher in Florenz studirte; er meinte, er würde vor Januar 1568 nicht in Meklenburg ankommen.

Im Anfange des J. 1568 kam Caselius wieder in Meklenburg an und wirkte in Rostock als Professor und Schriftsteller.

Doch er ward dieser Stellung schon nach einigen Jahren wieder entrückt. Der Herzog Johann Albrecht hegte natürlich den Wunsch, von den Früchten seines begeisterten Strebens auch persönlich etwas zu genießen und seinen Kindern das zu Theil werden zu lassen, was er seinem ganzen Lande und vorzüglich den bevorzugten Geistern zum Nutzen des Landes schenkte.

Die beiden jungen Söhne des Herzogs, 12 und 9 Jahre alt, hatten 7 Jahre lang den M. Georg Volrath aus Wittenberg zum "Pädagogen" gehabt. Der Herzog hatte ihn mit einem, im J. 1572 zahlbaren Geschenke von 1000 Thalern und einem lebenslänglichen Gehalte von 50 Thalern bedacht. Die Wahl war aber keine sehr glückliche gewesen. Der Rector Dabercusius 4 ) hatte einen Theil des Unterrichts übernehmen müssen; schon am 4. Aug. 1566 bat A. Mylius den Herzog, daß er der treuen


1) Vgl. J. Caselii epist. p. 199-200. - In der Leichenrede auf den Herzog Johann sagt Caselius: "Audieram de hac re (educatione principum) disserentes eximios viros, vt Petrum Victorium, - - Joannem Cratonem trium imperatorum archiatrum: qui architecti siue magistri humanae vitae esse poterant, tam vsu longo rerum quam ex studiis sapientiae".
1) Vgl. J. Caselii epist. p. 199-200. - In der Leichenrede auf den Herzog Johann sagt Caselius: "Audieram de hac re (educatione principum) disserentes eximios viros, vt Petrum Victorium, - - Joannem Cratonem trium imperatorum archiatrum: qui architecti siue magistri humanae vitae esse poterant, tam vsu longo rerum quam ex studiis sapientiae".
2) Dieser Adelsbrief ist gedruckt in Caselii epist., Hanov. 1718, vor der Vorrede. Der in demselben dem J. Caselius bestätigte Wappenschild: "im goldenen Schilde fünf rothe, ins Kreuz gestellte Rauten", führt J. Caselius beständig schon seit dem J. 1560, ohne Helm. Außerdem ward ihm in dem Adelsdiplome noch eine Helmzier gegeben: "zwei rothe Adlerflügel, auf deren jedem der Länge nach ein goldener Balken uut drei rothen Rauten unter einander steht". Dieses Siegel mit Schild und Helm führt er nach seiner Erhebung in den Adelsstand, sicher seit dem Anfange des J. 1569. Seinen Brief ans Wien vom 8. Sept. 1567 siegelt er mit einem größern Siegel, mit einem ovalen, von Renaissance=Verzierungen umgebenen Schilde und der Umschrift: JOANNES. CASELIVS.
3) Vgl. J. Caselii epist. p. 150.
4) Von Dabercusius bewahrt das schweriner Archiv noch einen lateinischen Stundenplan für die Prinzen.
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Dienste des Dabercusius, namentlich auch um die Prinzenerziehung ("pro fideli puerorum principum institutione") gedenken möge ("si reliquum vitae spatium docendo, instituendo principes contriverit"). Bei der erneuerten Bestallung des A. Mylius Michaelis 1569 ward dem Rector Dabercusius wiederholt zur Pflicht gemacht, die Prinzen neben dem ordentlichen Lehrer alle Tage in der lateinischen Sprache zu unterrichten, und dem Rath A. Mylius die Aufsicht über den Unterricht und die Prüfung der Prinzen übertragen. Bald ward Volrath mehrerer Laster beschuldigt und ihm am 12. Jan. 1570 die Verschreibung abgenommen, er selbst auch des Dienstes entlassen. Volrath erhob darüber bei dem Reichskammergerichte einen Proceß, welcher im J. 1575 durch Bernhard Hederich und Tilemann Stella dahin verglichen ward, daß Volrath sich mit 2300 Thalern abfinden ließ.

Da nun die Prinzen geistreichern Unterricht haben mußten, Dabercusius auch schon alt ward, so berief der Herzog, ohne Zweifel auch auf den Rath seines Freundes A. Mylius, der alle Angelegenheiten dieser Art leitete, den Dr. Johannes Caselius, den geistreichsten, gebildetsten und erfahrensten Gelehrten des Landes, an seinen Hof als Lehrer seiner beiden Söhne, der Herzoge Johann und Sigismund August, auf 4 Jahre. Am 1. Aug. 1570 ward er förmlich zu diesem Amte bestellt. Zugleich ward aber das ganze Erziehungswerk der beiden Prinzen genauer organisirt. Johannes Caselius leitete, unter der eigenen Aufsicht des Herzogs und dem Beistande des Rathes Andreas Mylius und dem Beirathe des Rectors Dabercusius, die geistige Ausbildung der beiden Prinzen, unterrichtete persönlich aber vorherrschend nur den älteren Prinzen Johann. Zur Unterweisung des jüngeren, wenig befähigten Prinzen Sigismund August ward daneben seit Ostern 1572 Heinrich Siberus 1 ) als Lehrer angestellt. Zur Regierung des Hofstaates


1) Heinrich Siberus stammte, nach dem Album acad. Viteberg., aus Zwickau, da er am 10. Oct. 1540 als "Henricus Siberus Cygneus" zu Wittenberg immatriculirt ward. Sein Bruder Adam Siberus, der erste Rector der Fürstenschule zu Grimma, war 1516 zu Schönau bei Zwickau geboren († 1584); im J. 1556 datirt dieser einen Brief "ex ludo electoriano Saxonico Grimmensi". Heinrich Siberus war ein Freund des Andreas Mylius; dieser und beide Siber waren Schüler des Mathias Marcus Dabercusius gewesen. Heinrich Siber war, nach brieflichen Nachrichten des schweriner Archives, nach vollendeten Universitäts=Studien zuerst Lehrer der Söhne des Grafen Johann Georg I. von Mansfeld=Eisleben gewesen und hatte mit denselben 1 Jahr in Straßburg, 1 1/2 Jahre in Padua und 2 1/2 Jahre in verschiedenen Städten Frankreichs gelebt und war hier während fast der ganzen Zeit der Hugenottenkriege in große Noth und Gefahr gerathen, während der junge Graf Ernst an einer sehr schweren Krankheit darnieder lag. Im J. 1567 war er wieder zurück in Mansfeld. Darauf ward er Lehrer der beiden Söhne des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen=Weimar, der Prinzen Friedrich Wilhelm und Johann. Von Weimar ward er im Anfange des J. 1572 zum Lehrer des Prinzen (  ...  )
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und zur leiblichen und hofmäßigen Ausbildung der beiden Prinzen bestellte der Herzog ebenfalls am 1. Aug. 1570 denHeinrich Pelican zum Hofmeister. Heinrich Pelican war 1 ) ein märkischer Edelmann, welcher in der Jugend in Frankreich in Kriegsdiensten gestanden und darauf, ungefähr seit 1555, lange Zeit am schweriner Hofe gedient hatte, ein einfacher, mäßiger, pflichtgetreuer Mann, der französischen Sprache mächtig und, wenn auch nicht gelehrt, doch gebildet und von der Liebe zu den Wissenschaften beseelt. Er lebte seinem Amte mit der größten Gewissenhaftigkeit und mit Joh. Caselius in einer vertrauten Freundschaft, welche zwischen beiden nie erlosch. - Nach dem J. 1574 ward er herzoglicher Rath; er diente dem Herzoge Johann Albrecht von seiner besten Jugend an 21 Jahre lang, war viel auf Reisen geschickt und sonst in Anspruch genommen gewesen. Er hatte seine Erbgüter in der Mark und außerdem eine kleine Besitzung bei der Stadt Parchim. Im J. 1586 war er Obermarschall des Herzogs Johann, seines Zöglings.

Die geschäftsmäßigen Bestallungen wurden auf gewöhnliche Weise ausgefertigt und sind noch vorhanden. Außerdem trat aber, wie sich denken läßt, Caselius mit dem Herzoge in engere, vertraulichere Beziehungen. Am 15. Juli 1570 überreichte er dem Herzoge eine lateinisch geschriebene Darlegung seiner Ansichten über die Erziehung der Prinzen und außerdem einen ebenfalls lateinisch geschriebenen Plan zur Ordnung des Unterrichts. In der ersten Schrift sagt er:

"Quod mihi munus nobilissimos filios tuos insttuendi imponis, id in me recipio: recipio autem animo sane lubenti, non tam quod illi ab omni parte me parem esse existimem, quam quod fidem animumque meum tibi gratissimum singulari desiderio probatum cupiam. Tanta enim tua in me extant beneficia, vt nihil non vltro debere me subire intelligam, quod quidem sustinere vel aliquo modo, summa etiam cum difficultate queam; hoc est profecto quod me ad mandata tua paratissimum praesto: iam vero etiam policeor omnia, quae a mea tenuitate proficisci possunt: diligentiam autem et fidem sine vlla exceptione


(  ...  ) Sigismund August, dem ein junger Edelmann zur Gesellschaft gegeben ward, nach Schwerin berufen. - Heinrich Siber war ein ausgezeichneter und bewährter Jugendlehrer und trieb in seinem Leben bis zum hohen Alter nichts anders als Jugendunterricht. - Er war mit Christoph Hofmann, welcher im J. 1567 als Hofprediger nach Schwerin berufen ward, vertraut, so wie mit Cyriacus Spangenberg und andern mansfeldischen Gelehrten.
1) Nach Joh. Caselius Leichenrede auf den Herzog Johann.
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tibi policeor, spero etiam futurum aliquando, vt ex re ipsa videas, te in me deligendo prudentissime fecisse eosque, qui huius consilii auctores tibi extiterunt, rectissime consuluisse. - - Ita sum inflammatus cum verum videndi et sequendi, tum tibi et fidelissime et rectissime inseruiendi cupiditate".

Wenn auch die ganze Anstellung geschäftsmäßig geordnet war, so gab doch Caselius dem Herzoge, sehr bezeichnend für das Verhältniß beider zu einander, am 23. Aug. 1570 einen kurzen lateinischen Revers, 1 ) "daß er mit allem Sinnen, Streben und Walten unermüdet in seinem Amte verharren wolle".

In Schwerin wirkte nun J. Caselius nicht allein in seinem Amte, sondern auch im Vereine mit A. Mylius für die ganze geistige Cultur nach allen Kräften. David Chyträus nennt beide des Herzogs Vertraute ("Celsitudinis Vestrae familiares d. Mylius et d. Caselius"), als er am 7. Sept. 1571 den M. Laurentius Rhodomannus zum Schulamte empfahl.

Das Werk der Erziehung des Prinzen Johann ward mit dem heiligsten Ernst betrieben. J. Caselius 2 ) hatte studirt, was Plato, Aristoteles, Xenophon, Plutarch und die bewährtesten Schriftsteller bis auf seine Zeit über Erziehung geschrieben, er hatte darüber den Petrus Victorius und den Johannes Crato gehört, er hatte die Erziehung der Söhne des Kaisers Maximlian II. beobachtet, er hatte sich darüber sorgfältig mit den Erziehern des Markgrafen Joachim Friederich von Brandenburg und des Großherzogs Franz von Medicis unterhalten. Der Vater des Prinzen ließ keinen in den Kreis der Bildung, den er nicht selbst geprüft hatte. Dabercusius wohnte oft dem Unterrichte bei ("aderat saepe Dabercusius"), und Mylius war beständig beiräthig. Zum täglichen Dienste und zum Umgange lebten am Hofe junge Edelleute von reinen Sitten und wissenschaftlicher Bildung, und unter diesen einige mit so großer Gelehrsamkeit ausgerüstet, daß sie Fürstensöhnen den Unterricht hätten ertheilen können, wenn Fürstenbildung allein durch Unterricht zu erreichen wäre.

Caselius verwaltete sein Amt mit der gewissenhaftesten Treue nach dem von ihm vorgelegten und von dem Herzoge gebilligten plane. Als der Herzog nach einiger Zeit, im Anfange des J. 1571, Aenderungen in der Methode anordnen wollte, widersetzte sich Caselius in einem herrlichen Briefe vom 5. März 1571 3 )


1) Vgl. Beil. Nr. 14.
2) Hierüber berichtet J. Caselius selbst in seiner Leichenrede auf den Herzog Johann.
3) Vgl. Beil. Nr. 15.
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mit der größten Entschiedenheit. Er schreibt, er habe bisher mit der größten Anstrengung und Treue den Unterricht nach dem wohlüberlegten und gebilligten Plane besorgt, und könne eine Aenderung unter keiner Bedingung gut heißen; das würde ihm zur Schande gereichen und seine Ehre schwächen, da er die Aenderung unter keiner Bedingung billigen könne, und wenn sie ihm befohlen würde, so würde er es nicht thun, selbst wenn er große Verluste und sogar den Tod zu fürchten hätte. - Aber selbst solche entschiedene Aeußerungen schadeten ihm bei dem Herzoge nicht.

Außerdem gab Bartholomäus Gryphius dem Prinzen täglich Unterricht in den neuern Sprachen. B. Gryphius ("Uringerius", aus "Woringen" am Rhein im Erzbisthume Cölln, auch "Belga" genannt), ein gelehrter Mann, mit vieler Sprachkenntniß und Lebenserfahrung begabt, 1 ) hatte früher bei dem Herzoge Alfons von Ferrara in Spanien und Italien gelebt. Er stand schon im J. 1564, als er aus Italien kam, mit dem Herzoge Johann Albrecht in Verkehr. Am 3. Febr. 1567 ward er von dem Herzoge als "geheimer lateinischer Secretarius am Hofe oder außerhalb Landes in legationibus, nicht weniger auch unsern söhnen in allen sprachen, so der in erfahren, mit Fleiß zu instituiren und mit hoflichen sitten zu unterweisen", in Dienst genommen. Er ging sogleich für den Herzog nach Wien und späterhin vielfach auf Gesandtschaftsreisen. Seit dem J. 1570 lebte er vorherrschend am Hofe zu Schwerin, um Theil an der Ausbildung der Söhne des Herzogs zu nehmen. Jedoch ging er mitunter auf Reisen; so war er z. B. im Jan. 1572 zu Bayonne und wollte weiter nach Spanien. Er zog im J. 1576 nach Wismar und starb im J. 1592 in Frankreich zu S. Vallier (?) am Fieber. 2 )

So wirkte ein Verein seltener Kräfte zur Erziehung der jungen Fürsten an einem Hofe, dem in jenem Jahrhundert nur der Hof der Medicäer an Bildung gleich kam. Betrübend ist es freilich für den Geschichtsfreund, daß nach dem Tode des Herzogs Johann Albrecht alle diese Bestrebungen nicht die unmittelbaren Früchte trugen, die man davon zu erwarten berechtigt war. Aber das Beispiel wirkt nach drei Jahrhunderten so kräftig, wie es nur vor drei Jahrhunderten wirken konnte.

Joh. Caselius verwaltete das Amt eines Prinzenlehrers in Schwerin während der vertragsmäßigen Zeit von 4 Jahren,


1) "Accedebat item quotidie Bartholomaeus Gryphius Belga, vir doctus, multis ipse linguis magnoque vsu rerum praeditus, qui apud Alfonsum ducem Ferrariae, patre Hercule adhuc imperante, in Hispania et post in Italia vixerat". J. Caselius Leichenrede auf den Herzog Johann.
2) "Quem his diebus in Gallia ad Samualerianum febri extinctum accepimus". J. Caselius Leichenrede auf den Herzog Johann.
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vom 13. bis in das 17. Lebensjahr des Herzogs Johann, also während der Zeit, in welcher es angemessen ist, eine sichere Grundlage zur höhern Bildung zu legen. Im J. 1574 "in den Pfingstfeiertagen" ward der Mag. Hiob Magdeburg zum Präceptor des Prinzen Johann bestellt. Hiob Magdeburg, geb. 1518 zu Annaberg, auch ein Schüler des Dabercusius, in der Pfingstwoche 1540 ("Joh. Magdburgk Annebergensis") zu Wittenberg immatriculirt, früher Lehrer zu Freiberg und Meißen, war damals seit Mich. 1570 Rector der Katharinenschule zu Lübek 1 ) und ließ sich, obgleich zu Jahren und des Hoflebens unkundig, durch Heinrich Siber bewegen, da er schon früher mit dem schweriner Hofe in Berührung gekommen war, die schwierige Stellung 2 ) anzunehmen.

Nach einigen Jahren, nachdem der Herzog Johann Albrecht im J. 1576 gestorben war, sollte der Prinz Johann auf die Universität gehen. Caselius wollte ihn, in Uebereinstimmung mit dem Herzoge Ulrich von Güstrow, auf die Universität Rostock haben; aber einer der Vormünder, der Kurfürst August von Sachsen, erreichte seinen Wunsch, daß der Prinz auf eine sächsische Universität geschickt ward. Um Ostern des J. 1577 ging der junge Fürst, in Begleitung seines Lehrers Hiob Magdeburg, 3 ) auf die Universität Leipzig 4 ) und vollendete sowohl hier, als am kursächsischen Hofe in den nächsten zwei Jahren seine Universitäts=Bildung; am 26. Febr. 1578 schreibt der schweriner Rector Bernhard Hederich, daß "der Herzog Sigismund mit des Churfürsten zu Sachsen Sohn studire", und beider Fürsten preceptor D. Paulus Vogelus" sei.

Da der bisherige Hofmeister und herzogliche Rath Heinrich Pelican es zu beschwerlich fand, mit seiner Familie nach Leipzig überzusiedeln, so erhielt der Prinz einen andern Hofmeister. Am 9. Febr. 1577 ward "Joachim v. Bassewitz zu Lewetzow", ein gelehrter und hochgebildeter Mann, 5 ) welcher 1560


1) Vgl. Deecke: Das Catharineum zu Lübek vor 1800, eine Jubelschrift, 1843, S. 49.
2) Joh. Caselius läßt sich in seiner Leichenrede auf den Herzog Johann sehr diplomatisch über Hiob Magdeburg aus: "Praeerat tum ludo litterario Lubecae Jobus Magdeburgensis, bonus senex, non minus Graecis, quam Latinis litteris eruditus: de eo dux cognouerat: cum eo per Siberum egit: persuaderi sibi passus fuit, δώροισiν τ άγανοĩσι, λογοiσι τε αiμυλiοισιν aulae ad senectam expers: quod in ipso non positum fuisse, quius intelligit, nec ex eo carpi ille potest. Vt in aulam venit, videt quae ibi gererentur: etiam tum ibi eram propediem rediturus in academiam: nec ille me sua, nec ego illum mea amicitia indignum censui, quam tuermur in hunc diem".
3) Hiob Magdeburg starb als Privatgelehrter zu Freiberg am 20. Febr. 1595 im 77. Jahre; vgl. Deecke a. a. O.
4) "Electori Angusto id datum fuit, vt mitterentur Lipsiam cum magistro." Joh. Caselius in der Leichenrede auf den Herzog Johann.
5) Joh. Caselius sagt in der Leichenrede auf den Herzog Johann: "Aulae princi- (  ...  )
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bis 62 zu Wittenberg und darauf zu Bologna und weiter in Italien mit Joh. Caselius studirt hatte und dessen Vertrauter Freund 1 ) war, zum Hofmeister des Prinzen ernannt.

In Leipzig nahm der Kurfürst August den jungen Fürsten scharf in Obacht; auch der Herzog Ulrich ließ ihn genau beobachten, namentlich durch den Professor Dr. Veit Winsheim zu Wittenberg, welcher 1576-1594 des Herzogs "Rath von Haus und zu Gesandtschaften" war. Schon damals neigte sich der Prinz zur Schwermut; 2 ) Veit Winsheim schreibt am 5. Febr. 1578 an den Herzog Ulrich von dem Prinzen Johann, "daß unser Student etwas seltsam wird", und der rostocker Professor Sturcius erzählt von ihm in seiner Leichenrede, 3 ) daß der Prinz während seiner Studienzeit in Dresden, als ihn Jemand nach dem gefragt habe, was seiner Brust so tiefe Seufzer entlocke, geantwortet habe: "Das was ich in tiefer Brust berge und mit starker Brust tragen muß".

Der Hofmeister Joachim v. Bassewitz hatte einen so vortheilhaften Ruf, daß ihn nach der Heimkehr des Prinzen der König Friedrich II. von Dänemark, und darauf dessen Sohn Christian IV. in seine Dienste nahm. 4 )

In Schwerin vollendete J. Caselius das Glück seines Lebens, indem er am 30. Sept. 1571 sich mit Gertrud Mylius, Tochter des einflußreichen und hochgebildeten Rathes M. Andreas Mylius, verheirathete, deren als einer ausgezeichneten Frau häufig gedacht wird. Schon am 9. Aug. 1569, als er noch zu Rostock war, nahm er den herzoglichen Secretair M. Simon Leupold, der ihm "mit Gelde und allerlei seidenem und anderm Gewand zu helfen sich erboten hatte, so er sich etwa zu verändern bedacht sein würde", wegen dieses Versprechens in Anspruch, da er sein Augenmerk auf die Verheirathung geworfen habe ("quandoquidem animum ad nuptias iam


(  ...  ) pum magister datus fuit Joachimus Basseuitius, Megapolitanus, inter aequales et populares doctrina et usu rerum praeclare eruditus; nec alii id munus rectius mandari potuit. Basseuitio quoque amici gratulabantur, et ego in primis, tum propter animorum ex iisdem, siue non admodum dissentientibus, studiis conjunctionem, tum quia inuidiam terga dare gaudebam, quae juvenem ex palaestra uenientem a campo hactenus prohibuerat".
1) "Joachimus Basseuitius, amicus meus summus", sagt Joh. Caselius in einem Briefe an Albert Clampe: Epist. p. 614.
2) Vgl. Jahrb. XV, S. 86. Seine Gemahlin Sophie erzählt von ihm: "Hatte solchs vor eine gewonheit gehatt, da ehr noch bei dem preceptor gewesen", - - und es sein gebrauch von jungk auf zu reden gewesen".
3) "Illud ipsum, quod alto pectore concoquo et forti pectore perferendum censeo".
4) Vgl. J. Caselius Leichenrede auf den Herzog Johann. - Auch schreibt J. Caselius an Albert Clampe: "Joachimus Bassevitius, amicus meus summus, ascitus est in aulam a rege vicino, nec tamen ut in aula perpetuo vivat, praemio perliberali". Epist. p. 614.
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"adjicio", fügt er lateinisch hinzu). Am 10. Septbr. 1571 mahnt er seinen Schwiegervater 1 ) um die Hochzeit:

"ut scilicet maturentur nuptiae. Quid enim malim, quam nos et his curis quamprimum expediri et voti quamprimum compotes fieri? Quando igitur filia tua a te mihi desponsa est, quid malimus jam? sponsaliane an nuptias? ego sane non illa jam, sed has expecto. Puto etiam eodem animo esse et vos et filiam. - - Noster enim amor, quantum possum animadvertere, inter filiam tuam et me crescit occulto velut arbor aevo".

Sein Wunsch ward erfüllt. Am 20. Sept. 1571 lud er 2 ) den Herzog Johann Albrecht und seine beiden Prinzen Johann und Sigismund August zur Hochzeit ein; diese Bitte ward ohne Zweifel gewährt, um so mehr, da der Herzog seinen Freund A. Mylius dadurch ehrte und diesem seinen Besuch schon zugesagt hatte. Caselius schreibt an den Herzoge

"quod nuptiis certo interfuturus sis Mylii causa et rogatu, iam cognouimus: cui vt primam maximi huius honoris partem lubens concessero; ita, neque enim infitiabor, eius aliquam mihi libentissime vendicem, quam ille cum pro veteri suo in me amore, tum pro hac nouissima nostra coniunctione minime mihi inuidebit".

Dem Prinzen Johann, seinem Zöglinge, füllte er zu Gemüthe, daß wer seinen Lehrer ehre, dadurch seine Verehrung der edlen Wissenschaften an den Tag lege:

"Qui enim doctorem suum colit, multo magis ingenuas litteras videtur colere, quarum dignitas ipsum nobis principio deuinxit. Sed de suauitate et probitate tua mihi persuadeo, hoc studii officiique non tam rogatu meo, quam sponte tua te in me promptissimo animo collaturum".

Der Herzog schenkte dem Andreas Mylius, und ohne Zweifel dem J. Caselius, zur Hochzeit ein Ehrenkleid ("vestis honoraria anno 1571 in nuptiis filiae meae data est"), und zur Aussteuer: 1 Ochsen, 3 Schweine, 6 Hammel, 2 1/3 Drömt Malz, 1 1/2 Drömt Roggen, 6 Scheffel Waizen und 1/4 Tonne Butter.

Der Herbst des J. 1571 war für Andreas Mylius eine sehr bewegte Zeit. Am 23. Nov. ward ihm ein Sohn geboren; sein Bruder Peter war zu der Zeit aus Meißen ge=


1) Vgl. J. Caselii epist. p. 503.
2) Vgl. Beil. Nr. 16, 17, 18.
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kommen und hatte viel bestelltes Hausgeräth und Lebensmittel mitgebracht; für seinen Bruder Nicolaus sollte er für die Hochzeit sorgen.

Da das Gehalt des J. Caselius für einen eigenen Hausstand in der Residenz wohl nicht ausreichte, so verschrieb ihm der Herzog am 1. Febr. 1572 "in Betrachtung seiner treuen Dienste und Gelegenheit zu Hülfe seiner Haushaltung" zum jährlichen Deputate "3 Drömt Roggen, 3 Drömt Gerste, 3 Schweine, 3 Hammel, 1 Ochsen und 1/2 Tonne Butter".

Doch Joh. Caselius sehnte sich nach der wissenschaftlichen Freiheit und Wirksamkeit zurück. So geistig bewegt das Leben auch am schweriner Hofe war und so vertraut er auch mit dem Herzoge Johann Albrecht und seinem Schwiegervater A. Mylius lebte, so fühlte er doch die große, hemmende Last, welche mit dem Unterricht junger Fürsten 1 ) verbunden war, wenn er sich auch Zufriedenheit des Gemüthes zu erwerben wußte:

"Ipsum sedes transferre grave est, gravissimum praeterea munus docendi principum filios, quod, cum nunquam dubitassem, his annis expertus sum. - - Sic ego me paravi, ut conditione, qua sum, contentus sim, quod non obscure prae me fero".

Er ging daher nach Ablauf der vertragsmäßigen 4 Jahre im J. 1574 nach Rostock zurück und entfaltete hier noch 15 Jahre als Universitätslehrer und Schriftsteller eine bedeutende segensreiche Wirksamkeit

"In aulam accitus, docebam et disciplina regia educabam heri beneficentissimi filios principes Joannem et Sgismundum Augustum. Fide illic praestita ipsos annos quatuor et relato praemio, reversus ad munus academicum, pergebam bene mereri de juventute". 2 )

Bald darauf betrieb der Herzog Julius von Braunschweig, ein gebildeter Fürst, der auch die Wissenschaften liebte und beförderte, in dessen Lande Caselius geboren war und sein Vater lebte, mit allem Eifer die Stiftung der Universität Helmstädt, welche im J. 1576 eröffnet ward. Der Herzog Julius suchte für diese den J. Caselius zu gewinnen. Er lud ihn daher zu sich nach Braunschweig ein, wo er sowohl von den Fürsten, als den Edlen des Landes ungewöhnlich ehrenvoll aufgenommen ward. Der Herzog überlegte mit ihm die Erziehung seiner


1) Vgl. J. Caselii epist. p. 185.
2) Vgl. das. S. 173.
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Kinder welche er fortan schriftlich berieth, und seine Berufung nach Helmstädt. Aber seine Liebe, seine Dankbarkeit und sein Ehrgefühl sträubten sich dagegen, den Herzog Johann Albrecht und dessen Pflanzungen zu verlassene er konnte sich nicht entschließen, aus Meklenburg zu gehen, 1 ) wenn es ihm der Herzog nicht erlaubte. Dieser verweigerte aber dem Herzoge Julius die Erfüllung seines Wunsches.

J. Caselius blieb daher in Rostock; die Universität Helmstädt ward im J. 1576 ohne ihn eröffnet. Aber schon am 12. Febr. 1576 starb sein gnädiger, väterlich gesinnter Fürst Johann Albrecht, und damit schwand der eigentliche Reiz aus dem Leben des J. Caselius. Zwar war des Herzogs Bruder, der Herzog Ulrich von Güstrow, ein gediegener, hoch gebildeter Mann, welcher ebenfalls die Wissenschaften ehrte und beförderte; aber das ganze Leben ward förmlicher, enger, beschränkter, und nach und nach immer ärmlicher: es schwand immer mehr das, was das Leben des Gebildeten über Alles erfrischt, die freie und geistreiche Behandlung des Lebens, und der Kreis der geistreichen Männer, welche Johann Albrecht in so großer Zahl ins Land gerufen hatte, ward immer enger, und die Dogmatik der Theologen gewann die Oberhand über den freien Geist der christlichen Reformation und der antik=classischen Bildung. Auch das häusliche Leben des J. Caselius ward kümmerlichere der alte fürstliche Gönner fehlte. Seine geliebte Frau Gertrud starb schon am 10. Febr. 1583, kaum 30 Jahre alt, im neunten Wochenbette, und er heirathete nicht wieder. Zwar genoß er manche Begünstigung; z. B. wurden seine beiden älteren Töchter im Kloster Dobbertin erzogen und die jüngste bei der Großmutter in Schwerin; aber seine Mittel wurden in Rostock immer geringer. 2 )

"Meae res sunt, ut erant. - - Πλούτος elapsus est, Πενiα adhaesit vel inhaesit potius."

Im J. 1585 war sein Zögling, der Herzog Johann von Meklenburg=Schwerin, volljährig geworden und zur Regierung gekommen. Der Herzog Julius von Braunschweig erließ zum dritten Male einen Ruf 3 ) an ihn und die Sache ward zu Schwerin verhandelt. Aber auch dies Mal konnte Caselius seine Entlassung nicht erhalten.

Da starb am 3. Mai 1589 der Herzog Julius von Braunschweig und es folgte ihm in der Regierung der wackere Herzog Heinrich Julius, dessen Erziehung Caselius hatte mit leiten


1) J. Caselii epst. p. 8 et 125.
2) Das. p. 623.
3) Das. p.624.
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helfen. Der Herzog ruhete nicht eher, als bis er ihn noch im J. 1589 für die Julia zu Helmstädt losgebeten 1 ) hatte. Am 24. Aug. 1589 nahm J. Caselius von der Universität Rostock Abschied 1 ) und empfahl zu seinem Nachfolger den Albert Clampe, welcher jedoch ebenfalls von Heinrich Julius für Helmstädt gewonnen ward und zugleich mit J. Caselius dahin kam. Noch im Nov. 1589 zog J. Caselius nach Helmstädt; er ward hier am 24. Jan. 1590 aufgenommene

"Ordini professorum adscriptus est d. 24. Jan. 1590 vir. cl. Joa. Caselius ex acad. Rostoch. accitus".

Hier entfaltete er, ungefähr 56 Jahre alt, noch fast ein Vierteljahrhundert lang in reger wissenschaftlicher Muße eine große und glänzende Wirksamkeit bis an seinen Tod, der ihn am 5. April 1613, in einem Alter von ungefähr 80 Jahren und in heiterer Ruhe, von dem Schauplatze seines Wirkens abrief, in demselben Jahre, in welchem der Herzog Heinrich Julius starb. Caselius "starb ganz eigentlich in Hunger und Kummer" 2 ) und ward in der Hauptkirche zu Helmstädt begraben.


III. Die Brüder des Jahannes Caselius.

Mathias Bracht Chesselius hatte vier Söhne, von denen Johannes Caselius der älteste 3 ) war; die übrigen waren Christoph, Samuel und Daniel. Da diese ebenfalls den größten Theil ihres Lebens in Meklenburg zubrachten, so verdienen sie einer kurzen Erwähnung, um so mehr, da sie ihrem Bruder Johannes zur Last lagen und wesentlich dazu gehören, dessen Leben klarer zu erkennen.

Christoph Caselius.

Christoph Caselius ward um das J. 1561 in die Dienste des Herzogs Johann Albrecht I. von Meklenburg genommen. Es ist nicht viel mehr als seine Entlassung aus diesen Diensten um Ostern 1573 bekannt geworden; in dieser sagt der Herzog, daß "er zwölff Jhar an vnserm hoff vnser bestalter Diener ge=


1) Vgl. Beil. Nr. 19.
1) Vgl. Beil. Nr. 19.
2) Nach den mir mitgetheilten Beobachtungen des Herrn Archivrath Dr. Schmidt zu Wolfenbüttel.
3) J. Caselius schreibt 1561 an seinen Vater aus Bologna: "Ipse qui maximus inter eos natu sum, exemplo meo frafribus praeeo: studeo et virtuti et sapientiae etc.". Epist. p. 490.
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wesenn vnd sich - - sonderlich in vielseitige verschickung in auswertige Königreich vnd lande, deren sprache er kundig vnd erfaren, jeder Zeit gudtwillig vnd vnverdrossen gebrauchen lassen". Er diente also ohne Zweifel als Secretair, und zwar als Legations=Secretair, wie Bartholomäus Gryphius, um so mehr, da er einige Male auf Gesandtschaften als Begleiter fürstlicher Räthe vorkommt. Am 30. März 1564 quittirte er 1 ) über 12 Thaler anstatt der Hofkleidung und über 20 Thaler für Zehrung (wahrscheinlich auf Reisen). Ungefähr um die Zeit seiner Anstellung schreibt auch J. Caselius am 14. Dec. 1561 von Bologna an seinen Vater, daß er von seinem Bruder Christoph die besten Hoffnungen 2 ) hege. Aus seinen Geldforderungen und andern Andeutungen geht hervor, daß er mit den Räthen Dr. Polei und Dr. Pfeiffer in den livländischen Angelegenheiten wiederholt nach Polen und außerdem auch nach Italien reisete. Christoph Caselius wird aber ein unbedeutender und unzuverlässiger Mensch gewesen sein, da die folgenden Briefe seines Bruders Johannes voll bitterer Vorwürfe 3 ) sind und dieser ihn nur mit Mühe in seiner Stellung erhalten konnte. Um Ostern 1573 ging er von Wismar, wo er damals, wie sein College Bartholomäus Gryphius später, wohnte, ohne Erlaubniß des Herzogs und ohne alle Geldmittel nach Magdeburg und bat hier um seine Entlassung, da er von dem Herzoge "lange Zeit hero gantz wenig gebrauchet worden, welchs nicht alleine ohne meinen nutz vnd frommen vorblieben, sondern auch bei andern leuten nur zum hosten schimpf vnd böser leudt nachreden gereicht". Er wollte "um mehrern Versuchens willen" andere Dienste suchen und bat um Belohnung seiner "langwierigen, schweren Dienste, gefährlichen Reisen und viel gehabter Mühe", indem er zugleich ein ziemlich bedeutendes Schuldenregister einreichte. Er meinte, "das Glück sei ihm gar zuwider" und er müsse sich gegen sein angehendes Alter nach nothdürftiger Unterhaltung umsehen. Der Herzog gab ihm auch sogleich am zweiten Ostertage 1573 einen günstigen Abschied, ohne Zweifel durch Vermittelung seines Bruders Johannes, welcher damals am schweriner Hofe lebte.

Christoph Caselius wird aber nirgends sein Glück gemacht


1) Der Cammer=Secretair Joachim Plesse notirt ihn in der einen Quittung als "Christoffer Casselius" und in der andern Quittung als "Christofer Chesselius", während er selbst sich "Christophorus Caselius" unterschreibt.
2) "Christophorus nostrae spei satisfacit eamque, si, ut spero, patronum liberalem nanciscetur, etiam superabit." Epist. p. 490.
3) Man vgl. die Briefe des J. Caselius von 1564 und 1568, Epist. p. 496, 497, 501. J. Caselius schreibt z. B. an ihn: "Vale, nec mihi pro vobis omnibus semper laboranti et curas suscipienti irascere" etc.
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haben. Im J. 1587 klagt sein Bruder Johannes, daß er schon in das zweite Jahr bei ihm im Hause lebe und keine Aussicht habe. 1 )

Samuel Caselius.

Samuel Caselius war ein sehr ausgezeichneter Mensch, der aber früh zu Grabe ging, vielleicht durch seine Reizbarkeit und Leidenschaftlichkeit. 2 ) Sein Bruder Johannes schreibt im J. 1561 seinem Vater von ihm, daß er frühreif herrliche Beweise der Tugend und Gelehrsamkeit gebe. 3 ) Im J. 1561 studirte er zu Wittenberg; sein Bruder Johannes ermahnt ihn von Bologna aus 2 ) väterlich, seinen Leidenschaften Zügel anzulegen. Im Sommer 1563 erwartete er ihn von Wittenberg zurück. 4 ) Im J. 1564 war Samuel bei seinem Bruder in Rostock. 5 ) Aber schon im J. 1565 6 ) raffte ihn der Tod hinweg, wahrscheinlich durch die Pest, die damals in Rostock wüthete und welcher sein reizbarer Körper wohl nicht widerstehen konnte.

Daniel Caselius.

Daniel Caselius, der jüngste Bruder des Johannes, war auch kein bedeutender Mensch. 7 ) Im J. 1563 lebte er zu Rostock. 8 ) Nach zwei ungedruckten Briefen lebte er noch 1567 und 1569 bei seinem Bruder in Rostock. Im J. 1567 war er zum Besuche zu Hohen=Lukow bei den v. Bassewitz, mit welchen sein Bruder in vertrauter Freundschaft lebte (vgl. oben S. 23). Weiter ist von ihm nichts bekannt geworden.


1) "Nec enim fratri Christophoro, qui in alterum annum domi meae vivit, consilii, quod habebat, aperuit." Epist. p. 623.
2) Vgl. J. Caselii epist. p. 474.
3) Samuel aetate praematura, vel recte potius matura, egregium de se et virtutis et eruditionis specimem edit.". Epist. p. 490.
2) Vgl. J. Caselii epist. p. 474.
4) Vgl. J. Caselii epist. p. 495.
5) Vgl. das. p. 496.
6) "Fratrem meum Samuelem Caselium in alterum jam annum lacrymis prosequor", schreibt J. Caselius in Epist. p. 151, vgl. p. 161.
7) "Danielis progressus mihi incogniti sunt, quod ad modum; tamen bene de ipso spero et eum jam exhortor diligenter epistola quadam, ut et nostrum exemplum sequatur et satisfaciat voluntati parentum", schreibt Joh. Caselius an seinen Vater 1561. Epist. p. 490.
8) Vgl. J. Caselii epist. p. 494.
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Beilagen.


Nr. 1.

Mathias Bracht Kesselius, Prediger zu Fürstenberg, in Meklenburg, an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. [1552]


Gratiam et pacem in Christo. Antecessorum Papistarum cum negligentia, tum impostura, atque adeo fascinatione Furstenbergensem ecclesiam fidei mee tandem concreditam m Christiana religione maxime rudem et informem facile probauero, siquidem in hac eadem, ubi singula exactius inspexi, turbata, confusa et contentionum adeo deprehendo plena, ut vix, nisi T. C., illustrissime princeps, adiutrices accedant manus, in ordinem cogi valeant. Interim familia mea nouis calamitatibus affligitur. Ipse [moe]rore consumor, eo potissimum, quod improbus hic in vinea domini parum labor [me]us promouerit. Cuiusmodi nempe erga Christi euangelion ipsi ciues Furstenbergenses [habeant] afflatum, paucarum denique hebdomadarum clari herois domini Andreae Bugg[enha]gen T. C. marschalci absentia clarius luce prodidit, veluti haec chartula eorum nonnihil recenset. Hinc est, o illustrissime princeps, quod T. C. per Christum obsecro, me hinc transferri iubeat in ecclesiam aliam, quae scholam quoque apertam habeat, cui quidem ego, cum plus minus viginti annis tenerae praefuerim aetatulae, lubens operam meam quotidie horam atque alteram usui tradam, qua via multo maxime

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satanae regnum destruitur, regni Christi pomeria dilatantur, expertus scio. Absit nempe aliud in delegati mei muneris functione quaeram, quam ut in docendo et formando rudem iuuentam respublica bene constituatur, in praedicando euangelion ecclesia pulchre aedificetur. Porro me totum, quantulus sum, in hac vocatione mea ecclesiastica T. C. voluntati permitto, etsi optem, ut iam memini, pro hac, in qua temporis nunc plusculum sine fructu tristis egi, aliam Spartam fide et diligentia mea ope diuina mihi ornandam per T. C. clementiam nancisci, modo hoc ipsum m Christi et Dei gloriam fieri T. C. visum fuerit; sin minus, tum per visitationem, quae summe hîc Furstenbergae necessaria est, propediem fieri, turbata apud nos sedentur, confusa in ordinem redigantur, contentionum plena T. C. iubeat quamprimum componanturque diiudicenturque, atque inde nouo T. C. diplomate mihi atque successoribus ordinata vitae sustentatio partibus redituum fructuumque annuorum distincte expressis confirmetur, quo ventura cum confusionum, tum contentionum incommoda haud difficulter vitari cauerique valeant. Illustrissimam T. C. in afflictae ecclesiae consolationem plures annos tueatur Deus Optimus Maxmus incolumem, faustam atque foelicem. Amen.

T. C.

deditissimus

Mathias Bracht Kesselius     
Furstenbergensis verbi minister.

Ingenii specimen filius offert, quod precor ut T. C. clementer accipere eiusque studia in Christi ecclesiae et T. C. terrae usum paterne fouere dignetur.

Illustrissimo principi ac domino domino Johanni Alberto, duci Megapolensi etc. domino principi et patrono suo clementissimo.

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Eine Stelle hat durch Moder sehr gelitten; die ganz unleserlichen Stellen sind in [ ] ergänzt.


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Nr. 2.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. [1552.]

Illustrissimo principi ac domino
domino Johanni Alberto,
duci Megalopyrgensi etc. ., domino suo clementissimo.

Εύ πράττειν.

Deus pro sua sapientia politias, studia litterarum et reliquias generis humani inter tristissimas imperiorum ruinas conseruat, ut filio colligat agmen, celebraturum ipsum in omnem aeternitatem, et propterea nonnulla heroica ingenia exuscitat, quorum alia defendunt et alunt ecclesiam, alia variarum rerum cognitione, quarum vsus in docendis hominibus de vera religione est plane necessarius, se instruunt. Agimus igitur Deo aeterno, patri domini nostri Jesu Christi, gracias ex animo, quod et te, illustrissime princeps, esse σκεύος έλέους et per Tuam Celsitudinem et honestas artes et veram doctrinam de patefactione diuina in his tuis regionibus voluit instaurari. Cum igitur tanta tua sit virtus, recte ad te confugiunt in hac languida et effoeta mundi senecta, quotquot studiis suis prodesse aliis voluit. Proinde non mea temeritas, sed tua in omnes pios et literatos clementia facit, vt ad te audacter accedam. Hanc audaciam auget et confirmat singularis liberalitas, qua te meis studiis nusquam defuturum aliquoties ostendisti. Rogo igitur, illustrissime princeps, vt, si fieri potest, me clementer audias. Ego vicissim dabo operam, vt Tuae Celsitudinis expectationem de meis studiis conceptam non modo non fallam, sed et aliquando dante Deo superem. Deus, in cuius manu est cor regis, Tuam Celsitudinem ad reipublicae, musarum et ecclesiae catholicae conseruationem et propagationem multos annos seruet incolumem. Amen.

Tuae Celsitudinis deditissimus cliens

Johannes Chesselius     
Gotthingensis.          

Nach dem Originale im großherzogl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, auf demselben Papier und von derselben Handschrift, wie beides der Brief an den M. Andreas Mylius von [1554] zeigt: beide ändern sich im Laufe der Zeit.


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Nr. 3.

Johannis Caselius (an den M. Andreas Mylius).

D. d. [1554.]


Εύ πράττειν. Etsi te, doctissime vir, plurimis negociis occupatum esse scio, tamen tua singulari humanitate et in μούσας καi φιλομούσους amore fretus, spero hanc meam interpellationem minus tibi molestam fore. Breue et facile est quod cupio. Scit tua humanitas, ab Hesiodo tria hominum genera depingi, quorum primi honestis consiliis, nec sibi, nec aliis desunt; his vicini sunt, qui, cum non semper prospiciant, quid in rem suam sit, aliorum consiliis et fidelibus admonitionibus vtuntur; de eo tandem, qui et ipse rerum ignarus est et aliorum recta consilia spernit, ibidem recte dicitur όδ' αύ άχρήϊος άνήρ. Ego itaque cum sim consilii inops, malo id ab aliis petere, cumque aliquoties intellexerim, te meis studiis fauere, nihil vnquam de tua m me voluntate dubitaui.

Quae mea sit aetas, vides, et quae meorum studiorum ratio, scis. Haec feliciter fortassis inchoata fatebere, illa dum vernat (tacite autem pede, iuxta poëtam, labitur), exacuendum mgenium et a studiis non deficiendum temere non negabis. Sed quibus rationibus coeptorum studiorum cursum continuare Brandeburgi possim, non video, vbi hac hyeme non sine horum graui iactura vixi, siquidem ibi non est, neque esse potest, vbi me exerceam, locus. Praeterea, quanti sint labores scholastici, iam video. Eas molestias non tam fugio, etsi me misere macerarunt, quam in literis progredi cupio, vt aliquando ad maiora vocatus ecclesiae Dei et rebuspublicis vsui sim. His difficultatibus impulsus consului aliquot homines doctos, qui mihi fuerunt autores Vitebergam redeundi. De tua autem sententia et de tuo consilio et illustrissimi principis mandato quicquid facturus sum fiet. Quare etiam atque etiam rogo, vt auf suffragio aut consilio tuo me iuues. Nosti illud Graeci poëtae μηδέ δόμον ποιών καi τά λοιπά. Profecto, vir doctissime, nisi has artes, quas ego vix attigi, integre et fideliter didicisses, ad tantum fastigium munusque euectus fuisses. Si est igitur, vt, quod vis, velis consultum meis Musis et me proficisci Vitebergam, velis quaeso tantum, ut indices nostro principi meum institutum, apud quem te plurimum valere scio. Ego certe dabo

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operam, ne principis clementia multis meo nomine sumptibus grauetur. Quodsi me tibi curae esse sensero, id erit mihi gratissimum. Τάχιοτα. έρρωσο, καi εύτυχέοτατα πράττων διατέλει.

Joh. Chesselius.     

Nach dem Originale im großherzogl. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, wie der Brief vom J. [1552]. Ohne Zweifel ist dieSer Brief an den M. Andreas MyliuS geschrieben.


Nr. 4.

Johannes Caselius an den herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Wittenberg. 1559. Dec. 1.


S. Cum singulari clementia et liberalitate, illustrissime princeps, me ante annos aliquot in studiis T. C. fouerit egoque magnitudinem eius in me beneficiorum animo repeterem: dedi operam, vt intelligeret T. C., non in ingratum clientem, sed eum, qui et T. C. esse uelit, et se ei uel vitam debere fateatur, quidquam collatum esse. Quare post meam domesticam scholam, quam hic, quando auf nobilibus familiis aut alioquin honestis parentibus natos adolescentes fideliter erudii, aliquot annos non sine difficultate et meorum etiam profectuum impedimento aperui, cum uiderem, iis operis non solum interrupta fuisse mea studia, sed et aetatis aliquam partem, cum qua vna ingenium hebesceret et interiret, elapsam: collegi ipse me putauique a me expectari hoc ab omnibus, vt ita in disciplinis reliquis praestarem et ne umbram gloriae ex eruditione mihi quaesiuisse viderer et ut vtiliter T. C., cuius me clientem agnoscerem, aliquando inseruirem, si ad quaecunque negocia, quibus idoneus iudicarer, ne aliquando adhiberet. Caeterum cum id perfecturum me sine vlteriore ope T. C., ut qui neruis essem destitutus, diffiderum, vt ad eam commodius redirem, edidi T. C. auspiciis de Sycomoraea carmen accurate tam rerum, quam ποιήσεως habita ratione a me scriptum. Id T. C. obtuli eamque et meum conatum et carmen probasse non dubito; placuit vtrumque Mylio: quos ego censores meae diligentiae si habeam propicios, nihil est

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quod uereor ceterorum iudicia, quae tamen, si et docta et candida sint, non defugiam. Mitto etiam nunc ad T. C. libellos du'os incoatos quidem a me, alterum Graece, alterum Latine scriptos, sed neque adhuc perfectos neque expolitos, quos tamen mutilos ea de causa T. C. mittere non erubui, vt videret, et in qualibus studiis quotidie versarer, et quantum diligentia mea praestarem. Veritus enim sum quicquam ad T. C. dare literarum, nisi simul et ingenii specimen, qualecunque id esset, afferrem. Inspiciat igitur T. C. quae mitto, et si quae merentur, probet; sin quaedam lima indigebunt, mihi in praesentia, partim quod hac aetate plaeraque a me videri nondum queunt, partim quod plaeraque adhuc emendaturus sum, ignoscat. Trado autem me T. C. totum petoque, vt meis Musis sua bonitate, ope, subsidio et liberalitate non desit: quod si faciet, maiori etiam ornamento et vsui T. C. esse potero. Hoc me assecuturum non diffido, si, vt coepi pergam, quod faciam, nisi me fortunae inconstantia a felici studio retraxerit; ne retrahat, per T. C. totum stabit. Aperui uero copiosius animum meum Mylio, me cupere, vt a T. C. ad futuram aestatem in Galliam mittar, vbi me literarum finguarumque cultura vberiore expoliam atque iστορική, ή χάρ πλεiστον τής πολ/#953;τικών τε καi έκκλησιαστικών γνωσεως περιεiλμφεν, recte instruam. Si igitur et iam benigne me sumtu T. C. iuuabit et me eo literarum gratia mittet, quod me impetraturum spero, habebit T. C. propediem eum clientem, cuius eruditio, fauente Christo, neque obscura, neque inutilis T. C. futura sit, quod ipsum, si aliquanto prolixius polliceri uideor, non id iactabundae superbiae, sed acri verae laudis Studio tribuendum puto, quod et Deo non improbari certo mihi persuasum habeo. Atque idem T. C. quoque gubernationem, quod cum ecclesiae et scholis tuta hosptia praebet, tum pios doctores et bonae spei scholasticos clementer fouet, sine dubio diuina benedictione cumulate fortunabit. Datae Vitebergae, cal. Decembris anno 1559.

T. C. seruus

Johannes Chesselius     
p. l.               

Illustrissimo principi ac domino, domino Johanni albert o duci Megapolitano, principi gentis He-

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netae in littore Baltico, comiti Suerinensi, domino Rostochii et Stargardiae, domino ac Mecaenati suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 5.

Johannes Caselius verschreibt den Herzoge Johann Albrecht von Meklenburg, welcher ihn zur Ausbildung auf 3 Jahre nach Italien und Frankreich schicken will, seine Dienste auf Lebenszeit.

D. d. Schwerin. 1560. Juni 19.


Ego Johannes Caselius Gottingensis testimonio huius syngraphae fateor, me et singulari commendatione virtutis, quae de illustrissimo principe Johanne Alberto, duce Megapolense etc. ., domino meo clementissimo, iam multos annos percrebuit, et magnitudine beneficiorum, quibus me idem princeps a pueris cumulate est prosecutus, adductum, postulante illustrissimo principe, quodcunque vitae meae reliquum tempus est, id summa voluntate eius Celsitudinis imperio voluntatique permisisse. Sed cum vitae meae, in primis autem studiorum ea ratio sit, vt, quae res praestantissimis ingeniis celebritatem et prudentiae et rerum et linguarum cognitionem attulit, adeundam mihi esse Italiam et Galliam illustrissimus princeps sapienter iudicarit et sumptus ad eam rem necessarios decreuerit, exeunte triennio reuersurum me, et in quocunque me Deus Optimus Maximus vel praesidio vel statione vitae et officii genere cotlocarit, inprimis autem quoniam vi naturae et amicorum consiliis, iussu etiam illustrissimi principis facultatem oratoriam persequendam mihi esse iudicaui, in eo genere fidem, diligentiam, integritatem me illustrissimo principi probaturum esse sancte Deoque teste confirmo. Magna autem in spe sum, a cuius virtute hoc coniunctionis initium extitit, eiusdem dignam principe mtegritatem in me iuuando, ornando et contra calumnias vindicando, procurandis denique rebus omnibus ad vitam honeste

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transigendam necessariis, nullo loco mihi esse defuturam. Huius igitur scripturae verbalem confirrnans syngrapham manu scriptam mea obsignaui. Actum Suerini Anno 1560. 19. Junii.

(L. S.)

Nach dem Originale, von des J. CaseliuS eigener Hand, im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Der Revers ist untersiegelt mit einem kleinen Siegel mit einem Schilde, auf welchem 5 Rauten Stehen, über dem Schilde mit den Buchstaben: J. C.


Nr. 6.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Nürnberg. 1560. Sept. 16.


S. Etsi, clementissune princeps, nihil erat, quod ad T. C. multitudine negociorum occupatam perscribendum ipse putarem, tamen mihi T. C., quae me quam saepissime literas ad se dare mandauit, parendum fuit. Quod ante placuit T. C. (etsi ea nobilium adolescentum causa clementer Gallicum deinde concessit), ut in Italiam iter susciperemus, accidit, quod ut ne T. C. nunc quoque displiceat, etiam atque etiam rogo. Quae praeterea a Tua C. exoptanda potius, quam petenda sunt, nisi verecundiae limites totus transilire uelun, ad dominum Mylium scripsi. Intelligit et T. C. difficultatem itineris et magnitudinem necessariorum sumptuum. Meum est ut omnium de me expectationi satisfaciam et in primis operam dem, ut T. C. sim ornamento et usui, quorum utrumque, si uiuam, spero futurum quod ad eruditionem iam accesserim, quae si non in primis, certe in mediocribus non sit contemnenda. Valeat tua illustris clementia. Noribergae, anno 1560, 16. Septembris.

T. C. obsequentissimus
cliens               
Ι.  Κασήλιος       

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Illustrissimo principi ac domino, domino Johanni Alberto, duci Megapolitano, principi uetustae gentis Henetae in littore Baltico etc. ., domino ac patrono suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 7.

Joachim Cameraris an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Leipzig. 1563. Jan. 9.


S. D. Cum Johannes Casselius, quo filius meus multum in Italia usus esset, ad te, Illustrissime princeps, reuertens et hac transiens me salutasset, et eum libenter uidi deque studiis nostris ac iis, qui in Italia haec exercerent atque colerent, per mihi iucundae fuere narrationes ipsius, et si quid ei litterarum ad Illustrissimam Clementiam tuam dedissem, cum mea persuasione, turn affirmatione ipsius adductus, gratum id acceptumque tibi fore existimaui. Sane Casselii consuetudine diutius frui cupiebam, neque non ipse meae aliquem etiam usum magnopere expetere uisus est. Sed ne expectationem Illustrissimae Clementiae tuae frustraretur, et properauit ipse discedere, neque remorari illum ego debui. Tuae quidem illustrissimae liberalitatis beneficia in hunc, ac si quem alium praeclare collocata esse iudico, teque ex ipsius moderatione, humanitate, eruditione doctrinae saepe uoluptatem esse percepturum confido. Dedi litteras ad Illustrissimam Clementiam tuam ante menses aliquot quas redditas esse, ut spero, sic intelligere nondum potui. De rebus Gallicis uaria et dissentanea rumoribus dissipabantur. Sed quibus ego fidei haberem plurimum, ea Gallice ad me perscripta putaui Illustrissimae Clementiae tuae mittenda esse, quemadmodum acceperam. Sunt iterum hic edita κατηχητικά nostra, quae conspecta Casselius eleganter esse expressa arbitratus est. Haec ei, si

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uideretur, afferenda Illustrissimae Clementiae tuae tradita. Illustrissima Clementia tua bene ualeat. Vale. Lipsiae, V. Id. Jan. Anno Christi Jesu MDLXIII.

Illustrissimae Clementiae Tuae
addictissimus

Joachim. Camerarius
Pabeperg.          

Illustrissimo principi ac Domino, Domino Johanni Alberto, Duci Megalopurgensi etc. . Domino et Principi suo Clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 8.

Herzog Johann Albrecht von Meklenburg an den Professor Petrus Victorius zu Florenz.

D. d. Neustadt. 1563. März 4.


Joannes Albertus dei gratia dux Megapolensis etc. .

S. Valde eruditos illos tuos omnibusque numeris perfectos in Demetrium Phalereum commentarios, quos istinc ad nos proficiscenti Joanni Caselio, ciui nostro, dederas, superiori mense accepimus, atque ita accepimus, non vt munus exile, etsi tu pro literata tua modestia te ipsum extenuas, sed profecto reipsa magnum teque philosopho eximio dignissimum. Itaque nunc, vt idipsum nobis grauissimum esse intelligeres, ad te scripsimus, et vt eadem opera tibi gratias ageremus, qui et huc Caselium nostrum, quem diximus, a te doctiorem melioremque remiseris, et etiamnum apud te nostrates quosdam adolescentes nobiles literis haud vulgaribus, virtutem de se prudentiamque humano generi vnice salutarem progenerantibus magno labore summaque fide expolias, omnisque praeterea genens officiis iuues atque ornes. Magnam et ex libri tui lectione, quem aliquoties iam, quando a publicis

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curis nonnihil feriaremur, in manus sumpsimus, et ex hoc tuo in gentem nostram nobili liberalique studio voluptatem, vt par fuit, accepimus. Cum vero singulos grato in te animo esse futurosque perpetuo speramus, tum de nobis sic tibi persuadeas, optare nos occasionem, qua plene nostram in te tuosque voluntatem comprobemus, de ea lubenter etiam nos moneri a te patiemur, et ipsam alioqui captabimus. Nunc primum alterum apud te beneficium quaerimus: vt id semper facias, quod facis: tibique porro Germanos adolescentes (audio enim nonnullos istic esse) caros esse velis. Nominatim autem tibi commendo Bernardum Buggenhagium, Joachimum Hanium et Samuelem Fabricium, ciues meos: quos ita, vti volumus, philosophiae veraeque eloquentiae perquam studiosos esse, libenter cegnouimus; ipsis autem quae a te praestari velimus, non tibi praescribimus, summo humanae vitae rectissimorumque morum et consiliorum doctori; priores duo iam sunt Florentiae, tibique ante noti et cari: et adest fortasse Fabricius; sin abest adhuc, meo tamen iussu ad vos quamprimum veniet, tibique cum caeteris operam dabit. Literas tuas eruditissimas, nihil enim aliud a te proficiscitur, tuosque quos bonis literis, nobis et posteritati libros edis, expectamus. Vale clarissime Victori. Ex arce nostra Neostadiensi, IIII. Non. Mart. MDLXIII.

J. A. H. z. M.     
Manu propria     
sst.               

Clarissimo viro domino Petro Victorio, ciui Florentino, nobis plurimum dilecto.
                               Florentiam.

(L. S.)

Nach dem von der Hand des Johannes CaseliuS geschriebenen Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


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Nr. 9.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Rostock. 1563. Aug. 17.


S. D. Quod iussus abs te Gustrouii eram quodque ne obliuiscerer, rationes meae non tacite me monebant; id feci, scripsi aperte, ut decet alumnum, mihi tua munificentia opus esse ad dissoluendum aes alienum, quod his mensibus contraxissem et rem meam familiarem literariamque sit instituendam, ut te tanto patrono meque homine nobilium literarum non vulgariter studioso dignum esset. Iubeor nunc iterum per fratrem, odiosam illam petitionem et mihi cumprimis duram iterare. Id facio, utque me tua liberalitate subleues, et breuiter et quam humiliter debeo, rogo. Non grauabitur Chytraeus scholae nostrae rector, ad me quodcunque respondebitur referre. Ego quae ad me pertinent et docebo et discam sedulo, nee committam, ut quis eo loco, quo sum quoue unquam futurus sum, tibi merito suo me graciosior esse possit. Vale, illustrissime patrone, alumni tui non immemor. Rostochio, XVI. Cal. Sept., MDLXIII.

Tuae Celsitudinis

Ι. Κασήλιος     

Illustrissnno Joanni Alberto, duci Megap., principi Vandalorum etc. . domino et έυεργέτη suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 10.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Florenz. 1566. Jan. 14. u. Febr. 3.


S. D. Et fama percrebuit, et hanc nonnullorum literae confirmarunt, te, Illustrissime Joannes Alberte, animaduersa diuturna Rostochiensium dissensione, certo

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que ipsorum ceruicibus periculo imminente praeuiso, ipsam tuam urbem praesidio occupasse, ut et ingruentem calamitatem omniumque domus penetrantem miseriam auerteres, et tuis ciuibus magistratum, leges, quietem publicam, dignitatem atque omnem denique felicitatem restitueres atque conseruares. Hunc ego nuncium, cum ad te alioquin scribere in animum induxissem, silentio praeterire non potui, sed, cum quando hoc rectum est, tum quando tuus sum, tibi toto animo gratulor, et a Deo optimo maximo, ut haec tua perpetua uirtus atque clementia et summos mortalibus fructus ferat et immortalitati te consecret, precor. Cum enim et omnibus natura, et tibi singulari tua in me munificentia deuinctus sim, quid uel populis tuis gratius et magis salutare, uel tuae amplitudini praestantius atque exoptabilius possim praecari? Sed haec hactenus. Priuatis uero meis rebus commemorandis, tuis maximis de republica curis molestiae nihil adiiciam, uerum illis deteriore iam loco quam uellem (uix enim ab aestiuo morbo uitam eripui et huic retinendae nunc iucumbo) positis, ut subuenias, et rogare te audeo, et exspectare debeo: cum quod me tuum esse uoluisti, tum quod et beneficiis a te ante cumulatus sum, et nemo, honeste quidquam a te petens, tristis indonatusue e conspectu tuo discessit. Rationes autem itineris mei atque studiorum hac tibi aestate coram reddam, atque initurum me apud te eam gratiam, et cui ego studere debeo et quam tuo iure tribues, mihi penitus polliceor. Si qua mandata mihi dabis, ea ad me perscribi iubebis; hic enim literas istinc exspectabo. Vale princeps clementissime. Florentia, postridie Id. Jan., Anno MDLXVl.


Nihil erat, uel quamobrem hanc epistolam mutarem, uel quod ipsi adiicerem. Sed uno alteroque die occasione aliquid accessit, quod ad me pertineret, quod tibi significare me oportere arbitrabar. Pisas abii, ibique egi, ut ceteris iurisconsultis adscriberer, non tamen his studiis, quae ego nemini negligentius colui atque ut doctis uidear excolui, desertis. Quae me mouerint, multa sunt, quibus ulinam accedere tam celeriter potuisset siue consilium siue mandatum tuum. Sed morae locus non fuit: at potius metuendum est, ut difficultas repente

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quaedam obiiciatur, praesertim τούτου άρχιερέως όντος quam amoliri nemo ualeat. Etsi autem me, ut debeo, metior: tamen, omnibus suffragantibus adeptus fui, quod uolebam, ut et in ordinem hunc amplissimum reciperer, et omnia mihi eiusdem insignia contribuerentur. Jam, clementissime princeps, quando honori huic meo faues, quod ego penitus mihi persuadeo, adiunges etiam, ut meae difficultates postulant, huius tui in me animi argumentum, ut eundem ex tua liberalitate m me alii quoque perspiciant. Quam tibi usui sim futurusque sim ignoro; hoc certe egi agoque, ut uirtutes tuae passim terrarum primis quibusque hominibus innotescant, in quo nostrae eruditioms non leuissimas esse partes non dubitamus. Vale iterum. Flor. III. Non. Febr.

Tuae Celsitudini

addictissimus cliens    
Joannes Caselius.     

Illustrissimo principi ac domino, domino Joanni Alberto, Duci Megapolensi, principi Vandalorum etc. . domino et έυεργέτη suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin. Dieser Brief iSt von einer fremden Hand geschrieben, alSo wohl von J. CaseliuS in Seiner Krankheit dictirt.


Nr. 11.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Florenz 1566. Dec. 8.


Joanni Alberto illustrissimo Megapolensium duci S. D.

Hommi tuo, qui mihi abs te, benignissime patrone, epistolam perclementer scriptam reddidit, meam ad te statim dedi, ex qua et ubi essem et quid me teneret et quid agerem et me tua mandata exsecuturum relaturumque tibi quamprimum coram de singulis intelligeres. Eodem uero scribendi officio nunc quoque fungi me debere ar-

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bitratus sum, cum hinc ex eodem tecto recta domum proficisceretur ciuis tuus Joachimus Han, Othonis filius, iuuenis animo ita exculto, cuiusmodi ego Megapolitanos esse complures uelim, quod te auctore futurum spero fierique adeo (plures enim hodie, quam olim, de iudicio potissimum tuo, filios suos bonis litteris imbuendos iubent) uideo et gaudeo, quod ubi quamplurimi ad uirtutem et sapientiam educantur, ibi ad nostrum finem et beatam uitam aliquanto propius acceditur, a qua plerique mortalium absunt et quotidie magno cum generis humani iniuria atque dedecore recedunt longius. Dedi igitur amico huic atque so dali in iisdem studiis meo hasce litteras, quas cum [ul]lius argumenti propemodum esse necesse esset, arripui aliud, uel potius diu mecum deliberatum persecutus sum, quo tibi placere mirifice cupio, placiturumque haud dubie, neque id iniuria, mihi persuadeo. Cum enim scirem, iam multos annos de optima uia, qua heroicae spei filiolus tuus ad hoc fastigium, in quo tu hodie refulges, educaretur, cogitationem paternam te suscepisse, non dubitaui, quin et omnes alios, qui idem optarent et adiuuare conniterentur, et me praesertim, qui tuae bonitati meipsum quoque deberem, multum laudaturus, atque et in tuis et in reipublicae amicis habiturus esses. Si enim ex ulla re elucet gratus animus atque erga patriam amor, is certe, qui beneficiis adfectus non bene merenti solum ipsi, sed et his, quorum ab illo ortus ducitur, bene uult et, quoad potest, facit, gratissimus, et qui principem reipublicae futurum omni uirtute summa summaque sapientia informari atque perfici desiderat, patriae felicitatisque mortalium haud dubie amantissimus studiosissimusque est. Vtroque ego respiciens (neque enim mihi me satisfacere statuebam, nisi cum m exquisitissimis litteris uersarer, in exquisitissimarum quoque uirtutum Studio essem) uide, quaeso, clementissime princeps, et proba quod facere ausus fui. Homerum filiolo tuo dono mitto, non ignarus, pauca esse, quae ab inferioris loci et fortunae hominibus vobis regibus donari debeant, et plerosque eos, qui uos muneribus adficiunt, hac uia multo ampliora a uobis beneficia flagitare, quod mihi facere, cui tua liberalitas prae multis patet, necesse non est, neque adeo pulchrum. Nomine igitur hoc donum sit, re uero apposita ad epistolam occasio. Hinc enim exordium lineamentaque epistolae duxi, et cum illo de litteris, quantum ipsius captus nunc

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haurire uideretur, coepi colloqui: non aliam ob caussam, quam ut eas, quibus nihil est admirabilius atque ad uestrum locum tuendum firmius, a teneris unguiculis amare disceret, aut si iam amaret, hanc ego ipsi uoluptatem augeret. Quam indolem, quod est principium rerum maximarum gerendarum, cum in puero cernes teque tui tam praeclaram ueram uiuamque imaginem, si sic Deo uisum erit, post te relicturum esse auguraberis: te tanta uoluptate, quanta ex ulla re tibi polest exoriri maxima, perfundi credibile est et, ut animi mei cogitata non dissimulem, uerissimum. Neque igitur opus est, ut hoc meum factum a te probari rogem, quod approbatione tua anticipas: tamen qua sum atque esse debeo in te obseruantia, idipsum uehementer rogo. Vix autem etiam mihi tempero, quin in hac re, quam praelibaui, prolixior sim, quod tamen facere [uereor], ne potius insolenter, quam officiose hoc molitus uidear: quando et tua sapientia excellis et uiris prudentissimis abundas. In his tamen cogitationibus me esse, te et scire uolui et probare libenter recteque credo neque me deterreri fortunae ludibrio ab iis et similibus patior: quae cum in uitam meam süperbe et crudeliter ante illuserit, nunc ioculariter mihi nolenti uolenti . . . . . nectit. Nihil enim penitus, neque mihi, neque cuiquam istinc sodalium ex mercatu Lipsico huc perscriptum est: cr[edo], quod, ut accepimus, pestis passim ad Albim tum saeuiens tuarum urbium negoliatonbus iter interclusit, adolescentem enim meum extra culpam esse certo scio. Hoc uero malum per mihi graue est, quando qui uelint me subleuare aut ipsi instructi non sunt, aut sunt eiusmodi, quos pudor me cormpellare uetet; qui possint atque olim facere soliti sint, non mihi solum, sed et aliis, qui aeque hisce creditoribus nitebantur, praecise negant. Itaque a Cal. Jan. pendemus, quae quod mihi attulerint, ex eo de reliquis consilium capiam, atque quamprimum in Megapolin tuam, in conspectum potissimum tuum reuertar. Vale εύεργέτα clementissime. Florentia. VI. Id. X br. Anno MDLXVI.

Tuae Celsitudini

addictissimus ειεργετοiμενος
Joannes Caselius.          

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Illustrissimo Principi ac Domino, Domino Joanni Alberto, Duci Megapolensi, Principi Vandalorum, Comiti Suerinensi, Domino Stargardiensium et Rostochiensium, εύ§εργέτη suo longe clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 12.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Florenz 1567. April 3.


Clementissime Dux.

S. d.

IIX. Cal. April. accepi munus tuum C. Joachimcorum, id est, ut nunc erant, scutatos LXII, reliquam autem pecuniam, quam in necessarios quoque mihi usus curari a puero meo iusseram, non itidem. Tamen ut non diutius hie haererem, V. cal. hinc Bononiam ueni, ut a noto mercatore mutuum acciperem, quo et soluerem reliquum et tua mandata expedirem et uiaticum haberem. Is uero, nescio quae iactitans, non solum omnem mihi opem praecise negauit, uerum etiam abiurauit iracunde. Itaque Bononia ad te scripsi teque rogaui rogoque etiam atque etiam, ut uetus tuum beneficium, quo me munifice adfecisti, confirmes mandesque sumptuum scholae tuae Rostochiensis quaestori, ut puero meo Philippo ducenos florenos de m[eo] stipe[ndio] mihi absque mora curandos numeret: geminaueris, mihi crede, tuam liberalitatem. Quam pecuniam cum alia, quam istic amici mihi promiserunt, ut habebo, tum me honeste hmc mouere potero: et certe quoque me in iter dabo, ad uos recta rediens, quando Gallicum iter necessitas iampridem mihi e manibus excussit. In XVII mensem paene άχρήματος hic sum; sed ego me supra modum solicite innumeris epistolis apud te excusaui, quanquam ipsum fatum pro me loquitur, quod amici mei nobilissimi iuuenes,

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qui interea hinc istuc profecti sunt, testabuntur et pro tua quoque prudentia perspicis. Loco non ingrato inuitus sum, primum quia huiusmodi mea est conditio, deinde quia officii mei est, ut istic sim, si possim. Iterum igitur multumque mihi rogandus es, ut absentiae huic meae ignoscas, quae quidem diuturnior fuit, quam aut unquam sperarem aut uellem. Vtinam praesentia tanto maiori usui aliquando tibi esse possit. Vale, illustrissime princeps, atque ut ad tuam in me bonasque litteras beneuolentiam quotidie aliquid accedat, clementer patere. Florentia III. non. April., anno σωτήρος MDLXVII.

Tuae Celsitudinis

εύεργετούμενος     
Joannes Caselius.     

Illustrissimo principi domino domino Joanni Alberto duci Megapolensi etc. ., dommo et εύερέτη suo longe clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Sehr durch Moder beschädigten Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 13.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Wien. 1567. Sept. 8.


[Illustrissime clementissimeque princeps.] Non requiris, neque huius loci est, ut dicam, quoties, quibus de rebus ad te scripserim, non possum tamen non recordari postremarum duarum epistolarum, quarum priorem Florentia dedi sub abitum meum, posteriorem Bononia, qua me iter istuc relegere coepisse significaui. Volui uero etiam Venetiis ad te iterum scribere, partim ne ullum meae in te obseruantiae signum praetermitterem, partim quod semper dubitarem, si superiores recte perferrentur: sed iis diebus, quibus Venetiis eram, nulla nisi lubrica et satis incerta mihi occasio sese obtulit.

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Nunc autem cum nuncius tuus hinc ad te iret, hanc breuem atque extemporaneam epistolam scripsi. Nudius enim tertius, quando nauiculam ad Oenipontem pridie kal. conscenderam, primum adueni. Cum autem cogitem, regiam hanc uidere et, si quid huius fieri possit, cognoscere, complusculos hic dies commorabor, nec esse nisi Octobri in Megapoli potero. Multorum regum, ducum, rerumpublicarum legati adsunt, ut fit: in reliquis autem splendidissimi Britannici, qui, ut aiunt et ad aures tuas haud dubie peruenit, de nuptiis Caroli archiducis et suae reginae agunt, idque certo rerum successu, ut est omnium opinio. Cetera, et cum primis, quae ad te pertinent, Bartolomaeus Gryphius accuratissime et summa fide perscripturum se ipse mihi dixit. Ea igitur et hac de caussa et quia dum omnium paene rerum ignarus sum, praetereo. Vale, benignissime dux, et me absentum adhuc praesentemque propediem tua clementia ista singulari et ueteri complectere. Vienna VI. id.

VII br. , an. MDLXVII.

T. C.

addictissimus

Joannes Caselius.     

Illustrissimo principi ac domino domino Joanni Alberto duci Megapolensis etc. . domino suo et εύερέτη clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin, besiegelt mit einem neuen großen Siegel mit einem runden, mit RenaiSSane=Verzierungen umgebeneu Schilde mit fünf Rauten, mit der Umschrift: JOANNES. CASELIVS.


Nr. 14.

Dienstrevers des Johannes Caselius als Lehrers der Söhne des Herzogs Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Schwerin. 1570. Aug. 23.


Ego Joannes Caselius D. posteaquam illustrissimus Megapolensium dux Joannes Albertus me illustrissi-

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morum suorum filiorum praeceptorem in quadriennium mercede praemioque proposito constituit, sancte policeor, me omni cogitatione, conatu et opera perpetuo in officio futurum. Idipsum chirographo hoc meo testatum facio. Actum Suerini, X. kal. Sept., an. MDLXX.

(L. S.                Joannes Caselius          
manu pp.                 

Nach dem Originale, auf einem Quartblatte Papier, mit dem untergedruckten Siegel des J. Caselius mit Schild und Helm.


Nr. 15.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Schwerin. 1571. März 5.


Illustrissime clementissimeque dux.

Vellem consilium illud rectum, quod ante inuenisses, potius sequerere, quam nouam quandam opinionem tuam, mihique ita permitteres omnem docendorum nobilissimorum filiorum tuorum rationem, vt mihi eam credendam tum censuisti. Ego enim hactenus non solum omni fide, diligentia, laboribus, cura, sollicitudine, omnibus rebus relictis, vti debeo, hoc officio fungor, sed etiam sequor id, quod solum et vnicum hac in re rectissimum est quodque a sano homine aliter numquam geretur. Quoniam etiam omnia tibi debeo, nullam operam vel in rebus minutissimis declino: immo minutiora fui consectatus, quam quisquam ceterorum ante me fecerit. Hac conscientia et egregia voluntate cum sim, nullo pacto sic possum subscribere sententiae tuae, eam vt probem, quod haec ipsa mutatio, si eam serio vrgebis, primum non solum mihi apud clarissimos quosque viros, qui iam cognouerunt, quae tu mecum egeris et partim eorum cum mihi, tum filiis tuis, populis tuis, immo Germaniae missis ad me litteris gratulati sunt, dedecori futura erit, dignitatemque meam, qua bonorum virorum nemini quidquam carius esse debet, magnopere imminuet, deinde educationi filiorum tuo-

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rum perniciosa, quod cum pluribus hic frustra disputarem, relinquam euentui conuincendum, qui est minime prudentium magister. Probare igitur eam nullo pacto possum, nisi aliud dicam et aliud sentiam et adulatorie mentiar, quod tu virtutis acerrimus vindex non vis, et si mihi a quoquam imperaretur in re parui momenti, nedum tam ardua, quae ad salutem omnium tuorum pertinet, non facerem, et non solurn nullam commodorum, sed ne quidem vitae amissionem pertirnescendam mihi arbitrarer. Ne tamen haec contendendi potius tecum, quam veritatis studio scribere, et magis rem meam, quam quod publice interest, spectare videar: de tota re constituendi summum consilium non nego tuum esse, et pareo πειδανάγκη tuae, quando aliud facere non possum, et si conarer, viri docti cum philomela Hesiodea me compararent reluctanti potentiae accipitris. Prolixe fuit heri mecum locutus Mylius: qui quamquam poterat ornnia tibi referre, tamen haec, quando ipsi ita visum fuit, scrips, quae si accurate considerabis, non poteris irnprobare, ea es et prudentia et clementia. Vale dux illustrissime. Ex arce tua Suerinia, III. Non. Mart., Anno MDLXXI.

Ill mae. . Cels. Vestrae

obsequentissimus

Joannes Caselius.     

Illustrissimo Principi ac domino, domino Joanni Alberto, Duci Megapolensi etc. ., domino suo longe clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 16.

Johannes Caselius an den Herzog Johann Albrecht von Meklenburg.

D. d. Schwerin. 1571. Oct. 21.


Illustrissime clementissimeque Princeps.

Quod a perpetua humanitate tua et beneuolentia in me principe digna petere constitui, id dispicio, non tam

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quibus argumentis impetrem, quod te sponte mihi largiturum mihi persuaserim, quam quibus verbis, ne indecore rogasse videar, rogem. Sed cum nihil inueniam, quo aliquo saltem mihi modo satisfaciam, nouo vtar genere petitionis, vel potius contrario, tibique gratias agam, quod ab ineunte adolescentia non solum subleuasti munificentia tua tenuitatem meam, verum etiam semper mihi tribuisti plurimum, quod ego profecto non quadam impotenti laudis auaritia stimulatus, sed veritate ipsa inductus, eoque gloriae desiderio, quod ne sapientes quidem vituperant, libenter dico mihique gratulor. Dignum enim me beneficiis tuis existimasti, et quamobrem existimares, quae prudentia tua est, sed multo magis alterum, quod in sententia annos quam plurimos perseuerasti, meque m dies magis magisque augendum ornandumque censuisti. Non enim solum, quibus opus fuit, et quae volui, verum etiam plura a te mihi saepe tributa, minime obliuiscar. Praefectum uero me esse nobilissimis filiis tuis, qui mea diligentia et consuetudine meliores doctioresque fiant, et ad iuste praeclareque imperandum erudiantur, hoc ego, quamquam habet in se curarum et perpetui laboris plurimum, tamen pro summo beneficio habeo. Est enim uel primum testimonium tui de me iudicii et propensissimae in me voluntatis. Mearum iam esse partium intelligo, hanc vt tuear, illud vt minime fallam. Vtrumque fuero consecutus, si, quod hactenus fecisse me profiteor, quemadmodum mihi conscius sum, agam sedulo, quod agendum mihi credidisti. Sic igitur ego faciam; tu uero pristmum tuum in me animum conseruabis, quaeque me velle intelliges, benigne facies, quando ad hunc modum ipse me comparabo, vt ne quidem optaturus aliquid sim, quin idem te velle, et si scires, sponte praestaturum arbitrer. Huiusmodi plane erat, quod iam rogatum veniebam, quod ego non tam rogo, tibi, vt facias, quo persuadeam, quam vt me existimare mei honoris magnopere interesse, intelligas. Intererit enim, ni fallor, honoris mei plurimum, quod opto, teque facturum spero, quodque quanta subiectione animi debeo et possum et quanta tu vis, rogo, ut hic pridie Kal. Octob. nuptias meas coram mea quoque caussa cohonestes, nam quod iis certo interfuturus sis Mylii caussa et rogatu, iam cognouimus, cui vt primam maximi huius honoris partem lubens concessero; ita, neque enim infitiabor, eius aliquam mihi liben-

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tissime vendicem, quam ille cum pro veteri suo m me amore, tum pro hac nouissima nostra coniunctione minime mihi muidebit. Habes petitionem meam, cui locum te daturum spero: omnia mea obsequia tibi non deferre, sed praestare debeo, et facio perpetuo. Vale. Suerino, XII. Kl. IIX br. , Anno MDLXXI.

               Illustrissimae Celsitudini Vestrae

omnibus obsequiis
          addictissimus

Joannes Caselius.     

Illustrissimo Principi ac domino Joanni Albertio Duci Megapolensium, principi Vandalorum, Comiti, Suerinensium, Rostochiorum Stargardiorumque domino, Principi ac domino suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenb. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 17.

Johannes Caselius an den Prinzen Johann von Meklenburg.

D. d. Schwerin. 1571. Oct. 21.


Illustrissime clementissimeque Princeps.

Rationes meae aliquid me abs te cogunt petere, quod tibi sit facile, mihi perhonestum. Mylius mihi filiam suam in matrimonium dat, quod non ignoras. Nuptiis dictus dies est huius mensis vltimus, quas cupio praestantium et amicissimorum liominum frequentia celebrari, tua vero ornari praesentia. Vtrumque est sane aequissimum, vt ego, qui te quotidie doceam, hoc rogem: tu, qui a me docearis, meae petitioni morem geras. Quare etiam peto a te mirum in modum, vt ipsemet nuptiis meis intersis hilaremque te nobis praebeas. Quod si facies, non solum ipse intelligam, quanta me beneuolentia prosequaris, sed etiam intelligent omnes tuae prouinciae homines, quanti facias haec litterarum

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studia, quibus informandum te fratremque tuum mihi tradidit sapientissimus parens vester. Qui enim doctorem suum colit, multo magis ingenuas litteras videtur colere, quarum dignitas ipsum nobis principio deuinxit. Sed de suauitate et probitate tua mihi persuadeo, hoc studii officiique non tam rogatu meo, quam sponte tua te in me promptissimo animo collaturum. Gratius nunc mihi facere non potes. Alterum perpetuo gratissimum facies, si diligenter discendo, bene intelligendo, recte sentiendo, iustissime agendo quotidie plurimum proficias: qua de re, prout meae partes sunt, quotidie tecum agam quam potero accuratissime. Vale. Suerini, XII. Kl. IIX br. , Anno MDLXXI.

Illustrissimae Celsitudini Tuae
       obsequentissimus

Joannes Caselivs.     

Illustrissimo Principi ac Domino, domino Joanni, duci Megapolensium, principi Vandalorum, comiti Suerinensium, domino Bostochiorum et Stargardiorum, Principi ac domino suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 18.

Johannes Caselius an den Prinzen Sigismund August von Meklenburg.

D. d. Schwerin. 1571. Oct. 21.


Illustrissime clementissimeque Princeps.

Cum in omnibus, quae tibi vmquam mandauerim ad te erudiendum pertinentia, mihi facilime parueris, in spem venio, te in vna quapiam re, ad me pertinente, cum aequa, tum facili, pari facilitate gratificaturum. Tu enim cum litteras tantopere ames, non potes non facere, quod tuo earum doctori gratum esse intelligas, atque insuper honorificum. Sed cum de voluntate tua dubium mihi

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nullum sit, iam ipsam petitionem accipe. Magnopere te etiam atque etiam rogo, ut nuptias meas pridie kalendis Octobribus coram cohonestes ipsarumque dies nobiscum hilariter transigas. Hoc erit mihi gratissimum, quod omnibus obsequiis deinceps testatum fecero. Vale. Suerini, XII kl. IIX br. , anno MDLXXI.

Illustrissimae Celsitudini Tuae
               obsequentissimus

Joannes Caselius.     

Illustrissimo Principi ac Domino, domino Sigismundo Augusto, duci Megapolensium, principi Vandalorum, comiti Suerinensium, domino Rostochiorum et Stargardiorum, Principi ac domino suo clementissimo.

(L. S.)

Nach dem Originale im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.


Nr. 19.

Johannes Caselius zeigt der Universität Rostock seinen Abgang an und schlägt zu seinem Nachfolger den Albert Clampe vor.

D. d. Rostock. 1589. Aug. 24.


S. Magnifice domine Rector, Reverendi, clarissimi doctissimique viri, collegae amicissimi mihique omni observantia colendi.

Quod ad meum negotium, plerisque vestrum, ut opinor, satis notum, scio vos pro vestra sapientia et in me benevolentia dicturos facturosque omnia, quae ad dignitatem almae huius Academiae et rationes etiam collegae vestri pertineant. Quod enim unusquisque vestrum sibi, si opus sit et res ita ferat, negari non velit, id mihi sine dubitatione tribuetis. Itaque vos officii monere neque debeo, neque volo: non possum autem non vos rogare, etsi non opus esse intelligo. Non minus enim hic de existimatione mea laboro, quam de commodis. Illustris-

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simusque dux noster Johannes audita petitione mea non iniqua lectisque Illustrissimi ducis Brunsuig. etc. . Henrici Julii litteris satis liberaliter mihi respondit, ita tamen, ut Academiae dignitatem tueri et autoritatem patrui plurimum valere velle diserte ostenderit. Quare etiam cum in Megapolin rediisset, statim adeundum censui Illustrissimum ducem Vlricum, cuius equidem Celsitudo nihil mihi negavit, sed sollicitudinem paternam prae se ferens, hunc scrupulum iniecit, quis interea loco meo quae ego solitus fuissem doceret. Quare, ne mihi ipsi deessem, in me eam curam statim suscepi, cogitandi de viro bono et bonis litteris praeclare erudito, cui haec provincia tradi a me possit. In qua consultatione animi tantum me ad dignitatem nostrae Academiae et utilitatem respexisse, ex re ipsa intelligetis. Neque alius mihi venit in mentem magis idoneus, quam vir bonus idemque doctissimus Albertus Clampius, plaerisque vestrum etiam bene notus, ut hac de caussa non admodum sollicitus esse debebam quibus eum verbis commendem, neque necesse habeam meum de eo iudicium m discrimen adducere, cum vos de eo non aliud iudicaturos confidam, quam mihi videatur. Valde adhuc puer missus fuit in ludum litterarium Lunaburgensem, ex ea recta ad nos venit: quin eum quoque illius scholae moderator doctissimus et solertissimus Lenicerus nobis diligenter commendavit: apud nos, ni fallor, non minus annis x vixit, quibus et modestiam suam nobis probavit et diligentiam, cum plaerumque etiam se minores quospiam sedulo et recte erudiret; juvenis porro cum adolescentibus nobilibus Megapol. Basileam se contulit, Basilea Patavium, ubi operam etiam dedit (extmcta enim erant quatuor in studiis humanioribus lumina, Manutius, Muretus, Sigonius, Victorius) clarissimo in eodem genere omnium Antonio Riccobono: ipseque adeo Riccobonus aliquoties ad me scribens Clampii honorificam mentionem fecit. Sed longinquis testimoniis huic viro opus non est, cum sit instructus plena cognitione Latini et Graeci sermonis utriusque linguae scriptores optimae notae legerit, et legat quotidie et explicare etiam dextre ingeniosis adolescentibus possit: etiam ut versus bonos elegantesque, si velit, condat, et pure copioseque latine scribat. Ita etiam versatus est in arte dicendi et studiis civilibus, ut ρηδορικά καí πολιδικά docere, et Graecis et Latinis fontibus, quod munus mihi in hunc diem incumbit, si quid ego intelligo, cum lande possit,

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Nec praetereundum duco, etsi hoc ex superioribus intelligi potest, et maximam partem vestrum scire arbitror, quod publicae quietis amicus est, et ίδιοπραγεί et maiores observare norit. Quare eum, nihil profecto, nisi publicum bonum spectans, vobis velim esse commendatissimum, vosque rogo, ut ita praestantem virum, non iam de mea laudatione, quam de vestra censura ornare, ne dubitetis, meaeque sententiae, si vera est, ut sentio, libenter ipsi quoque suffragemini. Et bene merebimini de nostra schola, et beneficium conferetis in hominem dignum et gratum. Ego denique habebo vobis gratiam singularem, utque et vobis liberisque vestris aliquid gratiae referam, semper enitar sedulo. Valete. Rostochii, IX. Calend. Septembris, Anno MDXIC.

Magnificentiae et

dignitatis vestrae

obsequentissimus et studiosissimus
Joannes Caselius.             

Nach einer gleichzeitigen Abschrift im großherzogl. meklenburg. Geh. u. H. Archive zu Schwerin.

 

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II.

Tilemann Heshusius

und

Johann Draconites.

Der Streit um die Sonntagsheiligung, die Verbindlichkeit des Gesetzes und die Uebung der Kirchenzucht
(1557-1561).

Nach den Acten dargestellt

von

Julius Wiggers.


E ine Darstellung des Streites wegen der Sonntagshochzeiten und verschiedener anderer sich daran knüpfenden Fragen, welcher zu Rostock bald nach der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts durch Heshusius und seinen Collegen Eggerdes angeregt und nach dessen gewaltsamer Vertreibung durch die übrigen Geistlichen zu Rostock weiter geführt ward, gewährt außer dem kirchen= und dogmengeschichtlichen ein nicht geringes staats= und culturgeschichtliches Interesse. Geist und Sitte einer Zeit, in welcher die neue Gestaltung von Kirche und Staat und ihres gegenseitigen Verhältnisses noch in den Anfängen der Entwickelung begriffen war, treten in diesem Streite nach verschiedenen Richtungen hin lebendig und anschaulich hervor. Die Verhältnisse des kirchlichen Regiments zu dem weltlichen waren um jene Zeit noch sehr wenig geordnet. Die Grenzen der beiderseitigen Rechte waren noch so unbestimmt, daß dadurch für beide Theile, die weltliche Obrigkeit und das geistliche Amt, ein Anlaß zu Versuchen möglichster Ausdehnung derselben gegeben war. Die Handhabung der Kirchenzucht stand noch nicht unter der Herrschaft fester Grundsätze und

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es fehlte zur Regelung derselben noch an consistorialen Behörden und an einem deren Wirksamkeit ordnenden Statut. Einer gleichen Unbestimmtheit unterlag das Verhältniß von Obrigkeit und Gemeinde, sowohl in politischer wie in kirchlicher Hinsicht. Zu den Kämpfen, welche das durch die Reformation hervorgerufene Bedürfniß einer neuen Ordnung auf diesen Gebieten herbeiführte, gesellten sich dann noch weiter die mannigfaltigen Streitigkeiten zwischen den Landesherren und der Stadt Rostock, welche die Grenzen der beiderseitigen Herrschaft theils in weltlicher, theils in kirchlicher Hinsicht betrafen. In letzterer Beziehung handelte es sich vorzüglich um die Frage wegen des Patronatrechts über die rostocker Kirchen und wegen des Aufsichtsrechts über das Kirchenwesen und die kirchlichen Güter. Auch das Verhältniß der Universität als kirchlicher Corporation zu der Stadt bedurfte einer neuen Feststellung. Mitten in alle diese Kämpfe hinein, welche theilweise in dem ersten rostocker Erbvertrage von 1573 ihren vorläufigen Abschluß fanden, führt uns der durch Heshusius angeregte, durch die Mehrzahl der übrigen rostocker Geistlichen fortgesetzte Streit wegen der Entheiligung des Sonntags durch die Sonntagshochzeiten und der Verbindlichkeit des Gesetzes für die Christen. Die ausführliche Darstellung dieses Streites, welche hier unter Benutzung der im Archive des rostocker geistlichen Ministeriums aufbewahrten, in Band XI, ferner in den Bänden III, X und XV dieses Archivs enthaltenen Acten gegeben werden soll, gewährt neben dem Einblick in den kirchlichen Charakter jener Zeit auch ein sehr anschauliches Bild der Sitte und des gesellschaftlichen Verkehrs zwischen den verschiedenen Ständen und Classen, und vorzüglich diese letztere Seite des hier behandelten Gegenstandes ist es, worauf ich die Rechtfertigung der Ausführlichkeit der Darstellung gründen möchte.


I.

An der Jacobikirche zu Rostock wirkten im J. 1556 zwei lutherische Geistliche, welche durch ihren Eifer um Beförderung eines dem göttlichen Gebot entsprechenden Lebenswandels sich auszeichneten, Peter Eggerdes und der durch sein sturmreiches Wanderleben allgemein bekannte Dr. Tilemann Heshusius. Von ihnen war der erstere, schon ehe Heshusius ihm als Pastor an die Seite trat, durch die Art, wie er das Amt der Schlüssel verwaltete, dem Rath der Stadt Rostock so verhaßt geworden, daß dieser ihn seines Amtes entsetzte. Der Rath hatte es schon

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übel empfunden, daß Eggerdes verschiedene Male die in notorischen Sünden Lebenden vom Abendmahl und die "gotteslästerlichen Papisten" und erklärten Feinde der Lehre der lutherischen Kirche von der Taufzeugenschaft ausgeschlossen hatte, während bis dahin jeder ohne Unterschied zugelassen war. Noch mehr aber fand er sich verletzt, als Eggerdes einige vornehme Leute, welche am 1. März 1556 des "gottlosen und gotteslästerlichen, unbußfertig gestorbenen Dompfaffen" Detlev Dankwardi Leichenbegängniß mitgemacht hatten, auf der Kanzel bei Namen genannt und ihr Verhalten gemißbilligt hatte, und er hielt sich für ermächtigt, deshalb die Amtsentsetzung über Eggerdes auszusprechen. Dadurch ward der Grund zu einer Verstimmung zwischen Rath und Geistlichkeit und zur Bildung einer strengeren und einer milderen Partei gelegt. Unter andern Geistlichen nahm M. Andreas Martinus (Martini, Martens), welcher damals Rector der Universität war und der Hebung wegen für die Studenten in der Jacobikirche zu predigen pflegte, sich des abgesetzten Eggerdes an und billigte öffentlich am Ostertage (5. April) 1556 dessen Verhalten, während er die Sünde des Raths anklagte. Dabei forderte er seine Zuhörer auf, um die Wiedereinsetzung des treuen Predigers zu bitten und, wenn die Männer keine Sorge um das Heil der Kirche hätten, so sollten die Weiber bei Rathe einkommen. Zugleich erklärte er, daß er sich bewogen sehe, hinfort seine Predigten einzustellen.

Der Rath ließ sich jedoch durch die entstandene Aufregung nicht irre machen, sondern sandte den Dr. Draconites, um den Gottesdienst in der Jacobikirche zu versehen. Kaum aber hatte die Gemeinde diesen erblickt, als die meisten Männer und Weiber die Stühle zusammenklappten und die Kirche verließen. Draconites trat seit diesem Vorfall in der Jacobikirche nicht wieder auf. Doch fand sich ein anderer bereit, nach dem Willen des Raths die Predigten in der Jacobikirche zu übernehmen, M. Lucas Randow, Prediger am Heil. Geist, welcher ohne Berücksichtigung der durch die Absetzung von Eggerdes gegen das geistliche Ministerium geübten Eigenmacht des Raths mehrere Monate lang in der Jacobikirche predigte.

Ein Versuch, welchen Herzog Ulrich machte, den Rath in Güte zur Wiedereinsetzung von Peter Eggerdes zu bewegen, blieb erfolglos. Herzog Ulrich sandte nämlich am 4. Juli seinen Superintendenten zu Güstrow Gerhard Oemeke und den M. David Chyträus mit dem Auftrage an den Rath, diesen zu bitten, daß er den gegen Eggerdes gefaßten Unwillen fahren lassen möchte. Da jedoch der Rath in gespanntem Verhältnisse zu dem Herzoge stand und von dieser Einmischung eine Schmäle=

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rung seiner kirchlichen Rechte besorgte, so ließ er sich zur Erfüllung der Bitte des Herzogs nicht willfährig finden, 1 )

Herzog Ulrich hielt sich jedoch für berechtigt, das, was im Wege der Bitte nicht zu erreichen stand, mittelst eines Befehles durchzusetzen. Am 26. Juli ward auf Befehl des Herzogs Eggerdes durch den Superintendenten Oemeke wieder in seine Stelle eingesetzt. An demselben Tage ward Dr. Tilemann Hehusius als Pastor an der Jacobikirche eingeführt und ein auf beide bezügliches landesherrliches Schreiben von der Kanzel verlesen.

Dr. Tilemann Heshusius, geboren zu Wesel im Clevischen am 3. Nov. 1527, hatte auf verschiedenen Universitäten, unter anderen zu Paris, studirt und war dann längere Zeit in Frankreich, England, Dänemark, Deutschland und den österreichischen Staaten auf Reisen gewesen. Im J. 1550 ward er Magister und 1553 Doctor zu Wittenberg, letzteres auf Kosten der Stadt Goslar, wo er seit 1552 als Pastor primarius und Superintendent wirkte. Am 6. Mai 1556 dieses Amtes entsetzt, ging er nach Magdeburg, von wo er zwei Monate später als Professor der Theologie und Pastor an St. Jacobi nach Rostock berufen ward.

Heshusius verfolgte nun in Gemeinschaft mit Eggerdes, was die Auffassung und Anwendung der Kirchenzucht betrifft, denselben Weg, welcher diesen bereits in eine schroffe Stellung zu dem Rath gebracht hatte. Es gab um diese Zeit in Rostock, namentlich unter den Geschlechtern, noch manche Freunde des Papstthums. Diese wurden von Heshusius oft scharf zurechtgewiesen und als unbußfertige Sünder von der Theilnahme am Sacrament ausgeschlossen, gleich den Gotteslästerern, Ehebrechern, Wucherern und mit ähnlichen Lastern Behafteten. Auch die unbußfertig gestorbenen Feinde der Wahrheit und Gotteslästerer sollten mit der Kirchenzucht nicht verschont und nicht wie andere


1) Zu den verschiedenen andern Streitpunkten zwischen den Landesherren und der Stadt Rostock war noch um Ostern 1556 dadurch ein neuer hinzugekommen, daß, als um die gedachte Zeit Dr. Georg Venetus, vom Herzoge Johann Albrecht zum Pastor an St. Marien und Professor an der Universität berufen, mit Familie in Rostock eingetroffen war und nach des Pastors Matthäus Adeler (Eddeler) Tode († 6. Mai 1556) dessen Amtswohnung beziehen wollte, der Rath ihm dies versagte. Noch in denselben Jahre gab die Reise, welche Dr. Georg Venetus in Begleitung von M. David Chyträus am 18. August im Interesse der Universität nach Sternberg auf den Landtag machte, Anlaß zu der Beschuldigung, daß diese beiden es darauf abgesehen hätten, die Stadt ihrer Privilegien und Freiheiten zu berauben, und die Waffen der Fürsten gegen die Bürgerschaft anrufen wollten. Dies Gerücht entstand, nachdem Peter Brümmer und der andere auf dem Landtage anwesende rostocker Bürgermeister über die Schritte der beiden Professoren zu Sternberg Bericht eingesandt hatten. Zur Aufdeckung der Grundlosigkeit dieser Berleumdung ließen diese letzteren darauf ihre Bittschrift drucken, in welcher sie bei den Fürsten eine gewisse Dotation der Universität beantragten und um deren Unterstützung sie die zu Sternberg versammelten Stände gebeten hatten.
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Christen mit christlichen Gesängen und gewöhnlichen Ceremonien begraben werden, sondern, nach dem Ausdruck der Schrift, des Esels Begräbniß zu erwarten haben. Ein anderer Gegenstand seiner Aufmerksamkeit und Bekämpfung war die aus der alten Zeit herübergekommene und besonders bei den Vornehmeren beliebte Sitte, die Hochzeiten an einem Sonntage zu veranstalten und große Gelage mit denselben zu verbinden, wodurch der Gottesdienst erhebliche Störungen erlitt. Es wurden dadurch 500, 600, bisweilen sogar 1000 Menschen am Besuch der Kirche verhindert, darunter viele, welche die Wochenpredigten nicht besuchen konnten. Diese Gelage begannen Mittags und dauerten mindestens bis Nachmittags vier oder fünf Uhr, häufig aber bis tief in die Nacht hinein. Der Vormittag ging mit der Zurüstung hin. Nachdem Heshusius ein volles Jahr hindurch diesen Mißbrauch gerügt hatte, erklärte er endlich im Juli 1557 offen heraus, daß er sowohl wie sein College Peter Eggerdes nicht länger jene mit dem dritten Gebote streitende Sabbathsentheiligung durch ihren Dienst und Verrichtung der Copulation begünstigen und fördern könnten und daß sie daher beide zu dem Entschlusse gelangt wären, mit Anfang des nächsten Monats eine Copulation am Sonntage nicht mehr zu verrichten.

Dieser Schritt war dem Rath, welcher die bisherige Gewohnheit beizubehalten wünschte, sehr mißfällig, und einer der Bürgermeister, Peter Brümmer (Ratsherr seit 1536, Bürgermeister seit 1552), äußerte sich darüber in einer Versammlung der Bürgerschaft auf eine Weise, welche den Anfang sehr stürmischer Ereignisse und endlich eines entschiedenen Zerwürfnisses zwischen Rath und Geistlichkeit bildete. Diesen Vorgang und seine nächsten Folgen schildert Heshusius in einer Schrift, welche später noch nähere Erwähnung finden wird, folgendermaßen.

Nachdem er erwähnt hat, daß der Rath zu Rostock ihn wegen seiner doch durchaus in Gottes Wort gegründeten Lehre bereits etliche Male vor dem Fürsten von Meklenburg, Herzog Ulrich, "mit unverschämten Lügen" verklagt habe, fährt er fort: "Insonderheit aber am 12. Tage Augusti, des Donnerstags nach Laurentii (1557), hat sich zugetragen, daß die ganze Gemeine aufs Rathhaus gefordert ist, mit dem Rathe zu schließen, was man den Fürsten auf dem Landtage zum Sternberge von wegen der bewilligten Hülfe solle antworten".

"Daselbst hat Peter Brümmer, Bürgermeister, vor der ganzen Gemeine das Wort gehalten. Was er nun von Sachen, die Stadt betreffend, geredet, ficht uns nicht an. Das aber wissen sich alle Bürger zu erinnern, daß er mit vielen beschwerlichen Worten uns Prediger bei St. Jacobi hat angegriffen und

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die Gemeine mit bitteren, giftigen Worten wider uns hetzen wollen, auf daß sie desto unwilliger wären, dem Herrn Dr. Georgio Veneto, welchen die Fürsten von Meklenburg (als die Patroni aller Kirchen binnen Rostock) zur Lieben Frauen für einen Pastoren haben verordnet, dieselbe Pfarre einzuräumen, und unter anderen stinkenden Lügen hat Peter Brümmer die groben und unverschämten Lügen dürfen reden, daß wir Prediger zu St. Jacobi uns hätten geweigert, die Kindlein auf den Sonntag zu taufen, welches er doch als ein schändliches Lügenmaul und ein Feind der Prediger aus des Teufels Befehl und Eingeben hat erdichtet und in Ewigkeit nicht kann wahr machen."

"Ueber das hat der unbedächtige Mann seine Feindschaft wider Gott und sein Wort daselbst vor der ganzen Gemeine noch klarer an den Tag gegeben, denn, unangesehen daß er gewußt, daß wir eine heilsame, reine, ungefälschte, tröstliche Lehre haben geführet von allen Artikeln des Glaubens, wie uns die ganze Gemeine wird Zeugniß geben (denn wir haben nicht heimlich gepredigt); dennoch hat er sich nicht gescheuet, diese gotteslästerlichen Worte zu reden, daß die Prediger zu St. Jacobi eine neue pharisäische Secte anrichten, über welcher Gotteslästerung und Schmähung des Evangeliums, so wir gepredigt, viel frommer Bürger sich entsetzt und etliche gesagt haben: das heißt dich der Teufel reden. Als nun die Bürger vom Rathhause gekommen, haben uns etliche fromme Christen mit großem Herzeleid diese Lästerung und Schmähwort wider die heilsame Wahrheit angezeigt und uns auch hoch vermahnet, daß wir uns auch vor der Gemeine sollten verantworten. Wiewohl nun diese grausame und teuflische Lästerung uns hoch betrübt und wir für nöthig geachtet, solchen Lästerern zu antworten; so haben wir doch eine Zeit lang Geduld getragen und erstlich fleißig danach geforschet, welche Worte Peter Brümmer habe geführet. Da haben viele Bürger gleiches Lauts bekannt und bezeuget, daß Peter Brümmer vor der ganzen Bürgerschaft uns Prediger zu St. Jacobi mit vielen beschwerlichen Schmähworten habe angegriffen, und ausdrücklich gesagt, die Prediger zu St. Jacobi richteten eine neue pharisäische Secte an."

"Als wir nun durch vieler Bürger Zeugniß, welche alle übereinstimmen, die Wahrheit befunden, haben wir als Diener des Evangelii unsere Lehre vertheidigt und dem Gotteslästerer geantwortet."

"Und ist das der Inhalt meiner Antwort gewesen: Zuerst habe ich der Gemeine Gottes vorgehalten, was die Pharisäer bei den Juden für Leute gewesen, welche schreckliche Irrthümer sie gelehrt und wie grausame Feinde Christi sie gewesen seien;

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dagegen habe ich die Gemeine erinnert, daß sie bedenken wollen, was ich das ganze Jahr über von allen Artikeln des christlichen Glaubens hätte gelehrt, und that dazumal mein Bekenntniß von den vornehmsten Artikeln. Zuletzt zeigte ich der Gemeine Gottes an, welche grausame Sünde Peter Brümmer in dem begangen hätte, daß er unsere heilsame und christliche Lehre als eine pharisäische Secte verdammt hätte; nemlich daß er solche Worte als ein lügenhafter, ehrloser und gotteslästerischer Mensch geredet habe und daß er damit habe angezeigt, daß er sei ein Kind des Teufels, ein Feind des heiligen Geistes und ein Verfolger des Predigamts, und wo er nicht Buße thäte und diese Gotteslästerung sich ließe leid sein, so habe er keine Seligkeit, sondern ewiges höllisches Feuer zu getragen; da er aber wollte Buße thun und sich bessern, so sollte ihm die Thür der Gnaden nicht verschlossen sein."

"Desgleichen hat auch mein Mithülfer Er Peter Eggerdes auf den Nachmittag in der Gemeine den Gotteslästerer gestraft und fast einerlei Worte gebraucht, nur das dazu geredet, daß Peter Brümmer nicht allein als ein Gottloser und Lügner, sondern auch als ein Eidvergessener geredet habe; denn er habe mit seiner Lästerung wider den Eid, den er dem allmächtigen Gott in der Taufe gethan, gehandelt."

"Ueber dieser unserer Verantwortung und Strafpredigt ist der Rath fast toll und unsinnig, wüthend und tobend geworden; unangesehen daß sie in unserer Kirche nicht zu gebieten gehabt und wir uns keines Rechten geweigert, sind sie doch mit dem teuflischen Trotz fortgefahren und haben unsere Kirche, darin die Fürsten von Meklenburg das jus patronatus haben, verschlossen und durch zween Stadtknechte mir und Herrn Peter Eggerdes die Stadt verboten.

"Diese grausame Gewalt haben wir unserm gnädigen Herrn Herzog Ulrich angezeigt mit Erbietung, daß wir zu Recht stehen wollen, darauf Seine Fürstl. Gnaden dem Rath ernstlich geboten, uns die Kirche einzuräumen und uns an unserem Amt mit nichten zu hindern, uns aber, daß wir uns in Ihrer Gnaden Stadt Rostock enthalten und mit Predigen und Lehren unseres auferlegten Amtes wahren sollten. Doch wären Ihre Gnaden bedacht, die Sache den Brümmer betreffend aufs Förderlichste verhören zu lassen."

"Auf diesen Befehl sind wir in der Stadt Rostock geblieben; der Rath aber hat den Befehl verachtet und die Kirche noch weiter beschlossene

" Sechs Wochen aber nach dieser Zeit haben sie nochmals uns durch einen Stadtdiener und zween Bürger die Stadt zu

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räumen gebieten lassen, mit Anzeigung, da wir nicht weichen wollten, würden sie das thun, das uns nicht gefallen sollte. Solches haben wir abermals unserem gnädigen Herrn schriftlich zu erkennen gegeben."

"Ehe wir aber beantwortet sind, haben die von Rostock öffentliche Gewalt an uns geübt. Denn als sie auf den Sonnabend den 9. October die zwei Bürger mit dem Stadtknecht auf den Mittag zu uns schicken und hören, daß wir ohne Befehl des Fürsten nicht weichen wollen, hat der Rath eine ganze Rotte, in die dreißig Mann, Diener und Bürger, mit Büchsen, Stangen und Spießen gewaffnet, allerding wie die Juden im Garten zum Herrn Christus eingefallen sind, abgefertigt, welche mitten in der Nacht um Zeigers Elf meinem Bruder und Mithülfer Herrn Petro ins Haus mit großem Getümmel und Geschrei gefallen sind und die Thür mit Stangen aufgebrochen; und da die ehrliche und tugendsame Frau des Predigers Gemahl, welche durch Gottes Segen groß Leibes schwanger gehet, hoch erschrecket und jämmerlich schreiet, haben die ehrlosen Buben solche Gelegenheit nicht angesehen, sondern sie mit harten Worten gedräuet, auch einer ihr den Spieß vor die Brust gehalten und also den Mann aus dem Hause weggeführt und alsbald aus der Stadt, nicht wieder darin zu kommen, verweiset und ihn in die drei Meilen von der Stadt gefüllt und bei Nienkirchen gehen lassen."

"Als ich nun über diesem Getümmel erwachte und sammt meinem Gesinde in Herrn Peters Haus komme, meines Bruders Gemahl zu trösten, kommt alsbald Claus Kock mit feiner Rotte wieder, und als er mich dort findet, zeigt er an, er habe Befehl, auch mich hinwegzuführen wie Herrn Peter, aber er wolle es auf sich nehmen und mir Zeit gönnen bis an den Morgen um acht Schläge. Des anderen Morgens kommt alsbald ein anderer Stadtdiener und zeigt an, da ich nicht würde ziehen, so würde ein Rath auch mit Gewalt dazu thun."

"Dieweil ich denn sah, daß sie ganz toll und unsinnig und mit dem Teufel auf dem Rathhause besessen waren, habe ich mein Weib und Kindlein und meines Bruders Herrn Peters Weib hinausgeführt. Also sind die von Rostock umgegangen, desgleichen nicht gehört ist in den Städten, da das Evangelium wird gepredigt, sint der Zeit Lutherus hat angefangen zu predigen". Im Wesentlichen stimmt mit dieser Darstellung des Heshusius selbst ein Bericht überein, welcher unter dem Titel De dissidiis in ecclesia Rostochiana et primis eorum fontibus vera narratio in Band XI. der Acta min. Rost. (S. 1 flgd.) enthalten ist. Es läßt sich jedoch aus diesem Bericht die Darstellung des Heshusius noch in einigen Punkten ergänzen. Der

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Sonntag, an welchem die beiden Prediger an St. Jacobi dem Bürgermeister Brümmer öffentlich den Zorn Götter verkündigten, war der 22. August. Die scharfen Worte, durch welche Eggerdes den Heshusius noch überbot, werden ausführlicher dahin angegeben: Peter Brümmer habe seinen in der Taufe abgelegten Eid gebrochen, und wenn er auch vor der Welt große Ehre und Würde genieße, so habe er doch vor dem lebendigen Gott und allen frommen Christen, wenn er sich nicht bekehre, keine andere Ehre, als Hannas, Kaiphas und Judas vor Christus und den Aposteln gehabt hätten. Der bei Heshusius erwähnte Claus Kock wird in diesem Bericht als der Stadtwachtmeister (praefectus vigilum) bezeichnet. Als der Ort, wohin Heshusius sich nach seiner Ausweisung begab und wohin Eggerdes vorausgegangen sei, wird das Städtchen Schwaan (Cygnea) genannt, welches ungefähr eine Meile Östlich von dem in der Erzählung des Heshusius erwähnten Ort Nienkirchen liegt.

Was nach längerer Zögerung den Rath bestimmt zu haben scheint, die schon früher den beiden Predigern gebotene, von diesen aber verweigerte Räumung der Stadt jetzt mit Gewalt durchzusetzen, ist folgender Vorfall, der jener Vertreibung der Prediger um wenige Tage voranging. Ein Rostocker Magister wollte seine Hochzeit feiern. Als diesem die Studenten, der damaligen Sitte gemäß, ein Hochzeitsgeschenk, bestehend in einem silbernen Becher, verehren wollten, brachten sie auf den Rath von M. Arnold Burenius die Geldbeiträge unter der Bedingung zusammen, daß die Hochzeit nicht an einem Sonntage gehalten würde. Der Bräutigam unterwarf sich auch dieser Bedingung. Aber ein Verwandter der Braut, ein rostocker Bürgermeister, bestand darauf, daß die Hochzeit an einem Sonntage stattfinde, und setzte seinen Willen durch. Die Hochzeit ward am Sonntag den 3. October gehalten. Von den Professoren und Studenten fanden sich aber dabei nur wenige ein und das übliche Geschenk ward Seitens der letzteren nicht gereicht. Dieser Vorfall gab dem Widerwillen des Raths gegen die beiden Prediger an St. Jacobi neue Nahrung und ihre gewaltsame Vertreibung erfolgte noch in derselben Woche.

Einmal im Zuge, kündigte am 11. October der Rath auch dem M. Andreas Martini Gehalt und Stelle, hauptsächlich aus dem Grunde, weil derselbe öffentlich erklärt hatte, er sei ein Freund Tilemanns und seines Collegen und mißbillige deren Sache nicht.

Zur Rechtfertigung seines Verfahrens gegen Heshusius und Eggerdes erließ der Rath am Sonntag den 17. October, acht Tage nach der Vertreibung der genannten beiden Prediger, einen

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"offenen Brief", welcher an den Kirchthüren angeschlagen ward und von den Kanzeln verlesen werden mußte. In diesem Mandat wurden die Rostocker Prediger im Allgemeinen, ohne daß Namen genannt wurden, großer Verbrechen, falscher Lehre und aufrührerischer Bestrebungen in sehr bitterem Tone bezüchtigt und den Bürgern aufgegeben, ihren Umgang und ihre Predigten zu meiden. Das in Placatform auf einem Bogen gedruckte Mandat lautet wortgetreu also:

Wi Bürgermeistere vnd Radt der Stadt Rostock, Entbeden hyr mit dessem vnserm apenen Breue, allen vnd jewelykem, Den Ersamen frommen vnd bestendigen, vnser gemeiner leuer Bürgerschop, vnd sonst allen Ehrleuenden frommen Christen vnd bistenderen des waren Gades wordes, heil vnd alles gudt, Vormanen vorbeden vnd dohen wideres wo herna, anders nichts, dann thom vorstandt des gemeinen besten, vnd jederes syner salicheit, wyder thom frede, eindracht, frommen vnd eheren, tho beholdinge vnserer olden löfflyken Priuilegien, rechten, gebruken, gewonheyden desser ehrlyker guder Stad, wor vor, stedige sorge, flydt vnd betrachtinge vnsers vtersten vermögens tho dregen vnd tho hebben, wy vns schüldich vnd plichtich erkennen, Wes wy ock desses na vnserm geringen verstande einiges weges können, (Godt weith) dat wy vnser jn deme nicht sparen, wat möyhe vnd arbeydes vns solckes, sonderlick in dessen beswerlyken löpen gifft, twyuelen nicht, können alle fromme Verstendyge wol vnd fründtliken affnemen. Dann vns nicht alleine vperlecht, Bürgerlykes gemein Regiment, sonder ock de Vorsorge befalen, vpsicht tho hebben, Dat wy nicht van dem waren worde Gades, vnderem losen schyne des wordes, vnd gefinseder hillicheyt vorföret, vnd gebracht vth Christlyker Euangelischer fryheit, jn Tyrannischen bedruck vnd eigendohm gesettet, wo dann etliche sick vorgenamen vns tho bannen, tho verdammen, tho verwysen, tho besweren, tho beladen, mit affgepredigen Censuren, aggrauationen, einer auer de anderen, vnd ock welcker nicht gelick vorth wolde wo se, Dennen mit der Villekulen tho bedreuwen, darhen alse eynen Esel, Kohe, Perde, vnd andere beeste tho begrauen. Item, de Lichamme vp de Villekulen tho verdammen, vnd de Seelen dem Düuel auerthogeuen, vor welcke Christus vnser einger Heylandt, vnser Eckstein, vnd einiger Middeler twischen Godt dem Vader, vnd armen Minschlykem geschlecht syn dühre Blodt vor=

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gaten. Wo se dar nicht mit gesediget, sonder ock jn vnsere Politisch Regiment getastet, willende van dem hilligen Ehestandt, den Godt de Vater jm Paradiß süluest jngefettet, den syn leuer Sön Christus Jesus süluest mit syner jegenwerdicheyt, ock syner hilger Moder vnd leuen Discipulen geehret, vnd mit synem ersten Mirakel consecreret, Wan solcker hilliger standt, Den der Herr süluest approberet, vp des Hern dach geholden, scholde Sünde, vnd Godtloß dinck syn, allein vnd nergens anders, Dann vmb des Jödisch Phariseeschs Sabbats willen, welcken Sabbat Christus affgedahn vnd vordempet, na bestendiger Doctoris Mariini Lutheri vnd mehr anderer trefflyker Theologen leren, wo in korten dagen (efft Godt wil) volkamener bericht ant licht wurdt breken, gemeyner vnser trüwer Bürgerschop thom besten, Als dann, wat wolde bestendich blyuen, wat gewißheyt konden wy vth aller hilger Schrifft hebben, wenn dat Godtloß dinck scholde syn, welckes Godt süluest jngesettet? Wo men vnderstanden vns de meinunge jnthodringen, jn de erringe schyr mit gewaldt tho bringen, vnd Sabbats knechte, jegen alle vnseren danck, van vns tho maken, vnd also, vns mit solckem anslage, vth Christlyker leue, vth Börgerlykem freden, ruw vnd einicheyt, tho rucken und tho spalden, Selckes ys nicht hemlick noch vorborgen, hebben alles mit der dadt apentlick verspöret. Vnd als wy solcks nicht hebben mögen gehengen edder gestaden, wo ock gemeine trüwe ehrlyke Borgerschop van sick süluest dar van ein schreck vnd affkerendt gehat, vnd noch hefft, vnd dat, vth Gödtlyken, billyken, natürlyken, reddelyken orsaken. Weßhaluen wo se van den Predickstölen vns vthgeschryet, Diffameret, Blasphemeret, jn vnsere gelimp Vnd ehere, so klegelick vnd jamerlick gegrepen, vns swerlykest verhönet, vnd vnder de föthe tho treden vnderstanden, geswygen noch den vnuorschemeden homodt, stoltheyt, trotze, vorkleininge vnd vorachtinge, so se vns hebben doruen vorstellen. Darlegen wo sedich, Maneerlick, lanckzam vnd lyderlick, wy Vns wedder hyrinne getöget, vnd nicht, dan, dar se van sick süluest gedechten, van vns tho wyken, begeret, Dar ehnen, na Recht, eine sware straffe geböret. Woruor de Ouericheyt tho holden, vnd der tho gehorsamen, leret Paulus thon Römeren am 13. Cap.: Welcker der Ouericheyt (secht he) weddersteit, de weddersteit Gade, vnd welcker weddersteit, bekumpt sick de vordammenisse.

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Wo se den spröke gefolget, ys apenbar befunden, Wat se anderen tho predigen plegen, breken süluest. Wowol dem allem so, vnd gemeiner ehrlyker Borgerschop allenthaluen bewust, vnd wowol de gemeine, fromme, trüwe, ehrlyke, Borgere, hyrinne mit vns ein trüwlick mitlydent gedragen, vnd noch hebben, vnd jn deme sick bewysen, als ehrleuenden, welcke ere Ouericheyt, na der lere Pauli, der Christlyker Basunen, vprechtlykes gemötes vor ogen holden, Des wy vns jegen allen vnd jewelyken bedancken. Dannoch sind etlyke Prediger, de ock mit vnser geduldt nicht thofreden syn können, welcke sick vornemen laten, als hedden wy vnrecht gehandelt, wünschen desser Stadt Helschführ, blixem vnd donner, vordömen vnd vormaledyen, springen vnd slaen vp den stölen als vnsinnige. De ander darss sick hören laten, Dat desse Stadt mit Tyrannischer Ouericheyt besettet, reitzen vnd kratzen jo so veninich, hetisch vnd betisch, als de verfremmeden: Vorsöken sick, efft se noch ychtes eynen vproer konden erwecken, Auerst de Almechtige Godt wurdt vns, vnd de trüwe Christlyke Borgerschop, wol in eynicheyt, ehren vnd freden erholden. Tyrannen sint, de gein Recht, gein ehr, gein redelicheyt ansehen, Sonder, eren eigenen stößferdigen kop folgen, welcke eres eigenes forssens willens, vnd halsstarricheyt gebruken vnd fetten vor de Gesette vnd Rechte, welcke dat rechtferdiges Blodt vorgeten, de vnschüldigen morden vnd vmmebringen, wo Nero gedahn, vnd der Köninck Dyonysius van Syracusa, vnd mehr andere Tyrannen. Vor alsolcken, hebben vns noch de anderen doruen so gahr vnuorschemet vthschryen, welcker könheyt sick wahrlick alle Christen Minschen mögen vorwunderen, van dennen, de dat wordt Gades handelen, Dat de also, eine Ehrlyke fromme Ouericheyt doruen schelden vor Tyrannen: Wo hefft Christus jewerle solckes geleret edder gedahn ? Wor fint mens jn der hilligen Schrfft? Effte desse Lüde des hilligen Geistes sint, vthwyfen desse dingen Weme ys binnen Rostock, so lange Rostock gestanden, Tyrannie beyegent? Jdt meinen etlyke bywylen, ehnen geschehe dorch vnseren Rechtspröke Vnrecht, so steyt dennen doch apen de wech der Apellation, vnd wat sonst Stadtrecht vnd KeyserRecht vormach, Darna hebbe wy stedes fort gefaren, Darna vnd anders nicht richten wy, wat ock apener schynbarer bekanter dadt ys, richte wy alles na solcken rechten vnd anders nicht. Vnd dat ys gein

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Tyrannie, Auerst vnerkanter saken, Jtem, sick süluest to Richteren setten, eigener authoritet, sick auer Lyff vnd Seel macht vnd gewaldt antomaten, tho bannen, to plagen, mallicks Conscientz tho besweren, to vorwunden, ja tho vormorden, vp de Villekule tho verdammen, dem Düuel de Seel to geuen, jn eyner Ehrlyker fryen Stadt, coniuration, conspiration, vnd vordechtige archwanige Conuenticulen tho hebben, sick to befluten, mit wat Düuelschem grym, vnder gestaldt eins Engels, dat Führ vth vnd jn den gemeynen Man to blasen, Dat ys Tyrannie, dat ys (mach men anders de warheyt seggen) rechte ware Tyrannie. Dewyle wy solcker Tyrannie wedderstan, vnd, dal, vnsern Eiden vnd plichten na, to donde, vns schüldich erkennen, nu byten se hinder sick vmme, vnd schelden vns vor Tyrannen. Wat nu, van solcken leidtsprekeren vnd blasphemischen Minschen tho holden, vnd efft se werdt, de Predickstöle henfürder tho bekleyden, edder ere ehrenrörige Sermone anthohören syn schölen, stellen wy in eins jeders frommes, trüwes Borgers, eigene gericht vnd geweten, wy willen ock (wil Godt) jn desser saken guder vornufft gebruken, Dat ydt wordt Gades vns lutter vnd reine, jn warem fruchten, rechtem gelouen, leue vnd einicheyt, nicht dorch solcke blasphemische Muler, sonder sedige Ehrleuende Lüde geprediget werde, vnd daran mögelykes flytes syn, Wente vns gein gudt der Werldt vor vnsere Salicheyt tho setten. Vnd vorstanden, dat vnsere gemöte darhen gericht vnd alle ehrlyke trüwe vnd fromme Borgerschop, desses mit vns vnd wy mit ehnen, einich, sindt wy dannoch jn warheit berichtet, dat erer etlyke mit densüluesten Predicanten scholden holden, jn solckem erem scheldent, vorhönent, vnd blasphemerende, willen vnd gefallen dregen, erer Coniuration deilhafftich syn, mögen velichte, vth simpelheyt, vnd einfoldt, vnderem schyne der hillicheyt vnd vordeck des Euangelij, vorföret vnd dar by gebracht syn, welcke nicht vth bösem grunde gesündyget, Dennen wy solckes, vth Christlykem mitlyden, tho gude richten vnd holden, De vortredinge dythmahl, Vaderlykes gemötes nageuen, vnd willen vth dem süluesten, jederen by deme Borgerlykem Eidt vnd plichten vns gedahn, Christlyken fründtlick vns ernstlick vormanet hebben, sick erer tho entholden, der vorbadenen vprörischer anslegen mötich tho gahn, geiner vndüchtiger worden vnd vpspraken auer vns sick forder hören tho laten, einicherley

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wyse edder gestaldt, Wo wy jn gelykem, allen anderen jnwaneren, wo se ock gestaldt, van wat wesendt se syn, wo ock dat süluest jn sick ehrlick, billich vnd recht ys, vperlecht vnd jngebunden willen hebben, vnd hyr mit jn krafft desses Mandats jegenwerdich vperleggen vnd jnbinden. Vnd, dar se solckes hörden edder erfören, vns stracks, wo se schüldig, anbröchten vnd nicht vorheleden. So dann hyr jegen nu vorth mehr emandts dohn würde vnd hyrinne wedder synen Borgerlyken Eydt vud ehre würde handelen (dar wy doch nemande so vorgeten achten) hefft to erkennen dat desülffeste jn hoge straffe vorfallen, de wy alßdan, einem anderen thom Exempel, mosten vornemen, Wor vor wy hyrmit eynen jewelyken, trüwlick willen gewarnet hebben, Doch, der straffe vnbegeuen, welcke wetentlick, vpsetlick, vch bösem grunde vnd affecten, erer Eyde vnd plichten vorgeten, mit ehnen gestanden, ju solckem Radt wedder vns gewesen, vnd de handelinge hebben mit helpen stofferen. Darna sick wolde ein jewelick weten tho richten, Gegeuen vnder vnserem Segel, den 15. Octobris, Anno 1557.

II.

In derselben Woche, wo der Rath mit seinem Mandat gegen die Prediger hervorgetreten war, suchte er durch Einsetzung des Dr. Johann Draconites als Superintendenten eine Stütze gegen die rostocker Geistlichkeit zu gewinnen, von welcher er besorgen mußte, daß sie die Sache ihrer vertriebenen Collegen zu der ihrigen machen würde. Um sich einen desto größeren Einfluß auf die Geistlichen zu sichern, verfügte er zugleich, daß die Versammlungen der Prediger nie anders als in Gegenwart von zwei Rathsherren abgehalten werden und alle Verhandlungen und Beschlüsse von diesen beaufsichtigt werden sollten. Den Predigern ward befohlen, dem Dr. Johann Draconites als Superintendenten zu gehorchen.

Zur Lebensgeschichte dieses vom Rath der Geistlichkeit aufgedrungenen ersten rostocker Superintendenten möge hier Folgendes bemerkt werden. Johann Draconites oder eigentlich Drach war 1494 zu Carlstadt im Würzburgischen geboren. Er studirte zu Erfurt, wo er später Magister ward und Vorlesungen hielt, und zeichnete sich besonders im Hebräischen aus. Im J. 1520 machte er eine Reise in die Niederlande, um Erasmus kennen zu lernen. Von Erfurt ging er nach Wittenberg, hörte hier

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Luther, Melanchthon und andere, promovirte zum Doctor der Theologie und blieb hier, bis er 1522 ein Pfarramt zu Miltenberg im Mainzischen erlangte. Hier brachte ihn aber schon im folgenden Jahre die papistische Geistlichkeit zum Weichen, worauf er sich nach Werthheim und von da nach Nürnberg, Erfurt und endlich wieder nach Wittenberg wandte. Auf Luthers Empfehlung erhielt er 1525 ein Pfarramt zu Waltershausen bei Gotha. Drei Jahre später gab er jedoch diese Stelle wieder auf und widmete sich mehrere Jahre hindurch in Eisenach gelehrten Arbeiten. Im J. 1535 ward er an die Stelle von Erhard Schnepf nach Marburg als Professor und Prediger berufen. Während seines dortigen Aufenthalts war er 1536 auf dem Fürstentage zu Frankfurt am Main, 1537 zu Schmalkalden und 1541 bei dem Religionsgespräche zu Regensburg. Im J. 1547 gerieth er in heftige Streitigkeiten mit seinem Collegen Theobald Thamer. Während des schmalkaldischen Krieges folgte er seinem Fürsten als Feldprediger. Nach seiner Rückkehr entbrannte der Streit mit Thamer noch heftiger als zuvor. Draconites erklärte auf der Kanzel, Thamer sei ewiglich vor Gott verdammt und als ein Uebelthäter öffentlich mit Ruthenstreichen aus der Stadt zu treiben, und übergab dabei alle Papisten, Wiedertäufer und Werkheiligen mit Thamer dem Teufel. Diese Streitigkeit und der Wunsch, für eine gelehrte Arbeit über die Verheißungen, Figuren und Gesichte einen Verleger und Drucker zu gewinnen, führten ihn von Marburg noch im J. 1547 hinweg. Er ging zunächst nach Nordhausen und Braunschweig, ward von hier durch den Rath dem Rath von Lübeck empfohlen und an dem letztgenannten Ort bei seiner Ankunft im J. 1548 sehr freundlich aufgenommen. Hier fand er auch den gesuchten Verleger für sein Werk. Ein Anerbieten Melanchthons, ihn nach Kopenhagen zu empfehlen, ward von ihm abgelehnt. Neben der Beschäftigung mit seiner gelehrten Arbeit wirkte er zu Lübeck auch durch sehr beifällig aufgenommene Vorlesungen über den Propheten Haggai, die später ebenfalls im Druck erschienen sind. Im J. 1551 ward er bei dem Streit zwischen Lorenz Mörske und den anderen Predigern zu Lübeck über die Nothwendigkeit guter Werke mit als Schiedsrichter zugezogen. Noch in demselben Jahre ward er von dem Rath zu Rostock als Professor der Theologie berufen. Er predigte hier zugleich in der Johanniskirche, welche damals noch keinen eigenen Prediger hatte.

Von diesem Manne erwartete nun der Rath, daß er als von ihm eingesetzter Superintendent ihn gegen die rostocker Geistlichkeit schützen und diese in diejenigen Grenzen zurückweisen werde, welche der Rath für die rechten hielt. An gutem Willen

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fehlte es ihm dazu auch nicht. Indessen war doch weder er selbst die geeignete Persönlichkeit, um der seiner Einsetzung zu Grunde liegenden Absicht zu genügen, noch die damalige Geistlichkeit zu Rostock aus so biegsamem Holz geschnitten, um dem wider sie in Bewegung gesetzten Einschüchterungs= und Zwangsversuche nachzugeben. Vielmehr knüpfte sich an seine Einsetzung ein Streit, welcher Jahre lang allen Vermittelungsversuchen Trotz bot.

Schon der Act seiner Einführung, welcher am 21. Octbr. 1557 stattfand, ward durch einen sehr stürmischen Widerspruch einzelner Geistlicher bezeichnet. Es waren nämlich dazu die Rostocker Geistlichen und die Pastoren von Kessin, Bentwisch und Rövershagen auf die Schreiberei zu 8 Uhr Morgens vor den Rath geladen. Ausgeschlossen von dieser Ladung waren jedoch die beiden Geistlichen an St. Nicolai, der Raster M. Georg Reiche und sein Sacrist (Diakonus) Joachim Bansow. Reiche fand sich jedoch, nach einer Besprechung mit Joachim Schröder, Pastor an St. Petri, dennoch ein und ließ sich in seinem Vorsatze, diese Gelegenheit zu benutzen, um eine kräftige Verwahrung gegen die Handlungsweise des Raths einzulegen, nicht stören durch die Versuche, welche der Rathsschreiber M. Peter Radke machte, um ihn wegzunöthigen. Als dieser den Versuch bereits mehrmals wiederholt hatte, sprach Reiche, wie er selbst in einem darüber aufgesetzten Bericht erzählt, wiederum mit großer Heftigkeit: "Ich gehe nicht also weg, sondern bitte: geht noch einmal hinein und sagt E. E. Rath, daß ich um Gottes Ehr und Namen willen bitte, sie wollten mich hören, daß ich nicht Ursache habe, andere Unruhe vorzunehmen, das vielleicht E. E. Rath nicht lieb sein möchte". Nun ward er vorgelassen und bat zunächst, drei oder vier Prediger als Zeugen zuzuziehen, was jedoch nicht gewährt ward. Nach Anführung einiger Sprüche in Betreff der rechten Führung des obrigkeitlichen Amtes sprach er laut seines Berichtes weiter: "Dieweil euch nun der allmächtige Gott so hart und ernstlich anredet und ermahnet, daß ihr ein recht Gericht sollet halten und Niemand sollet Gewalt noch Unrecht thun (da nahm ich ihr Mandat unter meinem Rock herfür) : wie kommt denn E. E. Rath dazu, daß er ein solch greulich, lästerlich Mandat hat lassen ausgehen wider die armen unschuldigen Prediger, damit nicht allein die Prediger, sondern die heilige göttliche Majestät, der Sohn Gottes und das ganze heilige liebe Predigtamt aufs Höchste geschmähet und geunehret wird, und weil ihr die Prediger nennet, so bin ich hier gegenwärtig, als ein armer unwürdiger Prediger, und begehre zu wissen, welchen E. E. Rath hiemit meinet, ob ihr auch mich

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damit meinet und mich der Laster zeihet, welche in eurem Mandat ausgedrückt sind". Als Bürgermeister Hinrich Gültzow (Rathsherr seit 1534, Bürgermeister seit 1542) hierauf eine ausweischende Antwort gab, hob Reiche noch einmal an: "Nicht also, meine Herren. Ihr sollt namhaft machen, welchen ihr meinet, daß nicht der Unschuldige mit dem Schuldigen verdammt und gelästert werde. Ich habe durch Gottes Gnade meine alten grauen Haare so weit bracht mit Ehren und hoffe zu Gott, daß mich Niemand mit Wahrheit meiner Lehre oder meines Lebens einer Schande und Laster überzeugen soll, habe auch ehrliche Freunde, die auch wie ihr am Gerichte sitzen, desgleichen meine armen Kinder, dieselben sollen durch Gottes Gnade und Hülfe keine Schande noch Laster von mir hören noch erleben. - Gott wird solche greuliche Unehre nicht ungerochen lassen, denn man sieht, daß euer Mandat ein lauter papistisch Werk und Verfolgung ist". Zuletzt gerieth Reiche noch mit dem des Papismus verdächtigen Syndicus in einen Wortwechsel, welcher eingestehen mußte, daß er das Sacrament in beider Gestalt in Rostock noch nicht empfangen habe. Hierauf entfernte sich Reiche und ermahnte die übrigen Prediger, ihm in seinem Verhalten gegen das Mandat zu folgen, was auch der Raster an St. Petri that, welcher jedoch kaum zu Worte gekommen war, als ihm Schweigen vom Rath geboten und damit der Schluß gemacht ward, daß Draconites als Superintendent anzuerkennen sei.

Dieser hatte mit der Uebernahme seines Amts selbstverständlich die Verpflichtung auf sich genommen, das Verhalten des Raths in der Angelegenheit der Vertreibung der Prediger zu vertheidigen und damit dann zugleich die Sonntagshochzeiten gegen diejenigen in Schutz zu nehmen, welche dieselben für verwerflich hielten. Er that das letztere, indem er den Gegensatz von Gesetz und Evangelium scharf betonte und die Freiheit vom Gesetz als das durch das Evangelium gewährte Gut darstellte, die Gegner aber als solche bezeichnete, welche einer widerevangelischen Auffassung huldigten. Vom Rath aber redete er überall nur Gutes und niemals hörte man aus seinem Munde auch nur den leisesten Tadel der Vertreibung der Prediger und der in dem Mandat gegen die Geistlichen gerichteten Anschuldigungen. Durch dies alles trat er Von vorn herein in ein feindliches Verhältniß zu der Geistlichkeit, die ihm als Superintendenten gehorchen sollte, sich dessen aber aus mehreren Gründen gleich Anfangs entschieden weigerte.

Das erste, was Draconites nach dem Antritt seines neuen Amtes ins Werk setzte, war, daß er im Auftrage der Bürgermeister und in Gemeinschaft mit dem Syndicus des Raths,

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Dr. Matthäus Röseler, welcher damals Rector der Universität war, die Aufforderung an die Studenten richtete, dem früher erwähnten Magister noch nachträglich das ihm vorenthaltene Hochzeitsgeschenk zu geben. Die Studenten aber ließen sich darauf auch jetzt noch nicht ein, sondern antworteten, wiederum auf des M. Arnold Rath, daß sie sich nicht dazu hergeben könnten, die mit dem dritten Gebote streitende Sitte der Sonntagshochzeiten zu befestigen. Da fiel ihnen Draconites in die Rede und Sprache "Es ist keine Sünde, am Sonntag Hochzeit zu halten, weil den Christen nicht das Gesetz aufliegt und Paulus spricht: Niemand möge euch richten in Speise oder in Trank oder im Sabbat".

Später wiederholte er in der Predigt ähnliche Sätzen "Diejenigen irren, welche uns aus freien Christen zu Knechten des Gesetzes und Sabbaths machen wollen; die Christen dürfen nicht mit dem Gesetz gezwungen werden, sondern man muß warten, bis sie aus freien Stücken und mit freiem Herzen ihre Pflicht erfüllen. Ich bin weder noch will ich sein ein Doctor legis, sondern das Evangelium habe ich im Munde und Christus im Herzen. Die Christen dürfen nicht mit dem Gesetz geschreckt werden. Wer das Gesetz predigt den Christen, der beleidigt Gott im Himmel. Trolle dich, Moses, trolle dich! Wer Andere aus dem Gesetz für Sünder erklärt und selbst ein Sünder ist, der sündigt doppelte Solche Sätze brachte er häufig auf die Kanzel. Anfangs schwiegen die Prediger meistentheils dazu, weil das Mandat und die Drohungen des Raths sie eben so wie die Bürger in Schrecken gesetzt hatten. Nach und nach aber schöpften sie wieder Muth und begannen in ihren Predigten des Draconites Lehre anzugreifen.

Der erste, welcher gegen die Lehrsätze des Draconites und zugleich gegen den Rath wegen Vertreibung der Prediger und wegen des Mandats auftrat, war der unerschrockene und eifrige Pastor an St. Nicolai, M. Georg Reiche. Er ermahnte seine Zuhörer, sich vor des Draconites antinomistischen Irrthümern zu hüten, und bediente sich dabei der Worten er wolle sie vor des losen Heuchlers und höllischen Drachen Heuchelei gewarnt haben. Auch trat er nochmals vor den Rath und machte die Mittheilung, daß er durch sein Amt sich verpflichtet finde, die Gottlosigkeit, welche überall aus dem Mandat hervorleuchte, zur Erweckung eines bußfertigen Sinnes, ihnen vorzuhalten. Der Rath erklärte jedoch, daß es ihm an Zeit fehle, ihn zu hören, und ersuchte ihn, seine Meinung schriftlich vorzutragen. In Folge dessen setzte M. Georg Reiche eine deutsche Schrift auf, welche er drei Tage vor Weihnachten 1558 (d. i. nach der jetzigen Bezeichnungsweise Weihnachten 1557, indem damals das neue Jahr

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schon mit dem ersten Weihnachtstage anfing) dem Rath zustelle. In dieser Schrift machte er damit den Anfang, daß er dem Rath ein fröhliches Neujahr wünschte, und zählte dann, in der Absicht, über seine Handlungen und Aussprüche Rechenschaft abzulegen, nach der Reihe acht oder neun in dem Mandat enthaltene Unwahrheiten auf, womit er eine ausführliche Ermahnung an den Rath verband, um ihn zur Erkenntniß seiner Sünde und zur Buße zu bewegen. Der Rath übergab diese Schrift dem Draconites und den übrigen Predigern zur Begutachtung, in der Hoffnung, dadurch den Streit in die Mitte der Geistlichkeit zu verpflanzen und den Angriff von sich abzulenken. Indessen wenn gleich Draconites die Reichesche Schrift vollständig verdammte, so erklärten doch fast alle übrigen Prediger, daß sie in derselben nichts Unrechtes oder Gottloses finden könnten.

III.

Inzwischen ward auch eine Schrift von Heshusius, in welcher er das Mandat in sehr heftiger Sprache einer weitläufigen Beurtheilung unterzog, hie und da verbreitet. Sie war in beider vertriebenen Prediger Namen abgefaßt und führte den Titeln Antwort Dr. Tilemanni Heshusii und petri Eggerdes auf das lügenhafte, ehrlos und gotteslästerliche Mandat der Bürgermeister und des Raths zu Rostock.

Im Eingange dieser Schrift bezeugt Heshusius seine Freude daß ihn die Verfolger des Evangelii gehöhnt und geschmähet hätten, indem er dadurch Christo ähnlich geworden sei, und spricht seine Hoffnung aus, daß fromme Christen und insbesondere die Gemeinde Gottes zu Rostock daran kein Aergerniß genommen haben würden, indem sie ja aus Gottes Wort wüßten, daß nicht allein den Propheten und Aposteln solches widerfahren sei, sondern auch dem Sohne Gottes Jesu Christo selbst, welcher auch weissage, daß es allen treuen Dienern des Wortes in der Welt also gehen werde. Dann fährt er fort: "Nachdem aber die Bürgermeister und Rathmanne der Stadt Rostock nicht allein als freche und frevele Tyrannen an uns Dienern des Evangelii öffentliche Gewalt geübet, sondern auch ein offenes Lügenmandat im Druck haben ausgehen lassen, darin sie ihre Mißhandlung und geübte Gewalt wider das Predigtamt beschönigen, uns aber aufs höchste verunglimpfen, schmähen unser Amt, verdammen unsere Lehre als ketzerisch und uns mit schändlichen Lügen beschweren, dadurch dann Gottes heiliger Name aufs Aeußerste wird gelästert und der heilige Geist in vielen frommen Christen betrübt, auch etliche schwache und ungegründete Christen

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verwirret sind, als sollten wir etwas dem göttlichen Wort ungemäß haben: so erfordert es nun die hohe Noth, sonderlich auf daß Gottes Name werde verteidiget wider die Lästermäuler und daß die einfältigen Christen einen rechten Bericht der Sachen haben möchten, daß wir auf das lügenhaftige, gottlose und gotteslästerische Mandat des Raths von Rostock etwas antworten. Und damit auch die Christen an anderen Oertern vernehmen mögen, was den Lügen, so die Rostocker in ihrem teuflischen Mandat ohne alle Scheu häufen, zu glauben sei, wollen wir zuvor unser Bekenntniß thun und danach von der Sache reden, so sich zwischen uns Predigern und dem Rath zu Rostock hat erhoben". Es folgt nun dies Bekenntniß, welches sich auf die Schriften der Propheten und Apostel beruft und alles, was der Lehre derselben zuwider ist, "als der Juden Abgötterei, der Türken Blindheit, der jetzigen Juden Gotteslästerung, der Ketzer, als Sabellii, Arii, Samosateni, Pelagii, Montani, Marcionis, Manichäi und aller Ketzer Lügen, der Papisten falsche Lehre, das Interim, Osiandri Irrthum", als "verdammte Lüge, Abgötterei und Gotteslästerung" verwirft. "Die Schrift aber der Propheten und Apostel verstehen wir nicht anders, denn wie sie aufs Einfältigste lautet und wie die Artikel christlichen Glaubens im Symbole Apostolico, Nicaeno, Athanasiano und in der Confession, die dem Kaiser Karl zu Augsburg a. 1530 ist überantwortet, sie erkläret, wie auch dieselbe Lehre des Evangelii ohne Verfälschung in den "Sechtzigisten" Städten als Wittenberg, Magdeburg, Lübeck und Hamburg wird gepredigt." Heshusius beruft sich dann auf die Treue, mit welcher er und sein College ihr Amt geführt hätten, und gelangt damit zu den Sätzen, über welche der Streit sich erhoben hatte, nämlich daß die Unbußfertigen vom Abendmahl auszuschließen seien, bis sie Buße gethan hätten, daß dieselben auch als Gevatter bei der Taufe nicht zugelassen werden könnten, daß sie eines christlichen Begräbnisses nicht würdig seien, und endlich daß die Sitte der Sonntagshochzeiten wider das dritte Gebot streite. Der Verlauf des Streites wird dann in der bereits angegebenen Weise erzählt.

Hierauf wendet Heshusius sich zu der Beurtheilung des Mandats und bemerkt in dieser Hinsicht u. A. Folgendes: "Die verrückten und besessenen Bürgermeister der Stadt Rostock haben auch ein öffentliches Lästermandat ausgehen lassen, darin sie sich gern wollten schmücken und ihre Mißhandlung vertheidigen. Sie zeigen aber gröblich an, wie sie weder Sinn noch Vernunft mehr haben und daß sie dem Worte Gottes gar spinnefeind sind und als die vom Teufel ganz Eingenommenen und Besessenen das Predigtamt gern mit Füßen wollten treten

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und Christum vom Himmel stürzen, welcher sie doch in Ewigkeit wohl werden lassen. So viel unsre Person anbetrifft, mögen wir uns erfreuen, daß die von Rostock solch eine Lästerschrift haben ausgehen lassen. Denn wir zweifeln nicht, es werde ein jeder Christ, der dieses Mandat liest und hört, greifen und fühlen, was unsre Widersacher für Leute sind, wie sie nicht allein ohne alle Liebe und Furcht Gottes sind, sondern auch ohne alle menschliche Vernunft und von vielen Teufeln besessen. Denn sie bekennen mit ihrem Siegel und Briefe, daß sie den Befehl Gottes von Haltung des Sabbaths trötzlich verachten und wollen den Feiertag nach Gottes Gebot nicht heiligen. Damit sie nicht für Sabbathsknechte gehalten werden und daß sie wider Gott und sein Wort wüthen und toben und allen Muthwillen üben, nennen sie eine christliche Freiheit, und wo sie um ihrer Missethat willen gestraft werden, das heißen sie einen tyrannischen Bedruck. Den christlichen evangelischen Bann, den der Sohn Gottes selbst mit seinem Befehl eingesetzt und bestätigt und die Gemeine Gottes zu allen Zeiten wider die Unbußfertigen gebraucht hat, verdammen sie als eine Tyrannei. Dazu ertichten sie so grobe, unverschämte, tölpische, teuflische Lügen, daß der Teufel in eigener Person nicht unverschämter reden mag. Denn da schreibt der Lügenrath von Rostock in seinem Lügenmandat, wir Prediger haben den Ehestand ein gottloses Ding und Sünde geheißen, so doch die ganze Gemeine zu Rostock weiß und zeugen muß, daß wir den heiligen Ehestand allezeit in der Predigt als eine heilige und selige Ordnung des allmächtigen Gottes haben gerühmt und gelobt".

"Zudem siehet man auch der Bürgermeister tyrannisch, teuflisch und mörderisch Herz wider das heilige Predigtamt, sintemal daß sie bekennen, daß sie uns nicht allein haben vertrieben, sondern drohen auch den anderen Predigern zu St. Petri und St. Nicolai, daß sie dieselben auch vertreiben und verjagen wollen, darum daß sie von ihnen zur Buße ermahnt sind."

"Ueber das so beeidigen sie und gebieten sie ihren Bürgern, daß sie der Prediger und ihrer Seelsorger, so sie verloren haben, nicht mit einem Worte gedenken sollten. Das mögen so freventliche, thurstige, trotzige und besessene Tyrannen und Verfolger der Prediger und Verächter der Gemeine Gottes thun. Darum sagte ich, daß wir für unsere Person wohl leiden könnten, daß der Lügenrath von Rostock solche Lästermandat und Lügenbrief wider uns nun viele ließe drucken, hätten auch wohl leiden können, daß sie uns beide mit Namen darin genannt hätten. Denn es ist uns eitel Ehre bei der Gemeine Gottes und frommen Christen, daß uns die besessenen und vom Teufel gefangenen Bürgermeister

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so höhnen und schmähen, wie auch Christus sagt Matth. 5: freuet euch und seid fröhlich, wenn euch die Menschen schmähen und alles übel wider euch reden; selig seid ihr, so sie daran lügen."

"Weil aber nicht allein unsere Person, sondern Gott selbst und sein heilsam Wort in dem teuflischen Mandat geschmähet und auch etliche Artikel göttlichen Worts als Ketzerei verdammet und das ganze Predigamt als aufrührerisch gescholten, wollen wir etliche Punkte des Bubenmandats erklären und die Lästerung der Lügenmäuler widerlegen".

"Anfänglich rühmen sie sich selbst mit vielen Worten, wie die Gottlosen pflegen, wie sie ihrer Gemeinde so wohl und treulich mit aller Kraft vorstehen, und des nicht allein mit gutem Frieden und Regiment wachten, sondern auch Gottes Wort mit allem Fleiß fördern. Was man vom Rühmen halten soll, will ich jetzt gehen lassen, wiewohl ich ihnen viele Artikel vor die Nase halten könnte, damit zu bezeugen ist, daß sie sich allezeit als öffentliche Feinde des Evangeliums und Verfolger der Wahrheit gezeigt haben. Man frage die alten Bürger, wie mit frommen Predigern wie Ern Joachimo Schlüter ist umgegangen, der zu Rostock zuerst das Evangelium hat gepredigt, welchem, da man ihn nicht konnte hinwegbringen, weil man die Gemeine fürchtete, hat man ihm eine falsche "Supffen" zugerichtet und ihn vergeben. Dem Dr. Herrn Henrico Smedenstedt habt ihr verdammte und blutgierige Bürgermeister die Kirche schier ein Vierteljahr verschlossen, und da euch die Fürsten von Meklenburg dazu gezwungen, daß ihr Feinde Gottes dem Doctori die Kirche mußtet wieder einräumen und mit Gewalt nichts durftet vornehmen, habt ihr den frommen, gottseligen und treuen Diener um 30 Silberlinge verkauft. Wie ist mir recht, ihr seid das mal etwas milder gewesen denn Annas und Kaiphas, denn ich habe mir sagen lassen, des Gerechten Blut gestehe euch wohl in die 500 Gulden. Schande ist wahrlich, daß der Diener mehr gegolten hat, denn sein Herr und Gott, wie ihr auch den Herrn Adeler täglich gemartert und geplaget habt mit eurer Tyrannei. Sind noch viel Leute, die es aus seinem Munde gehört haben."

"Auch vor anderthalb Jahren, da ihr Ern Petro (Eggerdes) ohne alle billige Ursache den Predigtstuhl verboten, habt ihr klärlich angezeigt, mit welchem teuflischen Haß ihr das Predigamt verfolget, und daß ihr ja zunehmet in eurer Tugend und väterlichen Sorge, so habt ihr jetzt nicht allein als freventliche und thurstige Tyrannen, sondern als mörderische und blutdurstige Hunde und öffentliche Feinde Gottes und seiner Diener eure Prediger, die Gottes Wort treulich gelehrt, mit

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tyrannischer Gewalt unverhörter Sachen und unerkannter Rechten verjagt und vertrieben, wie oben angezeigt und ihr selbst im jüngsten Gerichte müsset bekennen."

Er wendet sich dann zu der ersten Beschuldigung in dem Mandat. "Zum ersten "spiet" (speiet) und lästert der Teufel durch seine Bürgermeister in seinem höllischen satanischen Mandat wir Prediger haben die Bürger zu Rostock aus christlicher evangelischer Freiheit gebracht und sie in tyrannischen Bedruck gesetzt. Denn wir hätten sie gebannet, verdammet und mit der "villekule" (Schindanger) bedräuet." Indem er dann näher auf diesen Vorwurf eingeht, bestimmt er den Begriff der christlichen Freiheit dahin, daß wir durch den Mittler Jesus Christus von der Tyrannei des Todes und des Teufels, vom Zorn Gottes und ewiger Verdammniß, vom Fluch des Gesetzes und Gewalt der Sünde entfreiet sind, und diese Lehre hätte er und Eggerdes stets gepredigt. Dieser Freiheit aber sei es nicht zuwider, daß sie den unbußfertigen Menschen mit Gottes Gericht gedrohet hätten. Denn wer in seiner Sünde sich verstocke, dürfe sich nicht der christlichen Freiheit rühmen, sondern sei des Teufels und der Hölle Gefangener und des ewigen Todes leibeigener Knecht. Solche Unbußfertige hätten sie nach Laut der meklenburgischen Kirchenordnung und aus Gottes Befehl zum Sacrament des Altars nicht zugelassen und von der Kindertaufe gewiesen und ihnen angezeigt, daß sie des Esels Begräbniß zu gewärtigen hätten. Wer wissentlich einen Unbußfertigen zum Abendmahl gehen lasse, der verachte Leib und Blut Christi und setze sich mit dem Befehl, die Sünden zu lösen und zu binden, in Widerspruch. Die Verreichung des Sacraments an den Unbußfertigen sei eine bewußte Sünde, da man ja wisse, daß ein solcher die Vergebung der Sünde nicht habe, ihm aber vorlüge, daß er sie habe. Anstatt ihm seine Sünde vorzuhalten, bestärke er ihn darin und morde dadurch seine Seele. Ebenso könne Niemand leugnen, daß es Gottes Befehl sei, die Unbußfertigen, welche mit groben äußerlichen Lastern, als Mord, Ehebruch, Diebstahl, Hurerei, öffentlicher Feindschaft, Wucher, Irrthum, Gotteslästerung, Zauberei, besudelt, davon nicht ablassen wollen, nicht lasse Gevatter stehen. Denn man solle nicht mit den Ungläubigen an einem Joch ziehen und keinerlei Gemeinschaft mit den Gottlosen haben. Dies wird durch viele Sprüche und Beispiele der Schrift belegt. Ebenso müsse der Christ von dem Unbußfertigen auch bei dessen Begräbniß sich absondern. Es sei ein Mißbrauch des göttlichen Worts, wenn man die, welche dieses Wort bis in den Tod verachtet haben, mit christlichen Gesängen und Ceremonien ehre. Dadurch mache man Gottes Wort dem Gottlosen

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zum Schanddeckel, gleich als sei der Feind Gottes christlich gestorben und habe auch Hoffnung der fröhlichen und seligen Auferstehung. Zudem sei das christliche Begräbniß ein öffentliches Zeugniß der Gemeine, daß der Verstorbene in Gottes Erkenntniß und Anrufung verschieden sei und die Gemeine gebe daher durch christliche Beerdigung einem Gottlosen ein falsches Zeugniß, als habe er Hoffnung des ewigen Lebens, während er doch zum ewigen, höllischen Feuer von Gott verurtheilt und verdammt sei. Gott drohe auch selbst mit des Esels Begräbniß und "ville kulen", Jerem. 22: "Er soll wie ein Esel begraben werden". Als Zeugnisse in diesem Sinne werden auch angeführt 2. Chron. 22, Luc. 9 u. s. w.

So hätten sie gelehrt, dem Worte Gottes gemäß, aber diesen ihren treuen Dienst verkehrten "die verfluchten Bürgermeister" also, daß sie sie beschuldigten, die Gemeine aus christlicher Freiheit gebracht zu haben. Er wendet sich hierauf zu dem Begriffe, welchen die Gegner mit dem Worte "christliche Freiheit" verbinden:

"Wolan, ihr verdammten Eselsköpfe und höllischen Feinde der Wahrheit, sagt an, was christliche, evangelische Freiheit sei. Ihr denket vielleicht, die christliche Freiheit sei, daß ihr nach eurem frechen Willen möget glauben und leben, alle Sünde ungewehret und ungestrafet thun, daß ihr Gott und sein Wort trotzlich möget verachten, die Lehre des Evangeliums schändlich schmähen und lästern, den Predigern des göttlichen Worts allen Schmach und Hohn anthun, auf den heiligen Feiertag keine Predigt hören, sondern Wirthschaft anrichten, fressen und saufen, den Vogel schießen, in den Schüttingen zechen und den Predigtstuhl reformiren, dazu alle Werke des Fleisches thun, die Kirchengüter an sich bringen und dem Armen in Hospitalen das Brot aus dem Munde nehmen, schändlichen Wucher treiben, Hurenhäuser nicht allein stiften und schützen, sondern auch selbst Hurerei, Ehebruch und allerlei Schande allda treiben und was der Werke mehr sind. Solches thun mögen und dennoch wollen ungestraft sein Von Gottes Wort, ja auch den Himmel und das ewige Leben wollen unversagt haben, soll eine evangelische Freiheit sein".

"Wie dünket dich, lieber Christ, um solche freie Gesellen, meinst du nicht, die von Rostock haben das Evangelium recht studirt in den dreißig Jahren? Aber ihr verdammten Lästerer und Verfolger des heiligen Evangelii, wollet ihr euren verdammten Muthwillen nun christliche Freiheit heißen? Meinet ihr Bösewichter, daß der eingeborene Sohn Gottes darum sei Mensch geworden und habe im Garten Blut geschwitzt, den Zorn Gottes getragen und am Kreuze sich tödten und verfluchen lassen, auf

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daß ihr desto mehr Freiheit hättet, zu sündigen und mit eurem gottlosen Leben den allmächtigen Gott zu zürnen und wider sein Wort zu leben? Nein, nicht also, es ist andere Ursache, darum der Sohn Gottes Blut hat vergossen, und eine andre Freiheit ist uns durch Christus erworben, die euch gottlosen Buben zu Rostock unbekannt ist, und ihr die nicht achtet, die Gemeine Gottes aber kennet und liebet sie als ihren höchsten Schatz." - -

"So auch Christus mit seinem Blut vom Zorn Gottes erlöst und aus der Gewalt des Teufels errettet, so habt ihr nicht eine wolfische, satanische, höllische und rostocker Freiheit zu sündigen, sondern eine rechte christliche evangelische Freiheit." - "Hörst du toller und unsinniger Geist von Rostock, was dir Paulus sagt? Aber du fragest viel nach Paulo. Die christliche Posaune schreiet und schallet dir viel zu hart in die Ohren durchs Predigamt, darum erdenkst du Tücke und Ränke, daß du das Predigamt mit Füßen tretest und suchest sittige, manierliche (wie du redest und geiferst) und sein stille Prediger, die dir nicht so hart posaunen, daß du möchtest von deinen Sünden aufwachen, sondern pfeifen dir sein leise und sanft, daß du ja in deiner evangelischen, ja teuflischen Freiheit sollte ich sagen, nicht gestöret wirst. Aber das sollt ihr wissen, beide Pfeifer und Ehrenspötter, es wird Gott einmal vom Himmel posaunen,

"Des sind wir aber wohl bekannt, daß wir die wolfische, teuflische und höllische vermeinte Freiheit der Teufelsknechte von Rostock nicht billigen noch loben. Sind doch die Heiden viel redlicher und vernünftiger gewesen, denn der unsinnige und besessene Rath von Rostock ist. Cicero lobt den Spruch Crassi: legum servi sumus, ut liberi esse possimus. Denn das ist eine rechte Freiheit, ehrlich, redlich, göttlich nach dem Gesetze leben; so viel Sinn und Vernunft haben die Lasterknechte und Schanddiener von Rostock nicht, denn sie meinen, das sei Freiheit, wenn sie Fleisch fressen, saufen und schlemmen mögen, in keine Predigt gehen, kein Sacrament begehren, alle Schande und allen Muthwillen treiben und gleichwohl von keinem Prediger wollen gestraft sein, ja die Prediger ihres Gefallens höhnen, vertreiben und verfolgen." -

"Also siehst du, wie der Teufel nicht allein die Wahrheit spottet und Gott im Himmel lästert, sondern sich selbst zum Gott setzet mit seinem Gaukelmandat. Aber es plaudere und plärre der Teufel sammt seinen besessenen und gefangenen Bürgermeistern, Hunden und Drachen, was er will, so wissen wir doch, daß er ein Lügenmaul ist." - "Dieweil die

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Bürgermeister zu Rostock Gott lästern, das Predigamt hassen und die Diener Christi verfolgen und vertreiben, so sind sie nicht freie Christen, sondern des Teufels und des Todes gefangene verstrickte Knechte und unter die Sünde verkauft, also daß sie der Teufel treibt und führt, wie etwa ein Jäger eine Koppel Hunde führt oder ein Schweinhirt die Säue forttreibt, wie wir auch täglich erfahren, daß sie der Teufel aus einer Sünde in die andere treibt und von Tag zu Tag mehr rasend und toll macht, bis er sie endlich in die ewige Verdammniß stürzt." -

Heshusius wendet sich in seiner Vertheidigungsschrift dann zu dem zweiten in dem Mandat erhobenen Vorwurf:

"Zum Andern beschuldigen uns die Bürgermeister der Stadt Rostock, daß wir ihnen in ihr politisch Regiment haben gegriffen und gelehret, der Ehestand sei Sünde und gottlos Ding, um des jüdischen pharisäischen Sabbatbs willen. Hie soll sich Niemand wundern, ob er gleich das Widerspiel weiß und versteht, daß die Rostocker grobe unverschämte ertichtete Lügen vorgeben. Denn wir haben droben gehört, daß der Rath von Rostock die wolfische Freiheit hat unverschämt zu lügen, zu fluchen, zu huren, zu morden, zu lästern und allerlei Werke des Teufels zu thun". -

"Was wir vom heiligen und seligen Ehestand gelehrt, weiß die Gemeine Gottes binnen Rostock, welche meine Predigt haben gehört, und das kann uns unser Gewissen Zeugniß geben trotz dem Teufel in der Hölle und allen gotteslästerischen Bürgermeistern der Stadt Rostock, daß wir den Ehestand mit allen Kräften haben geehret und gerühmet, und weiß mich auch zu erinnern, daß etliche Rathmänner dazumal in meiner Predigt gewesen, als ich die Lehre vom Ehestande habe gehandelt und den Rath seines Amts erinnert, daß sie die Hurenhäuser, so binnen der Stadt Rostock sind, abschaffen und die unzüchtigen Personen verweisen sollten. Denn eine Obrigkeit wäre nicht dazu berufen, daß sie sollten Hurenvögte sein, wie sie in vielen Städten sind, sondern Götter nennet sie die Schrift, daß sie an Gottes Statt Zucht und Ehrbarkeit sollen erhalten." -

"Ihr wisset, daß viel irriger Sachen in allen Gemeinen vorfallen und sind bei euch zu Rostock viel betrübte Ehesachen, in welchen die Leute oft Hülfe und Rath begehren. Hie hindert Niemand mehr den Ehestand denn der gottlose Rath, welcher nicht will, daß man ein Consistorium und geistlich Gericht zu Rostock anrichte, wie sie denn dawider auf allen Landtagen protestiren."

"Zudem seid ihr auch durch viele fromme Prediger vermahnet, daß ihr die unzüchtigen Häuser sollt abschaffen. Aber

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dem Ehestand seid ihr also Feind, daß, wo kein Hurhaus wäre binnen Rostock, ihr würdet erstes Tages eines bauen lassen."

Aber so sehr gerade im Gegensatz zum Rath sie den Ehestand als einen von Gott gestifteten ehrten, so müßten sie doch darauf bestehen, daß die Hochzeit nicht auf einen Feiertag angesetzt werde. Denn Gott gebiete: du sollst den Feiertag heiligen. "Auf diesem Grund und Felsen stehet unsere Sache und bieten Trotz den besessenen Bürgermeistern, Doctor Cynicus und Doctor Drach und Otterngezüchte und allen Feinden des Sabbaths, auch dem Satanas in der Hölle. Laß sehen, ob sie diesen Grund werden umstoßen; denn du Gotteslästerer weißt sehr wohl, auch deine Doctores Drachen und Hunde wissens auch, daß solch Gebot nicht von Menschen ertichtet noch von Engeln erfunden sei, sondern die ewige göttliche Majestät, Gott der Vater, Sohn und heiliger Geist haben diesen Befehl auf dem Berg Sinai dem ganzen menschlichen Geschlecht gegeben und verkündiget." -

"Es wissen aber alle gläubige verständige Christen, daß in diesem dritten Gebot "heiligen" heißt: die Zeit mit Gottes Wort zubringen, sich aller äußerlichen Werke, die das Predigamt und Betrachtung göttlichen Worts verhindern, als pflügen, säen, ernten, bauen, Holz hauen, Wirtschaft machen, Vogel schießen, backen, brauen, Kaufhandel treiben, schmieden, Kleider machen und dergleichen, enthalten und dagegen die Zeit über Gottes Wort fleißig hören, lesen, betrachten, lernen, fleißig beten, Gott für seine Wohltaten danken, das Predigamt befördern, die Sacramente gebrauchen, dem Gesinde die Lehre des Katechismus vorhalten und was der Werke mehr sind, damit nicht dem Bauch, sondern der Seele wird gedient." - -

"Solches Gebot haben wir nun Gott zu Ehren und der Gemeine zu ewigem Heil und Seligkeit getrieben und gelehret, daß man die Wirthschaften auf den Feiertag nicht soll halten, weil das Amt des Evangelii wird dadurch verhindert. Das ist nun die große Sünde, darum wir von dem gottlosen Rath zu Rostock sind vertrieben."

"Wer ist denn nun so kühn, daß er thäte sagen, daß die Wirthschaften das Predigamt nicht verhindern?"

"Der Lügenrath von Rostock durch seinen Lästergeist und nach seiner Freiheit that es wohl sagen, aber beweisen kann ers nicht. Denn das müssen alle vernünftige und wahrhaftige Menschen bekennen, daß wenn die Wirthschaften auf den Sonntag gehalten werden, alsdann viele hundert Menschen verhindert werden, daß sie die Predigt nicht können hören. Die Braut und Bräutigam, beiderseits nächste Freunde, die Diener, so Speise und alles müssen zurichten, haben so viel zu schaffen, daß

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sie nicht einmal auf die Predigt gedenken, und wenn man alsbald auf den Nachmittag die Hochzeit anfängt, wie zu Rostock gewöhnlich, da werden die Hochzeitsleute von der Predigt abgehalten. Dies ist ja so klar, daß kein Mensch oder kein Teufel der Hölle, auch der Lügenrath von Rostock nicht, dawider kann reden."

"Solches weiß der gotteslästerliche Teufel wohl. Darum hält er auch so fest darüber, daß die Wirthschaften auf den Sonntag nicht werden abgethan; nicht daß ihm etwas am Ehestand gelegen sei, denn dem ist er Spinnefeind und wollte, daß weder Ehemann noch Ehefrau auf Erden wäre; sondern darum, daß er väterliche Vorsorge trägt, es möchten zu viel Leute zur Predigt gehen und etliche mehr aus seiner Gewalt erlöst und zu Gott bekehret werden. Da hindert er mit allen Kräften, speiet seinen mordlichen Haß wider Gottes Wort in die Bürgermeister, verjaget die treuen Prediger, beschmeißt das Papier mit seinem Lügen= und Lästermandat, schreiet von Freiheit, klaget über Tyrannei, rühmet alte Gewohnheiten und Privilegien, verdammet und ketzert die Prediger als Aufrührer, wüthet und tobt wie ein unsinniger Satanas, daß ihm sein Reich werde genommen." -

"Wenn wir den Teufel und sein Reich so wohl nicht kennten, so würden wir uns verwundern und auch erschrecken, daß ein ganzer Rath einer solchen Stadt sich also auflehnen soll wider das klare und helle Gebot Gottes und so fest halten soll über einer schändlichen, unchristlichen und teuflischen Gewohnheit, dadurch vieler Menschen Seligkeit wird verhindert. Ich rede nicht vom Ehestand, daß du Lügenrath meine Worte nicht verkehrest, sondern von deinem Gebrauch, daß du die Hochzeiten wider das dritte Gebot auf den heiligen Sonntag anrichtest und damit dem Evangelium so großen Schaden thust. Ich habe zu Rostock nur ein Jahr gepredigt und habe dennoch in meiner Pfarre auf einen Sonntag in die sechs oder sieben Paar Eheleute aufkündigen müssen. Wie viele hundert meinst du wohl, daß auf den Sonntag sind verhindert worden, die Predigt zu hören? - -

"Ich bin berichtet, daß sie also von ihrem vermeinten Superintendenten Dr. Drach und von ihrem Cynico Dr. Hundt, Ketzermeister zu Rostock, und anderen Eselsköpfen und Suppenpredigern werden gelehret, das dritte Gebot gehe uns Christen nichts an, wie sie denn in ihrem Mandat des jüdschen Sabbaths der Meinung gedenken, und es sei nicht allein frei zugelassen und willkürlich, auf den Feiertag Hochzeit zu machen, sondern es sei auch ein christliches, herrliches Werk und ein sonderlicher Gottesdienst, und solche ihre Meinung zu bestä=

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tigen, speien und kotzen sie unter die Bürger viel vom Teufel ertichteter Argumente, die Christen wider Gottes Wort irre zu machen." - "Daß der Lügendoctor sein Drachengift ausspeiet und spricht, das dritte Gebot, ja das ganze Gesetz gehe uns nicht an, wie denn der Eselskopf im Consistorio zu den Studenten die Worte hat geredet, thut er wie ein verzweifelter und verdammter Lästermaul und Lügenprediger." - -

"Wie kommt denn der Lügengeist von Rostock dazu, daß er so unverschämt lästert und speiet in seinem Lügenmandat, wir haben den Ehestand ein gottlos Ding geheißen um des jüdschen Sabbaths willen, welches doch beides schändlich erstunken und erlogen ist. Denn wir lehren, daß der Ehestand ein heiliger Stand und Gottes Ordnung ist, wenn gleich die Eheleute auf den Ostertag würden gesegnet. Denn obgleich die Eheleute mit Verachtung des Predigamts sündigen, so bleibt doch der Ehestand von Gott geordnet, heilig und gut, und den jüdischen Sabbath wieder anzurichten, ist uns nicht in den Sinn gekommen, wie das auch alle Bürger binnen Rostock zeugen können, auch die besessenen Bürgermeister selbst, ob sie uns gleich Todfeinde sind, um der Wahrheit willen. Auch wundert mich, wie der Eselskopf Dr. Drach so ein grober "Tulpel" (Tölpel) ist, daß er sagt, das dritte Gebot gehe uns nicht an, so er doch weiß, daß wir nicht vom siebenten Tag, sondern von der Heiligung streiten." - "Zum anderen geben sie vor, unsere Lügenprediger zur Liebfrauen sammt ihrem Doctor Esels, der Ehestand sei ein heiliges Werk; weil denn heilige Werke auf den Sonntag befohlen seien, so ist es recht, Wirthschaft halten." Diese Ansicht wird dann als eine irrige dargethan.

"Darum soll ein jeder fromme Christ sich vor der Verachtung des dritten Gebots hüten. Ists nicht Sünde und Schande, daß wir Christen uns hierin sperren, das uns zu ewigem Heil und Seligkeit verordnet ist. Ich meine, man spüret wohl, wie hoch es die Noth fordere, daß man die Leute reize und führe zum Predigamt. Wie viel sind wohl unter uns Christen, die die christliche Lehre recht gründlich verstehen und rechten Bericht anzeigen können von Artikeln christlichen Glaubens? Woher kommts aber denn, daß man selten zur Predigt gehet und die Feiertage gewöhnlich mit Fressen und Saufen, Spielen, Vogelschießen, Spazieren, Wirthschaft halten, Gastgehen und Banketiren zubringt? Denn der teuflische Wahn ist in vielen Leuten, daß sie denken, wenn sie nur eine Predigt oder das Evangelium gehöret, so sei der Feiertag geheiligt, wenn sie gleich in der Kirche geschlafen oder die Zeit der Predigt mit unnützem Geschwätz zugebracht haben." - "Ein jeder Hausvater ist vor Gott schuldig

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seine Kindlein und Gesinde zu unterrichten im Katechismus; wie viel sind aber der Christen, die das thun? Darum findet man auch so großen Jammer bei dem Gesinde, daß es nicht genugsam zu beweinen ist. Denn da sind wenig Knechte und Mägde, die ihren christlichen Glauben recht wissen. Fragt man sie, wie man Gott soll anrufen, wie man soll selig werden, da sind sie stummer denn kein Fisch. Woher kommt denn dieser Jammer, denn daß man den Feiertag nicht heiliget, das Predigamt nicht liebet. Darum ach und wehe immer und ewiglich über den Lügenrath und Feind des Predigamts, die mit Wirthschaften und anderem Thun der Leute Seligkeit verhindern, dafür sie im höllischen Feuer brennen werden."

"Zudem fluchet und lästert der Lügenrath in seinem satanischen Mandat, man sei der Obrigkeit ungehorsam gewesen, und will hie mit Verlaub ein Theologus sein, führet die Sprache Pauli Röm. 13, dräuet auch mit Leibesstrafe, gibt uns Schuld, wir haben nach Aufruhr gestanden und lästert wie ein unsinniger Teufel aus der Hölle. Es ist aber dem Lügenrath bald zu antworten. Denn so viel unsere Person anlanget, haben wir mit Gottes Hülfe die Obrigkeit geliebet und geehret. So viel aber unser Amt anbetrifft, haben wir nicht allein Bauern und Bürger, sondern auch Bürgermeister und Rathmannen, einen jeden unangesehen, welchen Stand er geführet, gestrafet, da er wider Gott und sein Wort gehandelt. - Daß die Gottlosen aus dem heiligen Geist, der im Predigamt redet, einen Aufrührer machen, ist nicht neu, sondern der Welt alte Gewohnheit und Gebrauch. Christus muß auch ein Aufrührer sein, item Paulus, Jeremias, Athanasius und in summa alle treuen Prediger müssen den Namen führen. Daß aber der Lügenrath meldet, die Prediger haben in einer freien Stadt Conjuration, Conspiration, argwonige Conventicula gehabt, hält sich also, daß wir Prediger zu Rostock alle Wochen auf den Mittwoch zuhauf kommen und uns von der Lehre und danach von den Gebräuchen, so in unserer Gemeine wären, unterreden, wie das nicht allein in allen christlichen Städten gebräuchlich ist, sondern auch mit dem Exempel der Apostel (Act. 15) zu bezeugen und zu bewähren."

"Weil aber der verfluchte und Lügenrath der Stadt Rostock die christlichen Colloquia, d. i. Unterredungen der Prediger, nennt argwonische Conventicula, Conjuration, Conspiration und dazu öffentlich dräuet den Predigern, so sieht ein jeder vor Augen, daß der Lügenrath zu Rostock mit vielen Teufeln muß besessen sein. - Gott, der ein Richter ist des Predigamts, wolle durch seinen lieben Sohn Jesum Christum den verdammten Buben steuern

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und seine betrübte Gemeine ohne Trost seines Wortes nicht lassen."

"Zum letzten beeidigen und gebieten sie auch ihre Bürger, daß sie der Sachen d. i. des dritten Gebots nicht sollen gedenken. Solche teuflische und tyrannische Tücke, damit die Christen zu drücken, wird der Ketzermeister Dr. Hund erdacht haben und ist fürwahr ein schrecklicher, grausamer, teuflischer Griff, darin der Feind Gottes nicht allein die Gewalt der Obrigkeit, sondern auch Gottes heiligen Namen mißbrauchen will zur Vertilgung göttlichen Namens und der Christen Bekenntniß, wie seine Gewohnheit". -

"Bisher haben wir mit Gottes Hülfe auf das verfluchte, satanische und höllische Lästermandat der besessenen Bürgermeister und Lügenraths der Stadt Rostock, so viel wir nöthig achten, geantwortet. Denn daß man ihnen auf ein jedes Schmähwort, das sie aus Eingebung des Teufels und nach ihrem satanischen Haß wider Gott viel ausspeien, sollte antworten, ist von unnöthen. - Wir müssen auch noch etwas antworten Meister Kluglein und seinen Verwandten. Denn es sind etliche des heiligen Geistes Schulmeister, welche die einfältigen Christen mit ihrem Heucheln und unzeitiger, ja teuflischer Klugheit auch irre machen und sich vernehmen lassen, ob sie gleich bekennen, daß die Lästerworte Peter Brümmers grausam sind und zu strafen, dennoch wollten sie gern, daß wir etwas gelinder mit der Sache wären umgegangen und nicht allein auf Gottes Wort gesehen, sondern auch der alten Erzhure Sophiae zum Theil gefolget, welche die Prediger bei Haus und Hof pflege zu erhalten. Auch klagen die verdammten Bürgermeister, man habe ihnen in ihren Glimpf und Ehre gegriffen. - Zum ersten tadeln in unserer Predigt des heil. Geistes Zuchtmeister, die dem heiligen Geist vorbuchstabiren, wie er im Predigamt reden soll, daß wir viele zu harte und ungewöhnliche Worte gebraucht, und sonderlich ficht sie das an, daß ich Tilemannus habe gesagt, Peter Brümmer habe als ein ehrloser Mann die Lästerworte geredet. Denn daraus will folgen, so er ehrlos sein solle, so muß er den Rathsstuhl nicht besitzen. Hie nimmt mich groß Wunder, wie Meister Kluglein sammt seiner Angsthure Sophia so vergessen, ja so blind und verstarret ist, daß er das Wort ehrlos ansieht und das Wort gottlos, welches zehnmal mehr ist, fahren läßt. Da mag ja Jedermann greiflich spüren und merken, wie die verdammte Welt sammt ihrem Hurenkind Tochter Sophia so hoffährtig und trotzig den lebendigen und heiligen Gott im Himmel verachtet, sintemal sie frei bekennt, sie könne und wolle Gottes wohl entbehren. Aber Ehre wollen sie haben, auch unangesehen, daß sie Gott und sein Wort hassen und lästern." - -

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"So ein Dieb und Mörder darum, daß sie ohne Gerechtigkeit, ehrlos sind, viel mehr muß ein Gotteslästerer ein ehrloser Schelm sein, dieweil er nicht allein ohne Gerechtigkeit ist, sondern auch dem Brunnen aller Gerechtigkeit Feind ist. Auch ist kein Diebstahl, kein Mord und Unzucht so groß und greulich, wenn auch gleich ein Sohn den Vater erwürget oder ein Vater seine Tochter beschliefe, denn da ist die Gotteslästerung. Wie ist denn möglich, daß solcher bei Ehren bleibet? Siehe zu, was Moses für ein Urtheil über solche Gotteslästerer fället, der macht ihn nicht allein zum Schelm, sondern er führet ihn zum Rabenstein und ville kule und spricht, Gott habe befohlen, man soll ihn steinigen. Nach welchem Urtheil auch der Aegyptische Mann, der den Namen Gottes hatte gelästert (wie jetzt Peter Brümmer gethan), aus dem Lager geführet ist und von den Kindern Israel gesteiniget".

In seinem Verhalten gegen die Prediger habe Brümmer Gott selbst gelästert, dessen Wort sie verkündigten. "Also siehst du, frommer Christ, wie eine verfluchte, ehrlose und verdammte Sünde Peter Brümmer mit seiner Gotteslästerung beging. Darum ich auch bekenne, daß ich viel zu wenig geredet habe und sollte billig viel mehr und härtere Worte gebraucht haben, damit die grausame Gotteslästerung desto klarer angezeigt würde. Denn welche Sünde das sei, Gottes Namen und heiliges Wort lästern, kann kein Mensch ausreden. Darum wisse Peter Brümmer, daß er nicht allein ein ehrlos Mann sei, so lange er in der Sünde beharret, sondern auch, das mehr ist, ein gottloser, christloser, geistloser, kirchloser, liebloser, friedloser, glaubloser, leibloser, freundloser, zuchtloser, heilloser, treuloser, eidloser, gnadhülf= und trostloser und von Gott verstoßener Mann sei und soll mit Wahrheit ein loser Mann heißen. Denn er von aller Gottseligkeit und Heil los und abgeschnitten ist. Dagegen soll sein Titel sein, daß er voller Sünde und Ungerechtigkeit sei, voller Feindschaft wider Gott und Gotteslästerung, und voller Teufel und höllischen Feuers, und wenn ich noch hundertmal mehr sagen könnte, würde ich dennoch viel zu wenig von diesem Gotteslästerer und Feinde der Wahrheit sagen. Das sei vom ehrlosen Brümmer geredet, darauf auch jeder Christ verstehen kann, daß mein Bruder Er Peter Eggerdes recht geredet hat, daß er ihn einen Meineidigen genömet hat. Denn Peter Brümmer hat in der Taufe einen Eid gethan, bei Gott und seinem Wort zu bleiben. Nun ist er aber von Gott abtrünnig geworden und hat sich als ein Feind, Gotteslästerer, gott= und ehrloser Schelm mit dem Teufel verbunden, die Wahrheit und sonderlich das dritte Gebot Gottes und das Predigamt

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zu verfolgen und zu vertilgen. Zum andern mißfällt den Sanftpredigern, die also Gottes Wort führen, daß die großen Hänse nicht erbittert werden und sie ihre feisten Präbenden behalten, daß wir den Peter Brümmer von der Kanzel mit Namen genömet haben, und meinen, man sollte ihn erst heimlich zur Buße ermahnt haben." Aber es sei ein großer Unterschied zwischen öffentlichen bekannten halsstarrigen und freventlichen Feinden der Wahrheit und schwachen Christen, die aus menschlicher Schwachheit und vom Teufel übereilt sündigen. "Daß Peter Brümmer nicht ein Bruder, sondern ein Feind Christi sei, hat er genugsam bewiesen. Denn dies ist nicht das erste Mal, daß er sich wider das Predigamt hat aufgelehnt. Vor anderthalb Jahren, da Er Peter diejenigen auch strafte, die dem Feind des Evangelii Detlevius nachfolgten im Begräbniß, ist Peter Brümmer ein Ursacher und Anhänger gewesen, daß Er Peter Eggerdes unverhörter Sache und unerkannten Rechts vom Amt entsetzt ward. Solcher Mutwille wider Gottes Diener ist ihm nie leid geworden, ja vielmehr darin fortgefahren und andere darin gestärket. Auch habe ichs das Jahr wohl erfahren, welches Herz er zum Predigamt trägt. Denn er hat sich sammt anderen Rathmannen stets mit allen Kräften dawider gelegt, beide auf Landtagen und auch sonst, daß die christliche Visitation, so die Fürsten vorgenommen, nicht möchte fortgehen, auch daß die hohe Schule von den Fürsten nicht würde bestellet und confirmiret. Item den Dr. Venetum hat er sammt anderen Rathmannen vorhindert, daß er in seinem ordentlichen Beruf nicht möge dienen, und wie er sammt dem ganzen Rath die frommen Diener des Worts binnen Rostock stets habe verunglimpft und geschändet, das weiß ein jeder fromme Christ binnen Rostock. Was soll man nun diesen noch brüderlich vermahnen? Ja, wenn einer donnern könnte im Predigen, wie die Propheten gethan, das wäre bei diesem elenden Menschen wohl nöthig, daß er zurückdächte und Gottes Zorn lernte fürchten." -

"Wenn das Laster offenbar und Jedermann bekannt und stadtrüchtig ist, was will man denn verhalten? Diese Gotteslästerung Peter Brümmers ist nicht heimlich geschehen, sondern vor der ganzen Bürgerschaft, in die 600 oder 700 Bürger haben sie angehört." Daß der Name öffentlich genannt sei auf der Kanzel, dafür werden dann verschiedene Schriftstellen als Rechtfertigung aufgeführt z. B. 1. Tim. 5: Die da sündigen, strafe vor allen, auf daß andere sich fürchten. Dann schließt Heshusius seine Schrift mit folgenden Worten: "Darum sollen die Christen wissen, daß wir Recht daran gethan haben, daß wir den Gotteslästerer Peter Brümmer mit Namen genannt haben

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und noch nennen, auf daß er wisse, die Strafpredigt gilt ihm, und er sich vor Gottes Gericht fürchte und Buße thue; wo er aber verharren will in der Sünde, daß die ganze Gemeine wisse, Gott werde diesem seinen Feind mit dem höllischen Feuer bezahlen. Dies wollen wir dem Lügenrath auf seine Lästerschrift haben geantwortet und bitten Gott, er wolle seine betrübte Gemeine trösten und den blutdürstigen Tyrannen steuern durch Christus, wie er wohl thun kann. Amen."

IV.

Unter dem Einflusse dieser Schrift, so wie der Bestrebungen des Pastor Georg Reiche verstärkte sich die Partei der vertriebenen Geistlichen im Anfange des J. 1558 auch innerhalb der Bürgerschaft sehr ansehnlich und die Erbitterung gegen den Rath und insbesondere gegen den Bürgermeister Brümmer griff immer weiter um sich. Klagend und murrend gedachten die Bürger der Vertreibung der Prediger, und da Brümmer überdies durch seine Theilnahme an der Bewilligung der Landescontribution das Mißfallen derselben erregt hatte, so wußten sie in einer wegen dieser letzteren Sache berufenen Versammlung am 16. April 1558 die Entfernung Brümmers aus dem Rathe durchzusetzen.

Ebenso unbeliebt wie Brümmer bei der Bürgerschaft war, ebenso wenig vermochte Draconites sich bei der Geistlichkeit Eingang und Ansehen zu verschaffen. Die letztere vereinigte sich mit ganz geringen Ausnahmen dahin, nicht ferner sich an Sonntagshochzeiten zu betheiligen. Am 24. April 1558 trat Matthäus Flege (Musca), Prediger an St. Marien, öffentlich mit einer solchen Erklärung auf. Als ihn hierauf der Rath ernstlich und wiederholt aufforderte, von diesem Vorsatz abzustehen, beharrte er trotzdem standhaft bei seiner Meinung und bat, daß man ihn nicht zwingen möchte, etwas gegen das Gewissen zu thun. Nach und nach schlossen sich die meisten übrigen Prediger an, so daß bald nachher die Sitte der Sonntagshochzeiten, durch deren Bekämpfung die beiden Prediger an St. Jacobi ihres Amtes verlustig gegangen waren, gänzlich verschwand. Die letzten beiden Sonntagstrauungen wurden die eine von Draconites am 26. Jun., auf Befehl des Raths, die andere von dem Prediger M. Author Lindemann, Prediger an St. Jacobi, am 3. Jul. 1558 vollzogen. Erzürnt über diesen Widerstand der Geistlichkeit strafte der Rath den Matthäus Flege dadurch, daß er ihn seines Amts entsetzte und dasselbe dem M. Lucas Randow, Prediger am Heil. Geist, verlieh.

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Um diese Zeit, am 11. August 1558, ereignete sich zwischen Matth. Flege (Musca) und Draconites im Hause des M. Strevius, Predigers an St. Jacobi, der beide zur Kindtaufe geladen hatte, in Gegenwart des Dr. Joh. Tunnichäus (Tönnchen), des M. Strevius und des Hrn. Vitus (Veit Berg), Sacrist (Diakonus) zu St. Jacobi, am Ende der Mahlzeit, Nachmittags 2 Uhr, eine heftige Scene, welche für Draconites im höchsten Grade charakteristisch ist und uns in ihm einen Eiferer zeigt, der an Derbheit des Ausdrucks dem Heshusius nichts nachgibt, die hier aber um so gehässiger auftritt, als sie nicht von einem heiligen Eifer um die Ehre des Amts getragen wird, sondern nur aus persönlicher Gereiztheit hervorgeht. Der Verlauf dieser Scene ist von Musca selbst aufgezeichnet und die Treue dieses Berichtes wird von Strevius mit der Bemerkung bezeugt, daß von Draconites noch viel stärkere Worte als die hier niedergeschriebenen gebraucht seien. Der Bericht beginnt:

"Da die anwesenden tugendhaften Frauen sich entfernt hatten, fing Draconites an zu Strevius zu reden: David habe im 18. Psalm einen herrlichen Ausspruch gethan: "cum bonis bonus eris, cum perversis perverteris." Sic etiam tibi accidit, d. Streui, tu etiam cum perversts et inobedientibus conversaris, quare etiam es perversus et inobediens et sophista es. Darauf antwortete M. Henr. Strevius und sprach: Herr Doctor Gevatter, das bin ich nicht, ich bin kein Sophist, ich bin kein homo perversus. Da sprach der Dr. Draconites: Ja, lieber Streui, ich mein euch auch nicht. Darauf antwortete ich (Matth. Musca) (hätt' lieber geschwiegen und weggegangen, wenn ich gewußt, daß solch ein Sturm vorhanden gewesen wäre): Herr Doctor, ihr werdet mich vielleicht meinen, dieweil ihr Streuium und den Herrn Dr. Johannem nicht meinet. Da sprach Draconites: Ja, dich meine ich, du Bube und grober Esel. Darauf antwortete ich: Herr Doctor, das bin ich nicht. Ich muß die Worte nur leiden. Aber was habe ich gethan, daß ihr mich also scheltet? Sprach er: Du hältst mich für einen Antinomum und hast mich dafür gescholten und leugst es mich über, wie ein Bube und Schalk und ein Nebulo. Ein grober Esel, der du bist, der nicht weiß, was Gesetz, was Evangelium ist". Nachdem Musca geantwortet, spricht Draconites weiter: "Was solltest du grober Esel thun, du weißt nichts mehr, et nihil docere potes, nisi quod alii miseri aselli tibi praescribunt. Es ist man Betelwerk mit dir". Musca: damit beleidige er seine Lehrer, Luther, Brenz und Melanchthon. Warum er ihn denn als Superintendent nicht abgesetzt hätte. Später äußerte Draconites noch: "Ja, ja, man weiß

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wohl, was du für ein Bube bist, ich will dich für einen Buben halten, so lange du lebst". Musca habe im Heiligen Kreuz gesagt: Bittet Gott, daß wir ja die zehn Gebote behalten. Musca: für einen Antinomum habe er ihn nicht gescholten; ob er ihn dafür halte, das könne Draconites nicht wissen. Die Worte "Trolle dich, Moses, trolle dich" aber habe er aus Draconites eigenem Munde in der Johanniskirche gehört. Da sprach Draconites: "Das sollst du lügen wie ein ehrloser Schalk und Bösewicht, du grober Esel". M. Strevius bezeugte nun, daß er auch jene Worte gehört hätte. Dr. Tunnichäus ermahnte zum Stillschweigen, da schon ein Zeuge dadurch angelockt sei und noch mehrere kommen würden. Dennoch setzte sich das Gespräch zwischen Draconites und Strevius mit größter Heftigkeit fort. "Da sprach ich (Musca): Seht, Herr Doctor, solch ein lubricus homo seid ihr, der vor der Gemeinde etwas reden darf und wills nicht geständig sein. - Da sprach er: Was sagst du, loser Bube? -- - Was bist du denn? Nur ein Sacrist zu Unserer Lieben Frauen. Ich bin da ein Herr. Man kann dich absetzen, wenn man will, das weiß ich wohl." Musca erklärte, nicht wieder schelten zu wollen, wozu auch Tunnichäus ihn ermahnte. Draconites aber fuhr fort zu schelten. Strevius bemerkte: "Wenn ihrs mir thätet, ich wollte euch mit der Kannen auf den Kopf schlagen". Später wird noch die Aeußerung des Draconites gegen Musca erwähnt: "Du kannst wohl schreien, quando debes concitare plebem adversus magistratum."

Während in Rostock die beiden Parteien sich immer mehr gegen einander erhitzten, verloren die Herzoge den Gedanken an die Wiedereinsetzung der beiden vertriebenen Prediger nicht aus dem Sinne. Als gegen Ende Novembers die Gesandten der benachbarten Städte zu Güstrow über die Beilegung der Streitigkeiten zwischen den meklenburgischen Fürsten und der Stadt Rostock unterhandelten, wurden diese Streitigkeiten in zwölf Punkten zusammengefaßt, von welchen der letzte die Vertreibung der Prediger aus der fürstlichen Kirche und Pfarre betraf, wofür die Herzoge eine Geldbuße von 60,000 Goldgulden forderten. Als diese Sache im December 1558 vor die rostocker Bürgerschaft kam, erklärten die Bürger in Ansehung der vertriebenen Prediger: sie seien ohne ihren Rath und Wissen aus der Stadt vertrieben, und sie würden, wenn deswegen den Fürsten etwas zu zahlen sei, dazu keinen Pfennig beitragen. Sie verbanden mit dieser Erklärung das Verlangen, daß der Rath den Matthäus Musca, welcher schon Unterhandlungen wegen Uebernahme eines Pfarramts in Lübeck angeknüpft hatte, in sein Amt wieder einsetze und den M. Lucas Randow an das Hospital zum Heiligen

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Geist zurück versetze. Auch stellten sie an den Rath das Begehren, daß er den Johann Crispinus (Kruse), einen durch Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Beredtsamkeit ausgezeichneten Mann, als Prediger anstelle. Dieser war im Jahr vorher aus Dorpat in Liefland von den Russen vertrieben und am 22. Sept. 1558 nach Rostock gekommen, um hier an der Universität an dem Umgang mit Gelehrten seinen Geist zu erfrischen, bis es ihm gelänge, ein neues Amt zu erlangen. Der Rath ging in alle diese Forderungen der Bürgerschaft ein, obgleich dadurch die Partei seiner Gegner sich verstärkte. Denn auch Crispinus, welcher am 18. Decbr. 1558 seine Antrittspredigt in St. Marien hielt und hier jeden Mittwoch die Lehre von der Buße erläuterte, erwies sich bald als einen der hervorragendsten Gegner des Draconites und des Raths.

Als Draconites am Tage Epiphanias (heil. Dreikönigstage) 1559 wiederum in St. Johannis eine Predigt voll heftiger Angriffe gegen die rostocker Geistlichkeit gehalten hatte, fand sich dadurch Crispinus bewogen, des Draconites Lehre öffentlich von der Kanzel als eine Irrlehre zu bezeichnen. Draconites hatte u. a. gesagt: "Der Rostocker Brief und Siegel zeugen, daß ich ein berufener Superintendent bin Unserer Frauen Kirche", und hinzugefügt: Superintendent heiße ein Prediger, der ob dem gewissen Wort hält und mächtig ist, nicht allein zu ermahnen durch solche Lehre, sondern auch die Widersacher zu strafen. Darum begehre er, daß ihm die Rostocker gestatten, in der Kirche zu antworten, wo seine Lehre gelästert sei. Seine Worte: "Troll dich, Moses, aus meinem Herzen in Noth und Tod und komm du, Christus, herein", seien aus dem Zusammenhange zu erklären. Man müsse die Leute nicht überpoltern. Statt seine Predigt richtig auszulegen, komme man wie Straßenräuber, um ihn zu Schanden zu machen in seiner Kirche und nehme aus seiner Predigt nur, womit man ihn fange. Namentlich aber hatte er folgende Sätze aufgestellt, deren Echtheit außer verschiedenen rostocker Predigern auch Jacob, Pastor zu Kessin, bezeugte: "Immer zum Teufel mit den Sabbathsknechten, die da lehren: du sollst am Sabbath allein fromm sein und die Woche über eine Bestia", ferner: "wenn dich einer straft und spricht: du bist ein Sünder, so sprich wieder zu ihm: hörst du, Bube, hab' ich in einem gesündigt, so hast du in dreien gesündigt".

Ungefähr um dieselbe Zeit ließ Draconites auch eine lateinische Oration drucken, in welcher er die "Sonntagsköste" zu vertheidigen bemüht war. Er nannte hier die Gegner parricidas und gab ihnen Schuld, daß sie den Namen der löbl. Universität, auch des Ehrbaren Raths zu Rostock, auch seinen eigenen Namen

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unbillig geschmähet und verunsäubert hätten. Er erwähnt auch Leute, welche anonyme Carmina wider ihn angeschlagen hätten. Gegen diese Oration trat bald darauf Joh. Frederus mit folgender Schrift auf: "Bericht Joh. Freders van dem, wat Dr. Joh. Draconites mit groter Unbeschedenheit in einer Lateinischen Oration van den Sonndages Hochtiden geschreuen vnd wo hart he vnschuldige truwe Dener Christi angetastet vnd sonst sick versündiget hefft" Er bewies in dieser Schrift, daß es falsch sei, was Draconites behaupte, es seien, so lange Rostock stehe, daselbst Hochzeiten am Sonntag gehalten. Alte glaubwürdige Leute hätten ihm berichtet, daß dieselben früher am Sonntag Abend, nach Beendigung aller kirchlicher Ceremonien, angegangen seien. Auch sei selbst dies nicht mit Einwilligung der Kirche geschehen, und auch wenn dieselbe eingewilligt hätte, so könne doch ein evangelischer Prediger sich nicht auf die Billigung des Papstthums berufen. Auch habe man solche "Brautlacht" (Hochzeitsgelage) zu Wittenberg, Braunschweig, Hamburg und in anderen vielen Städten, besonders im Oberlande, allenthalben abgeschafft. Freilich habe man nicht allenthalben diese Abschaffung durchsetzen können. Draconites berufe sich auch darauf, daß Dr. Smedenstede (Smedenstädt), den er als severissimum concionatorum bezeichne, nur den Mißbrauch bei den Sonntagshochzeiten, nicht diese selbst verdammt habe. Dies sei schon an sich zweifelhaft, aber solle es einmal auf Gewährschaften ankommen, so könne man sich auf Luther und alle Wittenberger, auch Brentius, Vitus und viele andere treffliche hohe Leute im Oberlande und Sachsen berufen, welche solches gestraft hätten. Aber auch wenn Smedenstede nur den Mißbrauch strafte, hätte er darin mit den Predigern übereingestimmt. Denn das sei der größte Mißbrauch, daß viele Leute von der Predigt abgezogen würden. Luther habe vor 30 Jahren zu Wittenberg solchen Mißbrauch abgeschafft. Bei dem Ansehen, welches Draconites bei dem Rath genösse, würde es ihm möglich gewesen sein, denselben für die Abschaffung der Sonntagshochzeiten zu gewinnen. Dann würden auch die wenigen Prediger, welche ihm noch anhingen, der Meinung der übrigen treuen Prediger beigetreten und alles einig geblieben sein. Daß Hakendal die anderen Sabbatharios genannt, sei nicht mehr nachzuweisen und habe auch nur dann Bedeutung, wenn seine Bezeichnung Seitens des Draconites als fidelissimus ecclesiae Marianae minister eine berechtigte sei. Wenn aber Draconites behaupte, daß die Prediger die Leute aus christlicher Freiheit in jüdische Knechtschaft bringen wollten, so sei dies "eine graue, schentlicke, dicke, fette, swulstige, gasteryge, stinkede, smelike, vnvorschemede Lügen und Lästerung".

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V.

Am 10. März 1559 gingen endlich acht Prediger mit der Erklärung vor den Rath daß sie den Dr. Draconites als Superintendenten nicht anzuerkennen vermöchten und gaben dafür neun verschiedene Gründe an. Da der Rath die Antwort verzögerte, so traten am 21. Jun. 1559 die Prediger im Hause des M. Joh. Schregelius (Schreyl, auch Cantor genannt) zusammen und beschlossen, drei Deputate an den Rath zu senden, wozu "Hr. Joachim (Schröder) tho S. Peter, M. Joh. Schreyl und Hr. Matthäus (Musca)" bestimmt wurden. Unmittelbar darauf ward dieser Beschluß jedoch dahin abgeändert, daß die Gesammtheit vor den Rath gehen sollte, was am 22. Jun. geschah. Hier führte nun M. Georg Reiche das Wort. Er stellte die Anfrage, ob die Prediger auf die Schrift vom 10. März keine Antwort erhalten würden, und wünschte zu wissen, ob nicht schon Draconites sich auf die Schrift erklärt hätte, und ob man diese Erklärung nicht sehen könne, worauf Bürgermeister Gülzow erwiederte: eine Erklärung von Draconites sei noch nicht eingegangen; sobald dieselbe da sei, solle deren Mittheilung erfolgen. Darauf hob M. Georg eine scharfe und harte Vermahnung an, daß sie einmal bedenken möchten, wie nun schier bei drei Jahre lang der Name Gottes gelästert und das heilige Predigamt von ihnen geunehrt sei, da sie sich demselben als Feinde entgegengesetzt und die Prediger verjagt hätten und noch heutiges Tages auf seine Person, wie auf alle treuen hier gegenwärtigen Prediger hart erbittert seien. Sie möchten sich doch endlich einmal erklären, was sie denn an den Predigern auszusetzen hätten und wie sie es hinfort zu halten gedächten, und ihren Zorn gegen das Predigamt fallen lassen. Wo nicht, so werde der Zorn Gottes über sie kommen; denn man wüßte wohl, wie es in anderen Städten und Ländern ergangen wäre. Sie sollten sich mit dem Predigamt versöhnen und dasselbe von dem Drachen befreien ("des Draken quidt maken"). Diese Rede bekräftigte darauf ein jeder Prediger mit einer sonderlichen Vermahnung. Der Rath ließ sie darauf abtreten und sandte dann den Schreiber Radke zu ihnen hinaus, um ihnen anzukündigen, da die Uhr schon elf und die Sache sehr wichtig wäre, so sollten sie später wieder vorbeschieden werden. M. Georg antwortete: das Vorkommen hätte nun schier das ganze Jahr lang gedauert; es müßte nun einmal ein Ende gemacht und sogleich ein bestimmter naher Termin dazu angesetzt werden. Sonst müsse man sich auf andere Weise gegen den Drachen helfen. Nachdem die Prediger inzwischen noch einige Zusammenkünfte gehalten hatten,

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ließ sie am 29. der Rath zum 30. Morgens 8 Uhr auf die Schreiberei citiren. Hier waren Draconites, Dr. Matthäus Röseler, der als Rathssyndicus fungirte, M. Bernhard Mensing, damals Rector der Universität M. David (Chyträus), M. Johann Possel, imgleichen Herr Author (Lindemann) und M. Lucas (Randow), auch etliche Bürger, wie Claus Paselick, Franz Quant, Henning Beselin, Hans Runge, Claus Hamel, Hinrich Brant und Baltzer Gule.

Als die Prediger eintraten, wollten einige von ihnen dem M. Lucas und Herrn Author die Ehre bieten, zwischen ihnen zu sitzen. Da sprach Draconites: "Lasset die accusatores allein sitzen", was denn auch geschah. Darauf kam Joachim Bansow, welcher sich mit den Gegnern zusammensetzen wollte, worauf M. Georg (Reiche) sprach: "Kommt her zu uns accusatores, quia illi sunt disjuncti a nobis et seducti a Dracone", und M. Lucas erwiederte: "Non sumus disjuncti, praedicamus eundem Christum vobiscum licet disjuncti".

Nachdem sie vorgetreten waren, nahm Dr. Röseler das Wort und verlangte, mit Bezug auf die am 22. Jun. gefallenen Aeußerungen, daß vor allen Dingen die Prediger anzeigen sollten: 1) was denn der Rath für schwere Sünde gethan; 2) welche Mitglieder des Raths Gottes Worte nicht gewogen wären; 3) welche Beispiele von Uneinigkeit in anderen Städten die Prediger im Sinne gehabt hätten. Die Prediger aber wollten sich darauf nicht einlassen, daß zuerst die Sache mit dem Rath vorgenommen würde, und verlangten, daß zuerst über die Angelegenheit mit Draconites verhandelt werde. Da man sich hierüber nicht einigen konnte, mußten sie abtreten, und man sandte ihnen noch den M. Mensing, M. David und M. Johann Possel nach, um sie für die andere Ansicht zu gewinnen. Doch ohne Erfolg, da die Prediger erklärten, daß nur dann eine dauerhafte Verfolgung mit dem Rath werde abgeschlossen werden können, wenn zuvor Draconites seine Entlassung als Superintendent erhalten hätte. Auf die weitere Bitte, von dieser Sache auf der Kanzel zu schweigen, versprachen sie nur, es einen oder einige Sonntage so mit anzusehen.

Als die drei Professoren wieder zum Rath hineingegangen waren, kam Draconites mit Herrn Author, die nun ebenfalls hatten abtreten müssen, zu den übrigen Predigern hinein. M. Lucas war inzwischen nach Hause gegangen. Als Draconites eintrat, grüßte er nicht, die Prediger ihn auch nicht. Er setzte sich stumm nieder und sah gar finster ("byster") aus. Da er eine Weile gesessen hatte, hob er an und sprach: Fratres. quem ego vestrum in tota mea vita vel dicto vel facto laesi?"

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In dem weiteren Inhalt seiner Rede machte er den Predigern wegen der gegen ihn gehegten Verachtung Vorwürfe. Während er noch redete, wurden sämmtliche Versammelte durch den Schreiber Mastenkamp wieder vor den Rath gefordert und hier benachrichtigt, daß der Rath einwillige, zuerst die Sache mit Draconites vorzunehmen; doch sei letzt, da es am Mittage Schlag Elf sei, die Zeit abgelaufen. Sie seien daher für jetzt entlassen, würden aber bald wieder vorgefordert werden. Schon wollten sich nun die Prediger entfernen, als Draconites noch eine Rede anhob. Er sei der Sonntagsköste wegen angegriffen erstens in einer Schrift, in welcher er nebst einem Ehrsbaren Rath und anderen geschmähet werde, zweitens in einer vor der ganzen Bürgerschaft verlesenen Schrift, darin er so hart verklagt sei, daß man geschrieen habe, man solle ihn zum Thor hinausjagen, und er in Lebensgefahr gekommen sei, drittens in einer Schrift, welche sein Amt angehe und seine Absetzung verlange, weil er seinem Amt nicht genüge und ein Bacchant sei. Aufgefordert, darauf schriftlich zu antworten, habe er binnen drei Tagen eine Rechtfertigungsschrift bei Rath eingereicht. Er erbiete sich zu einem schweren Eide, daß ihm Unrecht geschehe. Ihm werde auch zugemessen, daß er von dem heiligen Leiden Christi unrecht gepredigt habe. Hier unterbrach ihn M. Georg mit den Worten: "Draco, concludite, denn wir wollen auch reden", und fragte ihn dann auf sein Gewissen, ob er zu dem Mandat geholfen oder darein gewilligt habe. Draco antwortete: "Nein, so ich von dem Mandat gewußt, ehe ichs an der Kirchthüre stehen gesehen, so thue sich die Erde auf und verschlinge mich". Weiter fragte M. Georg den Draconites, ob der Rath recht oder unrecht gethan habe, die Prediger zu verjagen, worauf Draconites erwiederte, daß er darüber nicht Richter sei, und nöthigenfalls es mit einem Eide erhärten könne, nicht davon vorher gewußt zu haben. Da sprach M. Georg: "Herr Dr. Draco, wir glauben euch und euren Eiden nicht, ihr seid zu leichtfertig"; worauf Draconites: "Das bin ich nicht, ihr thut mir Unrecht, ihr haßt mich ohne Ursache. Wer seinen Bruder haßt, ist ein Mörder und wird bösen Lohn empfangen". Hierauf erwiederte M. Georg: "Fiat tibi secundum verbum tuum" und ging mit den Predigern davon. Herr Johann Crispinus aber wendete sich zu Draconites und zu den über die Rede zugekommenen Bürgermeistern und sprach: "Meine Herren, die Rede, die Draco gehalten hat, die muß und soll zu seiner Zeit genugsam beantwortet werden". Da sprach Draco zu ihm: "Wartet, ich will euch noch eine bringen". Herr Johann antwortete: "Ich wills gewärtig sein". Damit gingen alle von der Schreiberei

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Da der Rath zögerte, die Prediger, seiner Zusage gemäß, bald wieder zusammenzuberufen, so sandten diese am 7. Juli drei Deputirte an den Rath: M. Georg Reiche, Herrn Johann Crispinus und M. Henr. Strevius. Jeder von diesen drei hielt eine scharfe Ermahnung an den Rath und führte ihm alle von ihm gegen Gott und das heilige Predigamt begangene Sünde zu Gemüth.

Zum 24. Juli war eine neue Rathssitzung zur Erörterung der Streitigkeit anberaumt, an welcher von der Universität Dr. Kirchhoff, der Rector M. Mensing, M. Conrad Pegel, M. David (Chyträus), M. Johann Possel und außer den oben genannten Bürgern noch Hans Dumradt, Simon Kölpin, Johann Blaffer, Caspar Lyndenberch, Hinrick Nettelbladt, Hans Bolte, Jochim Wulff und Hinrick Hesse Theil nahmen. Mit Draconites erschienen Herr Author (Lindemann) und ein Freund von Draconites, Namens Carolus (Günther), ein Student.

Nachdem Dr. Röseler den Zweck der Zusammenkunft, die Erledigung der Angelegenheit mit Draconites, dargelegt und bemerkt hatte, daß man noch mehr Herren aus der Universität zugezogen habe, um die Sache desto förmlicher zu vertragen, hielt auch Dr. Kirchhoff eine Rede. M. Georg bat um die Erlaubniß, zunächst eine schriftliche Verantwortung auf die Rede des Draconites verlesen zu dürfen, welche Verlesung demnächst durch Matth. Flege geschah. Im Eingange wurden E. E. Rath und die ehrhaften Bürger ersucht, nachdem sie den Draconites mit besonderer Aufmerksamkeit und Freude ihres Gemüthes gehört, nun auch dasselbe Gemüth der Gegenrede nicht zu vertagen. Dann heißt es weiter: Draconites gebe Worte ohne That, was ihm Gott wohl bezahlen werde. Er sei durch Dr. Venetus, Dr. Heshusius, M. Andreas Wesseling, Peter Eggerdes fleißig und freundlich ermahnt, aber ohne Erfolg. Um so weniger hätten sich die Prediger Erfolg versprechen können, da sie in seinem Herzen und Augen rechte Todtenköpfe seien. So habe er sie mehrmals auf der Kanzel genannt. Die drei von Draconites erwähnten Schriften solle derselbe namhaft machen, worauf er dann Bescheid erhalten werde. Meine er mit der ersten Schrift die von Georg Reiche, so sei derselbe gegenwärtig und erbiete sich zur Antwort. Meine er mit der zweiten Schrift die auf dem Rathhause vor den Bürgern verlesene, welche die Sache des Herrn Matth. Flege wider Draconites betreffe, so sei auch dieser hier und erbiete sich zur Antwort. Flege habe die Verlesung vor der Gemeine nicht angeordnete viel weniger ihn vor der Bürgerschaft angeklagt. Meine er mit der dritten Schrift die

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von den Predigern eingereichte, so wollten sie alle, die hier versammelten Prediger, den Inhalt vertreten. Sie hätten in dieser Schrift die Gründe angegeben, weshalb sie ihn nicht für ihren Superintendenten anerkennen könnten und wollten, und seien ferner zu dem Beweise erbötig, daß die weltliche Obrigkeit keine Macht habe, nach ihrem Gefallen, ohne Consens und Vollmacht ("Vulbort") der Pastoren und Prediger in einer Stadt, einen Superintendenten oder Bischof anzunehmen, zu behalten oder abzusetzen. Es würde dem Draconites besser angestanden haben, dem Rath von Rostock seine Sünde vorzuhalten, als sie alle fromme gottesfürchtige Leute zu nennen, von denen er nichts Böses wisse, und sie dadurch in ihren Sünden zu stärken.

Nachdem hierauf auch noch die früher übergebene Schrift der Prediger Verlesen war, nahm Draconites das Wort und sprach: "Ich muß diesmal den drei Mäulern antworten, nemlich M. Georgio als dem großen Goliath, dem Flegen und Bansowen und den acht Jägern, die das kleine Rebhuhn ("Raphoeneken") erhaschen wollen". Wenn der rostocker Superintendent abgesetzt würde, so wären acht Superintendenten wieder da. Er habe mehr von der Lehre gelesen und geschrieben, auch mehr darüber gelitten, als sie alle acht. Dann fuhr er fort: "Ich habe aber hier ein Buch, daraus ich meine Lehre geschöpft (damit zog er die hebräische Bibel hervor), das gebe ich M. Georgio zu lesen". Er reichte das Buch seinem Freund Carolus, um es dem M. Georg einzuhändigen. Dieser aber fragte: "Was ist es für ein Buch?" Draconites antwortete: er solle es besehen. M. Georg: "Ich wills nicht besehen, sagts was es ist". Draconites: "Es ist die hebräische Bibel". M. Georg: "Ich kann nicht hebräisch". Draconites: "Sieh da, das ist ein Prediger, der einen anderen strafen und reformiren will, und kann noch in der Bibel nicht lesen". M. Georg: "Höret, Draco, der Teufel kann besser hebräisch als Draco, er taugt aber deshalb gar nichts. Wem ist je mit eurem Hebräisch geholfen hie zu Rostock?" Hiemit schloß diese Verhandlung.

In einer neuen Versammlung am 26. Juli, zu welcher nur die acht Prediger vorgefordert waren, nicht aber Draconites und seine Anhänger, ward bestimmt, daß die zugezogenen Mitglieder der Universität die Verhandlungen weiter führen und wo möglich bis Aegidii (1. Sept.) beendigen sollten. Im Falle des Mißlingens der Aussöhnung wollte der Rath die Acten an andere Universitäten oder benachbarte Kirchen zum Urtheil versenden, damit endlich dieser verderbliche Zwiespalt aufhöre. Die Prediger wiederholten hier die Erklärung, keinenfalls den Draconites als Superintendenten behalten zu wollen. Der Rath begehrte, daß

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die Sache inzwischen nicht auf die Kanzel gebracht würde, worauf aber Jochim (Schröder) von St. Peter und M. Georg erklärten, daß bisweilen solche Evangelia kämen, wo man nicht unterlassen könne, die Sünden zu strafen, und daß man in solchen Fällen dem heiligen Geist nicht wehren dürfe. Der Bürgermeister Hans von Harverden (Rathsherr seit 1530, Bürgermeister seit 1552) hielt darauf eine harte Gegenrede, in welcher er den Predigern ihr Verhalten nachdrücklichst verwies.

Acht Tage vor Aegidii übergaben die Unterhändler den Predigern eine Schrift, in welcher vorgeschlagen war, daß man sich des Kampfes über die Lehre vom Verhältniß des Gesetzes zum Evangelium gänzlich enthalte. Draconites solle eine Erklärung auf die Klageartikel abgeben und die Privatsachen sollten durch Etliche der Universität und des Raths friedlich und christlich vereinigt und vertragen werden. Die Frage wegen der Superintendentur werde zu der Obrigkeit Erkenntniß und Erörterung vor stellt. Diese Schrift war unterzeichnet von M. Bernh. Mensing, Rector der Universität, Laurentiuns Kirchhoff, der Rechte Dr., M. Conrad Regel, M. David Chyträus und M. Johann Possel. Die Prediger waren aber mit diesen Vorschlägen nicht zufrieden und wurden nun zu Gegenvorschlägen aufgefordert. Sie thaten dies in einer schriftlichen Erklärung: "wo Dr. Joh. Draconites mit dem heiligen Predigamt möge versöhnet werden", welche unterzeichnet war von M. Georgius Reichius, Joachim Schröder, M. Joh. Schreygel, Joh. Crispinus, M. Henr. Streuius, Vitus Berg, Matth. Flege, Joachim Bansow. Die Prediger begehrten hier: 1) eine Erklärung der in ihrer Denunciationsschrift angeführten Stellen aus der Predigt des Draconites in der Johanniskirche, gemäß der augsburgischen Confession, Apologie und schmalkaldischen Artikeln, und zwar an demselben Orte, wo die Rede gefallen sei; 2) eine gewisse schriftliche Antwort Seitens des Draconites auf die Artikel, in welchen er ihnen bisher widerstrebt habe, nemlich a. ob die Prediger die Sünden öffentlich und insonderheit strafen dürfen, b. ob solche Hochzeiten und Gastgebote, welche den Gottesdienst verhindern, Sonntags gehalten werden dürfen, c. ob E. E. Rath zu Rostock darin recht und billig gehandelt habe, daß er den ehrwürdigen, hochgelehrten und beständigen, der heiligen Schrift Doctorem und Professorem der Universität zu Rostock, Dr. Tilemann Heshusius und seinen getreuen Mitgehülfen Ern Petrus Eggerdes, unverhörter Sachen an ihrem tragenden Amt mit Verschließung der Kirche gehindert, verwiesen, verjagt und weggeführt habe, und ob das Mandat, welches E. E. Rath wider sie und das ganze heilige Predigamt im Druck habe ausgehen lassen, recht und zu billigen oder zu verwerfen

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sei; 3) weil sie nicht allein früher von ihm mit unbilligen und unleidlichen Schmähworten, sondern auch am nächstvergangenen 24. Juli in Gegenwart etlicher Herren der Universität, des ganzen Raths und etlicher Bürger aufs Höchste als untüchtige, unwürdige Personen zum Predigamt ganz höhnisch verachtet, geschmähet und verworfen sind, so begehrten sie, daß er entweder solches beweise oder sie an eben dem Ort ehre, wo er sie verunehret habe, um ihres Amtes willen. Nach Empfang dieser Erklärung werde man sich in aller Gebühr und Billigkeit wohl weiter wissen zu halten.

Da die Prediger auf diese Schrift gar keine Antwort erhielten, so wandten sie sich am 13. Novbr. wieder an den Rath und baten, daß derselbe jenes traurige Aergerniß von der Kirche wegnehmen und dem Draconites Stillschweigen auflegen, auch verhindern möchte, daß derselbe fortfahre, Lügen auszuschütten, deren er in einer Predigt im vorigen Jahr eine ungeheure Menge gleichzeitig vorgetragen hätte. Am 20. Novbr. erschienen sie persönlich vor dem Rath, wo in aller Namen Joh. Crispinus die Bitte vortrug, den Draconites "niederzulegen" und ihm nicht länger zu gestatten, daß er Predige und Schriften herausgebe. Denn Draconites sei verdächtiger Lehre, weil er den vornehmsten Gebrauch des Gesetzes, Sünden und Laster zu strafen, aufhebe und das dritte Gebot nicht achte. Auch habe er eine sonderliche Lehre von der Höllenfahrt Christi, nach welcher Christi Seele nach dessen Tode in der Hölle höllische Marter und Pein gelitten habe, was jeder Christ bei Verlust seiner Seligkeit zu glauben schuldig sei. Ferner widerstrebe Draconites der Kirchenzucht, welche er doch vor etlichen Jahren selbst gebilligt habe, gewähre den Gottlosen ein christliches Begräbniß und den öffentlichen Sündern die Zulassung zum Sacrament. Endlich rügte er seine böse Nachrede gegen die Prediger, woraus auch Zwist und Parteiung in der Bürgerschaft entstehe, indem jeder Theil seinen Anhang habe.

Der Rath versprach eine baldige Antwort, worauf Seitens der Prediger die Bemerkung erfolgte, daß sie für den Fall weiterer Verzögerung andere Wege einschlagen würden. Sie würden 1) Christum um Schutz anrufen und auf allen Kanzeln für diesen Mann bitten, daß ihn Gott bekehren wolle oder diese Gemeine von ihm erlösen, und 2) zur Darlegung der Ursachen dieses Gebots den ganzen Handel erzählen, auch sich der Druckpresse bedienen, die ihnen ja so gut wie dem Draconites zu Gebote stehe, um die umliegenden Städte über die Angelegenheit zu unterrichten. Diese schriftlich abgegebene Erklärung war unterzeichnet von Andreas Martinus, Rector der Universität, Georg Reiche, Joachim Schröder, Joh. Schregelius, Joh. Crispinus, Henr.

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Streuius, Matth. Musca, Vitus Berg, Joachim Bansow, Thomas Johannes. (Der letztere war Prediger an St. Georg.)

Unterdessen war Draconites sehr geschäftig, unter der Bürgerschaft und den Studenten für seine Sache zu wirken. Er wurde hierin von Dr. Lorenz Kirchhoff unterstützt, welcher ungefähr zwanzig Bürger, darunter viele Papisten und offenbare Feinde des lutherischen Bekenntnisses, aber Anhänger von Draconites um sich versammelte, um sie gegen die Prediger aufzuwiegeln. Lorenz Kirchhoff verlangte ihre Unterstützung des Gesuches, daß Draconites auch des Sonntags predigen möchte. In einer anderen am Tage darauf gehaltenen Versammlung, bei welcher auch eine Anzahl von Studenten zugegen war, von welchen aber viele nie einen Vortrag des Draconites gehört hatten, wiederholte er seine Ansprache und fügte hinzu, daß auch diese Studenten die Reinheit der Lehre des Draconites bezeugten und den Wunsch hegten, daß Draconites nicht bloß predige, sondern auch an der Universität seiner exegetischen Vorlesung ein Collegium über hebräische Grammatik beifüge. Er führte auch zwei Studenten vor den Rath, welche bezeugen mußten, sie hätten von ihrem Lehrer Dr. Philippe (Melanchthon) gehört, daß Draconites kein Antinomer sei, aber die übrigen Prediger zu Rostock seien, wenn auch keine Antinomer, so doch ipsissimos asinos.

Am 14. Decbr. war der ganze Rath nebst mehreren Bürgern ("Claus Paselick, Bartol. Willebrant, Andr. Lange, Hinr. Brant, Bülow, Caspar Lindenberg, Henning Goldenisse, Hinr. Nettelblat, Simon Kaffmester, Hans Moller ein Boddeker, Jochim Stolteuot, Vincent Gladow, Bernd Rheder, Baltzer Gule, Caspar Nacke, Jacob Rathe") wieder mit den Predigern zusammen. Der Syndicus theilte diesen mit: Draconites sei vorgefordert, habe aber alle Beschuldigungen für unbegründet erklärt, wäre auch bereit, sich jederzeit zu verantworten. Denn er hätte schon eher sich auf Reichstagen sehen lassen und hier die Lehre vertheidigt. Auch lobte der Syndicus den Draconites als einen gelehrten und trefflichen Mann, des ihm viele Zeugniß gäben. Es sei am 7. Novbr. Dr. Lorenz Kirchhoff mit einer guten Anzahl ehrliebender Bürger vor dem Rath gewesen, die das auch bezeugt und den Draconites gebeten hätten, er möchte auch des Sonntags predigen aus den Propheten, darin er einen solchen Verstand hätte, wie man noch nicht gespürt. Am 28. Novbr. wäre er wieder da gewesen mit vielen Studenten und hätte gebeten, man möchte ihn noch einige Collegia halten lassen. Die Studenten begehrten auch von ihm ordinirt zu werden. Eben so wäre auch Dr. Lambert Kirchhoff mit einer guten Zahl Bürger vor dem Rath gewesen und hätte ein gleiches Begehren wie

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Lorenz Kirchhof gestellt. Es sollte noch einmal durch unparteiische Unterhändler ein Vergleich versucht werden. Gelänge dies nicht, so wolle man beider Theile Rede und Gegenrede an andere Universitäten schicken, als Wittenberg, Erfurt, Marburg, Leipzig und Frankfurt, und darauf erkennen lassen.

Die Prediger behielten sich hierauf die Antwort vor. Es nahm aber noch M. Jochim von St. Peter das Wort in Betreff der beschwerlichen Rede des Bürgermeisters von Harverden gegen M. Georg. Der Bürgermeister vertheidigte sich gegen die ihm gemachten Vorwürfe und suchte die Ausweisung der Prediger zu rechtfertigen. Dieselben hätten etlichen Mitgliedern des Raths in Ehre und Glimpf gegriffen. Der Rath hätte Trost und Hülfe bei den Fürsten gesucht, aber nichts erlangt. Sie hätten sie durch Bürger, Diener und andere davon abmahnen lassen, aber nur spöttische Antworten erhalten. Dr. Tilemann sei übrigens von Peter Eggerdes dazu verleitet worden. Der Rath hätte endlich ans Nothwehr zur Ausweisung schreiten müssen. Die Sache sei jetzt beim Kammergericht anhängig; an dem hier zu fällenden Urtheil wollten sie sich genügen lassen, und das sollten die Prediger auch thun. Danach redete auch Bürgermeister Gülzow: "Ich sitze hier und habe hier gesessen eine lange Zeit als ein armer, elender, betrübter Sünder und weiß nicht, wie lange der Herr mich will leben lassen. Denn ich wäre schier jüngsthin ("negest") auf den Kirchhof niedergefallen und wäre mir gegangen wie Matth. Adeler, der starb auch gleich. Sollte man darum sagen, daß er ein böser Mensch gewesen. Und wenn man so hinstürbe, sollte man begraben werden wie Unchristen. Daß weiß ich nicht, ob es recht ist. Denn ich bin kein Mörder oder Todtschläger. Auch weiß ich nicht, daß ich ein Kind womit erzürnt hätte, und hätte eher geglaubt, daß mir der Himmel sollte auf den Kopf gefallen sein, ehe man mir das Sacrament als einem Christen geweigert hätte".

Hierauf hielt der Rector (Andr. Martinus) eine harte und scharfe Ermahnung, daß der Rath das doch nicht so gering achten sollte, was er gethan. Sie sollten Buße thun, damit sie an jenem Tage bestehen könnten und dort nicht ewige Schmach ("smaheit") und Schande haben möchten. Bürgermeister von Harverden erwiederte: man sollte sehen, was man sage, und nicht von Schmach und Schande reden. Sie hätten nichts der Schande Werthes gethan. Sie hätten ein Mandat ausgehen lassen, welches die Prediger ein Schandbuch nennten. Das wäre aber so böse nicht, wie man es darstelle, und nur in der Absicht erlassen, gemeine Bürger damit zu unterrichten und zu stillen. Die Prediger aber hätten daraus etwas ganz Anderes gemacht.

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VI.

Schon um die Mitte des J. 1559 waren von Hamburg aus mit Joh. Crispinus Verhandlungen eingeleitet, denselben für die dortige Petrikirche zu gewinnen. Joh. Crispinus ließ sich auch bereit finden, die Berufung dorthin auf Neujahr 1560 anzunehmen. Damit drohete den Predigern zu Rostock, für deren Partei Crispinus eine wesentliche Stütze gebildet hatte, ein großer Verlust, welchen abzuwenden oder wenigstens zu verzögern sie sich nach Kräften bemüheten. Am 18. Sept. 1559 erließ das geistliche Ministerium zu Rostock ein Schreiben an das Ministerium zu Hamburg mit der Bitte, daß man den Crispinus den Rostockern noch lassen und ihn seines Versprechens, nach Hamburg zu gehen, entbinden möge. Derselbe ward in diesem Schreiben als ein guter Helfer in den kirchlichen Wirren gerühmt, welche vor zwei Jahren mit der Vertreibung des Dr. Tilemann hereingebrochen seien. Jetzt seien zwar die meisten von diesem gerügten Mißbräuche beseitigt, unter Zustimmung der Mehrzahl der Bürgerschaft, jedoch unter Widerstreben mehrerer Rathsmitglieder. Würde aber Crispinus gehen, so würde der Teufel wieder losbrechen. Mit der Ueberbringung dieses Schreibens nach Hamburg ward M. Andreas Martinus nebst dem Ratsherrn Jürgen Bunger (seit 1555) und zwei Bürgern, Hinrich Dose und Franz Quant, beauftragt, welche zugleich ein Gutachten des hamburger Ministeriums über die Sonntagshochzeiten und ihr Verhältniß zum dritten Gebot einholen sollten. Nachdem die Deputation in Ansehung des Crispinus mündlich eine abschlägige Antwort zurückgebracht hatte, kam um Michaelis ein Schreiben des hamburger Superintendenten Paul von Eizen an, in welchem dieser Namens der hamburger Geistlichkeit die Mißbilligung der Sonntagsgastereien aussprach, so daß der Rath zu Rostock sündige, wenn er sie gestatte. In Betreff der ebenfalls angeregten Begräbnißfrage ward auf eine Schrift des Dr. Joh. Anpinus verwiesen. Ein neues Gesuch, den Crispinus nur noch auf ein oder zwei Jahre den Rostockern zu lassen, welches Andr. Martinus am 25. Oct. 1559 nach Hamburg absandte und in welchem er unter anderem klagt, daß die Mitglieder der Universität, welche der Geistlichkeit beistehen sollten und könnten, theils sich um diese Fragen nicht bekümmerten, theils mit giftigem Munde in Versammlungen und in Briefen an ihre Lehrer und Andere die Prediger verleumdeten. In Hamburg wollte man jedoch auch auf dies Gesuch nicht eingehen, sondern sich höchstens dazu verstehen, später, wenn es nöthig sein sollte, den Crispinus auf einige Wochen den Rostockern zu leihen. Diese

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Antwort des Superintendenten Paul von Eizen (vom Freitag nach Allerheiligen 1559) ward in einem Schreiben der hamburger Pastoren Joachim Westphal und Johannes Bötker an M. Andr. Martinus vom 7. Novbr., so wie durch ein Schreiben derselben an das rostocker Ministerium von demselben Tage noch weiter begründet. Auch die "Swaren" (Geschworenen, Juraten) "des Carspels St. Petri binnen Hamburg" erließen in dieser Angelegenheit ein Schreiben vom 8. Novbr., in welchem sie sich auf ein Antwortschreiben des hamburger Raths an den rostocker Rath beziehen, welches letzterer der Geistlichkeit wohl mittheilen werde, die daraus die Gründe der ablehnenden Antwort entnehmen könne. Ein nochmaliger Versuch, den Crispinus wenigstens bis Ostern in Rostock zu halten, mißglückte ebenfalls, indem die Antwort der Juraten (7. Dec. 1559) die Ablehnung von Neuem aussprach.

So mußte denn Crispinus an seine baldige Abreise denken. Einige Wochen vorher war er noch Ohrenzeuge eines sehr heftigen Ausfalls, welchen Draconites in einer am 15. Decbr. 1559 gehaltenen Predigt über Psalm 23 sich gegen die übrigen Prediger erlaubte, und er nahm darüber in Gemeinschaft mit Matth. Musca, Joachim Bansow, Heinr. Duuerlich und Joh. Stüdemann, die gleichfalls der Predigt beigewohnt hatten, ein Document auf, demzufolge Draconites sich also geäußert hatte: "1) Da man höhnet, schändet und lästert, da läuft man gerne hin. Aber da man tröstlich den Weg zur Seligkeit predigt, da will man nicht hinkommen. Aber da fraget Christus und das Evangelium nicht nach und ich auch nicht. Ich will viel lieber drei fromme Zuhörer haben, als zwei oder drei tausend lose Herzen. 2) Sie wollen Kirche und Gemeine regieren und den Menschen gebieten, was sie thun und lassen sollen, und können ihr eigen Herz nicht regieren, bannen, schänden, lästern und richten alle Getümmel und Aufruhr an, so sie doch nicht werth sind, die losen Buben, daß sie denen, die sie strafen, die Schuhriemen auflösen sollten".

Nachdem von Seiten der rostocker Geistlichkeit dem Crispinus am Weihnachtsfest 1559 (in feriis natalibus filii Dei inchoantibus annum 1560) ein Zeugniß ausgestellt war, unterschrieben von Andreas Martinus, Rector, M. Georg Reichius und M. Joh. Schregelius, hielt er am Nachmittage des Neujahrstages 1560 seine Abschiedspredigt über den Text Ap. G. 20: so habet nun Achtung auf euch selbst. Am Mittwoch darauf (3. Jan.) Mittags begab er sich unter dem Geleite einer großen Menge trauernder Anhänger in feierlichem Zuge vor das Thor, wo ein von der Stadt Hamburg gesandter Wagen auf ihn wartete. Er ging in der Mitte von M. Andreas Martinus und M. Georg

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Reiche. Außerdem waren von der Geistlichkeit M. Henr. Strevius, Matth. Flege und Joachim Bansow im Gefolge, auch viele Studenten und Bürger. Crispinus ermahnte die Versammlung noch vor dem Thor, sich zu hüten vor des Drachen Gift. Viele Männer und Frauen weinten bei dieser Rede bitterlich. Auch M. David (Chyträus) war draußen und hatte noch eine Unterredung mit Crispinus.

In der noch an demselben Tage gehaltenen Versammlung der Prediger ward beschlossen, dem Rath zu erklären, daß er ohne Willen und Wissen der Prediger keinen Nachfolger von Crispinus anstellen solle. Wahrscheinlich hegte man die Besorgniß, daß der Rath den Draconites an die Marienkirche setzen würde. Jener Beschluß ward am Tage darauf dem Rath durch zwei Prediger zur Kenntniß gebracht und der Rath erklärte sich dazu auch bereit. In einer noch am 4. Jan. gehaltenen Versammlung der Prediger ward eine gemeinschaftliche Erklärung von der Kanzel über die Streitigkeiten mit Draconites auf den nächsten Sonntag verabredet. Die erwähnte Predigt des Draconites am 15. Dec. hatte den Streit zu neuer Heftigkeit entzündet.

Die am nächsten Sonntag von den Kanzeln verlesene Erklärung stellte drei Anklagen gegen Draconites auf: in Betreff der Lehre, der Kirchenzucht und des Lebens. Als ein ungewöhnlicher Schritt ist noch zu erwähnen, daß M. Georg einige Tage vorher in die Johanniskirche gegangen war und nach beendigtem Gottesdienst sich mit des Draconites Zuhörern unterredete, um sie von ihrer Anhänglichkeit an dessen Lehre zurückzubringen.

Als nun M. Andreas Martinus die verabredete Erklärung über Draconites auf der Kanzel abgegeben hatte, war auch der Anhänger des letzteren, Dr. Lorenz Kirchhoff gegenwärtig, welcher ihn nach dem Gottesdienst draußen erwartete und bis auf den Markt vor sein Haus begleitete, um ihn zur Rede zu stellen. Beide griffen zu harten Worten, was Kirchhoff bewog, den M. Andreas vor dem Rath zu verklagen. Ein Termin ward in dieser Sache am 11. Jan. auf der Schreiberei abgehalten, wo die beiden Gegner sammt beiderseitiger Freundschaft erschienen, außerdem aber auch die übrigen Prediger sammt einigen Studenten sich einfanden. Kirchhoff erklärte hier, mit dem Predigamt wolle er nichts zu thun haben, sondern nur mit Andreas Martens, den er durchweg so schlechthin bei seinem Namen nannte, ohne ihm den gebührenden Titel Magnificus Dominus Rector oder Magister oder Pastor zu gönnen. Er müsse auch gegen etliche Bürger protestiren, die wider Recht zusammenliefen und ihm den Hals zu brechen droheten. Er habe Herren und Fürsten gedient und sei der Prediger Unterhändler gewesen bei Herzog Franz.

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Andreas Martens, den er seinen gewesenen Freund nannte, habe ihn überfahren auf einer freien Straße. Derselbe habe alle Bücher und Lehren des Draconites verdammt, auch gesagt, daß etliche Doctores und Studenten, welche dem Draconites anhingen, des Teufels wären. Andreas Martens hätte sich unterstanden, die Augen der Gemeine auf ihn zu werfen, und er hätte darauf begehrt, daß derselbe ihm die Doctoren und Studenten, die er im Sinne gehabt, namhaft mache. Dieser aber habe ihn eine grobe Bestie gescholten.

Man beschloß zwar, diese Verhandlung, da sie nicht an diesem Tage beendigt werden konnte, am folgenden weiter zu führen. Inzwischen kam jedoch durch die beiderseitigen Freunde ein Vergleich zu Stande.

Bald darauf nahm die Pparteiung einen noch leidenschaftlicheren Charakter an. Am Mittwoch den 11. Jan. 1560 predigte Draconites wiederum gegen die rostocker Geistlichkeit. Der Predigt wohnten aber einige Anhänger der letzteren bei, welche dem Draconites laut widersprechend ihn in seiner Predigt unterbrachen. Auch führten einige von ihnen Knittel und Steine bei sich, in der Absicht, sie gegen ihn zu gebrauchen. Als die gerade auf der Schreiberei versammelten Prediger dies hörten, schickten sie aus ihrer Mitte Jochim (Schröder) von St. Petri hin, um das Volk on solchem Unfug abzumahnen, was ihm auch gelang. Nach dem Schlusse der Predigt gesellte sich auf der Straße Caspar Nacke zu Herrn Jochim und redete gegen ihn harte Worte. Dies gewahrten einige Bootsleute und Jungen und meinten nicht anders, als daß Herrn Jochim Schade zugefügt werden solle, weshalb sie mit Steinen und Unrath nach Nacke warfen, so daß dieser Gott dankte, als er in ein Haus sich flüchten und dadurch vor weiterer Verfolgung, die seinem Leben Gefahr drohete, sich retten konnte. Später wagte er sich auf den Marienkirchhof, um sich zu entschuldigen, worauf aber eine neue Verfolgung gegen ihn entstand, der er endlich durch die Flucht in sein eigenes Haus sich entzog.

Noch bedenklicher ward der Zustand, als die Bürger vernahmen, daß Dr. Kirchhoff auf die Absetzung des M. Andreas vom Predigamt angetragen habe, und sich nun in der Marienkirche versammelten, um zu hören, wie die Sache ablaufen werde, während die Prediger auf der Schreiberei vor dem Rath versammelt waren. Ein Geselle Brant (Bernd?) Smyt, der zu der Rathspartei gehörte, trat hier zu den Bürgern und rief in die Versammlung hinein: diese Unruhe würde nicht früher gestillet werden, bis man etliche aus dem Haufen heraus "kippen" würde, die dies Spiel also trieben. Von den Bürgern ward

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ihm geantwortet: er wüßte wohl, wie er seinen Vater gekippt hätte, womit sie darauf hinwiesen, daß er vor einigen Jahren seinen Vater und Mutter geschlagen hatte, weshalb er auf einige Jahre aus der Stadt gewiesen war. Darum wäre er werth, daß man ihn kippte. Man schickte sich darauf zu Thätlichkeiten an, und er mußte froh sein, sich in die Schreiberei flüchten zu können. Da nun der Rath von der ausgebrochenen Unruhe hörte, sandte er aus seiner Mitte Thom. Gerdes (Ratsherr seit 1558), die Bürger zu beschwichtigen. Dieser aber fand kein Gehör. Hierauf kam ein Diener zu den in der kleinen Stube ("staue") auf der Schreiberei versammelten Predigern gelaufen und sprach: Liebe Prediger, hier werfen sie mit Steinen auf dem Kirchhof. Da ging Herr Jochim von St. Peter zu den Bürgern in der Kirche. Diesem schenkten sie Gehör. Es ward still und jeder ging nach Haus.

Eine Frucht dieser Bürgerversammlung war, daß am folgenden Sonnabend die Bürger an die Prediger die Bitte um eine Zusammenkunft richteten, worauf denn sechs Bürger vor den Predigern erschienen, nemlich Dynniges Sirckmann, Hinr. Dosse, Herm. Nagel, Baltzer Gule, Hans Bolte und Hinr. Hoedt (von denen Dosse noch 1560, Gule 1567 in den Rath gelangte), und die Anfrage stellten, ob es den Predigern recht wäre, wenn sie als die Bürger sich ihrer Sache annähmen. Sie wollten dieselbe zu Gottes Ehre, zur Erhaltung des heiligen Predigamts und Liebe und Eintracht dieser Gemeine zu Ende führen. Die Prediger nahmen dieses Anerbieten dankend an.

VII.

Bereits im J. 1558 hatten die Herzoge, welche durch das eigenmächtige Verfahren des Raths gegen Heshusius und Eggerdes sich in ihren Rechten beeinträchtigt fanden, die Angelegenheit der Vertreibung der beiden Prediger vor den Kaiser (das Reichskammergericht) gebracht und von diesem war ein Befehl ergangen, welchen die Rostocker befolgen oder sich sonst verantworten sollten, weshalb dies nicht geschehe. Der Rath zu Rostock hatte das letztere vorgezogen und (1559) einen Bericht erstattet, in welchem er die beiden Prediger beschuldigte, "daß dieselben über Gottes und apostolischen Befehl getreten, den gemeldeten Rath öffentlich auf der Kanzel mit höhnlichen und solchen lästerlichen Worten zu mehreren Malen angegriffen, die wohl anderen hätte sein müssen crimen laesae majestatis. Wiewohl sie oft freundlich ersucht, das Wort Gottes lauter und rein zur

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Bauung und nicht zur Störung zu predigen, ist doch alles vergebens gewesen, zuletzt sich verdreistet und einen unserer Bürgermeister, Peter Brümmer genannt, bei Namen und Zunamen, der eine Prediger Vor=, der andere Nachmittag auf Sonntag in großer Menge des Volks zum Schändlichsten und Heftigsten angesprengt, an sein Ehr und Glimpf und ihrer aller guten Leumund getastet und als unehrliche Leute gescholten. Darüber schier eine ganze Stunde mit zugebracht, in keiner anderen Verhoffnung, denn wider die Obrigkeit einen Aufruhr zu erwecken. Darum und um Verhütung weiteren Unglücks willen haben wir ihnen Kirche und Predigt müssen verbieten lassen, wie geschehen, aber sie haben es wenig geachtet und ihres Vorhabens geblieben, was sie nicht in der Kirche vermocht haben, in den Häusern ausgerichtet. Ob wir wohl ihnen ansagen lassen, der Stadt selbst auszuziehen, dessen zu mehrmalen vermahnet, haben sie für und für getrutzt und den Rath da nicht für wollen ansehen. Was ein ungehört Calumniren und Blasphemiren sie da für sich genommen, wie sie auch ein gar schändliches Libell über den Rath gestellt und publiciret, ist jetzt zu lang, wird zu gelegener Zeit davon an das Licht kommen. Als sie im Fürstenthum Meklenburg genugsam getobet, sind gen Heidelberg gekommen, da sie nicht lange verhalten und haben es wie zu Rostock vorgenommen, also daß sie jetziger Kurfürst der Pfalzgraf von dannen auch verjagt. Darauf sie gen Bremen gekommen, und heben es da, wie man sagt, gleicher Gestalt an, sonderlich der Tilemann, und nicht ohne, das sich vernehmen lassen, in das Fürstenthum Meklenburg und also wieder binnen Rostock zu kommen, halten es dafür, der gemeine Mann würde ihnen zufallen, sie einholen, wider allen Willen und Dank des Raths, welche wenn sie das Haupt dahin wendeten, also ergehen könnte, daraus dann großer Jammer und Elend, auch Verwüstung und Verstörung der guten Stadt, ja des ganzen Fürstenthums und umliegender Städte und Lande wollte entstehen." Schließlich bat der Rath um einen ernsthaften Befehl an die Herzoge, die beiden Prediger, welche "ihre Mund nicht zäumen" können, nicht wieder in das Land zu verstatten.

Dieser Proceß versprach jedenfalls nur langsam zum Ziele zu führen und die Herzoge schlugen daher im J. 1560 noch ein anderes Verfahren ein, um ihre kirchliche Autorität in Rostock wiederherzustellen. Ein Schreiben der Herzoge Johann Albrecht und Ulrich (d. d. Güstrow, 10. Jan. 1560) an M. Andreas Martini, M. Georg Reiche und andere Prediger machte diesen die Anzeige, daß die Fürsten zur Beilegung des Streites mit Draconites in Güte oder Recht folgende Commissarien ernannt

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hätten: Joachim Krause zu Verchentin, Lütke Bassewitz zu Lühburg, Joh.Bowken, der Rechte Dr., Hubertus Sieben, der Rechte Lic., M. David Chyträus und M. Arnold Burenius. Diese sollten am Sonntage Sexagesimä, den 18. Febr., in Rostock ankommen. Bis zum Austrage der Sache sollten sich die Prediger alles Schmähens, Schimpfens und Abrufens von den Kanzeln sowohl gegen Draconites als andere Bürger und Studenten, auch Einwohner zu Rostock enthalten, "bei Verlust ihrer Dienste und Unserer Stadt Wohnung, auch bei Vermeidung Unserer höchsten Ungnade und Strafe".

Bald darauf traf in Rostock ein fürstliches Mandat (d. d. Güstrow, 13. Jan. 1560) ein, welches am 21. Jan. öffentlich von den Kanzeln verlesen werden mußte und Befehl für die Prediger enthielt, sich in allen Punkten nach der meklenburgischen Kirchenordnung zu richten oder sonst das Land zu räumen.

Der Rath, welcher die Einmischung einer fürstlichen Commission höchst ungern sah, wollte versuchen, ob nicht die Streitigkeit sich vorher ausgleichen ließe, und ließ daher die städtische Commission ihre Thätigkeit von Neuem am 19. Jan. beginnen. Zu dieser Commission wurden Seitens der Universität M. David Chyträus, M. Mensing und M. Joh. Possel verordnet, Seitens des Raths Hinrich Poppendick, Joh. Drewes, Peter Sasse, Hinr. Dassow, Bernt Pawels und Thom. Gerdes, auch mehrere aus der Bürgerschaft. M. David forderte die Prediger auf, ihre Klage gegen Draconites wegen seiner Lehre in kurze Artikel zu fassen, was auch geschah. Diese Schrift ward am 24. Jan. den Unterhändlern auf der Schreiberei mit der Bitte übergeben, sie dem Draconites mitzutheilen und diesen zu einer Antwort anzuhalten.

Eine neue Vorladung erging auf den Abend vor Mariä Reinigung (1. Febr.) Morgens 7 Uhr. Die Verhandlung begann jedoch erst um 10 Uhr. Die Zwischenzeit brachten die Prediger in dem Hause zu, wo früher Joh. Kruse (Crispinus) wohnte. Von den Unterhändlern ward angezeigt, daß Draconites eine Schrift übergeben hätte, die aber nicht so wäre, wie sie sein sollte, keine eigentliche Antwort auf die Schrift der Prediger. Die letzteren baten wiederholt um Mittheilung der Schrift, aber vergeblich. Als Grund der Weigerung gab Dr. Röseler an: es wäre auf ihren Handel nicht mit einer Silbe geantwortet. Draconites schwöre darin, daß er ein gelehrter Mann fei, der vor Kaisern, Königen, Fürsten und Herren gestanden, er versichere, daß auch Philippus (Melanchthon) etwas auf ihn halte u. s. w. Die Unterhändler mahnten zur Geduld und versprachen, sich weiter bei Draconites um eine Antwort zu bemühen. Da standen

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die Aelterleute auf, die aus etlichen Aemtern zu Theilnehmern an der Commission verordnet waren und sprachen: wenn es so hergehen solle, daß man dem einen mehr als dem anderen helfen wolle, so wollten sie nicht dabei sein. Hatten die Prediger ihre Schrift dem Draconites gegeben, so sei es nur in der Ordnung, daß ihnen die Schrift des Draconites wiedergegeben werde. Damit wollten sie aufbrechen. Den Predigern war dieses Verhalten sehr tröstlich und erfreulich, und des Draconites Anhänger beklagten, daß er solche Schrift gemacht habe, die man nicht vor die Leute bringen dürfe. Die Verhandlung hatte hiemit für diesen Tag ein Ende.

Am 6. Febr. beschlossen die Prediger, jeden Nachmittag um 4 Uhr zusammenzutreten und gemeinschaftlich zu beten, so lange diese wichtige Sache verhandelt werde.

Eine neue Vorladung vor die städtische Commission fand auf den 16. Febr. statt, wo M. Mensing im Namen der Commission den Predigern endlich eine schriftliche Verantwortung des Draconites mit der Bitte einhändigte, daß sie noch denselben Nachmittag ihre Antwort darauf abgeben möchten. Draconites war in dieser Rechtfertigungsschrift bemühet, den Zwiespalt auf ein möglichst unscheinbares Maß zurückzuführen, und nahm, wie Gryse im Leben Slüters (zum J. 1560) richtig bemerkt, in derselben manche seiner früher aufgestellten Behauptungen gänzlich zurück, indem er ohne Zweifel auch für seine Person den Wunsch einer Beilegung des Streites vor dem Einrücken der fürstlichen Commission mit dem Rath theilte. Doch gelang wegen Kürze der Zeit diese Beilegung nicht mehr.

Da die gedachte Schrift des Draconites, auch wenn sie ihren Zweck allerdings verfehlte, doch manches neue Licht auf den Verfasser selbst, wie auf die damaligen Verhältnisse wirft, so ist hier auf deren Inhalt noch etwas genauer einzugehen. Die Prediger waren in der von ihnen am 24. Jan. 1560 überreichten Schrift ("Artikel up dat korteste vorvatet, de gades erhe, reine lerhe vnd christliche Discipline vnd frede bedrepen, Dr. Draconites haluen, den heren vnderhandlern van den Predigern tho Rostock auergegeuen") von dem ihnen durch den Rath zur Verlesung von den Kanzeln mitgetheilten fürstlichen Mandat ausgegangen und hatten bemerkt, daß sie sich stets treulich nach der Kirchenordnung gerichtet hätten, und daß daher der größte Theil der Uneinigkeit als gehoben angesehen werden dürfe, wenn auch Draconites dem fürstlichen Mandat gehorsam sein wolle. "So aber Jemand, was die Kirchenordnung belangt, Ausflucht suchen will, daß diese Artikel im ersten Druck, zu Wittenberg ausgegangen, vom Herrn Philippe nicht wären mit hineingesetzt, so ist doch des Herrn

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Philippus Zeugniß vorhanden, der, als ihm diese Artikel zuvor, ehe sie hier zu Rostock gedruckt wurden, zugeschickt waren, mit seiner eigenen Hand auf dieselbe Schrift sein Judicium mit diesen Worten geschrieben hat: Judico habentes notoria peccata non admittendos esse, ut sint testes baptismi et a coena domini plane arcendos esse. So hat auch der Herr Philippus erst vor einem Monat in einer Oration diese Worte ausdrücklich gesetzt: Optandum est omnino, ut censura divinitus instituta severe exerceatur in ecclesia et arcendi sunt a coeua domini omnes, qui in delictis ulterius perseverant pugnantibus cum voce divina, de quibus convinci possunt. (Diese Worte stehen in der bei der Promotion von Paul Eber und drei anderen Theologen am 7. Dec. 1559 gehaltenen Rede.) Wenn nun Draconites so große Lust zur Einigkeit hat, so wird er ohne Zweifel die früher von ihm bestrittenen vier Artikel (betr. die Sonntagsköste, den Ausschluß der Unbußfertigen vom Abendmahl, von der Taufzeugenschaft, von der Gewährung eines christlichen Begräbnisses) für recht erkennen und uns deshalb nicht mehr als Gesetzesprediger, Tyrannen, Herrscher über die Gemeine Gottes, doppelte Sünder, Buben und Schelm men schelten".

Hieraus antwortete Draconites: er habe neun Jahre lang zu Rostock die fürstliche Kirchenordnung gebraucht, wenn er ordinirt habe, und werde sie auch, so lange er in Rostock lebe, gebrauchen. Er wisse auch von gar keinem Streit von Sonntagskösten, Ausschluß der Unbußfertigen vom Sacrament und christlichem Begräbniß, wider der Landesfürsten Kirchenordnung, den er mit den Predigern jemals gehabt hätte, auf der Kanzel, in der Schule oder sonst. Gott wisse, daß er immer nach Einigkeit getrachtet habe, aber Niemand außer Peter Hagenthal (Hakendal), wie dessen Schrift ausweise, habe ihm treulich dazu geholfen. Der Sonntagsköste Mißbräuche und Hindernisse des Worts habe er allezeit verdammt, die Sonntagsköste selbst aber nicht, die mit Verwilligung geschehen und ohne Hinderniß des Worts. Die Leute von der Taufe und dem Altar zu weisen oder zum Sacrament zu zwingen, wie geschehen sei, indem man eine Person mit dem Kinde deshalb von der Taufe gewiesen habe, weil sie nicht habe geloben wollen, über acht Tage zu communiciren, könne er nicht loben, sondern eine Synode habe darüber zu erkennen, welche Gottlose zu nennen und vom Sacrament zu verstoßen seien, und welchen ein christliches Begräbniß zu versagen sei. Daß ein Unterschied im Begräbniß der Gottseligen und der Gottlosen gemacht werde, mißbillige er nicht. Wie er Dr. Tilemann geantwortet habe, da er begehrte einen

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Bann anzurichten, daß er gern mit ihm und dem Synode rathschlagen wolle über Einführung einer Kirchenzucht, so habe er auch jetzt nichts dagegen.

Hinsichtlich der Heiligung des Sonntags bemerkte Draconites, er wolle davon nichts anders halten und lehren, als die Propheten und Apostel und in dem Verstande, welchen er mit Luther, Philippus, Brentius, Pomern (Bugenhagen), aller protestirenden Stände Theologen und Prädicanten unterschrieben habe zu Schmalkalden. Da nun die rostocker Prediger schrieben, sie lehrten wie Luther, Philippus, Brentius, so stimme er mit ihnen überein. Er müsse der Stadt Rostock Zeugniß geben, daß sie den Sabbath alle Sonntag Vormittage heilige dreifaltiglich, "denn man prediget um 6, um 7, um 8 das Evangelium Gottes". Dazu würden auch noch die Sacramente gereicht. Wer nun nach dieser Heiligung Nachmittags hochzeitliche Werke thue in Zucht und Ehren, der sei nicht zu verdammen. "Wie Luther im Evangelio von der Hochzeit in Galiläa schreibt: also kann es auch den Fürsten und Herren nicht verwehrt sein, wenn sie von dem dem Predigamt zu Ehren erlassenen Verbot der Sonntagsköste dispensiren, wie unsere gnädigen Fürsten in verschienenen Tagen zu Wismar Barolden erlaubten, Sonntagskost zu halten, als mir der hochgelahrte Dr. Kirchhoff angezeigt." Weiter äußert er sich noch über die ihm gemachten Vorwürfe wegen Verachtung des dritten Gebots, daß er über das letztere den Studenten im Commentar über die hebräische Bibel folgende Auslegung vorgelesen habe: "Obschon des jüdischen Sabbaths Gehorsam oder Heiligung am christlichen Sonntage hangen bleibt, so muß doch des jüdischen Sabbaths Fluch an dem Tage nicht hangen bleiben". - "Für meine Person möchte ich wohl leiden dem Predigamt zu Ehren, daß der Rath zu Rostock am Sonntag Thor, Weinkeller, Schütting und Krüge zuschlösse und alle Hausväter ihr Gesinde zum Worte Gottes vermahneten und hielten", indessen müsse der Christ allenthalben nicht genöthigt, sondern frei sei. Das Wort "Sabbathsknechte" habe er nie gebraucht und von Niemand gehört sein Leben lang als von Peter Hakendal in der Marienkirche.

Draconites kommt auch noch einmal auf seine Oration zurück, welche zwar nicht vor die Unterhändler, sondern vor das Concilium gehöre, auf welche er aber doch, da Georg Reiche ihn lästere, daß er mit einem Apfel zu gewinnen und mit einem Ei zu kaufen sei, zur Widerlegung der ihm gemachten Vorwürfe eingehen wolle. Es sei zunächst ganz falsch, daß er seine Oration heimlich an fremde Orte versandt habe. Er habe dieselbe zur Vertheidigung des Raths, Conciliums und seiner Ehre

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drucken lassen, und dieselbe wissend keinem Menschen außer Rostock gesandt, mit Ausnahme des trefflichen Helden Joachim Camerarius zu Leipzig, dem sie dedicirt sei. "Bin ich nicht auch lutherisch, von Luthern zum Doctor promovirt 1525? Hab' ich nicht der Universität Wittenberg Brief und Siegel eines guten Zeugnisses?" Was er von dem friedseligen Hakendal, bei welchem er gewesen, da er seinen Geist dem Herrn befahl, geschrieben, sei zum Theil mündlich von demselben geredet, zum Theil mit dessen Handschrift zu beweisen. Sein Ausruf: O praeclarum intellectum mandati tertii, luce dominica in ganeum ire malle, quam ad convivium nuptiale, werde schändlicher ausgelegt als in dem Hause geschehe, das er nenne. "Es stand einer im Concilio, der begehrte vom Rector, daß ihm M. Possel deshalb das im voraus gegebene Hochzeitsgeschenk zurückgebe, weil dieser an einem Sonntag Hochzeit machen wolle. Er aber war berüchtigt, daß er am Sonntag nach dem Orte ginge, dahin er nicht gehen sollte. Wie es aber unbillig war, das Geschenk wieder fordern, also war es unter diesen zweien besser zur Hochzeit gehen, denn am Sonntag gehen an den Ort, dahin das sechste Gebot zu gehen Verbietet."

Endlich bemerkt er über seine Lehre vom Gesetz, daß er auch hierin mit der Schriftlehre und den von ihm 1538 unterschriebenen schmalkaldischen Artikeln übereinstimme. "Weil aber das Gesetz alle Menschen zugleich angreift - und öffentlich zu Rostock kein unchristlicher Gottesdienst gehalten wird und weltliche Obrigkeit den gottlosen Mönchen und Nonnen gar nicht gestatten sollte, heimlich Abgötterei zu treiben, so muß ich die ganze Zahl schwacher Christen, so das Wort Gottes hören und nicht lästern, unter die zählen, von denen Jesaias weissagt, daß Christus das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen wolle, und sagen, daß die Schwachgläubigen immer zu vermahnen und mit evangelischer Predigt zu locken seien. Ich bezeuge vor dem künftigen Richter der Lebendigen und der Todten und vor seines Leibes Gliedern den hochgelahrten Dr. Lambert Kirchhoff, Dr. Laurenz Kirchhoff, Dr. Johanne Tonnechenn, Dr. Laurenz Bankelow, und dem wohlgelahrten M. Author (Lindemann), evangelischem Prädicanten, und den gelehrten Studenten Carl Günther, Hilbrant, sammt anderen, und den gottesfürchtigen Bürgern Henning Beselin, Heinr. Brant, Joh. Blaffert, Heinr. Brenger und anderen, und den gottseligen Seelen Margarita Kirchhoffisch, Justina Kirchhoffs, Anna Crons, Anna Lawens, Engel Goldenitzs und anderen mehr, daß ich des Gesetzes rechten Brauch also getrieben habe, als sichs gebührt." - "Gehe ich zu Rostock mit Papisten

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und Sündern um, so thue ichs nach dem Spruch Pauli: den Schwachen bin ich geworden ein Schwacher. - Ist nun zu Rostock kein papistischer Gottesdienst öffentlich und keine öffentliche Sacramenterei, Gotteslästerung und Verfolgung des Evangelii, und doch alle Papisten und Sünder zu Rostock vor den Prädicanten (ausgenommen Lucas und Author) mehr Friede haben denn der einige Draconites, vor Gott ein armer Sünder nach dem Gesetz wie alle Rostocker, vor seiner christlichen Kirche auf Erden aber in Christo Jesu beständig und rein in allen Artikeln des Glaubens und rechter Lehre, so will ich nicht in meinem, sondern in Christi Namen begehren, daß von mir hinfort nicht gesagt noch geschrieben werde: er lobet, stärket, vertheidigt Papisten, Sacramentirer, Gotteslästerer und Verfolger des Predigamts."

Vor der Hand wurden jedoch diese Verhandlungen der städtischen Commission durch das Eintreffen der fürstlichen unterbrochen, auf welche sich die Prediger schon am 13. Febr. durch die Anfrage an den Rath vorzubereiten anfingen, ob sie sich mit den fürstlichen Commissarien einlassen dürften oder nicht, indem sie in Betreff der Privilegien der Stadt nicht gern zu viel oder zu wenig thun möchten. Die Abgesandten der Prediger, welche mit dieser Anfrage vor dem Rath erschienen, waren der Rector M. Andreas (Martinus), Herr Jochim (Schröder) zu St. Peter, M. Joh. Schreygel und M. Henr. Strevius. Der Rath erbat sich Bedenkzeit und ließ darauf am 19. Febr., an dem Tage, wo die fürstliche Commission ihre Wirksamkeit beginnen sollte, die Prediger auf der Schreiberei zusammenkommen, wo der Bürgermeister von Harverden ihnen mittheilte, daß der Rath die Verhandlung mit der fürstlichen Commission gestatte, jedoch die Prediger ersuche, auf dieselbe nur mit der Verwahrung einzugehen, daß diese Handlung den Privilegien der Stadt nicht nachtheilig sein solle. Der Rath habe Dr. Röseler, Hans Drewes, Thomas Gerdes und etliche Bürger erwählt, daß diese von Seiten der Stadt ebenfalls protestiren sollten. Das fürstliche Mandat werde von dem Rath nicht als ein Gebot aufgefaßt. Zugleich wies der Bürgermeister darauf hin, daß mit der Abweisung vom Abendmahl u. s. w. nicht viel Gutes ausgerichtet werde. Wenn das Volk sich nicht wolle zähmen lassen, so könne es auf andere Weise in Zwang gehalten werden, und wenn die Leute dann nicht wollten sich weisen lassen, so sollte man es dem Rath anzeigen; dann gebe es ja noch "Bödeleien", mit welchen man sie zähmen könne. Der Bürgermeister Göldenitz äußerte über das fürstliche Mandat dieselbe Ansicht und forderte die Prediger auf, mit dem Rath Hand in Hand

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zu gehen. Die Prediger stellten darauf noch die beiden Fragen: ob der Rath auch leiden könne, daß die fürstliche Commission in dieser Sache richterlich handle, und ob der Rath sie auch für treue Diener Christi erkennte, die bisher ihr Amt recht ausgerichtet hätten, worauf die Antwort ertheilt ward: die Prediger müßten erst hören, in welcher Art der Handel sollte vorgenommen werden, und könnten sich dann nöthigenfalls mit dem Rath besprechen, und, was den zweiten Punkt angehe, so sei dies eine unfreundliche und ungütige Frage, auf die sie später zu gelegener Zeit Antwort erhalten sollten. Sofort nach dem Schlusse dieser Verhandlung begaben sich die Prediger, in Begleitung der zur Einlegung der Protestation beauftragten Rathsherren und Bürger, vor die fürstliche Commission.

Hier übergaben die Prediger eine Schrift, datirt vom 18. Febr. 1560, welche folgende acht Punkte betraf: 1) die Sonntagshochzeiten, 2) die Auslegung des dritten Gebots, 3) ob man das Gesetz predigen solle in der Gemeine, 4) ob Papisten und andere unbußfertige Sünder zur Taufe und zum Abendmahl zuzulassen, 5) ob Wiedertäufer und Verstockte Papisten christlich zu begraben, 6) was man von dem Bann halten solle, 7) von Christi Höllenfahrt, 8) daß man den Draconites nicht als Superintendenten annehmen könne.

In Ansehung der Sonntagshochzeiten ward außer dem oft wiederholten Vorwurf gerügt, daß er dem Drucker seiner Oration strenge verboten habe, irgend einem zu Rostock ein Exemplar davon zukommen zu lassen, sondern alle Exemplare "meuchlings" gen Leipzig und andere Orte geschickt habe. In dieser Oration verunglimpfe er die Prediger mit zehn oder zwölf öffentlichen Lügen. Dieselben hätten von Draconites kein Exemplar bekommen können und sich endlich mit Mühe eines aus Holstein verschaffen müssen. Auf Blatt B 1-4 dieser Schrift habe er sich gegen die länger als ein Jahr vorher publicirte Kirchenordnung erklärt und die Sonntagsköste mit "losen, nichtigen Fratzen" vertheidigt und unter Anderem (B 3) behauptet: quod Deus unus et trinus per ministerium, magistratum saecularem, ecclcsiam Christi constituerit, approbarit et sanciverit nuptias dominicales.

Hinsichtlich der Ausschließung von den Sacramenten bemerken sie: "Wir wissen und bekennen, daß man ohne vorhergehendes Verhör und Erkenntniß des Consistorii oder Synodi um Ungewisser und dunkler Beschuldigung willen, die nicht notorie oder öffentlich zu beweisen, Niemand mit Namen in den Bann thun soll, sondern man muß den Proceß halten, Matth. 18 vorgeschrieben. So pflegen wir auch allewegen diese, so

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notoria peccata haben, zuvor privatim zu ermahnen, daß sie sich erkennen und bessern, und wo sie das nicht zusagen wollen, werden sie erst erinnert, daß man sie zu des Herrn Nachtmahl und bei der Taufe Gevatter zu stehen nicht zulassen wolle". Ueber das den Unbußfertigen zuzuerkennende stille Begräbniß erklären sie sich dahin, daß dasselbe, wie es auch stets gehalten sei, auf dem Kirchhof stattzufinden habe.

In Bezug auf den Kirchenbann enthält die Schrift Folgendes: "Wir haben nie Jemand in den öffentlichen Bann gethan, ist auch nie Jemand von uns genannt als Dr. Draconites, mit welchem wir den Proceß Matth. 18 für überflüssig gehalten haben. Denn er ist vor zwei Jahren, als Dr. Tilemann vertrieben ward, von vielen privatim admonirt, erstlich von Dr. Ge. Veneto, der ihn treulich gewarnt hatte, daß er nicht sollte des Raths Schanddeckel sein, danach ihn Herr Jochim Schröder, M. Joh. Schreygel, Herr Matth. Musca und M. Henr. Streuius oft und vielmals ermahnt". Darauf, länger als vor einem Jahre, hätten sie alle schriftlich ihre Anklage gegen Draconites verfaßt und dem Rath zugestellt, auch noch vieles Andere versucht. "Als aber wir mit unserem demütigen Begehren nichts anderes ausgerichtet haben, denn daß etliche fürnehme Bürger und Studenten wider uns erreget, welcher Worte Herr Dr. Lorenz Kirchhoff vor dem Rath geredet und uns als muthwillige Leute und grobe Esel höchlich und dazu mit vielen Unwahrheiten beschweret, so hat uns die hohe unvermeidliche Nothdurft dazu gezwungen, daß wir uns vor der ganzen Kirche Gottes, die uns befohlen, entschuldigt haben und Dr. Draconites also mit Namen genannt, doch nicht verbannt, sondern die Zuhörer gewarnt, daß sie sich vor seinen ärgerlichen Reden und bösen Händeln und Lügen wider uns hüten und den nicht Glauben sollten geben."

Aus den Gründen gegen die Anerkennung des Draconites als Superintendenten will die Schrift nur einige hervorheben. Es wird angeführt, daß er keine ordentliche Versammlung und Synode der Prediger halte, sondern etliche fordere, andere zu Hause bleiben lasse, wie es ihm gerade beliebe; daß er nicht allein untüchtige, leichtfertige Leute ordinire, sondern auch kein rechtes Examen halte; daß er dazu die Prediger von Rostock nicht zuziehe, sondern "grobe Gesellen vom Lande"; daß er sich der Schul= und Kirchendiener nicht annähme, damit sie den nöthigen Unterhalt hätten und nicht ohne genügende Ursachen leichtlich abgesetzt und verjaget würden; daß er öffentliche Sünden und Laster, in dieser Stadt gebräuchlich, weder mit dem Worte strafe noch bei der weltlichen Obrigkeit um deren Abschaffung anhalte, sondern dazu stillschweige und wohl noch gar öffentliche Sünde

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und Mißbräuche vertheidige; daß er unnöthige Neuerungen und Veränderungen wider der ordentlichen "Kaspelkirchen" Gerechtigkeit, ohne der Pastoren Vollmacht und Bewilligung, verrichte, daß er aus der Kapelle zu St. Johannis eine Kaspelkirche mache und die Leute ermahne, da zum Sacrament zu gehen, auch dort ordinire "ohne Besein aller treuen Prediger". Aus der Predigt des Draconites vom 11. Jan. 1560 wird hier noch folgende Stelle angeführt: M. Andreas hätte ihn aus der Kirche getrieben, da er vorher drei Jahre Prediger gewesen und nicht mehr als drei Tonnen Bier bekommen; jedoch hätte er Briefe vom Rath, daß er sollte Pastor zu Unserer Lieben Frauen sein, imgleichen Briefe, daß er zu St. Jacobi sollte Pastor sein und wäre nirgends angenommen; endlich könnten die Prediger auch nicht leiden, daß er zu St. Johannis predige, so er doch von E. E. Rath und frommen Bürgern gebeten sei, daß er auch auf den Sonntag einen Propheten predigen sollte, welches er auch verhoffte, bald zu thun.

Die fürstlichen Commissarien ertheilten auf diese Schrift folgende Antwort: Der Gegenbericht des Draconites sei noch nicht eingelaufen und daher müßten die Beschuldigungen gegen ihn zur Zeit auf ihrem Werthe beruhen. Was die Superintendentur betreffe, so hätten die Commissarien keinen Befehl, den Draconites als Superintendenten zu bestätigen, viel weniger wollten sie, um viel wichtiger Ursachen willen, die Prädicanten damit beschweren, den Draconites als Superintendenten anzuerkennen. Die Lehre der Prediger sei recht und der heil. Schrift und Kirchenordnung gemäß. Aber über die Ordnung und Weise des Verfahrens bei dem Ausschluß vom Sacrament müsse die Commission auf die Beobachtung folgender Grundsätze dringen. Norm des Verhaltens sei Matth. 18. Man solle Niemand öffentlich mit Namen in den Bann thun, der zuvor nicht ernstlich ermahnet und danach ordentlich vor dem Kirchengericht beklaget und überwiesen und verurtheilt sei, es wäre denn die Gotteslästerung so greulich und das Factum so notorisch, daß ein gottseliger, eifriger Pastor einen sonderlichen Ernst dazu gebrauchen müßte, zumal wenn kein ordentliches Kirchengericht bestellet sei. Die Sünder seien dabei natürlich im Allgemeinen zur Buße zu ermahnen. Bekennten sie ihre Sünde und gelobten Besserung, so seien sie zum Abendmahl zuzulassen. "So sie aber ihre Sünde und Gotteslästerung vertheidigen und die Vermahnung trotziglich verachten und keine Besserung zusagen würden, so sind die Prediger schuldig, sie von des Herrn Nachtmahl, von der Taufe und der christlichen Kirchengemeinschaft abzuweisen, bis daß sie sich bekehren. Jedoch soll man einen

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solchen nicht alsbald von der Kanzel ausrufen und öffentlich verbannen, es sei denn, daß er per sententiam consistorii verurtheilt sei oder sonst andere Umstände einen solchen Ernst erforderten". Die Gevattern sollten den Predigern einen Tag vorher angezeigt und dann vorher und nicht mehr öffentlich in der Kirche abgewiesen werden. Unter dem Ausdruck "Verfolger des Prdigamts" solte man nicht diejenigen begreifen, welche mit einem einzelnen Prediger in Privatstreitigkeit lebten.

Mit diesem Bescheid hatten die Prediger bereits in allen wesentlichen Punkten den Sieg errungen. Ihre Lehre war für recht erklärt und Draconites auch von den fürstlichen Commissarien als Superintendent nicht anerkannt, wie schon darum zu erwarten war, weil die Herzoge überhaupt dem Rath das Recht der Bestellung eines Superintendenten nicht zugestanden. Nach Gryse im Leben Slüters (zum J. 1560) ward dieser erste Bescheid später noch dahin erweitert, "daß man Dr. Draconites wegen seiner Unrichtigkeit vom Superintendenten= und Predigamte entsetzen sollte". Wenige Tage darauf reiste Draconites ab und räumte für immer die Stadt. Er starb am 18. April 1566.

VIII.

Mit dem Abgang des Draconites war zwar ein großes Hinderniß der Versöhnung der Parteien beseitigt. Es blieb aber dessenungeachtet noch immer ein Zwiespalt zurück, welcher auf Seiten der Prediger darin seinen Ausdruck fand, daß sie fortwährend alle diejenigen, welche an der Vertreibung des Heshusius und Eggerdes sich betheiligt hatten, und namentlich Peter Brümmer, als unbußfertige Gotteslästerer von der Theilnahme am Sacrament ausschlossen. Was Peter Brümmer betrifft, so ersieht man die Stellung zu ihm aus folgendem vom 1. Aug. 1560 datirten und "alle Diener der Kirche Christi zu Rostock" unterzeichneten Actenstück:

"Erbar weiser Herr Peter Brümmer. Nachdem E. E. W. am nächsten Dienstag dem 23. Jul. von dem würdigen Herrn Matthäo Flegen, Prediger zu Unserer Lieben Frauen, erstlich begehret hat, Ursache zu wissen, warum man E. E. W. zu des Herrn Nachtmahl und bei der Taufe Gevatter zu stehen, nicht zulassen wollte; so haben wir die vornehmste Ursache, so uns dazu bewogen, kürzlich in dieser Schrift gefasset, welche wir E. E. W. zustellen und bitten, E. E. W. wolle sie mit Fleiß durchlesen und bewegen, wünschen auch von unserem Herrn Gott,

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daß E. E. W. ihre Sünde erkenne, wahrhaftig Buße thue und ewig selig werde".

Es werden dann zunächst verschiedene Sprüche angeführt, welche zur Ausschließung der Gotteslästerer vom Sacrament verpflichten (1. Kor. 5, 2. Kor. 6, Matth. 16, Joh. 10), so wie auch die Lehre der Wittenberger und ein Gutachten Melanchthons. "Nun wissen sich E. E. W. zu erinnern, mit was großer, greulicher und öffentlicher landrüchtiger Gotteslästerung und Verfolgung der treuen Prediger E. E. W. befasset ist, welche Sünden E. E. W. (das noch das Gefährlichste und Greulichste ist) nicht allein nicht erkennen, sondern auch noch für recht und löblich halten und vertheidigen will. Denn es ist ja unleugbar, daß E. E. W. am 12. Tage Augusti a. 1557 vor der ganzen Bürgerschaft diese Gotteslästerung öffentlich geredet hat, daß die Prediger zu St. Jacobi (welche doch die heilsame, reine und unverfälschte Lehre des Evangelii von allen Artikeln des Glaubens geführt haben, welche auch, was die Abweisung der Gottlosen von der Taufe und vom Abendmahle, die Sonntagsköste und Unterschied im Begräbniß zu halten belanget, recht und christlich gelehret haben, wie E. E. W. eigener Prophet Dr. Draconites, der E. E. W. und den ganzen Rath in dies Spiel mit geführt hat, jetzt selber ohne seinen Dank und wider seine vorige Rede bekennen muß) eine neue pharisäische Seele anrichten."

Auch habe Peter Brümmer dasselbe Mal die Prediger zu St. Jacobi "mit dieser öffentlichen unverschämten Unwahrheit verfolget, daß sie sich geweigert hätten, die kleinen Kindlein auf den Sonntag zu taufen". - "Dazu hat E. E. W. die frommen und treuen Prediger zu St. Jacobi, nachdem sie ihre christliche Lehre und Handlungen wider E. E. W. ernstlich verantwortet haben, nicht allein mit lästerlichen Worten, sondern auch mit Gewalt verfolget und erstlich die Kirche zu St. Jacobi sechs ganzer Wochen zugeschlossen und darin Gottes Ehre, die Predigt des heiligen und allein seligmachenden Wortes Gottes, die Reichung der heiligen Sacramente und andere Gottesdienste verhindert, gleichwie der gottlose König Ahab die Thüren des Tempels zu Jerusalem zugeschlossen und die wahren und von Gott befohlenen Gottesdienste abgethan hat. Hiemit ist E. E. W. noch nicht gesättigt gewesen, sondern hat auch dahin gedrungen, daß die treuen und beständigen und aus sonderlichen Gnaden Gottes dieser Stadt gegebenen Prediger Dr. Tilemannus und Herr Peter Eggerdes ohne alle vorgehende Erkenntniß ganz unchristlich aus der Stadt verjaget. Dadurch denn nicht allein dieso Stadt bei allen frommen gottesfürchtigen Leuten einen schändlichen bösen Namen

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bekommen, sondern auch Gottes Ehre und dieser Stadt und der umliegenden Kirchen Wohlfahrt vielfältig ist verhindert worden. Es sind auch E. E. W. sammt etlichen anderen mit dieser schändlichen und unchristlichen Verjagung der treuen Prediger noch nicht zufrieden gewesen, sondern haben noch dazu ein unwahrhaftiges und gotteslästerliches Mandat wider die entfremdeten und alle anderen treuen Prediger und alle christlichen Bürger, die es mit ihnen hielten, in den Druck gegeben, anschlagen und von der Kanzel ablesen lassen. Und wiewohl dies Mandat unter eines ganzen Ehrbaren Raths Namen ausgegangen ist, so ist dennoch dieses offenbar, daß E. E. W. "garnach" die vornehmste Ursache ist dieses großen Jammers, Elends und der greulichen Verfolgung und Verjagung der treuen Prediger, dadurch diese Stadt in Gottes Zorn und ewige Schande und Unehre, auch bei den Nachkommen gebracht ist."

"Denn erstlich als der gottlose, unzüchtige und schändliche Canonicus und Gotteslästerer Detlevus Danquardi gestorben, wissen sich E. E. W. zu erinnern, daß der würdige treue Diener Christi Herr Peter Eggerdes vor des Detlevi Begräbniß E. E. W. und die anderen Bürgermeister christlich ermahnet und auf das demütigste gebeten hat, daß sie einen Unterschied zwischen des gotteslästerlichen Canonici und der frommen Christen Begräbniß halten wollten, und den Schulmeistern und Küstern befohlen, daß sie des Detlevi Leichnam nicht sollten mit christlichen Gesängen, Läuten und anderen Ceremonien bestätigen, wie auch der würdige Herr Matthäus Adler, Herr Jochim Schröder und andere Prediger ebendasselbe zur selben Stunde für recht und christlich erkannt und Herrn Peter gerathen haben. Wider diese christliche und demütige Vermahnung hat E. E. W. aus Trotz den treuen Predigern und dem Predigamt zuwider nicht allein den Schulmeistern und Küstern ernstlich befohlen, daß sie alle gewöhnlichen Ceremonien, damit man fromme Christen zu ehren pflegt, auch diesem Canonico erzeigen sollten, sondern ist auch selber am allerersten dem gottlosen Gotteslästerer nachgefolgt."

"Zum andern als garnach alle Prädicanten öffentlich bezeugten, daß Herr Peter recht und christlich gehandelt hätte, und E. E. W. baten, daß sie sich an ihm nicht vergreifen sollten, ist E. E. W. sammt den anderen gleichwohl muthwillig fortgefahren und den gottseligen treuen Diener Christi Herrn Peter Eggerdes seines Predigamts entsetzt."

"Zum dritten als unser gnädiger Herr und Landesfürst Herzog Ulrich zu Mecklenburg eine gnädige Vorbitt für Herrn Peter Eggerdes gethan, daß er wieder in sein Amt eingesetzt

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würde, habend E. E. W. auch getrieben und dahin befördert, daß solches ganz ist abgeschlagen worden."

"Zum vierten als nun Herr Peter wiederum in sein Amt von Unserem gnädigen Herrn ist eingesetzt worden, haben E. E. W. mit allen Kräften danach gestanden, daß die frommen, treuen und beständigen Prediger Dr. Tilemann und Herr Peter Eggerdes ihres Amts wiederum beraubt würden, wie auch Gott erbarms letzlich geschehen ist."

"Zum fünften sind E. E. W. mit allem diesem unchristlichen Handeln nicht gesättiget, sondern unterstehen sich noch, dasselbe als recht und löblich zu vertheidigen und haben sonderlich den Spruch Christi vor vier Jahren etliche Male und nun am nächsten auch gegen Herrn Matthäus im Beisein Herrn Jochimi Schröders eingeführt: Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet, damit E. E. W. zu beweisen sich unterstehet, daß die Prediger Niemand von den Sacramenten abweisen und ohne christliche Ceremonien sollen begraben lassen." - -

"Dieweil nun E. E. W. mit dieser öffentlichen Gotteslästerung und Verfolgung der treuen Prediger und anderen Sünden wider die andere Tafel behaftet ist und dieselbe Sünde nicht allein nicht erkennen und bekennen, sondern auch noch für recht vertheidigen wollen, so können wir Diener der Kirche Christi zu Rostock vermöge unseres Amts und ernsten Befehls der ewigen göttlichen Majestät mit gutem Gewissen E. E. W. und andere, so zu dieser Lästerung und Verfolgung des Predigamts wissentlich gerathen und geholfen haben, und sich nicht erkennen, als Christen gebührt, zu des Herrn Abendmahl und anderem Sacrament und christlicher Ceremonien Gemeinschaft nicht zulassen und wollen die Gefahr, so uns darauf stehet, unserem Herrn Jesus Christus, der uns diesem Amt treulich vorzustehen berufen hat, befehlen."

"Welches wir E. E. W. auf ihr ernstliches Anfordern zur Antwort nicht haben können verhalten. E. E. W. sind wir in allem, was wir mit Gott und gutem Gewissen thun können, zu willfahren geneigt und wünschen E. E. W. von Herzen, daß E. E. W. als die jetzt auf der Gruben geht ihre Sünde erkenne und wahrhaftig Buße thue und an den Sohn Gottes glaube und ewig selig werde."

Auch mit den übrigen Mitgliedern des Raths, welche an der Vertreibung der beiden Prediger sich betheiligt hatten, verzögerte sich die Versöhnung noch längere Zeit, wie aus einem Actenstück (in den Acten des geistl. Min. zu Rostock Band XI. S. 433 ff.) ersichtlich ist, welches, datirt Rostock am Tage Concordiä 1561, die Ueberschrift führt: "Der Prediger zu Rostock

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letzte Antwort an die Herren Bürgermeister und etliche Rathsherren daselbst von wegen des Mandats, so wider das heilige Predigamt öffentlich unter E. E. Raths Namen publicirt ist, und von wegen der verjagten Prediger", und welches folgende eigenhändige Unterschriften von zehn rostocker Predigern trägt: M. Andreas Martinus, M. Georgius Reichius, Joachimus Schröderus, M. Simon Pauli, M. Henricus Streuius, Matthäus Fleghe, Joachimus Bansow, Thomas Johannes, Vitus Berg, Bartoldus Dethardingus.

In dieser Schrift gehen die Prediger davon aus, daß sie den Rath öffentlich auf dem Predigtstuhl mit Gottes Wort gestraft und zur Erkenntniß seiner Sünde und wahrer Buße vermahnt hätten wegen des "unchristlichen Mandats", durch welches er den Herrn Christus öffentlich in seinen Dienern angetastet habe. Danach, als die öffentliche Bußpredigt nicht sonderliche Frucht geschafft, hätten sie noch gebeten, daß der Rath sich mit dem Predigamt versöhnen möge, und zwar in einer anfangs (28. Febr.) 1560 eingereichten Schrift, welche in plattdeutscher Sprache verfaßt, dann eingerückt wird, und in welcher sie sich unter anderem auf zwei Schriften Luthers berufen, die, auf gleichen Fall gestellt, im 9. Bande der wittenberger Ausgabe S. 466 und 469 sich finden. Sie verlangen auch nicht öffentliche Abbitte vor der ganzen Gemeine, sondern nur Bekenntniß im Beichtstuhl, daß sie sich wider Gott und das heilige Predigamt, insonderheit mit dem Mandat und der Handlung wider die treuen Prediger versündigt haben. Auch mündlich hätten sie diese Ermahnung wiederholt. Aber hierauf habe der Rath geantwortet, daß er darin keine Sünde erkenne, und habe sogar die Verfolgung des heiligen Predigamts als eine rechte christliche und löbliche That entschuldigt und geschmückt, auch befohlen, daß die Prediger sich hinfort der Worte enthalten sollten, daß E. E. Rath seine Sünde in diesem Fall erkennen wolle und daß ein greuliches unchristliches Mandat von E. E. Rath publicirt sei. Wiewohl ihnen dies befohlen sei, so erfordere es doch ihr Amt, die scharfe und, wie es Dr. Röseler nenne, grobe Verantwortung E. E. Raths kürzlich aus Gottes Wort zu widerlegen. Die Lehre Tilemanns und sämmtlicher Prediger sei vor der ganzen Bürgerschaft eine pharisäische Secte genannt. "Danach haben E. E. W. diese christliche und gottselige Lehre, die Dr. Tilemann und wir unterschriebenen Prediger mit ihm einträchtig lehren, auch mit einem öffentlich gedruckten und von allen Kanzeln abgelesenen Mandat auf das allerschändlichste und greulichste gelästert und mit vielen öffentlichen Unwahrheiten beschwert und verfolgt." Die vortrefflichsten Diener Jesu Christi hätten sie un=

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verhörter Sache zum Stadtthor hinaus verjaget und den einen mit Spießen und Stangen bei nächtlicher Zeit, wie die Juden den Herrn Christus im Garten, überfahen, aus seinem Haus hinweggerissen und der Stadt verwiesen.

Dann werden die Entschuldigungen des Raths geprüft, welcher in seiner letzten Antwort behauptet hatte, das Mandat habe nicht den Zweck, das ganze Predigamt oder die frommen Prediger anzugreifen, sondern allein die Personen, so sich wider den Rath gesetzt, auch auf die Ausfälle in den Schriften von M. Georgius und Dr. Tilemann gegen den Rath Bezug genommen hatte. "Dagegen befindet sich öffentlich das Widerspiel, wenn man das gedruckte Mandat liest. Denn der Buchstabe des Mandats durchaus beweiset, daß es wider alle Prediger ausgegangen sei, welche die Verunheiligung des Sabbaths und den Mißbrauch der Sonntagsköste gestraft und den Unterschied frommer Christen und gottloser Lästerer im Begräbniß und anderen christlichen Ceremonien gehalten haben, und auch wider alle Prediger, die sich vernehmen lassen, daß E. E. W. mit der Verfolgung der treuen Prediger unrecht gehandelt haben. Nun müssen wir unterschriebene Prediger uns alle dazu von Gottes wegen bekennen, daß wir der verfremdeten Prediger Lehre und die Abschaffung der Sonntagsköste und anderer Mißbräuche für recht und christlich halten. So muß ja das Mandat wider uns alle sämmtlich publicirt sein, sonderlich dieweil etliche unter den Predigern, insonderheit als M. Georgius, M. Johannes Schregelius, Er Matthäus, E. E. Rath gebeten haben, daß man ihnen sagen wollte, ob sie damit gemeint würden. Man hat ihnen aber nichts eigentlich, weder ja noch nein antworten wollen. So sind Er Joachim Schröder und M. Georgius und andere also im Mandat abgemalt, daß man sich leichtlich kennen kann. Daraus öffentlich ist, daß das ganze Predigamt in dieser Stadt oder ja alle Prediger in dem Mandat gemeinet und darin als Verführer, Tyrannen, Aufrührer, Mörder und blasphemische Leidsprecher gelästert und geschändet werden. Und ist darum keiner namkundig gemacht, damit sie allzumal verdächtig gehalten und geschändet werden. Denn daß man vorgibt, es sei das Mandat allein wider die Prediger gestellet, die sich wider E. E. Rath gesetzt haben, da müssen wir dieses bekennen, wenn eine Obrigkeit außer ihrem Amt schreitet und öffentlich unrechte Sachen wider Gott und sein heiliges Predigamt vornimmt, daß in diesem Fall nicht allein die Prediger, sondern auch die anderen Unterthanen nicht sollen ihrer Obrigkeit gehorsam sein, nach dem Spruche Petri: Oportet Deo magis obedire quam hominibus. Item: Time dominum, mi fili, et regem."

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In Betreff der Schriften von Tilemann und Reiche bemerken die Prediger, daß diese Verantwortungen durch das gotteslästerliche Mandat hervorgerufen wären, und daß man Gott, welcher den Rath durch M. Georgium zur Buße vermahnt habe, demüthiglich hätte folgen sollen.

"Was nun den anderen Artikel, von der Vertreibung Dr. Tilemanni und Er Peter Eggerdes belanget, haben E. E. W. erstlich durch Dr. Röseler reden lassen, daß wir den Anfang bedenken sollten. Eggerdes hätte ein neu Regiment (mit den Sonntagskösten, mit Abweisen von der Taufe, mit dem Unterschied im Begräbniß) wollen anrichten, ohne der anderen Prediger Wissen und Willen, derer noch etliche in unserem Mittel wären. Dagegen wissen sich E. E. W. zu erinnern, daß zuvor, ehe denn Er Peter Eggerdes abgesetzt ward, die ältesten Prediger als Er Matthäus Adler, Er Peter Hakental, Er Jochim Schröder, auch M. Andreas Martinus allhie auf der Schreiberei gewesen und vor E. E. W. öffentlich Er Peters Lehre und Handlung vertheidigt haben; und hat sonderlich Adler gesagt, was Er Peter Eggerdes gelehret hätte, das hätte er auch gelehret und wäre Gottes Wort. Auch sagt der alte Er Peter Hakental, daß er vor zwanzig Jahren also gelehret hätte, daß man sollte einen Unterschied zwischen gottesfürchtigen und gottlosen Leuten im Begräbniß halten, und man sollte sich an dem jungen Manne nicht vergreifen, er hätte hohe Gaben, er hätte den heiligen Geist. Dasselbe haben auch Er Jochim Schröder und M. Andreas da vor dem ganzen Rath öffentlich bekannt."

"Darum nimmt uns Wunder, daß E. E. W. dieses reden darf, daß Er Peter Eggerdes ein neues Regiment ohne der anderen Prediger Wissen und Willen angefangen habe, so es doch alle Prediger, die dazumal vor E. E. W. vorgefordert waren, für recht erklärt und bewilligt haben. Daß aber hernach der alte Er Peter (Hakendal) abfiel und zu der treuen Prediger Verfolgung half, das lassen wir Gott richten."

"Was nun E. E. W. von dem Proceß haben reden lassen, daß Er Peter Eggerdes wider die Notel, so uns von den fürstlichen Commissarien ist zugestellet, gehandelt habe, kann sich E. E. W. erinnern, daß von den fürstlichen Commissarien unsere Lehre und angefangene Disciplin ausdrücklich für recht und christlich erkannt ist. Wir haben uns auch nie anders mit dem Proceß gehalten als in der Notel vorgeschrieben ist, allein dieses ausgenommen, daß wir die Gevattern unterweil in der Kirche angesprochen haben, welches die Commissarien nicht als unrecht strafen, sondern allein, damit weniger Ursache zur Verbitterung wider das Predigamt gegeben werde, für gut angesehen, daß

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man die Gevattern nicht in der Kirche, sondern wo es Noth wäre, privatim ansprechen und berichten soll."

"Daß man aber dieses sehr hoch aufmutzt, daß Er Peter etliche, so dem gottlosen Detlevo gefolgt, mit Namen von der Kanzel genennet hat, wissen E. E. W., daß Er Peter vor dem Begräbniß die Herren Bürgermeister vermahnet hat, daß sie den gottlosen Lästerer nicht sollten wie einen anderen frommen Christen begraben. Aber man hat den Predigern und dem Predigamt zuwider und zum Trotz, den Gotteslästerer mit allen Ceremonien, damit man fromme Christen zu ehren pfleget, bestätiget. So hat auch Herr Peter Niemand in den Bann gethan, sondern allein geklaget, daß dieselben seine Schäflein, die christliche Gemeine, so öffentlich geärgert hätten, und ob er schon darin etwas zu viel gethan hätte, so können wir in solchen göttlichen Sachen, die Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit belangen, mit St. Paulo sprechen: thun wir zu viel u. s. w. Und folget darum ganz und gar nicht, daß man deshalb einen frommen treuen Prediger, der da seines Herrn Christi treuer Diener und in der Lehre und Leben unsträflich ist, sollte der Ursache halben seines Amtes entsetzen und zum Thor hinausführen."

"Daß man auch vorgibt, die Entschuldigung gelte nicht, daß man den Rath einmal zuvor darum begrüßt hätte, man sollte drei= oder viermal vor den Rath gekommen sein, wissen sich E. E. W. selbst zu erinnern, wie oft die Prediger zu derselben Zeit begehrt haben, mit E. E. Rath zu reden, daß man sie noch nicht gut dafür geachtet hat, daß man sie vorlassen ("furstaden") wollte, und sind in einer Woche dreimal abgewiesen worden, bis daß sie hintennach damit Audienz erhalten haben, daß sie anzeigen ließen, wo sie E. E. Rath nicht hören wollte, so würden sie es unserem Herrn Gott und der christlichen Kirche öffentlich klagen."

"Es hat auch Dr. Röseler und andere den 83 Canonem Apostolorum, wie man sie unverschuldet nennt, angezogen, daß die weltliche Obrigkeit eigene Macht habe, solche Prediger, die wider die Obrigkeit handeln, abzusetzen und zu bestrafen: Quisquis Imperatorem auf magistratum contumelia affecerit, supplicium luito, et quidem si clericus sit, deponitor, si laicus, a communione removetor. Nun ist noch dieses ganz disputirlich, ob der, so der Obrigkeit Sünden Amts halben straft, die Obrigkeit höhne und lästere, und ob schon dem also wäre, so folgt aus diesem Canone noch nicht, daß ihn die weltliche Obrigkeit darum absetzen soll. Denn daß er nicht von der weltlichen Obrigkeit Strafe rede, scheint daraus, daß er die Laien, so ihre Obrigkeit lästern, nur von dem Sacrament weisen heißt, welches nicht der weltlichen Obrigkeit, sondern der geistlichen

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Obrigkeit als dem Bischof oder Pastor zusteht. Aber wenn wir aus den Canonibus hievon handeln wollen, möchten wir auch wohl Canones zusammensuchen, die viel anders lauten, als 17. 9. 4. cap.: Si quis suadente diabolo in clericum violentas manus iniecerit, anathematis vinculo subjaceat, et nullus Episcoporum illum praesumat absolvere, nisi mortis urgente periculo. Aber bei uns Christen soll Gottes Wort billig höher denn alle Canones geachtet werden, welches also spricht: Fürchte den Herrn von ganzem Herzen und halte seine Priester in Ehren" u. s. w.

"Daß aber E. E. W. sich allezeit vernehmen läßt, daß sie nicht Verfolger des Predigamts und Gottes Worts können gescholten werden, dieweil sie nun über die dreißig Jahre Gottes Wort haben predigen lassen und demselben allezeit alle mit einander von Herzen zugetan und gewogen sind gewesen, da wollen wir auf diesmal, größere Verbitterung zu verhüten, nicht von handeln. Es wird sich aber E. E. W. gleichwohl zu erinnern wissen, wie ihrer etliche viele Jahre her gegen das Evangelium und die treuen Prediger, die fast alle über E. E. W. als Verfolger der treuen Prediger stets heftig geklagt haben, gesinnt gewesen sind, und wie man mit Er Jochim Slüter, mit Er Adler, mit Dr. Smedenstet, mit Er Jochim Schröder, mit Dr. Tilemann und uns anderen, die wir noch hier sind, gehandelt hat, das ist jedermänniglich bekannt."

"Und daß E. E. W. den gefaßten Haß und Neid und die Verfolgung wider die treuen Diener Christi Dr. Tilemann Heshusius und Er Peter Eggerdes noch nicht fallen lassen, ist daraus offenbar, daß ihr sie nicht allein hie giftiglich und feindlich ohne alles Aufhören lästert, sondern auch noch neulich an die Römisch Kaiserliche Majestät ein Schreiben habt stellen lassen, darin ihr sie auf das allerbeschwerlichste und heftigste angebet und darum fordert, daß man sie nicht wiederum in dieses Land und sonderlich nicht in die Stadt Rostock einkommen soll lassen."

"Nun wisset ihr ja selber aus Gottes Wort, wenn ihr schon in allen anderen Sachen löblich gehandelt hättet, daß ihr gleichwohl, so lange ihr in Haß und Neid lebet und euch mit eurem beleidigten Widersacher nicht vertragen habt, das Sacrament nicht würdiglich empfangen könnt. Daß E. E. W. aber spricht, wir sollen euch das Sacrament reichen und euch dafür sorgen lassen, ob ihr es würdiglich oder unwürdiglich zu eurem Gericht empfanget, das ist zumal unbedächtig geredet. Denn gleich wie allen Christen empfohlen wird, daß sie sich selber prüfen sollen, daß sie nicht unwürdig den Leib Christi essen, also ist allen treuen Seelsorgern befohlen, daß sie Niemanden, den sie

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wissen, daß er es unwürdig und zu seinem Gericht empfangen würde, das Sacrament reichen sollen. Dieweil ihr nun in öffentlichen und landrüchtigen Sünden, in Verfolgung, Haß und Neid der treuen Diener Jesu Christi lebt, und darin verharret und dieselben weder erkennen noch bessern wollt, so erfordert unser von der göttlichen Majestät uns auferlegtes Amt, so wir dasselbe als treue Haushalter ausrichten und nicht von euertwillen verdammt sein wollen, daß wir euch zu der Gemeinschaft des hochwürdigen Sacraments des Herrn Nachtmahls nicht zulassen können, ehe wir gewisse Anzeigung von euch haben, daß sich E. E. W. diese Verfolgung der treuen Prediger lasse leid sein und sich mit den beleidigten Predigern ernstlich zu versöhnen begehren."

"Nun haben wir keinen Zweifel, es werden in eurem Mittel ja noch etliche fromme gottesfürchtige Herren sein, die sich den heiligen Geist werden regieren lassen und diese unsere Bußpredigt und treue Vermahnung zu Herzen nehmen und ihnen herzlich lassen leid sein, daß sie zu der Verfolgung des heiligen Predigamts und der treuen Prediger geholfen oder gewilligt haben. Dadurch unser Herr Christus heftig erzürnet und viele fromme heilige Leute in dieser Stadt und anderswo geärgert und herzlich betrübet und diese Stadt im ganzen Deutschland einen bösen Namen bekommen hat."

"Wo nun etliche aus E. E. W. Mittel sich also christlich gegen uns Diener Christi in diesem Handel erklären werden, so wollen wir uns auch wiederum, als ihren lieben und treuen Seelsorgern gebührt, gegen sie christlich und freundlich erzeigen, also daß sie selbst ein christliches und freundliches Gefallen daran haben sollen. Wir wünschen auch allen E. E. W. von Herzen, daß sie diese unsere treue und ernste Vermahnung, dabei wirs forthin wollen bleiben lassen, fleißig betrachten und zu Gemüth führen und sich vor der ewigen göttlichen Majestät und unserem Heiland Jesu Christo herzlich demüthigen, ihre Sünden erkennen und forthin das heilige Predigamt und die treuen Diener lieb und werth halten und zu Gottes Ehre und der Kirche und ihrer selbst Wohlfahrt alle ihre Handlungen richten. Da wird unser Herr Gott wiederum seine Gnade, Segen, Ehre und Glück und alle zeitliche und ewige Wohlfahrt E. E. W. und dieser ganzen löblichen Stadt reichlich verleihen. Amen."

Durch die Vermittelung des pommerschen Superintendenten Dr. Jacob Runge, welcher im Jahr 1561 zu Rostock anwesend war und hier den M. David Chyträus und M. Simon Pauli zu Doctoren der Theologie promovirte, gelang es endlich, eine Aussöhnung zwischen Geistlichkeit und Rath zu Stande zu bringen, welche am Sonntage Cantate, den 4. Mai

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1561, in der Marienkirche am Schluß der Predigt folgendergestalt durch Dr. Runge öffentlich verkündigt ward: "Lieben Freunde in Christo. Nachdem in dieser Kirchen Uneinigkeit und Irrung zwischen dem Ehrbaren Rath und dem Predigamt etliche Zeit gewesen, so hat der allmächtige liebe Gott seine göttliche Gnade verliehen, daß solches alles christlich und wohl ist vertragen; daß Gottes Ehre gepreiset und die Conscientien gestillet sind. Und hat E. E. Rath sich dermaßen erklärt, daß die Prediger mit dem Rath und wiederum der Rath mit den Predigern wohl zufrieden sind. Als aber an solcher gottseligen Vereinigung unserer lieben Obrigkeit mit dem heiligen Predigamt unserem Herrn Jesu Christo, der lieben Kirche und der ganzen Stadt groß gelegen, sollen alle Christen von Herzen Gott dem Herrn dafür danken und bitten, daß er mit seinem heiligen Geist, das er angefangen, wolle stärken und bestätigen. Amen".

 

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III.

Ueber

die Fürstin Woizlava,

Gemahlin des Fürsten Pribislav von Meklenburg,

und

die Kapelle zu Althof,

von

G. C. F. Lisch.


Mit 2 Tafeln in Farbdruck und 1 Holzschnitt.


1. Bauzeit der Kapelle zu Althof.

D ie kleine Kapelle zu Althof bei Doberan, deren Geschichte in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte II, S. 1 flgd. so genau wie möglich erforscht und dargestellt ist, galt in ihrem Ganzen in neuern Zeiten für das älteste Gebäude in Meklenburg=Schwerin, da hier das Christenthum zuerst Wurzel geschlagen hat, - obgleich schon im Jahresber. VII, S. 60, gesagt ist, daß die Kapelle durch die verschiedenen Restaurationen im Laufe der Zeit so sehr gelitten habe, daß sich ein alter, bestimmter Baustyl nur mit Mühe herausfinden lasse. Im Frühjahr 1851 unterwarf ich, nach gewonnener reiferer Erfahrung in den Eigenthümlichkeiten des meklenburgischen Ziegelbaues, die Kapelle noch einmal einer sorgfältigen Prüfung und muß in Folge derselben bekennen, daß das Gebäude in seinem Ganzen und in seiner jetzigen Gestalt aus der Reihe der alten Bauten im Rundbogenstyle zum größten Theile ausscheiden muß. Zwar ist es wohl nicht zu bezweifeln, daß die Kapelle an der Stelle, ja zum größten Theile auf den Fundamenten des ältesten Gotteshauses in Meklenburg=Schwerin und der ersten doberaner Klosterkirche steht, daß Pribislav's Gemahlin Woizlava, welche vom Norden her das Christenthum nach Meklenburg brachte, in dieser

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Kirche begraben ward und daß die Kapelle sicher noch Reste des ältesten Baues enthält, wie fast alle Kirchen, welche im 14. und 15. Jahrhundert restaurirt, erweitert und erhöhet sind; aber der Bau in seinen meisten Theilen, so wie er jetzt dasteht, gehört dem Spitzbogenstyle des 15. Jahrhunderts an.

Diese Kirche hat ursprünglich ohne Zweifel ein einfaches Oblongum, mit einer halbkreisförmigen Altarnische im Osten, gebildet. Der Eingang war, wie noch heute, in der westlichen Wand, welche einen hohen, dreiseitigen Giebel hat.

Bei der Untersuchung muß man strenge diese Giebelwand und die übrigen Ringmauern scheiden.

Die jetzige Grundform der Kapelle ist ein einfaches Oblongum mit dreiseitigem Chorschlusse; die sehr kurzen und weiten Fenster sind im Spitzbogen gewölbt; zwischen je zwei Fenstern steht an den Außenwänden ein kräftiger Strebepfeiler; die Außenwände haben hervorstehende, gegliederte Sockel. Die Gewölbe haben Gewölberippen; die Gewölbe sind niedrig und etwas flach, weil die Kapelle niedrig und weit ist. selbst die Pforte ist rein spitzbogig geworden. Alle diese Eigenthümlichkeiten reden ganz bestimmt und sicher für den zur Zeit des Baues längst ausgebildeten Spitzbogenstyl.

Die westliche Giebelwand stammt dagegen sicher aus der Zeit des ersten Baues, aus dem 12. Jahrhundert, und ist das älteste Ziegelmauerwerk in Meklenburg=Schwerin, wenn auch, wie sehr häufig geschehen, die Pforte im Spitzbogenstyl verändert ward. Man sieht es dem ganzen Mauerwerk und der ganzen Construction des Giebels an, daß dieser Giebel uralt sei. Ueber der Pforte steht auf der Außenwand ein Fries von kräftigen Halbkreisen, das charakteristische Kennzeichen des Rundbogenstyls. Freilich sind diese schwarz glasurten Halbkreise bei der Restauration im J. 1823 neu eingesetzt, aber nach dem Muster der alten; den beweis liefern noch die kleinen Ziegelconsolen, auf denen die Halbkreise ruhten: diese sind alt, eigentlich das allein und sicher alte Ornament an der Kapelle. Die kleinen Kreissegmente, durch welche die Bogen oben verbunden sind, stammen vielleicht aus der neuesten Restauration; es läßt sich wenigstens nicht mehr ermitteln, ob sie früher da waren. Die kleinen Fenster hoch in der Wand und die Rose im Giebel, welche jetzt freilich mit hölzernem Maaßwerk gefüllt ist, zeugen ebenfalls für eine alte Anlage. Im Innern der Kirche stehen in den Langwänden zunächst bei der Pforte unter dem ersten Gewölbe über einander zwei rundbogige Nischen, von denen die oberen sich dicht unter der ersten Gewölbekappe

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wölben und die beiden ersten Fenster der Kapelle zu beiden Seiten am Eingänge überdecken. Es ist daher anzunehmen, daß die westliche Giebelwand, mit dem eigenthümlichen Thurme in der südlichen Ecke derselben, mit Ausnahme der Spitzbogigen Pforte, und die allein rundbogig aufgemauerten Anfänge der Seitenwände, so weit das erste Gewölbe reicht, allein von dem ersten Bau aus dem 12. Jahrh. stammen; die Alten liebten es, bei Restaurationen Reste des alten Baues in den neuen aufzunehmen.

Sicher ward die Kapelle schon in den kriegerischen Zeiten im Anfange des 14. Jahrh. unter dem Fürsten Heinrich dem Löwen von Meklenburg hart mitgenommen (vgl. Jahrb. II, S. 8) und darauf zum ersten Male restaurirt. Hiefür zeugen, außer dem ausdrücklichen Zeugnisse, auch die Ziegel mit der Inschrift auf die Fürstin Woizlava, deren Schriftzüge bestimmt auf das erste Viertheil des 14. Jahrh. deuten. Sicher wird aber diese Inschrift schon damals von einer alten copirt und restaurirt sein. Es waren zwei Inschriften gleichen Inhalts vorhanden. Die eine war schwarz glasurt; mehrere Steine von derselben mit dem Hauptinhalt der Inschrift fanden sich in der Außenwand der Kapelle im Gesimse verkehrt eingemauert. Diese Steine haben einen viel älteren Charakter und stammen wohl sicher wenigstens aus dem 13. Jahrhundert; sie sind schon bei der ersten Restauration der Kapelle im Anfange des 14. Jahrh. wieder vermauert. Die andere Inschrift besteht aus unglasurten, sehr sorgfältig gearbeiteten und geölten Ziegeln, in welche die Inschrift mit sehr schönen, aus dem ersten Viertheil des 14. Jahrh. stammenden Unzialen eingeschnitten ist. Diese Ziegel fanden sich im Innern der Kapelle und sind ohne Zweifel von der alten glasurten Inschrift, welche in dem Mauerkranze der alten Außenwand saß, copirt. Die unglasurte Inschrift (vgl. Jahrb. XV, S. 166) war also im Innern der Kapelle angebracht und ist schon ein Beweis für das jüngere Alter der Kapelle, so wie sie jetzt erscheint.

Es lassen sich aber auch urkundliche Andeutungen über die verschiedenen Restaurationen und Mutationen der Kapelle beibringen.

Zuerst litt Althof wiederholt in den kriegbewegten Zeiten des Fürsten Heinrich des Löwen ungefähr in der Zeit von 1312 bis 1318, indem nach den Schadensrechnungen das Kloster wiederholt entschädigt wird für die "Schäden, welche es zu Althof erlitten: pro dampnis in Antiqua Curia". Damals wird aber noch nicht das Mauerwerk der Kapelle bedeutend gelitten haben; jedoch wird gleich nach jener Zeit bei der Re=

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stauration der Kapelle auch die unglasurte Inschrift restaurirt worden sein.

Der Umbau der Kapelle im Style des 15. Jahrhunderts geschah ohne Zweifel um die Zeit von 1450, und aus dieser Zeit stammt denn auch die Kapelle in ihrer jetzigen Gestalt. Am 20. Juli 1450 gab nämlich der Bischof Nicolaus von Schwerin dem Kloster Doberan einen Ablaß für alle diejenigen, welche nicht allein die Klosterkirche, sondern auch die Kapelle an der Pforte der Kirche zu Doberan, (d. i. die kleine Heilige Bluts=Kapelle vor der Nordpforte der Kirche) und die "Kapelle zu Althof" innerhalb eines Jahres in Andacht besuchen und mit Gaben bedenken würden:

"ecclesiam in Dobbran ac capellam m porticu ipsius monasterii, necnon eciam capellam in Antiqua Curia Antiquum Dobbran nominata."

Es geht hieraus ("nominata") zugleich hervor, daß der bei der Kapelle, als einer alten ehrwürdigen Reliquie, stehende Hof damals noch Alt=Doberan genannt ward.

Dieser Ablaß muß aber nicht hinreichend Früchte getragen haben, denn am 26. Oct. 1461 wiederholte der Bischof Werner von Schwerin den Ablaß mit denselben Worten, als er an diesem Tage die in dem Schreine des Hochaltares ("in cimborio summi altaris ecclesie") der Klosterkirche zu Doberan stehenden silbernen Bilder der Apostel Johannes und Jacobus weihete.

Die damals wahrscheinlich verfallene Kapelle zu Althof wird also in der Zeit von 1450 bis bald nach 1461 umgebauet sein, da Ablaß gewöhnlich verliehen ward, wenn ein kirchlicher Bau begonnen oder ausgeführt werden sollte. Und hiemit stimmt denn auch der jetzige Styl der Kapelle im Allgemeinen vollkommen überein.

Bei der Restaurirung der Kapelle im J. 1823 ist ein Versehen gemacht, welches jetzt, nachdem die Geschichte der mittelalterlichen Baukunst so bedeutende Fortschritte gemacht hat, sehr lehrreich geworden ist. Im Style der großen doberaner Ziegelkirche sind die Wände verständiger Weise roth übertüncht und weiß quadrirt, als Nachahmung des Ziegelbaues; der Rohbau konnte nicht hergestellt werden, da die Wände und die Gewölbe sehr durch Rauch gelitten hatten, indem die Kapelle Jahrhunderte lang zum Backhause benutzt worden war. Es sind aber auch die Gewölbekappen eben so decorirt; dies ist aber ganz gegen den Styl des Ziegelbaues und so auffallend und störend, daß man jetzt augenblicklich begreift, daß es nicht so sein muß. Die Gewölbe der Ziegelkirchen wurden in alten Zeiten stets mit Kalk überputzt und blieben in diesem naturfarbenen Putze stehen oder

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wurden auch mit Fluren oder Arabesken bemalt; die Gewölberippen aber ließ man entweder im Rohbau stehen, oder übermalte sie, wenn die Gewölbekappen gemalt wurden, mit bunten Bändern oder ändern bunten Verzierungen.


2. Denkmäler der Kapelle zu Althof.

Nach vieljährigen Forschungen wurden im J. 1852 auf Befehl Sr. Königlichen Hoheit des regierenden Großherzogs Friedrich Franz II. die geschichtlichen Denkmäler der Kapelle zu Althof in angemessener und würdiger Weise wieder hergestellt und mir die Leitung der Arbeiten Allerhöchst übertragen.

Im J. 1164 vermählte sich der Fürst Pribislav von Meklenburg mit "des Königs von Norwegen Tochter Woizlava", nahm, von seiner Gemahlin geleitet, den Christenglauben an, zerstörte das heidnische Heiligthum auf dem fürstlichen Hofe Doberan, d. i. jetzt Althof, und begann den Bau des ersten Gotteshauses in diesen Landen, der Kapelle zu Althof. Im J. 1170 stiftete Woizlava das Cistercienser=Mönchskloster Doberan neben dieser Kapelle zu Althof und Pribislav bestätigte, gründete und vollendete das Kloster. Darauf zog Pribislav 1171-1172 mit dem Sachsenherzoge Heinrich dem Löwen nach dem Heiligen Grabe. Während der Zeit starb im J. 1172 Woizlava und ward in der von ihr erbaueten Kapelle zu Althof begraben. Nach dem am 30. Dec. 1178 erfolgten Tode Pribislav's zerstörten die wieder vom Christenthume abgefallenen Wenden das Kloster zu Doberan oder Althof. Im J. 1186 stellte der Fürst Borwin I. das Kloster wieder her und verlegte es zugleich nach dem wendischen Dorfe Doberan, wo die Kirche noch jetzt steht. seit dieser Zeit ward der Klosterort schlechtweg Doberan und der fürstliche Hof Doberan, wo früher das Kloster stand, Alt=Doberan oder Alt=Hof genannt. In Althof wohnte späterhin immer ein Hofmeister des Klosters, welcher ohne Zweifel die Kapelle zum Gottesdienste benutzte. Aber schon seit dem J. 1312 litt die Kapelle während der kriegerischen Bewegungen unter der Regierung des meklenburgischen Fürsten Heinrich des Löwen, und in der Zeit von 1450-1461 war sie schon so baufällig, daß sie umgebauet werden mußte. Jedoch verfiel die Kapelle schon vor der Reformation, und bereits im J. 1522 mußte der Herzog Heinrich der Friedfertige selbst die Kapelle an

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einem wilden Orte wieder entdecken. In der Reformationszeit ward das Gotteshaus aber ganz vergessen und schon im J. 1610 ward es als Backhaus benutzt; an der Stelle des Altars stand der Backofen. So blieb es bis zum 9. Aug. 1822, als ein Blitzstrahl das Dachwerk entzündete und der von Doberan herbeigeeilte hochselige Großherzog Friedrich Franz I. mit seinem historischen Scharfblick die Kapelle wieder entdeckte und deren Herstellung sogleich anordnete. Während des Baues, den der hochselige Herr beaufsichtigte und häufig besuchte, entdeckte Höchstderselbe in den Mauern der Kapelle nach und nach die Inschriftziegel, welche zu Jahrb. II. auf einer lithographirten Tafel mitgetheilt sind, und vor dem Altare die Gebeine der Fürstin Woizlava in einem Grabe, welches der Herzog Heinrich der Friedfertige im J. 1522 noch selbst gesehen und durch die Inschrift bezeichnet gefunden hatte. Der Großherzog Friedrich Franz I. nahm Alles, so wie es nach und nach gefunden ward, mit sich nach Doberan, um es zu entziffern, und bediente sich dabei häufig der Hülfe des dem einsichtsvollen Fürsten in geschichtlichen Dingen vertrauten wail. Professors Schröter zu Rostock, welcher damals mit Begeisterung in die meklenburgische Geschichte eindrang. Die Studien gingen in den ersten Jahren sehr lebhaft. Schröter reiste im Sommer oft nach Doberan, wohin ich, als ein jüngerer Freund desselben, ihn mehrere Male begleitete; ich sah und verfolgte Alles genau und half mit meinen schwachen Kräften; wiederholt nahmen wir für den Winter Ziegel mit nach Rostock. Es mußte aber Alles immer wieder nach Doberan zurückgebracht werden, da der hochselige Großherzog Alles Höchstselbst in seinem Cabinet zu Doberan bewachte. Kaum war die Angelegenheit der Veröffentlichung nahe gebracht, als Schröter im J. 1825 plötzlich seinem Wirken entrissen ward. Nun ruhete alle Forschung auf längere Zeit, da Niemand im Lande war, der sich in so weitschichtige Studien, als sie dieser Gegenstand erforderte, versenkt hatte. Der Großherzog wünschte von Jahr zu Jahr, die geschichtlichen Denkmäler Doberans wieder zu Ehren zu bringen, jedoch unterblieb dies immer, weil es ihm an kundiger Hülfe fehlte, bis Er selbst darüber hinwegstarb. Während der Zeit ward ich im J. 1834 zum Archivar berufen und im J. 1835 der Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde gestiftet. Der Verein nahm nun sogleich die höchst wichtige Forschung wieder auf; der hochselige Großherzog Friedrich Franz I. beförderte sie lebhaft, und ich veröffentlichte in dem II. Jahrgange der Jahrbücher des Vereins im J. 1837 die angestellten Forschungen zugleich mit einer lithographirten Abbildung der Inschriftsteine. Noch waren diese

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Jahrbücher nicht ausgegeben, als der Großherzog Friedrich Franz I., welcher Doberan so innig, und mit Recht, liebte, am 1. Febr. 1837 zu seinen Vätern ging. Ich erhielt nun nach seinem Tode den Auftrag, alle meklenburgischen Merkwürdigkeiten aus den Schlössern, welche Friedrich Franz I. über 50 Jahre lang bewohnt hatte, nach Schwerin in die öffentlichen Sammlungen zu bringen, und so versetzte ich dahin auch die Denkmäler von Doberan. Ich fand in Doberan in dem Arbeitscabinete des hochseligen Herrn die Gebeine der Woizlava und in einem andern Zimmer die Inschriftziegel so sorgfältig aufbewahrt, wie ich sie seit 13 Jahren gekannt und aufmerksam verfolgt hatte. In Schwerin bewahrte ich diese Reliquien wieder 15 Jahre mit der gewissenhaftesten Sorgfalt. Während der ganzen Zeit ging die Forschung lebhaft weiter, wie die ununterbrochenen Berichte in den Jahrbüchern des Vereins für meklenburgische Geschichte andeuten, bis ich, treu von meinen gelehrten Freunden, namentlich den Professoren Deecke zu Lübeck und Wiggert zu Magdeburg unterstützt, die Sache beherrschen zu können glaubte.

Da nun die Forschung bis zur möglichen Klarheit gediehen war, so beschloß der regierende Großherzog Friedrich Franz II., welcher mit glühender Liebe und bedeutenden Opfern die stylgemäße Wiederherstellung der erhabenen Kirche zu Doberan, des schönsten und edelsten Kunstwerkes Meklenburgs, verfolgt, die Herstellung der geschichtlichen Denkmäler der Kapelle zu Althof und beehrte mich mit dem hohen Auftrage der Ausführung, welche im Sommer des J. 1852 vollendet ward.

1) Vor dem Altare wurden die Gebeine der Fürstin Woizlava wieder in eine Gruft gesenkt und auf dieselbe eine große, dicke Platte von festem, bräunlichgrauen nordischen Marmor gelegt, mit der Inschrift:

Inschrift
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Zu Häupten des Grabes, von dem Leichensteine bis zur Altarstufe, sind von den sehr merkwürdigen, kleinen, glasurten Mosaikziegeln, welche früher den ganzen Altarraum und die Grabstätte bedeckten und von denen weiter unten ausführlich die Rede sein wird, als Monument zwei kleine Quadrate zusammengesetzt und mit dem um den Leichenstein gelegten Fries von Ziegelsteinen in angemessene Verbindung gebracht.

2) In die innere Kirchenwand links vom Altare, zur einen Seite des Leichensteines, wurden die unglasurten Inschriftziegel eingemauert, und zwar in 4 Reihen, da die Forschung unbestreitbar ergab, daß die Inschrift aus leonimschen Hexametern bestanden hatte. Auf Allerhöchsteigenen Befehl Sr. Königlichen Hoheit wurden an den fehlenden Stellen nur glatte Ziegel gesetzt und auf diese die fehlenden Buchstaben der Inschrift gemalt, um künftige Forscher nicht irre zu leiten. Zwar mag die Inschrift noch nicht völlig sicher und vollständig, ja an dieser und jener Stelle im Versmaaße fehlerhaft sein; etwas Anderes und mehr war durchaus nicht zu erreichen, und man muß sich mit der Ueberzeugung beruhigen, daß der Hauptinhalt der Inschrift zuverlässig und vollständig ist. Die Inschrift, von welcher die hier mit großen Buchstaben gesetzten Stellen alt, die mit kleinen Buchstaben gesetzten Stellen durch Malerei ergänzt sind, lautet jetzt folgendermaßen:

Inschrift

Die diese Inschrift ergänzenden, älteren, schwarz glasurten Doubletten dieser Inschriftsteine mit den Worten:

Inschrift

sind unter dem Gesimse der Außenwand, wo sie in alter Zeit saßen und wohin sie gehörten, über dem Altarfenster eingemauert.

Die Bruchstücke mit D A - und - e c I e - ließen sich nirgends unterbringen.

3) An der Innern Kirchenwand rechts vom Altare, zu der andern Seite des Leichensteines und der Ziegelinschrift gegenüber, ward eine weiße Marmortafel befestigt, in welche die Inschrift auf die Restauration der Kapelle mit vergoldeten Buchstaben eingehauen ist, welche der hochselige Großherzog Friedrich Franz I. nach der Abfassung und Besorgung des Professors Schröter, auf einen Bogen Papier gedruckt, in einem Rahmen unter Glas, im J. 1823 dort aufhängen ließ, eine Art und

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Weise der Denkmalsetzung, welche der Dankbarkeit der Nachkommen nicht würdig und dauerhaft genug erschien und deshalb durch eine Marmortafel ersetzt ward. Die Inschrift lautet:

Inschrift

Die Steinlieferungen und Steinhauerarbeiten sind von der J. G. Tiedemann'schen Steinhauerei zu Rostock sehr vorzüglich ausgeführt.

4) Der Zufall veranlaßte die Setzung eines vierten interessanten Denkmals. Im Sommer des J. 1851 ward nahe bei der Kapelle, auf der Ziegelei, ein Stein ausgegraben, welcher mehr als jeder andere Stein die Vermuthung für sich hat, daß er ein heidnischer Opferstein gewesen sei. Dieser Stein ist ein roher, fester, feinkörniger Granit von ziemlich regelmäßiger viereckiger Gestalt: die Oberfläche bildet ein Quadrat von ungefähr 2 Fuß, die Höhe beträgt ungefähr 1 1/4 Fuß. In die sehr ebene und feste, und wie es scheint nachgeglättete Oberfläche des Steines ist eine sphärische Vertiefung von etwa 10 Zoll Durchmesser, wie ein vollkommener Kugelabschnitt oder eine Schale, sehr regelmäßig und vollendet eingeschliffen. Es läßt sich freilich über diesen merkwürdigen Stein nichts mit Bestimmtheit behaupten, aber doch annehmen, daß wenn irgend ein Stein in Deutschland ein heidnischer Opferstein sein soll, dieser Stein es sein muß. Aehnliche Steine sind bisher nur auf der Insel Rügen, auf den Höhen vor der Stubbenitz, dem Walde vor der Stubbenkammer, namentlich bei Quoltitz, bemerkt worden. Da nun zu Althof nach der alten Chronik ein heidnisches Heiligthum des "Gütigen" war, wie Doberan auf deutsch heißt, da Ernst von Kirchberg sagt: "zu Alden Doberan dy abgode warf er (Pribislav) heszlich nider", so lag es sehr nahe, dem Steine einen angemessenen Platz zu geben, so daß durch ihn die Restaurations=Inschrift mit dem Anfange: "An der Stätte eines heidnischen Heiligthums" u. s. w. eine sichtbare Bedeutung erhielt. Der Stein ward daher, um die Denkmalssetzung vollständig zu machen, vor der Kapelle neben der Eingangspforte aufgestellt

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3. Die Herkunft der Fürstin Woizlava aus Norwegen.

Herkunft der Fürstin Woizlava.

Die Kapelle zu Althof ist eines der ehrwürdigsten Denkmäler Meklenburgs, theils weil sie, wenn auch vielfach restaurirt und umgebauet, das älteste Gotteshaus in den meklenburg=schwerinschen Landen ist, theils weil in ihr die Stammmutter unsers alten Fürstenhauses, Woizlava. 1 ) die Gemahlin Pribrislav's und die Mutter Borwin's, begraben liegt, welche ihren Gemahl zur Annahme des Christenthums vermochte und das erste Kloster Doberan zu Althof neben dieser Kapelle stiftete. Der Name dieser Fürstin ist nicht allein in der meklenburgischen Reimchronik des Ernst von Kirchberg (1378), sondern auch in den beiden noch ältern Ziegelinschriften auf ihr Begräbniß in der Kapelle aufbewahrt.

Nach den Chroniken soll die Fürstin Woizlava die Tochter eines Königs von Norwegen gewesen sein. Die Quelle dieser oft wiederholten Nachricht ist die Chronik des Ernst von Kirchberg, welche zwar erst zwei hundert Jahre nach dem Tode der Fürstin geschrieben, aber aus alten Nachrichten, vorzüglich des Klosters Doberan, geschöpft ward. E. v. Kirchberg sagt:

Nach den cziden quam es sus,
das konig Prybislauus
wolde elichir dinge phlegin.
Der konig von Norwegin
gab ym syne tochter da,
dy waz geheiszin Woyzlaua,
dy waz eyne gude cristen.
Mit allen yren listen
dy frowe dar nach dachte,
wy sy tzum glouben brachte
iren herren Prybisla (cap. Cl).
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Dy konygin Woyslaua
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
sy wart mit suchede vnd mit swere
beuallin vnd mit krangheit sere,


1) Die Geschichte der Kapelle zu Althof und der Fürstin Woizlava ist in den Jahrbüchern II, S. 10 flgd. ausführlich dargestellt.
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daz sy dar von den tod entphing.
Ir bygraft snel dar nach irging
gar wirdiglichen sundir wan;
man grub sy zu Alden Doberan (cap. CXI).


Normannische Mosaikziegel in der Kapelle zu Althof.

An eine unmittelbare urkundliche Bestätigung dieser Nachricht ist nicht zu denken, da Pribislav keine Urkunde hinterlassen hat. Es würde daher von großer Wichtigkeit sein, wenn irgend andere Denkmäler vorhanden sein sollten, welche diese Nachricht mittelbar zu bekräftigen im Stande wären. Diese haben sich nun auf eine überraschende Weise in den kleinen Mosaikziegeln gefunden, mit denen der Altarraum sowohl der Kapelle zu Althof, als der Kirche zu Doberan gepflastert ist.

Diese Ziegel, welche sich, so viel bekannt ist, bisher nirgend weiter in Deutschland gefunden haben, erregten zwar in neueren Zeiten die Aufmerksamkeit 1 ) der Beobachter, fanden aber keine wissenschaftliche Anwendung irgend einer Art, da sie ganz vereinzelt dastanden und man nichts mit ihnen anfangen konnte.

Jetzt haben diese Ziegel sich aber auch unter den Ruinen des Cistercienser=Klosters Hovedöe bei Christiania in Norwegen gefunden, und damit ist die Möglichkeit gegeben, die Wanderung der Cultur im Norden zu erkennen und Schlusse auf die Herkunft der Fürstin Woizlava zu ziehen.

Der Verein für Erhaltung nordischer Alterthumsdenkmäler zu Christiania hat in seinem Jahresberichte für das Jahr 1849, Christiania 1850, die Klosterruinen von Hovedöe und deren Aufräumung beschrieben und die Beschreibung mit zahlreichen Abbildungen begleitet, so daß diese Mittheilungen zu Forschungen mit Sicherheit benutzt werden können.

Der Cistercienser=Orden verbreitete sich schon in der Mitte des 12. Jahrhunderts über England nach Norwegen. Das erste Kloster war Lyse=Kloster bei Bergen, welches im J. 1146 von englischen Mönchen aus Fountain bei Jork gestiftet ward. Das zweite Kloster ward nach 1147 auf der Insel Hovedöe von englischen Mönchen von Kirkestad in Lincoln gestiftet. Die Insel Hovedöe liegt im Meerbusen von Christiania, nahe bei der Stadt Christiania. Dieses Kloster Hovedöe ward im J. 1532 in der Grafenfehde zerstört, da sich der Abt des


1) Vgl. Jahrbücher II, S. 25.
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Klosters auf des vertriebenen Königs Christiern II. Seite geschlagen hatte. Das niedergebrannte Kloster blieb in Ruinen liegen, bis der Verein zu Christiania um das Jahr 1846 die Aufräumung der Ruinen begann.

Die alte, um die Mitte des 12. Jahrhunderts erbauete Klosterkirche von Hovedöe bestand in ihren ältesten Theilen, wie die Kapelle zu Althof, aus einem kleinen Schiffe von oblonger Grundform, ohne Seitenschiffe, und einem in Halbkreisform daran gelehnten Altarraum. Dieser halbkreisrunde Chor ist jedoch im Laufe der Zeit abgebrochen und statt dessen im 15. Jahrh., frühestens am Ende des 14. Jahrh. ein anderer hoher Chor angebauet, dessen Grundform ein gleicharmiges Kreuz ist und dessen Ausdehnungen länger sind, als die Länge des alten Schiffes. "Der alte Bau ist in dem romanischen Style mit den Eigenthümlichkeiten, welche die anglonormannische Architektur entwickelte", in der Mitte des 12. Jahrhunderts wohl mit Sicherheit durch englische Baumeister und Arbeiter ausgeführt. Der Fußboden in dem östlichen Arme dieses jüngeren, östlichen Chores, die Altarstelle, war mit kleinen, quadratischen, glasurten Mosaikziegeln, von 4 1/2 Zoll im Quadrat, belegt, von welchen der Verein zu Christiania eine Auswahl auf drei Tafeln in Farbendruck zu seinen Jahresberichten bekannt gemacht hat. Das spätere Schiff der Kirche, die ehemalige alte Kirche, war mit größern, 9 1/4 Zoll im Quadrat großen, Ziegeln belegt, welche eine gelbe oder schwarze Farbe haben und nicht mit Mosaikmustern verziert sind. Der norwegische Verein stellt die Ansicht auf, daß bei der Vergrößerung der Kirche durch den östlichen Anbau die alten Mosaikziegel vielleicht aus dem Raume der alten Kirche in den neuen Chor versetzt worden seien, und der Herr N. Nicolaysen, Vorstand des Vereins zu Christiania, theilt mir brieflich mit, daß man "Grund habe zu vermuthen, daß die Mosaikziegel ursprünglich einen andern Platz gehabt haben", und zwar passender Weise im Chore der alten Kirche. - Eben so sind in den Kirchen zu Althof und Doberan die Mosaikziegeln bei allen Bauten und Mutationen immer auf die Altarstelle hinauf gerückt worden. - Die beiden Kreuzarme des Chores von Hovedöe sind mit gewöhnlichen Ziegeln gepflastert.

Ohne Zweifel stammen diese Mosaikziegel von Hovedöe aus der Zeit des ersten Baues der alten Kirche im romanischen Style.

Diese Mosaikziegel von Hovedöe haben eine seltene Beschaffenheit. Es sind viereckige Ziegel, gut 3/4 Zoll dick und 4 1/2 Zoll im Quadrat groß. Gewöhnlich, mit seltenen Ausnahmen, stellt jeder Ziegel 4 weiße Figuren auf rothem

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Grunde dar, von denen jede mit einer weißen Einfassungslinie am Rande umgeben ist, so daß immer 4 Muster oder kleine Steine von 2 1/4 Zoll im Quadrat einen Pflasterstein bilden. Die Einfassungslinien haben ohne Zweifel eine Richtschnur für die Arbeiter bilden sollen, um die Steine innerhalb derselben nach Bedürfniß in kleinere Stücke zu zerschneiden. Dies sieht man sowohl an den Steinen von Hovedöe, als auch an den von Althof sehr deutlich, indem die Arbeiter gewöhnlich nicht diese Linien hielten, sondern oft bis gegen die Linien oder über dieselben hinaus schnitten, wie gerade ihre Maaße es verlangten. Die Steine von Hovedöe haben immer 4 Muster, im Ganzen 4 1/2 Zoll im Quadrat; aber auch diese scheinen, nach den von Christiania eingesandten Originalen, aus größern Platten geschnitten zu sein, indem die Einfassungslinien nicht gehalten und an einer Seite oft ganz abgeschnitten sind, während an der entgegengesetzten Seite über die Einfassungslinien hinaus gegangen ist. Dieselbe Erscheinung bemerkt man an den zu Althof und Doberan liegenden Ziegeln, welche freilich alle zu kleinen Steinen von 2 1/4 Zoll im Quadrat zerschnitten sind.

Die Mosaikziegel von Hovedöe haben folgende Beschaffenheit. Der Grund, wie die ganze Masse, ist hell ziegelroth; in diesen Grund sind mit weißem Thon allerlei Figuren und eine Einfassungslinie eingelegt; endlich ist die ganze Oberfläche mit einer durchsichtigen, etwas gelblichen Glasur (Glasglasur) überzogen. Die eingelegten Bilder stellen Lindwürmer, Centauren, Löwen, Lämmer, doppelköpfige Vögel, menschliche Figuren, rundbogige architektonische Ornamente u. dgl. dar. Nach den Rändern sind diese Ziegel aus Ziegelerde zuerst in Formen gedrückt und dann mit weißem Thon ausgelegt und glasurt.

Diese Mosaikziegel sind, nach brieflichen Mittheilungen des Herrn Nicolaysen, auch "anderweitig in Norwegen" gefunden.

Es steht zur Frage, wo diese Ziegel von Hovedöe gemacht sind. Da die norwegischen Klöster von England aus gestiftet wurden, so liegt die Vermuthung nahe, daß diese Mosaikziegel, oder doch die Arbeiter, aus England nach Norwegen gekommen seien. Auch Herr Nicolaysen zu Christiania schreibt, es sei große Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß die Ziegel von England aus eingeführt seien, von wo auch das Kloster gestiftet sei, da man in England Mosaikziegel finde, welche auffallende Aehnlichkeit mit den Ziegeln von Hovedöe haben und "deren Alter mit gutem Grund weit über hundert Jahre über die Zeit gesetzt wird, als der Theil der Klosterkirche von Hovedöe,

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in welchem die Mosaikziegel gefunden sind". Das wäre freilich noch nicht viel, da der neue Chor der Kirche zu Hovedöe um das Jahr 1400 gebauet ist.

Es wird vor allen Dingen nöthig sein, die alten Mosaikziegel in England 1 ) zu studiren. In England sind diese Mosaikziegel freilich wiederholt Gegenstand der Forschungen gewesen, jedoch scheinen diese, so viel mir bekannt geworden ist, nicht auszureichen. Namentlich sind solche Ziegel in dem Archaeological Journal, published of the Archaeological Institute of Great Britain, Vol. III, 1846, beschrieben und abgebildet, z. B. S. 128 Ziegel von Woodperry bei Oxford, S. 152 Ziegel in der Haccombe=Kirche in Devonshire, S. 277 Ziegel aus der Abtei Neath in Wales. Diese mit Weiß in Roth eingelegten englischen Ziegel scheinen meiner Ansicht nach viel jünger zu sein, als die norwegischen, nämlich aus dem 14. Jahrhundert, zeigen aber doch noch die Technik der alten Ziegel: sie haben ungefähr 5 Zoll im Quadrat und sind ebenfalls durch eingelegte Einfassungslinien in vier gleiche Theile getheilt, von denen jeder ein Bild zeigt, gewöhnlich zwei und zwei gegenüber gleich, häufig Wappen. Der englische Berichterstatter vermuthet ebenfalls, daß die Einfassungslinien zur Richtschnur für die Arbeiter zur etwanigen Theilung vor dem Brennen bestimmt gewesen seien.

Höchst wahrscheinlich haben diese Mosaiken alle dieselbe Quelle in uralter Zeit. Der Herr Regierungsrath von Minutoli zu Liegnitz theilt mir zwei Beispiele mit, welche höchst beachtenswerth sind. "Sie sind auf französischen Boden, und zwar in dem Theile Frankreichs, wo sich der Einfluß der Normannen am meisten geltend machte. Es sind die Kirchenpflaster der Kirche St. Pierre sur Dive und der alten Kathedrale von St. Omer. Jenes Pflaster ist mosaikartig zusammengesetzt und von gelber und schwarzer Farbe. Der Styl ist der des 12. Jahrhunderts; auch stimmt die angegebene Entstehungszeit damit überein: doppelköpfige Adler, Löwen und Lilien bilden den Schmuck. Das zweite Beispiel zu St. Omer besteht ebenfalls aus musivisch gefügten Fliesen. Die Darstellungen bestehen aus allerlei Figuren: Rittern, Geistlichen; auch Centauren kommen vor und Elephanten mit Thürmen, also wieder Entlehnung von Motiven aus dem Orient und dem Alterthum. Und der Grundriß des betreffenden Theils der Kathedrale zeigt entsprechend vollständig den frühgothischen Styl."


1) Die Fabrication dieser Ziegel zu Fußböden ist in neuern Zeiten in England wieder belebt; sie werden jetzt häufig in die Rheinlande ausgeführt.
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Mit allen diesen Beobachtungen stimmen auch die Forschungen des Herrn de Caumont in seinem werthvollen, mit den trefflichsten Holzschnitten ungewöhnlich reich verzierten Werke: Abécédaire ou rudiment d'archéologie, Paris et Caen, I, 1851, II, 1853, überein. Er sagt I, p. 309, daß die Fußböden im 13. Jahrh. häufig gemustert waren, freilich zu derselben Zeit, als in den Kirchen die Leichensteine anfingen sich zu vermehren und die Anordnung großer Muster störten. Er theilt mehrere Muster aus dieser Zeit mit, namentlich den prachtvollen Fußboden aus dem hohen Chor von St. Pierre sur Dive u. a., indem er dabei richtig bemerkt, daß diese verzierten Fußböden in Wechselwirkung zu den gemalten Fenstern standen Eben so treffend bemerkt er (II, p. 164), daß die verzierten Ziegelfußböden in weltlichen Gebäuden im 14. Jahrh. überall in Gebrauch waren, und theilt mehrere Muster mit, welche mit den in England bekannt gewordenen mehr übereinstimmen, namentlich die Pflastersteine aus dem Capitelsaal von Bayeux. Von größerer Wichtigkeit sind einige verzierte Ziegel, welche der Herr de Caumont I, p. 318 darstellt. Er sagt dabei: "Wenn in Frankreich nur noch eine sehr kleine Zahl von verzierten Fußböden übrig geblieben ist, so ist es nicht zweifelhaft daß die Mehrzahl der Kirchenpflaster erneuert worden ist und die Leichensteine in vielen Fällen die Stelle der verzierten Fußböden eingenommen haben; diese wiederum verschwanden, um den armseligen Fußböden unserer Zeit Platz zu machen. - Man besitzt in einem Dorfe nahe bei St. Omer einige andere ähnliche Platten, welche aus Ruinen von Therouane stammen, welche aber unglücklicherweise in einem fast völligen Zustande des Verfalles sich befinden". Er theilt nun 6 dieser Ziegel in Abbildung mit und schreibt sie dem 13. Jahrh. zu. Diese Ziegel von Therouane gleichen von allen bekannt gewordenen am meisten denen von Hovedöe und von Althof; sie haben ebenfalls Einfassungslinien und zeigen ähnliche Bilder und ähnliche Technik: so sind zwei Centauren, allerdings etwas anders gestaltet, dargestellt; der doppelköpfige Vogel gleicht aber ganz dem, welcher auf den Ziegeln von Hovedöe vorkommt. Diese Ziegel von Therouane möchte ich nach der Zeichnung, Technik und Aehnlichkeit mit andern älteren Ziegeln für die ältesten in Frankreich halten und sie noch dem Ende des 12. Jahrh. und normannischem Einflusse zuschreiben.

Mit ganz denselben alten Mosaikziegeln, wie die Kirche zu Hovedöe, ist der Altarraum in der Kapelle zu Althof (und auch in der Kirche zu Doberan) gepflastert. Es liegen hier Ziegel dieser Art ganz von derselben Beschaffenheit an

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Mosaikziegel der Capelle zu Althof
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Material, Größe, Farbe, Glasur und Bildwerk, wie in der Kirche zu Hovedöe.

Die Größenverhältnisse der Ziegel sind freilich an beiden Orten nicht ganz gleich; denn

1) finden sich in Althof und Doberan die Mosaikziegel nur in kleinere Viertheilsplatten von 2 1/4 Zoll im Quadrat zerschnitten und keine aus 4 solchen Platten zusammengesetzte, wie sie in Hovedöe allein vorkommen; aber 4 doberaner Ziegel zusammen haben genau die Größe eines nicht zerschnittenen Ziegels von Hovedöe. Dieso kleinen Ziegel von Althof haben theils rothen, theils dunkel gefärbten Grund; im Uebrigen sind sie aber, namentlich im Bildwerke, denen von Hovedöo ganz gleich. Das Zerschneiden in kleine Platten, welches man deutlich wahrnehmen kann, macht aber keinen wesentlichen Unterschied; das Zerschneiden ist ohne Zweifel deshalb vorgenommen, weil Fliesen von kleinerem Formate haltbarer sind, als große. Die Ziegel waren hier ebenfalls mit weißen Linien regelmäßig eingefaßt, sind aber nicht genau nach denselben zerschnitten, sondern der Schnitt ist bald vor, bald hinter der Einfassungslinie, und oft sehr unregelmäßig.

2) Außerdem liegen in Althof glasurte Mosaikziegel von quadratischer Form und derselben Arbeit, welche an Flächeninhalt grade noch einmal so groß sind, als die kleinen Ziegel, und grade ein Hypotenusen=Quadrat zu zwei gleichen Katheten=Quadraten der kleinen Ziegel bilden; die Seiten dieser größern Ziegel sind 3 1/2 Zoll lang. Diese größern Ziegel scheinen in Hovedöe ganz zu fehlen; sie sind in den Beschreibungen und Abbildungen von Hovedöe nicht erwähnt. Auf meine Anfrage hat der Herr Nicolaysen die Ruinen von Hovedöe noch einmal durchforscht und einen Ziegel "von etwas minderer Größe", als die aus vier figuierten Platten zusammengesetzten Ziegel, gefunden; dieser ist aber ohne Bildwerk und mag vielleicht nicht zu den alten Ziegeln gehören. Diese größeren Ziegel von Althof und Doberan unterscheiden sich von denen zu Hovedöe dadurch, daß sie einen dunklen Grund haben. Der Grund ist nämlich ein angenehmes, dunkles Grün mit eingelegten weißgelben Flecken und kleinen schwarzen Punkten; auf diese Weise ist der Porphyr auf eine ganz vortreffliche, leichte und täuschende Weise nachgeahmt. Es finden sich in Althof und Doberan aber auch viele kleine Ziegel mit Porphyrgrund. Die vortreffliche Nachahmung des Porphyrs durch Glasur schien unmöglich. Einige zerschlagene Steine haben nun gelehrt, daß die ganze Masse porphyrartig gemischt ist, indem man eine dunkelgefärbte Masse mit unregelmäßigen weißen Thon= und Feldspath=

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stückchen durchknetet und dann die Ziegel mit Glasglasur überzogen hat.

Diesen Porphyrgrund haben die meisten der kleinen Ziegel in Althof und Doberan.

Die eingelegten Bilder sind auf vielen Ziegeln in Hovedöe und Althof gleich. Am häufigsten kommen Lindwürmer, Centauren, Löwen etc. . in beiden Kirchen vor. Es finden sich in Althof und Doberan Bilder, z. B. Hirsche, Gänse, Hähne, Pfauen und allerlei Unthier, wie Kamele, denen die Vorderfüße fehlen u. s. w., welche in Hovedöe nicht vorkommen, wenigstens in den Mittheilungen nicht abgebildet sind, und in Hovedöe finden sich Bilder, z. B. doppelköpfige Vögel, Agnus Dei und viele rein architektoniashe Ornamente, welche in Althof und Doberan gar nicht vorkommen. Ein Bruchstück mit einer heraldischen Lilie, wie sie in Hovedöe erscheint, hat sich auch in Althof gefunden.

Dagegen ist die Uebereinstimmung in der Zeichnung der eingelegten Figuren auf den Ziegeln in den Kirchen zu Hovedöe und Althof und Doberan höchst merkwürdig. Diese Uebereinstimmung zeigt sich namentlich in zwei Bildern, deren Ursprung in uralten Zeiten wurzelt; diese sind:

ein Centaur, mit einem runden Schilde in der aufgehobenen linken und einem Schwerte in der ausgestreckten rechten Hand,

und

ein Lindwurm mit Vogelhals und Kopf, zwei erhobenen Flügeln, zwei Vogelfüßen und einem unter die Füße zurückgebogenen Schlangenschwanze.

Diese Figuren 1 ) finden sich nur auf Ziegeln in Althof (nicht in Doberan), und zwar sowohl auf kleinen, rothen Ziegeln von 2 1/4 Zoll im Quadrat, welche mit den kleinen Viertheilsstücken von Hovedöe so identisch sind, daß eine Abbildung derselben ganz unnöthig ist, als auch auf den größern Platten von 3 1/2 Zoll im Quadrat mit Porphyrgrund. Auf den kleinen rothen Ziegeln von Althof ist jedoch der Lindwurm in der Ansicht rechts hin (heraldisch links) gekehrte während die Ziegel von Hovedöe


1) Vgl. die beigegebenen zwei Tafeln in Farbendruck. Es ist beabsichtigt, auf einer dieser Tafeln zwei Mosaikziegel von Hovedöe nach den Abbildungen des Vereins zu Christiania, auf der andern zwei Mosaikziegel von Althof, welche mit jenen in der Zeichnung übereinstimmen, einen Greifen und einen Centauren, in Farbendruck mitzutheilen. Zu den Ziegeln von Althof sind die größeren Ziegel mit Porphyrgrund gewählt, um zugleich eine andere Eigenthümlichkeit zur Anschauung zu bringen. Während des Druckes dieser Abhandlung sind diese Tafeln in Arbeit und es läßt sich noch nicht sagen, ob die Nachbildung des Porphyrgrundes gelingen wird. Sollte diese nicht möglich sein, so wird der Grund der Tafel mit den althöfer Steinen auch ziegelroth gedruckt werden müssen.
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Mosaikziegel der Klosterkirche zu Hovedöe
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den Lindwurm in der Ansicht links hin gekehrt haben. Die Bilder auf den größern althöfer Ziegel sind aber in Stellung und Bildung denen von Hovedöe ganz gleich. In Doberan finden sich außerdem noch kleine Ziegel, welche den Oberleib des Centauren mit Schild und Schwert, aber statt eines Pferdeleibes einen Fischschwanz (auch ohne Vorderbeine) darstellen.

Das Merkwürdige bei dieser Sache ist aber, trotz aller kleinen Abweichungen, die völlige und genaue Uebereinstimmung, welche sich in der ganzen Technik zwischen den Ziegeln von Hovedöe und Althof offenbart. Die ganze Auffassung der Bilder, die Umrisse, die eigenthümliche Darstellung der Schattenlinien, selbst alle Einzelnheiten in den Conturen, in den leisesten Biegungen und Auszackungen, kurz alles ist so identisch, daß es nur eines Blickes bedarf, um sich von der völligen Gleichheit zu überzeugen. Man kann daher nur annehmen, daß dieselben K ue nstler und Arbeiter die glasurten Fußbodenziegel mit eingelegten Bildern von Hovedöe und Althof gemacht haben. Es müssen also entweder die Künstler von Norwegen nach Althof gekommen oder die Ziegel von dort hierher eingef ue hrt sein. Es ist nicht denkbar, daß zu jener Zeit Kunststyl, Bildung, Hülfsmittel und Erfahrung allgemein so herrschend gewesen sein, daß durch sie in so weit entfernten Ländern dieselben Erzeugnisse hervorgebracht werden konnten. Es ist nicht denkbar, daß nur in Folge eines gewissen Kunststyls, selbst wenn er weit verbreitet gewesen wäre, sich dieselben Maaße, dieselben Bilder, dieselbe Technik so genau an so weit von einander entfernten Orten sollten wiederholt haben können. Ja, es ist selbst heute, bei den großartigsten Hülfsmitteln, nicht glaublich, daß ein Kunststyl an verschiedenen Orten identische Erzeugnisse hervorbringen sollte.

Zu jener Zeit, als die Kapelle zu Althof gebauet ward, lag Meklenburg noch im dicken Heidenthume, welches durch die Kreuzzüge Heinriche des Löwen ausgerottet werden sollte. Die heidnischen Wenden machten keine Ziegel, und Ziegelöfen und Töpferöfen waren ihnen ganz unbekannt. Die Kapelle zu Althof war der erste Ziegelbau, welcher in dem Bisthume Schwerin (oder Meklenburg) ausgeführt ward. Daß die erste Ziegelfabrikation sich ohne fremde Hülfe gleich zu der Höhe von sehr ausgezeichneten glasurten Ziegeln mit eingelegter Arbeit sollte emporgeschwungen haben, ist schlechterdings unglaublich und unmöglich.

Es bleibt daher keine andere Annahme übrig, als daß die glasurten Mosaikziegel von Norwegen nach Althof eingeführt oder die Künstler von dort hierher gekommen

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seien. Welche von diesen beiden Annahmen wahrscheinlicher sei, ist wohl schwer zu entscheiden (und am Ende auch ohne Gewicht); jedoch scheint der Thon der Ziegel etwas verschieden zu sein und die Glasur eine andere Färbung zu haben, so daß sich aus dieser Abweichung schließen lassen könnte, es seien die Künstler vom Norden nach Meklenburg gekommen.

Man könnte freilich annehmen, die Mosaikziegel seien von England nach Meklenburg eingeführt worden, da sie zu jener Zeit vielleicht von dort auch nach Norwegen eingeführt sein könnten, indem die norwegischen Klöster von englischen Klöstern gestiftet sind; aber es ist keine Andeutung vorhanden, daß zu jener Zeit irgend eine Verbindung zwischen England und Meklenburg sollte bestanden haben. Dagegen ist es durch glaubwürdige Nachrichten bezeugt, daß Woizlava eine norwegische Königstochter war und die Kapelle zu Althof, das erste Ziegelbauwerk in Meklenburg, gründete, und daher möglich, daß die Ziegel ihren Weg nach Meklenburg von Norwegen nahmen. Von großer Wichtigkeit würde es sein, wenn nachgewiesen werden könnte, daß sich in England noch Mosaikziegel derselben Art befänden, welche älter waren, als die norwegischen. Es ließe sich jedoch auch annehmen, diese Art von Cultur sei von Norwegen eben so nach England gewandert, als nach Meklenburg, da in jenen Zeiten die Technik in Norwegen sehr ausgebildet war.

Daß diese Mosaikziegel aus sehr alter Zeit stammen, wird durch den Umstand bewiesen, daß sie an den heiligsten Stellen uralter Kirchen geschützt und noch in der katholischen Zeit verschüttet wurden. Die Ruinen von Hovedöe haben dort die Ziegel über 300 Jahre eben so geschützt, wie fast eben so lange in Althof ein Backofen, welcher an der Altarstelle über den Ziegeln aufgeführt war.

Sehr alt sind diese Mosaikziegel jedenfalls. Dafür zeugen die Figuren, welche ihren Ursprung in fernen Zeiten des classischen Alterthums und des Orients finden. Namentlich zeugen der Lindwurm und die vielen drachenähnlichen Gestalten für eine Verwandtschaft mit den ältesten Zeiten des Nordens, der Centaur für Erinnerung aus dem classischen Alterthum. Der Centaur findet sich öfter in Bauwerken romanischen und normannischen Styls, z. B. auf den oben erwähnten Ziegeln in der Kathedrale von St. Omer, an den Kapitälern der uralten Holzkirche zu Urnes in Norwegen u. s. w.; an der Iffley=Kirche in England bemerkt man Kämpfe von Centauren, sphinxartigen Thieren, Drachen u. s. w. (vgl. v. Minutoli's Dom zu Drontheim S. 10 b. und 47 b.).

Daß diese Mosaikziegel mit dem Bau der Kapelle zu Althof

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im J. 1164 zusammenfallen, dafür redet der merkwürdige Umstand, daß sie sonst in Meklenburg nicht weiter vorkommen, als dort, wo sich eine Wanderung der Cultur nachweisen läßt, und daß sie in Deutschland nirgend anderswo beobachtet sind, als an einigen Stellen Meklenburgs, wo sich ein Verkehr mit Norwegen nachweisen läßt. Mosaikziegel aller Art, wenn auch nicht mehr sehr zahlreich, finden sich zunächst in Althof. Von hier wanderten sie nach Doberan, wo der ganze Altarraum und einige andere Stellen des Chores damit gepflastert sind; jedoch fehlen hier manche der charakteristischen Bilder. Nach der Zerstörung der Kapelle zu Althof oder Alt=Doberan durch die wieder ins Heidenthum zurückfallenden Wenden nach Pribislav's Tode im J. 1179 und nach der bald darauf erfolgten Wiederherstellung des Christentums ward das Kloster Doberan im J. 1186 von der fürstlichen Domaine Doberan, später Alt=Doberan oder Althof genannt, wo die Kapelle steht, nach dem eine halbe Stunde davon entfernten Dorfe Doberan, dem jetzigen Flecken Doberan, verlegt. Von der damals erbaueten, ersten Kirche ist ein im einfachen Rundbogenstyl aufgeführter Giebel in die Südwestecke der in ihrer jetzigen Gestalt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. stammenden großen Klosterkirche zu Doberan aufgenommen und noch wohl erhalten. Damals, als im J. 1186 der Bau des neuen Klosters begann, müssen entweder noch die nordischen Arbeiter oder ihre Schüler gelebt haben und zum neuen Bau wieder nach Doberan zurückgekehrt sein, wo sie nach alter Weise wirkten, - oder es müssen sich noch so große Vorräthe von alten Mosaikziegeln gefunden haben, daß man den Altarraum der neuen Kirche in Doberan damit pflasterte; denn viele der Mosaikziegel in Doberan und Althof sind ganz gleich. Trotz eines großartigen Umbaues der Kirche zu Doberan im 14. Jahrh., welche damals einen vielseitigen Chorschluß im ausgebildeten Spitzbogenstyl erhielt, sind doch diese Ziegel besonders werth gehalten und wieder auf den Altarraum gelegt, wo sie sich, ungeachtet vieler Restaurationen, bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Aus diesem Beispiel kann man auch wohl folgern, daß auch zu Hovedöe am Ende des 14. Jahrh. die Steine aus der alten Kirche in den damals neu erbaueten Chor versetzt worden seien.

Von großem Interesse für den zur Frage stehenden Gegenstand ist noch eine vor kurzem in der Kirche zu Doberan gemachte Entdeckung. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hatten geruhet, den Baurath Bartning und mich mit dem allergnädigsten Auftrage zu betrauen, zur Herstellung der alten fürstlichen Begräbnißkapelle in der Kirche zu Doberan die nöthigen Einlei=

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tungen zu treffen. Nachdem die gegenwärtige Abhandlung schon zum Druck vollendet war, nahm ich vom 1.-5. Nov. 1853 in der Kirche zu Doberan die nöthigen Vorarbeiten und geschichtlichen Forschungen vor. Nach allen Andeutungen der Urkunden, Chroniken und Monumente mußte das alte fürstliche Begräbniß, wo seit der Erbauung der Kirche bis zur Reformation die meisten meklenburgischen Fürsten begraben sind, in dem nördlichen Kreuzschiffe der Kirche zu finden sein. Und wirklich hat das Ergebniß der Forschung 1 ) die Vermuthung und die zahlreichen Andeutungen bestätigt. Ich bin so glücklich gewesen in der Mitte des nördlichen Kreuzschiffes, unter dem mittlern Gewölbe desselben, die Leiche des Fürsten Pribislav aufzufinden. Sie steht gegen 6 Fuß tief unter dem Fußbodenpflaster der Kirche in einem von Ziegeln aufgemauerten Sarkophage von 8 1/2 Fuß Länge und 2 Fuß Höhe gegen Osten schauend. Der Fürst Pribislav fand am 30. Dec. 1178 bei einem Turniere auf dem Kalkberge bei Lüneburg seinen Tod und ward dort in der Kirche des Michaelisklosters begraben. Nachdem im J. 1186 sein Sohn Borwin das Kloster Doberan wieder hergestellt und von Althof nach dem Dorfe Doberan, wo die Klosterkirche noch jetzt steht, verlegt hatte, begann ohne Zweifel bald der Bau einer großen Kirche, im romanischen oder Rundbogenstyle, von welcher noch in der südwestlichen Ecke der Giebel des Seitenschiffes vorhanden ist und welche sicher denselben Grundplan hatte, wie die noch stehende, im 14. Jahrh. im Spitzbogenstyle umgebauete Kirche, mit Ausnahme des vielseitigen Chorumganges. Diese Rundbogenkirche war gewiß schon im J. 1201 zum Theile fertig, als der Fürst Borwin I. seinen in der Schlacht bei Waschow gefallenen Bruder zuerst in der Kirche beerdigte, und im J. 1218, als der Fürst Borwin das Kloster bestätigte, so weit fertig, daß sie im Ganzen benutzt werden konnte, obgleich sie erst am 3. Oct. 1232 als völlig vollendet eingeweihet ward. Im J. 1219 versetzte Borwin die Leiche seines Vaters aus dem Michaeliskloster bei Lüneburg in die Kirche zu Doberan. Nun zeigte es sich bei der Entdeckung der Leiche Pribislav's, daß unmittelbar an dem aus alten Ziegeln aufgemauerten Sarkophage, an der Außenseite desselben, 5 Fuß tief, 25 Mosaikziegel von dem kleinsten Format lagen, welche offenbar bei der Einsenkung der Leiche Pribislav's von dem Fußboden der Kapelle ausgebrochen und in die Tiefe bis an die Seitenwand des Sarkophages hinabgeglitten waren. Sie waren sehr wenig abgetreten und stellen=


1) Eine genauere Ausführung dieser merkwürdigen Entdeckung wird weiter unten mitgetheilt werden.
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weise noch glänzend von der dafür in den vertieften Stellen, so daß sie noch nicht lange gelegen haben können, als sie hinabglitten. Es waren mehrfach 2, 3, ja 4 neben einander zusammenhangend in Kalk gelegt, also noch abgetretene Stücke des alten Fußbodens. Die gefundenen Ziegel hatten dieselben Muster, wie diejenigen, mit denen noch die Altarstätte der doberaner Kirche gepflastert ist. Es geht hieraus mit Sicherheit hervor, daß auch die Fürstenkapelle in der Kirche zu Doberan schon im J. 1219 mit den Mosaikziegeln gepflastert war. Man kann also mit Zuverlässigkeit annehmen, daß die wichtigern Stellen der ersten Kirche zu Doberan im Anfange des 13. Jahrhunderts nach dem Muster der Kapelle zu Althof mit den Mosaikziegeln gepflastert wurden. - Andere Entdeckungen 1 ) für den Bau der Kirche oder den in Frage stehenden Gegenstand wurden nicht gemacht.

Ohne Zweifel hatten diese Ziegel eine besondere Bedeutung. Es sind die Altarräume damit gepflastert. Vielleicht haben diese Ziegel Beziehung zu dem Abendmahle, da Christus zu den Jüngern, die das Abendmahl vorbereiten sollten, sagte: "Und er wird euch einen großen gepflasterten Saal zeigen, daselbst bereitet es". (Marc. 14, 15; Luc. 22, 12.) Es könnte diese Pflasterung mit den Mosaikziegeln hierauf Beziehung haben. Zwar steht im griechischen Texte άνάγαιον έστρωμένον (= coenaculum lectis stratum, tnclinium stratum), und es ist στρώσαι = sternere, mit Polstern und Teppichen ausrüsten, und nicht "pflastern", wie Luther übersetzt. Aber es steht zur Frage, wie im 12. Jahrh. diese Stelle verstanden ward. Ich bin augenblicklich zu solchen Forschungen nicht mit Quellenschriften gerüstet und will hier nur anregen. - Daß man allerlei heidnische Bilder und Unthiere, wie dei der Verzierung der Kapitäler der Kirchen, wählte, hat vielleicht darin seinen Grund, daß man heidnische Darstellungen zur Bekleidung des Fußbodens, den man mit den Füßen trat, 2 ) passend fand, und zwar zu einer Zeit, wo man seit den Kreuzzügen mit antiken und orientalischen Bildnereien wieder bekannt ward. Es ist bekanntlich viel über die sonderbaren und heidnischen Thier= und andern Gestalten,


1) Die 5 Zoll langen starken Sargnägel von dem Sarge Pribislav's waren mit Kalk überweißt und an den Stellen, wo sie geweißt waren, nicht gerostet.
2) Nicht lange vorher, als die Fußböden in Hovedöe, Althof und Doberan gelegt waren, hatte sich der Cistercienser Bernhard von Clairvaux gegen die Verzierung der Fußböden mit Heiligenbildern, ja gegen die Verzierung der Fußböden überhaupt, ausgesprochen, wie überhaupt der Cistercienser=Orden reichen Bilderschmuck verschmähete: man solle nicht mit heiligen Bildern schmücken, was man mit den Füßen trete, und das nicht zieren, was zum Beschmutzen bestimmt sei. Vgl. Otte Handbuch der kirchlichen Kunst=Archäologie des deutschen Mittelalters, dritte Aufl., Leipzig, 1854, S. 23.
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welche häufig in den alten Kirchen zu sehen sind, geschrieben, da das Streben, sie zu deuten, nahe liegt. Es mag am gerathensten sein, den Mittelweg zu wählen und die Bildungen zum Theil für christliche Symbolik (wie die Löwen, Hirsche etc. .) und bildliche Darstellung der Moral (wie z. B. der Tugenden und Laster durch Thiergestalten), zum Theil aber für Phantasiegebilde der Baukünstler zu halten, welche Bilder von nicht christlichen, niedrigstehenden Geschöpfen zum Tragen, also zu Kapitälern, Fußböden etc. ., wählten; es kommen doch häufig Dinge vor, welche durchaus keine christliche Deutung zulassen. Der Herr Dompropst v. Allioli zu Augsburg geht daher in seiner Abhandlung über die Bronze=Thür des Domes zu Augsburg in dem Neunzehnten Jahresberichte des historischen Vereins für Schwaben zu Augsburg, 1853, S. 6 flgd. wohl zu weit, wenn er meint: "Wenn das Heidenthum dem Christen in einem mildern Lichte erscheint, dann giebt es Anknüpfungspunkte zwischen Heidnischem und Christlichem, und ihre Verbindung wird erklärlich. Es kann angenommen werden, daß bei den Heiden schon vermöge ihres natürlichen, nicht ganz erloschenen Lichtes manches wahrhaft Göttliche und darum Christliche (!) im Wissen, wie im Leben, in der Moral, wie in der Gottesverehrung zum Durchbruche gekommen ist. Die ältesten Väter sprechen sich zwar bestimmt über die Verderbtheit des Heidenthums in Lehre und Sitte aus, aber diese Väter verkennen dennoch nicht, daß sich auch Wahrheit in dem Heidenthum finde, daß diese Wahrheit von dem Logos herrühre, welcher im Christenthume ganz erkannt werde, und daß das Heidenthum in dieser Hinsicht Christenthum (!) sei. Die ältesten Christen haben also das Heidenthum nicht als etwas durchaus Verwerfliches, sondern als etwas selbst christlichen Sinn Bergendes angesehen. Es ist darum auch gar nicht zu verwundern, wenn die heidnische Symbolik, soweit sie christlichen Gehalt hatte, auch in die christliche Plastik eindrang".

Zu dieser Ansicht mag man wohl gelangen, wenn man die Bilder auf der Bronzethür des Domes zu Augsburg erklären will, was übrigens nicht ganz gelungen zu sein scheint; sie kann aber nicht leitend sin für die vielen Bildungen ähnlicher Art. Freilich ist dies Ansicht vorzüglich gegen Kugler ausgesprochen, welcher die Sache von der andern Seite zu leicht zu nehmen scheint und nur "decorirend spielende Sinnbildnerei, 1 ) abenteuerliche Phantasieen roher Künstler und Verunstaltungen der De=


1) Vgl. Kugler's Kleine Schriften zur Kunstgeschichte, Stuttgart, 1853.
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coration" 1 ) in diesen Bildern erkennen will. Aber auch von Allioli geht nicht tief in die Sache ein, die er allein behandelt. So erklärt er das Bild des Centauren, welches auch auf der augsburger Bronze=Thür vorkommt, S. 25 flgd. also: "Nach der christlichen Lehre ist der gefallene Mensch ein Thiermensch, der in seinen obern Kräften das Gute erkennt und will, nach unten aber zum Bösen gezogen wird und ein Thier ist. Durch die erlösende Kraft wird er bestimmt, in der Macht des Geistes das Thier zu überwinden und nicht nur sich selbst, d. i. den thierischen Theil, sondern auch alle Versuchungen von außen, die das Thier unterstützen. Der Centaur stellt also den Zustand des erlöseten Menschen vor" (!). - Eine historische Untersuchung über die Zeit des Vorkommens dieser Bilder würde ersprießlicher gewesen sein.

Weiter ist keine spur von diesen eingelegten oder Mosaikziegeln von der beschriebenen Beschaffenheit entdeckt. Jedoch hat in jüngern Zeiten das Beispiel an einigen Orten Nachahmung, wenn auch in anderer Weise, gefunden. Man findet nämlich größere Ziegel, in welche Bilder in schwachem Relief auf vertieftem Grunde eingedrückt sind, der Arbeit der Leichensteine nachgeahmt. Solche Steine finden sich in der Kirche des Cistercienser=Mönchsklosters Dargun in Meklenburg. Das Kloster Dargun ward im J. 1172 gestiftet und vorzüglich von Mönchen aus dem Kloster Doberan bevölkert; jedoch hatte auch das dänische Kloster Esrom Theil an der Stiftung, und daher machte der Abt dieses Klosters Ansprüche an die Paternität über Dargun, welche ihm jedoch im J. 1258 von dem General=Capitel des Ordens abgesprochen und dem Kloster Doberan zugesprochen ward (vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 115, vgl. S. 3, 10, 12, 24 etc. .). Die Kirche ward ebenfalls im 14. Jahrh. umgebauet. In dem Pflaster der Kirche zu Dargun liegen noch ungefähr 50 solcher Reliefziegel von 9 Zoll im Quadrat, in welche Reliefs von 5 Zoll im Quadrat eingedrückt sind; diese stellen theils ein schreitendes Thier, theils eine gothische Verzierung im Style des 14. Jahrh. dar.

Aehnliche Ziegel finden sich auch in einigen Kirchen Nordfrankreichs (vgl. de Caumont I, p. 315). In der Kirche zu Doberan finden sich auf dem Grabe des Fürsten Heinrich des Löwen von Meklenburg († 1329) und auf den Fürstengräbern in der fürstlichen Begräbnißkapelle sehr große Wappenziegel, von 15 Zoll Fläche im Quadrat und 4 Zoll Dicke, in welche der Stierkopf in schwachem Relief mit vertieftem Grunde eingedrückt


1) Vgl. Kugler's Kleine Schriften zur Kunstgeschichte, S. 195.
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ist; die Ziegel sind schwarz glasurt, der vertiefte Grund ist mit weißem Kalk ausgefüllt gewesen, so daß sich der Stierkopf von der weißen Fläche und dem rothen Rande schars abgehoben hat. Ja es giebt ganze Figuren, welche aus solchen Reliefziegeln zusammengesetzt sind. In der Abtei zu Fontenay bei Caen findet sich die Figur eines Ritters, welche aus gebrannten Ziegeln von 8 Zoll im Quadrat zusammengesetzt ist (vgl. de Caumont I, p. 315). Auch in der Kirche zu Dargun befindet sich, in einem Pfeiler eingemauert, ein Marienbild, welches aus Reliefziegeln zusammengesetzt ist.

Eben so haben sich in der alten Kirche des Fleckens Klütz an der Ostsee im westlichen Meklenburg Reliefziegel gefunden. Als bei der Restauration der Kirche der Taufstein gehoben ward, fand man den Fußboden mit Reliefziegeln von 9 Zoll im Quadrat belegt; sie hatten in vertieftem Grunde schwache Reliefs von Verzierungen von architectonischen Ornamenten und waren grünlich glasurt.

Dies sind einige Beispiele von der Fortpflanzung einer gewissen Cultur in Meklenburg, aber auch alle, so viel ich weiß. Andere Spuren von der directen Verbindung mit dem Norden werden sich bei näherer Aufmerksamkeit vielleicht noch finden. so wird der ausgezeichnet schöne Taufstein romanischen Styls aus nordischem Kalkstein in der Kirche zu Proseken 1 ) bei Wismar in Skandinavien gemeißelt sein.


Der Baustyl der Kapelle zu Althof.

Aber nicht allein die Mosaikziegel sind es, welche auf einen directen Verkehr mit Norwegen in den ältesten Zeiten deuten, - auch der Baustyl der Kapelle selbst weiset auf einen solchen Verkehr hin. So einfach auch der Styl der Kapelle ist, so ganz ungewöhnlich erscheint er doch, wenn man ihn ruhig betrachtet. Die Kapelle bildet ein Oblongum ohne Seitenschiffe und hat ursprünglich ohne Zweifel einen halbkreisförmigen Chorschluß im Osten gehabt. Im Westen steht die Hauptgiebelwand mit der


1) Es giebt in Meklenburg noch sehr viele alte, große Taufsteine ("Fünten") aus der ersten Zeit des Christenthums. Fast alle sind aus dem einheimischen Granit, sehr kräftig, oft roh verziert. Es giebt nur sehr wenig alte, künstlerisch verzierte "Fünten" aus Kalkstein, und diese sind häufig so schön und eigenthümlich verziert, daß man es ihnen gleich ansieht, sie seien in einem Lande gemacht, wo der Werksteinbau zu großer Ausbildung gelangt war. So liegt z. B. an der neustädter Kirche zu Röbel die Schale eines alten Taufsteins mit einer vortrefflichen Einfassung von Weinlaub.
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einzigen Pforte, zwei kleinen Fenstern hoch über derselben zu beiden Seiten und einer Rose in dem dreiseitigen Giebel; in der rechten südwestlichen Ecke dieses Giebels, rechts an der Pforte, steht ein schlanker, achteckiger Thurm. Diese Eigenthümlichkeit findet sich an keinem andern kirchlichen Gebäude 1 ) in ganz Meklenburg und ist gewiß überhaupt höchst selten. Dieser Styl

Kapelle zu Althof

scheint ebenfalls normannischen Ursprunges zu sein. So ist in dem Jahresberichte des Vereins zu Christiania von 1848, Christiania 1849, der Grundriß der Ruinen der alten Kapelle von Huseby abgebildet, welche dem Grundrisse der Kapelle von Althof sehr ähnlich ist, mit Ausnahme des Chorschlusses, welcher zu Huseby noch halbkreisförmig, in Althof im 15. Jahrh. aber


1) Die Kirchen Meklenburgs haben nach den verschiedenen Bauperioden alle einen bestimmten Charakter. Am meisten verbreitet ist der Uebergangsstyl; Kirchen aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. sind selten. In Rostock, Wismar, Schwerin, Doberan, Dargun, Bützow u. s. w. herrscht der ausbebildete Spitzbogenstyl des 14. Jahrh. Kirchen aus dem 15. Jahrh. sind nicht sehr häufig; jedoch finden sich häufig Anbauten und Erweiterungen aus diesem Jahrhundert.
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zu einem Dreiseit umgebauet ist. Dieser Styl scheint aber einen noch entferntem Ursprung zu haben. In einem englischen Werke: The ecclesiastical Architecture of Ireland, anterior to the Anglo-Norman Invasion, comprising an Essay on the origin and uses of the round towvers of Ireland, by George Petrie, Dublin, 1845, welches im Archaeological Journal of the archaeological Institute of Great Britain, Vol. III, 1846, p. 166 sq. angezeigt ist, ist nachgewiesen, daß die in Irland öfter vorkommenden, alten, runden Thürme von 50 bis 150 Fuß Höhe und 40 bis 60 Fuß Umfang in der Basis christliche Bauwerke sind. Sie wurden nie ohne Zusammenhang mit alten kirchlichen Stiftungen aufgeführt und dienten zugleich als Glocken= und Befestigungsthürme vor der Eroberung Englands durch die Normannen. Im Archaeol. Journal p. 170 ist Finend Church at Clonmacnoise abgebildet, der Westgiebel einer romanischen Kirche mit einem Thurme in der rechten Ecke, welcher in der Construction ganz dem Giebel der Kapelle von Althof gleich ist, nur daß der irische Thurm höher ist als der althöfer. In demselben Journal S. 388 ist Darent Church, in der Grafschaft Kent, aus der normännischen Periode, abgebildet, welche denselben Giebel, mit zwei hohen, kleinen Fenstern und einer Rose, hat, wie die Kapelle zu Althof, jedoch keinen Thurm.

Zu diesen directen Beweisen für den nordischen Einfluß auf Meklenburg kommt noch eine andere Andeutung, welche höchst bedeutend ist. Meklenburg besitzt einen außerordentlichen Reichthum von schönen Kirchen im Ziegelbau, welche aus der Zeit des Ueberganges vom Rundbogenstyle zum Spitzbogenstyle stammen. Diese Erscheinung hängt ganz natürlich mit der historischen Thatsache zusammen, daß grade in dieser Zeit (1220 bis 1240) das Christenthum in Meklenburg seine Befestigung erhielt und die meisten Kirchen gebauet wurden. Aber die wichtige Frage ist, woher der Styl dieser Kirchen nach Meklenburg kam. Die Antwort scheint ganz einfach die zu sein, daß er aus dem Westen, aus dem Erzbisthume Bremen, gekommen sei, zu welchem Meklenburg gehörte. Doberan ward von Mönchen aus dem Kloster Amelungsborn bevölkert, das Collegiatstift Güstrow ward nach dem Muster der Kirche zu Hildesheim eingerichtet u. s. w. Aber es scheint auch nordischer Einfluß geherrscht zu haben. A. v. Minutoli hat vor kurzem in seinem großen Werke: Der Dom zu Drontheim und die mittelalterliche christliche Baukunst der scandinavischen Normannen, Berlin, 1853, die Ansicht ausgesprochen, daß der alte Spitzbogenstyl oder der Uebergangsstyl, wie er gewöhnlich genannt wird, eine Erfindung der skandinavischen Normannen, zuerst in dem Dome

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zu Drontheim, dem größten Kunstwerke seiner Zeit, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Anwendung gekommen und von Norwegen in die deutschen Küstenländer, namentlich in das Erzthum Bremen, verpflanzt sei; er hält den Styl, den er den normannischen nennt, für ein Product, welches aus der Vermischung und Anwendung arabischer, griechischer und normannischer Elemente erwachsen sei. Er hat die Ansicht, daß die Kirchen zwischen Weser und Oder unter dem Einflusse des normannischen Styles stehen, namentlich von Bremen und Magdeburg aus, wenn sich auch nicht leugnen lasse, daß eine Einwirkung von anderer Seite her, Von der Normandie, unverkennbar sei, namentlich seit der weiteren Entfaltung des Spitzbogenstyls. Diese wohl nicht ganz unbegründete Ansicht so neu und überraschend sie auch ist, hat gewiß viel für sich, wenn sich auch die wegwerfende Kritik Lübke's in dem Berliner Kunstblatt, 1853, Nr. 26 und 27, sehr hart dagegen ausspricht. Wie es den Begründern aller neuen Ansichten zu gehen pflegt, mag auch Minutoli, von der Erhabenheit seines Stoffes hingerissen, in manchen Stücken etwas zu weit gegangen sein; nichts desto weniger scheint der Kern seiner Forschungen kräftig und gesund zu sein. Mag auch die erste Entwickelung des Spitzbogenstyls vom Westen her bedeutend befördert sein, so wird man doch nordischen Einfluß auf Norddeutschland nicht zurückweisen können, zumal in einer Zeit, wo der Verkehr von ganz Norddeutschland mit dem Norden viel größer war, als mit dem Westen, und als man zu glauben gewohnt ist.

Die unleugbare Verpflanzung nordischer Mosaikziegel und wahrscheinlich selbst des Baustyls von Norwegen nach Doberan giebt einen Beweis für die directe Verbindung mit den skandinavischen Normannen zu einer Zeit, wo der Dom zu Drontheim erbauet ward. Und die wiederholte Anwendung dieser Ziegel bei dem Neubau von Doberan im J. 1186 scheint dafür zu reden, daß damals noch normannische Arbeiter in Meklenburg unausgesetzt thätig waren. so läßt sich die Wanderung der ersten Kunst= und Handwerksbildung in das Bisthum Schwerin (und den meklenburgischen Theil des Bisthums Camin) aus Norwegen her ziemlich klar verfolgen, während man wohl annehmen muß, daß der älteste Baustyl im Bisthume Ratzeburg aus dem Braunschweigischen stammt und von dort durch Heinrich den Löwen eingeführt ist, da der Dom zu Ratzeburg "eine mit den für den Ziegelbau nothwendigen Abänderungen versehene, fast wörtliche Kopie des St. Blasien=Doms zu Braunschweig" ist (vgl. v. Quast zur Charakteristik des älteren Ziegelbaues etc. ., Berlin, 1850, S. 18).

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Zu der Annahme der Wanderung des nordischen Kunststyls stimmen denn auch die folgenden chronologischen Uebersichten genau und auf merkwürdige Weise:

1125.   Cistercienser=Klöster zu Fountain und Kirkestad in England.
1147. Cistercienser=Kloster zu Hovedöe in Norwegen.
1164.   Vermählung der norwegischen Königstochter Woizlava mit dem Fürsten Pribislav von Meklenburg.
1164. Stiftung der Kapelle zu Althof durch Woizlava.
1170. Stiftung des Cistercienser=Klosters Doberan zu Althof oder Alt=Doberan.
1172. Begräbniß der Fürstin Woizlava in der Kapelle zu Althof.
1179. Verwüstung der Kapelle zu Althof und des Klosters durch die wieder abfallenden Wenden.
1186. Wiederherstellung des Gotteshauses zu Althof und Verlegung des Klosters nach dem Dorfe Doberan.
1522. Verwilderung der Kapelle zu Althof bis 1822.
1532. Zerstörung des Klosters Hovedöe.
1823. Wiederherstellung der Kapelle zu Althof.
1846. Aufräumung der Ruinen des Klosters Hovedöe.

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Herkunft der Fürstin Woizlava.

Aus der dargelegten unleugbaren Verpflanzung der Mosaikziegel aus Norwegen nach Meklenburg in einer so fernen Zeit, als noch vom Ziegelbau im Bisthume Schwerin kaum die Rede war, läßt sich nun umgekehrt der wichtige Schluß ziehen, daß, wie die Chronik des Ernst von Kirchberg vom J. 1378 berichtet,

die Fürstin Woizlava, die Gemahlin des Fürsten Pribislav von Meklenburg, wirklich eine K oe nigstochter von Norwegen gewesen sei,

da gewiß eine so wichtige Veranlassung, wie die Vermählung Pribislav's mit einer norwegischen Fürstentochter, voraufgehen mußte, um so merkwürdige Baudenkmäler zu schaffen. Wenn auch die Aeltern der Woizlava 1 ) wahrscheinlich immer unbekannt bleiben werden, so reden doch die Ziegel an dem Grabe der Woizlava und ihres Gemahls deutlicher, als Chroniken, daß hier bei der Gründung des ersten christlichen Gotteshauses normannischer Einfluß gewaltet habe.

Vignette

1) Ueber die Herkunft und den Namen der Woizlava ist in Jahrb. II, S. 12, alles beigebracht, was zu erforschen und zu vermuthen möglich war.
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IV.

Kritische Geschichte

der

sogenannten Prillwitzer Idole

von

F. Boll.


D ie auf der großherzoglichen Bibliothek zu Neustrelitz aufbewahrten, angeblich zu Prillwitz ausgegrabenen Idole haben bis jetzt noch nicht aufgehört, das Interesse der Alterthumsforscher auf sich zu ziehen. So entschieden von einer Seite ihre Unächtheit behauptet wird, so entschieden ist auch noch in neuester Zeit durch den zu Anfang des J. 1852 zu Wien verstorbenen Professor Johann Kollàr ihre Aechtheit vertheidigt worden. Bekanntlich war es der im J. 1836 verstorbene berliner Professor Konrad Levezow, welcher in einer im J. 1834 in der berliner Akademie vorgetragenen Abhandlung 1 ) zuerst ein motivirtes Verdammungsurtheil über die Pillwitzer Idole öffentlich aussprach. Außer den innern Gründen, welche Levezow für seine Verurtheilung geltend macht, findet er auch die Entdeckungsgeschichte der fraglichen Idole selbst in mehrfacher Hinsicht verdächtig, und hat deshalb diesen Gegenstand ausführlicher erörtert. Jedoch ist dieser Theil seiner Untersuchung weniger erschöpfend ausgefallen, ja manche Irrthümer sind dabei mit untergelaufen, theils weil Levezow nicht das ganze zu dieser Untersuchung nöthige Material zu Gebote stand, theils weil ihm die genauere


1) "Ueber die Aechtheit der sogen. Obotritischen Runendenkmäler zu Neustrelitz. Eine antiquarische Abhandlung, gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 23. Januar und 24. Julius 183 von Konrad Levezow." Berlin 1835.
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Kenntniß der betreffenden Personalien mangelte. Dem Unterzeichneten sind sowohl von Seiten unsers Vereins für meklenburg. Geschichte und Alterthumskunde, in dessen Besitz die von Levezow über die fragliche Angelegenheit gesammelten Actenstücke übergegangen, dieselben, als auch von der großherzoglichen Bibliothek zu Neustrelitz die dort über diese Angelegenheit vorhandenen Actenstücke zur Benutzung anvertraut worden, und da er sie für vollständig genug hielt, um nach denselben eine kritische Geschichte der Prillwitzer Idole zu liefern, so hat er sich dieser Arbeit, zwecks einer Veröffentlichung in unsern Jahrbüchern, gern unterzogen. Die Resultate seiner Untersuchung hat er bereits im Januarhefte des "Archivs für Landeskunde in den Großherzogthümern Mecklenburg" vom J. 1853 dem Publicum vorläufig mitgetheilt.


Einleitendes.

Um den Anfang des J. 1768 kamen die ersten Stücke der Prillwitzer Idole hier in Neubrandenburg zum Vorschein. Es ist zunächst für unsere Untersuchung nicht unwichtig, diejenigen Gelehrten kennen zu lernen, welche sich beeiferten, diese Entdeckung zur Kenntniß des Publicums zu bringen, so wie den wissenschaftlichen Boden zu untersuchen, auf den diese Entdeckung fiel.

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Johann Gottlieb Pistorius war im J. 1708 zu Friedland geboren, woselbst sein Vater Prediger war. Er studirte die Rechte und wurde später Landsyndicus des stargardischen Kreises, und hatte als solcher seinen Wohnsitz in der Vorderstadt desselben, zu Neubrandenburg. Er war nicht nur ein Liebhaber der Vaterländischen Geschichte und besaß eine reichhaltige Sammlung älterer meklenburgischer Münzen und in die vaterländische Geschichte einschlagender Werke, sondern sammelte auch eifrig Materialien zu einer allgemeinen meklenburgischen Adelshistorie. Seine Berufsreisen nach Rostock hatten hier eine Verbindung mit dem Sohne des Syndicus der meklenburgischen Ritter= und Landschaft J. F. Taddel, dem Licentiaten Heinrich Friedrich Taddel (geb. zu Rostock 1736, gest. daselbst 1782), herbeigeführt, welcher damals die zu Rostock erscheinenden "erneuerten Berichte von gelehrten Sachen" redigirte. In dieser Zeitschrift forderte Taddel (unter dem 29. Octoder 1767) zur Subscription auf das erste, bereits unter der Presse befindliche Stück der

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meklenburg. Adelshistorie von Pistorius auf, welches die Geschichte der von Warburgschen Familie enthalten sollte; wahrscheinlich in der ersten Hälfte des folgenden (1768) Jahres erschien dasselbe, die Fortsetzung des Werkes unterblieb, weil es wohl keine besondere Theilnahme fand. Pistorius starb im J. 1780; seine Münzsammlung und seine Bibliothek wurden in öffentlicher Auction verstreut.

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Gottlob Burchard Genzmer war der Sohn eines Predigers, geb. im J. 1716 zu Hohen=Lübbichau in der Neumark. Als er zu Berlin das Gymnasium des grauen Klosters besuchte, schloß er hier schon Freundschaft mit Samuel Buchholtz, dem bekannten Geschichtschreiber der Kurmark Brandenburg, welcher im J. 1717 zu Pritzwalk geboren und ebenfalls der Sohn eines Predigers war. Beide studirten dann zu Halle, und Genzmer ward zuerst (1740) als Conrector zu Havelberg, Buchholtz im J. 1744 als Conrector zu Werben angestellt, und unterhielten beide fortwährend einen regen wissenschaftlichen Verkehr. Ein Bruder Buchholtzens war Cantor in Havelberg, und wenn im Winter die Elbe zugefroren war, wanderte dieser mit Genzmer hinüber zu Buchholtz nach Werben, und alle drei begaben sich dann nach Seehausen zu Winkelmann, welcher damals hier Conrector war und später als Kunstkritiker sich einen europäischen Ruf erwarb. Mit diesem blieb Genzmer auch späterhin in beständiger Verbindung, und Winkelmanns vertrauteste Briefe sind an ihn gerichtet. - Genzmer schied zuerst aus dem altmärkischen Freundeskreise; er ging nach Mirow als Erzieher der Kinder des Prinzen Carl Ludwig, dessen ältester Sohn Adolf Friedrich der muthmaßliche Erbe seines Oheims, des kinderlosen Herzogs Adolf Friedrich III. von Strelitz, war. Von hier aus veranlaßte Genzmer seinen Freund Buchholtz, der sich vorzugsweise auf das historische Fach gelegt hatte, eine kürzere, aber vollständige Geschichte von Meklenburg zu schreiben, welche geeignet wäre, beim Unterrichte zu Grunde gelegt zu werden, und versah ihn zu dem Zwecke mit den nöthigen Materialien. Dieses Werk: "Versuch in der Geschichte des Herzogthums Meklenburg", erschien im J. 1753 zu Rostock im Druck, in demselben Jahre, in welchem auch die ersten Bände von David Francks bekanntem alten und neuen Meklenburg ans Licht traten. Schon im Jahre zuvor, 1752, war Genzmers Zögling als Adolf Friedrich IV. seinem Oheime in der Regierung gefolgt und Genzmer ward im J. 1756 für seine Dienste mit der Präpositur zu Stargard belohnt. Auch Buchholtz kam bald ihm näher, indem er im J. 1759 Oberpfarrer zu Lichen ward; hier begann er im J. 1765 die Herausgabe seiner bekannten Ge=

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schichte der Kurmark Brandenburg und trat in wissenschaftlichen Verkehr mit Pistorius, dem er Urkunden zu seiner meklenburg. Adelshistorie mittheilte. Genzmer schrieb keine größeren Werke, schriftstellerte aber fleißig in Journalen, besonders im Fache der Naturwissenschaften, die er mit großem Eifer trieb; ausgezeichnet für jene Zeiten war seine Sammlung von Folien. Beide Freunde erreichten kein hohes Alter: Genzmer starb schon am 20. April 1771, und Buchholtz zu Kremmen, wohin er im J. 1768 auf des großen Friedrichs Befehl befördert war, am 29. April 1774. Der gelehrte Briefwechsel, den beide geführt und der unter dem Titel: "Kritische Briefe aus den Gegenden am Belt" zur Herausgabe bestimmt war, ist ungedruckt geblieben. (Heynatz in der Vorrede zum 5. Bande der Buchholtzschen Geschichte S. 21.)

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Andreas Gottlieb Masch war im J. 1724 zu Beseritz geboren, woselbst sein Vater Prediger war. Er studirte zuerst (1744) zu Rostock und dann (seit 1746) noch vier Jahre lang zu Halle, und bildete sich hier, unter Leitung des berühmten Theologen Baumgarten, zu einem fruchtbaren theologischen Schriftsteller. Im J. 1752 war er seinem Vater adjungirt worden, wurde aber schon 1756 zum Stadtprediger und Consistorialrathe nach Neustrelitz berufen und hier 1761 zum Hofprediger und 1765 endlich zum Superintendenten des Großherzogthums befördert. Er erlebte am 24. Januar 1802 sein Amtsjubiläum, und starb erst, bis wenige Tage vor seinem Hinscheiden noch wissenschaftlich thätig, am 26. October 1807.

In wie regem wissenschaftlichen Verkehre diese Gelehrten grade um die Zeit, als die Entdeckung der Prillwitzer Idole erfolgte, mit einander standen, lernen wir aus den Briefen des Engländers Thomas Nugent kennen, der in den letzten Monaten des J. 1766 Meklenburg bereiste und einige Zeit am strelitzer Hofe sich aufhielt. 2 ) In Neubrandenburg suchte er sogleich Pistorius auf, an den er schon Empfehlungen von Rostock mitbrachte, und verweilte einige Tage hier, um die Stadt, ihre Umgebungen, ihre Einrichtungen und Geschichte durch Pistorius genauer kennen zu lernen. In Neustrelitz lernte er zunächst den dort zufällig anwesenden Präpositus Genzmer kennen, und dieser


2) Die jüngste Schwester Herzog Adolf Friedrichs IV., Sophie Charlotte, war seit 1761 mit König Georg III. von England vermählt, und so hatte Meklenburg einiges Interesse bei den Engländern gewonnen. Der Literat Dr. Thomas Nugent gab im J. 1766 den ersten Band einer history of Vandalia heraus, und kam nach Mekleburg, um Dedicationsexemplare dieses Werkes an den Höfen zu Schwerin und Strelitz zu überreichen. Er beschrieb seine Reise durch Meklenburg sehr ausführlich in Briefen, die zwei Bände füllend im J. 1768 im Druck erschienen. Eine deutsche Uebersetzung derselben (mit Anmerkungen) lieferte im J. 1781 F. Ch. L. Karsten, der Zeiten Lehrer am herzoglichen Pädagogium zu Bützow.
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introducirte ihn bei dem Superintendenten Masch, mit dem er während seines längeren Aufenthaltes zu Neustrelitz vorzugsweise in Verkehr blieb. Mit Masch machte er einen Besuch bei Genzmer in Stargard, um dessen Sammlungen in Augenschein zu nehmen, und Pistorius gab ihm ein Rendez=vous in Altstrelitz, wohin ihn Masch begleitete; hier ward auch eine Zusammenkunft mit Buchholtz verabredet, welche Pistorius zu vermitteln versprach; diese fand später bei einem Bruder Buchholtzens, der Rector der Schule zu Altstrelitz war, in Maschens und Pistorius Gegenwart statt.

Von besonderem Interesse für unsere Untersuchung ist es auch, aus Nugents Briefen zu erfahren, wie beliebt damals bei den Gelehrten unsers Landes die Meinung war, daß die berühmte Wendenstadt Rhetra auf der Stelle von Prillwitz an der kleinen Tollense oder Lieps gelegen habe. Nachdem schon eine Menge höchst abweichender Vermuthungen über die Lage von Rhetra aufgestellt waren, hatte sich der Rector der neubrandenburger lateinischen Schule Bernhard Latomus (Steinmetz) zuerst in seinem Genealochronikon (1611) für die Lage bei Prillwitz ausgesprochen und behauptet: die Hügel von Prillwitz wären früher von Wasser umflossen gewesen, indem die Tollense einen weit höheren Wasserstand gehabt, so daß das Thal, in welchem jetzt Neubrandenburg liege, ganz unter Wasser gestanden und der See sich bis nach Friedland hin erstreckt habe. Allein diese Hypothese des Latomus war, weil sein Werk ungedruckt blieb, für's erste nicht weiter bekannt geworden, bis sie zuerst Aepinus in seiner Schrift von der meklenburger Bekehrung (1708) erwähnte, und später 1738 der verbesserte Klüver (2, 328) und 1739 Schröder in seinem Papistischen Meklenburg die betreffende Stelle aus der Handschrift des Latomus mittheilten, und endlich das Genealochronikon 1745 im vierten Bande der monumenta inedita des Kanzlers von Westphalen vollständig abgedruckt ward. Buchholtz ließ 1753 in seiner Geschichte von Meklenburg die Lage von Rhetre (so schreibt er) unentschieden; er führt nur an, daß man es sowohl bei Röbel, als bei Stargard, und auch bei Neubrandenburg, "nicht weit von dar am Tollensee" suche (S. 14, 16, 17). Auch Frank führt in demselben Jahre die verschiedenen Meinungen über die Lage von Rethre (so schreibt er) auf und schließt (2, 96): "Latomus suchet diese verlorene Stadt endlich an dem Ort, wo jetzo Prillwitz, so dem Herren von Bredow gehöret, nicht weit von Neubrandenburg, und meinet, der große See sei nachher abgelassen, und die Stadt Neubrandenburg auf den Platz desselben gebaut. Es giebet hiezu eine starke Muthmaßung, daß die ganze Ebene, worauf Neubrandenburg mit ihren Hopfen=Gärten und Korn=

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Feldern lieget, nicht anders anzusehen, als ein abgelassener See, indem rund umher Anhöhen, als Ufer, erscheinen. Hiezu kommt, daß nicht ferne davon Broda liegt, welches auf Wendisch eine Fähre heißt. Denn wozu sollte man eine Fähre daselbst gehabt haben, wenn nicht vordem ein großes Wasser da gewesen wäre?"

Nugent erwähnt diese Meinung zuerst aus Neubrandenburg (1, 249 deutsche Uebersetzung): "Verschiedene Schriftsteller wollen, daß nicht weit von hier an der Tollense die alte Stadt Rethra gestanden". Später, als er mit Masch von Neustrelitz nach Stargard fuhr, erzählt er (2, 167): "hier bei Usadel hatten wir von einer Anhöhe einen vortrefflichen Prospect nach der Tollense und dem dem Herrn von Bredow zugehörigen Gute Prillwitz. von hier ließen wir rechter Hand (?) auf einem Hügel einen Steinhaufen liegen, welches nach des Herrn Masch Bemerkung die Stelle sein soll, wo die vormalige Stadt Rhetra gestanden". Bald darauf besuchte Nugent Prillwitz selbst, um die Ruinen von Rhetra in Augenschein zu nehmen. Er berichtet darüber unter dem 8. November: "Bald nach meiner Zusammenkunft mit Buchholtz und Pistorius zu Altstrelitz nöthigte mich Herr von Bredow, daß ich ihn auf seinem Landgute Prillwitz besuchen möchte. Man hatte mir schon viel von der angenehmen Lage dieses Orts erzählt, allein meine Neugierde ward dadurch noch mehr gereizt, daß ich hier Gelegenheit haben würde, die Rudera eines alten Tempels des heidnischen Gottes Radegast zu besehen. Ich machte mich also an einem Sonnabend Nachmittag mit Hauptmann Pleß auf den Weg. Anfangs ist der Weg überaus sandig. Wir fuhren durch Weisdin, Blumenholz und Usadel, und in etwa anderthalb Stunden erreichten wir Prillwitz, das ungefähr 2 Meilen von Strelitz gerechnet wird. Prillwitz ist ein feines Dorf und hat eine schöne Lage an der Tollense. Man hat hier einen überaus reizenden Prospect; rechts und links läuft eine Reihe von Hügeln ununterbrochen fort, und am andern Ende des Sees liegt Neubrandenburg, gleichsam im Hintergrunde der Landschaft. Herr von Bredow empfing mich überaus gütig". - "Den andern Morgen schlug Herr von Bredow einen Spaziergang nach den berühmten Ruinen vor. Es war diesen Morgen schönes heiteres Frostwetter, daher präsentirte sich die Tollense mit den angrenzenden Wäldern, die auf den Seiten der Hügel zu schweben schienen, überaus prächtig. Der Berg, den wir hinaufzusteigen hatten, war so steil, daß ich beinahe müde ward, ehe wir die Spitze erreichten. Herr von Bredow sowohl, als auch viele andere Gelehrte dieses Landes behaupten, daß die alte Stadt Rhetra auf eben der Stelle gestanden, wo jetzt Prillwitz liegt, und daß auf diesem Berge der Tempel des Radegast

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gestanden. So viel ich indessen aus der ganzen Gestalt des Berges urtheilen konnte, schien er mir nicht die mindeste Spur eines vormaligen Tempels zu zeigen, vielmehr schienen mir die verfallenen Gräben, Wälle und Mauern sichtbare Ueberbleibsel eines alten Schlosses zu sein. 3 ) Dergleichen Schlösser oder Rittersitze gab es im mittlern Alter sehr viele, und vielleicht werden Sie auch von dieser Art Schlösser, die vormals in England gewesen sind, etwas gelesen haben. Ich sagte meine Meinung offenherzig, welches dem Herrn von Bredow gar nicht zu behagen schien, denn er war zu sehr für die Meinung eingenommen, daß dies vormals ein Tempel gewesen; überdies wollte er noch aus gewissen Merkmalen behaupten, daß hier ein Schatz vergraben wäre, den er schon längst gehoben haben würde, wenn er nicht befürchten müßte, daß der Herzog als Lehnsherr mit davon participiren wollte." - Nach Neustrelitz zurückgekehrt, stattete Nugent dem Herzoge über die Reise Bericht ab, "und dieser ergötzte sich nicht wenig über den Herrn von Bredow, daß er aus Furcht vor ihm den im Berge verborgenen Schatz nicht heben wollte".

Auch hatte bereits vor Entdeckung der Prillwitzer Idole die zuerst von Latomus aufgestellte Hypothese: die Tollense habe sich früher durch das ganze Thal bis nach Friedland hin erstreckt, - diejenige Erweiterung erfahren, in welcher sie später von Masch vorgetragen wurde, um dadurch zu erhärten, daß das wasserumflossene Rhetra auf der Stelle von Prillwitz gelegen habe. Ein Aufsatz in den "Nützlichen Beiträgen zu den Strelitzischen Beiträgen" Nr. 32 vom 6. August 1766 unter der Ueberschrift: "Von der natürlichen Historie von Meklenburg" sagt darüber S. 254: Hätten wir alte Erdbeschreibungen von Meklenburg, so würden wir darin lesen, daß die Ostsee, die jetzo nur an unsere Gränzen spület, einen großen Arm mitten durch Meklenburg gestrecket habe. Wie unglaublich würde dieses sein? Und dennoch ist es bis aufs höchste wahrscheinlich. Die Tollense, welche bei Prillwitz ihren Anfang nimmt, und bei Neubrandenburg zu einem Strome wird, hat noch jetzo einen Zusammenhang mit der Ostsee. Sie schicket ihr Wasser vermittelst des Stromes bei Demmin in die Peene, durch diese in das Haff und endlich in die Ostsee. Diese Ströme sind ein Denkmal von der vormaligen Verbindung der Tollense mit der Ostsee, so daß die Tollense ein Arm von der Ostsee gewesen. Wenn man sich


3) Nugent urtheilte ganz richtig: diese angeblichen Ruinen des Tempels zu Rhetra sind nichts anders als die Ueberbleibsel des Schlosses Prillwitz, welcher im 13. Jahrh. erbaut war, und erst im 16., wenn nicht gar im 17. Jahrh. zerstört wurde. Siehe meine Geschichte des Landes Stargard l, 164.
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auf die Höhe über Prillwitz stellet und alsdann die Tollense die Länge herunter siehet, so findet man auf beiden Seiten ein hohes Ufer, welches das vollkommene Bette eines großen Meeres ist. Die Anhöhen theilen sich bei Neubrandenburg und ziehen sich auf der einen Seite herum nach Friedland, auf der andern Seite aber nach Treptow, und von da bis an die Peene. Bei Neubrandenburg erhebet sich gegenüber wieder eine solche Anhöhe, die auf beiden Seiten herumgehet und den jetzo noch sogenannten Werder bildet. Zwischen diesen gesammten Anhöhen findet sich eine Ebene, die mit der Tollense mehrentheils horizontal liegt. Neubrandenburg selbst liegt in dieser Ebene. Wenn man dieselbe nachgehet, so zeiget das in der Mitte der Ebene noch beständig fließende Wasser, welches den ganzen Werder umgiebet, daß die jetzige Ebene oder Wiesen in dem Bette einer See liegen, die den größten Theil ihres Wassers verloren hat. Wäre es möglich, daß man den Ausfluß des Haffes bei Wolgast und Swinemünde stammen könnte, so würde in kurzer Zeit die ganze Ebene, worauf Neubrandenburg liegt, nebst allen den Wiesen, die in einer Horizontallinie durch Meklenburg und Pommern auf den Seiten der Peene sich erstrecken, unter Wasser gesetzet und das alte Bette des Armes der Ostsee wieder mit Wasser angefüllet sein". - Dieses sind so gänzlich die später von Masch vorgetragenen Ansichten, daß ich nicht anstehen würde, ihn für den Verfasser dieses Aufsatzes zu halten, wenn er nicht mit der Chiffre Z. unterzeichnet wäre. Nugent hat sich den Inhalt dieses und anderer Aufsätze der "Nützlichen Blätter" angeeignet und die eben mitgetheilte Stelle zum Theil wörtlich seinem letzten Briefe einverleibt.

Endlich darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß schon vor der Entdeckung der fraglichen Idole die Ansicht geltend geworden war: die Wenden in Meklenburg hätten als Schriftzeichen sich der sogenannten Runen bedient. Der verbesserte Klüver (1, 262) sagt darüber: "Die Schulen waren bei den Wenden im schlechten Stande, dennoch die Priester Schullehrer, und unter ihren Buchstaben, die Runische genannt, folgender Gestalt beschaffen" (folgt ein Runen=Alphabet). Auch Buchholtz legt in der Geschichte von Meklenburg S. 88 den Wenden die runische Schrift bei, und S. 93 lernen wir, daß diese Behauptung ursprünglich von Schurtzfleisch herrührte, der in seiner Dissertation de rebus Slavicis von einer wendischen Schule zu Demmin gehandelt hatte, "wo der Jugend Unterricht in der Runischen Schrift, Sprache und Weisheit gegeben worden" (!)

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Die ersten Entdeckungsberichte von Hempel, Pistorius und Genzmer.

Es muß um den Anfang des Jahres 1768 gewesen sein, als der doctor medicinae Hempel zu Neubrandenburg, ein Sohn des damaligen herzoglichen Leibarztes, von dem Goldschmiede Sponholtz daselbst 35 Stücke der vielbesprochenen Prillwitzer Alterthümer durch Kauf an sich brachte. Diese interessante Entdeckung wurde sogleich durch öffentliche Blätter dem Publicum mitgetheilt. Es sind darüber vier gedruckte Berichte in verschiedenen Zeitschriften vorhanden. Bisher sind immer nur zwei derselben berücksichtigt worden, nämlich der vom Präpositus Genzmer im Altonaschen Merkur und der durch Taddel in den Rostockschen gemeinnützigen Aufsätzen veröffentlichte, weil Masch in seinen obotritischen Alterthümern (S. 4) nur diese beiden Entdeckungsberichte erwähnt und die Betheiligung von Hempel und Pistorius an dieser Angelegenheit aus Gründen, die weiter unten erhellen werden, mit Stillschweigen übergangen hatte. Deshalb kennt und erörtert Levezow auch nur jene beiden gedruckten Berichte, obwohl er aus den Streitschriften Sense's und Genzmer's (siehe das folgende Capitel) hätte ersehen können, daß nicht zwei, sondern vier gedruckte Berichte über die Entdeckung der Prillwitzer Idole vorliegen müßten. Dafür veröffentlicht Levezow zwei alte handschriftliche Entdeckungsberichte, welche er von Maschens Schwiegersohne, dem Pastor Rudolphi zu Friedland, mitgetheilt erhalten hatte, deren einen er für einen Originalaufsatz Hempels, den andern für von Genzmer verfaßt, vielleicht den ersten Entwurf der Anzeige im Altonaschen Merkur, hielt. Als ich beide Actenstücke aus Lewezows Nachlaß durch Herrn Archivar Dr. Lisch mitgetheilt erhielt, erkannte ich in dem letzteren sogleich die mir wohlbekannte Handschrift des Pistorius, in dem ersteren aber nur eine andere (wahrscheinlich spätere) Redaction des bereits durch Taddel in den Rostockschen gemeinnützigen Aufsätzen veröffentlichten Berichtes. Diese Sache verhielt sich so.

Als der Doctor Hempel jene 35 Stücke von den Prillwitzer Alterthümern im Hause des Goldschmiedes Jacob Sponholtz entdeckte und käuflich erwarb, theilte er diesen interessanten Fund sogleich dem ihm befreundeten Landsyndicus Pistorius mit, der als Historiker und Antiquar den wissenschaftlichen Werth dieser Alterthümer besser beurtheilen konnte, als Hempel, der eigentlich nur Sammler von Naturalien war. Beide besorgten sogleich

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eine vorläufige kurze Anzeige dieser Entdeckung in Nr. 26 des Hamburger Correspondenten vom Jahre 1768, die wohl eigentlich von Pistorius verfaßt und von Hempel nur niedergeschrieben war, denn Genzmer unterscheidet nachher ausdrücklich ihren Concipienten und den Schreiber. Indessen hatte auch Genzmer von dem Funde vernommen, kam von Stargard nach Neubrandenburg herüber, untersuchte die Alterthümer bei Hempel und trug sich Notizen darüber in seine Schreibtafel ein. Mit seinem gewohnten Eifer machte er sich sogleich daran, nach diesen Notizen eine Beschreibung der Alterthümer zu entwerfen, welche in Nr. 34 des Altonaschen Merkurs vom J. 1768 abgedruckt wurde; sie ist indessen sehr ungenau, oft falsch, da die aufgeschriebenen Notizen nicht überall durch ein treues Gedächtniß unterstützt wurden, ist aber insofern von Werth, als wir daraus erfahren, welche Alterthümer Hempel zuerst von Jacob Sponholtz erhandelt hatte. Es befinden sich unter diesen 35 Stücken 4 ) der bekleidete Radegast (bei Masch Fig. 3) der Podaga Fig. 5, der Perkunust Fig. 6, der Zibocg Fig. 11, die Sieba Fig. 15, die namenlose Göttin Fig. 16, der Zernebocg Fig. 12, die Stange mit 3 Köpfen Fig. 10, der Lelus und Poletus Fig. 20, die von Masch als Untergötter bezeichneten Nr. 7-12, die Halbgötter Nr. 1-3, die Zirnitra Fig. 34, der sogenannte Götterthron (eigentlich ein Hängeleuchter) Fig. 35, und die sämmtlichen bei Masch als Denkmale aufgeführten Stücke, mit Ausnahme des Mita. - Allein kaum hatte Genzmer seine Beschreibung abgesendet, als er erfuhr, daß Dr. Hempel neuerdings noch mehrere Alterthümer von Jacob Sponholtz an sich gebracht habe; Genzmer mußte also wieder hinüber nach Neubrandenburg und aufs Neue besichtigen und beschreiben. Er schilderte die neu erworbenen Alterthümer in einem zweiten Sendschreiben im Altonaschen Merkur Nr. 44 vom Jahre 1768; es waren 10 Stücke, nämlich 4 Opfermesser, 2 Opferschalen, die Idole Vodha Fig. 4, Ipabocg Fig. 9, Schuaixtix Fig. 13, und der Hund mit der Aufschrift Mita.

Inzwischen hatte sich auch Hempel daran gemacht, mit Pistorius Beihülfe eine ausführliche und genaue Beschreibung seiner Alterthümer aufzusetzen. Sie scheint noch im Februar 1768 vollendet zu sein, erschien aber nicht sofort, wie verheißen war, im Druck, vielleicht weil man den befreundeten Genzmer nicht compromittiren wollte, dessen flüchtige und oft falsche Beschrei=


4) Genzmer giebt in seinem ersten Sendshreiben zwar die Zahl der zuerst von Jacob Sponholtz erworbenen Alterthümer ausdrücklich auf 37 Stücke an, allein er hat sich theils verzählt (Nr. 22 fehlt), theils einen abgebrochenen Arm einer Figur Nr. 23 besonders gezählt.
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bung gegen diese, die sehr genau war und auch schon die Runen=Legenden meistens richtig mittheilte, sehr würde abgestochen haben. Von dieser Pistorius=Hempelschen Beschreibung liegen zwei Exemplare vor, ein geschriebenes, wahrscheinlich von Hempels Hand, * ) welches Levezow von Pastor Rudolphi erhalten hatte, und das durch Taddel in den Rostockschen gemeinnützigen Aufsätzen vom J. 1769 veröffentlichte. Der inzwischen auf die Prillwitzer Alterthümer erfolgte Angriff des Pastor Sense zu Warlin machte nämlich die Bekanntmachung einer richtigen und genauen Beschreibung nöthig, um auf diese eine Vertheidigung der Alterthümer zu gründen. Zu diesem Zwecke hatte wohl Pistorius sein Exemplar an Taddel mitgetheilt; es ist, im Vergleich mit dem von Hempels Hand geschriebenen, das ältere. Denn obwohl beide nur in unwesentlichen Kleinigkeiten von einander abweichen, so machen doch in dem Taddelschen Abdrucke die beim zweiten Kaufe von Jacob Sponholtz erworbenen 10 Stücke die letzten 10 Nummern aus (Nr. 36 bis 45), während sie in dem geschriebenen Exemplare schon mit unter die andern Alterthümer nach der Sachordnung eingereihet sind. Das Vorwort des geschriebenen Exemplars ist vom Hornung (Februar) 1768 datirt, es ist also wohl nur eine später von Hempels Hand genommene Reinschrift. Sie enthält auf dem Rande einige Zusätze und Berichtigungen von Pistorius Hand: so war z. B. in dem Taddelschen Abdrucke das Idol Vodha noch als Pidha gelesen, in Hempels Handschrift aber Vidha, wozu Pistorius auf dem Rande bemerkt: "die kleinen Querstriche an den Runen o sind noch zur Zeit nicht zu entdecken, daß man Vodha herausbrächte". - Obwohl nun einstweilen die Bekanntmachung dieser genauem Be=


*) Nachdem bereits der erste Theil dieser Abhandlung nach schwerin abgegangen war, hat mir ein glücklicher Zufall noch einen ziemlichen Vorrath alter Papiere aus dem Nachlasse der Verkäufer der Prillwitzer Alterthümer in die Hände gespielt, unter denen sich auch auf unsere Frage bezügliche befanden. sie wurden für mich Veranlassung, mir von großherzogl. Justiz=Canzlei zu Neustrelitz auch die Acten eines im J. 1775 geführten Processes des Verkäufers gegen den Käufer zu erbitten. Ich muß nach diesen Papieren hier einige Punkte des ersten Capitels meiner Arbeit theils genauer bestimmen, theils berichtigen. - Der Dr. Hempel hat die zuerst von dem Goldschmiede Jacob Sponholtz ihm überlassenen 35 Alterthumsstücke, welche Genzmer im ersten Sendschreiben beschreibt, für 100 Thlr. Gold erstanden und über diese Summe im Antoni=Termine 1768 einen Wechsel ausgestellt. Nicht lange darauf, im Laufe des Februar, tauschte Dr. Hempel die im zweiten Genzmerschen Sendschreiben beschriebenen 10 Alterthumsstücke von dem jüngsten Bruder des Goldschmiedes, von Gideon Sponholtz, für eine Conchilien=Sammlung ein. Zu berichtigen ist: die ausführliche Beschreibung dieser 45 Alterthumsstücke, welche sich bei den schweriner Acten im Manuscript befindet und deren Vorwort in Hempels Namen aufgesetzt ist, ist nicht von Hempels eigener Hand, sondern vom Copisten des Landsyndicus Pistorius geschrieben.
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schreibung unterblieb, so hatte doch (wahrscheinlich) Pistorius sein Manuscript schon gleich nach der Abfassung an Taddel mitgetheilt, nach welchem dieser eine vorläufige Nachricht in das achte Stück der "Erneuerten Berichte von gelehrten Sachen" unter dem 25. Februar 1768 einrücken ließ.

Da nun diese für die Geschichte der Prillwitzer Idole so wichtigen Actenstücke in Zeitschriften aufgesucht werden müssen, welche jetzt nicht mehr überall leicht zugänglich sind, so theile ich hier dieselben mit; von der ausführlichen Pistorius=Hempelschen Beschreibung werde ich indeß von dem geschriebenen Exemplar nur das Vorwort geben, da die geringen Varianten in der Beschreibung selbst zu unwesentlich sind. Durch Taddel erfahren wir übrigens, daß Pistorius beabsichtigte, in einem ausführlicheren Kupferwerke diese Alterthümer zu beschreiben und zu erläutern. Der Anfang dieser Arbeit, von welcher wahrscheinlich nie mehr aufs Papier gekommen ist, hat sich erhalten; Pistorius übersandte ihn (im Brouillon) an Genzmer, als dieser sich anschickte, auf den Senseschen Angriff zu antworten. Ich theile diese Reliquie des wackern Mannes hier mit, dessen Eifer für die Geschichte seines Vaterlandes bei seinen Zeitgenossen die Theilnahme nicht fand, welche er verdiente. Aus diesen Actenstücken allein läßt sich ein sicheres Urtheil über die wohl hin und wieder geäußerte Behauptung fällen, als ob einem vielleicht mit den Prillwitzer Idolen gespielten Betruge entweder Genzmer oder Pistorius selbst nicht fremd geblieben wären.


1. Erster Bericht.

Aus dem Hamburgischen unparteiischen Correspondenten, 4b ).

1768, Sonnabend den 13. Febr., Nr. 26.

Neubrandenburg, im Mecklenburgischen, den 7. Febr.

Man kann zur Aufklärung der Historie, und anderer dahin einschlagenden Umstände, dem Publico folgende Nachricht nicht unangezeigt lassen: Bisher sind die Geschichtschreiber sowol wegen der Lage der ehemaligen Stadt Rhetra, als wegen des daselbst vorhandenen Götzen Radegast, uneinig gewesen. Nunmehr aber lassen sich diese Verschiedenheiten deutlich bestimmen. Auf einem im Mecklenburg=Strelitzschen, harte an dem großen See Tollensee belegenen Guthe, ist auf einem hohen mit alten Graben versehenen Berge ein kupfener


4b) ) Die Mittheilung dieses und des folgenden Actenstückes verdankt der Verein dem Herrn Archivar Lappenberg zu Hamburg, dem wir hierdurch öffentlich dafür unsern Dank sagen.
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Grapen gefunden, und dem dortigen Geistlichen zugestellet worden. Es befanden sich in demselben an die 30 Götzen, nebst den dazu gehörigen Opferschaalen. Von diesem Geistlichen sind gedachte Stücke durch Erbschaft an einen Bürger hier in Neubrandenburg gekommen, der sie, weil er diesen Schatz nicht kannte, dem in den Alterthümern erfahrenen Herrn Hempel, der Arzneykunst Doctoren, zeigte. Der Herr Doctor kaufte ohne Anstand alle Stücke an sich. Der größte darunter befindliche Götze ist der Radegast von einer ziemlichen Höhe, auf dessen Rücken mit Rhunischen Buchstaben ganz deutlich zu lesen, Radegast Rhetra. An den vielen andern Götzen, worunter die Nemesis, Pan, Zernebock und der Drache etc. . gleichfalls mit vielen Rhunischen Buchstaben bezeichnet, ist das Wort Rhetra gleichfalls ganz deutlich zu sehen. Kenner der Alterthümer können diese Originalstücke, welche noch alle die eruginem nobilem an sich haben, nicht genug bewundern. Alle Stücke halten beinahe den Strich von Kronen=Gold, und wiegen zusammen 15 Pfund. Es ist hiebei zu bemerken, daß die Beschreibung des Radegast von den Geschichtschreibern nicht getreffen worden. Er hat eine ganz andere Figur, wiewol es mit der Gans auf dem Kopfe, jedoch ohne ausgebreitete Flügel, seine Richtigkeit hat.

Der Herr Doctor Hempel wird ehestens eine vollständige Beschreibung von dieser wichtigen Entdeckung, die so viele Aufklärung in den Alterthümern macht, mittheilen; und es ist zu wünschen daß beregte Stücke, als die einzigen Monumenta in ihrer Art, allgemein bekannt, und auf immer aufbehalten werden.


2. Zweiter Bericht.

Aus dem Altonaschen Merkurius,

1768, Nr. 34 und 44.

Herrn Gottl. Burch. Genzmers Praepos. zu Stargard im Mecklenburgischen, vorläufige Nachricht von einigen neulich entdeckten Götzenbildern und Alterthümern des nördlichen Heydenthums, in einem Sendschreiben an den Herrn D. Schütze in Hamburg, vom 15. Februar 1768.

S. T.

Hochgeschätzter Freund und Gönner,

Ich kann nicht umhin Ihnen je eher je lieber von einem merkwürdigen Vorfalle in meiner Nachbarschaft Nachritt zu ertheilen, der Ihnen so wenig, als allen Liebhabern und Forschern der Alterthümer, sonderlich der Nordischen und Deutschen, gleichgültig sein kann; zumal da derselbe zu einer Quelle mancher wichtiger Entdeckungen * ) und Berichtigungen vieler in diesem Theile der Gelehrsamkeit von andern begangenen Fehler werden kann. Es ist nämlich meinem Freunde, dem Hrn. Dr. Hempel, med. Pract. zu Neubrandenburg im Mecklenburgischen, neulich geglückt, einen sehr beträchtlichen Schatz von Alterthümern des nördlichen Heydenthums bei einem dortigen Goldschmiede, der sie


*) Z. B. Wo die alte berühmte Stadt Rhetra gelegen? Was dieser und jener Götze der Wenden und Obotriten eigentlich für eine Gestalt gehabt? u. d. g. deren in den von Alterthümern handelnden Büchern befindliche Bilder, vermuthlich blos aus Hörsagen, nach der Einbildung, und nicht nach dem Leben gezeichnet sind.
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bisher aus mehr als einer Ursache * ) ungemein geheim gehalten hatte, zu entdecken, sich zu eigen zu machen, und dem Schmelztiegel zu entrücken, durch welchen er sonst zu unwiderbringlichem Schaden für die Alterthumskunde auf ewig zerstöret sein Würde. ** ) Es sind in allem 30 bis 37 Stück theils Statüen und Götzenbilder, theils Opfergeräthe, theils Fußgestelle, deren Theile und Zierrathen noch vorhanden, und in seine Hände gekommen, nachdem solche zu Anfang dieses Jahrhunderts, folglich vor etwa sechszig Jahren zu Prillwitz, einem Dorfe zwo Meilen von Neubrandenburg am südwestlichen Ende des großen Sees, der zwischen beiden gedachten Orten lieget, und der Tollense *** ) heisset, in einem großen metallenen Grapen zusammengepackt liegend, aus der Erde gegraben, und von dem damaligen dortigen Prediger seinem Bruder, einem Goldschmiede in bemeldeter Stadt und Großvater des bisherigen Besitzers, zugewendet worden. Der Grapen aber, worin diese Sachen verwahret gewesen sind, ist bereits vor mehreren Jahren beim Umguß einer Glocke in Neubrandenburg eingeschmolzen worden. 5 )

Diese sämmtlichen Alterthümer bestehen aus Metalle, und zwar die grössern Stücke aus goldgelbem, das auf dem Probierstein den Strich vom Mittelgolde hält, die kleineren aber aus einem solchen, das mehr ins blasgelbe und weißliche fällt, und sind durchgängig mit hellgrünem Roste bedecket. Welcher sie hin und wieder verstellet und etwas unkenntlich machet, auch wohl zuweilen zerfressen hat; ) an einigen kleinern Stücken aber dem edlen Rost alter Münzen nahe kömmt und einem glänzenden überzogenen Firnisse, oder dünnen glatten Kruste von Schmelzwerke, ähnlich siehet. Sie können aber durch das Aufsieden von demselben völlig gereiniget, und in ungemeinem Glanze und Schönheit dargestellet werden, welches bereits an Nr. 11 probiret worden ist, auch wohl bei den meisten andern nöthig sein dürfte, um die vielen darauf befindlichen Runischen Buchstaben kenntlich zu machen.

Und eben diese Buchstaben, welche diesen Alterthümern einen besondern Vorzug, und deren Forschern zu ihrer Erklärung sowol, als manchen andern beiläufigen Entdeckungen sichern Anlaß geben, und meistens, sonderlich an den größeren Stücken, vertieft, und mit einem Meißel derb eingeschlagen; welches um so viel leichter hat bewerkstelliget werden können, da solche, wie bekannt, meist aus lauter geraden Strichen bestehen. Und nur auf einigen wenigen kleineren Stücken erscheinen solche erhaben, und in vertiefte Formen abgegossen; und eben daher sind solche auch merklich größer und gröber.

Nachdem ich dieses vorläufig erinnert habe, so will ich die einzelnen Stücke herrechnen und beschreiben, so viel ich mich davon aus flüchtiger Besichtigung derselben und Aufzeichnung einiger Umstände mit wenigen Worten in meine Schreibtafel, zu erinnern weiß, um Ihre sowol, als anderer Liebhaber der deutschen Alterthümer gereizte Neugier nur einigermaßen zu befriedigen; bis


*) Vielleicht aus Hoffnung, der Entdeckung eines Mittels, das in diesen Alterthümern steckende edlere Metall von dem unedlern zu scheiden, vielleicht auch daher, weil der Besitzer nicht eben nöthig gehabt, sie zu Gelde zu machen und zu verkaufen.
**) Dergleichen Unfall ist bereits vor mehreren Jahren einer von diesen Puppen (wie man sie bisher genannt hat) begegnet, man weiß sich aber nicht mehr zu besinnen, wie solche eigentlich aussehen.
***) So möchte man nur immer diesen Namen schreiben, anstatt Tollensee, um die hiesige Aussprache desselben genauer auszudrücken, in welcher die mittlere Sylbe lang ist; obgleich das letztere der Abstammung gemäßer ist.
5) Im J. 1751 wurde die dritte von den Glocken im Thurme der Marienkirche zu Neubrandenburg umgegossen, dieselbe, welche im J. 1841 abermals eines Neugusses bedurfte. - F. B.
†) Doch rühren nicht alle diese Beschädigungen dieser Alterthümer vom Roste her; sondern die glatte Abschmelzung bei einigen fehlenden Theilen scheinen deutlich anzuzeigen, daß sie bereits ehedem vor ihrer Verwahrung in dem gedachten Grapen eine Feuersbrunst und große Hitze müssen ausgestanden haben.
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etwa der gegenwärtige gelehrte Hr. Besitzer selbst, durch eine in den Druck zu gebende umständliche, und mit nöthigen von allen Seiten her genommenen in Kupfer gestochenen Abbildungen begleitete Beschreibung, solches völlig bewerkstelligen wird. Es sind folgende:

1) Ein Fußgestell, (Piedestal), drittehalb Pfund schwer, sechs Zoll hoch, in seiner grossesten Dicke 3 Zoll im Durchschnitte breit, und fast wie der Schaft eines alten messingenen Altarleuchters gestaltet. Es bestehet selbiges aus lauter auf einander stehenden Knäufen und Scheiben, davon die grösseste am Rande umher mit Runischen Buchstaben bezeichnet ist; die ganze Axe aber ist hohl, weil vermuthlich eine eiserne Stange zu dessen Aufstellung hindurch gereichet hat.

2) Ein runder glatter hohler Knauf, der vermuthlich auf Nr. 1 oben drauf gesessen und gepasset hat, einen Zoll hoch, und drei im Durchschnitte dick, auf welchem gleichfalls umher Runische Buchstaben stehen, unter welche man u. i. d. deutlich erkennet.

3) Eine Opferschaale, an dem glatt abgeschnittenen Rande aussenher geriefelt, etwas dick und grob gearbeitet, und daher ein halbes Pfund schwer, ob sie gleich nur drei Zoll im Durchschnitte hat und etwa einen Zoll hoch ist. Auf deren glattem Boden erscheinet inwendig ein erhaben gearbeiteter fortschreitender Hahn, auswendig aber eine geriefelte Tellerschnecke von vier Wendungen, wie ein Ammonshorn, recht sauber gearbeitet Sie ist umher mit Runischen Buchstaben bezeichnet, aus welchen man Riadegast deutlich zusammenlesen kan. Troilus Arnkiel hat demnach so ganz unrecht nicht, wenn er den Namen diese Götzen in seinem cimbrischen Heidenthume beständig Ridegast schreibet.

4) Ein darauf passender halbkugelförmiger Deckel, (denn dafür möchte ich ihn lieber ansehen, als für ein Klöcklein, das beim Gottesdienste gebrauchet worden; wenigstens müßte sodann die Oehse zur Befestigung des Kleppels, durch das Ausschmelzen des gleich anzuführenden Loches verloren gegangen sein;) gleichfalls stark gearbeitet, aussenher mit vier gleich weit von einander stehenden vorwärts sehenden und etwas grobförmigen erhabenen Menschenköpfen gezieret. In dem bäuchigen ziemlich starken Boden, aber doch nicht recht in der Mitte, erscheinet ein Loch, worin man einen kleinen Finger stecken kann. Welches gewiß nicht mit Fleiße gemacht, sondern vermuthlich zufälliger Weise eingeschmolzen ist; und dieses macht mich, nebst einigen andern Merkmalen, glauben, daß diese sämtliche Sachen schon vordem eine Feuersbrunst ausgestanden haben müssen.

Diese vier bisher angeführten Stücke scheinen von schlechterem und ganz gewöhnlichen Metalle gearbeitet zu sein; aber nun kömt etwas feineres.

5) Der Zernebock, ein Pfund schwer, in Gestalt eines aufgerichteten und auf seinem Hintern sitzenden Löwens, 6 Zoll hoch, dessen Mähne in ausgekämmeten und mit lauter Parallelstrichen bezeichneten schräg über einander gelegten Locken, gleich einer gewissen Art geflochtener Körbe, nicht sonderlich gearbeitet ist; wie denn überhaupt die sämmtlichen größeren Stücke eine noch in ihrer Kindheit und ersten Anfängen stehende Bildungskunst zu verrathen scheinen. Auf dem Rücken stehen drei Zeilen Runischer Buchstaben der Länge nach herunter, davon die mittlere den Namen Zernebock deutlich lesen lässet; oben auf dem Kopfe am Nacken Rhetra, und unten am Hintern stehen gleichfalls drei Runische Buchstaben, darunter ein a. deutlich zu erkennen ist. Ein Loch eines guten Fingers dick gehet der Länge nach am Rücken durch den ganzen Leib hindurch; vermuthlich zu einer eisernen Stange, vermittelst welcher dieses Götzenbild auf einem Fußgestelle, mit einer darüber angebrachten Schraube oder Niete befestiget gewesen ist.

6) Der alte berühmte Radegast. Man hat im Mecklenburgischen, wie ich mehrmals gehöret habe, eine alte Sage und Ueberlieferung, daß dieses Abgottes goldenes Bildniß in Lebensgröße in der Tollense, oder in dem Malchinischen, oder ich weiß nicht, welchem See, versenket liege; (jenachdem man der

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Stadt Rhetra an einem von diesen Seen ihren Standort angewiesen hat, der doch nunmehro sehr wahrscheinlich nach obgedachtem Dorfe Prillwitz hinverleget Werden muß;) daher einem Fischer vielleicht das Glück aufbehalten sei, das Bild mit seinem Netze einmal heraus zu ziehen, und dadurch reich zu werden. Vielleicht ist dieses das Bild; jedoch mit starker Einschränkung des Ausdruckes: Lebensgröße und golden; denn es halt nur, wie vorher bereits gedacht worden, den Strich vom Mittelgolde, * ) und ist nicht viel über eine Spanne lang, aber doch ziemlich derbe (massiv) ausgearbeitet. so daß es gegen drei Pfund wieget. Seine Gestalt kommt mit der vom Arnkiel, Arnold und Francken gelieferten Abbildung ziemlich überein; ausser daß theils sein Gesicht ein gleichsam aus einem grossen platten Menschenantlitze hervorsteigender - ich weiß nicht, soll ich sagen Ochsen= oder Löwen= oder Hundskopf, mit kurzen abgestumpften tütenförmigen Ohren und etwas gekrümmten Haaren bedecket ist; theils der Vogel auf dem Kopfe zwar in Absicht des Anschauenden linkshin gekehret, und nach des Bildes Schulter gerichtet ist; aber weder aufgehobene Flügel, noch deutliche fortschreitende Füsse hat; sondern jene liegen platt an dem Leibe, und diese sind gar nicht zu sehen; daher ich mir einigen Zwang anthun muß, ihn für einen Hahn anzusehen und ihn lieber für eine sitzende Gans oder Ente halten möchte. Die rechte Hand ist nach dem auf der Brust befindlichen Schilde, mit dem deutlichen erhabenen Büffelskopfe bezeichnet, hingekehret; der linke Arm aber nebst dem Spieße oder Hellebarde vermutlich verloren gegangen. Hinten auf dem Kopfe ist Radegast (nicht Riadegast, wie vorher,) und Rhetra, imgleichen auf den Schultern Belbog, d. i. guter Gott, in Runischen Buchstaben deutlich zu lesen, dergleichen auch noch viele auf den Falten des Kleides nach der Länge herunter zu sehen sind.

7) Ein Sonnenbild [bei Masch: Percunust], (man erlaube mir, als einem in den nordischen Alterthümern nicht recht geübter, nur immer diesen Ausdruck, den ich hier gebrauche, um mich kürzer auszudrücken, nicht aber etwas zuz entscheiden) in Lebensgröße, einer Spanne lang, mit einem alten bärtigen Mannskopfe, an welchem hinten der beim Radegast beschriebene zweifelhafte Kopf gleichfalls befindlich ist, mit starken herumstehenden Strahlen, und einem langen bis über die Knie reichenden Rocke. Auf dem Rücken stehen Runische Buchstaben, aus welchen man unter andern Nemusia zusammenlesen will. Unter dem Nabel gehet ein dreieckiges senkrecht stehendes metallenes Brett von der Dicke eines Guldens, wie ein umgekehrter Zeiger (gnomon) einer senkrechten Sonnenuhr hervor, das sich unten am Bauche im spitzigern Winkel endiget, auf welches die rechte Hand geleget ist.

8) Noch ein grösseres Sonnenbild [bei Masch: Podaga], gleichfalls mit sieben starken Strahlen um seinen Kopf, mit zweien Gesichtern, die wie am Jano bifronte stehen, etwas über eine Spanne lang und drittehalb Pfund schwer. Das eine Gesicht zeiget den beim Radegast angeführten mir zweideutigen Kopf, mit vielen Haaren über und über bedecket, davon der Knebelbart auf beiden Seiten sich mit den Spitzen neben den Augen vorbei bis oben nach den Ohren hinauf ziehet; das andere aber ist ein gräßliches Menschengesicht mit vielen Haaren bewachsen, woran sich die Spitzen des Knebelbartes herunterwärts senken; der Kinnbart aber endiget sich in eine starke Locke oder Flechte, die nach dem linken zum Kinne hinaufgebogenen Arme bis an den Ellenbogen seitwärts herunter reichet, in welche ein wildes Schwein zu beissen scheinet, das die Figur mit dem rechten Arme hält. Aus den Seitenschössen des bis über die Knie herunter reichenden Rockes gehen noch zu beiden Seiten zween starke Strahlen schräg niederwärts


*) Dieses versichern nicht allein der bisherige Besitzer, sondern auch andere, die den Strich verstehen.
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hervor, und auf der Seite des Kleides stehet mit Runischen Buchstaben Potlaga; imgleichen Rhetra. Diese drei Stücke Nr. 6, 7, 8 sind die größesten.

9) Ein Götzenbild, ohngefähr in der Gestalt eines verkappten Grönländers, 6 ) vier bis fünf Zoll hoch, voll Runischer Buchstaben, mit ausgestreckter linker Hand, die noch damals, als die Sachen gefunden worden sind, einen Pfeil senkrecht stehend gehalten hat, der aber nachher verloren ist. Die rechte Hand ist an den Leib geleget, und oben auf dem Kopfe sitzet eine kleine Kreatur, wie ein Affe, fast in der Positur, wie er in Bilderfibeln stehet.

10) Ein Drache, einer Spanne lang, mit etwas aufgethanem und schräg in die Höhe gekehrten Rachen voller Zähne, ohngefähr wie ein Crocodilsmaul sich zeichnet. Er hat einen nach Maßgebung seines Körpers nur sehr kleinen Flügel auf der rechten Seite; (doch bemerket man eben nicht, daß er auf der linken dergleichen gehabt, und verloren habe;) welcher an einem gleich daneben mitten aus dem Leibe emporsteigenden holen Cylinder, eines Fingers dick, und einen Zoll lang, voll Runischer Buchstaben angeleget ist. Seine zween kurzen dicken Füsse, welche auf einem unbildsamen Klumpen Metall ruhen, gleichen fast den Löwentatzen, und auswärts ist der linke mit einem kleinen hervorsteigenden Menschenköpchen, und der rechte mit einem großen platt gehaltenen Käfer mit ausgesperrten Füssen gezieret, wie dergleichen zuweilen unter den Egyptischen Hieroglyphen vorkömmt. Der Schwanz ist mit einem großen Kreise (gyratione) gedrehet und zusammengeschlungen, und dessen Spitze ist pfeilförmig. Aus dem Knoten des geschlungenen Schwanzes, oder da, wo dessen dünneres Ende vor dem dickeren vorbeigehet, steiget ein starkes Brustbild von der Grösse einer länglichen mittelmässigen Wallnuß, mit zweyen Gesichtern, schräg hinterwärts gebogen, empor, davon das eine links und das andere rechts hinsiehet. Am Leibe stehet auf der rechten Seite mit Runischen Buchstaben Zirnitra; und auf der linken: Zica.

11) Ein zum Sitzen gekrümmter Pan, oder Waldgott [bei Masch: der Satyr], eines guten Fingers lang, und Daumens dick, mit höckeriger Nase, zum Lachen aufgezerrtem Maule, hervorkeimenden Hörnern und spitzigen Ohren, doch ohne Schwanz, mit zween Runischen Buchstaben. Dieses Stück ist, in Vergleichung mit den vorigen, sehr sauber modelliret und gearbeitet, und bestehet aus zween mit weiserem Metalle der Länge nach zusammen gelötheten Hälften.

12) Ein Kopf, oder Brustbild, eines Fingers lang, und einen guten Zoll im Durchmesser dick, mit zweien Gesichtern, davon das eine ein ziemlich gut gearbeitetes Frauenzimmergesicht, auf welchem ein Hahn mit dickem Kamme, gleich einer Krone, den doch andere lieber für einen gekrönten Adler ansehen, mit etwas aufgehobenen Flügeln sitzet. Das andere aber ist der vorher erwähnte zweifelhafte Kopf wieder, mit abgestumpten Ohren.

Nun will ich noch die übrigen kleineren aus weislichem Metalle ganz dünn gearbeiteten Stücke ganz kürzlich anführen, durch deren hin und wieder abgeschmolzene Kanten, oder Ränder, und dünne Theile die oben geäusserte Muthmassung, daß sie eine Feuersbrunst ausgestanden haben, noch mehr bestätiget wird.

13) Eine halb bekleidete Frauensperson, eines Fingers lang und breit, von der Dicke eines Federkieles.

14) Ein Säbel, eines halben Fingers lang.

15) Eine Traube, von der Größe einer kleinen Haselnuß.

16) Ein kleines Opfergefäß, oder vielleicht nur ein Zierrath oder Theil eines Bildes, als ein Hunds= oder Löwenkopf gebildet. Andere sehen diesen


6) Dies soll die Sieba sein, welcher Name in vollkommen deutlichen Runen auf dem Rocke zu lesen ist; diese scheinen damals noch durch den bedeckenden Rost unkenntlich gewesen zu sein. - F. B.
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mir zweifelhaften Kopf für einen Büffelskopf an; allein die Hörner fehlen, und die Ohren sind nicht spitzig, sondern abgestumpft.

17) Ein Bildchen, fast wie Nr. 13, halb erhoben gearbeitet, und auf der hintern platten Seite stehen erhobene Runische Buchstaben.

18) Eine Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, 1 Zoll lang.

19) Ein fliegender Mercurius, einen Finger lang, sehr spillerig gearbeitet; wenigstens hat er grosse Flügel an den Füssen.

20) Ein Dudelsackspieler, eines Fingers lang, mit einem langen zwischen den Beinen herabhängenden Beutel, und einem Degen, oder Hirschfänger, an der linken Hüfte. Hinten auf der platten Seite stehen erhabene Runische Buchstaben, aus welchen Mifitzd herauszubringen zu sein scheinet.

21) Eine sich erhebende Figur, welche die rechte Hand mit einer hinter dem Kopfe herumgehenden ausgebreiteten Decke empor hält; der linke Arm aber fehlet gänzlich, wie denn auch der eine Fuß unter dem Knie, und der andere hart über dem Knöchel abgebrochen und verlohren ist.

23) Ein ausgestreckter linker Arm, eine ausgebreitete Decke haltend, der wahrscheinlich zur vorigen Figur gehöret, ob er gleich nicht daran passen will; vielleicht weil er abgeschmolzen, oder wenigstens der Bruch rund zugelöthet ist.

24) Ein Genius, mit deutlicher Schaam, (dergleichen man an den vorigen Stücken nicht bemerket) einen Palmenzweig in der Linken haltend, und die Rechte auf den Rücken legend, sehr gut gearbeitet und eines halben Fingers lang.

25) Ein dergleichen auf einer Pfeiffe spielend.

26) Ein weidender oder äsender Hirsch, drei Viertel Zoll hoch, halb erhoben gearbeitet, mit erhobenen Runischen Buchstaben auf der platten Seite.

27) Eine stehende Frauenfigur, von hinten anzusehen, eines Fingers lang und breit, ganz dünne gearbeitet, trägt einen Bogen und Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken, und zeiget auf der vordern ganz platten Seite erhabene Runische Buchstaben.

28) Das Bild eines alten Mannes, einen Finger lang, hinten mit dem Kopfe des Pans oder eines Satyrs versehen, und oben auf dem Kopfe ist noch ein schräg liegendes Menschengesicht.

29) Ein ganz nackender sehr sauber gearbeiteter Genius, zween Zoll lang, auf dessen Kopfe sich zween Vögel paaren oder treten.

30) Ein dergleichen, als tanzend gebildet, hält in der Rechten eine Opferschaale, und die Linke ist gleichfalls ausgestreckt, und auch sehr gut gearbeitet.

31) Eine kleine Gruppe, auf welcher sich zwo neben einander stehende und fast als Läufer gekleidete Personen umfassen, mit einem Fußgestelle, zusammen einen Finger lang und gleichfalls sehr gut gearbeitet.

32) Eine Platte, eines Guldens groß, aber nicht völlig so dick, als ein abgerundetes Quadrat gestaltet, worauf zwo tanzende Personen halb erhoben gearbeitet sind, und deren platte Seite erhobene Runische Buchstaben enthält.

33) Eine dergleichen, die eine Enthauptung vorstellet, indem ein Mann in der rechten Hand ein Schwerdt empor hebet, und in der linken einen abgehauenen Menschenkopf hält, und zwischen seinen Füßen liegen der Rumpf und Körper; ist hinten ganz glatt, und ohne Buchstaben. Das Uebrige sind unbildsame Trümmer und Kleinigkeiten. Ich bin etc. .


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Zweites Sendschreiben an Sr. Hochw. Hrn. Doctor. Schütze in Hamburg, welches einen Beitrag zu der neulich im ersteren ertheilten vorläufigen Beschreibung der vor kurzem zu Neubrandenburg im Mecklenburgischen entdeckten Götzenbilder und Alterthümer des nördlichen Heydenthums enthält.

Nachdem der nunmehrige Besitzer demjenigen Schatzes von Alterthümern, von welchem ich Ihnen neulich eine vorläufige Nachricht ertheilet habe, aus verschiedenen ihm zu Ohren gekommenen Anzeigen in Erfahrung gebracht hatte, daß der Goldschmied in Neubrandenburg, der ihm solchen überlassen, die allergrösseste Puppe noch zurückhalte und vor ihm verberge; so ruhete er nicht eher, als bis er auch diese gesehen, und sie nebst dem dabei befindlichen Reste der gottesdienstlichen Alterthümer, zusammen zehen Stück, käuflich an sich gebracht, dadurch diese ganze noch übrige Sammlung, welche ehedem in zween metallenen (vermuthlich Opfer=) Kesseln eingepackt, zu Prillwitz gefunden und ausgegraben worden, unzertrennet dem Schmelztiegel entrissen hat, ausser einem oder zween kleinern Götzenbildern, welche bereits vor geraumer Zeit das für alle Kenner und Liebhaber der Alterthümer so sehr zu bedauernde Schicksal des Einschmelzens erfahren haben. Da ich nun diesen Rest gleichfalls gesehen und in Händen gehabt habe. so halte ich mich für verbunden, durch gegenwärtigen Anhang zu meiner vorigen Beschreibung, Ihnen gleichfalls Nachricht davon zu geben, und dadurch jene zu ergänzen. Und ob auch gleich der jetzige gelehrte Herr Besitzer dieses Schatzes eine vorläufige Beschreibung davon zur Bekanntmachung entworfen, so glaube ich doch, durch diese meine geringe hierunter genommene Bemühung, bei Ihnen sowol, als bei andern, einigen Dank zu verdienen; zumal da es doch meistens einigen Nutzen hat, wenn mehrere Personen eine und dieselbe Sache nach einer genauen Besichtigung, auch allenfalls ohne beigefügte Abbildung, deutlich und umständlich beschreiben; weil doch gemeiniglich der eine mehr davon, als der andere, zu bemerken pfleget.

Was ich Ihnen also hier beschreiben will, sind vier Opfermesser, zwo Opferschalen, und vier Götzenbilder; welche gesammte zehen Stücke, ausser den beiden letztern, mancherlei, und wol mehrere Beschädigungen, als die in meinem vorigen Briefe beschriebenen, von einem ausgestandenem Brand erlitten haben.

Die Opfermesser sind sämmtlich von etwas weißlichem Metalle, und von verschiedener Länge, drei bis sechs Zolle lang, und drei davon sind etwas gekrümmet, oder genauer zu reden, sie erscheinen zwischen dem kurzen Handgriffe und dem zweischneidigen Messer selbst, zu einem stumpfen Winkel eingeknickt, und sind ganz dichte (massiv) ohne einige Höhlung. Die Handgriffe sind länglich rund, oder walzenförmig, eines Fingers dick, und die Lämmeln, Laminae, lanzenförmig, oder wie eine große Lichtflamme gestaltet, an den beiden grössesten beinahe einen Zoll breit, und laufen am Ende ganz spitzig zu, haben noch ziemlich scharfe und dünne Schneiden, die von der Dicke eines kleinen Fingers (welche auf beiden Flächen einen gleichfalls etwas scharf sich erhebenden Strich der ganzen Länge nach ausmachet,) etwas hohl und bogenförmig ausgeschweifet sind. Ihre ganze Oberfläche aber ist löcherig und als zerfressen, ohngefähr so, wie das Kupfer auf dem hohen Ofen aussiehet, aus welchem das darin enthaltene Silber ausgeseigert ist. Doch lieset man auf einem der grössesten noch den Namen: Sieba, ganz deutlich, mit eingestochenen Runischen Buchstaben.

Die beiden Opferschalen sind, die eine Oval= und die andere Zirkelrund, von der Grösse eines harten Thalers, beide einen Zoll tief, und mit den waagrecht stehenden bogenförmigen Handhaben gegen sechs Zoll lang, deren jene an jedem Ende eine hat; diese aber hat drei dergleichen gehabt, davon eine grössere an dem einen, die andern beiden kleinern aber an dem andern Ende nahe bei

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einander gesessen haben; doch ist von letztern nur noch eine vorhanden, die andern aber abgeschmolzen. Ueberhaupt aber sind diese Handhaben nur ganz grob und mit schräg überlaufenen Strichen obenher gearbeitet. In der runden Schale erscheinet auf dem Boden die in meinem vorigen Schreiben schon vorgekommene Affenfigur, nebst dem dabei stehenden Worte Sieba mit Runischen Buchstaben; in der ovalen aber ein ziemlich gut erhoben gearbeiteter Menschenkopf mit einem Helm und starken Barte, von welchem sieben bis acht Strahlen, oder vielmehr gleich dick erhabene Striche oder Stäbchen gerade bis zum Rande des Bodens auslaufen; doch ist der eine davon unter dem Kinne, wegen eines ausgeschmolzenen Loches nicht mehr zu sehen.

Nun komme ich zu den vier Götzenbildern, welche nicht minder beträchtlich sind, als die in meinem vorigen Briefe beschriebenen, und, weil die beiden erstern hohl gearbeitet und gegossen sind, hin und wieder eingeschmolzene Löcher, sämmtlich aber an ihren dünnen Theilen und Rändern starke Beschädigungen an sich zeigen.

Das erste stellet eine bis über die Knie bekleidete Menschenfigur vor, einer mäßigen Spanne oder sechs Zoll lang; hat vorn ein Mopsgesicht, und über demselben in der Mitte eine vorwärts fast spitzig hervortretende Beule, fast wie ein kurzes Horn eines Rhinoceros gestaltet, und an der rechten Seite des Kopfes befindet sich eine niederwärts auslaufende Verzierung, fast wie ein kurzes und breites niederhangendes Ziegenhorn, dergleichen auf der linken Seite abgeschmolzen zu sein scheinet. Die starker Barthaare endigen sich mit zween dünnen und schlangenförmig bis auf den Gürtel herabhangenden, auch ganz grob nur mit einem Striche gearbeiteten Flechten. Hinten am Kopf aber erscheinen zwei kleinere neben einander stehende halbe und erhobene Menschengesichter, von welchen das eine zur Rechten noch ziemlich deutlich, das andere aber sehr beschädiget und undeutlich gemacht ist. Die darunter befindlichen Haare laufen in eine ebenmäßige Flechte zusammen. Welche schlangenförmig auf dem Rücken bis gegen den Gürtel herunter reichet, und von da gekrümmet etwas hinaufgeboben sich in eine pfeilförmige Spitze endiget. Beide Arme sind ausgestreckt und vom Leibe abgehalten, und zwar der rechte niederhangend, der linke aber etwas emporgehoben. An diesem Bilde erscheinet mit Runischen Buchstaben der Name: Voda; und darunter Rhetra.

Das andere ist vermuthlich ein Jagdgott, siebentehalb Zoll hoch und vor andern gar sehr beschädiget. Er hat ein Mopsgesicht, mit vielen Haaren umgeben, um welches in einer bogenförmigen Linie kleine spitzige gerade hervorstehende Stacheln, etwa einen Viertel Zoll lang, vorwärts gekehrt herumstehen, von denen auf der linken Seite noch vier, auf der rechten aber nur einer, übrig sind, so daß wenigstens vier weggeschmolzen zu sein scheinen. Die in Vergleichung mit dem Körper sehr groß gearbeitete rechte Hand, welche nur noch allein übrig ist, lieget vorn an dem Bauche, doch nicht vest nieder, und weil sie etwas gekrümmet ist, scheinet sie einen fast kugelförmigen Körper zu halten. Unten aus dem linken Schoosse des Kleides, welches bis über die Knie herunter hänget, raget wagrecht ein dickes aufwärts gekrümmtes Horn hervor, welches vermuthlich die eine Hälfte der Mondfigur ist, womit Diana auf dem Kopf abgebildet zu werden pfleget; die andere aber zur Rechten ist weggeschmolzen; wie denn auch wirklich oben an der linken Seite des Kopfes ein ebenmäßiges aufwärts gekrümmetes, doch kleineres Horn hervorraget, welches man für ein Eselsohr halten könnte, dafern die Krümme nicht dawider wäre; auf der linken Seite aber fehlet dergleichen ebenfalls. Diese beide hornförmige Zacken, wie auch die runden seulenmäßigen Füsse sind reihenweise der Länge nach mit kleinen spitzigen Puckelchen besetzt, welche ihnen eine gurkenähnliche Oberfläche geben. Oben auf dem Rücken und zwischen den Schultern erscheinet ein ovales Jagdbild, ziemlich gut gearbeitet, welches einen Hirsch vorstellet, der von Hunden angefallen und gehalten wird. Unten auf den Schössen des

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Rockes stehet ein ebenmäßiges Jagdstück, worauf ein wildes Schwein, das von Hunden angefallen wird, abgebildet ist. Von welchen letzteren der eine, der die Bestie an das eine Ohr fasset, obenher in der Luft und mit den Füssen hinaufwärts gekehret erscheinet. Hinter dem sich umsehenden wilden Schwein aber stehet eine Menschenfigur, die ihm einen Sauspieß entgegenhält, als bereit, ihm einen Fang damit zu geben, oder es aufladen zu lassen. Zwischen diesen beiden Jagdstücken endlich stehet auf dem Rücken der Name Ipabog mit eingegrabenen Buchstaben deutlich zu lese.

Das dritte Bild ist vor andern gut und unbeschädigt erhalten, und sechs Zoll lang. Es stellet dasselbe einen ziemlich wohlgearbeiteten liegenden Mopshund, gegen drei Zoll lang, und zween hoch, mit aufgerichtetem Kopfe, breitem Maul, und einem Halsbande, vor, auf einem oben breiten und unten etwas schmaler zusammenlaufenden, platten, und mit scharfen Kanten oder Schneiden versehenen Fußgestelle, 4 Zoll hoch. Welches man für einen Fischschwanz ansehen kann. Oben ist solches beinahe drei Zoll breit und einen Zoll dick; unterwärts ziehets sich allmählig zu einer Breite von drei Viertel Zoll zusammen, wird auch hier merkwürdig dünner; ganz unten aber wirds wieder etwas breiter und dicker. so daß dessen Grundfläche, die aber doch nicht glatt, sondern umgeben und abgeschmolzen erscheinet, eine längliche Rauten= oder Weckenfigur, einen Zoll lang, und einen halben breit, bildet. Auf beiden Seitenflächen ist es mit drei bis vier Reihen scharfer und spitziger kleinen Puckelchen der Länge nach herunter besetzt, die ihm eine gurkenförmige Gestalt geben, oder es einer Reibe ähnlich machen.

Das vierte und beträchtlichste Bild endlich [bei Masch: Schuaixtix] ist ein durchgehends dichtes oder massives Kniestück, sieben Zoll hoch, über drei Zoll breit, und zween Zoll im Leibe dick, daher es auch sieben und ein Viertel Pfund wieget. Es ist selbiges eine ziemlich gut gearbeitete geharnischte Mannsgestalt mit einem nach Verhältniß etwas zu klein gehaltenen Kopfe, der ein vorwärts gekehrtes Hundsgesicht mit spitziger Schnauze zeiget. Die Gewandung oder das Paludament hänget hart unter dem Kopf über die Brust und rechte Schulter nach dem Rücken hinüber geschlagen herum, und der Harnisch ist mit einigen Zierrathen, sonderlich vor dem Bauch unter dem Gürtel, gearbeitet. Der rechte Arm ist seitwärts niedergesenkt, und unten etwas vom Leibe abgebogen; der linke aber in die Seite gesetzet; doch so, daß der Raum zwischen beiden Armen und dem Leibe mit einer dünnen Wand von Metall ausgefüllet ist, welches von der damals noch schlechten Kunst zu modelliren zeuget. In der rechten Hand hält dieses Bild einen starken aufgerichteten Stab, eines Fingers lang, der sich oben mit einer gestreiften und etwas abgeschmolzenen Spitze endiget und für eine brennende Fackel angesehen werden könnte; daferne man nicht lieber einen beschädigten und unkenntlich gewordenen Scepter daraus machen wolte; ein Schwerdt aber ists gewiß nicht; denn dessen Gefäß erscheinet auf der linken Hüfte, als ganz gerade herunterhangend. Weiter aber reichet auch diese Figur nicht, als bis auf die Mitte der Lenden, wo sich das aufgeschlitzte und als mit verschiedenen ledernen Riemen herabhängende Panzerhemd in einem abgestumpften Klumpen dergestalt endiget, daß theils deutlich daran wahrzunehmen ist, es sei nicht länger gewesen, und die Füsse seyn keinesweges etwa durch einen Zufall abgeschmolzen; theils aber, daß das aufgerichtete Bild auf dieser Grundfläche nicht gerade stehet. sondern auf die rechte Seite etwas überhänget. Auf dem Rücken erscheinen Runische Buchstaben, aus welchen man theils: Schuaym oder, wie andere wollen: Schugatz; theils Rhetra zusammenlesen kann. Die ganze Oberfläche ist übrigens ziemlich glatt und sehr wohl erhalten, und die Zusammensetzung des Metalle hält durchgehends den Strich mit sechslöthigem Silber; ausser einem kleinen Puckelchen, das sich oben auf dem Kopfe, nach der rechten Seite zu, befindet, und den Strich des reinen Geldes zeiget, auch daher vermuthen lässet, daß vielleicht eine goldene Krone, oder ein anderer Kopfputz, hier ehedem aufgelöthet gesessen habe.

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Darf ich hier noch eine Vermuthung von der verschiedenen Zusammensetzung des Metalles wagen, woraus die sämtlichen Sachen und Alterthümer bestehen, so rühret solche vielleicht daher, weil man vermuthlich zu verschiedenen Zeiten jedes Stück von demjenigen gegossen hat. Was mehrere Personen dazu an Hausrathe, Kleinodien und Schmuck, den sie bisher gebrauchet hatten, zum Einschmelzen zusammengebracht und hergegeben haben.

Dieses ists, was ich aus flüchtiger, doch aufmerksamer Besichtigung dieser übrigen neu hinzugekommenen Stücke Ihnen melden kann; und ich könnte hier schließen, wofern ich nicht noch ein paar Worte von der kurzen und allgemeinen Anzeige dieser gesammten Entdeckung hinzufügen hätte, welche in das 26ste Stück des Corresp. d. J. eingerücket worden; um aller besorglichen Mißdeutung derselben zuvor zu kommen.

Ueberhaupt und im Ganzen betrachtet, hat es mit derselben seine völlige Richtigkeit, und dasjenige, was einige darin, zumal bei Vergleichung mit meiner umständlichen Nachricht, als unrichtig bemerken möchten, wird durch folgende wenige Einschränkungen und Zusätze sich leichtlich berichtigen, und in völlige Uebereinstimmung setzen lassen: 1) Zuvörderst ist zu merken, daß solche eher entworfen worden in, als die jetzt von mir beschriebene zehn Stücke zu den damals bekannten 37 hinzugekommen sind. 2) Die eingeschlichenen Schreibfehler, da Rhunisch zweymal, und erugo einmal vorkömmt, sind nicht auf des Concipienten, sondern desjenigen Rechnung zu setzen, dem jener den ganzen Aufsatz, aus Bewußtsein seiner eigenen unleserlichen Hand, in die Feder dictiret hat; und was 3) von einem kupfernen Grapen dort gemeldet worden ist, das hat nachher bei genauerer Erkundigung seine nähere Bestimmung dahin erhalten, daß sämmtliche Stücke in zween gegossenen metallenen Kesseln eingepackt gefunden worden sind, und zwar 4) bei Prillwitz, welcher Name durch einen Zufall wider die Absicht des mir bekannten Concipienten ausgelassen worden ist; da dessen Beifügung zu der gleich anfänglich gedachten nähern Bestimmung der eigentlichen Lage der ehemals so berühmten grossen Stadt Rhetra, oder wenigstens des darin befindlichen Pantheons, nöthig war. 5) Daß diese sämmtliche dort gefundene Sachen damals sofort dem dortigen Geistlichen zugestellt worden sind, erhält, auf eingezogene genauere Erkundigung, seine nähere Zeitbestimmung dahin, daß solches weit länger, als vor 70 Jahren, geschehen sein müsse; da derselbe bereits 1689 gestorben ist. 6) Was von dreyßig Götzen und den dazu gehörigen Opferschalen daselbst gemeldet wird, ist einschließungsweise, und von diesen sämmtlichen Stücken des Alterthums zu verstehen, welche Anzahl doch nunmehr durch die eben von mir beschriebene andere und letzte Entdeckung bis auf 47 Stücke vermehret worden, worunter freilich nur kaum der dritte Theil eigentliche Götzenbilder vorstellet. Wenn auch 7) Radegast für das grösseste ausgegeben wird, so rühret solches aus Mangel der Vergleichung der gesammten Bilder her, die der Concipient damals noch nicht alle gesehen hatte; denn der Augenschein zeiget, daß der Podaga sowol damals schon, als auch nunmehro, der Jagdgott Ipabog, und der siebenpfündige Schugatz, an Grösse den Radegast merklich übertreffen, und dessen angegebene ziemliche Höhe, ist vergleichungsweise mit den meisten andern kleinern Stücken zu verstehen, und auf 6 Zoll einzuschränken. 8) Die angefühte Nemesis ist etwas zu bestimmt und entscheidend ausgedrückt, und rühret lediglich von den damals erst herausgebrachten Anfangsbuchstaben des Namens Nem. her; welcher sich hernach bei genauerer Untersuchung zu Nimusai entziefern lassen. 9) Was von dem an allen Stücken befindlichen edlen Roste (aerugine nobili) gemeldet wird, solches findet bereits im Anfange meiner ersten Nachricht seine nöthige Einschränkung und Bestimmung; und wenn 10) allen Stücken ein Strich, beinahe dem Kronengolde ähnlich, auf eine etwas allzumilde Weise, beigeleget wird, so sind davon theils die in meiner ersten Nachricht beschriebenen kleinern Stücke auszunehmen, und der Ausdruck: Kronengold, auf Mittelgold einzu=

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schränken. Ueberhaupt aber bemerke ich hier nur noch, daß bei weitem noch nicht alle einzelnen Stücke auf dem Probiersteine gestrichen und mit einander verglichen sind, und daß insbesondere die Angabe des Mittelgoldes und sechslöthigen Silbers nicht etwa bloß auf die Aussage des Verkäufers beruhe. 11) Das angegebene Gewicht der gesammten Alterthumsstücke zu 15 Pfund wird nunmehr wenigstens auf 25 Pfund gesetzet werden müssen. Und wenn endlich 12) beim Schlusse behauptet wird, daß diese Stücke die einzigen Monumente dieser Art seyn, so werden solches billige Leser von selbst von den bisher dem Concipienten bekannt gewordenen Originalstücken von Götzenbildern des nördlichen heydnischen Alterthums verstehen, da man sich übrigens freilich wohl wird zu bescheiden wissen, theils, daß damit den hier und da in den Alterthumssammlungen befindlichen Stücken von Waffen, Hausrathe und gottesdienstlichen Geräthschaften, ja auch Götzenbildern der alten Deutschen ihre erweisliche Aechtheit und Authenticität gar nicht abgesprochen sei, theils, daß der ächte Püsterich zu Sondershausen aufbehalten werde. Ueberhaupt aber scheinen mir diese Stücke, welche von allem Verdacht einer vorsetzlichen Betrügerey entfernet sind, und ihren vornehmsten Werth durch ein hinzugefügtes Notariatsinstrument über die Wahrheit ihrer Auffindung und bisherigen Gefangenschaft und Verbergung erhalten müssen. Weit mehreres Ansehen und grössere Wichtigkeit in Bestimmung der wahren Gestalt des Radegast's, Zernebocks, Podaga etc. . zu haben, als alle bisher bekannt gewordene Beschreibungen und Abbildungen dieser Götzen, welche sonder Zweifel nur aus mündlicher Ueberlieferung und Hörensagen, nicht aber aus dem Augenschein, entworfen und verfertiget worden. Ich bin etc. .

G. B. Genzmer.     

Stargard, im Mecklenburgischen den 7. März 1768.


3. Dritter Bericht.

Aus den Erneuerten Berichten von Gelehrten Sachen,

Rostock, 1768, den 25. Februar, 8. Stück.

Es ist zwar freylich der Geschmack an der Forschung der Alterthümer zu unsern Zeiten noch lange nicht so algemein, daß man hoffen könnte, eine dahin gehörige Nachricht werde den Beyfall aller Leser erhalten. Es giebet, zur Schande unserer sonst aufgeklärten Tage, noch immer Gelehrte, (denn so wollen sie wenigstens heissen, mit welchem Rechte, das mögen sie selbst wissen,) die die Bemühungen der Geschichts= und Alterthums=Forscher mit der Brodwage abwägen; und, da sie alsdann natürlicher Weise zu leicht befunden werden, sehr schnell das Urtheil der Verdammniß über sie aussprechen. Doch, diese Leute sind schon dafür bestraft genug, daß sie sich selbst eines Vergnügens berauben, welches alle diejenigen, die es kennen, für eines der grössesten in dem weiten Reiche der Wissenschaften halten. Wir wollen uns nicht die Mühe nehmen, sie zu bekehren; sie mögen immerhin in ihrem Maulwurffs=Stande bleiben; sie sollen nicht an das Licht kommen, dessen Schönheit sie doch nicht zu erkennen vermögend sind. Es giebet aber doch auch noch mehrere Gelehrte, wenn gleich ihre Anzahl gegen die andern sehr geringe ist, welche den ächten innerlichen Werth der Geschichte und Alterthümer besonders der vaterländischen zu schätzen wissen und diejenigen verehren, welche weder Mühe noch Kosten scheuen, diesen

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Wissenschaften ein neues Licht anzuzünden. Unter unsern Lesern werden sich gewiß auch einige dergleichen finden. Und diesen sei die folgende Nachricht gewidmet:

Im vorigen Jahrhunderte, wieweit man das eigentliche Jahr, bey dem inzwischen erfolgten Absterben derer, die dabey intereßirten, nicht genau angeben kann, wurden zu Prilwitz, einem Guthe des Herrn von Bredow am Süder Ende des Tollenser Sees eine beträchtliche Anzahl solcher Alterthümer ausgegraben, die alle Kennzeichen der ächten wendischen an sich haben. Einer Tradition nach, die sehr unschuldig und aufrichtig scheinet, wurden sie von dem damaligen Besitzer dieses Guthes, vermuthlich einem Hn. von Blankenburg, seinem Prediger Sponholtz zu Prilwitz geschenket. Von diesem wurden sie auf eine in der Stadt Neubrandenburg wohnende Goldschmidts=Familie gleiches Nahmens vererbet. Diese wuste keinen weitern Gebrauch davon zu machen, als sie zum Andenken eines alten Vetters aufzuheben. Niemand sonst hat davon etwas gewust, weil die Besitzer es nicht der Mühe werth geachtet, davon zu erzählen. Nur ganz kürzlich kam der in der Forschung der Alterthümer, so wie der Naturlehre unermüdete dortige Arzt, Herr Dr. Hempel, ganz von ohngefähr auf die Spuhr und kaufte die ganze Sammlung, welche etwa aus 45 Stücken bestehet, an sich. Weil die Besitzer verschlagen genug waren, ihm seine ädle Neugierde anzumerken; so muste er sie theuer genug bezahlen. Genug, sie sind nunmehr in den Händen eines Mannes, der sie zu schätzen weiß. Der Herr Land=Syndicus Pistorius, ein Mann, dessen Känntniß von dergleichen Sachen unsers Lobes nicht bedarf, ist in Untersuchung dieser Seltenheiten ein Gehülfe des Herrn Dr. Hempel geworden. Beyde würdige Gelehrte haben sich vereint bemühet, die Figuren selbst zu erklähren, die Runischen Inschriften derselben zu entziffern und die Wendischen Worte zu erklären. * ) Eine vorläufige, an einen unserer Mitglieder übersandte Beschreibung erreget das Verlangen nach der Erfüllung des Versprechens, das Resultat der Untersuchungen dem Publicum mitzutheilen. Die gefundenen Alterthümer selbst sind von allerhand Arten von Metall, von verschiedener Grösse und Schweere. Es ist darunter eine von rothen Metall gegossene Statue des Radegast, 6 1/2 Zoll rheinländischer Maaße hoch und 1 Pf. 12 Loth schwehr; eine Statue des Zernebog von vermischten Metall, 5 Zoll hoch, 1 Pf. 11 Loth schwehr; das Wapen der Wenden von vermischten Metall, 1 Pf. 13 Loth schwehr; die Statue des Podaga von vermischten Metall, 6 1/4 Zoll hoch, 2 1/2 Pf. schwehr; die Statue der Sieba, 5 Zoll hoch, 20 1/4 Loth schwehr und viele andere dergleichen, deren Beschreibung für diese Stelle zu weitläuftig seyn würde. Es ist fast keine Figur, die nicht mit Runischen Aufschriften versehen wäre. Sie dienen alle vortreflich dazu, den Helmold, den Adam von Bremen, den Bischof Dithmar von Merseburg und andere alte Geschichtschreiber in sehr vielen Stellen zu erläutern; insonderheit aber das Problem von der Lage der Stadt Rhetra mit einer Wahrscheinlichkeit, die der Gewißheit sehr nahe kommen muß, solchergestalt aufzulösen, daß es auf der südlichen Spitze des Tollenser Sees müsse gelegen haben.

Dies ist nur eine entfernte Anzeige, und ein mehreres wollte der Raum nicht verstatten. Unser Endzweck ist erfüllet, wenn wir nur einen oder andern Kenner nach der vollständigen Abhandlung, die wir von dem Herrn Pistorius über diese Alterthümer zu erwarten haben, begierig gemacht. Mögte sich doch ein Verleger finden, der großmüthig genug wäre, die Kosten zu denen dabey nöthigen Kupferstichen und dem Druck der Runischen Buchstaben, ohngeachtet der wenigen Liebhaber zu dergleichen Sachen, zu übernehmen.



*) weswegen auch Herr Pisiorius bereits einen Briefwechsel mit dem Herrn M. Körner in Bockow, dessen Abhandlung von der Wendischen Sprache im 37. St. dieser Berichte vom vor. J. angezeiget worden, angefangen.
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4. Vierter Bericht.

Aus den gemeinnützigen Aufsätzen

aus den Wissenschaften für alle Stände, zu den Rostockschen Nachrichten,
1769, Achtes bis Zwölftes Stück, 22. Febr. bis 22. März.

Kurze Beschreibung verschiedener Wendischer Alterthümer, welche im Mecklenburgischen seit geraumer Zeit aus der Erde gegraben und etwa vor einem Jahre bekant geworden.

Die Geschichte der in dem folgenden Aufsatze beschriebenen Seltenheiten, ist zwar in dem achten Stücke der hiesigen erneuerten Berichte von gelehrten Sachen vom v. J. bekant gemacht. Da ich aber solche nicht in den Händen aller gegenwärtigen Leser vermuthen kan; so will ich, statt einer Einleitung, dasjenige, was ich dort erzählet habe, alhier kürzlich wiederholen: Im vorigen Jahrhunderte, wiewohl man das eigentliche Jahr, bey dem inzwischen erfolgten Absterben derer, die dabei intereßirten, nicht genau angeben kann, wurde zu Prilwitz, einem Guthe des Herrn von Bredow am Süder=Ende des Tollenser Sees eine beträchtliche Anzahl solcher Alterthümer ausgegraben, bey denen sich alle Kennzeichen der ächten wendischen finden. Einer Tradition nach, die sehr unschuldig und ausrichtig scheinet, wurden sie von dem damaligen Besitzer des Guthes, vermuthlich einem Herrn von Blankenburg, seinem Prediger, zu Prilwitz, Nahmens Sponholtz, geschenket. Von diesem wurden sie auf eine in der Stadt Neubrandenburg wohnende Goldschmidts=Familie gleiches Namens vererbet. Diese wuste keinen weitern Gebrauch davon zu machen, als, sie zum Andenken eines alten Vetters aufzuheben. Niemand sonst hat davon etwas gewust, weil die Besitzer es nicht der Mühe werth geachtet, davon zu erzählen. Nur vor etwa einem Jahre kam der in der Forschung der Alterthümer, so wie der Naturlehre unermüdete dortige Arzt, Herr Dr. Hempel, ganz von ohngefähr auf die Spuhr und kaufte die ganze Sammlung an sich. Weil die Besitzer verschlagen genug waren, ihm seine ädle Neugierde abzumerken; so muste er sie zwar sehr theuer bezahlen. Aber dafür sind sie auch nunmehro in den Händen eines Mannes, der sie zu schätzen weiß. Ein anderer dortiger Liebhaber der Mecklenburgischen Altertümer, ist in Untersuchung dieser Seltenheiten ein Gehülfe des Hrn. Dr. Hempel geworden. Beyde Gelehrte haben sich vereint bemühet, die Figuren selbst zu erklähren, die Runischen Inschriften derselben (denn es ist fast keine Figur, die nicht mit Runischen Aufschriften versehen wäre,) zu entziffern und die Wendischen Worte zu erklähren. Was aber bisher davon bekannt geworden, bestehet in einer vorläufigen kurzen Beschreibung und dem Versprechen eine vollständige Abhandlung über diese Alterthümer herauszugeben, wenn sich ein Verleger finden sollte, der großmüthig genug wäre, die Kosten zu denen dabey nöthigen Kupferstichen und dem Druck der Runischen Buchstaben zu übernehmen. Da aber hiezu noch kein Anschein ist; so ist es vielleicht einem oder andern Freunde von dergleichen Sachen nicht unangenehm, diese kurze Beschreibung alhier abgedruckt zu lesen. Den Nutzen davon sehen Kenner schon ohne mein Erinnern ein. Die gegenwärtige Sammlung empfiehlet sich besonders, wie der Augenschein zeiget, dadurch, daß alle darin anzutreffende Stücke vortrefflich dazu dienen, den Helmold, den Adam von Bremen, den Bischof von Merseburg und andere alte Geschichtschreiber in verschiedenen Stücken zu erläutern, insonderheit aber das Problem von der Lage der Stadt Rhetre mit einer Wahrscheinlichkeit, die der Gewißheit sehr nahe kömt, solchergestalt aufzulösen, daß sie auf der südlichen Spitze des Tollenser Sees müße

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gelegen haben. Die nicht Kenner sind, mögen meinethalben immerhin diese Dinge für Spielwerke der Gelehrten halten; nur müssen sie ihnen diese Spielwerke um so vielmehr gönnen da sie doch wenigstens unschuldig sind. Gönnen diese doch ihnen die ihrigen, die doch sehr oft gefährlich, oder wohl gar schädlich sind. Um einiger, wiewohl ich besorge, weniger Leser willen, muß ich doch anmerken, daß die Entzieferung der Runischen Buchstaben auf diesen Alterthümern nach den Alphabeten vorgenommen worden, welche sich in dem ersten Theile der Klüverschen Beschreibung des Herzgthums Mecklenburg, in dem vierten Theile der Monumentorum ineditorum des Herrn von Westphalen, in Keißlers Antiquitatibus septentrionalibus und in Dalins Schwedischer Geschichte erstem Theile, befinden.

Die bisher entdeckten Stücke sind diese:

1) Eine von rothem Metall gegossene, mit ädlem Rost überzogene Statue, welche 6 1/2 Zoll Rheinländischer Maaß hoch und 1 Pfund 12 Loth schwehr ist. Sie stellet den Leib eines Mannes vor, hat jedoch einen Kopf mit starkem herumhangenden Haaren, der einem Löwenkopfe am ähnlichsten komt und 1 3/4 Zoll breit ist. Auf dem Haupte sitzet ein Vogel mit geschlossenen Flügeln. Auf der Brust zeiget sich ein deutlicher Büffelskopf mit großen seitwärts gehenenden Hörnern, welcher mit der rechten Hand gehalten wird. Von dem linken Arm ist nur noch der oberste Theil daran befindlich, das Uebrige aber abgebrochen und verlohren gegangen. Auf den Vorderfalten des Gewandes, welches bis auf die Knie reichet und mit der altdeutschen Kleidung überein komt, wie auch auf dem untersten Saum desselben finden sich verschiedene Runische Buchstaben, von welchen man zur Zeit folgende Worte herausgebracht: und zwar auf der rechten Seite: ZERN auf der linken Seite: DLAIVENA. Die Füße sind bloß und stehen auf einem dünnen Postement. Hinten am Kopf sind folgende Buchstaben: RADEGAST auf den Schultern stehet: BELBOC unten auf der Breite des Gewandes: RHETRA. Die Statue ist übrigens hohl und durch das Postement gehet ein Loch, wodurch eine Stange zu stecken ist.

2) Ein proportionirter Löwe von vermischtem Metall 1 Pfund 11 Loth schwehr, welcher, wenn man ihn auf den Hintern setzt, 5 Zoll hoch ist, mit aufgesperretem Rachen und sehr deutlich bezeichneten großen Mähnen. Die beyden Vorderpfoten hält er in die Höhe an die Brust. Einen Schwanz hat er zwar jetzt nicht; an dem Orte aber, wo er sitzen sollte, ist ein Loch, woraus er vermutlich ausgebrochen und verlohren ist. Auf dem Kopfe desselben finden sich drey Runische Buchstaben, welche entweder: VMD oder: PMQ heißen. Auf der Mitte des Rückens nach dem Gesäß zu sind nachstehende Runische Buchstaben: ZERNEBORCG An der rechten Seite stehet: RHETRA an der linken Seite: VYA oder auch: PYA Ganz unten am Gesäß ist noch folgender einfache Buchstab befindlich: Y Der Löwe ist übrigens wie Num. 1. gleichfals hohl und so wohl am Hintertheile, als auch auf dem Kopfe befindet sich ein Loch, durch welches, der Erzählung nach, als er gefunden worden, eine Stange Eisen gegangen und auf dem Kopfe mit einer Schraube befestiget, aber vom Roste dermaßen zerfressen gewesen, daß sie gleich zerbrochen.

3) Ein fliegender Drache von vermischtem Metalle, 1 Pf. 13 Loth schwehr, mit aufgesperretem Rachen, in welchem sich, sowohl im obern, als untern Kinnbacken, sehr viele dicht an einander stehende Zähne zeigen. Der Schwanz ist in der Ründe geschlungen, dessen Spitze in die Höhe geht und sich mit gedoppelten Wiederhacken in der Forme, wie ein Runisches Rune endiget. Nächst an dem Kopfe hat er zweene Füße mit starken Klauen. In der Mitte desselben zeigen sich auf dem Rücken an beiden Seiten Brustbilder. Das, was auf der rechten ist, stellet eine Mannsperson vor mit starken Haaren und es scheinet, als wenn er eine Kette um den Hals hängen hätte, welche bis auf die Brust reichet. Das Brustbild auf der linken Seite zeiget einen zierlichen Frauenkopf

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mit gekräußten Haaren und das Gewand ist von der Beschaffenheit, wie man das Römische Frauenzimmer mit der Stola findet. Gleich hinter dem Kopfe im Genicke ist eine erhabene Röhre, die jedoch jetzund etwas ausgebrochen und von dem Anscheine ist, als wenn dies Stück ein starkes Feuer augestanden. Der rechte Flügel des Drachens ist annoch an der Röhre befindlich, der linke aber verlohren gegangen. Zwischen den Füßen gehet diese Röhe herunter und auf derselben erblicket man unter der rechten Pfote einen Käfer, der auf dem Rücken lieget und zwar solchergestalt, daß er den Kopf herunter, den Unterleib aber in die Höhe hat. Unter der linken Klaue zeiget sich wiederum ein kleines Brustbild mit einem männlichen Gesichte und, was er auf dem Kopfe hat, siehet dem Pelzgebräme von einer Mütze ähnlich. Die Röhre ist unten und oben offen und zu einer viereckten Stange aptiret. Auf dem Leibe des Drachen an der rechten Seite sind folgende Runische Buchstaben befindlich: ZIRNITRA Unter seinem Halse sind zwar gleichfals Runische Buchstaben, aber ihrer Undeutlichkeit halber hat man sie nicht zusammen bringen können. Ueber dem linken Fuß ist noch ein Runisches: v zu sehen. Die Länge des Stücks in der gegenwärtigen Positur hält 6 Zoll, wenn aber der Schwanz gerade ausginge; so würde es 9 1/2 Zoll betragen. An der linken Seite findet sich noch eine ovale erhobene Rundung, welche auf der Krümmung des Schwanzes lieget, jedoch nicht die zierliche Glätte hat, als der übrige Leib.

4) Eine Statue von vermischtem Metall 29 Loth schwer und 5 Zoll hoch. Welche eine Mannsperson im langen, bis über die Füße herunter hangenden Rock mit vielen Falten vorstellet. Das Gesicht hat an der Oberlefze einen zu beyden Seiten herabhängenden Stutzbart, sonst aber einen starken, bis auf die Brust herunter reichenden großen Bart. Auf dem Kopfe hat er eine Sturmhaube. Vom Halse an schießen rund um den Kopf neun Strahlen ab und auf der Spitze der Sturmhaube scheinet der zehnte weggebrochen zu seyn. Alle diese Strahlen sind auf dieser Seite platt, auf der Rückseite aber wie eine dreyeckte Pyramide gestaltet. Vor der Brust raget ein gefülleter Triangel 3/4 Zoll hervor, über welchen oberwärts die rechte Hand geleget ist. Der linke Arm ist nicht zu sehen. Auf den Falten des Kleids lieset man folgende Runische Schriften. a) PERCVN oder: VERCUN. Es ist noch ein Buchstabe übrig, welcher vermutlich ein C seyn soll; er ist aber deswegen nicht deutlich zu erkennen, weil daselbst etwas ausgebrochen. b) DEVVDITE. c) NE MVSEI. d) VNDMANA. Ganz unten, seitwärts der rechten Seite, stehen drey Buchstaben, von denen der erste und der letzte ein N und V sind; der mittelste aber ganz unkäntlich geworden. Auf dem zweyten Strahl von unten an der linken Seite stehen sechs Runische Buchstaben. Die beyden ersten sind ein S und A; der dritte ist nicht herauszubringen: die drey lezten aber sind: IDT. Drehet man diese Statue um; so zeiget sich zwar wiederum ein Bild mit einem langen über die Fuße hängenden Gewand, aber mit einem richtigen Löwenkopf, über welchem ein zugespitzter Raum folgende Schriften enthält: VERCVNVST oder: PERCVNVST. Auf den Falten des Kleides stehet folgendes: ENORMAV. Auf eben den Falten des Kleides stehen noch verschiedene Züge von Runischen Buchstaben, welche eine ganze Reihe ausgemacht haben, die aber durch den Brand und das Alter Schaden gelitten also daß nur noch der Buchstab V zu erkennen ist.

5) Eine Statue von vermischtem Metall, 6 3/4 Zoll hoch und 2 1/2 Pfund schwehr, welche auf der Vorderseite einen Menschenleib vorstellet, aber einen Thierkopf hat, der so vielerley Züge enthält, daß man noch zur Zeit sein Geschlecht nicht bestimmen kann. Denn 1. gleichet die Stirne, Schnauze und Maul einem Büffelskopf und 2. über der Stirne zeiget sich etwas Gekräuseltes, wie das Haar der Stirne in der Gegend des Kopfs. 3. von dem Maul gehet auf jedweder Seite eine stark erhabene geritzte Linie über einen Zoll lang, nach dem Platze der Ohren, welche das Ansehen eines Schnurbartes haben. Ohren

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aber sind nicht daran zu sehen. 4. an der Unterlefze erscheinet ein Ziegenbart. An der rechten Seite des Kopfes befinden sich zweene starke gerillt pyramidel=Strahlen und an der linken Seite drey dergleichen. Oben auf dem Kopfe sind Brüche zu sehen, woselbst vermuthlich eben dergleichen befindlich gewesen. Oberwärts der Stirne stehen folgende Buchstaben: VIFGAZ oder: PIFDAZ. Der Leib ist mit einem doppelten Gewand bekleidet, erstlich mit einem kurzen Oberkleide bis auf die Knie, von welchem auf jeder Seite ein Strahl von obiger Art niederwärts abschließt und dann mit einem langen Rock, der über die Füße bis zum Postement reichet. Der rechte Arm träget ein liegendes Thier auf der Brust, dessen Kopf zwar unkäntlich geworden, der Leib aber einem Rehe gleichet. Der linke Arm ist gleichfals an die Brust geleget. Auf der linken Seite des obersten Gewandes stehet: RHETRA. Auf dem untersten Gewande erblicket man 1. vorne: VB oder: PB. An beyden Seiten dieser Buchstaben sind noch andere, die aber wegen des erlittenen Schadens nicht zu erkennen. 2. an der rechten Seite: PODAGA auf der ändern Seite dieser Statue zeiget sich ein Kopf 2 1/2 Zoll breit und eben so hoch, welcher einem Löwengesichte gleichet, so die Stirne in tiefen Runzeln zusammen gezogen, den Rachen offen hat und die Zähne weiset. Jedoch hänget an beyden Seiten des Maules ein starker Schnurbart, einen Zoll lang, zu den Seiten herunter. Rund um den Kopf gehet eine starke Einfassung, welche mit vertieften Linien solchergestalt gezeichnet ist, als wenn sich die empörten Haare des ergrimmten Löwen um den Kopf herum schöben. Unter demselben tritt eine starke neunmal gekerbte Linie hervor, welche 2 1/2 Zoll lang über den Rücken gekrümmet zur Linken bis an das Ende des Oberleibes gehet. Vielleicht soll es einen Schwanz anzeigen. Hieneben zeiget sich ein Schwein oder Hund im vollen Laufe. Die Strahlen um den Kopf sind auf dieser Seite platt und es zeigen sich auf zweenen derselben an der rechten Seite folgende Buchstaben: Auf dem untersten: SAL auf dem zweyten: GHL, so alle nicht recht deutlich zu sehen. Unter dem Kinn stehen diese Buchstaben: ZHVT. Auf dem Oberrock sind folgende Buchstaben befindlich: 1. zur Rechten des Schwanzes: Podaga, zur Linken desselben: BILL. An dem Unterkleid linker Hand sind noch nachstehende Buchstaben zu lesen: LVN. Von beyden Seiten des Postements läuft ein Strahl in die Höhe. Die Statue ist übrigens gleichfalls hohl und durch das Postement gehet ein vierecktes Loch, zeiget aoer alle Merkmale eines ausgestandenen starken Feuers und ist hin und wieder ausgesprungen.

6) Eine gelbmetallene mit dem ädlen Rost überzogene Stange, 3 Zoll hoch 4 1/2 Pf. schwehr, an welcher drey Köpfe sitzen. Einer ist vorzüglich groß und das gewöhnliche Gesicht eines Satyrs mit einem großen Barte. Hinter demselben sitzet ein anderer, welcher etwas kleiner und gleichfals mit einem starken Bart versehen ist, dabey aber eine sehr verdrießliche Miene hat. Oben zwischen beyden lieget der dritte, an den großen gelehnet, eben wohl mit einem starken Bart. Der erste hat bloß ein starkes krauses Kopfhaar und keine Bedeckung. Der zweyte hingegen hat eine sehr erhabene Sturmhaube auf und der dritte ist mit einer kleinen Sturmhaube bedeckt. Schriften sind hierauf nicht zu finden.

7) Eine Statue von obbenantem Metalle, jeoch ganz dünue verzinnet, 20 1/4 Loth schwehr und 5 Zoll hoch, welche ein Frauensbild vorstellet, in einem Gewand, welches nur bis auf die Knie reichet. Das Gesicht ist sehr wohl gebildet und siehet überaus freundlich aus. Zu dessen beyden Seiten sitzen Haarlocken bis an die Wangen. Der Kopfputz ist eine in die Höhe stehende gekrausete Haube. Um den Hals gehet ebenfals etwas dickes krauses in Gestalt der krausen Priesterkragen, welche sich hinten in die Höhe ziehet. Die rechte Hand ist an den den Leib geleget, der linke Arm aber seitwärts ausgestreckt und in der Hand zeiget sich ein Bruch, daß etwas daraus verlohren gegangen; jedoch hänget noch ein kleines unförmliches Stückgen Metall daran. Auf dem

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Kopfe sitzet ein deutlicher Affe, der sich nach der linken Seite gekehret hat, den rechten Arm auf dem Knie stützet mit der linken Hand aber etwas in den Mund stecket. Die Füße der Person sind vom Knie an unbedeckt und die Plattfüße nebst dem Postement abgebrochen. Auf der Vorderseite erkennet man folgende Buchstaben auf dem Gewande: SIEBA. Hinten stehet am Kopfe: IA. Am rechten Arm: SIEBA. Auf den Rücken leidet der daselbst durch das Alterthum geschehene Schade nicht mehr, als: VA zu erkennen und an den Lenden und Fußen auf der rechten Seite: ISTRIN auf der linken: RAZIVIA. Die Statue ist übrigens gleichfals hohl.

8) Ein Kopf von einem Frauenzimmer, weiß Metall, eine Art Zinck, 3 Zoll hoch, 1 3/4 Zoll breit, 22 1/2 Loth schwehr, welcher mit vorgemeldeter Gestalt der Sieba viele Aehnlichkeit hat und so wohl in Ansehung der Haarlocken an den Seiten, als auch der gekräuseten Haube und des Gekrauseten an dem Halse mit jenem überein komt. Auf dessen Scheitel aber finden sich mehrere gekräusete Haare und neben dem krausen Halskragen gehet eine Schnur Perlen von den Schultern auf die Brust herunter. Auf demselben hinter der krausen Haube sitzet ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln, welcher eine Krone auf dem Kopfe hat. An dem hintern Theile desselben zeiget sich ein deutlicher Löwenkopf. Da aber sonsten dies Stück mit dem aerugine nobili stark überzogen, auch an einem Orte ausgebrochen ist; so bemerket man zwar annoch einige kleinere zerstreuete Erhöhungen, die man aber wohl nicht anders, als für ein starkes Brusthaar des Löwen beurtheilen kan. Uebrigens ist dieser Kopf gleichfals hohl und in dem Halse ist eine viereckte Oeffnung.

9) Eine metallene Weintraube 1 Zoll lang und 3/4 Loth schwehr, auf welcher der aerugo nobilis eben so, wie auf vorgemeldetem Kopfe, befindlich ist. Nach dem Verhältniß hat selbiger zu der Statue der Sieba gehören können, wovon obgemeldetes Ueberbleibsel annoch vorhanden ist.

10) Eine rechte Hand von gelben Metall, 1 1/2 Zoll lang, 2 1/4 Loth schwehr, woran der Zeigefinger ausgestreckt ist, die untern drey Finger aber einwärts gebogen sind. Sie ist zwar mit gleichem aerugine nobili, wie die beyden vorigen Figuren überzogen, aber zu groß, als daß sie zu selbigen gehören könne. In Montfancon Alterthümern Tab. CXIIII. sitzet an dem Feldzeichen Fig. 13. ohngefähr eine solche Hand, dergleichen diese im kleinen kann gewesen seyn. Und im übrigen sind auf Num. 8. 9. 10. keine Buchstaben zu entdecken.

11) Ein liegendes vierfüßiges Thier, 2 Zoll lang und 1 Zoll hoch, 13 Loth schwehr, von obgemeldetem Metall, ganz fein überzinnet, oder mit Blei übergossen, woran aber der Kopf, wie auch der hintere Theil und zwar dem Anscheine nach, durch Feuer, so stark beschädiget ist, daß man sein Geschlecht, so wenig nach dem Kopfe, als Schwanze mit Gewißheit bestimmen kann. Indessen scheinet der Körper dem Rindviehe am nächsten zu kommen und am Kopfe zeigen sich in der Gegend, wo sonst die Hörner sitzen, kleine Brüche. Ohngeachtet nun dies Stück auch sonst schadhaft ist; so zeigen sich dennoch auf selbigem folgende Schriften: Auf der rechten Seite: SICGSA auf der Linken: BERSTV. Um den Hals gehen zwey Parallellinien, als wenn es einen Halsband vorstellen sollte.

12) Ein Satyr von gemischtem Metall, 4 1/2 Loth schwehr, 2 1/2 Zoll hoch, der sehr sauber gearbeitet und sonst ziemlich conserviret ist nur, daß die beyden Arme daran fehlen. Der Kopf ist stark vorweg gestrecket und der Leib, wie auch die Knie sind gebogen, in der Stellung, als wenn er eine sehr schwehre Last zu tragen hätte und es lieget ihm auch auf dem Genicke ein länglicht runder Packen, auf dessen Ende zur Rechten: Z und zur linken: V zu sehen. Unter dem rechten Arm an der Brust zeiget sich: L. Längst dem Rücken bis in die Kniebeugung an der rechten Seite stehet: BERSTVON auf der linken Seite des Rückens: CRIVE. Unter dem linken Arm bis in die Kniebeugung lieset man folgendes: VEIDELBOT. Unter dem rechten Plattfusse: S. unter

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dem Linken: v. Dies Stück ist von zwoen hohlen Hälften zusammen gelöthet, welches man sonst bey keinem andern dieser Sammlung bemerken kann.

13) Eine circulirende Schale von vermischtem Metall, im Durchschnitt 6 Zoll und 2 Pfund 28 Loth schwehr, mit einem Rande, der 1 1/2 Zoll hoch ist. Der Boden ist platt und in demselben Mittelpunkt befindet sich ein Kopf, der sonst zwar dem Stierkopfe am ähnlichsten ist, aber keine Hörner hat. Aus dem Maule raget ein Stück Metall hervor, etwa 1/2 Zoll hoch, an welchem aber ein Bruch erscheinet. Von dem Kopfe schießen rund umher zehen schlangenförmige Strahlen nach der Peripherie, zwischen welchen eben so viele punktirte gerade Linien dahin gehen. Auf der inwendigen Seite des Randes lieset man folgende Worte, nämlich unter bemeldetem Kopfe rechter Hand: VRI linker Hand: SIEBA, an der linken Seite des Kopfes: RADEGAST. Gleich darüber stehet: REHTRA; gleich darneben lieset man: PODAGA. Hinter dem Kopfe am Rande der Schale: VI - - VZ. Die beyden mittelsten Buchstaben sind nicht mehr zu erkennen und endlich lieset man noch: PROVE. Unter der Schale findet man folgendes: ZIGHO. Auswärts ist die Schale mit erhabenem Zickzack gezieret und sie stellt auf vier kurzen Füssen. Am auswärtigen Rande finden sich diese Buchstaben: BELMC. Diese Schale hat jedoch hin und wieder Schaden gelitten und aus etlichen schwarzen Stellen lässet sich vermuthen, daß sie ein starkes Feuer ausgestanden.

14) Eine Schale von vermischtem Metalle 25 1/2 Loth schwehr, im Durchschnitt 4 Zoll mit einem Rande 1 Zoll hoch, und einem platten Boden. In desselben Mittelpunkt sitzet ein Vogel mit geschlossenen Flügeln, 1 1/4 Zoll lang, im Neste, um welchen über den ganzen Boden herum kleine länglichte Körner, wie Getreide, liegen. Um das Nest herum stehen folgende Buchstaben: RIADE GAST. Ueber dem Vogel am Ende der Flügel stehen diese beyden Buchstaben: IZ und an dessen Kopfe: IT.

15) Eine metallene Schüssel, 13 Loth schwehr, 2 1/2 Zoll im Durchschnitt, deren Rand 3/4 Zoll hoch und auswärts geriefelt ist. In dem Mittelpunkt des platten Bodens lieget ein Löwenkopf, um welchen folgende Worte zu lesen sind: Ueber dem Kopfe linker Hand: TO von dem rechten Ohr an bis unter den Hals: TSIBAZ. Unten hat diese Schale einen erhabenen Circul zum Fuß, in dessen Mitte sich eine Schnecke findet, bei welcher: R stehet.

16) Eine kleine metallene Glocke von hellem Tone, 2 1/4 Zoll im Durchschnitt, 1 1/4 Zoll hoch, 4 Loth schwehr, in deren Mittelpunkt aber ein Stück ausgebrochen und dadurch inwendig der Hacken zum Klöppel und auswendig der Grif verlohren gegangen. Am inwendigen Rande stehet: RAGDEGAST. Auswärts sitzen, in ungleichen Entfernungen, ein Frauens= und 3 Manns=Brustbilder.

17) Ein Cilinder von vermischtem Metall, 2 Pfund 10 Loth schwehr, 6 Zoll hoch, um welchen kleine und große Stäbe und Platten abwechseln. Eine Platte in der Mitte, welche 3/4 Zoll breit und von 2 Zoll Ausladung ist, hat in ungleicher Entfernung sechs solcher Einschnitte, wie man an den Kronenleuchtern zur Einhängnng der Arme machet. Zwischen selbigen finden sich folgende Worte: TH - ZVG - GAROV - NIGI - OARO - IRIOS -

18) Ein circulrundes hohes Stück von gleichem Metall, wie voriges, 2 1/3 Zoll im Durchschnitt, 3 3/4 Loth schwehr, von solcher Beschaffenheit, daß es an vorgemeldetem Cilinder Nnm. 17. zu einem Stabe kann gedienet haben. Auf demselben findet man folgende Buchstaben: VID.

19) Ein metallener Hacken, 4 1/2 Loth schwehr, welcher auf die Art gebogen ist, daß man es für ein Stück eines Armes an einem Kronenleuchter halten kann. Auf demselben stehen diese Buchstaben: ZI.

20) Eine sehr sauber gegossene kleine metallene Statue auf einem runden Postement, 3 1/4 Zoll hoch und 3 Loth schwehr, welche eine Mannsperson in völliger Kleidung vorstellet, mit einem kurzen, bis auf die Hälfte der Lenden

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reichenden Rock, weiten Hosen, die über dem Knie aufgeschürzet sind, wovon aber dennoch etwas über selbigen schläget. Sein Haupt ist mit einer rauch verbrämten, nach der linken Seite sich neigenden Mütze bedecket. Um den Leib gehet ein Gurt, an welchem auf der linken Seite ein Degen, in Gestalt der heutigen Hirschfänger, perpendiculär herunter, auf dem Bauche aber ein großer Beutel hänget, an welchem man eine, in der Länge herum gehende Vertiefung wahrnimt, als wenn er in zwey Theile abgetheilet wäre. Das Gesicht ist mit einem großen Bart bewachsen. In den Armen hält er an der rechten Seite einen Pfeiffenbock, dessen Windröhre in dem Munde stecket, die Pfeiffe, worauf er spielet, herunter gehet und die Schallhörner über die rechte Schulter gerichtet sind. Hinten ist es platt und, statt auf allen vorhergehenden Stücken die Charaktere mit dem Grabstichel eingestochen sind; so finden sich auf dem Revers dieses Stückes folgende große erhabene Runische Buchstaben gegossen: MISIZLA. Gleich bei dem A ist das Postement zerbrochen, wodurch also der letzte Buchstab des Wortes Zlav (Lob, Ruhm) verlohren gegangen. Es ist dies Stück mit dem aerugine nobili gar prächtig überzogen, durchgehends aber von so verhältnißmäßiger geschickter Zeichnung, daß man die Kunst unserer alten Wenden bewundern muß, und es soll wohl schwehrlich Jemand ein so sauberes und die vollständige Wendische Kleidung zeigendes Stück aufzuweisen haben.

21) Eine dergleichen kleine Statue eines Mannes, 3 Zoll hoch, 3 1/2 Loth schwehr, der sich jedoch von der Rückseite präsentiret, sonst aber eben eine solche Mütze, wie der vorige Wende, auf dem Haupte hat, welches so stark nach der linken Seite gekehret ist, daß man diese Hälfte des Gesichtes erkennen kann. Er hat einen kurzen Rock an, der jedoch bis an die Kniebeugung reichet und, an statt, daß die Ermel des Kleides in der vorhergehenden Statue bis an die Hand gehen; so reichen sie hieselbst nur bis an den Ellenbogen. Von der rechten Schulter gehet ein breites Gehenk nach der linken Seite, woselbst ein breites kurzes Schwerdt nicht ganz perpendiculär daran hänget. Hinter ihm sitzet ein großer Hund, dessen Kopf stark behangen ist. Der Revers ist eben, wie voriger, platt, auf welchem sich oben eine erhabene Figur, wie ein heutiges großes lateinisches A, wenn der oberste Theil etwas rund gezogen wird, aber umgekehrt [Abbildung: umgedrehtes A] zeiget. Unterwärts stehen folgende erhaben gegossene Runische Buchstaben: ZOI. Das runde Postement ist ebenfalls zerbrochen und dadurch vermuthlich einige Buchstaben von deren einem annoch ein Zug zu sehen, verlohren gegangen. Dies Stück ist gleichfalls sehr stark mit dem aerigine nobili überzogen.

22) Eine kleine zierliche Statue von vermischten gelben Metall, voller aeruginis nobilis, 3 Zoll hoch, 4 1/2 Loth schwehr, welche eine Frauensperson vorstellet, die auf einem runden Postement stehet. Auf dem Kopfe hat sie einen Schleyer, unter Welchem eine Schnippe über der Stirne bis an die Augen gehet. Der Leib ist mit einer ordentlichen Runischen Stola umgeben, wobey jedoch der linke Fuß vom Unterleibe an, entblösset ist. Die Hände sind beyde unter der Brust zusammen geleget. Auf der plattem Rückseite sind diese erhabene Charactere zu sehen. STLI.

23) Ein Stück von gleicher Größe und derselben Art berosteten Metall, wie das vorige 3 Loth schwehr, welches eine Frauensperson von der Rückseite vorstellet. Der Kopf ist so weit zur Rechten gekeheret, daß man die Hälfte des Gesichtes wahrnehmen kann. Die Haare sind im Nacken zusammen gebunden und fliegen längst dem Rücken herunter. Der Leib ist mit einer Stola behänget und auf dem Rücken hänget ein Köcher mit dreyen Pfeilen von der linken Seite gegen die rechte Kniebeugung. Unter demselben raget ein deutlicher grosser Bogen hervor, wie ihn die Diana führet. Der Revers ist platt und ohne Buchstaben.

24) Eine berostete, weiße metallene nackte Frauensperson, 3 Zoll hoch, 2 3/4 Loth schwehr, Welche über dem Kopfe einen Schleyer hat, den sie mit der

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linken Hand ausbreitet und in die Höhe hält. An den Füßen hat sie starkausgebreitete Flügel.

25) Eine ebendergleichen kleine Statue, an welcher zwar auf dem Kopfe die Spuhren des Schleyers wahrzunehmen, das ausgespannete Tuch aber abgebrochen ist.

26) Eine kleine Statue von gleicher Art, 2 Zoll hoch, 2 3/4 Loth schwehr, welche eine junge nackte Mannsperson vorstellet, dem ein fliegendes Tuch vom Kopfe vorwärts, unter dem rechten Arm durch, nach dem Rücken gehet, woselbst er es mit der linken Hand fasset. An den Füßen hat er keine Flügel.

27) Eben dergleichen mit ädlem Roste überzogene gelbmetallene kleine Statue auf einem Postement, die einen jungen Knaben mit kurzu krausen Haaren vorstellet, auf dessen Kopfe ein Täuberich die Taube tritt. Di beyden Hände hat er von sich gestreckt und es ist alles sehr proportionirlich gemacht. Es ist 2 1/2 Zoll hoch und 2 Loth schwer.

28) Wiederum ein kleiner nackter Knabe von gelben Metall, stark mit dem ädlen Rost überzogen, 1/2 Zoll hoch, 1 Loth schwehr, auf einem Postement. In beyden ausgestreckten Händen hält er etwas, so nicht zu erkennen ist.

29) Ein Stück von gelben Metall, da Castor und Pollux auf einem Postement neben einander stehen und sich angefasset haben, 2 1/4 Zoll hoch, 1 1/2 Loth schwehr.

30) Ein klein metallen bas relief, 1 Zoll hoch, 1/2 Loth schwehr, da ein nackter Knabe den Dudelsack spielet.

31) Ein kleiner berosteter metallener Hirsch, welcher äzzet, 1 Zoll lang und 1 1/2 Loth schwehr. Auf dessen Revers stehen folgende Züge: KVDII.

32) Ein kleiner metallener Säbel, 1 1/2 Zoll lang, dergleichen unsere Vorfahren bloß als ein Sinnbild von des Verstorbenen Tapferkeit in die Aschentöpfe geworfen. Er ist völlig mit aerugine nobili überzogen und von den bisherigen Besitzern dieser Religion jederzeit hiezu gerechnet. Denn sonst würde es sich freylich nicht der Mühe verlohnen, dieser Kleinigkeit unter solchen ehrwürdigen Alterthümern zu erwähnen.

33) Ein zerbrochener hohler metalllener Löwenkopf, mit starken aerugine nobili, 2 Zoll hoch und breit und 7 Loth schwehr. Obgleich von Num. 23 bis hieher die meisten Stücken ohne Runische Schriften sind; so führen sie dennoch so viele andere Merkmale des Alterthums mit sich, daß man keinen Zweifel tragen kann, sie für einen Nachlaß der Wenden gelten zu lassen.

Folgende zwey saubere Stücke werden sich indessen durch ihr Bild und Ueberschrift selber darzu rechtfertigen:

34) Ein Bas relief von gelben Metall, 1 1/2 Zoll hoch und breit und 2 Loth schwehr, welches, in einer zierlichen Einfassung, die Action vorstellet, da ein Ueberwinder dem zu Boden liegenden Widersacher den Kopf abgehauen hat, welchen er in der linken Hand empor hält, mit der rechten aber annoch das Schwerdt gefasset hat, mit dem rechten Knie auf dem Leichnam sitzet und den linken Fuß, um sich zu stützen, über denselben weggesetzet hat. Die Figuren sind so sauber gearbeitet, daß man es heutiges Tages gewiß nicht besser machen wird. Unter andern ist das hervorsprützende Blut aus dem todten Körper sehr deutlich ausgedrückt. Auf dem platten Revers stehen diese Buchstaben: QAV.

35) Ein kleines zierlicher Bas reief, 1 1/2 Zoll hoch und breit und 1 Loth schwehr, worauf ein Paar Personen tanzen. Die Mannsperson hat eine Mütze auf dem Kopfe und ein kurzes Wams an. Den rechten Fuß hat er vorwärts nach der linken Seite geschlagen, in der Stellung, wie wir heutiges Tages Schwäbisch tanzen. Mit der rechten Hand führet er seine Schöne, die gleichfals eine Mütze auf dem Kopfe hat und ein kurzes Kamisol, nebst einem langen Unterrock mit starken und vielen Falten träget. Auf dem platten Revers zeigen sich diese Charaktere: IIZ.

36) Ein gegossenes Kniestück von weissem Metall, welches nach Ver=

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schiedenheit der Stellen, den Strich von acht, auch sechslöthigen Silber hält, 7 1/4 Pf. schwer, 7 1/2 Zoll hoch und 5 1/2 Zoll breit, welches eine Mannsperson vorstellet. Der Kopf hat eine starke Nase und einen großen Bart. Auf der Scheitel zeiget sich ein Bruch, der ganz über denselben reichet, als wann ein schmaler Zierrath auf demselben gesessen, der von einer Seite bis zur andern gegangen. Daselbst finden sich verschiedene Stellen, welche den Strich von Kronen=Golde halten. Ueber der Brust und den Schultern hänget eine Decke, wie das Römische Paludamenum, welches den rechten Arm bis an den Ellenbogen bedecket, nach der linken Schulter schmal hinauf gehet, hinten aber sich über die Schultern wieder stark ausbreitet. Unter demselben hat es eine förmliche Römische, bis auf die Knie reichende Tunicam über welcher es einen, mit erhabenen, jedoch unkäntlich gewordenen Figuren gezierten Pantzer träget. Um den Leib gehet ein Degengehenk, an welchem an der linken Seite ein breites Schwerdt hänget. Aus dem Paludement gehet der entblössete rechte Vorderarm hervor und hält eine Figur, 4 Zoll hoch, welche einem Zepter gleichet, der nur nicht zierlich ausgearbeitet ist. Der linke Arm ist nur bis auf die Hälfte des Obertheils von den Ermeln des Rocks bedecket und mit der Hand neben den Degen gestützet. Den Rücken bedecket ein langer Mantel. An diesem Stücke sind folgende Runische Schriften zu lesen: Forne rechter Hand auf der Tunica: RHETRA hinten auf dem Rücken auf dem langen Mantel stehet in drey Reihen: SCHUAYM - TIM - BELBOCG. Das Metall dieses Stückes hat einen überaus hellen Klang.

37) Ein gegossenes doppeltes Bild, von vermischtem Metall, 6 Zoll hoch und 2 1/4 Pfund schwehr, welches auf der einen Seite eine Mannsperson mit einem kurzen, bis auf die Knie reichenden Rock darstellet. Auf dessen Kopfe sitzet eine Figur, welche die völlige Form eines Büffelskopfes zeiget. Woran sich auch die Schnauze an der linken Seite noch ziemlich deutlich wahrnehmen lässet. Das ganze Bild aber giebet ein Ansehen, als wenn es in einem heftigen Feuer gewesen und ist an verschiedenen Stellen unkäntlich geworden. Von dem Kinne gehet aus jeder Seite eine erhabene zugeschärfte Linie, schlangenweise, über den Vorderleib bis an den Saum des Kleide, die sich beyde am Ende gegen einander in die Höhe krümmen. An der rechten Seite des Kopfes befindet sich eine aufwärts gekrümmte Figur, wie die Strahlen, welche schon bey andern Bildern vorgekommen. Zur linken aber ist auf dem Parallelpunkt ein Stück ausgebrochen. Beyde Arme sind ausgestrecket, der rechte niederwärts und der linke in die Höhe gekehret. Die Füße sind bloß und unter den Plattfüßen scheinet das Gestelle weggebrochen zu seyn. Oberwärts der Stirne sind folgende Buchstaben befindlich: AY. Auf dem Gewand, die Brust herunter, stehet: ZIR. Die andere Seite hat drey Köpfe, welche aber nach dem Verhältniß gegen den Leib sehr klein sind und, so viel die Undeutlichkeit zu erkennen, übrig gelassen. scheinen sie nur wie Brustbilder gegossen zu seyn, deren mittelstes einen Manneskopf mit krausen Haaren ohne Bart deutlich zeiget, der zur Rechten gerade in Profil ausgebrochen, der zur Linken aber nur noch die runde Maße eines Kopfes sehen lässet, die Gestalt aber verlohren hat. Von demselben gehet eben eine solche Linie, wie die vorigen beyden sind, längst dem Gewand, in Schlangenkrümmung bis auf den Saum des Kleider herunter und deren in die Höhe gekrümmtes Ende hat einen doppelten Wiederhacken. Ueber den Köpfen erscheinet ein undeutlicher Zierrath. Die Arme und Füße sind mit vorigen von gleicher Beschaffenheit. Auf dem Gewande, zur Rechten gedachter Linie stehet: PIDHA und zur Linken: RHETRA.

38) Ein Hund mit einem dicken Kopfe und Gesichte eines Bollenbeißers, der einen langen Schwanz und um den Hals einen Band hat, 1 1/4 Zoll lang, welcher auf einem Postement lieget, den Kopf aber in die Höhe gerichtet nach der linken Seite gedrehet und dabey das Maul offen hat. Das Postement ist 4 Zoll hoch und allenthalben mit vielen Stacheln besetzet. Das Metall ist

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vermischet und wieget 24 Loth. Auf der linken Seite des Hundes stehet: RHETRA und auf der Rechten, welche die Rückseite der Statue ist, lieset man: MITA.

39) Ein Mannsbild von vermischtem Metall 6 Zoll hoch, 2 Pfund schwehr, mit einem Kopfe von dicken Backen, einem staken Schnurbart auf der Oberlefze und einem breiten langen Bart bis über die Brust. Der Kopf ist mit einer Sturmhaube bedecket, auf dessen Rande von der linken Backe an, über die Stirne herum 5 scharfe Stifte hervor schiessen. Die beyden untersten aber neben der rechten Backe sind abgebrochen. Von der linken Seite des Helms schießet ein pyramidalischer Strahl in die Höhe, wie er oben schon etliche mahl beschrieben worden. Im Parallel auf der rechten Seite zeiget sich ein Bruch. Auf der Brust ist ein großes Stück ausgebrochen und allem Ansehen nach ist auch diese Statue im Feuer gewesen. Die sehr große rechte Hand drücket etwas Unförmliches an den Bauch und die linke Hand ist nach den Bart gekehret. Das Gewand ist ein kurzer Rock bis auf die Knie, auf dessen linken Seite ein obbeschriebener Strahl fließet, auf welchem sich drey Linien vorgemeldeter Art Stacheln zeigen. Die Beine sind gleichfals mit dergleichen kleinen Stiften besetzet. An der linken Seite des Postements schießet wiederum ein vorbemeldeter Strahl in die Höhe im Parallel. An der rechten Seite ist ein Bruch. Die Kehrseite lässet folgendes wahrnehmen: Am Kopfe befindet sich ein Hirsch, der an der linken Schulter von einem Hunde gepackt ist, unter dessen Hinterleibe sich ein anderer Hund zeiget. Diese Figuren sind en bas relief gegossen, und mit einer eigenen Einfassung versehen, unter welcher sich wiederum eine Figur zeiget, die zwar etwas unkäntlich geworden, jedoch, allem Ansehen nach, eine auf der Erde sitzende Mannsperson gewesen, der mit der rechten Hand etwas in die Höhe hält, neben sich aber einen dicken Spieß liegen hat. Indessen stehen daselbst folgende Buchstaben: IPABOCG. Auf dem linken Arm, von der Schulter an, stehet folgendes: RHETRA. Auf dem Schoße des Kleides sitzet wieder ein Jagdstück en bab relief in welchem diese Figuren in der Ründung herum gestellet sind: An der rechten Seite wird ein Schwein von einem Hunde verfolget, nach welchen es den Kopf stark zur Linken herum drehet. Oben läuffet ebenfals ein Hund auf das Schwein zu. Zur Linken stehet ein Jäger mit einem langen Spieße, welches auf das Schwein gekehret ist. So unförmlich nun die Vorderseite ins Auge fället; so geschickt sind hingegen die beyden Jagdstücke gerathen, an deren proportionirlicher Zeichnung wohl nicht das geringste auszusetzen ist.

40) Ein Opfermesser von vermischtem Metall, daran die Klinge ein dickes Dreyeck mit scharfen Kanten ist und vorne spitzig zuläuft. Selbige ist 4 Zoll lang und die breiteste Seite hält 1 1/2 Zoll, die andere jedwede 1 Zoll. Der daran befindliche zerbrochene Grif von gleichem Metall stehet nicht in gerader Linie mit derselben; sondern machet einen stumpfen Winkel. Das Metall ist aber nicht von der Art, daß man ihm eine Biegsamkeit zutrauen könnte, wenn es heiß wird, mithin ist dieser Winkel wohl nicht zufälliger weise bey einem Brande entstanden, den sonst das Stück erlitten zu haben scheint, sondern gleich anfangs so gegossen. Es wieget dies Stück 22 Loth. Auf der einen schmalen Seite stehet: SIEBA. In Montfaucon Alterthümern 3 Buch 3 Kap. §. 10 sind dergleichen angeführet und auf der 56. Kupfertafel Fig. 7. 8. 9. gezeichnet. Die gegenwärtige, den Grif ausgenommen, siehet der 7ten Figur am ähnlichsten.

41) Eben dergleichen, dessen Klinge vier Seiten und zwey scharfe Kanten hat. Selbiges ist 4 1/2 Zoll lang und die Seiten sind jedwede 1 Zoll breit. Ein Stück eines Grifs sitzet annoch daran in gerader Linie mit der Klinge, welche jedoch so wohl, als der Grif, sehr durchlöchert und vermuthlich aufgebrannt sind. Es wieget anjetzt noch 23 Loth. Auf einer Seite desselben stehet: RADEGAST.

42) Wiederum eines dergleichen, dessen Klinge 3 Zoll lang ist und 3

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Seiten hat, deren breiteste 1 Zoll, die schmalen aber 1/2 Zoll messen. Hieran sind zwey scharfe Kanten und ein Stück des Grifs ist annoch daran befindlich. Es hat aber gleichfals das Ansehen eines ausgestandenen heftigen Feuers und wieget 5 Loth. Auf einer der schmalen Seiten stehet: PROVE.

43) Annoch eines derselben Beschaffenheit, dessen Klinge 3 Zoll lang ist, welches, dem Ansehen nach, gleichfals ein starkes Feuer ausgestanden hat. Es wieget 5 Loth. Auf der flachen Seite lieset man folgendes:PIDHA.

44) Eine ovale Schale von vermischtem Metall, 6 Zoll lang, 2 1/2 Zoll breit, 1 Zoll hoch, 24 Loth schwehr, mit 2 Henkeln, deren einer gerade am Ende derselben, der andere aber etwas zur Seite sitzet. Auf dem platten Boden, aus welchem an einem Ende ein Stück ausgebrochen, lieget ein behelmter Kopf mit einem großen Bart, hinter welchen sich vier kreuzweise gelegte Spieße zeigen. Am inwendigen Rande stehen linker Hand des Kopfes: PO DAGA. rechter Hand aber: HENT. Auswendig ist sie mit erhabenen Linien Zickzack gezieret.

45) Eine kleine circulrunde Schale von vermischtem Metall, 2 1/4 Zoll im Durchschnitt, 1 1/4 Zoll hoch, mit 2 Henkeln, 24 Loth schwehr, auf deren inwendigen Boden sich ein Mannskopf mit starken krausen Haaren und einem grossen Bart, nebst andern Figuren zeigen, welches alles aber durch Feuer und Alterthum sehr undeutlich geworden. Am inwendigen Rande ist annoch der Name: SIEBA zu erkennen, außer welchem sich zwar noch hin und wieder Züge von ändern Buchstaben zeigen, bey welchen aber Feuer und Alterthum das Uebrige ganz undeutlich gemacht hat.

Diese vorläufige Beschreibung muste ich vorausschicken, um desto gründlicher von dem Nutzen dieser Entdeckung in Erläuterung der Scribenten, welche theils von den Götzen unserer Vorfahren, theils von der Geographie unsers Vaterlandes geschrieben haben, handeln zu können. Dieser Nutzen ist gewiß größer, als er anfänglich zu seyn scheinet. Indessen erfordert er eine weitläuftigere Entwickelung, als, daß ich nicht den Unwillen der Leser, die nun schon verschiedene Wochen herdurch diese für die mehresten nicht interessante Materie mit Geduld aufgenommen haben, befürchten müste. Ich will daher mit dieser vorläufigen Beschreibung diesen Aufsatz abbrechen und das, was ich noch zu sagen habe, versparen, bis mich wiedernm die Reihe trifft, zugleich aber auch alsdenn die Einwürfe des Herrn Pastor Sense zu Warlin, als des Verfassers der in das 21 und die folgenden Stücke der Nützlichen Beyträge zu den Strelitzischen Anzeigen vom vorigen Jahre, eingerückten bescheidenen Zweifel gegen das neulich entdeckte und bekant gemachte angebliche Pantheon der alten Rhedarier und Wenden in Mecklenburg, zu beantworten mich bemühen.

H. F. Taddel.     


5. Das Vorwort

aus dem handschriftlichen Exemplare des vierten Berichtes,

im Besitze des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.

Die Wendischen Alterthümer, welche in folgenden Blädtern vorläufig beschrieben worden, sind im vorigen Jahrhundert zu Prilwitz in Mekelburg=Strelitz gefunden, und von dem damaligen Besitzer dieses Guths an den Prediger Sponholtz daselbst geschencket, von demselben aber auf eine wohlhabende Familie

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gleiches Namens in Neubrandenburg vererbet, welche keinen weitern Gebrauch davon gemachet, als sie zum Andenken eines alten Verwandten aufzuheben, dahero sie so wenig davon gesprochen haben, daß unter Kennern gar nichts hievon bekannt geworden, bis ich endlich Gelegenheit gehabt, selbige neulich anzukaufen, und solchergestalt anjetzo das Vergnügen haben kan, diesen beträchtlichen Schatz aufs neue wiederum ans Licht zu bringen. Sie enthalten so viele zur Erläuterung der Wendischen Geschichte und Erdbeschreibung dienende Merkwürdigkeiten, daß ein Kenner und Liebhaber derselben bereits eine Abhandlung unter der Feder hat, worin er gehörige Anwendung davon zu machen suchen wird. Unter andern ist die Gegend, worin Prilwitz am südlichen Ende des Tollenser Sees lieget, unter dem wendischen Frey=Staate der Retharier oder Rhetherer begriffen gewesen, in welchem Gow, nach einhelliger Beschreibung der Schriftsteller mitler Zeit, die Stadt Rhetra gelegen hat.

Da nun meine Alterthümer, welche samt und sonders alle mögliche Kennzeichen wahrer Originalien haben, eben die Merkmale führen, welche der Bischof Dithmar von Merseburg von den Wendischen Bildern, die im Tempel zu Rhetra aufgestellet gewesen, meldet, daß nämlig die Namen ihrer sogenandten Götzen in selbigen eingegraben wären, und zwar, welches beyläufig zu mercken, mit Runen=Schriften, deren Spuren in unsrer Gegend sonsten so vielfältig vergeblich gesuchet worden, auf gleiche Art aber auch der Name der Stadt Rhetra auf Vielen gezeichnet ist, überdem aber auch noch viel mehrere Umstände aus den alten Schriftstellern sich auf den Ort der Entdeckung passen; So wird, nebst andern hierin stekenden Anfklärungen, nunmehro auch die Aufgabe von der Lage dieses ehemalen so berühmten Orts, über welche die neuern Mekelburgischen Geschichtschreiber sich nicht vereinigen können, mit grössester Wahrscheinlichkeit ihre Auflösung zum Vortheil des von Bredowischen Guths Prilwitz finden können.

Neubrandenburg, im Hornung 1768.

Hempel, medicinae doctor.     


6. Fragment

des von Pistorius begonnenen ausführlichen Werkes
über die Prillwitzer Alterthümer,

im Besitze des Vereins für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde.

§. 1. Rhetra, die ehemalige berühmt Wendische Stadt, ist in Ansehung ihrer Lage den neuern Mekelburgischen Geschichtschreibern jederzeit eine Aufgabe gewesen, über deren Auflösung sie nicht haben einig werden können, weilen wir in den Schriftstellern mitler Zeiten keine genauere Bestimmung derselben finden, als daß Adam, ein Bremischer Canonicus in der Mitte des elften Jahrhunderts, in seiner Kirchenhistorie, und der Merseburgische Bischof Dithmar, der im Anfange desselben gelebet hat, in seinem Chronico, nur melden, diese Stadt hätte im Lande der Rhetarier 4 Tagereisen von Hamburg in einem tiefen See, oder in einem Walde an einem großen See gelegen. Wer ihren Zenith aus dieser unbestimmten Nachricht treffen wolte, der müste gewis sehr künstlich seyn, und hat deswegen ein Jedweder sich berechtiget gehalten, sie hinzulegen, wo es ihm am Besten gedünket hat, dahero sich dieser

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Ort bald nach Rhese an der Tollense, bald nach Röbel an der Müritz, bald nach Malchin, bald gar nach Wolgast und Stettin hat müssen herumtragen lassen. Im Grunde lieget nun freilich nichts daran. solches aufs genaueste zu wissen, denn der Ort ist bereits über 600 Jahr gänzlich zerstöhret, und hat mithin die ganze Sache in unsre jetzige Verfassung nicht den geringsten Einfluß: indessen glaube ich doch, daß es vieleicht etlichen Liebhabern der Geschichte unsers Vaterlandes nicht ganz gleichgültig seyn wird, Ihnen ein und andere Umstände zu melden, welche hierin viele Wahrscheinlichkeit an die Hand geben, zugleich aber auch von der Beschaffenheit sind, daß unsre übrige alte Geschichte dadurch hin und wieder etwas Licht erhält.

§. 2. Es hat nämlich eine wohlhabende Familie zu Neubrandenburg seit vielen Jahren allerhand Alterthümer besessen, die sie zwar jederzeit hiefür erkandt, denn das konten sie ihnen auf den ersten Anblick ansehen, im übrigen aber keinen weitern Gebrauch davon zu machen gewust, als es zum Andenken eines Vorfaren, der sie ehemalen gehabt, aufzuheben. Unter Leuten, die es besser hätten nutzen können, war nun hievon nichts bekandt geworden, bis endlich der Herr doctor Hempel, medicinae practicus daselbst, neulich von ungefähr auf die Spuhr gekommen, und viele Mühe und Kosten angewendet hat, selbige eigenthümlich zu bekommen, und solchergestalt seine übrigen ansehlichen Sammlungen von allerhand Art, als . . . . . . . . . . . . . nunmehro auch mit einer schätzbaren Anlage von Alterthümern zu vermehren.

§. 3. In Ansehung der historischen Gewißheit haben nun die vorigen Besitzer sowohl dem Herrn doctori Hempel, als mir, die Versicherung gegeben, daß alle diese Sachen im vorigen Jahrhundert, da ihr Groß=Vater=Bruder, [Friedrich] Sponholz, Prediger zu Prilwitz gewesen, daselbst in einem Berge gefunden, und von dem damaligen Herrn des Guths demselben geschenket worden von welchem es auf ihre Linie gekommen. Es wäre auch noch ein grosser metallener Topf mit Füssen, den man hieselbst einen Grapen nennet, dabey zugleich ausgegraben, den aber ihr Vater ehemalen hieselbst zum Behuf einer umgegossenen grossen Glocke zum Marien=Thurm, verschenket hätte. Diese Tradition halten sie in ihrer Familie für ganz unzweifentlich, und sie tragen es jederzeit auf eine so unschuldige Art vor, daß man um so weniger an deren Wahrheit zweifeln kan, je weniger sie jemalen Aeusserung gemacht, es gerne anbringen zu wollen, sondern es so viele Jahre hindurch in der Stille besessen haben, um es nur zu besitzen, bis sie endlich anjetzo, wie sie die Leidenschaft eines Mannes voller edler Neugierde und von gutem Vermögen inne geworden, der Gelegenheit wahrgenommen, und es meinem Freunde theuer genug verkaufet haben. Bey diesen Umständen nun, dünket mich, darf man sich keinen Zweifel machen, daß nicht diese Sachen wirklich zu Prilwitz gefunden worden.

§. 4. Dieser Ort ist ein adeliches Guth, welches ehemalen den Herren von Blankenburg, nachhero den Herren von Gamm zuständig gewesen, nunmehro aber den Herren von Bredow gehöret, einer Linie dieses uralten Kuhr=Märkischen Geschlechts, welche auf letztern algemeinen Landtage für alte eingebohrne Mekelburgische vor Adel anerkandt worden. Es lieget solches nach Anleitung der Charte von Mekelburg, welche die Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin A. 1764 auf 4 Blädter herausgegeben, wider deren Orientirung jeooch Verschiedenes zu erinnern seyn möchte, 53 Grad 27 Minuten der Breite und 30 Grad 50 Minuten der Länge, an der Südlichen Spitze des Tollenser=Sees, auf der Hälfte des Weges zwischen Strelitz und Neubrandenburg.

§. 5. Das ganze Ufer dieses Sees bestehet in Bergen, mit welchen andere zusammenhangen, die gegen Norden bis Treptow und Nord=Ost=wärts nach Friedland auf beyden Seiten der Wiesen liegen, An der Westen=Seite desselben, hart an seinem Nördlichen Ende, liegt auf einem hohen Ufer ein Broda, welches in der Wendischen Sprache eine Fähre bedeutet. Diese ganze Beschreibung ist auf gedachter Charte ziemlich deutlich gezeichnet. Wenn man

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nun hiebey bemerket, daß Friedland A. 1240 [richtiger 1244] und Neubrandenburg A. 1248, beyde also erst vor etwa 500 Jahren angeleget worden; so wird man gar nicht Widersprechendes darin finden, daß dieser See vor 700 Jahren, da Adam Bremensis gelebet, einen ungleich größeren Umfang kann gehabt, selbigen aber bei der unzweifentlichen Abnahme des Wassers in der Ostsee (S. Dalins Geschichte von Schweden) nach und nach mittelst seines Ausflusses nach Norden auf Treptow und Demmin in die Pene, und von der Friedlandischeu Gegend durch Pommern ins kleine Haf, verlohren habe. Bey Anschauung der Charten, welche vorgedachte Akademie 1762 untern Titel: Thaetrum belli in Pomerania [herausgegeben], und zwar des 2. und 3. Bladtes, wird man sich hievon sehr leicht ein Bild machen können. Hiezu komt, daß Prilwitz etwa 27 Meil von Hamburg lieget, welches man wol für 4 Tagereisen annehmen kan. Nimt man ferner aus der alten Geschichte und Erdbeschreibung hiebey zu Hülfe, daß der ehemalige Frey=Staat der Rhetharier oder Rhetherer, der sich mit seinem Rhetra so groß dünkte, daß er den Rang über alle verbundene Staaten behauptete, weil daselbst der vornehmste Tempel und der Ort der algemeinen Landtage war, daß, sage ich, dieser Wendische Gow eben die Gegend um den Tollenser=See unter sich begriffen, worin Prilwitz lieget, wie ich mich dann hierüber sicher auf den grossen Abt Gottfried von Gottwik beziehen kan, der solches in dem unschätzbaren Chronico Gottuicensi Part. I. Libr. IV. pag. 738 num. 368 behauptet, und unser Rhetra in der, bei diesem Werke befindlichen prächtigen Charte von den deutschen Gowen, beynahe auf dem rechten Fleck, wo wir es entdeckt zu haben glauben, gezeichnet hat; so dünket mich, kan man sich hiedurch leicht bewogen finden, zu glauben, daß Adam Bremensis, wenn er L. 2 C. II historiae ecclesiasticae die Lage von Rhetra beschreibet, auf die Süder Seite des Tollenser=Sees gedacht, und es dahero diejenigen unter den Neuern immer am besten getroffen, die diese Stadt in der Gegend von Prilwitz vermuthet haben. Da ich mich auf gedachten Adam zu Bremen und etliche andere Geschichtschreiber mitlerer Zeit hin und wieder beziehen werde; so habe ich nicht undienlich erachtet, etliche Auszüge aus selbigen zur geschwinderen Durchsicht in den Beylagen abdrucken zu lassen.

§. 5. So weit hätte ich nun wol aus allerhand datis eine ziemliche Wahrscheinlichkeit begründet. Aus der Betrachtung unsrer Alterthümer gedenke ich aber der Gewißheit etwas näher zu kommen. Denn wenn ich nunmehro erweise, daß selbige die Beschaffenheit haben. Wie Dithmar, ein gebohrner Graf von Walbek und Bischof zu Merseburg, im Anfange des 11. Jahrhunderts, die Zierathen beschreibet, womit der Tempel zu Rhetra ausgeschmückt gewesen, wenn ich erweise, daß die Namen der Wendischen Götzen mit Runen=Schriften darauf eingegraben sind, und wenn ich endlich erweise, daß der Name der Stadt Rhetra auf gleiche Art darauf stehet; so, dächte ich, müste sich an meinem Beweise wol nicht viel auszusetzen finden. Und dieses wil ich anjetzo das Vergnügen haben, dem Leser vorzulegen. Mein Freund hatte nach und nach niemalen ein Stück von diesen Alterthümern erhalten, daß er mir nicht allemal sogleich das Vergnügen gönnte, an seiner Freude Theil zu nehmen, und wir machten uns bald dabey, eine genaue Beschreibung davon aufzusetzen, die wir anjetzo Liebhabern der Mekelburgischen Geschichte, wo Ihnen damit gedient ist, sehr gerne mittheilen.

§. 6. Radegast, welchen Adam zu Bremen den vornehmsten Götzen zu Rhetra, Daemonem principem, nennet, war der erste, der unsre Aufmerksamkeit auf sich zog. Unter Voraussetzung, daß, wo wir sein Wapen, den Büffelskopf auf der Brust, nebst seinem Namen träfen, er uns auch für seine Person einstehen müste, nahmen wir also ein solche Bildnis vor. Wie musten wir aber stutzen, als Wir ihn anjetzo in ganz anderer Gestalt erblickten, wie wir ihn sonsten aus Kupferstichen kannten. Denn anstat er in Westphalen

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monumentis ineditis, in Beehr rebus Mekelburgicis, in Montfaucon Alterthümern, in Bangertu Helmoldo, in Frankens Mekelburg und vielen andern Büchern, als ein wolgebildeter nackter Jüngling mit dem Büffelskopfe auf der Brust, einem Vogel mit ausgebreiteten Flügeln auf dem Haupte, und einer Hellebarde in der linken Hand vorgestellet ist, so befunden wir ihn in unserm Bilde, welches zwar freilich nicht des Adami Bremensis und Helmolds goldener Radegast auf einem Purpurbette, sonsten aber doch augenscheinlich ein wahres altes Original ist, folgendergestalt: Eine Statue von rothen Metal, 6 1/2 Zoll Rheinländisch Maß hoch, und 1 Pfund 12 Loth schwer, stellet den Leib eines Mannes vor, worauf jedoch ein Kopf mit starken, herumhangenden Hahren sitzet, der einem Löwen=Kopfe am ähnlichsten komt, und 1 3/4 Zoll breit ist. Auf demselben sitzet ein Vogel mit geschlossenen Flügeln. Die rechte Hand hält auf der Brust einen deutlichen Büffels=Kopf mit großen, seitwärts gehenden Hörnern. Von dem linken Arm ist nur noch der oberste Theil daran befindlich, an welchem sich ein Bruch zeiget. Das Gewand reichet bis auf die Knie, und komt mit der Alt=Deutschen Kleidung überein. Auf dessen Vordern Falten, wie auch auf dem untersten Saume desselben, finden sich verschiedene Run=Schriften eingegraben, von welchen man zur Zeit folgende herausgebracht: Auf der rechten Seite: ZERN, wobei jedoch nicht zu merken, daß etwas fehlete. Auf der Linken: DLAIVENA. Die Füße sind bloß und stehen auf einem dünnen Postement. Hinten am Kopfe stehet ganz deutlich RADEGAST auf den Schultern BELBOC unten auf der Breite des Gewandes RHETRA. Die Statue ist übrigens hohl, und durch das Postement gehet ein Loch, welches nichts gebrochenes zeiget, und also wol zum Einstecken einer Stange mit Fleiß gegossen worden. Hier treffen wir nun verschiedene Gegenstände an, welche einer Betrachtung wehrt sind, als

1) muß entweder die bisherige nackte Abbildung des Radegast nicht richtig seyn, oder es müssen unsre hiesige Wenden mehrere Züchtigkeit besessen und ihm einen Rock gegeben haben, weil sie allem Ansehen nach keine Liebhaber von nackten Figuren in ihrem Tempel gewesen, indem sich unter allen unsern Stücken, welche vermuthlich darin aufgestellet gewesen, dergleichen keines findet. Daß aber die bisherige gewöhnliche nackte Abbildung des Radegast mehr wilkührlich, als gegründet sei, solches finde ich mich aus folgenden Gründen bewogen zu glauben: Franke in seinem Alten und Neuen Meckelburg berufet sich Libr. I Cap. XXIII p. 136 auf die Chronik der Sassen von Job. Pomarius oder Baumgarten, welcher Ausgangs des 16. Jahrhunderts anfangs zu Jevern und hernach zu Magdeburg Prediger war, und dessen Buch A. 1589 zu Wittenberg in Folio gedruckt worden. Allein beim Nachschlagen und Durchsehen desselben habe ich befunden, daß darin gar keine Abbildung vom Radegast vorhanden ist. Dahingegen habe ich selbige in der Croniken der Sassen unde Neddersassen getroffen, welche Conrad Botho in recht echter platdeutscher Sprache aufgesetzet, und A. 1492 zu Mainz in Folio drucken lassen. Dieses alte, sehr seltene Buch, welches in der Ritter= und Landschaftl. Büchersammlung zu Rostok vorhanden, ist durchgehends mit vielen Holzschnidten ausgezieret, und in selbigem stehen ad A. 1133 folgende Worte: "unde to mekelenborch der obytriten affgot de heyt Ridegast, da hadde vor der borst einen schilt, darin stod ein swarte Büffelenkop unde hadde in der hant eyue stryd exse unde upp dem kopp eynen vogel". Hierneben erblicket man nun zwar die nackte Abbildung des Radegast, so wie obgedachte Schriftsteller dieselbe haben stechen lassen: allein man wird auch zu bemerken belieben, daß in dem Text kein Wort von einer nackten Figur gedacht, am allerwenigsten die geringste ratio scientiae angeführet worden, welches letztere doch mit Recht verlangt werden kan, wenn solches mit Stücken, die alle Wahrscheinlichkeit eines Originals für sich haben, die probe halten oder gar ein Uebergewigt haben solle. Der Grund dieser Zeichnung ist also entweder in der wilkührlichen Phantasie des Holz=

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schneiders zu suchen, oder, hat Botho solches selber verlanget; so folget anders nichts daraus, als daß er niemalen das Glück gehabt, ein altes wendisches Stück zu sehen, und es ist kein Zweifel, daß wenn unsre Alterthümer ihm zu Gesicht gekommen wären, die Zeichnung gewiß denselben gemäß würde gerathen sein.

2) war den Wenden bei ihrem kriegerischen Staat nicht so Wol mit einem schönen Jüngling, als mit einem tapfern Manne gedient, deswegen setzten sie ihm das Sinnbild der Tapferkeit, einen Löwen=Kopf, auf, und erhoben dadurch

3) seine Stärke, die sie ihm schon allemal durch den Büffelkopf auf der Brust zugeeignet hatten.

4) Dieses uralte Hauptstück des Mekelburgischen Wapens brauchen wir also gar nicht aus den Fabeleyen von Anthyrius und Bucephal herzuholen, sondern wir können uns immer damit beruhigen, daß es von ewigen Zeiten her bey hiesigen Einwohnern so ehrenwerth gehalten worden, daß sie auch die Bilder, die sie als Sinnbilder der Tugenden zur Nachahmung öffentlich ausgestellet, damit ausgezieret haben.

5) In seiner linken Hand wird er ohne Zweifel auch die Streitaxt gehabt haben, deren Botho vorgemeldetermaßen gedenket, um welche er aber im Kriege, in der letzten Belagerung und Zerstöhrung von Rhetra durch Feuer und Schwerdt, wird gekommen seyn.

6) Seinen Vogel, das Bild der Hurtigkeit, führet er gleichfals auf dem Kopfe, und ist jener auf der bißhero bekandten Zeichnung im Fluge begriffen, so erholt sich dieser, um desto schneller zu fliegen. Ob es ein Adler oder Hahn sey, worin, wie ich finde, die Gelehrten noch nicht einig sind, das wil ich gerne ihrer beliebigen Untersuchung überlassen. Meine Hauptsache bestehet nur in den Schriften, die sich darauf finden, und da erblicket man

7) am Kopfe den ganz deutlichen Namen Radegast, und gleich darunter Belboc, Namen, welche in unsrer Mekelburgischen Geschichte bekandt genung sind, und deren letztern man gewöhnlich mit weissen, guten Gott, vieleicht aber auch eben so gut die Gütigkeit Gottes übersetzen könte. Was Radegast nach der Etymologie heisse, solches ist aus Wachteri Glossario germanico zu ersehen, vermöge dessen pag. 1228 Rad in der alten deutschen Sprache schnell, hurtig, und pag. 529 Gast, Fürst, Befehlshaber, bedeutet, mithin dieser Name einen hurtigen muntern Fürsten anzeiget. 7 )



7) Bei diesem Fragment des Pistorius befindet sich noch ein halber Bogen mit der Ueberschrift: "zur Beantwortung der Einwürfe wider die wendischen Alterthümer", den Pistorius sammt jenem Fragment an Genzmer übersandte, um beides bei seiner "anderweitigen Antwort" gegen Sense benutzen zu können. Er beruft sich in diesen Bemerkungen wiederholt auf das "beifolgende Manuscriptum in blau Papier". Dies ist die mit dem Hempelschen Vorwort begleitete Beschreibung der Prillwitzer Alterthümer. Wahrscheinlich kamen diese Papiere bei Genzmers Tode in Maschens Hände, von dem sie auf seinen Schwiegersohn, den Pastor Rudolphi, übergingen; von diesem hat sie Levezow erhalten.
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Der Angriff des Pastors Sense auf die Prillwitzer Alterthümer und die Vertheidigung derselben durch Taddel und Genzmer.

Nicht lange nach Veröffentlichung der beiden Genzmerschen Sendschreiben erschien in Nr. 21, 22 und 23 (vom 25. Mai, 1. und 8. Juni) der Strelitzschen nützlichen Beiträge vom J. 1768 unter der Ueberschrift: "Einige bescheidene Zweifel gegen das neulich entdeckte und bekannt gemachte angebliche Pantheon der alten Rhedarier und Wenden in Meklenburg" ein anonymer Angriff gegen die Prillwitzer Alterthümer, als dessen Urheber der Pastor Sense zu Warlin genannt wurde. Sense bestreitet, wie er es nennt, die "Authenticität" dieser Idole, und leugnet, daß sie "Originalstücke" wären, will aber damit keineswegs etwa diese Alterthümer für untergeschoben und unächt erklären. Viel mehr focht er eigentlich nur die Bedeutung an, welche man, und namentlich Genzmer, diesen Alterthümern beilege. Um für die "Originalgötzen" gelten zu können, welche einst von den Wenden in ihren Tempeln, und namentlich zu Rhetra, angebetet worden, wären diese "Püppchen" viel zu winzig und stimmten durchaus nicht mit der Beschreibung überein, welche die Geschichtschreiber von ihnen gäben, die sie einstimmig von ungeheuerer Größe schilderten; durchaus unzulässig sei es daher, nach diesen Alterthümern die Ansichten berichtigen zu wollen, die man bisher von den Götzen der Wenden gehabt habe. Es sei nicht denkbar, daß man zu Rhetra den Radegast sollte in einer kleinen, nur 6 Zoll langen Puppe mit einem "Hundsgesicht" angebetet haben, während er von allen Geschichtschreibern "als ein Jüngling von schöner, reizender Gestalt und ernsthaften Mienen", wie es einem Helden zieme, beschrieben werde. Auch vermißt er in diesem angeblichen "Pantheon von Rhetra" die Göttin Siva, zumal da doch ein Messer mit ihrem Namen unter den Alterthümern sei; daß die Sieba sich wirklich unter ihnen befinde, war ihm also bei Besichtigung derselben ebensowohl entgangen, wie Genzmern. Uebrigens leugnet Sense durchaus nicht, daß diese Alterthümer zu Prillwitz (wohin auch er Rhetra verlegt) gefunden worden, "weil man daselbst öfters dergleichen ausgegraben habe", und noch im vorigen Jahre der Besitzer von Prillwitz dort eine Schale gefunden, "die einer ovalen Terrine gleiche". Höchts sonderbar indeß ist die Ansicht, welche er selbst von diesen Alterthümern hegt. Die "kleinen und sehr zierlich modellirten Bilder" hält er für "Uberbleibsel von der Beute welche die Wenden andern

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Völkern abgenommen" und hernach zu ihrem "Privatgottesdienste" gebraucht haben, die Idole aber für "unförmliche Copeien von ihren alten höchst beliebten Götzen", welche die Wenden in der Angst und Geschwindigkeit", als sie in den letzten Kriegen mit den Christen "die Originalgötzen vergraben oder versenket", von denselben gemacht, auf der Flucht mit umhergeführt, "nach Rhetra oder in die Gegend dieser Stadt gebracht und daselbst vergraben haben". Dieses, setzt er hinzu, ist das allerwahrscheinlichste, wirft aber selbst noch die Frage auf: ob diese Alterthümer nicht vielleicht "ein Vornehmer des Volks zu seinem Privatgötzendienste" könne gehabt haben, welche Frage er jedoch verneint, weil die herrschsüchtigen Götzenpriester dies nicht würden gelitten haben.

Dieses ist der wesentliche Inhalt des sehr confuse geschriebenen Senseschen Aufsatzes. Klar ist, daß von einem etwa mit diesen Alterthümern ihren Bewunderern gespielten Betruge ihm nicht das Geringste bekannt war. In den Strelitzschen nützlichen Beiträgen erschien keine Erwiderung gegen Sense, obgleich Genzmer eine solche sogleich aufgesetzt hatte. Wie aus einem spätern, bei den Neustrelitzer Acten befindlichen Briefe Maschens hervorgeht, war die Fortführung des Streites in diesem Blatte höhern Orts untersagt worden. Allein nun antwortete von Rostock aus Taddel, ohne Zweifel auf Pistorius Betrieb, auf Sense's Angriff, zu Anfang des J. 1769 in den Rostockschen gemeinnützigen Aufsätzen. Nachdem er die zum vorigen Capitel mitgetheilte Pistorius=Hempelsche Beschreibung in der ausdrücklich ausgesprochenen Absicht vorausgeschickt, um sie bei Beantwortung der Senseschen Einwürfe zu Grunde legen zu können, folgte nun am 19. April 1769 in Nr. 16, 17, 22, 23 von ihm eine "Ehrenrettung" der Prillwitzer Alterthümer wider die von Sense "eingewandten Zweifel". Taddel weiset Sensen manche Widersprüche und unerwiesene Behauptungen nach; bemerkt in Betreff der Kleinheit der Prillwitzer Idole, daß, wenn die Wenden auch zum Theil in ihren Tempeln sehr große Götzenbilder verehrt hätten, es doch auch nicht unwahrscheinlich sei, daß anderer Orten die Bilder dieser Götzen auch im Kleinen wären anzutreffen gewesen; entschuldigt die Ungeschicklichkeit ihrer Bildung durch ihr hohes Alterthum und hält es nicht für unwahrscheinlich, daß die geschickter modellirten Bilder wirklich von fremden Nationen, wie den Römern und Griechen, entlehnt wären. Sowohl zu Anfange, als zum Schlusse weiset er auf die "aus Neubrandenburg [von Pistorius] versprochene vollständige und wichtige Abhandlung" hin, welche über diese Alterthümer hinreichendes Licht verbreiten werde, und erwähnt dazu in einer Anmerkung, wie der Prinz Karl von Meklenburg=Strelitz ein so großes Wohlgefallen an diesen

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Alterthümern gefunden habe, daß er sie durch den Hofmaler Woge habe zeichnen lassen, und nicht abgeneigt sei, sie auch in Kupfer stechen zu lassen, von welchen Kupferstichen dann die Abhandlung des Pistorius würde begleitet werden.

Pastor Sense entgegnete unter dem 18. October 1769 in Nr. 42 und 43 der Rostockschen gemeinnützigen Aufsätze auf die Taddelsche Ehrenrettung. Er hält sich zunächst über die so sehr von einander abweichenden Beschreibungen dieser Alterthümer auf: "So groß die Verschiedenheit dieser Alterthumsstücke ist, welche doch zu einem Pantheon eines Volks gehören sollen: so sehr sind auch die vielen Beschreibungen davon verschieden. Man darf sich nur erinnern, wie dieselben in dem hamburgischen Correspondenten, dem altonaischen Mercur und den eben gedachten rostockischen Aufsätzen sind geschildert worden: so wird die Frage entstehen: Welcher von diesen gelehrten Herren hat sie aus dem rechten Gesichtspunkte betrachtete und welcher ist frei von Parteilichkeit? Freilich! Wo der Patriotismus redet, da wird auch die Herrschaft der Eigenliebe kennbar. Die Tradition von der Entdeckung dieser Alterthümer ist so unschuldig nicht. Es sei aber, wie es sei, diese Alterthümer sind da etc. ." Sense bleibt dabei, die "Authenticität dieser Götzen als wesentlicher Originalstücke" zu bestreiten, und will sie durch diese Bezeichnung von "untergeschobenen und vermeinten Originalstücken" unterscheiden. Denn die eben erwähnte sonderbare Hypothese über den Ursprung der Prillwitzer Idole scheint er jetzt wieder fahren zu lassen und schreibt: Sind die Wenden so geschickt gewesen en migniature recht künstlich zu modelliren, warum so ungeschickt in größern Stücken? Haben sie mehr Kunst verschwendet an Neben= oder Hausgöttern, warum haben sie nicht für die zierliche Ausbildung ihrer großmächtigen Hauptgötter mehr Sorge getragen? Weil nun das erstere seine Richtigkeit hat, so wie das letztere unleugbar ist, daß nämlich die erstem sehr fein und sauber modelliret sind, die letztern aber nur schlechtweg, ja gar grob: so ist und bleibt es höchst wahrscheinlich, daß die ganze Sammlung von gegossenen Figuren mehr ein Mischmasch von allerlei alten Bildern; und die neuern Zierrathen hat der Vater der bisherigen Besitzer derselben, als ein Goldschmied, sich vielleicht auf seiner Wanderschaft gesammelt oder abgegossen und sich zu seinem künftigen Gebrauche und Nachbildung aufgehoben; als ein Pantheon der Hauptgötter eines so großen Volkes ist".

Nun trat endlich Genzmer selbst gegen Sense in die Schranken. Am 2. Mai 1770 erschien in Nr. 18 bis 21 der Rostockschen gemeinnützigen Aufsätze aus Genzmers Feder eine "anderweitige Beantwortung der Einwürfe des Herrn Pastors

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Sense zu Warlin", von welcher auch ein Separat=Abdruck existiren soll. Genzmer sagt, daß er diesen Aufsatz großen Theils schon gleich nach Bekanntmachung der Senseschen Einwürfe niedergeschrieben, seine Veröffentlichung aber nicht für nöthig gehalten habe, weil Taddel in der Ehrenrettung Sense's Einwürfe der Hauptsache nach hinlänglich widerlegt habe. Nachdem aber Sense "diese Alterthümer in einem fast allzu lebhaften Tone bestritten, grade als wenn er Recht übrig hätte", und Taddel sich dahin erklärt habe, ihm das letzte Wort zu lassen: so habe er (Genzmer) sich endlich entschlossen, seinen Aufsatz drucken zu lassen, zumal da mehrere Gelehrte, die denselben gesehen, ihn darum ersucht hätten. Er führt nun den Sense'schen Angriss auf 9 Hauptpunkte zurück, die er zum Theil genügend beantwortet, am wenigsten aber freilich in dem befriedigt, was er zur Rechtfertigung der Kleinheit der Idole sagt. Besonders entschuldigt er auch, daß der Radegast nicht, wie in den bisherigen Abbildungen, nackt, sondern bekleidet dargestellt sei. Bemerkenswerth ist auch, was er in Bezug darauf, daß Sense in diesem angeblichen Pantheon der Wenden doch manche Gottheiten dieser Nation vermisse, sagt: "Und endlich, wenn denn nun auch in dieser Sammlung einige Gottheiten fehleten, selbst von denenjenigen, deren Namen auf den Opfergeräthen stünden: so beliebe man sich zu erinnern, daß diese gesammten Alterthumsstücke, nach den an ihnen allen befindlichen Merkmalen ehedem einen starken Brand ausgestanden haben, bei welchem leichtlich ein und anderes Stück, wenns in starken Flammen gerathen wäre, gar zerschmelzen können; theils, daß von deren ehemaligen Besitzern bereits einige Puppen (die letztern Besitzer wissen nicht eigentlich zu sagen, wie viel?) beim versuchten Scheiden der Metalle, woraus sie bestehen, eingeschmolzen sein; theils endlich, daß die letztern Besitzer und Verkäufer vielleicht und vermuthlich noch einige Stücke für sich behalten haben und noch verhehlen, wovon aber aus ihnen, als sehr geheimnißvollen Leuten, nichts herauszubringen ist". - Am wichtigsten für unsern Zweck ist der Schluß seines Aufsatzes, in welchem er auf Sense's Entgegnung gegen Taddel zu sprechen kommt, und sich folgendermaßen vernehmen läßt: "Die neuen Einwendungen, welche der H. Past. Sense wider die Taddelsche Ehrenrettung dieser Alterthümer ins 42 und 43ste Stück der Rostockischen gemeinnützigen Aufsätze des 1769sten Jahres einrücken lassen, erfordern um so viel weniger eine anderweitige umständliche Beantwortung und Erörterung, je weniger Neues er darinnen zur Bestreitung dieser Alterthümer vorgebracht, sondern vielmehr nur einige von den schon beantworteten Einwürfen höchstens mit

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andern Worten wiederholet, und mit einigen Anzüglichkeiten und kleinen Spöttereien durchwebet, und, seiner Meinung nach, geschärfet hat. Dahin gehöret unter andern, daß er die Tradition von der Auffindung dieser Alterthumsstücke für so gar unschuldig eben nicht will gelten lassen; 8 ) daß er von eigennützigen Absichten des jetzigen Herrn Besitzers [des Dr. Hempel] redet; 9 ) daß er sie für untergeschobene und vermeinte Originalstücke erkläret; 10 ) daß er eine capitolinische Gans als recht wohl auf einen Hundskopf passend ansiehet u. s. w.". - "Die Verschiedenheit aber, welche in den dreien Beschreibungen dieser Alterthümer in dem Hamb. Correspondenten, in dem Altonaischen Merkur und den Rost. gem. Aufs. vorwaltet, und worüber er sich gleich anfänglich so sehr beschweret, sich auch recht viel darauf zu gute thut, ist theils offenbar von ihm übeltrieben, theils war solche gewisser Massen unvermeidlich, weil die mittlere nur aus flüchtigem Anblicke der Alterthümer, die erstere zwar aus näherer Betrachtung, doch aber nur vorläufig und eilfertig entworfen, die dritte hingegen aus eben derselben Feder, doch bei mehrerer Muße und nach genauerer Untersuchung hergeflossen ist; theils endlich rühret sie auch daher, daß nicht immer einerlei Zahlen in Bezeichnung der einzelnen Stücke gebrauchet worden. Sonder Zweifel aber ist die letztere Beschreibung aus angeführter Ursache die genaueste und zuverlässigste; außer, daß der Augenschein bei Betrachtung der Originalien oder den getreulich in Kupfer gebrachten Abbildungen wird entscheiden müssen, ob Hunds= oder mit Haaren stark bewachsene Menschengesichter an den beträchtlichsten Figuren sich finden."

Sense hatte zwar am Schlusse seiner Vertheidigung verheißen, in dieser Streitsache seine Feder nicht wieder anzusetzen. Allein er konnte es doch nicht lassen, in Nr. 37 und 38 der


8) "Man würde sich sehr irren, wenn man daraus schließen wollte, Hr. Past. S. habe Nachricht, daß die Alterthumsstücke wirklich untergeschoben und von einem neuern Künstler betrüglich nachgemacht wären. O nein! so arg ists nicht gemeinet, sondern die ganze Sache betrifft nur eine variantem lectionem. Er bat nur in Erfahrung gebracht, daß solche theils auf eine andere Weise, als die in den Rost. gem. Aufs. bei Beschreibung derselben vorgebrachte Tradition lautet, durch Verkauf an den ehemaligen Neubrandenburgischen Goldschmied Pählken von Prillwitz nach Neubrandenburg gekommen sein; theils aber, daß dieser schon einige Puppen eingeschmelzet habe; welches beides doch in der Hauptsache gar nichts ändert." Genzmer.
9) "Wer dessen Hang nach Seltenheiten von allerlei Art kennet, der wird auch leichtlich begreifen, daß es ihm um die Verkaufung dieser Alterthümer, auch selbst mit merklichem Vortheile und ansehnlichem Ueberschusse über die von ihm bezahlte Summe, so recht sehr eben nicht zu thun sei." Genzmer.
10) "Er hats aber so wenig hier bewiesen, als in dem ersten Angriffe Dieser ganze Groll rühret daher, weil die Götzenbilder nicht so groß und nicht von Golde waren, als er anfänglich gemeinet. Jener reisende Engländee, der zu Frankfurth a. M. sich die güldene Bulle wollte zeigen lassen, ward auch böse, als man ihm ein Buch vorwies, und glaubete, daß man ihn zum Besten haben wolle; weil er eine vorzügliche goldene Größe zu sehen hoffete." Genzmer.
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Rostock, gemein. Aufsätze vom J. 1770 unter dem Titel "Lob alter Original=Götzen wendischer Nation" einen Aufsatz einrücken zu lassen, der kaum verständlich ist, aber offenbar satyrisch sein soll, und wohl vorzugsweise auf Genzmer gemünzt ist; zur Sache enthält er übrigens nichts. Genzmer überlebte diese Fehde nicht lange; er starb im 55. Lebensjahre am 20. April 1771.


Die gottesdienstlichen Alterthümer der Obotriten, erläutert vom Superintendenten Masch, und dessen Gegner.

Schon oben, aus Taddels Ehrenrettung, haben wir erfahren, wie der Prinz Karl (Bruder und Nachfolger Adolf Friedrichs IV., der im J. 1816 verstorbene erste Großherzog von Meklenburg=Strelitz) an den Prillwitzer Alterthümern ein so großes Wohlgefallen gefunden, daß er sie durch den Hofmaler Woge habe malen lassen, und auch nicht abgeneigt sei, sie in Kupfer stechen zu lassen. Damals sollte noch Pistorius der Commentator zu diesen Kupfern sein; allein Genzmer scheint in seiner "anderweitigen Antwort" schon auf einen andern Commentator, nämlich den Superintendenten Masch, hinzudeuten. Der Hofmaler Woge, der Herausgeber des bekannten Kupferwerkes, versichert in der Vorrede, daß auf seine Bitten Masch sich entschlossen habe, seine Zeichnungen "mit einem gründlichen Commentare zu begleiten"; Masch selbst gesteht, 11 ) daß er bereits den Anfang mit dieser Arbeit gemacht, noch ehe Woge ihm einen Antrag deshalb gethan; sein Schwiegersohn Rudolphi hat später in der Gratulationsschrift zu Maschens fünfzigjährigem Amtsjubiläum behauptet, daß Masch "auf Befehl" des Prinzen Karl diesen Commentar geliefert habe. Es kann sein, daß man Masch mehr die Befähigung dazu zutraute, als Pistorius, der mit dem im J. 1768 erschienenen ersten Artikel seiner Meklenb. Adelsgesch., dem Geschlecht von Warburg, kein besonderes Glück gemacht zu haben scheint, denn die Fortsetzung des Werks unterblieb. Genug, Masch, dieser in der Theologie schon viel versuchte Schriftsteller, begab sich nun auf das Feld der Dämonologie. In Nr. 10. der


11) "Ich ließ, schreibt Masch in der Vorrede, hiesige Gelehrte über den Werth und Unwerth dieser ihnen selbst fast gänzlich unbekannten Alterthümer Schriften wechseln: und bemühete mich, diejenigen Nachrichten zu sammeln, welche ich hier vor Augen lege. - Der Anfang meiner Arbeit war bereits gemacht, wie der Herr Woge mir den Autrag that, daß ich ihm meine Ausarbeitung als eine Beschreibung zu den Kupferstichen überlassen möchte. Ich willigte hierin gar gerne."
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Strelitz. nützlichen Beiträge erfolgte schon, vom 19. Mai 1770 datirt, durch Woge die Aufforderung zur Subscription auf das intendirte Werk, und die Nummer vom 18. Juli d. J. brachte schon einen Probeartikel aus Maschens Commentar.

Inzwischen hatte Masch in Erfahrung gebracht, daß in der Sponholtzschen Familie noch mehrere Alterthümer aus dem Prillwitzer Funde zurückgehalten würden, welchen Umstand auch Genzmer in der "anderweitigen Beantwortung" angedeutet hatte. Masch suchte sich nun vor allen Dingen in den Besitz dieser Alterthümer zu setzen. Er schreibt darüber in der Vorrede: "Unterdessen blieb allezeit der Gedanke übrig, daß bei dem Herrn Sponholtz in Neubrandenburg noch mehrere Alterthümer verborgen sein möchten. Der Herr Dr. Hempel, dieser große Freund von dergleichen Seltenheiten der Kunst sowohl als der Natur, wandte sein äußerstes an, sie zu entdecken. Es war aber Alles vergebens. Mir glückte es endlich im abgewichenen Sommer bei einer dahin angestellten Reise, zuerst einige Stücke und bald hernach auch die übrigen auf gewisse Bedingungen zu erhalten". Diese Bedingungen giebt er weiterhin so an: "der andere Theil (der Alterthümer), welchen der Herr Sponholtz, der ehemalige Besitzer dieser ganzen Sammlung, meinen Händen anvertraut hat, ist mir mit dem Versprechen übergeben, daß ich jederzeit den Vorkauf haben solle. Auf diese Bedingung habe ich sie in Verwahrung erhalten. Ich verfahre so aufrichtig, daß ich dieses öffentlich bekannt mache, um zu erfahren, ob sich jemand findet, welcher diesen Rest zu kaufen Lust hat? Findet sich niemand, so werde ich mit demselben in eine nähere Unterhandlung treten".

Die hier erwähnte Reise Maschens nach Neubrandenburg muß im August 1770 stattgefunden haben. Er hatte bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit, das Manuscript seines Commentars an Pistorius mitzutheilen, der es ihm am 24. August mit einem höflichen Schreiben zurücksandte. 12 ) Folgende Tags


12) Dies Schreiben ist bei den Schweriner Acten befindlich. Es beginnt: "Ich danke aufs gehorsamste für geneigte Mittheilung des MSti. von unsern Alterthümern, und bezeuge meine aufrichtige Bewunderung der erstaunenden Bemühung, welche Ew. Hochwürden auf Lesung der hierin einschlagenden Schriftsteller verwendet haben, mit dem Wunsche, daß Dieselben völlige Muße bekommen mögen, dieses Werk bald zum Ende zu bringen". Dann äußert Pistorius sein Bedenken, ob anzunehmen sei, daß die Ostsee, wenn sie mit der Tollense wirklich in Verbindung gestanden, in einem Zeitraum von etwa 200 Jahren so gefallen sein solle, daß Prillwitz, Neubrandenburg und Friedland hatten angelegt werden können; Pistorius muß also damals an der Rhetra = Prillwitz Hypothese selbst wieder zweifelhaft geworden sein. Er fährt dann fort: "Das Vorurtheil von unsern Alterthümern in England ist spaßig genug. Da dem Vernehmen nach unser Herr Doct. Nugent anjetzo wiederum in hiesiger Gegend ist, so wird sich dadurch Gelegenheit finden, das kleine Versehen in Bekandtmachung der Vertheidigungen wieder gut zu machen. Ich will hoffen, daß dieser Freund unsern kleinen Ort doch wiederum (  ...  )
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berichtete auch der Pastor Stock aus Neubrandenburg über den Verlauf der Unterhandlungen mit dem Goldschmiede Sponholtz, die bei Maschens Anwesenheit noch nicht zum Schlusse gekommen waren, in einem bei den Schweriner Acten befindlichen Schreiben: "Von Herr Sponholtzen habe ich ein groß Compliment zu versichern. Er verspricht es mit allem Ernst zu betreiben, daß er mit Dr. Hempel auseinander komme, und Ew. Hochwürden dadurch in den Stand gesetzt würden, freyer zu handeln. Indes trägt er jetzt noch Bedenken die Stücke zu veräußern. Er glaubt, wenn sie erst durch den Abdruck bekannt gemacht würden, daß sich alsdenn auch raisonable Liebhaber finden möchten. Tempus docebit. Doch ließ er sich zugleich mercken, daß es wohl am besten sein würde, wenn sein Nahme verschwiegen bliebe und Ew. Hochwürden es lediglich auf sich nähmen. Ich sehe aber nicht, daß dies füglich angehn wird. Inzwischen will ich mir's angelegen seyn lassen, daß künftige Woche die Sache mit Dr. Hempel vorbey sey". Etwas mehr Licht über diese Angelegenheit verbreitet ein noch im Brouillon vorhandenes Schreiben des Goldschmiedes Sponholtz an Dr. Hempel vom J. 1774, welches mir kürzlich mit mehreren Sponholtzschen Papieren zu Handen gekommen ist. Dr. Hempel stand bereits im Handel mit Sponholtz und hatte schon wieder einen "Götzen" empfangen, als Masch dazwischen trat. Nun hatte zwar Hempel die in seinem Besitze befindlichen Alterthümer von Sponholtz für 100 Thaler gekauft, aber über diese Summe im Antoni=Termin 1768 nur einen Wechsel gegeben, den Hempel noch nicht eingelöst hatte; 13 )


(  ...  ) mit seinem Besuche beehren wird, und ich bitte ergebenst, Ihm gelegentlich meine große Empfehlung zu machen". Welches Vorurtheil in Bezug auf die Prillwitzer Alterthümer in England stattfand, vermag ich freilich nicht näher nachzuweisen. Von der zweiten Anwesenheit Nugents in Deutschland spricht auch Heynatz in der Vorrede zum fünften Theile der Buchholtzschen Geschichte der Kurmark und erwähnt, daß man ihn überall sehr kühl aufgenommen, weil man die Beschreibung seiner ersten Reise zu indiscret gefunden habe.
13) Noch im J. 1775 hatte Hempel seinen Wechsel nicht eingelöst und Sponholtz, dessen Anwalt in dieser Sache Pistorius war, verklagte nun wegen dieser Forderung Hempeln bei der Justizcanzlei in Neustrelitz. Hempel wollte den erwähnten Wechsel nebst andern Forderungen Sponholtzens durch Gegenforderung für ärztliche Bemühungen (228 1/2 Thlr. Gold auf 6 Jahre) quitt machen. Es fehlte von beiden Seiten nicht an den gehässigsten Beschuldigungen. So schreibt Sponholtz in dem erwähnten Briefe: "Ob es übrigens himmelschreyend teufflisch und vollenkommen jüdisch gesinnet sey", daß ich die nur von Herzogl. Canzley de dato 12. Oktob. 1772 zuerkannten 34 Thlr. verlange, oder ob es christlicher, für Alterthums=Stücke viehleicht nach 6 Jahren, was uns gefäldt, etwa 140 Thlr., zu geben, da wir schon so lange 300 Thlr., einen kleinen Prosidt! eingefasst, will ich itzo nicht untersuchen, sondern empfehle es Ew. Wohlgeboren zu entscheiden". Hempel erkannt es an, daß er "die aufgeführten 100 Thlr. für einige ihm überlassene metallene Figuren, welche alte Götzen vorstellen, schuldig geworden sei", und erklärte: "die metallenen Figuren, in Ansehung deren ich den Wechsel ausgestellet, gehörten Mutter und Brüdern gemeinschaftlich". Da jedoch in dem Wechsel keine Zahlungsfrist bestimmt war, so wurde Sponholtz mit seinem Antrage auf einen processus executivus gegen Hempel von der Justiz=Canzlei abge= (  ...  )
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dagegen der "reisenable Herr Superintendent", wie Sponholtz schreibt, erbot sich, für weit weniger Stücke weit mehr und zwar sogleich zu geben, als Hempel für weit mehr Stücke noch immer schuldigte. Doch schlug Sponholtz dem Superintendenten Masch noch nicht sogleich zu, sondern verlangte, daß die Stücke öffentlich sollten ausgeboten werden; und wenn dann von irgend woher ein höheres Gebot erfolgte, so sollte Masch wenigstens den Vorkauf haben.

Dem zu Folge erschien denn vom 8. September 1770 datirt eine 10 Quartseiten starke zweite Subscriptions=Anzeige bei Rellstab in Berlin, worin alle Stücke der nunmehr aus 68 Nummern bestehenden Sammlung aufgeführt und die von Sponholtz an Masch überlassenen 22 Stücke durch ein Sternchen kenntlich gemacht waren, ob sich vielleicht noch ein mehr bietender Käufer zu ihnen finden möchte. Ich habe diese gedruckte zweite Subscriptions=Anzeige noch nicht gesehen, 14 ) finde aber bei den Schweriner Acten eine von Maschens Hand geschriebene Anzeige, welche offenbar noch früher aufgesetzt ist, als Sponholtz jene Bedingung stellte. Es heißt darin: "Bei Bekanntmachung des Avertissements waren nur erstlich 45 Stücke bekannt. Da aber die Familie, welche die Alterthümer gefunden und bisher wegen ihres innerlichen Werthes geheim gehalten, sich die Alterthümer getheilet: so hat man jetzt noch 23 Slück entdeckt und erhalten, welche eine neue Zeichnung und Bearbeitung erfordern". Hier zählt Masch zu den 22 Stücken, welche er von Sponholtz erhalten, noch den "Götzen" hinzu, welchen bereits Hempel acquirirt hatte. Es sind aber diese 23 Stücke, welche jetzt zu den 45 Nummern der Pistorius=Hempelschen Beschreibung noch hinzu kamen, folgende in dem Woge=Masch'schen Kupferwerke: 1 und 2, der nackte große Radegast in 2 Exemplaren §. 61. - 3 und 4, der nackte kleine Radegast in 2 Exemplaren §. 71. - 5, Nemisa §. 118. - 6, Zislbog §. 125. - 7, Asri §. 153. - 8, der Götze ohne Namen §. 170. - 9, die Stange mit 6 Köpfen §. 186. - 10, die Opora mit der griechischen Inschrift §. 195.


(  ...  ) wiesen und ihm aufgegeben, das Capital zuvor zu kündigen. Dies muß aber nicht geschehen sein, denn nach Hempels im J. 1804 erfolgtem Tode machten die Gebrüder Sponholtz noch einmal diese Wechsel=Forderung gegen Hempels Erben geltend, haben aber schwerlich etwas erhalten. (Nach den Acten aus der Großherzogl. Justiz=Canzlei.) - Uebrigens war der erwähnte Wechsel nur für die zuerst vom Goldschmied Jacob Sponholtz an Hempel überlassenen (im 1. Genzmerschen Sendschreiben beschriebenen) Alterthümer ausgestellt; die im 2. Genzmerschen Sendschreiben beschriebenen 10 Stück Alterthümer erhielt Hempel von dem jüngsten Bruder des Goldschmiedes, und überließ ihm dafür eine Conchilien=Sammlung. (Nach denselben Acten.)
14) Ich kenne sie nur aus einer Recension Ludw. Giesebrechts in Schmidt's Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1844, 2. Bandes zweites Heft, S. 169.
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- 11, der Götze mit der Krebsscheere §. 197. - 12, der Friedensstab §. 227. - 13, der Opferteller des Radegast §. 243. - 14, der Opferteller des Podaga §. 246. - 15, die gemeinschaftliche Opferschale §. 251. - 16, die Opferschale des Radegast §. 254. - 17, die Opferschale des Zernebocg §. 263. - 19, das Opfermesser des Radegast §. 265. -20, das Opfermesser des Podaga §. 267. - 21, das Opfermesser der Sieba §. 269. - 22, das Opfermesser des Zernebocg §. 270. - 23, das Opfermesser des Swantewit §. 271.

Masch erreichte nun auch die schon länger gehegte Absicht, die Hempelsche Sammlung, und zwar, wie wir oben Anm. 13 vernommen, für 300 Thlr., an sich zu bringen, und so mit den übrigen von Sponholtz vorläufig erwordenen wieder zu vereinigen. Er schreibt darüber in der Vorrede: "Der eine Theil derselben ist bisher in den Händen des Hrn. Dr. Hempel, eines Gelehrten, der sie kennet und schätzet, aufbewahret worden. Hier waren sie freilich sicher. Allein, was nur in Privathänden ist, ist mancherlei Zufällen unterworfen. Die Sammlung, welche in der That die einzige ihrer Art ist, schien mir zu wichtig, als daß ich nicht hätte darauf denken sollen, wie man selbige in Sicherheit bringen möchte, daß sie keiner Zerstreuung unterworfen würde. Hiezu schien mir der einzige Weg zu sein, daß man sie an einem öffentlichen Orte aufstelle. Nach einer freundschaftlichen Unterhandlung ist der Hr. Dr. Hempel diesem Vorschlag beygetreten, und hat derselbe mir seine Sammlung für einen billigen Preis käuflich überlassen, mit der Bedingung, daß sie öffentlich aufgestellet werde. Dieses soll auch geschehen, und da wir jetzo in Neubrandenburg hiezu noch keine Gelegenheit haben, so werden diese Alterthümer so lange auf der zwar nur neu angelegten, aber bereits sehr ansehnlichen öffentlichen Bibliothek der Domkirche in Ratzeburg 15 ) aufgestellet werden, bis sich in Neubrandenburg, wie ich hoffe, hiezu eine ähnliche Gelegenheit darbieten wird". Doch währte es noch einige Jahre, bis die vereinte Sammlung nach Ratzeburg übergesiedelt und dort aufgestellt ward. Noch im J. 1774 schreibt Masch in den Beiträgen zur Erläuterung der Obotrit. Alterthümer S. 13 Anm. 10: "Mein Urtheil von der Verfertigung der Götzenbilder gründet sich auf den Augenschein. Da ich sie seit einigen Jahren in Händen und verschiedene in Metall abgegossen habe, 16 ) so kann ich gewiß behaupten, daß


15) Aus den reichen Fonds der Ratzeburger Domkirche wurden die Alterthümer auch bezahlt. Gratulationsschrift zu Maschens Jubiläum S. 19.
16) Zu diesen von Masch abgegossenen Idolen gehört ohne Zweifel der zu Neustrelitz in der sogenannten Rudolphischen Sammlung befindliche große nackte Radegast.
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sie in Handformen, die nur aus zwei Platten bestanden, abgegossen sind".

Erst um die Mitte des folgenden Jahres 1771 17 ) erschien nun endlich das bekannte Woge=Masch'sche Kupferwerk über die Prillwitzer Alterthümer. Masch theilt darin die Tradition über die Auffindung derselben nach genaueren Erkundigungen S. 3 also mit: "Die ganze Sammlung der noch vorhandenen Alterthümer, nebst einigen Stücken, welche bereits auf eine unersetzliche Art verlohren sind, ist in Prilwitz gefunden worden, und zwar nicht auf dem alten Schloßberge, welcher jetzo mitten im Dorfe lieget, sondern an der Nordseite des Berges nicht weit von dem Ufer der Tollense. Zwey metallene hohle Gefäße oder Grapen haben die ganze Sammlung in sich gefasset. Der eine ist aufrecht gestellet gefunden, und hat die Alterthümer in sich enthalten; der andere ist anstatt des Deckels darüber geleget, damit keine Erde hinein fallen könne. Auf den Grapens oder auf den Opferkesseln sind viele runische Schriften gewesen. An die zwey Centner altes Eisengeräthe hat man neben den beiden Kesseln in der Erde gefunden. Dieser Umstand beweiset deutlich, daß die ganze Sammlung mit Sorgfalt und gutem Vorbedachte vergraben worden. Die Zeit, wann diese Entdeckung geschehen, lässet sich nicht so genau beschreiben, indem der gefundene Schatz eine Zeit lang verhehlet worden. Indessen ist es gewiß, daß es im vorigen Jahrhunderte geschehen, in der Zeit von 1687 bis 1697, in welcher Zeit der Herr von Gamm das Dorf Prilwitz besessen. Der zu der Zeit lebende Pastor Friedrich Sponholtz, welcher 1697 im December gestorben, hat die Entdeckung gemacht. Der Pfarrgarten stößt an die Nordseite eines hohen Berges, der gegen Osten mit einem steilen Ufer an die See grenzet, jetzo aber abgetragen ist, und zur Erhöhung des adelichen Gartens gebrauchet worden. Da nun der Pastor einen Baum in seinen Garten eingraben wollen, und das Ufer gegen den Berg etwas abgestochen, sind diese Schätze entdecket und in Verwahrung genommen. Ob der Herr von Gamm solches zu der Zeit erfahren, ist ungewiß, indessen ist es doch nicht ganz unbekannt geblieben, sondern es hat sich davon ein Gerüchte verbreitet, welches aber geglaubet und bestritten, und niemals untersuchet worden. Wie der Pastor Sponholtz 1697 im Herrn entschlafen, hat die Wittwe während des Gnadenjahres sämmtliche Alterthümer, nebst den beiden Opferkesseln und Eisengeräthe, an den Goldschmidt Paelcke in Neubrandenburg verhandelt. Hier ist das Eisengeräthe verbrauchet die beiden Opferkessel


17) Die Vorrede Woge's ist vom 5. Mai 1771 datirt.
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sind zum Glockengusse gegeben worden, wie in Neubrandenburg eine neue Glocke gegossen worden. Die eigentlichen Heiligthümer aber sind, wo nicht alle, doch größtentheils erhalten worden. Der Goldschmidt Sponholtz in Neubrandenburg, ein Großvaterbruder=Sohn des Pastors Sponholtz zu Prillwitz, ward ein Schwiegersohn des Goldschmidt Paelcken in Neubrandenburg 18 ) und erhielte diese Sammlung durch die Erbschaft von seinem Schwiegervater. In den Händen der jetzigen Frau Wittwe Sponholtzen, gebohrnen Paelcken, und ihres Sohnes, des jetzigen Herrn Sponholtz, eines Goldschmiedes in Neubrandenburg, sind diese Schätze bisher geblieben. Ein Stück, wo nicht mehrere, und vermuthlich der Prove, ist in vorigen Zeiten eingeschmolzen, damit man einen Versuch mache, ob etwas edles Erzt herauszubringen wäre. Es ist aber der Versuch so abgelaufen, daß man es für besser gehalten, die Alterthümer unverletzt zu erhalten. - Ich führe aber diese sämmtlichen Umstände so weitläufig an, um den Verdacht einer Erdichtung abzulehnen". 19 )

Auch die Frage wegen der Aechtheit der Alterthümer berührt Masch mehrere Male, doch nur im Vorbeigehen, weil ihm die von Sense augeregten Zweifel daran zu geringfügig erschienen. "Man hat sich Mühe gegeben, schreibt Masch S. 24, "diese Alterthümer, nachdem man sie etwa ein paarmal flüchtig und obenhin angesehen, 20 ) für unächt oder für unerheblich zu erklären." Er bemerkt dagegen S. 38: "Wären es Puppen, die ein Künstler in neuerer Zeit gebildet, würden sie gewiß in einem ganz anderen Geschmack sein", und S. 41: "Gesetzt, es hätte ein Künstler diese Figuren gebildet, um einen Betrug zu spielen, so würde er doch entweder keine Runen darauf gestochen haben,


18) Am 21. April 1697, also noch vor dem Absterben des Pastor Sponholtz zu Prillwitz, hatte Maria Pälcke, Tochter des im J. 1715 zu Neubrandenburg verstorbenen Bürgermeisters Andreas Pälcke, den Bruder des Pastors Sponholtz, den Schmiede=Altermann und Kämmerer zu Neubrandenburg, Jürgen Sponholtz, geheirathet. Ihr Bruder war der Goldschmidt Johann Pälcke zu Neubrandenburg. Am 24. August 1726 kamen der Kämmerer Jürgen Sponholtz und der Goldschmied Johann Pälcke beim Herzoge um Dispensation zur Heirath von Sponholtzens ältestem Sohne, dem Goldschmiede Andreas Sponholtz, mit Pälckens einziger Tochter Johanna ein. Die Dispensation wurde ertheilt und die Heirath vollzogen. Der älteste Sohn aus dieser Ehe war der Goldschmied Sponholtz, von dem Hempel und Masch die Alterthümer erwarben. Siehe unten den Sponholtzschen Stammbaum. F. B.
19) "Alle diese Nachritten beruhen auf eine sorgfältige Erkundigung bei jetzo noch lebenden Personen, als dem Herrn Sponholtz und dessen Mutter. Die Frau Pastorin zu Badresch, verwittwete Heroldten, ist eine noch lebende Tochter der Wittwe, welche diese Alterthümer nach Neubrandenburg verkaufet hat, und weiß es sich gleichfalls zu erinnern, daß sie in der Jugend es gehöret, daß man bey dem Einpflanzen eines Baumes allerley Metallwerk in dem Pfarrgarten zu Prilwitz gefunden habe." Masch.
20) Hiemit zielt Masch wohl ohne Zweifel auf Sense. Auch Woge in der Vorrede schreibt: "vollends die Authenticität und ächte Beschaffenheit dieser sämmtlichen Alterthumsstücke von einem und dem andern bezweifelt werden wollte: so entschloß ich mich" etc. .
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oder, wenn er auch auf diesen Einfall gerathen wäre, hätte er doch die ausländischen und erstorbenen Sprachen unmöglich kennen können. Welcher Goldschmidt kann wendisch, gothisch und griechische?"

Auch Masch blieb nicht ohne Gegner. Der erste war der Hallesche Professor Joh. Thunmann in seinen "Untersuchungen über die alte Geschichte einiger nordischer Völker, Berlin 1772", deren vierte das Masch'sche Werk ausführlich scharf kritisirte. Aber diese Kritik beschränkte sich hauptsächlich nur auf die historischen und mythologischen Hypothesen und Erläuterungen Maschens, so wie auf seine Deutung der Runen=Legenden; gewiß nicht mit Unrecht warf er in dem letzten Punkte Maschen große Willkürlichkeit vor, der in diesen Runen=Legenden bald wendische, bald gotische, bald griechische Worte erblickte. Die Aechtheit der Prillwitzer Alterthümer bezweifelte übrigens Thunmann nicht. - Noch fataler für Masch war der zweite Angriff, welcher durch das im J. 1773 zu Bützow im Druck erschienene "Rhetra und dessen Götzen, Schreiben eines Märkers an einen Mecklenburger über die zu Prillwitz gefundenen Wendischen Alterthümer", geschah, denn in demselben wurden die beiden vornehmsten Hypothesen Maschens, daß diese Götzen wirklich aus dem Tempel zu Rhetra wären, und daß Rhetra auf der Stelle des Dorfes Prillwitz gestanden habe, - für nicht erwiesen angesehen, und der Gegenbeweis versucht. Es wurde für unmöglich erklärt, daß im 11. und 12. Jahrhunderte noch, wie Masch behaupte, der "See Tollense ein Theil oder Binnenwasser der Ostsee gewesen, wovon noch die Verbindung des Sees mit dem Haff und der Ostsee vermittelst des Stromes Tollense und der Pene übrig sei", weil schon in Urkunden Karls des Großen und Otto's des Großen die Peene als ein Fluß, der zur Ostsee ströme, erwähnt werde; unmöglich könne also die Tollense, welche in die Peene falle, damals ein Binnenwasser der Ostsee gewesen sein, sondern müsse auch damals schon einen nicht viel höheren Wasserstand gehabt haben, als sie noch heutiges Tages habe. Daß aber Prillwitz nicht auf der Stelle von Rhetra liegen könne, wurde aus der im J. 1170 ausgestellten Stiftungsurkunde des Klosters Broda bewiesen; in dieser würden die Dörfer Broda, Wustrow und Prillwitz an der Tollense aufgeführt, und es sei undenkbar, daß bereits wenige Jahre nach dem Zeitpunkte, welchen Masch als den der Zerstörung Rhetra's annehme, hier ein wendisches Dorf solle gelegen haben. Eben so wenig folge aus dem Auffinden der mit der Inschrift "Rhetra" versehenen Idole, daß dieses auf der Stelle von Prillwitz, wo sie gefunden worden, gelegen habe. Gesetzt auch sie wären wirklich aus dem Tempel zu Rhetra, so

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könnten sie hier in weiterer Entfernung (der Verfasser nimmt an, Rhetra habe an der Müritz gelegen) auf der Flucht ins pommersche Gebiet, zu welchem Prillwitz damals gehörte, vergraben worden sein. Die Tempel=Götter aus Rhetra aber wären diese kleinen metallenen Puppen sicherlich nicht gewesen, denn die Tempel Götter der Wenden würden von allen gleichzeitigen Schriftstellern als Kolosse, oder doch wenigstens als in Menschen=Lebensgröße gebildet beschrieben; diese 6= bis 7zölligen winzigen Bilder könne man etwa nur für Hausgötzen irgend eines wohlhabenden Wenden halten.

Der Verfasser dieses Sendschreibens war Buchholtz, der jetzt berühmte Verfasser der Geschichte der Kurmark Brandenburg, den Friedrich der Große zur Belohnung seiner Verdienste um die vaterländische Geschichte hatte als Oberpfarrer nach Cremmen versetzen lassen, und der Freund, an den es gerichtet ist, war ohne Zweifel Pistorius. Wahrscheinlich unmittelbar nach Erscheinen des Woge=Masch'schen Werkes hatte Pistorius Buchholtzen zu einer Beurtheilung desselben aufgefordert, und dieser hatte seinem Wunsche bereitwillig entsprochen. Allein Buchholtz, oder auch Pistorius, nahm anfänglich noch Anstand, das "Sendschreiben durch den Druck zu veröffentlichen. Als man sich späterhin dazu entschloß, arbeitete Buchholtz seine kleine Schrift noch einmal sorgfältig um, und so trat sie denn im J. 1773 ans Licht. Ein Exemplar der ersten Bearbeitung - wahrscheinlich von Buchholtzens eigener Hand geschrieben - ist bei den Neustrelitzer Acten vorhanden. Der Eingang ist in den persönlichen Bezeichnungen noch deutlicher, als die hernach gedruckte Bearbeitung, weshalb ich ihn hier mittheile:

"Mein Liebster Freund! Es ist kein geringer Verlust für mich, seitdem ich meinen Aufenthalt verändern, und die Meklenburgischen Gräntzen verlassen müssen, daß ich der Ehre des angenehmen Briefwechsels mit Ihnen entbehren muß. Wenigstens hat die Entfernung denselben sehr unbequem gemacht, so daß ich des Vergnügens von Ihrer geehrten Hand einige Zeilen zu sehen, allhier in drey Jahren nicht genossen. Ich dachte schon, daß ich bey Ihnen vergessen sey, bis mich Ihre Güte vor einigen Wochen eines andern auf die angenehmste Art überzeugte. Ihr freundschaftlicher Brief ist mir Bürge davor, daß Sie noch der nemliche seyn, der Sie damals waren. Und so kann ich Sie auch versichern, daß mir das Andenken an einen solchen Freund immer neu sey, und ich mich mit Wohllust des Briefwechsels über verschiedene Stücke der Geschichte erinnere, 21 ) damit wir uns da=


21) Er meint hier wohl die mit Pistorius auf Anlaß von dessen Meklenburg, Adelshistorie, geführte Correspondenz.
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mals belustigten. Erlauben Sie, liebster Freund, daß ich denn diesem Vergnügen auch in gegenwärtiger Entfernung von Ihnen nachhänge, und mir schreibende vorstelle, wie frey und vertraulich wir uns damals unsere Gedanken einander eröfneten. Sie sind so gütig und fordern mich selbst dazu auf, ich soll Ihnen meine Gedancken von Alterthümern Meklenburgs mittheilen, deren Entdeckung unsern Tagen aufbehalten gewesen, wenn sie gleich nicht mit Ihren eigenen Gedancken übereinkommen mögten".

"Die "Gottesdienstlichen Alterthümer der Obotriten aus dem Tempel zu Rhetra am Tolenzer See", die Herr Woge gezeichnet und in Kupferstichen der Welt vorgeleget, und der Hochwürdige Hofprediger und Consistorial=Rath Masch erleutert hat, die soll ich beurtheilen! Nun, Sie fordern es von mir, das ist Berufs genug dazu für mich. So sage ich Ihnen dann, daß an den Originalien gewiß ein großer Schatz der alten Welt gefunden worden, ein Schatz, um unsere Historische Erkentnis mehr zu bereichern, als bisher ohne sie geschehen können, ein Schatz, um uns von der Abscheulichkeit des Götzendienstes der Heiden recht zu überzeugen, die so ungestalte Bilder göttlich zu verehren verblendet genug gewesen, und auch physice solche Greuel für Bilder Gottes angenommen. Denn daran kan wohl Niemand zweifeln, daß diese Bilder ein Gegenstand Wendischer Andacht gewesen, so wohl bey den Tolenzern und Rhedariern, als bei den Obotriten; und die Nachwelt wird es sowohl dem Herrn Woge, als besonders Sr. Hochwürden dem Herrn Consistorial=Rath stets zu dancken haben, daß sie sich einen richtigen Begriff von den Götzen hiesiger Wenden machen kan, davon bisher viel unrichtiges gedacht worden."

"Indessen, mein liebster Freund, muß ich doch gestehen, daß ich wünschte, der Hr. Consistorial=Rath hätte seine geäusserte Meinungen von diesen Götzen sowohl, als von der ehemaligen Stadt Rhetra, in deren Tempel sie gestanden haben sollen, so ausgeführet, daß ich, und wer sonst der Geschichte des Nordischen Theils von Deutschland kundig ist, von der Gewißheit seiner Sätze überzeuget würde. Ich kan nicht leugnen, daß ich seine zwo Haupt=Hyothesen 1) daß die Götzen würklich aus dem Tempel zu Rhetra seyn, und 2) daß Rhetra auf der Stelle des Dorfs Prillwitz am Tolenzer=See gestanden, nicht vor so erwiesen ansehe, als er glaubet sie erwiesen zu haben. Einem nunmehr verstorbenen Freunde, 22 ) der mir diese Alterthümer zu allererst bekannt machte, als sie kaum gefunden oder unwissenden Händen halb entrissen waren, und eben das davon dachte, was der Hr.


22) Der Präpositus Genzmer.
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Consistorial=Rath, habe ich schon damals geschrieben, er würde sich vielleicht in beyden Stücken irren: doch hatte ich eben nicht Lust, ihm sonderlich an seiner Belustigung daran zu hindern; und ich würde mir die Mühe nicht genommen haben, die Erleuterungen des Hrn. Consistorial=Raths genauer zu prüfen, wenn Sie, mein liebster Freund, mich nicht dazu aufforderten. Aber es thut mir leid, daß so sehr ich den Fleiß und die Gelehrsamkeit bewundere, die dieser große Mann, sonderlich in der Vorrede, angewendet hat, die angenommene Stelle von Rhetra fest zu setzen, ich in meinen Zweifeln dadurch noch mehr bestärket werde. Ich will Ihnen hiemit meine Anmerkungen darüber liefern, und die werden zeigen, ob meine Zweifel Grund haben. Ich protestire aber feyerlichst, daß dadurch bey mir nichts von der Hochachtung, die ich dieses großen Gottes=Gelehrten unserer Kirche anderweitigen Verdiensten schuldig bin, abgehe."

Maschen war offenbar dieser Angriff auf seine Hypothese über die Lage von Rhetra höchst unangenehm. Er ließ vor läufig eine vom 16. Februar 1774 datirte Widerlegung in Nr. 8 und 9 der Strelitz. nützlichen Beiträge einrücken, in welcher er Buchholtzen als den Verfasser des Sendschreibens nannte. 23 ) Buchholtz las diese Entgegnung noch einige Wochen vor seinem Tode (am 29. April 1774), versicherte aber seinem Freunde Heynatz: "daß ihm eine Gegenantwort leicht sein würde, daß er aber Bedenken trüge, sich weiter in die Sache einzulassen, die er nun dem Publicum gern zur Entscheidung überließe". In demselben Jahre zur Michaelismesse erschien nun auch eine ausführliche Entgegnung von Masch gegen Thunmann und Buchholtz unter dem Titel: "Beiträge zur Erläuterung der Obotrit. Alterthümer". In der vom Todestage Buchholtzens datirten Vorrede behauptet Masch: "Dieser gelehrte Mann hat sogleich, wie 1771 meine Erläuterungen ans Licht traten, seine Gedanken von der Lage der Stadt Rhetra und dem Werth der Götzen=


23) Heynatz in der Vorrede zum 5. Theile der Buchholtzschen Geschichte der Kurmark schreibt S. XX: "Buchholtz hat viel Fleiß an diese kleine Schrift gewandt und sie vor dem Drucke so gar ein mal ganz wieder um gearbeitet. Sie ist auch nicht ohne Beifall geblieben. Der Herr Consistorialrath Masch selbst dankte dem Verstorbenen in einem eigenen Briefe für die Artigkeit, mit welcher er ihm begegnet, und versprach ihm, wenn er noch Zusätze zu der Schrift zu machen hätte, dieselben in den Beiträgen zur Erläuterung der Obotrit. Alterthümer, die er herauszugeben Willens wäre, zu nützen. Ich sehe aus einem Verlagsverzeichnisse, daß diese Beiträge auf gegenwärtiger Michaelismesse erscheinen sollen, und zweifle nicht, daß der Herr Consistorialrath Masch so wol auf die von ihm selbst erkannte artige Begegnung, als auf den Umstand, daß sein Gegner unterdessen gestorben ist, und sich nicht mehr verantworten kann, Rücksicht nehmen werde. Eine kurze Beantwortung, die der Herr Consistorialrath in den Strelitz. nützlichen Beyträgen einrücken lassen, hat der Verstorbene noch gelesen, mich aber noch kurz vor seinem Tode versichert," u. s. w.
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bilder aufgesetzet und selbige einem Freunde zugesendet, in dessen Händen der Aufsatz auch geblieben, bis er nun ohne Vorwissen des Herrn Verfassers dem Drucke übergeben worden. Der Aufsatz hat alle Merkmale, daß ihm die letzte Hand seines Urhebers fehlet". (!) Uebrigens war Maschens Vertheidigung gegen Thunmann schwach, noch schwächer die gegen Buchholtz. Auf das, was dieser aus der Erwähnung der Peene in Urkunden Karl's und Otto's des Großen gegen den supponirt höheren Wasserstand der Tollense als eines Binnenwassers der Ostsee gefolgert hatte, antwortet Masch so gut wie gar nicht; den Namen von Prillwitz sucht er aus der Brodaschen Stiftungsurkunde dadurch zu entfernen, daß er die darin aufgeführten Namen größtentheils für verschrieben erklärt, und z. B. aus Prillwitz das Dorf Priborn jenseits der Müritz macht. Masch hat seitdem noch wiederholt seine Hypothese von der Lage Rhetra's dem Publicum in Zeitschriften zum Besten gegeben, und mit den alten, aufgewärmten Argumenten unterstützt, scheint aber bei dem urtheilsfähigen Theile desselben kein Glück mehr damit gemacht zu haben.


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Gideon Nathanael Sponholtz.

Bis jetzt ist immer nur von dem Goldschmiede Sponholtz die Rede gewesen; es ist aber nöthig, mit seiner gesammten Familie uns etwas genauer bekannt zu machen. Diese bestand zur Zeit, als der Handel mit den Prillwitzer Idolen vor sich ging, aus der Wittwe des im J. 1759 verstorbenen Goldschmiedes Andreas Sponholtz, und deren drei Söhnen: Jacob Ernst Sponholtz (geb. 1734), welcher die Profession des Vaters fortführte, Jonathan Benjamin Sponholtz (geb. 1740), der bei dem Bruder als Gesell arbeitete, und Gideon Nathanael Sponholtz (geb. 1745), der ohne einem bestimmten Berufe sich zu widmen aufgewachsen war, weil er der Liebling der Mutter war, und die Wohlhabenheit der Familie es erlaubte. Das vom Vater hinterlassene Vermögen muß sehr bedeutend gewesen sein, da die Brüder, obwohl sie selbst der Obrigkeit eine klare Einsicht in ihre Verhältnisse zu entziehen wußten, doch einen Belauf desselben von wenigstens 20,000 Thlr. einräumen mußten. Sie blieben nämlich nach dem Tode des Vaters in ungetheilten Gütern mit der Mutter sitzen, welche die Vormundschaft für die beiden noch nicht mündigen Söhne übernahm, ja kraft eines besonderen Familienpactes ließen sie dieses Verhältniß auch noch fortbestehen,

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nachdem sie sämmtlich volljährig geworden waren. Es schien ihnen dies die angemessenste Weise, um das Geschäft des Vaters am einträglichsten fortzuführen. Dieses war nun zwar nominell die Goldschmiede=Kunst, eigentlich aber die Geldnegocianten=Profession; heutiges Tages würden sie eine Familie von Börsenspeculanten gebildet haben, damals freilich standen sie nur auf dem Standpunkte gemeiner Wucherer. Dieses Geschäft scheinen schon Väter und Großväter betrieben zu haben. Um es desto sicherer in der Familie zu erhalten, hatten schon die Großväter, der Kämmerer Jürgen Sponholtz und der Goldschmied Johann Pälcke, eine Ehe zwischen Sponholtzens ältestem Sohne Andreas und der einzigen Tochter Pälckens, Johanna, aufs Tapet gebracht, obgleich die Mutter des Bräutigams die Vaterschwester der Braut war. 24 ) Aus dieser Ehe entsprangen die erwähnten drei Brüder, welche nach dem Tode des Vaters nun im Verein mit der Mutter das in der Familie hergestammte Geschäft fortsetzten.

Auf den ältesten Sohn, den Goldschmied Jacob Sponholtz hatte sich die Neigung des Vaters und der Mutter 25 ) in vollem Maße fortgepflanzt. Er hielt zwar eine Werkstätte, in der seine Gesellen arbeiteten, und trieb einen starken Handel mit altem Gold und Silber, das er sowohl in großen Quantitäten, als auch in gestohlenen Löffeln, abgeschnittenen Tressen u. s. w. aufkaufte und dadurch öfter in ärgerliche Händel sich verwickelte. Aber seine eigentliche Beschäftigung war der Geld=Commerce, den er in großer Ausdehnung betrieb, wovon seine Rechnungsbücher und seine ungemein ausgebreitete Correspondenz noch Zeugniß geben. Große Summen, bisweilen hoch in die Tausende, lieh er an den in Geldverlegenheiten steckenden Adel der Umgegend, aber er verschmähte es auch nicht, kleine Summen auf Pfänder, besonders Gold= und Silbersachen, vorzustrecken, welche er, wenn sie Verfallen waren, sofort einschmolz. Dieser kleine Wucher scheint vorzugsweise seine Liebhaberei gewesen zu sein.


24) Zur genauem Einsicht in die Verhältnisse der Sponholtzschen Familie gebe ich auf der folgenden Seite eine Stammtafel derselben nach einem mir von dem Herrn Pastor Sponholtz zu Rülow mitgetheilten vollständigen Stammbaume der Familie, den ich mit den mir zu Gebote stehenden Familien=Papieren und dem hiesigen Kirchenbuche verglichen habe.
25) Als Curiosum sei hier nur erwähnt ein an die verwittwete Frau Sponholtz gerichtetes Bittschreiben der Wittwe des Bürgermeisters Keller zu Neubrandenburg, worin diese die Sponholtzen ersucht, ihren zu Pfande stehenden schwarzen seidenen Rock ihr auf einige Tage zu leihen, weil sie zum heil. Abendmahle gehen wolle.
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Stammtafel der familie Sponholtz
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Der mittlere von den Brüdern, Jonathan, nachdem er einige Jahre in der Fremde auf der Wanderschaft gewesen, gab, heimgekehrt, seine Profession auf, heirathete im J. 1775 die Tochter des Pastors Barckow zu Peccatel und wählte den Verhältnissen seiner Frau angemessenem Stand eines Brauers und Gastwirths zu Neubrandenburg. Er erhielt zu dem Behufe aus dem gemeinschaftlichen Vermögen 6000 Thlr. "angeliehen", blieb aber Theilhaber des Compagnie=Geschäftes, welches Mutter und Bruder mit eben so vielem Eifer, als gutem Erfolge betrieben.

Der jüngste der Brüder, Gideon, war beim Tode des Vaters erst 14 Jahre alt und verließ die Schule zeitig, ohne irgend nennenswerthe Kenntnisse auf derselben erworben zu haben; übrigens war er ein offener Kopf, schlau und verschlossen. Er blieb bei der Mutter und dem unverheirathet bleibenden Bruder, ohne sich einem besonderen Fache zu widmen, besorgte die Correspondenz der Mutter, schrieb Mahnbriefe und Kündigungen und beschäftigte sich eifrig mit "Versuchen zur Veredlung der Metalle". Noch gegen Ende des J. 1767 schrieb er, daß "der in Stocken gerathener und nunmehro erstorbener Silber Handel ihn zu den festen Entschlus ein Landmann zu werden gebracht", als der bald darauf stattfindende Alterthümer=Handel mit Hempel ihm eine andere Richtung gab. Mit Hempel, Pistorius und Genzmer in Connex gekommen, wurde er Sammler von Profession, vorzugsweise von Naturalien und Alterthümern; eine andere Absicht dabei, als sich den Anstrich eines Gelehrten zu geben und durch seine Sammlungen unter Gelehrten einen Namen zu machen, läßt sich nicht erkennen. Besonders scheint Pistorius, selbst eine Art hagestolzer Sonderling, an dem listigen, versteckten Sonderlinge Gideon Gefallen gefunden zu haben. Seit dem J. 1768 bis an seinen Tod im J. 1780 lebte Pistorius mit Gideon in Freundschaft; als dieser im J. 1775 ein Stammbuch anlegte, schrieb Pistorius in dasselbe: "Diese Welt ist die beste, und in dieser besten Welt wünsche ich meinem besten Freunde Sponholtz jederzeit das beste Wohlergehn".

Allein es genügte Gideon nicht, durch sowohl in der Umgebung von Neubrandenburg, als auch an entfernteren Orten unermüdlich betriebene Nachgrabungen Alterthümer für seine Sammlung zu gewinnen. Sehr schmerzlich vermißte er die Prillwitzer Alterthümer, besonders "seine Götzen" (auch sein Erbantheil war ja darunter), die durch den Bruder in Hempels und Maschens Hände gekommen waren. Da gerieth er (angeblich in den Jahren 1777 oder 1778) auf den Einfall, ob er den Verlust nicht durch Götzen von eigener Fabrikation ersetzen könne. Mit Hülfe des Töpfers Pohl der die Modelle machte, und des

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bei seinem Bruder arbeitenden Gesellen Neumann, der sie heimlich abformte und in Metall abgoß, führte er ihn aus. Neumann mußte nach dem Masch'schen Werke mit dem Schrootpunzen auf die Metallbilder Runen=Legenden schlagen, und Gideon ließ sie dann durch Borax mit grünem Roste anlaufen, um ihnen das Ansehen des Alterthümlichen zu geben. Der älteste Bruder soll zwar die Modelle gesehen, von ihrer eigentlichen Bestimmung aber nichts geahnt haben. Ob Pistorius diese Metallbilder 26 ) gekannt, ob auch er durch Gideon getäuscht wurde, wie Masch, vermag ich nicht zu bestimmen; vor dem Verdachte einer Mitwirkung zu diesem Betruge sollte übrigens Pistorius sein durchaus ehrenwerther Charakter bewahren. Die Runen=Legenden können sehr wohl von Gideon selbst gewählt sein, denn (bis auf einen einzigen) kommen die Namen der Götzen alle in dem Woge=Masch'schen Kupferwerke vor, 27 ) das nach Neumanns Aussage ihm Gideon vorgelegt hat.

Die erste Kunde von diesen neuen Schätzen in Gideons Museum bringt uns Masch. Im Herbste des J. 1779 wurde auf einem den Sponholtzen zugehörigen Ackerstücke bei Neubrandenburg, im sogenannten Küssowschen Felde nahe beim Ilenpôl (Igel=Pfuhl) beim Pflügen ein Grabmal entdeckt, bei dessen Oeffnung Masch selbst zugegen war und den daselbst gemachten Fund in Nr. 16 der Strelitz. nützlichen Beiträge vom J. 1780 beschrieb. Er sagt:

"Selten aber ist es, daß man ein so charakteristisches Grabmal entdecket, wie dasjenige ist, so im vorigen Herbste auf dem Neubrandenburgischen Felde gefunden worden. Bey diesem Grabe finden sich Umstände, welche der Bemerkung würdig sind, und alles zusammen stimmet darinn überein, daß es ein Grabmal eines Mannes gewesen, der etwas wichtiges in Mecklenburg vorgestellet, und wohl nichts weniger, als ein König des ehemaligen hiesigen Volkes gewesen ist. Zu dieser Vermuthung veranlassen mich die außerordentlich schönen und kunstreich gearbeiteten metallenen Urnen, die in den Urnen aufbewahrten schönen Geräthe, Ringe, Angehänge, und die merkwürdigen Steine, welche unter und neben den Urnen geleget waren".

"Wie das Grab entdecket und die Urnen ausgehoben waren,


26) Es waren übrigens nicht alle Götzenbilder, sondern eine ganze Menge von Amuleten, Opferschalen, Opfermessern u. s. w., alle mehr oder weniger mit Runen signirt.
27) Levezow S. 23 wundert sich: "daß auf diesen Bildern Namen von Götzen zu lesen sind, welche sich in dem Mascheschen Werke nicht befinden, als die Namen Othin, Rugewit, Razivia, Zarnevit, Hela u. dergl.". Mit dem Namen Zarnevit hat dies allerdings seine Richtigkeit; für die andern aber nicht, insofern man Gideon nur die Kenntniß zutraut, die entsprechenden Runen auf den Kupfertafeln aufsuchen zu können, denn Othin findet man bei Masch S. 63, Rugewit S. 79, Razivia S. 98, Hela S. 146.
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hat man in der Tiefe weiter nachgesucht, und 4 Steine gefunden, 28 ) welche eine vorzügliche Aufmerksamkeit verdienen. Der größeste ist 15 1/2 Zoll lang, auf der glatten Fläche 7 Zoll breit; die Höhe ist ungleich, und an den mehresten Stellen 6 Zoll. Der Stein ist kein eigentlicher Kiesel, sondern ein blättriger grauer Stein mit vielem Glimmer. Die ebene Fläche weiset uns die Kunst der Wenden in Stein zu arbeiten. Ganz unten auf der Fläche sind die drey Rhunen=Buchstaben RAL gehauen. Ueber diesem Worte stehet das Mecklenburgische Wapen, ein Büffelskopf, welcher von dem Maule bis zwischen den Anfang der Hörner beynahe 4 Zoll lang, und bey den Augen fast 3 Zoll breit ist. Die Hörner sind vom Kopfe bis zur Spitze 2 1/2 Zoll lang. Neben dem rechten Auge stehen drey Rhunische Buchstaben. Die beyden ersten sind in einander gezogen und unkenntlich; der dritte ist ein kenntliches A. Zwischen den Hörnern stehet ein Rhunisches M. Ueber diesem Buchstaben ist eine Figur eingehauen, welche 5 1/2 Zoll lang ist. Dem ersten Ansehen nach ist es ein Vogel, dessen Kopf niederhängt, weil der Stein keine andere Stellung verstattet. Nachdem ich aber den Stein noch einmal ausgewaschen und ein Vergrößerungsglas zu Hülfe genommen, so finde ich hier das Bild eines Ochsen, der Kopf desselben stehet über dem rechten Horn des Büffelkopfes, und hat nur eine hervorragende Spitze, welche ein Horn vorstellen soll. Vier etwas gekrümmte Linien sind die 4 Füße und eine grade Linie ist der Schwanz. Der Kopf ist 1 1/2 Zoll lang und der Leib 2 Zoll dick. Gerade über den Rücken stehet ein Rhunisches S, und über dieses eine gerade Linie über die ganze Breite des Steines. Alles ist eingehauen."

"Der Zweyte Stein ist ein Sandstein, welcher zerschlagen und so gesprungen ist, daß er eine Fläche erhalten, welche 6 Zoll lang, und auf dem einen Ende 4 Zoll breit ist. Auf dieser Fläche sind 3 Buchstaben eingehauen Z I der dritte Buchstabe bestehet aus 2 gehauenen Linien, welche einen spitzen Winkel machen."

"Der dritte Stein ist ein Kiesel, von welchem das eine Ende abgeebnet ist. In dieser Fläche ist eingehauen BEL."

"Der vierte Stein ist ein blättriger Glimmerstein. Es ist Schade, daß von diesem vieles abgesprungen ist. Muthmaßlich hat derselbe eine ganze Inschrift enthalten. Denn auf dem noch vorhandenen Stücke stehet deutlich ZIRA. Diese Steine zeigen Merkmale des Feuers auf, und sind ohne Zweifel mit in dem


28) Die vier hier von Masch beschriebenen Runensteine finden sich auch unter den von v. Hagenow beschriebenen Neustrelitzer Runensteinen Fig. 3, 10, 11, 5.
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Scheiterhaufen gewesen, auf welchem der Held verbrannt worden, welchem zu Ehren diese Inschriften mit Steinen versehen sind."

"Die Entdeckung dieser Steine sowohl als der Urnen und übrigen Geräthe ist sehr wichtig, und giebt zu manchen Betrachtungen eine Veranlassung. Ehe ich aber diese vorlege, muß ich ein kleines Schild beschreiben, welches in der einen Urne gefunden worden. Es ist von Metall und länglich rund, die Länge 1 1/2 Zoll, die größeste Breite 1 1/4 Zoll. Oben ist ein rundes Loch durchgebohret, daß man es mit einem Bande anhängen kann. Unter dem Loche ist ein erhaben gegossener Vogel, etwas über einen halben Zoll lang, und unter diesem stehet in zwey Reihen mit Rhunen=Buchstaben RADE GAST. Die Rückseite stellet ein Gitterwerk vor. Das ganze Stück ist mit dem schönsten edlen Rost überzogen."

Dieses kleine Schild oder Amulet mit dem Vogel und der Runen=Legende Radegast befindet sich zufällig nicht unter dem vom Grafen Potocki (siehe weiter unten) abgebildeten Alterthümern der Gideonschen Sammlung. Es ist aber noch gegenwärtig in der Neustrelitzer Sammlung vorhanden und gleicht in Technik, Charakter und grünem Rost so gänzlich den übrigen von Gideon selbst gefertigten Alterthümern, daß der Verdacht sehr nahe liegt, Gideon habe diese Alterthümer, welche er in Maschens Gegenwart feierlichst aufgrub, vorher selbst heimlich hier eingegraben; daß Runensteine zu solchen Grabmälern gehörten, darüber hatte ja Masch selbst (S. 67 und 86) ihn belehrt. Dieser Verdacht wird dadurch noch mehr bestärkt, daß Gideon später vorgab, nicht nur jenes Amulet mit Vogel hier gefunden, sondern noch zahlreiche andere metallene Alterthümer mit Runen=Legenden hier ausgegraben zu haben. Die kleine Schrift des Pastors Kortüm zu Neubrandenburg: "Beschreibung eines neulich bei Neubrandenburg gefundenen wendischen Monuments (1798)" berichtet darüber S. 24: "Vor mehreren Jahren wurden selbst in der Gegenwart des Herrn S. Masch an einem Orte auf dem Neubrandenburgischen Felde, wo sich etwas vermuthen ließ, Nachforschungen angestellt. Es wurden auch wirklich acht wendische Alterthümer gefunden, aber was recht zu bedauern war, die entscheidendsten Stücke kamen ihm nicht zu Gesichte. In der Sammlung des Herrn Sponholz befindet sich, außer einigen kleinen Geräthschaften mit der Aufschrift Rhetra, die bey dieser Gelegenheit gefunden worden, noch ein kleiner, etwa spannenlanger, sehr silberhaltiger Radegast, der an demselben Ort gelegen. Er hat nur einen Fuß, der wahrscheinlich abgebrochen worden, entweder bey dem Ausgraben oder um den Gehalt zu probiren. Seine ganze Gestalt zeigt es, daß

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er in eben demselben Feuer gewesen, wovon die übrigen in Prilwitz gefundenen Alterthümer so sichtbare Spuren an sich tragen. Er muß sich in der Nähe von bleiernen Geräthschaften befunden haben, denn er hat noch hin und wieder einzelne Stellen, an welchen zerschmolzenes Blei sitzt". 29 )

Nicht lange nachher erschien unter Gideons Aegide eine Chronik von Neubrandenburg. P0istorius halte Materialien zu einer solchen gesammelt, die Gideon nach dem im J. 1780 erfolgten Tode des Pistorius 30 ) aus seinem Nachlasse an sich zu bringen wußte. Nun traute er es sich zwar nicht zu, selbst sie zu bearbeiten und öffentlich als Schriftsteller aufzutreten, aber der Zufall führte ihm einen Gehülfen zu. Ein Baron Gottlob von Hacke auf Biltzingsleben (2 Stunden nördlich von Weißensee, im Regierungsbezirke Merseburg) trieb sich damals als Aventurier in Norddeutschland umher und war im J. 1781 zu Rostock als Mitglied der Tillyschen Schauspielergesellschaft aufgetreten. Im folgenden Jahre kam er nach Neubrandenburg, und


29) Das von dem Pastor Kortüm in der erwähnten kleinen Schrift beschriebene Monument war auf dem St. Georg vor Neubrandenburg entdeckt; er hielt es für einen wendischen Schmelzofen und zwar denjenigen, worin die Prillwitzer Idole gegossen worden, woraus er denn den bündigen Schluß machte, daß Rhetra hier bei Neubrandenburg müßte gestanden haben. Der Pastor Rudolphi schrieb in demselben Jahre (1798) einen kleinen Aufsatz, der sich handschriftlich bei den Schweriner Acten befindet, worin er Kortüm zu widerlegen sucht, und das fragliche Monument, vielleicht richtiger, für ein Grabmal erklärt. In diesem Aufsatze findet sich auch in Bezug auf den oben von Kortüm besprochenen Radegast eine Stelle, die ich hersetzen will: "Doch ich weiß es selbst nicht, woher und warum, daß ich es bis jetzt noch nicht glauben kann, daß dieser Radegast dort wirklich gefunden sei. Daß der Herr Sponholtz dort vielleicht wirklich etwas antiquarisches gefunden und jene Gelegenheit gemißbraucht habe, glaube ich wohl; aber sein Radegast und noch andere Götzen seines verschlossenen Kellers sind noch wohl zurückgehaltene Reste der zu Prillwitz gefundenen Schätze, und aus gewisser Furcht mag er nun wohl von diesen sagen, sie bei Neubrandenburg gefunden zu haben. Wer kann uns da die sichere Wahrheit darthun! Ich weiß nicht, in welchem Jahre jene Nachsuchung und Finden dort geschehen ist: allein daß der Herr Sponholtz noch in den Jahren 1782 bis 83 diesen Götzen und noch mehrere hatte (und da waren doch die Prillwitzschen längst abgegeben und bekannt) und sie nach Hamburg verkaufen wollte: das weiß ich, und habe ich das von dem seel. Baccalaureus Schüler geschriebene und zu versendende Verzeichniß selbst gesehen: nur Schade, daß ich mich damals nicht sehr darum bekümmerte, als ich es jetzt thun, lesen und es mir merken würde". - Ein solches Verzeichniß mag damals wirklich existirt haben, um es nach Hamburg einzusenden, schwerlich aber, um die Götzen zu verkaufen. Wahrscheinlich wird es damit dieselbe Bewandtniß gehabt haben, wie mit der bald zu besprechenden Einsendung an Dreyer.
30) Pistorius hatte schon zwei Jahre vor seinem Tode vom Herzoge die Erlaubniß erwirkt, daß seine Leiche dürfe außerhalb der Ringmauern der Stadt beerdigt werden; er wollte dadurch den Neubrandenburgern ein Beispiel geben, den alt hergebrachten Gebrauch des Beerdigens in den Kirchen und auf den Kirchhöfen, welcher augenfällige Uebelstände mit sich führte, aufzuheben. Als er am 9. December 1780 gestorben war, Wurde seine Leiche Morgens in der Stille bei Fackelschein auf dem sog. langen Walle, unfern des Friedlandschen Thores, wo man einer freien Aussicht in die Umgegend genießt, bestattet. Ein einfacher Leichenstein bezeichnet die Stelle mit der Inschrift: "Landsyndicus J. G. Pistorius, ein Mecklenburger, geboren 1708, gestorben 1780"; darunter lieset man von späterer Hand: "und nie vergessen C. H. z. M. (Carl, Herzog zu Melleuburg)". Noch erinnern sich alte Leute der langen, hagern, aufrechten Figur des Pistorius, wie er im rothen Rocke, mit der weißen Perücke, an dem langen Rohrstocke würdevoll einherschritt, ein Ehrenmann im vollsten Sinne des Wortes.
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machte hier Gideons Bekanntschaft, der ihn beredete (Hacke hatte schon früher geschriftstellert), aus Pistorius Nachlasse eine Chronik von Neubrandenburg zu bearbeiten. In Nr. 37 der Strelitz. nützlichen Beiträge vom J. 1782, datirt vom 20. August, erschien die Ankündigung, worin von Hacke sagt: "die Urkunden, aus welchen ich diese Geschichte zusammentrage, sind von Herrn Sponholtz. Ansehnliches Vermögen, antiquarische Liebe, Fleiß und Glücksfälle haben ihn und seine Vorfahren in den Stand gesetzt, eine ansehnliche Bücher=, Urkunden= und Antiquitäten=Sammlung mancherlei Art anzuschaffen. Wie sehr der Mann wünscht, seine durch Glück und Fleiß erhaltenen Güter gemeinnützig zumachen, beweist er dadurch, daß seine Sammlungen jedem Liebhaber offen stehen, er sogar unter gewissen Bedingungen einen Theil der bekannten zu Prillwitz gefundenen obotritischen Götzen von Rhetra in der Öffentlichen Bibliothek des Doms zu Ratzeburg hat aufstellen lassen, worüber denn auch von den Herren Gelehrten schon vieles geschrieben. Doch wieder auf unsere Urkunden zu kommen: Der selige verstorbene Rath und Landsyndikus Pistorius, dessen verdienstvolles Andenken hier noch jedem heilig ist, lebte, wie bekannt, mit dem Herrn Sponholtz und seiner Sammlung 13 Jahr in genauer Freundschaft. Dieser würdige Mann hatte schon diese Urkunden gewählt, den Plan in Ordnung gebracht, und hie und da viele Erläuterungen eigenhändig beigeschrieben, auch die diesem Werke beigefügte Kupfertafel von der Neubrandenburger Münze stechen lassen, in Willens, das zu thun, was ich jetzo thun werde, wenn ihn der Tod darin nicht unterbrochen hätte. Herr Sponholtz sagte und zeigte mir dieses, mit der Bitte, ob ich nicht das angefangene Werk vollenden wolle". - Die Geschichte der Vorderstadt Neubrandenburg erschien im J. 1783 "gedruckt auf Kosten des Herrn Gideon Sponholtz". 31 )

Gideon befand sich jetzt auf dem Höhenpunkte seines antiquarischen Ruhmes. Nachdem die Mutter 78jährig im J. 1782 verstorben war, wurde im folgenden Jahre die Auffahrt des Hauses überbaut. Dadurch wurde ein großes Gemach oberhalb des Thorweges durch die Tiefe des Hauses gehend gewonnen, welches Gideon zu seinem Antiken= und Naturalien=Cabinette einrichtete. Auf einem Tische in der Mitte stand ein kleiner Tempel, den Tempel zu Rhetra vorstellend, mit thönernen Götzenbildern;


31) Nur der erst Theil, die Geschichte Neubrandenburgs bis zum Anfange des 18. Jahrhunderts befassend, ist erschienen, v. Hacke verließ Neubrandenburg bald darauf und kehrte in seine Heimath zurück, heirathete eine reiche Frau und wurde königl. polnischer Rath und Ritter des weißen Adlerordens.
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die metallenen Idole, Amulete u. s. w. wurden in einem Schranke sorgfältig verschlossen gehalten. Ein Theil derselben, gab Gideon vor, stamme noch aus dem Prillwitzer Funde, und glücklich habe er die wertvollsten Stücke davon den Späherblicken Hempels und Maschens zu entziehen gewußt; die übrigen sollten alle aus jenem Grabmale, das in Maschens Beisein geöffnet war, hervorgegangen sein. In Schränken und auf Repositorien rings umher an den Wänden stand alles voller Urnen, steinernen und metallenen Grabalterthümer, Naturalien und Raritäten aller Art. Selbst Herzog Adolf Friedrich mit seinem Hofe, der zu Rheinsberg residirende Prinz Heinrich besuchten wiederholt sein allgemein bewundertes Cabinet. - Beim Volke galt Gideon für einen Geisterbanner, und nicht mit Unrecht: der von ihm hinterlassene "Höllenzwang" giebt den Beweis, daß er, dem es versagt war, durch die weiße Kunst der Wissenschaft im Reiche des Geistes sich einzubürgern, die schwarze Kunst mißbrauchte, um in das Reich der Geister einzudringen. Auch wurde erzählt und geglaubt, daß Pistorius im rothen Rocke ihm erschienen sei, um, wie er gelobt, ihm Kunde aus dem Reiche der Schatten zu bringen. 31 ))

Im J. 1785 knüpfte Gideon auch eine auswärtige Verbindung, nämlich mit dem Zoll=Inspector Dreyer in Berlin, einem Sammler, an, welche der Kaufmann Hasse zu Neubrandenburg, ein Freund des letzteren, herbeigeführt zu haben scheint, und über welche die betreffende Correspondenz zum Theil noch vorliegt. Gideon hatte am 24. Juni an Dreyer geschrieben und ihm Alterthümer übersandt. In der Antwort vom 13. Juli giebt Dreyer diese an: "In der Schachtel befanden sich einige Bruchstücke von Urnen und Knochen, ein halber Kopf von Metal, ein Stückchen dito so einen Esels=Kopf gleichte, ein Stück weiß Metal mit Hyrogliphen bezeichnet, nebst ein Pappierchen darinn


31) Der achtzigjährige Otto Hartmann (siehe unten) hat darüber im J. 1850 zu Protokoll gegeben: "Wir gaben uns einstmals mittelst Handschrift das Versprechen, daß, wer von uns zuerst sterbe, dem Lebenden Nachricht vom Jenseits bringen solle. Pistorius verstarb zuerst und erschien etwa acht Tage nach seinem Tode bei uns, indem er Nachts 12 Uhr bei Gideon, der eben zu Bette gegangen war, vor seinem Bett gestanden. Gideon rief mich, der ich im Nebenzimmer lag, zu sich und sagte mir, wie ich zu ihm kam: "Herr Jesus, Hartmann, Pistorius ist so eben bei mir gewesen; ich wollte ihn umarmen, und da verschwand er". Ich sah darauf den Pistorius mit seinem rothen Rock, ohne Kopfbedeckung, sonst in seiner ganzen Persönlichkeit, am Ofen in Gideons Zimmer. Ich ging auf ihn zu, indem ich rief: Pistorius, da sind Sie ja! und wie ich ihm die Hand reichen wollte, verschwand er vor meinen Augen, ohne mit mir ein Wort zu sprechen. Ich glaube gerne, daß unsere lebhafte Phantasie derzeit bei diesem Vorgange mit im Spiel gewesen ist". - Vielmehr hat das Gedächtniß dem alten Herrn einen argen Streich gespielt. Pistorius starb am 9. December 1780, und erst 6 oder 7 Jahre später kam der damals 16 jährige Hartmann nach Neubrandenburg, und hat den lebendigen Pistorius niemals gesehen; eine Erzählung, die er oft gehört, hat er endlich für ein eigenes Erlebniß genommen.
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4 Stück kleine silberne Müntzen waren"; er verlangt nähere Auskunft darüber und wünscht zum Behufe des Tauschens überhaupt zu wissen, worin Gideon eigentlich sammele. Gideon giebt die gewünschte Auskunft unterm 27. Juli: "Was meine Sammlung von Alterthümern anbetrift, so hat dieselbe darin für andern den Vorzug, daß ich sie grösten Theils selber aus der Erde habe graben lassen, und Augenzeuge davon bin, wo sie her sind. Die übersanten Urn Stücke waren zum Theil noch ganze Urn. Bey den ausgraben waren sie aber ganz weich, und da die Zeit zu kurz fiel, sie erst an der Luft hart werden zu lassen, zerbrachen sie. Die Mehrsten Urn habe ich auf hiesigen Stadt Felde ausgegraben. Die Knochen, Metall Stücke Lagen in die Urn, die Fincken oder Vincken Ogen, der alt wendischen Münzen lagen dicht bey der Urn. Den übersanten Kopf halte ich fürs Meckelburgsche Wappen, - den BüffelsKopf - nach der Erklährung des Hrn. Consist. Raths Masch in Strelitz, als den grösten Kenner von Alterthümer in hisigen Lande. Vermuthlich ist das Landes Wappen nur in die Urn grosser Helden geleget, den die Urn, worin der Kopf, war besonders mit grossen Steinen umgeben, und halte über 30 Fuder Stein zur Bedeckung, ohne die Menge Sand und Erde. Sie, mein Gönner! beehren mich ferner mit der freundschaftlichen Frage, worin ich eigentlich samle, und worin dieselbe bestehet? Darauf habe ich die Ehre zu antworten, in Naturalien, Versteinerungen, Alterthümer, Münzen, Kunstsachen und alles was gut ist!" Weiterhin heißt es: "Allein ein Schlaglot auf Silber, daß recht leicht fliest und doch hält und sich hammer läst, beschreiben die Herrn nicht, und von so vielen 100 selbst gemachten Versuchen habe ichs noch nicht so gefunden, wie ich es wünschte. Auch die vielen 1000 Versuche, die ich seit 28 Jahren zur Veredlung der Metalle unternommen, sind noch nicht zum erwünschten Ziehl gelanget, ob sie mir gleich manch Vergnügen, aber auch manchen Thaler gekostet. Wann Ew. Wohlgeb. mir Anleitung geben könten zu den neueren Erfindungen in Verbesserung der Metalle, Gehalt der Münzen in dies Jahrhundert, oder Legirung der Metalle in aller Coleur, als die goldene Uhren, Dossen oder sonst was nützliches, so kann ich vieleicht die Ehre haben einige Lücken in Dero Sammlung etwas auszufüllen". Zugleich mit diesem Briefe muß Gideon noch eine Beschreibung seiner Sammlung, vielleicht das von Pastor Rudolphi erwähnte Verzeichniß, mit eingeschickt haben, denn Dreyer dankt in der Antwort vom 5. September nicht bloß für empfangene Alterthümer und Versteinerungen, sondern schreibt weiter: "Das übersandte Verzeichniß habe ich mit der größten Bewunderung gelesen und daraus ersehen, daß Sie einer der

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stärcksten Sammler und gröste Besitzer von Alterthümern in ganz Deutschland sind. Da nun ihre Sammlung vor 6 Jahren schon so starck gewesen ist, um wie viel größer wird sie jetzt nicht seyn. Schade, daß es nicht Gipß=Medaillen seyn, ich wollte gleich anfangen zu tauschen. - Ich habe einen Quartanten von den gefundenen heydnischen Götzen bey der Tollense, wo der Tempel zu Rhetra gestanden hat, mit vielen Kupfern gelesen, Sie sind gewiß der Besitzer der Originale, welche daselbst gefunden worden? Unter Ihrer Beschreibung finde ich aber noch mehrere und größere, davon die Beschreibung nichts sagte, von diesen möchte ich gern Auskunft haben, ob es diejenigen sind, und ob sie sämtlich schon beschrieben oder nicht?" Zu Silber=Schlageloth theilt er ihm 3 Recepte mit, aber "mit Metall Verbesserungen, schreibt Dreyer, gebe ich mich nicht ab, habe auch dazu keine Zeit, zuweilen lieset man aber so etwas, welches einen gefält. Jedoch kan ich nicht leugnen, einen Tomback zu haben, der dem Golde gleichet, und wenn davon ein Ring gemacht wird, derselbe von der Haut des Menschen nicht anläuft, sondern seinen Glantz, wie das Gold behält". - Gideon antwortet erst, sich mit häuslichen Angelegenheiten entschuldigend, am 2. Jan. 1786 und schreibt diesmal kürzer: "Wegen die bey der Tollen See gefundenen Götzen, die in den Quartanten von den Hrn. Sup. Masch beschrieben, hat es seine Richtigckeit. Der Hr. Superindendent hat die beschriebenen mir abgekauft, und in Ratzeburger Dohm aufstellen lassen. Die andern die ich noch habe sind noch nicht beschrieben". Das Silber=Schlageloth findet er nicht besonders; "den Tomback möchte ich wohl gern zu meiner Samlung beyschreiben!" Doch erfolgt diesmal eine reichlichere Sendung an Dreyer, von der das Verzeichniß noch anliegt. Es beginnt: "1) 6 Metall Stück mit Runen, die in oder bey oder unter einer Urn gelegen, 2) ein Abriß von einer meinen Urn, 3) 6 Bogen mit Zeichnungen von 14 meiner noch nicht beschriebenen oder in Kupfer gestochenen Wendischen Alterthümer mit Runen, 4) 1 Stück Muschel Stein, welches mir der Herr HoffRath und Geheimer Archivarius Evers in Schwerin aus der Gegend von Sternberg in Mecklenburg gesant" 32 ) u. s. w. Auch Dreyer antwortet säumiger erst am 29. April: "Für die überschickte 7 Bogen gezeichnete wendische Götzen 33 ) und die große Urne, für die Metal


32) Evers suchte durch den Sternberger=Kuchen Gideon zu körnen, ihm den in seinem Besitz befindlichen Neubrandenburger und Friedländer Schilling zu überlassen. Schreiben desselben vom 27. August 1785.
33) Von wem diese Zeichnungen der Gideonschen Götzen können angefertigt sein, darüber vermag ich nichts zu ermitteln. In Gideons Stammbuche sind aus jenen (  ...  )
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Stücke mit runischen Schriften, Versteinerungen und abgegossene Müntzen sage ich den verbindlichsten Danck! Aber die angeführte Bogen betreffend, weiß ich doch nicht, ob mir dieselben geschenckt seyn, oder ob ich nur daraus die Gestalt der vortrefflichen Alterthümer bewundern soll? Ich bin bei unterschiedene Buchhändler gewesen, sie gezeiget und gebeten, ob einer oder der andere Lust hätte, sie zeichnen und der Welt bekand machen zu lassen; aber es wolle auf eigene Kosten es niemand übernehmen, weil dergleichen zu hoch ins Geld lieffe und nur von wenigen gekauft würde". Das Tomback Recept erfolgt. Gideon scheint schon Besorgniß wegen der lange ausbleibenden Antwort gehabt zu haben, denn Dreyer meldet noch am Schlusse des Briefes, daß "Herr Nix" bei ihm aufgetreten sei, und ihm einen Brief von Gideon nebst einigen Antiken gebracht habe. Weiter kann ich diesen merkwürdigen Briefwechsel nicht verfolgen.

Der hier erwähnte "Herr Nix" war Gideons Factotum, der ihn bei seinen Nachgrabungen begleitete und bei seinen Schreibereien ihm zur Hand ging. Er soll von Profession ein Schneider gewesen sein, ließ sich aber gern "Herr Nix" nennen. Mit dem Obersten von Kaiserling war er als dessen Bedienter nach Neubrandenburg gekommen, und war nach dessen Tode (1780) ohne Beschäftigung. Eine Zeit lang scheint er diese in der Mumm'schen Handlung gefunden, hauptsächlich sich aber doch zu Gideon gehalten zu haben. Als der Herzog Friedrich Franz von Meklenburg=Schwerin damals auch nach Alterthümern graben ließ, wurde Nix durch einen herzoglichen Kammerdiener zur Theilnahme an der "Urnen=Jagd" eingeladen; er erklärt sich dazu bereit und schreibt: "Glück=Ruthen gebrauch ich bey dieser Arbeit gar nicht, sondern meine Augen sind der Magnet, welcher mir die Urn Stellen mit Gewißheit anzeigt". Es scheint aber aus seiner Theilnahme an diesen Nachgrabungen doch nichts geworden zu sein, weil Nix förmlich angestellt zu werden verlangte. Als "Herr Nix" im J. 1811 ungefähr 76 Jahre alt starb, wußte man weder seinen Vornamen, noch seinen Geburtsort. - Außer diesem Gehülfen hielt sich Gideon jetzt aber auch einen förmlichen Amanuensis. Als er im J. 1787 bei Verwandten in Fürstenberg zum Besuche war, lernte er hier den 16jährigen Otto Hartmann, einen Sohn des dortigen Apothekers, kennen, welcher an den Nachgrabungen, die Gideon auch dort anstellte, viel Antheil nahm; er wußte den Vater zu bewegen, ihm den Knaben


(  ...  ) Jahren eine Menge, zum Theil sehr gelungener Federzeichnungen von verschiedenen Händen.
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als eine Art Aufwärter mitzugeben, und dieser blieb gegen 3 Jahre im Sponholtzschen Hause. 34 ) Nach seinem Abgange trat der 15jährige Daniel Boye aus Waren, von dem noch späterhin die Rede sein wird, in seinen Dienst, und blieb fast 7 Jahre lang bei ihm. Diese Amanuensen begleiteten ihn nicht nur auf seinen häufigen Excursionen, sondern mußten vorzüglich auch sein Cabinet beaufsichtigen und den Fremden, die es besichtigen wollten, dasselbe zeigen, wofür ihnen das Trinkgeld zufiel.

Unter den Fremden, welche sein Cabinet besuchten, hat keiner Gideon und seiner Antiquitäten=Sammlung mehr Ruhm gebracht, als der polnische Graf Johann Potocki; durch ihn erreichte Gideon die Erfüllung eines wohl längst gehegten Wunsches, nämlich die Bekanntmachung seiner Alterthümer durch ein Kupferwerk. Der Graf Potocki hatte die Geschichte und Alterthümer der slavischen Nation zu seinem Lieblingsstudium gemacht, und mehrere gelehrte Werke darüber bereits veröffentlicht. Im J. 1794 unternahm er eine Reise nach Meklenburg, um auch hier die Reste des Slaventhums zu studiren, namentlich um zu Ratzenburg die Prillwitzer Idole zu untersuchen. Seine Reise=Aufzeichnungen hat er im folgenden Jahr im Druck herausgegeben 35 ) und die von ihm gezeichneten Alterthümer Gideons in Abbildungen beigefügt. Am 13. August war er in Strelitz und bemerkt hier nur kurz: J'ai passé plusieurs heures dans la societé de monsieur Masch, sur-intendant des églises, sa conversation m'a parue aussi instructive que ses ouvrages. Folgenden Tags schreibt er von Penzlin aus: De Pentzlin j'ai fait une course à Prilwitz, pour voir la place de l'ancien Rhetré; mais comme il y a déjà plus de vingt ans que monsieur Masch l'a d'écrite, j'ai eu de la peine à m'y reconnoître, le noms de Rhetraberg 36 ) et de Tempelberg sont tombés en dessuètude, puis en oubli. Ea colline où étoit le temple, n'existe même plus. Ea terre en a été


34) Dieser Otto Hartmann starb im Laufe des vorigen Jahres, fast 82 Jahre alt, als Pächter auf dem sog. Lenz bei Plau. Im J. 1850 habe ich eine Vernehmung desselben zu Protokoll veranlaßt, welche aber keine erheblichen Aufschlüsse geboten hat; offenbar war Gideon nicht der Mann, sich von so jungen Leuten in die Karten sehen zu lassen.
35) Voyage dans quelques parties de la Basse - Saxe pour la recherche des antiquitès Slaves ou Vendes, fait en 1794 par le comte Jean Potocki. Hambourg 1795. - Exemplare dieses Werkes sind schon selten, da es, weil es keinen bedeutenden Abgang fand, vom Verleger als Maculatur soll verbraucht worden sein. Ich habe mich des unserer Vereins=Bibliothek gehörigen Exemplars bedient. - Der Graf Potocki starb im J. 1816 als Minister des Innern des Königreichs Polen.
36) Masch hatte S. 25 versichert, daß der Berg, auf welchem das Dorf Prillwitz liege, noch bis jetzt der Rhetraberg genannt werde. Schon Buchholtz hatte dazu bemerkt: ob es auch wohl Ritterberg heißen solle? Potocki nun konnte von diesem Namen keine Spur mehr entdecken.
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transportée dans un marais voisin, que l'on vouloit déssecher, l'ancienne forteresse Slave est devenue un jardin anglois, et un Eusthaus a pris la place de l'ancienne tour Saxonne, un cimmetière Slave a été labouré et les pierres, qui y étoient symmetriquement rangées, sont dispersées dans la campagne comme les autres pierres des champs; ce cimmetiére devoit être trés pittoresque, et je me preparois à en faire un dessin, que j'aurois traité dans le gout du Moraï Otaïtien, que l'on voit dans le voyage du capitaine Coock. J'ai beaucoup regreté ce monument unique dans son genre. Aujourd'hui quelques tertres sépulchres attestent seules, que des princes Slaves y ont demeuré et y ont été entèrés. - Deux de ces tertres placés a une trentaine de pas l'un de l'autre, m'ont fourni le sujet d'un paysage. Ils sont couverts de ronces, dont le verd sombre coupe assez heureusement la couleur des terres labourées, qui les environnent; entre eux deux l'on découvre le lac Lips ou petit Tollensée, tout le grand Tollensée avec lequel il communique, la ville de Neubrandenbourg et le deux villages de Brody et Nimirow, dont les noms sont Slaves bien surement. Le nom du lac Lips vient aussi probablement de Lipa, qui veut dire Tilleul, et Brod veut dire gué aussi ce village est il situé précisement a l'endroit, où il y a réellement un gué. - Monsieur Schmidt, ministre du lieu, a eu la complaisance de me conduire jusqu'à Hoch-Zyritz, maison de plaisance du Duc, où il m'a fait voir un de ces tombeaux Slaves, qu'il avoit fait ouvrir en presence du Prince héréditaire. L'on y avoit trouvé, d'abord des urnes de terre remplies de cendres et d'os, qui tomboient en poussière, puis des pierres des champs disposées en rond, puis en creusant plus bas d'autres pierres des champs arrangées en pyramides, enfin un vuide de figure parallepipede également revétu des pierres des champs, et dans ce vuide des cendres, des os et des charbons. J'ai vu chez le concièrge de Hoch-Zyritz des débris de ces os et de ces vases, quelques fragments de ceux ci avoient acquis un dégré de mineralisation; enfin j'ai pris congé du pasteur de Prilwitz et suis retourné à Pentzlin, d'ougrave; je me rendrai à Neubrandenbourg, pour y voir le cabinet de Mr. Sponholz, que l'on m'assure renfermer des trésors d'antiquités Slaves.

Am 15. August schreibt nun Potocki von Neubrandenburg

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aus: Le cabinet de Mr. Sponholtz a surpasse mes esperances et je me suis déterminé à y consacrer quelques jours; und am 16.: J'ai dessiné six idoles, huit patères, autant de couteaux de sacrifices et chaque objet de deux côtés, 37 ) tant à cause que les idoles ont la plus part au moms deux visages, que parceque les inscriptions sont presque toutes sur le dos. Tout ce que j'ai dessiné aujourd'hui a été trouvé à Prilwitz, en même tems que les idoles déjà decrites par Mr. Masch, mais celles, qui sont restées a Mr. Sponholtz, sont massives et entout plus interessantes que les autres. Mais Mr. Sponholtz, pour des raisons, qui tiennent à son caractère moral, ne produisoit à cette époque que la moindre partie de son cabinet, et depuis lors Mr. Masch a negligé la recherche des antiquités Slaves, quoique les succès, qui ont accompagné les commencements de cette passion, eussent du lui inspirer plus de confiance. Desgleichen am 17.: Aujourd'hui j'ai dessiné la seconde partie du cabinet de Mr. Sponholtz, qui consiste en un trés grand nombre de plaques de bronze figurées, qu' il a trouvées dans un champ, qui lui appartenoit, au milien d'un très grand nombre d'urnes, et en général dans tout le pays des anciens Rédaires l'antiquaire n'a pour ainsi dire, qu'à grater la terre. Mr. Sponholtz m'a offert avec beaucoup d'obligeance de me conduire dans des lieux, où il étoit presque sûr de fouiller avec succès.

Nun begab sich Potocki über Malchin (Ivenack), Rostock und Wismar nach Ratzeburg, um hier die von Masch beschriebenen Idole in Augenschein zu nehmen. Er schreibt von hier unterm 23. August: Mon premier soin a été de me rendre à la bibliothéque, pour voir les antiquités Slaves, que l'on y conserve; elles sont dans deux armoires faites en rotonde et surmontées d'idoles Radegasts, qui leurs donnent l'air de temples. La première arnioire renferme les idoles, que Mr. le surintendant Masch a déjà expliquées et peut-être trop expfiquées; un érudit doit amasser des


37) Man hat sich gewundert, wie Potocki diese Menge von Gegenständen (101 Figuren) habe in 3 (richtiger wohl in 2) Tagen abzeichnen können. Das behauptet aber Potocki eigentlich gar nicht, sondern giebt hier ausdrücklich an, daß er von der ersten aus 51 Figuren bestehenden Abtheilung nur 6 Idole, 8 Schalen und 8 Opfermesser gezeichnet habe. Ohne Zweifel theilte ihm Gideon die iu seinem Besitze befindlichen Zeichnungen mit, die wir oben aus dem Dreyerschen Briefwechsel kennen gelernt haben.
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notions et attendre, que de leur nombre naisse d'elle même une explication claire, sensible, incontestable, et pour ainsi dire dirimante. Une seule explication forcée peut faire fort au meilleur ouvrage, et celà surtout en apprêtant à rire à certains esprits, toujours empressées à s'en saisir pour ridiculiser la science entiére; je crois certainement, que si Mr. le surintendant avoit pu s'empêcher d'être aussi ingenieux, il ne se seroit pas dans le tems attirée certains adversaires, dont les ouvrages n'ont pas laissé, que de jetter les antiquités du Mecklembourg dans une sorte de discredit, et ensuite dans l'oubli, que sûrement elles ne meritoient pas. - Ea seconde armoire renferme d'autres idoles et amuletes, qui appartiennent pour la plus pari aux tems, où les Obotrites avoient abandonnée le Christianisme, pour reprendre leur ancienne religion, alors on avoit dejà perdu les anciens modéles. Quelques Radegasts ont la moustache et la petite barbete au menton, comme s'habilloient les anciens seigneurs de ce tems lagrave;; d'autres ont des couronnes à pointes, comme le roi David, que l'on voit dans les églises gothiques, l'on n'y remarque pas ce mecirc;lange de métaux précieux, comme aux idoles trouvées a Prilwitz; au contraire la masse en ressemble tout à fait à celle de nos mortiers à piler le poivre; enfin ils n'ont ni patine ni verd de gris; cependant comme cette dernière époque du Pagamsme n'est pas sans interêt pour l'histoire des Slaves, je me suis détermmé à rester ici toute la journée de demain pour les dessmer.

Am Schlusse geht nun Potocki zur Beschreibung des Gideonschen Cabinettes über, und giebt zunächst, pour ne laisser aucun doute sur l'authenticite des antiques, qu'il renferme, den Auffindungs=Bericht Maschens über die Prillwitzer Alterthümer, welchem er folgende Bemerkungen hinzufügt: Telle est l'histoire des antiques trouvées à Prilwitz et des recherches aux quelles elles ont donné lieu; je pourrois y ajouter en forme de supplement deux critiques de l'ouvrage de Mr. Masch, l'une faite par le professeur Thunmann, l'autre par un Mr. Buchholtz; mais ce dernier ouvrage n'attaque point l'authenticité des antiques, il veut seulement prouver, que Prilwitz n'est point l'ancienne Rhétra, et ses arguments sont assez forts pour avoir laissé la question indécise; quand au premier c'est une suite d'assertions dénuées de citations, défaut ordinaire de cet auteur. - Or donc, ainsi que je l'ai dit plus haut, lorsque

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Mr. le Surintendant Masch rechercha la connoissance des antiques, qui se trouvoient dans la possession de Mr. Sponholtz, celui ci n'en montroit que la plus petite partie, et celà par des raisons, qui tiennent à son caractere moral, ainsi que je l'ai dit plus haut. - Depuis lors Mr. Sponholtz s'est détermmé à ne plus garder son cabinet avec une sollicitude aussi mysterieuse; 38 ) cependant on m'assure, que je suis le premier, à qui il l'ait montré avec franchise et sans reticence aucune, et même il prenoit un plaisir extrème à me voir dessiner, enfin les idoles et autres objets, que j'ai dessinés chez lui, ont été trouvés à Prilwvitz, et font partie de la collection, dont Mr. Masch a fait l'histoire; mais cette partie lui est restée toujours inconnue, et il paroissoit même ignorer l'existence, lorsque j'ai eu l'honneur de le voir à Strelitz; en effet il me récommanda seulement d'aller à Racebourg sans me parler de Neu-Brandebourg, mais en même tems il ajouta: "vous me conduisez sur un champ très vaste, où je n'ai été depuis bien longtems". Dann folgt: Notice des antiques Slaves trouvées à Prilwitz et conservées aujourd'hui dans le Cabinet de Mr. Sponholtz a Neubrandebourg, worunter Fig. 1 bis 51 seiner Tafeln beschrieben werden, hierauf Notice des antiques Slaves trouvées par Mr. Sponholtz dans un champ, qui hu appartient, worin Fig. 52 bis 87 beschrieben werden, mit der darüber stehenden Bemerkung: Ces antiques étoient renfermées dans un vase de cuivre et le vase chargé de pierres des champs, sur lesquelles étoient gravées des Runes, l'on trouva dans les environs plus de cent urnes pleines de cendres et d'os - so weit hatte sich der im J. 1780 von Masch beschriebene Fund indeß vergrößert! - Dann folgen Fig. 88 bis 104 andere, meistens ächte Alterthümer aus Gideons Cabinet, und endlich Fig. 105 bis 118 Alterthümer aus der ratzeburger Sammlung, unter denen ohne Zweifel manche Fabrikate Gideons sind. 39 )

Kurz vor Potocki's Anwesenheit in Neustrelitz war am 2. Juni 1794 Herzog Adolf Friedrich gestorben und sein Bruder Karl ihm in der Regierung gefolgt. Dieser war es, der einst die prillwitzer Idole hatte zeichnen und in Kupfer stechen lassen;


38) Bemerkenswerth ist es, daß von einer Seite über die Unzugänglichkeit der Gideonschen Schätze geklagt wird, von anderer Seite (z. B. durch v. Hacke) die Liberalität gerühmt wird, mit welcher "seine Sammlungen jedem Liebhaber offen stehen". Fürchtete er etwa von einer Seite (Masch) Entdeckung seiner Fälschung?
39) Wenigstens hat einer von den zu Neustrelitz über diese Angelegenheit Vernommenen (Buttermann) ausgesagt, daß Gideon Urnen nach Ratzeburg verkauft habe.
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vielleicht wurde jetzt durch Potocki sein Interesse an denselben neu angefacht. Er kaufte nicht allein im J. 1795 das Gut Prillwitz, sondern brachte auch die zu Ratzeburg auf der Dombibliothek aufbewahrten Prillwitzer Alterthümer an sich und ließ sie nach seinem Lustschlosse zu Hohen=Zieritz schaffen, wo er sie unter die Aufsicht des uns schon durch Potocki bekannten Pastors Schmidt zu Prillwitz stellte, der sich lebhaft für die vaterländischen Alterthümer interessirte. Es wurden auch Versuche gemacht, Gideon zum Verkaufe seiner Sammlung zu bewegen, allein vergebens. Im J. 1798 klagte darüber der Pastor Kortüm zu Neubrandenburg 40 ): "Der jetzt regierende Durchlauchtigste Herzog Karl, selbst Kenner und Liebhaber, ließ bald nach dem Antritt seiner Regierung sämmtliche Alterthümer von Ratzeburg kommen, und wies ihnen seinen Sommersitz Hohenzieritz für die Zukunft zum Aufenthalt an. So waren die alten ehrsamen Götter schon wieder um einen großen Theil dem Orte näher gekommen, wo man einst vor ihnen knieete. Aber noch befinden sich die edelsten, die gehaltreichsten, die entscheidendsten Stücke nicht in ihrer Gesellschaft. Infandum regina jubes renovare dolorem! Sie befinden sich noch in Neubrandenburg in strengerer Gefangenschaft, als einst in dem Kessel zu Prillwitz, und was das traurigste ist: ex infernis nulla redemtio! Alle billige, selbst kostbare Versuche, sie ihren Brüdern zuzuführen, und den Vorsitz unter denselben nehmen zu lassen, sind bisher vergeblich gewesen, und werden auch noch fürs erste vergeblich bleiben. Herr Superintendent Masch glaubt in der Vorrede zu den erläuternden Gottesdienstlichen Alterthümern der Obotriten, daß es ihm geglückt sey, sämmtliche Stücke unter gewissen Bedingungen aus den Händen des Herrn Sponholtz, der sie bisher eigenthümlich besessen, zu erhalten. Wie sehr wäre es doch zu wünschen gewesen! Dann wäre die Erläuterung noch vollständiger geworden, und wir verdankten derselben noch mehrere Belehrung. Dann wäre durch die bloße Nachricht von dem Daseyn dieser Stücke der Einwurf widerlegt worden, daß die ganze Sammlung nicht aus Tempelgötzen, sondern aus Hausgötzen irgend eines vermögenden Wenden bestanden. Schon bedauerte Herr Sup. Masch hin und wieder, daß einzelne Stücke fehlten, die noch einige Aufschlüsse hätten geben können, und vermuthete, daß sie wohl im Feuer ganz geschmolzen seyn möchten. Aber der würdige Mann wußte nicht, daß diese fehlenden, so wie noch mehrere seltene Stücke aller Feuersgefahr entronnen sich in sicherm Verwahrsam befanden. Es gehört hier nicht her, die Ursachen anzugeben, die diese enge


40) In der schon oben benutzten kleinen Schrift: "Beschreibung eines neulich bey Neubrandenburg gefundenen wendischen Monuments" S. 41.
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Sperre veranlaßten und noch fortdauernd erhalten. Ich wollte nur an die historisch richtige Existenz noch mehrerer wendischen Alterthümer erinnern, als wir schon aus der Beschreibung kennen, Es befindet sich unter andern ein sehr ansehnlicher Radegast darunter, bey dessen bloßen Anblick, ungeachtet er hin und wieder mit edlem Rost überzogen ist, man sich nicht versagen kann, unwillkührlich an die Beschreibung des Adam von Bremen zu denken: Simulacrum ejus auro, lectus ostro paratus. -Möge er einst, wie seine gefangenen Mitbrüder in die durch ihr Alterthum ehrwürdige Gesellschaft zurückkehren! Nur die kommende Generation darf sich die Erfüllung dieses Wunsches versprechen. Sie läßt uns denn wenigstens die Gerechtigkeit wiederfahren, daß wir solche Denkmäler zu würdigen verstanden, indeß sie nicht mehr denken darf: quid juvat adspectus, si non conceditur usus". - Eine gleiche Klage erhob der Pastor Rudolphi zu Friedland, der Schwiegersohn Maschens, als dieser am 24. Januar 1802 sein funfzigjähriges Amtsjubiläum beging, in der gedruckten Gratulationsschrift S. 20: "Nur Schade, daß sie (die Prillwitzer Alterthümer) noch nicht alle gesammelt sind, und an einem Orte der Nachwelt aufbewahret stehen. Viele, und vielleicht der größte und beste Theil derselben, lieget noch bey dem Besitzer, Herrn Sponholz, unbenutzt, dem Gelehrten unbekannt und gleichsam vergraben, deshalb zu wünschen stehet, daß eine höhere Hand auch sie aus ihrer Verborgenheit hervorziehen, neben jene aufstellen, und durch eine im Alterthum geübte Feder für die Beschreibung derselben sorgen und sie der gelehrten Welt mittheilen möge".

Uebrigens machten zunehmendes Alter, Kränklichkeit und Cynismus Gideon jetzt immer unzugänglicher. Mein Oheim, der Obermedicinalrath Brückner zu Ludwigslust, hat unlängst eine Schilderung Gideons entworfen, die mit allem, was ich anderweitig über diesen Sonderling von seinen Zeitgenossen gehört habe, so genau übereinstimmt, daß ich mir nicht versagen kann, sie hier zu veröffentlichen. Brückner schreibt: "Es mag im letzten Jahre des vorigen oder ersten dieses Jahrhunderts gewesen seyn, als Dein lieber Vater einige Fremde zu Gideon Sponholtz führte, um die Götzen zu sehen, und Karl v. Oertzen 41 ) und mich mitnahm. Das lebendige Interesse, womit wir beide Alles betrachteten, erwirkte uns die Erlaubniß, den alten Chiromanten am nächsten Sonntag Morgen allein zu besuchen. Wir fanden ihn in einem sehr reducirten bunten Schlafrock im Lehnstuhl neben einem Tisch, auf dem ein Glas mit Blumen stand. Wir


41) Der im J. 1837 zu früh verstorbene Landrath v. Oertzen auf Brunn, der damals mit Brückner von meinem Vater unterrichtet wurde.
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waren damals schon eifrige Botaniker und betrachteten also die Blumen sofort sehr aufmerksam, ohne uns darüber zu äußern. Er nahm dies wohl für ein Zeichen bescheidener Wißbegierde und begann mit seinen vielerlei Kenntnissen in Alterthümern und Naturalien zu prahlen, wobey er auf diese und jene alte Charteken hinwies, die auf Tischen und Schränken im Zimmer umher standen. Auch über die Lachtauben, die links der Eingangsthür bis ans Fenster ein großes Bauer bewohnten und die Luft des Zimmers so verdarben, daß wir fortwährend einen leisen Ekel empfanden, hielt er uns eine Vorlesung. Er ließ sich endlich verleiten zu behaupten, daß er auch alle Pflanzen griechisch und lateinisch zu nennen wisse. Das schlug zu sehr in unsere Profession, als daß wir nicht hätten Zweifel empfinden und ihn um Beispiele seiner Gelehrsamkeit angehen sollen. Er zeigte auf eine vor ihm stehende Aurikel: "die heißt auf lateinisch Primula und auf griechisch Awrikel". Unsere Gesichter mochten doch einigen Zweifel ausgedrückt haben. Er begann schweigsamer zu werden, und wir flüchteten bald aus dieser unheimlichen Atmosphäre".

Endlich gegen Ende des J. 1803 oder zu Anfang des J. 1804 42 ) entschloß sich Gideon, wohl vornehmlich durch die Zerrüttung ihrer Vermögensumstände, die sein Bruder Jacob durch falsche Speculationen verschuldet haben soll, dazu gedrängt, von seinem theuren Schatze sich zu trennen. Für eine Jahresrente, die man wohl übertrieben auf 300 Thlr. angiebt, wurden seine Alterthümer dem Herzoge Karl überlassen, nach Prillwitz geschafft und mit der übrigen kurz zuvor von Hohen=Zieritz hierher übersiedelten Sammlung vereinigt. Paster Schmidt machte sich nun sogleich daran, die neu hinzu gekommenen Alterthümer ausführlich zu beschreiben. Bei den Neustrelitzer Acten befindet sich ein starkes Heft von Schmidts Handschrift, theils aus Entwürfen, theils aus begonnenen Reinschriften bestehend, welche nur die Ueberzeugung gewähren können, daß trotz alles angewandten Fleißes Schmidt der Sache nicht gewachsen war. Für uns von Interesse kann nur die Prillwitzer Tradition über den Fund der Alterthümer sein, welche ich aus Schmidts Vorbericht 43 )


42) Nach der Angabe des Herrn Pastors Masch zu Demern in der 1842 erschienenen Beschreibung der Großherzogl. Alterthümer= und Münzsammlung in Neustrelitz S. 20 geschah die Ueberlassung der Gideonschen Alterthümer an den Herzog Karl im J. 1804, nach einer gleichzeitig niedergeschriebenen Notiz meines sel. Vaters in der letzten Hälfte des J. 1803.
43) Dieser Schmidtsche Vorbericht befindet sich in mehreren Reinschriften von Schmidts Hand bei den Neustrelitzer Acten, und auch in einem Exemplar von Schmidts Hand bei den Schweriner Acten. - Nur will ich noch bemerken, daß schon Schmidt in den Runen=Legenden der neu erworbenen Gideonschen Alterthümer ganz treuherzige "Schreibfehler" bemerkte, z. B. die Vertauschung der beiden ähnlichen Runen für M und Z, so daß man auf den Potockischen Idolen mer für zer, ramivia für razivia liest, ja einmal den sonst stets Rhetra geschriebenen Namen in der corrupten Orthographie des vorigen Jahrhunderts Rhetra!
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hier mittheilen will: "Diese [Alterthümer] wurden größtentheils zwischen denen Jahren 1687 und 1697 zu Prillwitz entdeckt. Herr Samuel Friedrich Sponholtz, damaliger hiesiger Prediger, fand sie bey der Versetzung eines Baumes im Pfarrgarten. Sie lagen theils in, theils neben einem metallenen Gefäße etwa drey bis vier Fuß tief in der Erde verwahret. Das Gefäß war rund mit einem ähnlichen Deckel bedeckt und äußerlich mit einer Inschrift von Runen oder nordischen Buchstaben bezeichnet. Um dasselbe fand man viele in einen Kreis gestellte irdene Urnen, nebst einer Beylage von verschiedenen eisernen Geräthen. Die Urnen wurden zerbrochen, die Geräthe zerstöhret und so der Nachwelt entrissen. Der Prediger Sponholtz starb in dem J. 1697 und seine nachgelassene Wittwe verkaufte diese geerbten Schätze dem Goldschmied Pälcke in Neubrandenburg, von ihm kamen sie an seinen Schwiegersohn, den in der Stadt wohnenden Goldschmied Sponholtz, der das vorhin gedachte Gefäß nebst einigen vormals dabey gefundenen Götzen zum Umgusse einer geborstenen Glocke an die dortige Marienkirche schenkte". Ueber die Wittwe des Pastors Sponholtz, welche die Alterthümer an den Goldschmied Pälcke verkaufte, bemerkt Schmidt in einer Anmerkung: "Diese Frau heyrathete nach der Zeit den Nachfolger ihres seligen Mannes, Herrn Martin Manasse Schernack, dem mein Vater Erdmann Christian Schmidt 1748 adjungirt wurde, und dem ich nach seinem 1779 erfolgten Ableben 1780 gefolgt bin. Von meinem Vater habe ich diese Nachricht, der sie oft von dem Prediger Schernack, dessen Frau schon vor 1748 gestorben war, gehört hatte, erfahren".

Indeß wünschte man höhern Orts, daß eine namhafte Auctorität öffentlich ein Urtheil über die Sammlung aussprechen möge. Masch war zwar für seine Jahre noch rüstig genug, aber sein Ansehen auf diesem Felde der Gelehrsamkeit war durch Thunmann und Buchholtz zu sehr erschüttert worden, als daß man ihn hätte auffordern mögen, noch einmal in dieser Angelegenheit die Feder zu ergreifen. Der herzogl. Kammerherr Graf v. d. Schulenburg, welcher zugleich die Aufsicht über die herzogl. Bibliothek führte, brachte den als Kenner der nordischen Geschichte und Mythologie geschätzten Professor Rühs zu Greifswald in Vorschlag. 44 ) Rühs untersuchte im J. 1805 die Alterthümer zu


44) Der Graf v. d. Schulenburg schreibt darüber unter dem 28. November 1827 an den damaligen großherzogl. Bibliothekar Hofrath Reinicke: "Der verstorbene Großherzog Carl, der die Alterthümer von Ratzeburg zurückgefordert und selbige nach Hohenzieritz hatte bringen lassen, zweifelte zwar so wenig als sonst irgend jemand an der Echtheit derselben, wol aber wünschte der Herzog, da die unkritische Beschreibung und Erläuterung derselben von Masch nicht befriedigte, das Urtheil eines Sachkenners über selbige zu vernehmen, und zugleich, daß eine wissenschaftliche Beschreibung derselben als= (  ...  )
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Prillwitz und setzte ein referirendes Sendschreiben darüber auf, welches im Juni=Hefte des Wielandschen Merkur vom J. 1805 abgedruckt wurde. Es heißt darin: "Das Kabinet des Herzogs besteht aus drei Hauptgegenständen: 1) einer großen Anzahl von Götterbildern, Opfergeräthschaften und andern zum Kultus gehörigen Dingen, 2) einer Menge von Urnen von verschiedener Form und verschiedenem Stoff, und endlich 3) aus mancherlei Waffen und Geräthschaften, die aus der Erde hervorgeholt sind. Die erste Klasse ist natürlich die merkwürdigste. Die meisten Stücke sind vor mehr als 100 Jahren in der Gegend von Prillwitz, einem Dorfe, das jetzt ein Eigenthum des Herzogs ist, entdeckt worden, einen andern geringern Theil hat man späterhin in der Gegend von Neubrandenburg ausgegraben. Die Besitzer haben diese Sachen, aus Furcht, sie ausliefern zu müssen, lange verheimlicht; die ganze Sammlung gehörte einem Goldarbeiter in Neubrandenburg, Herrn Sponholz; durch einen Zufall erhielt der Hr. Superintendent Masch einen kleinen Theil derselben, den er im J. 1771 in seinen Gottesdienstlichen Alterthümern der Obotriten beschrieben und nachher an den Dom zu Ratzeburg verkauft hat. Bei weitem die meisten Stücke blieben aber unbekannt; nur als sich mit der Ueberzeugung des Eigenthümers, daß sie keine edle Metalle enthielten, die Furcht zu ihrer Abtretung gezwungen zu werden, verloren hatte, hörte er auf, aus seinen Schätzen ein Geheimniß zu machen. Der Graf Potocki lieferte in seiner Voyage dans quelques parties de la Basse Saxe, Hamb. 1795, ein Verzeichniß und Abbildungen der meisten Stücke: seine Zeichnungen sind jedoch sehr flüchtig, es hat ihm an Zeit gefehlt, die Runen, womit sie versehen sind, zu entziffern, und oft hilft er sich mit dem Ausdruck charactères magiques aus der Noth. Die Ratzeburgsche Sammlung hatte der Herzog schon früher an sich gebracht. - Die erste Frage, die wir aufwerfen müssen, ist natürlich: sind diese Alterthümer auch ächt? Eh' ich sie selbst gesehen, geprüft und alle darauf Bezug habende Umstände genau erforscht hatte, war ich wirklich geneigt, irgend eine Art von Täuschung zu vermuthen; es ist wahr, der Kritiker kann eine


(  ...  ) dann dem Publicum vorgelegt werden könnte. Zu diesem Ende schlug ich den Universitäts=Bibliothekar der Universität Greifswald, den Professor Rühs, vor, indem ich glaubte, er sei ein Mann, der die Absichten des Herzogs erfüllen könne. Im August 1804 sandte mich der Herzog zu dem Ende nach Greifswald, Rühs nach Hohenzieriz und Neustrelitz einzuladen. Seine Geschäfte erlaubten ihm indessen nicht, der Einladung Folge leisten zu können. Im April 1805 erhielt ich Nachricht von ihm, daß er sich bei seinem Verwandten, dem Pastor zu Roga, ich glaube er hieß Bötticher, aufhielt und bereit sei, auch nach Neustrelitz zu kommen. Ich holte ihn dort ab und brachte ihn zum Pastor Schmidt nach Prillwitz. Während seines kurzen dortigen Aufenthalts hat er die damalige Sammlung zu Hohenzieriz flüchtig durchgesehen; er kam darauf nach Neustrelitz, verweilte daselbst einige Tage und reiste nach Greifswald zurück". (Neustrelitzer Acten.)
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Menge von Zweifeln und Gründen gegen die Authenticität anführen; mehr als ein Umstand rechtfertigt einen Verdacht wider die Entdeckung; aber auf der andern Seite lassen sich an den Denkmälern selbst gar keine Spuren eines Betruges entdecken; um ihn zu einem so hohen Grade zu treiben, wären seltene und ungemeine Kenntnisse erforderlich gewesen, und endlich läßt sich durchaus keine vernünftige Absicht dabei denken. Es ist indessen auffallend, daß die Schriftsteller, von denen diese Sammlung bisher erwähnt ist, an der Aechtheit derselben gar nicht gezweifelt haben: da aber dieser Punkt von der äußersten Wichtigkeit ist, werde ich in meinen Untersuchungen "über die Wohnplätze, die Geschichte, Sitten und Religion der Slavischen Völker im nördlichen Teutschlande, zur Erläuterung der Herzogl. Mecklenb. Sammlung Slavischer Alterthümer", ohne Parteilichkeit und irgend eine andere Rücksicht alles, was sich dafür und dawider sagen läßt, neben einander stellen. Wenn die Authenticität dieser Denkmäler nicht mehr bestritten werden kann, u. s. w.". - Man sieht, Rühs hatte eben so wenig, wie Pastor Schmidt, den ungeheuren Unterschied bemerkt, der in Technik und Styl zwischen den von Masch und den von Potocki beschriebenen Idolen stattfindet.

Gideon überlebte den Verlust seiner Sammlung nicht lange, wiewohl er auch noch nach dem Verkaufe derselben eifrig nach Alterthümern zu graben fortfuhr. Er starb 61 Jahre alt am 22. Januar 1807 an einer Brustkrankheit; acht Tage lang stand seine Leiche über der Erde, und als man sie zum Friedhofe führte, streute man Leinsamen * ) hinter dem Sarge her, um sich vor dem revenant zu sichern. Masch folgte ihm ins Grab am 26. Oct. 1807, beinahe 83jährig, der ältere Bruder Jacob Sponholtz am 8. Sept. 1809 im 75. Lebensjahre. Noch bei dessen Lebzeiten war über sein Vermögen Concurs ausgebrochen, in den nun auch Gideons Nachlaß mit hineingezogen wurde. Am 26. Juni 1810 wurde der Rest von Gideons ehemaligem Alterthums=Cabinette (die werthvollen Sachen scheinen vorher bei Seite geschafft worden zu sein) in öffentlicher Auction versteigert: Nr. 1 "ein hölzerner Tempel zu Rhetra, nach Anleitung des Herrn Superint. Masch, mit seinen Götzen, Heiligthümern und Verzierungen", wurde für 16 ßl. zugeschlagen.



*) Der jetzt schon verschollene abergläubische Gebrauch, hinter der Leiche her, wenn sie aus dem Hause getragen wird, Leinsamen zu streuen, war im vorigen Jahrhunderte in Meklenburg noch gang und gäbe. Siehe darüber den Aufsatz "Spuren wendischer Sitten und Gebräuche unter dem gemeinen Manne in Meklenburg" in der Monatsschrift von und für Meklenburg, 1789, S. 211: "So wie die Leiche aus dem Hause getragen ist, wird vor die Hausthüre eine Hand voll Leinsamen gestreut, oder heiße Asche oder auch glühende Kohlen geworfen, und Wasser darauf gegossen".
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Zweifel an der Aechtheit der Prillwitzer Alterthümer und die Neustrelitzer Untersuchung.

Inzwischen waren in Folge der französischen Invasion im Jahre 1806 die Prillwitzer Alterthümer der größern Sicherheit wegen nach Neustrelitz geschafft und unter die Aufsicht des herzoglichen Bibliothekars gestellt worden. Die Ungunst der Zeiten ließ sie fast ein Jahrzehent lang in Vergessenheit gerathen: so sehr verschlangen die öffentlichen Interessen alle übrigen. Als jedoch die Kriegsstürme sich gelegt, wurden auch die Prillwitzer Idole wieder der Gegenstand gelehrter Erörterungen. Gegen Ende des J. 1815 schrieb Jacob Grimm in einer Recension in den göttinger gelehrten Anzeigen (Stück 52 S. 513) mit unverkennbarer Anspielung auf die Prillwitzer Idole: "Aus glaubwürdigem Munde hat Recensent (und Rostocker Gelehrte sollen mehr davon wissen), daß im vorigen Jahrhunderte ein Mecklenburgischer Goldschmidt kleine Götzenbilder erfunden und gearbeitet habe". Woher Grimm diese Kunde empfangen, vermag ich nicht zu sagen. Auch Rühs hatte in Berlin seine Ansicht über die Aechtheit der Prillwitzer Idole wieder geändert und schrieb in seiner im J. 1816 erschienenen Geschichte des Mittelalters darüber: "die höchst verdächtige Entdeckungsgeschichte und mehrere innere Umstände lassen große Zweifel an der Aechtheit dieser sonst höchst merkwürdigen Alterthümer übrig." Ueber Rühs Sinnesänderung kann uns der Obermedicinalrath Brückner noch Auskunft ertheilen, der darüber an mich schreibt: "In den letzten Tagen des J. 1812 machte ich Abschiedsbesuch bei Prof. Rudolphi in Berlin und traf bey ihm Prof. Rühs. Beide waren höchst aufgeregt durch die eben eingetroffene sichere, aber immer nur heimlich cursirende Nachricht, daß Napoleon auf einem einsamen Schlitten durch Glogau passirt sei. Erst nach längeren Umzügen konnte ich meinen längst gehegten Wunsch in Ausführung bringen, nämlich Rühs Ansicht über unsere Götzen zu erfragen. Er erklärte, daß er, wo nicht alle - es möchten etwa vier auszunehmen seyn -, gewiß die meisten für unächt halte. Er vermißte an ihnen den ächten edlen Rost, hielt den Rost der Götzen, so wie diese selbst für künstlich gemacht, was einem Metallarbeiter nicht schwer werden könne. Auf die Frage, ob er Gideon für wissenschaftlich gebildet genug halte zur Ausführung dieses antiquarischen Betruges, meinte er, es müsse demselben doch an antiquarischen Kenntnissen nicht fehlen, und bedauerte sehr, neulich eine Gelegenheit, hierüber ins Klare zu kommen, verloren zu haben. Hr. Pastor Alban habe ihn näm=

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lich bey Gideon eingeführt, und sie sich über die Götzen unterhalten, er auch geäußert, wie wünschenswerth es sey, solcher Alterthümer mehr zu finden, die gewiß gute Käufer haben würden. Da habe Gideon denn nicht nur die Herbeischaffung mehrerer solcher wendischer Alterthümer für gar wohl möglich gehalten, sondern auch geäußert, er werde ihm vielleicht auch eine Sammlung ägyptischer Alterthümer verSchaffen können. Er - Rühs - sey sofort darauf eingegangen, ihm einen guten zahlfähigen Käufer nachweisen zu wollen. Da habe unglücklicher Weise Hr. Pastor Alban zweifelnd gesagt: Aber, Herr Sponholtz, wo wollen sie denn ägyptische Alterthümer herbekommen? das ist ja gar nicht wahrscheinlich und wohl kaum möglich. Auf diese Rede habe sich denn Gideon sogleich wieder in sein gewohntes Schneckenhaus geheimnißvollen Schweigens zurückgezogen, und alle Mühe, noch etwas über seine antiquarischen Kenntnisse zu erfahren, sey vergebens gewesen".

Allein noch wurden diese verurtheilenden Stimmen kaum beachtet. Im October des Jahres 1819 untersuchte der unter dem Namen des Nordischen Alterthumsforschers bekannte Sonderling Martin Arendt (geb. zu Altona 1769, gest. 1824 auf einem Dorfe bei Venedig) auf der großherzogl. Bibliothek zu Neustrelitz die Prillwitzer Idole; aber nicht die geringsten Zweifel an der Aechtheit des einen oder des andern Theiles derselben stiegen bei ihm auf. 45 ) Folgenreicher für die Untersuchung wurde ein Besuch, den Friedrich von Hagenow im December 1824 auf der großherzogl. Bibliothek zu Neustrelitz machte. Er leitete zuerst die Aufmerksamkeit der Forscher auf die Runen=Steine, welche, ebenfalls aus Gideons Sammlung stammend, fast unbeachtet im Winkel lagen. Er zeichnete sie, und forschte dann in Neubrandenburg vergeblich nach näheren Aufschlüssen über ihren früheren Besitzer. Als er aber später in Erfahrung brachte, daß zu Waren noch einer von den früheren Amanuensen Gideons, nämlich Daniel Boye, am Leben sei, schrieb er dorthin, ließ diesen durch einen Notar über die Runensteine vernehmen, und gab zu Anfange des J. 1826 die Aussagen Boye's nebst Abbildung und Erläuterung der Runensteine heraus. 46 )

Unterdeß war im October 1825 der als Kunst= und Antikenkenner rühmlichst bekannte Professor Levezow aus Berlin nach


45) Arendt hat eine kurze Aufzählung der Idole, mit beigefügter Erklärung der Runen=Inschriften, im J. 1820 zu Minden drucken lassen, die aber wenig wissenschaftlichen Werth hat, da er diese Erklärungen ohne weitere Begründung meistens aus seinen Vorgängern (Masch, Thunmann, Potocki) entlehnt hat.
46) Beschreibung der auf der großherzogl. Bibliothek zu Neustrelitz befindlichen Runensteine und Versuch zur Erklärung der auf denselben befindlichen Inschriften von Friedrich v. Hagenow. Loitz und Greifswald, 1826.
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Neustrelitz gekommen, um die jetzt das Interesse der Alterthumforscher aufs Neue in Anspruch nehmenden Prillwitzer Alterthümer genau zu untersuchen. Levezow, obwohl mit Rühs Zweifeln an ihrer Aechtheit inficirt, verließ nach einer mehrwöchentlichen Anwesenheit Neustrelitz mit der Ueberzeugung von der Aechtheit dieser Alterthümer, obgleich er zugab, daß ein oder das andere Stück mit zu dieser Sammlung gekommen sein möge, das ursprünglich nicht dazu gehört habe, oder wohl gar als verdächtig erscheinen könne. Nicht wenig betroffen war er daher, als er zu Berlin in einer gelehrten Gesellschaft über diesen Gegenstand einen Vortrag hielt, und ihm der Prof. Link, der früher an der Universität zu Rostock gewesen war, den Einwurf machte, daß die ganze Prillwitzer Sammlung ohne Bedeutung sei, da es ja ausgemacht sei, daß Alles auf Fälschung und Täuschung beruhe. Doch schien Link dieses Urtheil nur als auf eine allgemeine Sage sich stützend angenommen zu haben, wies aber auf die rostocker Professoren Siemssen und Eschenbach hin, welche genauere Auskunft zu geben im Stande sein würden, insbesondere Siemssen, 47 ) der an der Spitze der Opposition gegen die Aechtheit der Prillwitzer Idole stehe. Levezow theilte dies nach Neustrelitz mit, und der großherzogl. Bibliothekar, Hofrath Reinicke, erhielt höhern Ortes den Auftrag, bei Siemssen deshalb Erkundigungen einzuziehen; Eschenbach war inzwischen verstorben. Siemssen wies jene Behauptung mit Indignation zurück und erklärte unter dem 7. Februar 1827: "er würde gewiß mit einer Vindication der Aechtheit der Prillwitzer Alterthümer schon längst hervorgegangen sein, wenn die etwa übernommene Widerlegung aller ihm bis jetzt bekannt gewordenen, meist von Nichtkennern hervorgesuchten, schon längst beseitigten Bedenken und Einwürfe, von ihm mit seiner literarischen Ehre zuträglich hätte geführt werden können" (Neustrelitzer Acten). Auf diese unumwundene Erklärung Siemssens mußte Levezow an Reinicke gestehen: "die Sache läuft wieder, wie so oft, auf gelehrtes Weibergeträtsch und Geklätsche hinaus, was gern mit kritischer Miene von denen verbreitet wird, die nicht Lust und auch nicht Zeug dazu haben, die Sache selbst genauer zu prüfen". (Schreiben vom 8. März 1827 bei den Neustrelitzer Acten.)

Inzwischen hatte Maschens Schwiegersohn, der Pastor Rudolphi zu Friedland, der ein reichhaltiges Alterthumscabinet besaß


47) A. C. Siemssen war geboren zu Altstrelitz am 2. Mai 1768 und starb zu Rostock am 17. Juni 1833 er war ein naher Anverwandter des Präpositus Genzmer und mit dem Superint. Masch befreundet, dessen Hypothese von dem Tollense=Thale als einem Binnenwasser der Ostsee er jedoch verwarf. Siemssen hat sich große, seiner Zeit nicht genug anerkannte Verdienste um die vaterländische Naturkunde erworben.
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und mit dem Levezow sich in Verbindung gesetzt hatte, vorgeschlagen, man möge den bereits auf v. Hagenows Betrieb vernommenen Boye von Waren nach Neustrelitz citiren, um ihn noch genauer über Gideons Treiben und die Fundörter der von ihm angekauften Alterthümer zu vernehmen. Levezow erfaßte diesen Plan sehr eifrig, und schrieb darüber unter dem 26. November 1826 an Reinicke: "Ich gestehe aufrichtig, daß ich diesen Vorschlag für sehr zweckmäßig halte, ja für fast unumgänglich, um dies juristische Siegel zur Erhärtung der Wahrheit noch auf die wissenschaftlich=historisch=philologische Beweisführung von der Aechtheit der Monumente zu drücken. - Nach meinen schon erhaltenen Ueberzeugungen ist auch gar nicht zu befürchten, daß der Mann Dinge aussagen werde, welche der Sache im Ganzen nachtheilig werden könnten. Das geht schon aus dem Warenschen Protocoll bei v. Hagenow hervor, aber es würde zu außerordentlicher Erhöhung des Werthes der unbezweifelt ächten Denkmäler dienen, wenn man durch Boye in den Stand gesetzt würde, sicher davon das abzuscheiden, was Sponholtz vielleicht (um seine Sammlung zu vermehren) von dem Seinigen hinzugethan, und wo und unter welchen Umständen das Aechte gefunden worden. Dies zu erforschen ist man Ihrem schätzbaren Museo und der Wahrheit schuldig, und ich bitte Sie, mein theuerster und verehrungswürdiger Freund, dringend, diesen Vorschlag nicht ganz zu verwerfen, sondern vielmehr dazu höhern Orts Einleitungen zu treffen, was Ihnen nicht schwer werden kann. sollte es, wie ich ganz besonders wünschen muß, dazu kommen, so würde ich mir erlauben, Ihnen zum Behuf einer solchen officiellen Vernehmung in Strelitz ein Project von Fragepunkten zu übersenden, deren specielle Beantwortung mir für meine Untersuchung sehr am Herzen liegt, und die vielleicht jetzt Niemand so genau und bestimmt stellen kann, da ich mich jetzt mit der ganzen Lage der Dinge, aus allen noch darüber vorhandenen gedruckten und ungedruckten Actenstücken, hinlänglich vertraut gemacht, und die Gesichtspunkte kenne, die hierbei vorzüglich ins Auge gefaßt werden müssen". (Neustrelitzer Acten.) Diese 55 Fragepunkte für die Vernehmung Boye's theilte Levezow schon am 15. December d. J. an Reinicke mit, und brachte diesen selbst nebst dem Rath Nauwerck, einem erfahrenen Kunstkenner, als Untersuchungs=Commissarien in Vorschlag.

Man ging in Neustrelitz nicht allein bereitwillig auf diese Vorschläge ein, sondern beschloß auch, diese Untersuchung auf alle noch am Leben befindlichen Personen, welche mit den Gebrüdern Sponholtz in näherer Verbindung gestanden, ausdehnen. Dem zu Folge wurden durch die bezeichneten Commissarien nach ein=

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ander vernommen: der Goldschmied Buttermann zu Neustrelitz, der im J. 1785 bei Jacob Sponholtz in die Lehre gekommen und bis zum J. 1791 bei demselben verblieben war; der Goldschmied Neumann zu Altstrelitz, der 1765 zu Jacob Sponholtz gekommen und 6 Jahre als Lehrling und 17 Jahre als Gesell bei ihm zugebracht hatte; der Goldschmied Völcker zu Altstrelitz, der im J. 1777 zu Jacob Sponholtz gekommen und 8 Jahre lang bei ihm gelernt hatte; der Bürger Boye zu Waren, der vom J. 1788 bis 1795 bei Gideon Sponholtz in Dienst gestanden hatte; und endlich der Gelbgießer Wurm zu Wesenberg, dessen Vater, der Gelbgießer zu Neubrandenburg gewesen war, mit Gideon Sponholtz in Verkehr gestanden hatte. - Nur die Aussagen Neumanns waren von wirklicher Bedeutung und lieferten das schon oben vorweg genommene Resultat: daß die vom Grafen Potocki beschriebene Sammlung Gideon Sponholtzens für unächt anzuerkennen sei, indem Neumann die meisten Stücke derselben als durch seine eigenen Hände, nach auf Gideons Geheiß vom Töpfer Pohl gefertigten Modellen, in Metall abgegossen recognoscirte. Ich theile deshalb die wichtigen Actenstücke über Neumanns Aussagen vollständig mit, und werde in Anmerkungen beifügen, was etwa noch in den Aussagen der anderen Vernommenen zur Aufklärung der Sache beitragend erscheint, und gebe zum Schluß den Bericht der vom Großherzoge ernannten Commissarien über das Resultat der Untersuchung.

Neubrandenburg den 4. December 1853.

Franz Boll.     


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Anlage A

Verhör des Goldschmieds Neumann.

Actum Neustrelitz den 15. October 1827, in Gegenwart des Herrn Hofraths Reinike, des Herrn Raths Nauwerck und des Unterschriebenen.

Am heutigen Tage erschien nach voraufgegangener Einladung der zu Altstrelitz wohnende Goldarbeiter Neumann. Nachdem nun mit solchem in Gemäßheit der Einleitung des Protocolls vom 26. v. M., worauf der Kürze wegen hier Bezug genommen wird, verfahren war und solcher mit Handschlag gelobt hatte, überall, wo er gefragt werde, nach bester Erinnerung die Wahrheit treu und redlich anzugeben, so wurden demselben folgende Fragen vorgelegt:

1) Wie er heiße, wie alt und wer er sei?

Antw. Er heiße Christian Friedrich Neumann, sei im 78. Jahre, habe die Goldschmiedekunst erlernt, welche er jedoch, seiner hohen Jahre wegen, jetzt nicht mehr betreibe.

2) Ob er die Gebrüder Sponholz in Neubrandenburg genau gekannt habe und in welchem Jahre seines Alters er zu solchen gekommen?

Antw. Er habe sie sehr wohl gekannt und sei im 15. Jahre seines Alters zu ihnen gekommen, und zwar im J. 1765.

3) Ob er bis dahin öffentlichen oder besonderen Unterricht genossen und worin?

Antw. Er sei in Neubrandenburg, wo er geboren, in eine Privatschule gegangen. Der Unterricht in selbiger habe bestanden in Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion.

4) Womit er sich außerdem während der Schuljahre in seinen Nebenstunden als mit einem Lieblingsgeschäft oder einem besonderen Zeitvertreibe abgegeben?

Antw. Irgend ein Lieblingsgeschäft erinnere er sich nicht betrieben zu haben, in den schulfreien Stunden habe sein Vater, der ein Sattlermeister gewesen, ihn in gute Aufsicht genommen und angehalten, ihm so viel er gekonnt, bei seiner Profession zu helfen.

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5) In welcher Absicht er zu den Gebrüdern Sponholz gekommen? Wieviel der Gebrüder Sponholz gewesen und wie sie in ihren Vornamen unterschieden worden? Ob sie alle in Einem Hause gewohnt? Ob sie alle einerlei Gewerbe betrieben? Ob Befragter als Goldschmidtslehrling oder Geselle, oder zu welchem andern Zweck er zu diesen Gebrüdern Sponholz gekommen?

Antw. Um die Goldschmidtskunst zu erlernen, sei er von seinen Eltern zu dem älteren Sponholz gebracht. Es seien der Gebrüder 3 gewesen, der älteste, der damals etwa 30 Jahre alt gewesen, habe Jacob Ernst geheißen, gewöhnlich nur Jacob, der Zweite Jonathan Benjamin und der jüngste Gideon Nathanael. So lange, bis der zweite Bruder Jonathan seine Brauwirthschaft angefangen, hätten sie alle zusammengewohnt, nach dessen Trennung wären der älteste und der jüngste nur zusammen geblieben. Der älteste sei eigentlich nur Goldschmidtmeister gewesen; Jonathan habe die Zunftmeisterschaft in seiner Goldschmiedeprofession nie gewonnen, sondern sich zur Wirthschaft gewendet; der jüngste habe keinen bestimmten Beruf gehabt, sondern von seinen Mitteln gelebt, und sei vorzüglich aufs Sammeln erpicht gewesen, besonders von Naturalien und Alterthümern.

6) Ob ihm seine Bestimmung im Sponholzischen Hause erst von den Sponholzen selber gegeben? Ob er von ihnen darüber bestimmte Instructionen und Verwarnungen, etwa über das Ausplaudern gewisser unter ihnen obwaltender Geheimnisse erhalten? Und worin etwa diese Heimlichkeiten oder besondere vertraute Geschäfte bestanden?

Antw. Seine Bestimmung ergebe sich aus der vorigen Antwort. Von besonderen Instructionen und Heimlichkeiten sei nie die Rede gewesen.

7) Ob er mit den Sammlungen der Gebrüder Sponholz außer ihren Berufsarbeiten bekannt geworden?

Antw. Von der Münzsammlung des ältesten Sponholz habe er zuweilen wohl einzelne Stücke gesehen, doch nie die ganze Sammlung zusammen. Jonathan habe keine ihm eigenthümliche Sammlung gehabt, Gideon aber habe für sich gesammelt, und da solcher um diese Zeit seine Sammlung erst recht angelegt habe, so sei ihm auch manches davon zu Gesichte gekommen; gehört habe er öfters, daß während seiner Lehrjahre der Hofrath Hempel die alten von den Sponholzschen Voreltern ererbten, angeblich von der Gebrüder Sponholz Großvaterbruder zu Prillwitz aufgefundenen Alterthümer, von ihnen, wie er gehört habe, um 500 Thlr. erstanden habe, wegen welcher Entäußerung der jüngste Bruder Gideon sich nachmals sehr beklagt habe. Diese Sammlung aber, die, wie er vermeine, den Ge=

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brüdern Sponholz gemeinschaftlich zugehört und Jacob in Verwahrung gehabt, habe er, Befragter, doch nie selbst gesehen.

8) Aus welchen Gattungen von Gegenständen die Sammlungen der Sponholze bestanden? und welchen Zweck sie dabei hatten? 48 )

Antw. In Hinsicht der ersten Frage bezog sich Comparent auf seine obige Antworten. - Ueber den Zweck sei ihm nichts anderes bekannt, als daß es sowohl bei Jacob als bei Gideon bloße Liebhaberei gewesen.

9) Wenn aus Alterthümern, aus welchen Gattungen? Aus gebrannten Urnen? Aus Gerätschaften und Vasen aus Stein und Metall? Aus Schmucksachen? Aus Münzen? Aus kleineren und größeren metallenen Figuren?

Antw. Er habe von den genannten Gegenständen allerdings hin und wieder einzelne gesehen.

10) Wenn auch aus anderen Gegenständen, etwa aus Naturproducten? oder auch aus neueren Kunstwerken?

Antw. Naturproducte habe er bei Gideon auch öfter gesehen, z. B. Mineralien, Versteinerungen, ausgestopfte Vögel und andere Thiere, auch Schnecken und Muscheln, die er zum Theil von Hofrath Hempel erhalten. Er habe auch einige Kupferstiche und Gemälde gehabt, so wie sich sein Sammelgeist auf allerhand seltene Sachen erstreckt habe.

11) Welche Gattungen von Alterthümern besaß Sponholz, als der Befragte zu ihm ins Haus kam?

Antw. Im Anfange seiner Lehrzeit habe er eben nichts besonderes gesehen; nach der Ablieferung der oben erwähnten Sammlung an den Hofrath Hempel aber habe Gideon erst recht zu sammeln angefangen.

12) Welche Gattungen derselben kamen in Jenes Besitz während des Aufenthaltes des Befragten in dem Sponholzschen Hause?

Antw. Er habe Urnen, sowohl metallene, als von Thon, steinerne Opfermesser, eine abgebrochene metallene Schwerdtklinge, einige Götzenbilder, Opferschalen und viele ihm im Augenblicke nicht erinnerliche Kleinigkeiten von Metall, auch steinerne Streitkeile und eiserne Pfeilspitzen nach und nach bei ihm gesehen.

13) Auf welche Weise äußerte sich Sponholz gelegentlich und absichtlich, daß er zum Besitz des vom Befragten schon bei ihm Angetreffenen gekommen, z. B. metallener Götzenbilder, Opferschalen, kleiner Täfelchen oder Runensteine?


48) Auf die letzte Frage antwortet Buttermann: "Sein Zweck schiene Befragtem eine Art Prahlerei gewesen zu sein, um sich bei Gelehrten ein besonderes Ansehen zu geben über Dinge, die er großen Theils selbst nicht verstanden habe".
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Antw. Nach des Befragten Meinung habe er, der Gideon Sponholz, im Anfange, wie er ins Haus gekommen, wenig oder nichts von den genannten Gegenständen gehabt, sondern nach und nach erst in der Folge bekommen. 49 ) Geäußert habe Sponholz sich gegen ihn niemals über den Erwerb des einen oder des andern Stückes.

14) Auf welche Weise hat der Befragte selbst gesehen und erfahren, daß Sponholz seine Sammlungen vermehrte?

Antw. Comparent habe gemerkt, daß dem Gideon oft manches von andern zugekommen sei, und namentlich aus Anclam und aus dem Schwerinschen, das ihm in seiner Sammlung angenehm gewesen sei.

15) Etwa durch Ankauf? und von wem?

Antw. Wenn arme Leute ihm, dem Gideon, etwas gebracht, was in seine Sammlung gepaßt habe, so habe er es wohl gekauft, doch könne Comparent sich nicht mehr, wegen der Länge der Zeit, erinnern, von welchen Personen.

16) Etwa durch Tausch? und mit wem? und wofür? Antw. Von Naturalien stehe es ihm zwar vor, daß von Tauschen die Rede gewesen sei mit dem Präpositus Genzmer in Stargard sowohl als auch mit dem Hofrath Hempel, z. B. Versteinerungen und Schnecken. Ganz einzelne Fälle wisse er sich nicht mehr zu erinnern.

17) Etwa durch eigene Ausgrabungen und Entdeckungen? Und zu welcher Zeit? An welchen Orten? in welcher Gesellschaft und Beihülfe?

Antw. Er habe den Ausgrabungen des Gideon Sponholz nie in Person beigewohnt, sondern sich immer zu seinem Berufsgeschäfte gehalten. Daß aber Sponholz gegraben habe, habe er wohl gehört, und besonders von dessen Helfer, dem alten Nix, der ihm denn auch oftmals gesagt, wo sie gegraben, nemlich zu Bargenstorf, auf dem Brandenburger Felde, zu Küssow und anderen Orten. Der Gideon Sponholz habe auch die Freiheit von dem Herzoge Adolf Friedrich IV., der seine Sammlung persönlich besucht, erhalten, überall nachzugraben, wo er wolle und etwas zu finden glaube. Zu seiner Zeit habe Sponholz nur bloß die Hülfe des alten Nix gehabt, der ehemals Bedienter bei dem Obristlieutenant v. Keyserling, nach dessen Tode nichts


49) Völcker deponirt ad 35: "Er müsse bemerken, daß Gideons Sammlung im Anfange seiner Ankunft im Sponholtzschen Hause gar nicht bedeutend gewesen sei, er habe sie nämlich in der gewöhnlichen Wohnstube linker Hand des Hauses aufbewahrt. Späterhin habe Jacob die Auffahrt des Hauses aufgebauet, und da habe Gideon den dadurch erhaltenen Raum des zweiten Stocks nach der ganzen Tiefe des Hauses zur Ausstellung seiner Sammlungen gewählt und benutzt".
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zn thun gehabt und an Sponholz einen Anhalt und Stütze gesucht habe.

18) Welches waren die Alterthümer, die Sponholz auf allen diesen verschiedenen Wegen acquirirte? und kann der Befragte sie in der großherzogl. Sammlung noch genau bezeichnen und bestimmen?

Antw. Alle Alterthümer anzugeben, welche der Sponholz durch Ausgrabungen oder auf andere Weise erworben, sei ihm nicht mehr möglich, wenn er sich auch erinnere, daß ihm derselbe damals öfters Mittheilungen davon gemacht habe. Was er in der hiesigen großherzogl. Sammlung als damals bei Sponholz gesehen jetzt wieder erkannt habe, wolle er gerne angeben. Es sei solches, außer manchen thönernen Urnen, die er aber ganz speciell zu bezeichnen sich nicht mehr getraue, wiewohl viele zu der Gattung gehörten, die er damals gesehen:

a. eine zerbrochene metallene Urne, worauf ein gedruckter Zettel mit der Inschrift sich befindet: "Eine metallene Urne, welche auf dem Neubrandenburgischen Felde gefunden worden", von der er damals auch gehört, daß ein Pflüger sie aus Sponholzens eigenem Acker zuerst entdeckt habe. 50 )

b. In dem Repositorio des zweiten Zimmers neben dem ersten Schranke zeigte er auf verschiedene Töpfe und Gefäße mittlerer Größe, und entsann sich, diese oder ähnliche auch bei Sponholz gesehen zu haben.

c. Von den Gegenständen in dem oberen Theile des ersten Schrankes der sogenannten Masch'schen Sammlung wollte er nichts vorher gesehen haben, da solche schon während seiner Lehrzeit an den Dr. Hempel überlassen sei. Aus der obersten Lade dieses Schrankes fand er auch nichts, das ihm erinnerlich war. In der mittelsten aber behauptete er Streitkeile, unter andern auch geschliffene der Art, wie sie sich dort finden, bei Sponholz gesehen zu haben. In der untersten Lade meinte er das grün angelaufene meisselförmige Instrument, dem ähnlich, was Potocki Fig. 98 abgebildet hat, so wie auch den sogen. Polnischen Hammer bei Potocki Fig. 97 wieder zu erkennen.

d. In dem zweiten Schrank, und zwar in der obersten Reihe, war ihm der größte Radegast bei Potocki Fig. 17., der Swantevith bei Potocki Fig. 8, in der zweiten Reihe der Rogiit bei Potocki Fig. 11, auch eins der sog. Opfermesser, und


50) Dies bezieht sich ohne Zweifel wohl auf die oben besprochene Ausgrabung im Herbste 1779. Völcker deponirt ad 17: "doch erinnere er sich, daß er einige Male aus Neugierde mitgegangen [bei den Aufgrabungen], unter andern auf dem Brandenburger Felde in der Nähe von Küssow, wo mehrere Urnen, aber weiter nichts gefunden worden; bei dem Burgwall vor dem Friedländshen Thore, wo einige metallene Armenschienen gefunden worden" etc. .
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zwar das broncene von prismatischer Gestalt mit der Aufschrift Radegast bei Potocki Fig. 23, und die mit zwei Schlangen umwundene weibliche Figur bei Potocki Fig. 6 bekannt.

Bei dieser Gelegenheit bemerkte er auch, diese letztere Figur durch den sehr geschickten Töpfer Pohl in Thon geformt gesehen zu haben, welches Veranlassung geben wird, diesen Gegenstand weiterhin näher zu erörtern.

In der großen obersten Lade dieses Schrankes hatte er vormals die breiten Armschienen und den gereifelten Ringkragen, weiter aber nichts von den darin befindlichen Gegenständen gesehen. In der mittelsten großen Lade fand er nichts. In der dritten aber erkannte er sehr wohl die fragmentarische metallene Schwerdtklinge. Dies sei alles, dessen er sich jetzt noch entsinnen könne.

Continuatum den 17. October.

19) Hat etwa einer der Sponholzen selbst mehrere von den in der erwähnten Sammlung befindlichen Alterthümer verfertigt? und welche, und in welcher Absicht?

Antw. Auf diese Frage könne er durchaus nichts anderes sagen, als daß Gideon Sponholz ihm einst ein Thon=Modell gezeigt, ganz ähnlich der in der Sammlung befindlichen, bei Potocki Fig. 6 gezeichneten weiblichen mit 2 Schlangen umwundenen Gestalt; auch habe er mehrmals den erwähnten Töpfer Pohl mit Anfertigung anderer Thon=Modelle, unter anderen eines Ziegenbockes, bei dem Gideon gefunden. In der hiesigen Sammlung habe er jedoch außer der schon erwähnten Figur kein anderes Stück gefunden, wovon er ein Thon=Modell gesehen zu haben sich erinnere. Er fügte noch hinzu, daß Sponholz diese Thon=Modelle sehr geheim gehalten und der ältere Bruder ihm öfter Vorwürfe gemacht, mit den Worten: Was willst Du mit den Dingen machen? Er müsse auch gestehen, daß er auf einige, er sagte ein Paar, metallene Puppen mit einem Schrotpunzen Buchstaben nach Mustern, die ihm Gideon aus einem vom Superintendenten Masch verfaßten und erhaltenen Buche vorgelegt, eingeschlagen habe. In welcher Absicht dies alles geschehen sei, darum habe er sich nicht bekümmert und könne deshalb keine weitere Auskunft darüber geben; übrigens setzte er noch hinzu, daß er die obgedachten Thon=Modelle nicht in der Sponholzschen, in dessen Hause befindlichen Sammlung aufgestellt gesehen habe. 51 )


51) In Völckers Vernehmung heißt es ad 18: "Bei Vorzeigung des größten Radegastes im obern Fache erzählte er, daß Gideon in der Mitte seines Sammlungssaales auf einem Tischchen einen Tempel von Holz stehen hatte, in dessen Mitte sich ein Modell von rohem Thon des Radegastes, mit zwei Hörnern auf dem Kopfe und einem (  ...  )
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20) Mit wessen Beihülfe?

Antw. Außer den vorerwähnten wisse er nicht, daß Gideon sich eines Gehülfen bei dergleichen bedient habe.

21) Stand er etwa mit dem einen oder dem anderen Gelehrten in Verbindung, der ihm die Vorstellungen und die Formen dazu angegeben, die Runen vorgeschrieben?

Antw. Die Gelehrten, deren er sich erinnere, mit welchen Sponholz in einiger Verbindung gestanden und deren auch einige wohl zu ihm gekommen, seien gewesen: der Landsyndicus Pistorius, der bei der öffentlichen Schule als letzter Lehrer angestellte Baccalaureus Schüler, 52 ) der bei eben der Schule als Lehrer gestandene Cantor, nachheriger Conrector Bodinus, 53 ) der Präpositus Genzmer zu Stargard und Anfangs auch der Dr. Hempel, mit dem jedoch späterhin eine Spannung eingetreten. Daß diese Gelehrten dem Sponholz Vorstellungen und Formen zu irgend einem Machwerke, oder auch Runenschriften angegeben haben sollten, wisse er zwar nicht, könne er aber auch gar nicht glauben.

22) Ist dem Befragten je ein Verdacht aufgestoßen, daß Sponholz diese Alterthümer, d. h. die Götzenbilder und Runenschriften, früherhin verfertigt haben könne? Oder dessen Vater? Oder der Goldschmidt Pälke?

Antw. Die erste Frage in Bezug auf Gideon Sponholz erledige sich aus des Befragten vorigen Angaben. Von dem Vater der Sponholzen, der des Befragten Pathe gewesen und in dessen 9. Jahre, also im J. 1759, gestorben sei, könne er zwar nichts Bestimmtes hierüber sagen, jedoch habe er immer gehört, daß solcher allgemein als ein rechtschaffener und braver Mann


(  ...  ) Stierkopfe auf der Brust, gefunden hätte. Um diesen Radegast bätten wenigstens 4 andere Götzenbilder von verschiedener Art, gleichfalls von Thon geformt, mit Thierköpfen, besonders auch eins mit einem Hundskopfe, gestanden. Alle diese thönernen Modelle oder Götzenbilder habe der geschickte Töpfermeister Pohl in Neubrandenburg gemacht. Auf Befragen, ob er sich erinnere, jemals metallene Abgüsse dieser Modelle bei Sponholtz oder anderwärts oder in hiesiger Sammlung gesehen zu haben, antwortete er, nein". Und ad 25 erklärt derselbe: "Gideon habe unter andern ein Buch mit Kupfern gehabt, welches er dem Pohl zu dessen Modellirungen mitgetheilt und vorgelegt; was für ein Buch dies gewesen, wisse er nicht; sie hätten ihn nicht dabei kommen lassen, sondern unter sich gehalten".
52) Der Baccalaureus Schüler war aus Altwigshagen bei Anclam gebürtig, wurde ums J. 1765 dritter und letzter Lehrer an der neubrandenburger lateinischen Schule und starb 50jährig im J. 1786. Den Ruf besonderer Gelehrsamkeit hat er nicht hinterlassen.
53) Heinrich Friedrich Bodinus, ein geborner Thüringer, wurde 1766 als Conrector oder zweiter Lehrer an der neubrandenburger lateinischen Schule angestellt und war seiner Zeit ein vertrauter Freund von Pistorius und anfangs auch von Gideon. Auch er steint bei der besprochenen Aufgrabung im Herbste 1779 auf Sponholtzens eigenem Acker zugegen gewesen zu sein, denn bei aus dieser Aufgrabung stammenden Alterthümern in der neustrelitzer Sammlung fanden sich Zettel von Bodinus Hand. Er starb 75 Jahre alt im J. 1813. Sein höchst origineller, aber duchaus biederer und aller Verstellung und Täuschung unfähiger Charakter ist bei seinen Schülern noch in gutem Andenken.
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bekannt gewesen. Den Goldschmidt Pälke habe er nicht mehr gekannt und wisse daher auch nichts von ihm anzugeben.

23) Hat der Befragte in Sponholzens Werkstatt und dessen Hause nicht Spuren von Anstalten, Instrumenten, Formen und Modellen oder Metallmischungen gefunden, welche zu einem solchen Verdachte Veranlassung geben konnten?

Antw. Befragter bezog sich hier auf die oben ad 19 gemachten Angaben und versicherte, daß ihm weiter nichts über diese Sache bekannt geworden sei.

24) Hatte Sponholz eine Büchersammlung? und aus welcher Gattung von Büchern bestand sie? Verwahrte er etwa mit besonderer Heimlichkeit gewisse Papiere?

Antw. Bücher habe er allerdings wohl gesehen; so viel ihm erinnerlich, seien es solche gewesen, die zum Goldschmidtsberufe gehörten, ein Theil wären auch Schulbücher gewesen. Gideon hätte auf eine große Bibel, die er besessen, viel Gewicht gelegt. Von heimlichen Papieren sei ihm nichts bewußt.

25) Waren unter dessen Büchern solche Werke, welche in Abbildungen ähnliche Figuren darstellten, als die in seiner Sammlung befindlichen? Etwa auch Abbildungen von Runenschrift? Erhielt Sponholz Bücher während des Aufenthalts des Befragten bei ihm? Oder war er schon im Besitz derselben vorher gewesen?

Antw. Außer dem Werke von Masch, welches er bei Sponholz wohl gesehen, erinnere er sich nichts weiter von dem ihm hier in Frage gestellten.

26) Deutete Sponholz die Figuren und Namen in seiner Sammlung? oder waren sie ihm selber unlesbar und unerklärlich? oder wurden sie ihm von anderen erklärt und durch wen?

Antw. Seines Wissens hätte Sponholz die Namen der Figuren seiner Sammlung weder lesen noch erklären können; was er davon gewußt habe, sei ihm vom Superintendenten Masch mitgetheilt.

27) Verstand Sponholz lateinische slavisch oder wendisch? etwa polnisch? oder böhmisch? kannte er Runenschrift? las er die auf seinen Alterthümern oder in den Büchern befindlichen fertig?

Antw. Gideon Sponholz möchte in der Schule wol etwas lateinisch gelernt haben. Wie er, Befragter, gemerkt und gehört, müsse es wol nicht viel gewesen sein. Von den andern genannten Sprachen hätte derselbe keine Kenntnisse gehabt, ebenso wenig als von der Runenschrift. Der ältere Bruder Jacob, den dessen Vater durchaus habe wollen studiren lassen, möge auf der Schule wohl etwas mehr Sprachkenntnisse erworben haben, habe

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aber, so wie auch Jonathan, zu allen diesen keine Lust bezeigt, sich nie weiter damit abgegeben und bloß seinem Berufe und der Wirthschaft gelebt.

28) Hat Sponholz wohl zuweilen metallene Sachen aus seiner Sammlung abgeformt und nachgegossen? Und wenn dies der Fall war, befinden sich diese Nachgüsse noch in der großherzogl. Sammlung?

Antw. Von dergleichen Ab= und Nachgüssen sei ihm nichts bewußt, mithin könne er sie auch in der hiesigen Sammlung nicht gefunden haben.

29) Oder hat er sie an andere vertauscht oder verkauft? 54 ) an wen? Hat er sie diesen für Originale oder Copien ausgegeben?

Antw. Befragter bezog sich auf die vorige Antwort.

30) Hat er sich auch mit Abformen und Abgießen alter Münzen abgegeben?

Antw. Jacob habe dies nie gethan, Gideon aber habe, wenn er seltene oder merkwürdige Münzen in edlem Metall mitgetheilt erhalten, sich solche selbst wohl in Kreideformen mit Zinn nachgegossen.

31) Hat der Befragte den jetzt in Waren noch lebenden Bürger und Einwohner Boye im Sponholzschen Hause gekannt und gesehen? In welcher Verbindung stand dieser Boye mit Sponholz? Und wie lange war er bei Sponholz?

Antw. Allerdings habe er den Boye im Sponholzschen Hause nach der Zeit, wo er, Befragter, dasselbe schon verlassen habe, gesehen. Boye sei Aufwärter des Gideon gewesen, wie lange er sich bei Sponholz aufgehalten, wisse er, Befragter, nicht zu sagen.

32) Hat der Boye dem Sponholz bei seinen Alterthümern Hülfe geleistet und welche? Ist er etwa bei dessen Ausgrabungen gegenwärtig und behülflich gewesen? Hat solcher nicht mit dem Sponholz Gräber geöffnet und mit Runenschrift bezeichnete Steine bei solchen Gräbern gefunden? Und welche Steine in der hiesigen Sammlung waren es?

Antw. Befragter habe wohl gehört, daß Boye dem Gi=


54) Diese Frage verneint Boye ad 29: "dergleichen sei Befragtem nie vorgekommen, im Gegentheil sei Gideons Eifer so groß gewesen, daß er nie habe genug bekommen können", und giebt noch ad 48 speciell an: "er sei einst mit Gideon nach Schwerin gereiset und habe da die dortige Sammlung von vaterländischen Alterthümern gesehen, welche ihnen der damalige Archivrath Evers gezeigt, welcher zugleich den Gideon inständigst angelegen, ihm doch, wenn auch nur einige, von seinen Götzenbildern zu überlassen, welches dieser jedoch standhaft verweigert". Buttermaun ad 53 erklärt: "daß Gideon aus seiner Sammlung an andere Liebhaber etwas überlassen hätte, wisse er nicht und glaube es auch nicht, doch sei ihm erinnerlich, daß jener ihm einmal gesagt habe, er hätte einige Urnen nach Ratzeburg überlassen".
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deon bei seinen Nachgrabungen behülflich gewesen, wisse aber nichts Specielles davon zu sagen.

33) Sind dem Sponholz zuweilen von außerhalb Alterthumssachen zugeschickt und überbracht worden? Etwa aus Mainz oder aus Rostock? Hat er solche Sachen gekauft, getauscht, und wogegen? oder sie abgeformt und seiner Sammlung einverleibt? Sind ihm nicht auch aus Pommern und der Mark Brandenburg solche Alterthümer zukommen und welche sind diese in der hiesigen großherzogl. Sammlung?

Antw. Dem Gideon Sponholz seien verschiedentlich wol, aber mehrentheils hier in der Nähe gefundene Alterthumsstücke zugebracht worden; auch erinnere er sich, daß er zuweilen etwas aus Prenzlau, aus Anclam und aus dem Schwerinschen erhalten; Geld habe er dafür nicht gerne gegeben, auch nicht gerne getauscht; das Meiste sei ihm geschenkt. Von Abformungen solcher Sachen sei ihm nichts bewußt, und so finde er auch nichts davon in der hiesigen Sammlung.

34) Warum hat Sponholz so ungerne seine Sammlungen und besonders die obotritischen Götzenbilder an andere Personen gezeigt und damit so heimlich gethan? 55 ) Fürchtete er etwa, daß man irgend einem Betruge auf die Spur kommen möge? Oder hat er sich darüber gegen den Befragten gelegentlich auf andere Weise geäußert?

Antw. Nachdem Sponholz seine Sammlung aufgestellt gehabt, habe er sie immer gezeigt und nicht heimlich damit gethan. Selbst der Herzog Adolf Friedrich IV. sei einige Male mit seinem ganzen Hofstaate dort gewesen und habe dadurch veranlaßt, dem Sponholz die Erlaubniß zum weiteren Nachgraben, wo er es gerathen fände, zu geben.

35) Was hat Sponholz über seine früheren eigenen Entdeckungen vor Ankunft des Befragten im Sponholzschen Hause demselben mitgetheilt? Welche Stücke in der großherzogl. Sammlung sind damals gefunden worden?


55) Auf diese Frage antwortet Völcker: "Es sei ihm gar nicht bewußt, daß Gideon mit Vorzeigung seiner Sammlung schwierig gewesen sei, im Gegentheil wisse er sehr genau, daß er, wenn nicht unüberwindliche Hindernisse eingetreten, z. B. daß er krank gewesen, sich in diesem Stücke, so vielfältig auch die Ansuchungen gewesen wären, sehr gefällig gezeigt habe". Desgleichen Buttermann: "Dieses Betragen sei ihm von Sponholtz nicht bekannt; rechtlichen, unterrichteten Männern habe er nie geweigert, die Sammlung zu zeigen: bloßen Neugierigen habe er es, da er sehr bequem gewesen wäre, freilich wohl abgeschlagen, und wenn er sich nicht hatte entziehen können, sich dadurch entschädigt, daß er ihnen die Haut voll gelogen". Endlich Boye: "Es sei nicht zu leugnen, daß Gideon mit Vorzeigung seiner Sammlung etwas unwillfährig gewesen sei, und zwar aus Furcht, daß, wie oft geschehen, unbescheidene Leute ihm die Gegenstände derselben berührt und zerbrochen, auch wohl manches Stück entwandt hätten. Wenn nun er, Befragter, nicht bei der Hand gewesen, dem die strengste Aufsicht in diesem Stücke zur Pflicht gemacht worden. so habe er die Vorzeigung gewöhnlich verweigert. Von Furcht des Gideon, auf einem Betrug ertappt zu werden, habe er nie etwas gespürt".
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Antw. Im Anfange seiner Ankunft im Sponholzschen Hause wäre nie über diesen Gegenstand gesprochen worden. Zu allererst sei davon die Rede gewesen, als der Dr. Hempel Alterthumsstücke von Sponholz erhalten.

36) Wo sind besonders die Stücke gefunden worden, die Graf Potocki in seinem Werke abgebildet und beschrieben hat? Sind sie zu verschiedenen Malen entdeckt, oder zusammen gefunden, wie die ersten von Masch beschriebenen in Prillwitz? Und wo sind sie gefunden?

Antw. Da er nie bei den Nachgrabungen des Gideon Sponholz gegenwärtig gewesen und sich zu seiner Berufsarbeit gehalten, könne er über diese Dinge, als ihm unwissend, keine Auskunft geben.

37) Wo insbesondere der große Radegast? Antw. Das wisse er auch nicht.

38) Unter welchen Umständen sind die schönen metallenen Urnen und die Bruchstücke davon gefunden? Wo die beiden Grapen in der großherzogl. Sammlung?

Antw. Auch hier wisse er nichts weiter, als was er oben schon ausgesagt, daß nämlich die eine zerbrochene metallene Urne auf einem Ackerstücke im Neubrandenburger Felde gefunden worden, wobei er jedoch auch nicht gegenwärtig gewesen sei. Grapen hätte er zu der Zeit auch nicht bei Sponholz wahrgenommen, er möchte sie späterhin wohl erhalten haben, doch wisse er nicht, woher sie seien.

39) Ist der in der großherzogl. Sammlung befindliche halbmondförmige Ringkragen mit Reifen etwa bei diesen metallenen Urnen gefunden?

Antw. Woher dieser Ringkragen gekommen, könne er auch nicht sagen.

40) Hat Sponholz auch noch andere kleine Erzfiguren besessen, welche nicht in Meklenburg gefunden worden, sondern die er vielleicht auf Auctionen oder aus freier Hand von anderen erhandelt oder sonst bekommen? Hat er diese von der obotritischen Sammlung abgesondert aufbewahrt, oder damit vermischt? und als auch dazu gehörig ausgegeben?

Antw. Es sei ihm nicht erinnerlich, daß Sponholz andere Arten von Erzfiguren besessen, als die er, Befragter, bereits angegeben, auch wisse er nicht, daß derselbe jemals auf Auctionen dergleichen gekauft, so wie er auch über den andern Theil dieser Frage keine Bestimmung geben könne.

41) In welchem Verhältniß stand Sponholz zu dem Superintendenten Masch? Stand er vielleicht mit ihm im näheren Briefwechsel? Hat Masch den Sponholz öfter besucht?

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Antw. Hierüber könne er nichts anderes angeben, als daß Gideon äußerst sparsam und unwillig in und zum Schreiben gewesen sei, und daß er, Befragter, während seiner ganzen Anwesenheit im Sponholzschen Hause den Superintendenten Masch daselbst nie gesehen habe.

42) In welchem Verhältniß stand Sponholz zu dem Präpositus Genzmer in Stargard? Wie äußerte sich Sponholz darüber, als er erfuhr, daß man hin und wieder die Aechtheit der obotritischen Götzenbilder bestritt und in Verdacht zöge?

Antw. Sie hätten über Versteinerungen mit einander verkehrt und sich auch wechselsweise wohl einander besucht. Ueber die Aechtheit der Sponholzschen Alterthumsstücke habe er eben so wenig als von den Aeußerungen des Sponholz darüber etwas vernommen.

43) Hat Sponholz nicht manche der von ihm gefundenen Sachen eingeschmolzen, um vielleicht ihren vermeintlichen Metall=Inhalt zu prüfen? Hat er manche nicht nachbearbeitet, um ihnen vielleicht ein anderes Ansehen zu geben, Runen darauf eingegraben, sie mit Säuren bestrichen, in Urin gelegt, in Misthaufen vergraben, um ihnen dadurch eine grüne, braune oder graue Farbe zu geben?

Antw. Auf den Inhalt dieser ganzen Frage äußerte sich Befragter nur dahin, daß er einstens auf Gideons Verlangen auf einige Puppen Buchstaben eingeschlagen. Von allem übrigen in dieser Frage sei ihm nie etwas vorgekommen.

44) War Gideon Sponholz oder dessen Bruder Jacob im Besitz mehrerer kleiner Modelle von menschlichen und Thierfiguren, Blumen, Blättern, Thiera= und Menschenköpfen, wie sie Goldschmiede und Gelbgießer zu besitzen pflegen, um davon bei ihren Arbeiten in Gold, Silber oder Messing als Verzierungen und Beschläge Gebrauch zu machen? 56 )

Antw. Die Hauptgoldschmiedearbeiten, die während seiner Zeit vorgekommen wären, hätten bestanden in Thee= und Eßlöffeln, Rockknöpfen und Pfeifenkopfbeschlägen, Schuh= und Knieschnallen, Knöpfen an Kleidern, goldenen Ringen und Vergoldungen und silbernen Leuchtern. Zu einigen dieser Gegenstände, als Schnallen und Pfeifenbeschlägen, hätten sie allerdings Formen gehabt und zwar von Blei. Daß er noch andere Modelle im


56) Diese Frage beantwortet Buttermann dahin: "Modelle, welche die Goldarbeiter Patronen zu nennen pflegen, hätte sein Lehrherr Jacob allerdings in ziemlicher Menge gehabt, wovon Comparenc bei den vorkommenden Arbeiten ebenfalls Georauch gemacht, solche auch oft gereiniget habe; er könne aber ganz bestimmt versichern, daß darunter sich durchaus nichts gefunden habe, was mit den Gegenständen der hiesigen Sammlung einige Aehnlichkeit oder Beziehung darauf habe".
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Sponholzschen Hause, besonders solche, deren in der Frage erwähnt wird, sollte gesehen haben, sei ihm nicht erinnerlich.

45) Hat sich Sponholz nie geäußert gegen den Befragten, wie die Prillwitzer Erzbilder und die Geräthe an ihn und seine Familie gekommen? War Gideon in dem alleinigen Besitz derselben, oder hatte sein Bruder Jacob auch Theil daran? Und wie haben sich beide Brüder darüber verglichen?

Antw. Gideon habe sich gegen ihn geäußert, daß die Erzbilder und Geräthe, welche nachher an Hempel überlassen worden, von seinem Großvater ererbt und in Prillwitz gefunden wären. An diesen, habe er, Befragter, wol gehört, hätten alle 3 Brüder Theil gehabt, und Gideon nicht allein; wie sich aber die Brüder darüber verglichen, sei ihm nicht bekannt geworden.

46) Warum wurden dem Dr. Hempel nicht alle Figuren auf einem Male überlassen, sondern der Besitz der übrigen verschwiegen?

Antw. Diese Frage vermöge er nicht zu lösen; es könne wol sein, daß Gideon nach Abgabe der Prillwitzer Stücke an Hempel erst nach und nach wieder in Besitz anderer gekommen sei.

47) Oder sind die übrigen erst späterhin von Sponholz oder anderen fabricirt oder ausgegraben worden?

Antw. Von Fabriciren sei ihm nichts bewußt, und bei Nachgrabungen sei er nie gegenwärtig gewesen.

48) Sind dem Deponenten späterhin ähnliche Bilder und Runensteine auch bei anderen Besitzern in Meklenburg vorgekommen? und etwa bei welchen?

Antw. Er habe nie dergleichen bei irgend Jemand sonst gesehen.

49) Oder ob er auch nur von ähnlichen Entdeckungen bei anderen in Meklenburg gehört? und von welchen und wo? Antw. Auch das nicht.

50) Ob er glaube, daß noch unberührte Grabmäler vorhanden, die noch eine ähnliche Ausbeute, als die früher gemachte, liefern könnten.

Antw. Er habe davon keine Kenntniß, weil er sich nie persönlich damit abgegeben.

51) Ob sich die Grabmäler, worin die Runensteine, Götzenbilder, Geräthe und dergleichen zu finden sein möchten, von außen besonders und vor anderen auszeichnen, und wodurch?

Antw. Darüber könne er auch keine Auskunft geben. Sponholz habe aber sich wol geäußert, daß er die Grabmäler an der Hügelform und Stellung der Steine erkenne. Auch habe derselbe bei seinen Nachsuchungen sich eines Erdbohrers bedient.

52) Wann der Befragte sich von Sponholz getrennt habe, und warum?

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Antw. Nachdem er, Befragter, 6 Jahre als Lehrling und 17 Jahre als Geselle bei Sponholz gestanden, habe er endlich mit demselben brechen müssen, weil er seinen Meister nicht dahin bringen können, mit ihm ordentliche Rechnung zuzulegen. Denn obgleich derselbe ihm zu seinen Bedürfnissen je zuweilen Auszahlungen gemacht, so habe er ihm doch nie seinen Lohn völlig und richtig bezahlt. Wie er, Befragter, gewilligt gewesen, sich zu verheirathen, so habe er nicht länger warten können, habe aber am Ende zufrieden sein müssen mit dem, was er habe erhalten können. So sei er von ihm gegangen und mit seiner nachherigen Frau und deren Vater, einem Fleischer, gezogen, wo er 4 Jahre lang gewohnt und auf seine eigene Hand Brau= und Brennwirthschaft getrieben, da er eingesehen, daß er von seiner Kunst sich in Neubrandenburg nicht füglich hätte ernähren können.

53) Ob er noch späterhin mit Sponholz in Verkehr gestanden? Und dieser nach des Befragten Abgange aus dessen Hause noch seine Nachgrabungen fortgesetzt? Mit wessen Hülfe? Was dadurch gefunden? Und ob das später Gefundene auch in die großherzogl. Sammlung gekommen? Ob nicht der Sponholz auch ein oder anderes Alterthumsstück an andere Liebhaber derselben in oder außerhalb Landes überlassen? Was solches gewesen? Und wohin es gekommen?

Antw. Sein Verkehr mit Sponholz habe nun gänzlich aufgehört und er könne auf den übrigen Theil der Frage nichts angeben.

54) Ob der Befragte sich nicht selbst auf eigene Hand mit Untersuchungen von Gräbern und Nachgrabungen abgegeben? Wo solches gesehen? was er gefundene und wohin solches gekommen?

Antw. Er habe sich nie mit dergleichen abgegeben.

55) Ob Sponholz gefundenes edles Metall, Gold, Silber, eingeschmolzen, zu seinen eigenen Goldschmiedsarbeiten verbraucht oder verkauft habe? Und welche Form und Gestalt dies ursprünglich bei der Entdeckung gehabt? Etwa als Münzen, oder Geräthe, Schmuck, Waffen und dergleichen?

Antw. Er habe nie etwas davon verspürt, glaube auch, daß wohl sehr wenig edles Metall möchte gefunden sein, da er nie davon habe reden hören, außer daß Gideon in der Gegend von Weitin auf dem Wege nach Treptow einst einen Hügel habe ausgraben und daselbst eine Menge Steine habe auswerfen lassen, und endlich einen Griff, dem Anscheine nach, wie gesagt worden, eines Opfermessers gefunden, welcher Griff oben und unten mit Ringen von dünnem Goldblech belegt gewesen. Diese

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Ringe habe Gideon hernach in einer Schachtel auf Baumwolle sorgfältig aufbewahrt. In der hiesigen Sammlung habe er jedoch solche nicht angetroffen. Weiter sei ihm in Gold oder Silber dieser Art nichts vorgekommen.

56) Ob Sponholz bei seinen Ausgrabungen und Nachsuchungen sich auch besonderer Mittel bedient, als z. B. der Wünschelruthe, Zauberbücher, abergläubischer Gebräuche, Beschwörungen, religiöser Ceremonien, Gebetsformeln und dergleichen?

Antw. Von allem diesen habe er niemals etwas bemerkt.

57) Ob derselbe diejenigen, die ihm bei seinen Nachsuchungen und besonders, wenn etwas Bedeutendes gefunden worden, zur Geheimhaltung und strengem Stillschweigen verpflichtet? Ob er sie nicht, wenn sie plaudern würden, bedrohet? und wie und womit?

Antw. Auch hiervon habe er nie etwas bemerken können.

58) Ob Sponholz seine Helfer beim Nachgraben belohnt und wie?

Antw. Sein Haupthelfer, der alte Nix, habe von ihm, dem Sponholz, Essen und Trinken gehabt, was er sonst diesem und anderen gegeben, sei Befragtem nicht wissend.

59) Ob derselbe bei seinen Zeitgenossen in Neubrandenburg und sonst nicht den Namen eines Schatzgräbers bekommen? und wodurch solches wol veranlaßt sei?

Antw. Einige Leute möchten sich das wol eingebildet haben wegen dessen vielfältiger Nachgrabungen, er, Befragter, hätte nicht daran geglaubt.

60) Mit welchem seiner Zeitgenossen Gideon Sponholz am meisten Freundschaft gehalten und verkehrt habe und am vertraulichsten umgegangen sei?

Antw. Außer seinen Helfern bei Nachgrabungen wisse Befragter nicht, daß Gideon sonderlich vertraute Freunde gehabt habe, doch habe er sich mehrere Jahre mit einem seiner ehemaligen Schulgenossen, Namens Keller, jüngstem Sohn eines verstorbenen Bürgermeisters in Neubrandenburg, abgegeben, der so wie Gideon selbst sich ohne bestimmten Beruf und Geschäfte herumgetrieben.

61) Ob Befragtem die Handschrift mancher Zettel und Notizen, welche sich bei einzelnen Stücken und Gattungen der Alterthümer hieselbst befinden, und die ihm vorgezeigt wurden, bekannt sei? Ob Sponholz selbst solches geschrieben habe, oder wer sonst?

Antw. Nein, er kenne sie nicht.

62) Wohin sich Befragter gewendet, als er das Sponholzsche Haus verlassen?

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Antw. Befragter bezieht sich auf vorige Angabe.

63) Ob er auf Reisen und im Auslande Alterthümer der Art, wie sie in hiesiger Sammlung vorhanden, gesehen? Antw. Er habe keine Reisen gemacht.

64) Ob er als sachkundiger Metallarbeiter gewisse Kennzeichen habe, wodurch sich alte ächte Metallwerke, besonders in Kupfer, Messing und Silber, in ihrem grünen, braunen oder grauen Roste von neueren und falschen unterscheiden?

Antw. Gewisse Kennzeichen des Alters wisse er nicht namhaft zu machen, da er sich mit Versuchen dieser Art nicht befaßt habe.

65) Ob er glaube, daß der grüne, sogenannte edle Rost so künstlich nachzumachen sei, daß man ihn von dem durch Länge der Zeit in der Erde von selbst entstandenen nicht unterscheiden könne?

Antw. Beruft sich auf die vorhergehende Antwort, und sei ihm dieser Unterschied nicht bekannt.

66) Bei wem Jacob Sponholz die Goldschmiedekunst erlernt habe?

Antw. Bei seinem Vater.

67) Ob Jacob Sponholz gereiset? Antw. Nein.

68) Bei wem Jonathan, der zweite der 3 Gebrüder Sponholz, gelernt habe?

Antw. Jonathan sei schon Geselle gewesen, wie er, Befragter, in die Lehre gekommen. Bei wem er gelernt, wisse er nicht bestimmt anzugeben.

69) Ob solcher auch gereiset?

Antw. Ja, er sei, so viel Befragter wisse, in Hamburg, Berlin und zuletzt in Danzig bei seinem Onkel ein Jahr gewesen.

70) Wer von den beiden Brüdern, Jacob oder Jonathan, nach des Befragten Meinung wol der geschickteste Goldarbeiter gewesen?

Antw. Jonathan möchte seiner Reisen wegen wol den Vorzug verdient haben.

71) Ob von den Gebrüdern Sponholz noch Kinder am Leben seien?

Antw. Der älteste, Jacob, und der jüngste, Gideon, seien unverheirathet gewesen, Jonathan habe 2 Söhne, davon der älteste noch als Gastwirth in Neubrandenburg lebe, der jüngste ein Landmann sei, dessen Aufenthalt er aber nicht wisse. Außer diesen seien auch noch 3 Töchter gewesen.

72) Ob dem Befragten auch noch andere jetzt lebende Personen hier oder anderwärts bekannt seien, von denen man einige

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Auskunft über das Ganze oder einige Theile des verhandelten Gegenstandes, über das Geschichtliche und Oertliche der Auffindung oder Sammlung der hiesigen Alterthumsstücke und über die besonderen Verhältnisse der Gebrüder Sponholz erhalten könne?

Antw. Außer dem mehrmals genannten, noch in Waren lebenden Boye, dem hiesigen Goldarbeiter Buttermann, dem Goldarbeiter in Altstrelitz seien ihm keine Personen mehr bekannt, die über die Sponholzsche Familie und deren Verkehr genaue Auskunft geben könnten.

Continuatum den 19. October 1827.

73) Ob der Befragte die Mutter des Jacob Sponholz noch gekannt habe?

Antw. Ja, er habe dieselbe sehr wohl gekannt, und zwar noch während 18 Jahre seiner Anwesenheit im Sponholzschen Hause.

74) Aus welcher Familie solche gewesen? Antw. Sie sei eine Tochter des Goldschmidts Pälcke in Neubrandenburg gewesen, welchen er aber nicht mehr gekannt habe.

75) Wann solche gestorben?

Antw. Wie er glaube ums J. 1783.

76) Ob er von solcher nichts über die, wie es geheißen, in Prillwitz gefundenen Alterthumsstücke gehört, und was?

Antw. Nein, die alte Frau habe sich nie hierüber gegen ihn geäußert.

77) Ob er glaube, daß die Frau zu irgend einem Betruge in Betreff solcher Alterthümer mitgewirkt habe?

Antw. Nein, das glaube er nicht, er habe sie nicht anders als eine gar rechtschaffene und brave Frau gekannt.

78) Ob er einigen Verdacht hege, daß solches der Fall von anderen von ihm vorhin genannten und gekannten Personen gewesen sei, z. B. von den Schullehrern Schüler und Bodinus, vom Landsyndicus Pistorius, dem Präpositus Genzmer, dem Dr. Hempel oder anderen, daß nämlich von solchen Alterthumsstücke für alt und ä ausgegeben, die es doch nicht gewesen, um den Gideon Sponholz oder andere damit zu hintergehen oder zu täuschen?

Antw. Niemals habe er irgend etwas gehört, gemerkt oder erfahren, das bei ihm einen solchen Verdacht hätte begründen können, vielmehr habe er alle diese genannten Herren ebenfalls nicht anders, denn als sehr rechtliche und ehrliche Männer gekannt.

79) Ob er solches von seinem Lehrherrn Jacob Sponholz glauben könne?

Antw. Auch von diesem so wenig, als von Jonathan, habe er je dergleichen bemerkt, auch glaube er es nicht.

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80) Ob er von Gideon, dem eigentlichen Sammler, solches glauben oder vermuthen könne?

Antw. Mit völliger Bestimmtheit könne er auch dieses nicht behaupten, da dieser sich mit zu vielerlei Geschäften abgegeben, er, Befragter, sich aber mehr zu seinen Berufsarbeiten gehalten und mit dem Gideon zu wenig in Verhältnissen gestanden habe, um ihn genau genug beobachten zu können. Er wolle, weil es ihm eben beifalle, noch hinzufügen, daß Gideon auch ziemlichen Verkehr mit einem Herrn v. Haacke, welcher eine Geschichte der Stadt Neubrandenburg geschrieben, die auf Gideons Kosten gedruckt sei, gehabt, wiewol es ihm nicht genau bekannt sei, was sie mit einander verhandelt hätten.

81) Was zu seiner Zeit sonst für Goldschmiede in Neubrandenburg gewesen wären?

Antw. Er habe damals als Goldschmiede in Neubrandenburg gekannt: die Herren Oesten, Fehmer, Schröder, Appel, Petschler, auch habe er nach seinem Weggange aus Neubrandenburg wol gehört, daß noch ein Goldschmidt Jacobs aus Friedland sich in Neubrandenburg gesetzt habe.

82) Und welche derselben jetzt noch lebten? Antw. Appel sei zu seiner Zeit noch gestorben; daß Schröder und Oesten auch späterhin während seiner Abwesenheit gestorben, habe er gehört; ob Petschler, Jacobs und Fehmer jetzt noch lebten, wisse er nicht genau.

83) Wie Befragter von Neubrandenburg an seinen jetzigen Wohnort gekommen?

Antw. Da mit seinem Schwiegervater die Vertragsamkeit am Ende nicht die beste geworden, so habe er sich in Neubrandenburg selbst ein kleines Haus gekauft und darin das Gewerbe des Brennens und Brauens etwa 1 1/2 Jahre lang fortgesetzt. Da solches jedoch keinen genügenden Ertrag gegeben, so sei er nach Woldeck gezogen, wo er wieder zu seinem erlernten Berufsgeschäfte gegriffen und solches während 15 Jahre daselbst geübt habe. Wie nun seine Frau Neigung zur Geburtshülfe gehabt und sich darin sehr geschickt gemacht habe, so sei solche Anfangs nach Feldberg und zuletzt nach Altstrelitz berufen, wo er sein Goldschmiedegeschäft, theils wegen Mangels an Arbeit, theils wegen geförderten Alters nicht weiter fortgesetzt habe.

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Actum Neustrelitz den 16. Juli 1828 im großherzogl. Bibliothek=Gebäude in Gegenwart des Herrn Hofraths Reinicke und des Herrn Raths Nauwerck.

Auf eine mir, dem Rath Nauwerck, zugegangene mündliche Anzeige, daß der Goldschmied Neumann in Strelitz allerdings über die Entstehung und Geschichte der zuletzt aus der Sammlung des Gideon Sponholtz in die großherzogl. Sammlung gekommenen, angeblich obotritischcn Alterthümer sichere Aufschlüsse zu geben im Stande sei, da er wohl selbst dem Gideon Sponholtz bei Anfertigung mehrerer solcher metallenen Götzenbilder, wie sie sich in der großherzogl. Sammlung vorfinden, behülflich gewesen, hatte ich, der Rath Nauwerck, mich am 14. d. M. zu dem vorgedachten Goldschmied Neumann in Altstrelitz begeben und ihn über diese Angelegenheit vorläufig befragt. Seine Erklärung ging dahin: daß er in seinen unterm 15., 17. und 19. October v. J. in Gegenwart des Herrn Hofraths Reinicke und meiner, des Raths Nauwerck, zu Protocoll gegebenen Aussagen nicht alle ihm bekannten Umstände und Nachrichten über die fraglichen Gegenstände angegeben und sich nicht so ausführlich geäußert habe, wie er dazu im Stande gewesen. Nach reiferer Ueberlegung aber habe er sich nun entschlossen, das Fehlende nachzuholen und die Wahrheit in ihrem ganzen Umfange ohne Rückhalt vorzutragen, indem er hinzusetzte, daß die zur Untersuchung dieser Sache angeordnete Commission nunmehr Alles erfahren solle.

Diesem zufolge hatten die vorgenannten Commissarien sich heute auf großherzogl. Bibliothek eingefunden und war der benannte Goldschmied Neumann zur Abgabe seiner weiteren Aussagen hierher beschieden und erschienen. Man machte ihm zuvörderst bemerklich, daß seine mehr oder mindere Mitwirkung bei den vielleicht von Sponholtz untergeschobenen Stücken der großherzogl. Sammlung ihm, dem Comparenten, bei seinem Verhältnisse zu den Gebrüdern Sponholtz und unter den Umständen, unter welchen der Gideon Sponholtz seine Hülfe bei dem Gießen von Metallfiguren in Anspruch genommen habe, von billigen Beurtheilern nicht eben zum Vorwurfe gemacht werden könne, da er nicht habe wissen können, daß Sponholtz die etwa angefertigten Bilder dereinst für ächte Alterthümer verkaufen werde; daß er aber, wenn er jetzt die etwanige Verfälschung entdeckte, auch nichts weiter thue, als wozu er nach seinem Gewissen und seiner Unterthanenpflicht, zur Ehre der Wahrheit, ohnehin verbunden sei, und deshalb nicht etwa auf Belohnung Anspruch machen könne, wenn er bereitwillig ein fremdes Verschulden an

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den Tag bringen helfe. Man erinnerte ihn zugleich, daß er seine jetzt niederzuschreibenden Aussagen um so mehr mit Besonnenheit und möglichster Genauigkeit abzugeben habe, da es vielleicht nöthig sein werde, daß er diese Aussagen demnächst noch eidlich zu erhärten habe.

Comparent trug nunmehr vor: Gideon Sponholtz habe es nicht verschmerzen können, daß sein Bruder die ererbten, von dem Superintendenten Masch beschriebenen Alterthümer aus den Händen gelassen; er habe daher gesucht, sich ähnliche zu verschaffen, um dadurch seine Sammlung von Seltenheiten zu bereichern; hiezu sei ihm der damals in Neubrandenburg ansässige Töpfer Pohl behülflich gewesen. Dieser in seinem Handwerke sehr geschickte Mann habe nämlich nach den ihm von Gideon Sponholtz vorgelegten Kupferstichen in einem Buche, welches Comparent aber nicht näher zu bezeichnen wußte, Thonmodelle angefertiget. Diese Arbeiten seien bei den Feierabends=Stunden, auch Sonntags auf dem Zimmer des Sponholtz verfertiget, ohne daß dem Pohl dafür eine Erkenntlichkeit gegeben worden. Von Zeit zu Zeit habe nun Gideon Sponholtz diese Thonfiguren, nachdem er solche gehörig getrocknet, gewöhnlich Sonntags Nachmittags, wenn der Goldschmidt Jacob Sponholtz abwesend gewesen, in die Werkstätte des letztern gebracht, und er, Comparent, habe dann die Thonmodelle in Sand, nach der gewöhnlichen Weise der Goldschmiede abformen und sodann in Metall, wozu Sponholtz alte Kupfer und Messing=Geräthe sich verschaffet habe, abgießen müssen. Auf diese Metallgüsse habe er dann ihm unbekannte Buchstaben oder Zeichen, nach den ihm von Sponholtz gegebenen Vorschriften, die ebenfalls aus dem obenerwähnten Buche genommen seien, mit dem sogenannten Schrootpunzen einschlagen müssen; hiernächst habe Sponholtz diese Metallbilder durch Borax mit grünem Rost anlaufen lassen und darauf in seiner Sammlung aufgestellt. Daß er von diesen Gegenständen schon damals etwas veräußert habe, sei ihm nicht bekannt geworden. Uebrigens seien von diesen Thonfiguren immer nur einzelne Abgüsse in Metall genommen worden, da die Sandformen nur einen Guß aushalten.

Es wurden nunmehr dem Goldschmidt Neumann die zuletzt von Sponholtz erstandenen Gegenstände im zweiten Schrank vorgezeigt und derselbe befragt, ob und welche Stücke er davon selbst gegossen habe? Er bezeichnete hierauf nachstehende Stücke als solche, von denen er sich bestimmt erinnere, selbige nach Thonmodellen gegossen zu haben. Sie sind in dem Werke des Grafen von Potocki unter folgenden Nummern abgebildet:

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ein Radegast Tab. 22, Fig. 78, 57 )
ein Othin Tab. 14, Fig. 32,
ein Othin mit einem Kopfe in der Hand Tab. 1, Fig. 1,
ein Rogeit Tab. 4, Fig. 11,
ein Razivia Tab. 15, Fig. 38,
ein Zarevit Tab. 9, Fig. 18,
eine Hela Tab. 11, Fig. 25,
ein Instrument, wie eine Pflugschaar geformt, Tab. 14, Fig. 34,
eine Metallplatte mit einer Schlange Tab. 30, Fig. 113, 58 ) eine ähnliche mit einem gekrönten Haupte Tab. 23, Fig. 84,
eine ähnliche längliche mit einer Schlange Tab. 21, Fig. 68,
eine ähnliche mit einem Radegast, woneben ein abgehauener Kopf, Tab. 16, Fig. 40,
eine ähnliche mit kleiner Figur des Radegast Tab. 21, Fig. 72.

Die übrigen in diesem Schranke befindlichen Figuren habe er mit wenigen Ausnahmen zwar alle bei Sponholtz gesehen, erinnere sich aber nicht mit Gewißheit, einige davon gemacht zu haben. Die in den Schubladen dieses Schrankes befindlichen Gegenstände habe er zwar ebenfalls bei Sponholtz gesehen, habe aber keinen Antheil an ihrer Entstehung, und halte sie alle für ächte Alterthümer.

Die in dem ersten Schrank aufbewahrten, von Masch beschriebenen Stücke seien bei seiner, des Comparenten Ankunft im Sponholtzschen Hause im J. 1765 noch in den Händen des Goldschmiedes Jacob Sponholtz gewesen, der sie wenig zum Vorschein gebracht, und er, Comparent, erinnere sich nur, einige kleine Stücke derselben an der Wand des Zimmers des Jacob Sponholtz gesehen zu haben. In dem Verlauf der folgenden Jahre seien diese Stücke in den Besitz des Hofraths Hempel gekommen, Gideon Sponholtz habe selbige nie unter Händen gehabt und habe damals überhaupt erst zu sammeln angefangen. Auch sei zu dieser Zeit der Töpfer Pohl noch gar nicht in Neubrandenburg gewesen. Er, Comparent, habe die Veräußerung dieser ersten Sammlung an den Hofrath Hempel hauptsächlich dadurch erfahren, daß Gideon sich über den Verlust derselben lebhaft be= klagt habe. 59 )


57) Dies ist der angeblich aus dem "wendischen Grabe auf dem Sponholtzschen Acker" hervorgegangene Radegast. Siehe oben.
58) Diese Metallplatte fand Potocki in der Sammlung zu Ratzeburg.
59) Auch Hartmann sagt aus: "Das Mißverhältniß der beiden Brüder Jacob und (  ...  )
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Auf die Frage, ob er, Comparent, sich erinnere, zu welcher Zeit er die aufgeführten Abgüsse verfertiget? erwiederte er: seiner Rechnung nach müsse es in den Jahren 1777 und 1778 geschehen sein.

Nach geschehener Vorlesung und Genehmigung hat der Goldschmied Neumann obiges Protocoll zum Zeichen der Anerkennung eigenhändig C. F. Neumann unterschrieben, und ist selbiges damit geschlossen worden.


Actum Strelitz den 28. October 1828 im großherzogl. Stadtgericht in Gegenwart des Herrn Raths Zander, des Herrn Bürgermeisters Rath Siemssen und des Herrn Senators Kruse, betreffend die eidliche Vernehmung des Goldschmiedes Neumann hieselbst auf den Antrag der großherzogl. Commissarien zur Ausmittelung der Aechtheit der in großherzogl. Bibliothek befindlichen obotritischen Alterthümer.

Der Goldschmied Neumann hat sich heute ladungsmäßig eingefunden, von den Herren Commissarien ist aber niemand erschienen. Der erstere erklärte auf Befragen: er heiße Christian Friedrich Neumann und sei 78 Jahre und 9 Monate alt.

Der Zweck seiner Vorladung ist ihm bereits im Allgemeinen durch den Diener mündlich bekannt gemacht und wurde ihm auch hier vor Gericht wiederholt. Sodann ist ihm das in der Anlage C. zu dem Anschreiben der großherzogl. Commission befindliche in dem Bibliothekgebäude zu Neustrelitz unter dem 16. Julii d. J. ausgenommene Protocoll wörtlich vorgelesen worden, worauf Comparent erklärt: daß seine darin gedachte Angabe die reine Wahrheit enthalte, welche er mit gutem Gewissen eidlich erhärten könne und wozu er bereit sei.

Ferner ist man mit ihm die in der Anlage B. zu jenem Schreiben enthaltenen Fragen durchgegangen, und hat er, nachdem er zuvor ermahnt worden, auch hierüber nach der reinsten Wahrheit zu antworten, so daß er auch diese Aussage eidlich zu bekräftigen vermöge, angegeben:

Fr. 1. Da sich unter den obotritischen Alterthümern auf der großherzogl. Bibliothek zu Neustrelitz mehrere Götzenbilder und andere Stücke finden, die denen von ihm, dem Neumann, gegossenen in Ansehen und Arbeit ganz ähnlich und von dem


(  ...  ) Gideon Sponholtz stammte hauptsächlich davon her, daß Gideon sagte, sein Bruder Jacob habe ihm von seinen Götzen (den Masch'schen) gestohlen und versausengert".
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Töpfer Pohl geformt zu sein scheinen, ob Befragter nicht wisse oder doch vermuthe, wer solche in Metall abgegossen habe?

Antw. Es mögen unter den unächten Gegenständen wohl noch mehrere sein, die ich selbst gegossen habe, und wenn ich sie noch mal besehe, mag ich sie auch wohl ausfündig machen können, wenngleich es schon sehr lange her ist. Ob aber noch jemand dergleichen außer mir gegossen hat, weiß ich gar nicht, und habe auch gar keine Vermuthungen darüber.

Fr. 2. Wer zu der Zeit, da Befragter im Sponholtzschen Hause nach den Formen des Töpfers Pohl gegossen, sonst noch in diesem Hause gewohnt oder sich aufgehalten habe?

Antw. Derzeit wohnte in diesem Hause niemand weiter, als die beiden Brüder Jacob und Gideon Sponholtz. Jacob war der ältere und wohnte unten, welcher die Wirthschaft besorgte, und Gideon wohnte oben. Ich bin 23 Jahre in diesem Hause gewesen, zuerst 6 Jahre als Lehrling und dann 17 Jahre als Geselle. Während dieses meines Aufenthaltes hat die Mutter von den beiden Brüdern noch 18 Jahre gelebt, und so lange diese lebte, hatte sie die Herrschaft im Hause; nach deren Tode war ich noch 5 Jahre dort. Während der ersten 9 Jahre meines Aufenthalts war noch auch ein mittlerer Bruder Jonathan Benjamin im Hause, der zwar auch die Goldschmiede=Profession gelernt, sich aber nachher als Brauer in Neubrandenburg niederließ.

Fragen des Gerichts:

  1. Ob zu der Zeit, als er, Comparent, die Götzenbilder gegossen, der Brauer Sponholtz noch im Hause gewesen sei? - Antw. Nein.
  2. ob die Mutter derzeit noch gelebt habe? - Antw. Das weiß ich nicht mehr.
  3. ob etwa der Brauer Sponholtz, da er doch auch die Profession gelernt, auch dergleichen Bilder gegossen habe? - Antw. Nein, der bekümmerte sich darum gar nicht.
  4. wie lange er darauf gegossen? - Antw. Das kann ich auch nicht sagen.

Fr. 3. Welche Gesellen, Lehrburschen, Dienstmädchen, Aufwärter oder sonstige Personen?

Antw. Gesellen waren weiter niemand als ich; der hiesige Goldschmied Völcker ist als Lehrling im Hause gewesen; es kann auch möglich sein, daß es gerade zu der Zeit war, aber er hat nichts davon gewußt. Ein Dienstmädchen war daselbst; ich weiß aber nicht mehr, welches zu dieser Zeit. Sonstige Aufwärter und andere Personen waren im Hause gar nicht.

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Fr. 4. Ob keine von diesen Personen von seinem Metallgießen der Pohlschen Thonbilder etwas gemerkt?

Antw. Nein, kein Mensch.

Fr. 5. Ob er selbst diesen Personen in oder andern außer dem Sponholtzschen Hause etwas davon vertraut oder merken lassen?

Antw. Ich habe auch niemand etwas davon gesagt, außer seit ich jetzt darüber von dem Herrn Hofrath Reinicke und dem Herrn Rath Nauwerck darüber vernommen worden bin. Der Gideon Sponholtz hat mir versprochen, er wolle ein Haus kaufen und ich solle bei ihm einziehen, aber ich solle ihm auch zuschwören, daß ich an niemand von dem Abgießen dieser Bilder etwas sagen wolle, und solches habe ich ihm derzeit auch versprochen.

Fr. 6. Ob er wisse oder glaube, daß der Töpfer Pohl solches gethan habe?

Antw. Das weiß ich nicht, und kann nichts darüber sagen.

Fr. 7. Ob das Metallgießen auch zuweilen wohl außer dem Sponholtzschen Hause geschehen sei?

Antw. Nein, so viel ich weiß, nicht.

Fr. 8. Ob der Gelbgießer Wurm in Neubrandenburg auch Metallbilder nach Pohlschen Formen für Gideon Sponholtz gegossen habe?

Antw. Das weiß ich auch nicht.

Fr. 9. Wo der Töpfer Pohl seine Thonfiguren gemacht habe?

Antw. Manchmal machte er sie bei dem Gideon Sponholtz auf dem Boden, manchmal auch in seinem, des Pohl, Hause, wo sie nun grade zusammen waren.

Fr. 10. Wo derselbe solche erhärtet und gebrannt?

Antw. Das kann ich auch nicht sagen; wenn ich die Formen kriegte, waren sie getrocknet, aber gebrannt waren sie gar nicht.

Fr. 11. Wer dem Pohl zu den in Thon geformten Götzenbildern und andern Stücken Anleitung gegeben?

Antw. Das weiß ich auch nicht anders, als Sponholtz, der das Buch vom Superintendent Masch hatte.

Fr. 12. Wo die vom Töpfer Pohl gemachten Thonfiguren nach dem Metallabgusse geblieben und hingekommen?

Antw. Die sind entzweigeschmissen, weil sie nicht weiter gebraucht wurden.

Fr. 13. Ob von solchen wohl noch etwas vorhanden sei, und wo?

Antw. Nein, diese sind lange alle weg.

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Fr. 14. Ob Pohl selbst oder Gideon Sponholtz diese Figuren des Pohl zerbrochen und vernichtet?

Antw. Das weiß ich auch nicht, wer das gethan hat.

Fr. 15. Da sowohl in hiesigen Gegenden, als auch in der Ferne, z. B. in Rostock und an andern Orten, schon seit vielen Jahren die Rede gegangen, daß manche Götzenbilder und andere Stücke in der großherzogl. Sammlung der obotritischen Alterthümer nicht ächt und in der Erde gefunden, sondern von Gideon Sponholtz oder dessen Gehülfen gemacht seien: wie Befragter es sich erklären könne, daß solche Gerüchte und Reden entstanden, wenn nicht einer oder der andere Theilhaber an solchen Arbeiten geplaudert habe?

Antw. Darüber weiß ich nichts anzugeben. Ich habe zuerst vom Herrn Hofrath Reinicke erfahren, daß ein Professor aus Berlin hier gewesen und sie für unächt erklärt habe.

Fr. 16. Wer sonst, außer ihm, dem Befragten, dem Töpfer Pohl und Gideon Sponholtz, noch von dem vorgeblichen Geheimniß des Thonfigurenbildens und dessen Metallabgießens etwas gewußt habe oder habe wissen können?

Antw. Ich weiß gar nicht, daß außer uns Dreien jemand darum gewußt hat; der Jacob Sponholtz hat zwar auch die Thonformen gesehen und mit seinem Bruder Gideon Sponholtz darüber gescholten, was er mit den alten Dingern machen wolle, aber weiter und wozu sie gebraucht werden sollten, hat er auch nicht gewußt.

Fr. 17. Wenn sonst noch jemand, wer oder welche Personen es gewesen?

(Ist auf die Antwort auf vorstehende Frage 16 Bezug zu nehmen.)

Fragen des Gerichts:

  1. Ob er, Comparent, als Geselle eigentlich bei Jacob Sponholtz in Arbeit gewesen? - Antw. Ja.
  2. ob dieser ihn nie darnach gefragt, oder mit ihm darüber geredet habe, als er die fraglichen Abgüsse gemacht, was er betreibe? - Antw. Nein, das hat er nie gethan.

Fr. 18. Ob er wisse oder glaube, daß seiner, des Befragten, Frau, die im Sponholtzschen Hause in Diensten gestanden, etwas von den hier in Frage stehenden Gegenständen bekannt geworden, und wie und was?

Antw. Nein, als meine Frau dahin kam, war es in den beiden letzten Jahren, wie ich da war, und da war diese Geschichte schon lange vergessen.

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Fr. 19. Ob ihm von dem Bilden der Thonfiguren des Töpfers Pohl aus dem Abgießen derselben in Metall in oder außer dem Sponholtzschen Hause, und von den auf solche Metallbilder eingegrabenen Schriften noch weiter etwas bekannt sei, als was er in dem ihm vorgelesenen Protocoll vom 16. Julii d. J. und auf die ihm so eben vorgelegten Fragen ausgesagt und angegeben habe, und was?

Antw. Nein, davon weiß ich weiter nichts. Nach geschehener Vorlesung und Genehmigung dieses Protocolls erklärt Comparent wieder, daß er auch diese Aussagen beschwören könne, und ist der Gerichtsdiener Jonas substituirt, diese Eidesleistung anzusehen, worauf der Neumann nachstehenden Eid:

Ich Christian Friedrich Neumann schwöre zu Gott dem Allmächtigen, daß ich bei meiner Vernehmung sowohl in Neustrelitz als heute hieselbst die rechte lautere Wahrheit, niemand zu Lieb oder zu Leide, ohne Vermischung einiger Falschheit ausgesaget habe, und dies nicht unterlassen weder aus Freundschaft, Feindschaft, Gunst, Haß, Neid, Gabe oder Nutzen, noch sonst anderer Ursachen wegen, wie Menschensinn erdenken mag: so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort -

nach vorgängiger Verwarnung vor dem Meineide, körperlich, nämlich unter Aufhebung des Daumens und der beiden Vorderfinger der rechten Hand, durch wörtliches Nachsprechen der ihm vorgesagten Eidesformel geleistet hat, womit geschlossen.


Actum Neustrelitz den 10. August 1829 im großherzoglichen Bibliothekgebäude in Gegenwart des Herrn Hofraths Reinicke und des Herrn Raths Nauwerck, als allerhöchst bestellter Commissarien.

Obgleich der alte Goldschmied Neumann aus Strelitz seine unterm 16. Julii v. J. zu Protocoll gegebene verbesserte Erklärung unterm 28. October desselben Jahres nebst commissarischer Seits sowohl, als gerichtlich zugefügten Ergänzungsfragen und Antworten vor dem Strelitzschen großherzogl. Stadtgerichte eidlich bestärkt hatte, womit man damals, wegen des Deponenten hohen Alters und sich damit verbunden habenden nicht ungefährlichen Krankheit eilen zu müssen glaubte, so hat man doch für nöthig erachtet, ihn noch einmal einzuladen, weil man Stücke vorfand, die er zwar im erwähnten Protocoll vom 16. Julii v. J. speciell als sein Gußwerk nicht anerkannt hatte, die aber Formen trugen,

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welche mit andern von ihm anerkannten nicht nur Aehnlichkeit, sondern völlige Gleichheit hatten. Da sich der alte Neumann schon früher und im gerichtlichen Verhör auf seine Unbesinnlichkeit wegen so lange verflossener Zeit berufen hatte, so glaubte man, daß eine wiederholte Ansicht ihm vielleicht doch eins oder das andere ins Gedächniß zurückrufen würde. Man zeigte ihm z. B. eine Schale mit einem Rabenkopf, welcher Kopf mit dem Rabenkopfe auf dem Standbilde Othins von völlig gleicher Form schien. Bei genauerer Ansicht gestand er denn auch, daß er dagegen nichts einwenden könne und er höchst wahrscheinlich die Schale auch gemacht habe; so wie er denn zugleich nach einer noch einmaligen ganz genauen Musterung der im obern Theile des zweiten Schranks befindlichen Alterthumsstücke, zwar mit erneuerter Berufung auf sein durch Zeit und Alter geschwächtes Gedächtniß, doch hinzufügte, daß er nach seiner Kunde des Metalls sowohl als dem äußerlichen, Grünspan ähnlichen Roste, welcher nach des Deponenten Aussage durch Borax bewirkt sei, so wie auch nach den von ihm mit dem Punzen darauf geschlagenen Buchstaben, es für höchst wahrscheinlich halte, daß wohl die meisten dieser Alterthumsstücke mit den von ihm gegossenen gleich falschen Ursprung haben, ja sogar wohl von ihm selbst gemacht sein möchten. Indessen fanden sich doch auch einige, wiewohl verhältnißmäßig wenige Stücke, von denen der Neumann mit Bestimmtheit behauptete, sie nicht gegossen zu haben und sie daher für ächt halten zu müssen.

Zum Ueberfluß wurde ihm nun auch noch einmal der erste Schrank, die von Masch beschriebenen Stücke enthaltend, vorgezeigt, um seine Meinung darüber zu hören. Er wiederholte, wie schon vormals, daß er diese Stücke vorher nie mit Augen gesehen, und fügte noch hinzu, daß er an allen diesen Stücken nichts wahrzunehmen vermöge, was ihm einen Anschein ähnlicher Entstehung, wie der von ihm im zweiten Schrank gegossenen, gebe.

Nach geschehener Vorlesung und Genehmigung hat Deponent dieses Protocoll eigenhändig C. F. Neumann unterschrieben und ist damit geschlossen.


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Anlage B.

Schlußbericht der Untersuchungs=Commission.

Allerdurchlauchtigster Großherzog,
Allergnädigster Großherzog und Herr!

Von Anfang an der Bekanntwerdung der hier bei der Großherzogl. Bibliothek jetzt aufbewahrten obotritischen Alterthümer, scheint ein Geist des Widerspruchs über solche gewaltet zu haben. Ruhte er auch eine Zeitlang, so regte er sich doch von Zeit zu Zeit wieder, wovon sich die Spuren bis in die neueste Zeit gezeigt haben. Der Erstunterzeichnete hat es an Bemühungen nicht fehlen lassen, auf den Grund des Zweifels an die Echtheit der Sammlung zu kommen. Es ist ihm nicht nach Wunsch gelungen. Die Zweifler schienen damit nicht recht dreist hervorgehen zu wollen. Man muß aber hierbei unterscheiden. Die Sammlung enthält ganz gewiß eine große Menge völlig echter Stücke, die es sowohl historisch, als ihrer Eigenschaft nach sind, um so mehr da sich dergleichen auch in andern ähnlichen Sammlungen vorfinden, und allgemein für echt anerkannt werden. Die Hauptfache betrifft besonders die mit Runenschriften bezeichneten Götzenbilder, da unser Vaterland im alleinigen Besitz derselben ist und sich bis jetzt, was zu bedauern ist, nirgend solche oder ähnliche vorgefunden haben.

Im Herbst des Jahres 1825 kam der durch Gelehrsamkeit, und vorzüglich durch Alterthumskunde rühmlichst ausgezeichnete Professor Levezow hieher und widmete mehrere Wochen der genauen Untersuchung der hiesigen Sammlung.

Es bedarf eben keines gar scharfen Auges, um zwischen den Götzenbildern, Opfergeräthen etc. . der sogenannten Mascheschen Sammlung im ersten Schranke und den später hinzugekommenen, vom Grafen Potocki schon früher, als sie noch im Sponholzischen Besitz waren, abgebildeten und beschriebenen im zweite Schranke einen auffallenden Unterschied zu bemerken, der sich sowohl im Styl der Bildung und im Metallgehalt, als auch im Ausdruck, in der ganzen äußern Gattung, in den zwar nicht unrichtigen,

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aber doch anders beschaffenen Runenschriften, wie auch in dem bekannten edlen Rost (aerugo nobifis, patine) zeigt, worauf Erstunterzeichneter auch immer alle diejenigen, welche diese Alterthümer unter seiner Vorzeigung sahen, aufmerksam gemacht hat. Der Herr Professor Levezow war hiermit ebenfalls gleich einverstanden. Dies schien jedoch kein ausreichender Grund zur Anklage und Verurtheilung der letztern Sammlung zu sein, da die Möglichkeit ihrer Entstehung in einer andern, vielleicht spätern Zeit nicht geradehin und ohne trifftige Gründe konnte abgeläugnet werden. Herr Professor Levezow setzte seine Untersuchungen fleißig und ununterbrochen fort und war überdem mit manchen gedruckten und handschriftlichen Hülfsmitteln früherer Zeiten von deren Besitzern hier im Lande unterstützt worden. Fanden sich nun zwar für diesen Kenner hie und da Bedenklichkeiten, so reichten solche doch bei weitem zu einem kräftigen Angriff, weniger noch zu einer bestimmten Entscheidung nicht aus. Als Herr Professor Levezow bei seiner Rückkunft nach Berlin diesen Gegenstand durch eine Vorlesung in einer gelehrten Gesellschaft berührte, so wurde ihm von einem ehemals in Rostock angestellten, nachher aber nach Berlin berufenen Gelehrten darüber ein freundschaftlicher Vorwurf gemacht, mit der Beifügung, daß diese Sache als ausgemacht bedeutungslos und auf Täuschung und Unterschiebung beruhend, keine Aufmerksamkeit weiter verdiene. Jener Gelehrte schien jedoch dieses Urtheil nur als auf eine allgemeine Sage sich stützend angenommen zu haben, ohne besondere Gründe dieser seiner Aeusserung angeben zu können.

Dem gründlichen Forscher aber war nun um so mehr daran gelegen, da sich ohnehin wieder Stimmen für und gegen diesen Gegenstand im Publikum hören ließen, so viel jetzt noch möglich eine förmliche und genaue Untersuchung durch Abhörung solcher Zeugen und Menschen, die mit den vorigen Besitzern dieser Alterthümer in Beziehung gestanden hatten, anzustellen. Er schlug zu dem Ende eine höchsten Orts zu ernennende Commission vor, welche auf demnächstigen allerunterthänigsten Antrag auch sofort allergnädigst, nach dem Wunsche des Herrn Professors Levezow in den beiden Unterzeichneten bestellt wurde.

Mir, dem Hofrath Reinicke, zeigte sich bald, daß der Rath Nauwerk den oben erwähnten Abstich und Unterschied beider Sammlungen sehr lebhaft auffaßte, sich auch geradehin äußerte, daß nach seiner Ansicht, wenn unerwünschte Aufklärungen erfolgen möchten, solche wohl vorzüglich nicht zu Gunsten der zweiten Sammlung ausfallen dürften, während der Erstgenannte seinen alten patriotischen Glauben an die Echtheit des Ganzen noch gerne festhalten wollte, und zwar aus folgenden Gründen:

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1) waren ihm während der Jahrreihe seiner geführten Aufsicht, seines Forschens und oft gemachter Anregungen ungeachtet, doch keine stichhaltige Gründe für das Gegenteil vorgekommen;

2) waren bisher, weder in der Bildung der Götzen und ihren Attributen oder Beizeichen, noch in den Runenschriften Widersprüche unter sich, noch mit den bekannten nordischen und skandinavischen Mythologien zu entdecken gewesen, im Gegentheil schien alles aus denselben ungezwungen sich erklären zu lassen, und mit solchen in Uebereinstimmung zu stehen;

3) hatte der Graf Potocki, ein Mann, der sich durch Herausgabe mehrerer Werke als einen feinen Gelehrten rühmlich bekannt gemacht hatte, in seinem Werke und zwar ganz besonders über den zweiten Theil der Sammlung, der damals noch im Besitz des Gideon Sponholz war, gar keinen Zweifel über die Echtheit derselben geäußert;

4) auch der fast ganz Europa durchwandert habende nordische Alterthumsforscher Martin Friedrich Arendt, der im Jahre 1819 mehrere Wochen sich mit der Untersuchung dieser Alterthümer mit ausgezeichnetem Fleiße hier beschäftigt hatte, und in diesem Fache wohl als ein competenter Richter angesehen werden mochte, hatte weder hier mündlich oder schriftlich, noch nachher irgend nur einen Gedanken oder eine Vermuthung über Unechtheit derselben geäussert;

5) eben so wenig hatte Referent während der Zeit von 14 Jahren, in welchen derselbe schaulustigen Fremden und Einheimischen diese Alterthümer vorgezeigt hatte, worunter, wie das von ihm angelegte Fremdenbuch nachweisen kann, gelehrte und kenntnißreiche Männer waren, auch nur einen Einzigen gefunden, der freimüthig gegründete Zweifel gegen die Echtheit des Ganzen oder gegen einzelne Stücke vorgebracht hätte;

6) so hatten auch die spätern mühsamen Untersuchungen selbst des Herrn Professors Levezow im Herbst des Jahres 1825 keine der Sammlung nachtheilige Entscheidung bewirken können;

7) sollte ja mit Hinsicht auf die zuletzt abgegebene Sponholzsche Sammlung eine Verfälschung haben Statt finden können; so hätte solches nur durch die Gebrüder Sponholz und etwanige Gehülfen derselben geschehen können, welches aber deshalb nicht glaublich war, weil diesen Männern, nach dem Ausspruch aller derjenigen, welche sie gekannt haben, die dazu nöthige Fähigkeit und Kenntniß abging, vorzüglich dem Jüngsten, Gideon, als besondern und eigentlichen Jahaber und fortwährenden Vermehrer seines Cabinets, der als ein verhätscheltes Muttersöhnchen, der Schule frühe entweichend, weder in solcher noch nachher irgend etwas Nützliches gelernt hatte, und welchen Erstunterzeichneter in

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seiner letzten Schulzeit zu Neubrandenburg persönlich gar wohl und aus eigner Erfahrung zwar als einen, Schlauheit und Ueberlistung zum Besten seiner Sammlung nicht schonenden, übrigens aber auch als einen ganz kenntnißlosen und rohen empirischen Sammler gekannt hat. 60 )

Hiergegen ist nun allerdings nicht zu läugnen, daß das Ursprüngliche, Geschichtliche, Urkundliche und unabweislich Beglaubende schon bei der Mascheschen Ausmittelung und Beschreibung der ersten Sammlung sehr vernachläßigt worden, um so mehr, als damals noch manche Personen lebten, die bessere Auskunft, als geschehen, geben konnten; mehr aber war dies noch nöthig bei Uebernahme der zweiten Sammlung der Sponholzischen Götzenbilder, Geräthe etc. ., wo man zu freigebig mit gutem Glauben verfuhr und ohne specielle Nachweisung sich mit des Besitzers allgemeinen Versicherungen, diese Sachen seyen bei seinen oftmaligen Ausgrabungen und Umwühlungen des Neubrandenburger Feldes und dessen Umgegend aufgefunden worden, zufrieden stellen ließ, welches um so weniger hätte genügen sollen, da sowohl damals, als selbst bis jetzt keine einzige Sammlung vorhanden ist, die slavische oder skandinavische Götzenbilder aufzuweisen hat, am allerwenigsten solche oder Opfergeräthe etc. . gar mit Runenschrift versehen.

Abgesehen jedoch hiervon lag es nun der Commission ob, nach höchster Vorschrift dem vorgesteckten Ziele entgegen zu streben und zu bewirken, was jetzt noch möglich war. Es glückte ihr auch, mehrere Personen auszumitteln, welche mit den Brüdern Sponholz in zum Theil enger Verbindung gestanden hatten und selbst mehrjährige Hausgenossen derselben gewesen waren. Dahin gehören:

der hiesige Goldschmied Buttermann,
der Goldschmied Neumann in Strelitz,
der Goldschmied Völcker ebendaselbst,
der Bürger Boie in Wahren,
der Bürger Wurm im Wesenberg.

Nachdem nun der hiesige Notar Gundlach als Protocollführer angenommen war, eröffnete die Commission in der Nähe der Alterthümer in einem Zimmer des Bibliothek=Gebäudes ihre Sitzungen und die Vorgenannten Personen wurden der Reihe nach vorgeladen und ihre Aussagen schriftlich aufgenommen.


60) Als A. F. Reinicke sich als Advocat bereits in Neustrelitz niedergelassen hatte, schrieb er im J. 1775 in Gideons Stammbuch: "Seyd gelinde und erbarmungsvoll gegen die Fehler und Vergehungen, die unsrer cörperlichen Konstitution zuzuschreiben sind, und leget den Tugenden, die aus eben dieser Quelle fließen, kein zu großes Lob bey!" Von seiner Hand befinden sich auch in diesem Stammbuche zwei gelungene Federzeichnungen.
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Die daher entstandenen Abhörungs=Verhandlungen fügen wir hier allerunterthänigst an und zwar, unter

A. die Abhörungen von etc. . Buttermann vom 26. Septbr., 1. 3. 4. 5. 7. October 1827 auf 75 Seiten ;
B. die von etc. . Neumann vom 15. 17. und 19. Oct. desselben Jahres auf 62 Seiten;
C. die von etc. . Völcker vom 22. und 24. Octbr. dess. J. auf 47 Seiten;
D. die von etc. . Boie vom 30. und 31. Octbr. und vom 1. Novbr. dess. J. auf 56 Seiten;
E. die von etc. . Wurm vom 5. Mai 1828 auf 6 Seiten

Bis hieher hatte sich über den Hauptzweck der Commission, die Ermittelung irgend einer vorsätzlichen Täuschung oder Verfälschung, eben noch nichts Entscheidendes in diesen Abhörungen vorgefunden, außer daß der Goldschmied Neumann im Protocoll vom 17. October S. 22 und 23 ausgesagt hatte, er habe auf Verlangen des Gideon Sponholz auf metallene Puppen mit einem Schrootpunzen Buchstaben eingehauen, welches allerdings auffallen mußte, wiewohl sich daraus noch weiter nichts Besonders wollte und konnte machen lassen.

Allein im Monat July 1828 kam mir, dem Rath Nauwerk unter der Hand die Nachricht zu, daß der alte Goldschmied Neumann über die Entstehung und Geschichte der zuletzt aus der Sammlung des Gideon Sponholz in die Großherzogliche Sammlung gekommenen obotritischen Alterthümer bedeutende und bessere Aufschlüsse, als vorher von ihm geschehen, zu geben im Stande sey, weswegen ich mich denn auch sofort am 14. July zu ihm begab und mündlich von ihm das Geständniß erhielt, daß er sich nun eines bessern besonnen und entschlossen sey, der Commission alles, was er wisse, zu offenbaren. Diesemnach wurde er aufs neue vorgeladen und am 16. desselben Monats wiederholt vernommen, da sich denn ergab, wie er nach den von dem Töpfer Pohl in Neubrandenburg angefertigten Modellen viele Götzenbilder etc. ., die von Polocki angeführt sind, auf Verlangen des Gideon Sponholz in Metall abgegossen habe, wie solches nach Bezeichnung der von Potocki angeführten Stücke im Protocoll selbst einzeln sich angegeben findet.

Um nun diesem Geständnisse das gehörige Gewicht und die möglichste Glaubwürdigkeit zu geben, entschloß sich die Commission, diese Aussagen gerichtlich eidlich bestätigen zu lassen und zwar um so eher, da man das Alter des Deponenten in Betracht zog, der obenein damals von einer vielleicht nicht unge=

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fährlichen Unpäßlichkeit befallen war. Dies findet sich in dem Convolut der gerichtlichen Verhandlungen vor dem Großherzogl. Stadtgerichte in Strelitz im October und November 1828 unter

F. , enthaltend:

  1. Ein Anschreiben der Commission an das Strelitzer Stadtgericht, nebst beglaubter Abschrift des hohen
  2. Commissorii, und noch hinzugefügten, dem Neumann zur Beantwortung vorzulegenden Fragen;
  3. dem Protocoll mit der Aussage des Neumann vom 16. July 1828;
  4. die Einladung des Gerichts zur Vernehmlassung und Beeidigung des Neumann;
  5. Mittheilung des über diesen Gegenstand abgehaltenen gerichtlichen Protocolls vom 28. October 1828.

Da der vor dem Gericht befragte Neumann auf die erste demselben mitgetheilte Frage Seite 2 die Antwort gegeben hatte: "es möchten unter den erwähnten Gegenständen, wohl noch mehrere seyn, die er selbst gegossen habe, und wenn er sie noch einmal sähe, wohl ausfindig machen könnte"; so gab dies der Commission Veranlassung, den alten Neumann noch einmal vorladen zu lassen und ihn zur recht genauen An= und Uebersicht des Ganzen und der einzelnen Stücke zu ermuntern. Das Ergebniß der Verhandlungen dieses Tages findet sich unter

G. dem Protocoll vom 10. August dieses Jahres.

Hiernach möchten nun freilich von den Götzenbildern der zweiten Sammlung wohl nicht viele übrig bleiben, die für echt anzuerkennen wären und eben dieses möchte auch wohl von den meisten Geräthen im zweiten obern Schranke gelten, wogegen sich sowohl in den kleinern, als in den großen Schubladen eben dieses Schranks viele Stücke finden, deren Echtheit gar nicht zu verkennen ist, um so mehr, da sich eben solche oder ihnen ganz ähnliche auch in anderen Sammlungen finden und dort als echte Alterthumsstücke anerkannt sind.

So sehr nun auch die zweite Sammlung durch diese Ausmittelung an Werth und Achtung verloren hat, so ist es dagegen um so erfreulicher für den Vaterlandsfreund, daß es mit der ersten oder Mascheschen Sammlung völlig beim Alten geblieben ist und solche durch diese letztem Untersuchungen wenigstens weder Flecken noch Tadel erlitten hat. Sollten wir über diesen Gegenstand noch mehrere und nähere Umbände auszumitteln Gelegen=

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heit finden, so werden wir nicht ermangeln, solches pflichtschuldigst nachträglich einzureichen.

Schließend erlauben wir uns noch die allerunterthänigste Anfrage, ob Ew. Königl. Hoheit nicht geruhen wollen, diesen Bericht, nebst beigefügten Anlagen nach genügendem Gebrauch dem Herrn Professor Levezow in Berlin, der mit mühsamen Fleiß und Aufwendung von Zeit und Kosten sich der Untersuchung der hiesigen Alterthümer gewidmet hat, und sehr wünscht mit seiner Ansicht derselben, so viel möglich aufs Reine zu kommen, allergnädigst unter Bedingung der Rücksendung nach vollendeter Einsicht mittheilen zu lassen?

In der tiefsten Verehrung verharren wir

Ew. Königlichen Hoheit

allerunterthänigst treu gehorsamste
A. F. Reinicke.   L. Nauwerck.   

Neustrelitz den 3. October 1829.

Allerunterthänigster Bericht
des
Hofraths Reinicke und des Raths
Nauwerck zu Neustrelitz, als aller=
höchst ernannten Commissarien
mit Anlagen zur näheren Beleuchtung der
unter obotritischen Alterthümer.
     A. B. C. D. E.        
F. und G.

 

Vignette
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Inhalt:

B.

Jahrbücher

für

Alterthumskunde

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I. Zur Alterthumskunde

im engeren Sinne.


1. Vorchristliche Zeit.

a. Zeit der Hünengräber.


Alte Begräbnißplätze von Dreveskirchen.

Nachtrag zu Jahrb. XVII, S. 368 flgd.

Die interessante Vertheilung der Alterthümer auf der Feldmark Dreveskirchen bei Wismar, welche in den Jahrb. a. a. O. geschildert ist, läßt sich durch die Bemühungen und Entdeckungen des Herrn Koch auf Dreveskirchen noch weiter führen, indem auch noch eine Wohnstätte aus der Steinperiode entdeckt ist.

1. Alterthümer aus der Steinzeit.

Auf dem Felde von Dreveskirchen dehnt sich in südwestlicher Richtung von dem Hofe, nach Dahmkow hin, eine kleine Hügelreihe aus, nicht weit, ungefähr 1500 Schritte, vom Gestade der Ostsee entfernt; das Ackerstück heißt der Klingenberg.

Beim Drainiren des Feldes fand nun Herr Koch, ungefähr in der Mitte zwischen Dreveskirchen und Dahmkow, die Scherben eines sehr grobkörnigen thönernen Gefäßes von birnenförmiger Gestalt, im Aeußern sehr rauh und auf dem Bauchrande noch nicht mit geschlämmtem Thon überzogen, nach den Schwingungen der Linien und den stark hervorragenden, ausgeschnittenen Knoten oder Buckeln, welche auf dem Bauchrande unter dem Halse umher stehen, der Steinperiode angehörend.

Auf derselben Hügelkette, mehr nördlich, fand Herr Koch beim Drainiren wieder Scherben eines thönernen Gefäßes und hart gedörrte, gerade geformte Lehmklumpen, mit Asche und Kohlenstaub vermengt, wie Stücke von menschlichen Wohnungen, der Thonbekleidung der "Klemstaken" ähnlich, jedoch ohne Stroheindrücke.

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Auffallend ist es, daß an beiden Stellen die Ueberreste des Alterthums fast 4 Fuß tief in nassem Lehm gefunden wurden, während doch die alten Gräber immer auf der Erdoberfläche aufgeschüttet wurden. Ohne Zweifel sind dies nicht Ueberreste von Gräbern, sondern Ueberreste von menschlichen Wohnungen aus der Steinperiode, verschüttete Höhlen oder Gruben, aus deren Anlage sich wohl schließen lassen dürfte, daß zur Steinzeit die Wohnungen der Menschen zum Theile aus Höhlen bestanden, über denen vielleicht ein Dach errichtet war. Auch scheinen hiefür die gefundenen Ueberreste der Gefäße zu sprechen, welche einen andern Charakter haben, als die Grabgefäße.

Daß diese Gegend zur Steinzeit bewohnt war, dafür redet der Umstand, daß von dem Herrn Koch auf derselben Hügelkette mehrere Steinalterthümer gefunden sind, welche derselbe dem Vereine zum Geschenke übersandt hat, nämlich:

1) ein Keil aus dunkelgrauem Feuerstein,

2) ein Keil aus weißem Feuerstein,

beide 4 1/2" lang und an der Schneide und an den Kanten vielfach ausgebrochen, gefunden auf derselben Hügelkette, mehr nördlich von den Ueberresten der Wohnstätten;

3) ein roh zugehauener Feuersteinblock zu einem Dolche, gegen 9" lang und 4" breit in der Mitte, mit sehr fester Hand in regelmäßigen Umrissen bearbeitet, ein schönes, seltenes Stück, gefunden ebendaselbst;

4) ein roh zugehauener Feuersteinblock zu einer Lanzenspitze, etwas roher zugehauen, als der so eben erwähnte, gegen 7" lang und 3" breit in der Mitte, gefunden ebendaselbst;

5) ein dicker Feuersteinspan, 4" lang, an den Kanten überall und viel ausgebrochen und offenbar gebraucht, gefunden ebendaselbst.

Früher sind dort schon Alterthümer gefunden, namentlich

ein schöner Schleifstein aus sogenanntem "alten rothen Sandstein" zum Schleifen der Feuersteingeräthe (vgl. Jahrb. XVII, S. 365), so wie

mehrere Keile und

viele Feuersteinspäne (vgl. Jahrb. XVIII, S. 231).

Auch eine Streitaxt, aus einem Bruchstücke einer größern gemacht, ward zu Dreveskirchen gefunden (vgl. Jabrb. daselbst S. 238).

2. Alterthümer aus der Bronzezeit.

Der (germanische) Begräbnißplatz auf der Höhe des Berges südlich von den Tagelöhnerwohnungen in den Tannen hat mehrere

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Kegelgräber aus der Bronzezeit (vgl. Jahrb. a. a. O. S. 368). Der Herr Koch deckte im J. 1853 wieder eines dieser Gräber auf. Das Grab lag ungefähr 600 Schritte von der Kirche. In demselben war eine länglich runde Steinkiste von ungefähr 1' 9" Länge und 1' Weite und Höhe. In der Steinkiste fanden sich keine Spuren von Urnen und Scherben, jedoch die zerbrannten Knochen eines menschlichen Gerippes, dessen Schädelbeine nicht sehr dick sind.

Außerdem lagen in der Kiste einige interessante Alterthümer aus Bronze:

1) ein Schwert mit Griffzunge, mit edlem Roste bedeckt, im Ganzen 2 1/2' lang, in der Klinge 2' 2 1/2", in dem Griffe 3 1/2" lang; die Klinge ist in 4 Stücke zerbrochen und hat in diesen Stücken oxydirte Bruchenden; die äußerste Spitze, welche nach dem oxydirten Bruchende beim Einlegen abgebrochen war, fehlt. Die Griffzunge hat 4 Nietlöcher in der Mitte, und 4 Nietlöcher sind oben in der Klinge; es wurden auch noch 4 Niete aufgefunden, von denen 3 längere wohl zum Griffe, das 4te kürzere wohl zur Klinge gehört haben. Neben dem Schwerte fanden sich viele, vom Oxyd grün gefärbte Holzstückchen, welche ohne Zweifel die Bekleidung der Griffzunge gebildet haben.

Ferner fand sich:

2) eine Heftel mit zwei Spiralplatten, zerbrochen, sehr klein, gegen 3" lang.

3. Wendischer Wohnort.

In dem Raume zwischen den Katenwohnungen und den Hofgebäuden, unterhalb der wendischen Begräbnißstätte, wurden ungefähr 1 1/2' tief unter der Oberfläche mehrere alterthümliche Ueberreste gefunden: viele schwarz gebrannte kleine Steine, Gefäßscherben und Thierknochen. Nach den Gefäßscherben gehören diese Reste ohne Zweifel der wendischen Zeit und einem Wohnorte an.

G. C. F. Lisch.     

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Streitaxt aus Hirschhorn von Plenin.

Im Sommer 1853 ward zu Plenin, in Pommern an der Reknitz, Marlow gegenüber, im Torfmoore beim Torfstechen eine Streitaxt aus dem untern Ende eines Hirschhorns gefunden und dem Vereine von dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow geschenkt, welcher sie von dem Herrn von Hertell auf Plenin

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Zum Geschenke erhalten hatte. Die Art hat ein viereckiges Schaftloch und ist nur kurz, 5 1/2" lang, dem Anscheine nach in alter Zeit an der Spitze abgebrochen und neu wieder geschärft.

G. C. F. Lisch.     

Ein Feuersteindolch

von grauem Feuerstein, 9 " lang, von seltener Größe, gefunden zwischen Schwerin und Wismar in einer Mergelgrube, geschenkt von dem Herrn Seifensieder Brunnengräber zu Schwerin.

Dolch von Gr. Roge.

Zu Gr. Roge bei Teterow ward in einem Moore ein Dolch aus Feuerstein, 8" lang, mit viereckigem Griffe gefunden und von dem Herrn Ingenieur C. Beyer dem Vereine geschenkt. Die ganze Oberfläche des Dolches hat eine weiße Farbe, wie häufig die Feuersteingeräthe, welche lange im Wasser gelegen haben.

Lanzenspitze von Cambs.

Im Spätsommer 1850 wurden auf der Feldmark des Hofes Cambs, D. A. Schwaan, beim Steinbrechen, also wahrscheinlich in einem Grabe, zwei schön gearbeitete Lanzenspitzen aus grauem Feuerstein, jede 7" lang und 2" und 1 1/4" breit, gefunden und von dem Herrn Bürgermeister Daniel zu Schwaan erworben und dem Vereine geschenkt.

Lanzenspitze von Kaninchenwerder

bei Schwerin, aus grauem Feuerstein, 5" lang, erst roh zugehauen, gefunden und geschenkt von dem Herrn Hofschlosser Duve zu Schwerin. Vgl. Jahr. XVIII, S. 229.

Roher Feuersteinblock von Doberan,

offensichtlich zu einem Keil bestimmt, erst an den beiden Seiten zugehauen, gefunden zu Doberan, geschenkt von dem Herrn Gastwirth Glöde zu Doberan.

Keil von Mittel=Wendorf,

aus bräunlichem Feuerstein, gefunden zu Mittel=Wendorf bei Wismar, geschenkt von dem Herrn Haupt zu Tressow.

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Keil von Miekenhagen,

aus Feuerstein, 4" lang, überall roh zugehauen und nirgends geschliffen, geschenkt von dem Herrn Pastor V ortisch zu Satow.

Keil von Lieps

bei Wismar, einer Sandbank vor dem Hafen, bei der Insel Pöl, wo schon öfter Alterthümer gefunden sind, ward 1853 gefunden und aus Privathänden durch den Herrn Architekten Stern zu Schwerin erworben und dem Vereine geschenkt. Der Keil ist überall erst roh, jedoch sehr regelmäßig zugehauen und noch nirgends geschliffen.

Keil von Alt=Gaarz.

Der große, 10" lange Keil aus Feuerstein, welcher in Jahrb. XVIII, S. 233, als zu Miekenhagen gefunden aufgeführt ist, ist, nach der Mittheilung des Herrn Pastors Vortisch zu Satow, nicht hier, sondern zu Alt=Gaarz am "Schmiedeberge" unmittelbar am Meeresufer von dem dortigen Tischler Michels gefunden und durch den Herrn Pastor Vortisch früher in die Sammlung des Herrn Torgeler gekommen.

Keil von Penzin.

Ein Keil aus grauem Thonstein, klein, breit und flach, gegen 4" lang, mit abgerundeter Bahn, überall geschliffen, von der Form der Keile aus Hornblende, gefunden zu Penzin bei Bützow an einem Hügel, welcher der Hopfenberg heißt und Wahrscheinlich ein Kegelgrab ist, nahe an der Chaussee von Bützow nach Cröpelin, und geschenkt von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow.

Schmalmeißel aus Feuerstein.

Der Herr Dr. Gertz zu Wismar schenkte dem Vereine einen in der Gegend von Wismar gefundenen, 7" langen Schmalmeißel aus Feuerstein, welcher nur an der Schneide angeschliffen, sonst aber nur zugehauen ist und am obern Ende die ursprüngliche Oberfläche des Feuersteins zeigt.

Schmalmeißel aus Feuerstein,

Bruchstück, gefunden zu Berenshagen, geschenkt von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow.

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Pfeilspitze von Miekenhagen.

Zu Miekenhagen bei Cröpelin ward eine sauber und regelmäßig geschlagene Pfeilspitze von hellgrauem Feuerstein, 3 1/2" lang, mit einer Spitze von 2 1/2" Länge und einer Schaftzunge von 1" Länge, 1 1/2" breit in der größten Ausbreitung, die größte bisher in Meklenburg beobachtete Pfeilspitze, gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow dem Vereine geschenkt.

Pfeilspitzen von Bützow.

Zwei kleine Pfeilspitzen aus Feuerstein, ungefähr 1" lang, auf dem Mahnkenberge bei Bützow (Jahrb. IX, S. 405) gefunden und geschenkt von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow.

Zwei Feuersteinsplitter,

zu Lanzen= oder Pfeilspitzen gebraucht, gefunden zu Kölpin bei Crivitz.

Einen Feuersteinspan,

gefunden auf der Feldmark Klink bei Waren, schenkte der Herr Dr. Kortüm zu Schwerin.


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Steinmörser von Roxin.

Zu Roxin bei Grevismühlen ward vor vielen Jahren ein vollständiger Mörser aus Stein ausgegraben und im J. 1853 durch die Bemühungen des Herrn Pächters Haupt zu Tressow dem Vereine zugewandt. Die Beschaffenheit dieses Exemplars führt die Untersuchungen über diese Art von Geräthen dem Ende zu, während die frühern Funde Zeit und Bestimmung zweifelhaft ließen. Wie alle früher gefundenen ähnlichen Geräthe, besteht der Mörser von Roxin aus Lava oder einem grauen vulkanischen Gesteine von der Art der rheinischen Mühlsteine. Er besteht aus einem Block, welcher in der Basis ein regelmäßiges Quadrat von 4 1/2" bildet und eine Höhe von 6" hat; die vier Ecken sind regelmäßig bis auf die Basis gegen 1 3/4" breit abgefaset, so daß das Ganze ein regelmäßiges Achteck bildet, welches auf einer viereckigen Basis steht und das Ansehen eines Pfeilers hat. Diese ausgebildete architektonische Form, die

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geometrische Führung der Linien und die regelmäßige Ausbildung der Flächen spricht dafür, daß das Werkzeug eine Arbeit des Mittelalters sei. Daß das pyramidalisch ausgehöhlte Geräth eine Arbeit des Mittelalters sei, beweisen auch die zwei Keulen, welche dabei gefunden sind; die eine Keule ist offenbar ursprünglich zu dem Gefäße gemacht, da der 3" hohe und 2 1/2" lange Griff ebenfalls ein regelmäßiges Achteck bildet; die andere, etwas roher gearbeitete Keule hat einen hammerähnlichen, platten, viereckigen Griff.

Dieses Geräth ist also ohne Zweifel ein Mörser, und manche andere ähnliche Geräthe sind wohl ebenfalls Mörser. Dagegen dürften andere, wenn auch ähnliche Geräthe, welche eine vollkommen cylindrische Höhlung haben, vielleicht zu Thürsteinen gedient haben, in denen die Pfosten der Thüren standen und sich bewegten. Noch andere Geräthe dieser Art mögen zu Gefäßen gedient haben.

G. C. F. Lisch.     

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Thürstein
oder
Gefäß aus schwarzem Basalt.

Zu Satow bei Cröpelin ward 1851 ein merkwürdiger Stein gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch dem Vereine geschenkt. Derselbe bildet einen regelmäßig bearbeiteten Cylinder aus porösem, schwarzen, vulkanischen Gestein, von der Art der rheinischen Mühlsteine, von 3" Höhe und gegen 4" im Durchmesser, ein wenig zugespitzt, mit einer ganz regelmäßig und glatt ausgeschliffenen cylindrischen Höhlung von 2" Tiefe und 2" Durchmesser. Das Ganze sieht aus wie ein Gefäß, ist aber wahrscheinlich ein Thürstein oder eine Thürangel, vielleicht aus der Zeit des Mittelalters, indem man zur Ersparung des Eisens einen Pfosten, an welchem die Thür hing, unten in den Lochstein stellte und oben durch ein Band aufrecht hielt.

Der Stein gleicht dem bei Niendorf gefundenen (Jahresbericht VI, S. 33), welcher vielleicht auch ein Thürstein und kein Gefäß ist.

G. C. F. Lisch.     

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Mühlstein von Brüel.

Die obere Hälfte eines Handmühlsteins aus sehr grobkörnigem weißlichen Granit, gefunden zu Brüel, schenkte der Herr Senator Schröder daselbst. Der Stein ist von gewöhnlicher Größe, 2 1/2 Fuß im Durchmesser; die untere Fläche und das

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Loch, welches 3 Zoll weit ist, sind sehr abgerieben, so daß es keinem Zweifel unterworfen ist, daß dieser Stein zum Mühlstein gebraucht ward.

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Hannoversche Steinalterthümer.

Von dem historischen Vereine für Niedersachsen zu Hannover sind dem Vereine folgende Gypsabgüsse der "merkwürdigsten, in andern deutschen und nordischen Sammlungen von heidnischen Alterthümern sich nicht findenden Gegenstände" zum Austausche gegen ähnliche übersandt worden:

1 Doppelhammer von körnigem Grünstein, gefunden bei Buxtehude im Bremenschen (Gewicht 27 Loth);

1 großes, langes, viereckiges, an dem einen Ende schräge zugehauenes Instrument (Pflugschaar?) von kalkigem Grünsteinschiefer, gefunden bei Stellichte im Hoyaschen (Gewicht 8 Pfund);

1 großes, rundes, zugespitztes, an dem dicken Ende queer durchbohrtes Instrument (Pflugschaar oder sogen. Haken?), unbekannten Fundortes (Gewicht 9 1/2 Pfund);

1 breites, plattes, meißelförmiges Instrument (großer Keil?) von einer Thon= und Kieselschiefer=Formation, unbekannten Fundortes (Gewicht 1 1/2 Pfund), im Besitze des Herrn Bibliothekars Dr. Schönemann zu Wolfenbüttel.


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b. Zeit der Kegelgräber.


Kegelgrab von Schwaan Nr. 1.

Mit einer Steindrucktafel.

Auf hiesiger Stadtfeldmark, links von der Warnow, liegen zwischen Wiesen, Mooren und in der Nähe zahlreicher Wassersölle, so wie auf einem, in älteren Zeiten bewaldet gewesenen, ziemlich coupirten Terrain, zwei bedeutende Kegelgräber, das eine rechts des neuhöfer Baches, der sogenannte Rauhe Berg, das andere an dessen linker Seite, der Herrberg, beide auf Erhöhungen des natürlichen Bodens. Letzteres, 86 laufende Ruthen von der Grenze des Domanialhofes Bröbberow entfernt, ist kurz vor Weihnacht vorigen Jahres von dem Eigenthümer des Ackers in Angriff genommen, um mit dem lehmigen Abtrage einige Niederungen zu verbessern.

Am 3. v. M. begab ich 1 ) mich, in Begleitung des Advocaten Hansen, durch welchen ich erfahren hatte, es sei in dem "Herrberge" neben einem menschlichen Gerippe ein kupfernes Schwert gefunden, an Ort und Stelle, erhielt von den beschäftigten Arbeitern die noch vorhandenen Reste der gefundenen menschlichen Gebeine und am Abende desselben Tages auch die bis auf die Spitze vorhandenen Theile eines BronzeSchwertes.

Die Besichtigung des Grabhügels ließ denselben, schon seinem Aeußeren nach, als ein bedeutendes Kegelgrab ohne äußerlich sichtbare Steinsetzung erkennen, und fand ich an der östlichen Seite eine bereits so weit vorgeschrittene Abgrabung, daß nur noch ein Theil eines früheren Gewölbes von gewöhnlichen Feldsteinen in dem Erdauftrage stehen geblieben war. Diese Erscheinung bestätigte den äußeren Charakter des Hügels.

Es ward nun eine möglichst genaue Untersuchung und Vermessung aller erkennbaren und zur Zeit noch vorhandenen ursprünglichen Theile des Grabhügels vorgenommen, solche späterhin von dem Herrn Kammer=Ingenieur Krüger 2 ) rectificirt, und auf diesem Wege folgendes sichere Resultat erlangt.


1) Der Herr Burgemeister Daniel zu Schwaan hat nicht allein alle mit der Aufgrabung und Beschreibung verknüpfte Mühe, sondern auch die durch die Bergung und Versendung entstandenen Kosten als Gescheuk für den Verein getragen. - D. Red.
2) Dem Herrn Kammer=Ingenieur Krüger und dessen Gehülfen, Herrn Quistorp, verdankt der Verein einen Situations=Plan der Umgebung des Grabes, eine äußere Ansicht des Grabes, zwei Durchschnitte der Aufgrabung, so wie eine Zeichnung des Schwertes. Vgl. die beigegebene Steindrucktafel. - D. Red.
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I. Aeußere Erscheinungen.

Der erkennbare ursprüngliche Durchmesser des Grabes hat an der Sohle von Nordost nach Südwest 73 Fuß 1 ) und von Südost nach Nordwest 57 Fuß Länge betragen, während die Axenhöhe zu 14 Fuß ermittelt ist; der Hügel dacht nach allen Seiten hin in einem Winkel von 50 Graden ab.

Der Erdauftrag scheint, nach den unvollständig hervortretenden Dossirungen zu schließen, schon früher an den beiden Langseiten angegriffen zu sein, vorzüglich an der Nordwestseite, so daß seine Basis sich gegenwärtig einem länglichten Vierecke nähert.

Die Axe, noch vorhanden, liegt gerade in der Mitte des ovalen Erdkegels.

Die Erdmasse ist durch die gegenwärtige Abgrabung an der nordöstlichen Seite auf eine Strecke von 33 Fuß bereits weggeräumt und der Urboden bloßgelegt, in der Art, daß sich der Einschnitt von der Süd= und von der Westseite der Axe in einem Bogen bis auf vier Fuß nähert.

Die bloßgelegte Wand des aufgetragenen Hügels zeigt zwei verschiedene Erdschichten. Die auf dem Urboden ruhende Schicht hat eine Axenhöhe von 9', die hierauf folgende Schicht eine erkennbare Höhe von 4 bis 5 Fuß. Letztere deckt den offensichtlich älteren Kegel concentrisch. Erstere besteht aus schwerer, fester, lehmiger Erde und nähert sich der Beschaffenheit des Urbodens; der zweite Auftrag ist dagegen bedeutend leichter und sandiger. Zwischen beiden Erdarten zieht sich ein ununterbrochener, 6 bis 8 Zoll starker Streifen schwärzlichen Humus haltender sandiger Erde, als sei der erste Erdkegel, nachdem eine langjährige Vegetation darauf gewechselt, in späterer Zeit zu anderen Zwecken mit dem leichteren Material um die angegebene Dicke erhöhet.

In der unteren Schicht finden sich hin und wieder, jedoch sehr sparsam kleine Kohlenstücke, keines die Größe eines Kubikzolles erreichend, eingesprengt, sonst nichts Auffallendes und Fremdartiges, hin und wieder auch einige Feuersteine in ihrer natürlichen Beschaffenheit, während Granitsteine jeder Art fehlen.

Die Decke des Gesammthügels * ) besteht größtentheils aus Haidekraut und den entsprechenden Gräsern, enthält indeß an


1) Alle in diesem Berichte nach Fußen angegebenen Längen sind mit der zehntheiligen Ruthe gemessen, zum Zollmaße ist dagegen der Hamburger Fuß gewählt.
*) Im Juni 1853 besah ich mit dem Herrn Burgemeister Daniel persönlich das Grab, welches zu den bedeutendsten Kegelgräbern des Landes gehört. Die Basis des ganzen, jetzt zum Theil abgetragenen Grabes bildet ein Oblongum, welches ohne Zweifel durch zwei oder mehrere an einander gelehnte (  ...  )
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der westlichen Abdachung einiges Dorngestrüppe. Reste von Baumwurzeln konnten in der Hügelmasse nirgends gefunden werden.

II. Inhalt des Herrberges.

In dem Innern des Hügels fanden sich bei der ersten Ankunft des Referenten am 3. Januar d. J. die Reste eines Steinkegels, anscheinend der dritte Theil eines früheren Gewölbes, während die Arbeiter noch mit dem Fortschaffen der gewonnenen Feldsteine (nach der Beendigung der Arbeit im Ganzen 5 vierspännige Fuder) und der abgegrabenen Erde beschäftigt waren.

Hier ergab nun die genaue Untersuchung Folgendes. Der bei der ersten Ankunft des Referenten noch stehende bogenförmige Abschnitt des Steinkegels zeigte eine kraterförmige Einsenkung, etwas nach der westlichen Seite der Steinsetzung, und maß an der höchsten Stelle ungefähr 5 Fuß vom Urboden. Diese Einsenkung ist ohne Zweifel dadurch entstanden, daß durch die darunter liegende Leichenverwesung die Steine hinuntergeschossen sind. - Die Länge des Bogenschnittes betrug auf der Sohle, von Südost nach Nordwest, 11 bis 12 Fuß, während die Abdachung des Steinkegels von Osten nach Westen mittelst einer etwanigen Messung nicht mehr sicher zu stellen war. Jedes Bindemittel fehlte, so daß die Steine nur auf und über einander gelegt waren. Nach dem ganzen Bogenschnitte mag übrigens die Axenhöhe wohl 6 Fuß betragen haben.

Der ganze Steinkegel hat auf einem damals noch vorhandenen, kunstlos gelegten Steindamme von ovaler Form geruhet. Dieser maß von Südost nach Nordwest 16 Fuß und von Nordost nach Südwest ungefähr 11 Fuß, durchschnitt also mit seiner Längenaxe die Längenaxe des Erdhügels.

Der Steinkegel lag auf der östlichen Seite des Steindammes, von Osten 19 Fuß, von Süden 17 Fuß, von Westen


(  ...  ) Begräbnisse gebildet ist. Der größere Theil des Grabes, welcher jetzt noch steht, bildete das ursprüngliche, erste Begräbniß, in dessen Mitte wahrscheinlich auch noch Alterthümer liegen werden. Wie Herr Daniel scharfsinnig bemerkt, ist die Abdachung dieses ersten Grabes noch klar an der Erdart zu erkennen. - An dieses Grab ward mit der Zeit ein zweites Begräbniß angelehnt, Wodurch die oblonge Form gebildet ward, und mit jenem unter Eine Rasendecke gebracht. Der Theil, welcher jetzt abgetragen ist, bildete grade das zweite, jüngere, wenn auch sehr alte Begräbniß, in welchem die gefundenen Alterthümer ungefähr in der Mitte lagen; die Richtung der Lage der Alterthümer dieses Theiles des Grabes streicht von Ost=Süd=Ost nach Nord=West=Nord. Zuversichtlich ist dieses jüngere Begräbniß vollständig abgetragen. - Da die Abtragung des ganzen Grabes noch ungewiß ist, so erscheint hier jetzt schon der Bericht der ersten Abgrabung, welche in sich vollständig ist.          G. C. F. Lisch.
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35 Fuß und von Norden 19 puß bis zum äußersten Rande des Erdkegels, so wie von der Höhenaxe desselben 10 bis 11 Fuß entfernt.

Kein einziger der vorgefundenen Feldsteine (erratischer, abgeschlissener Blöcke) war so groß, daß er nicht ohne Hülfsmittel von einem kräftigen Manne hätte fortbewegt werden können.

Ungefähr 9 Fuß von der nordwestlichen Spitze des beschriebenen Steinpflasters entfernt lag ein unregelmäßiger Haufen ähnlicher Feldsteine, theilweise noch in der Erdmasse des ältesten Hügels verpackt, woran jedoch irgend eine Form nicht zu erkennen war. Diese Steinanhäufung vor dem Begräbnisse unter dem Steinkegel deutet auf einen Altar, wie er in dem Grabe von Peccatel gefunden ward; vgl. Jahrb. XI, S. 369 und Lithographie daselbst. Die mit Behutsamkeit deshalb vernommenen Arbeiter versicherten, daß sie bei Entblößung dieses Steinhaufens daran etwas Regelmäßiges überall nicht hätten finden können.

Gleichzeitig überlieferten diese Leute die einige Tage früher gefundenen, gesammelten und von ihnen sorgfältig mit Rasen bedeckten

Reste eines menschlichen Gerippes.

Dieselben bestehen aus der Schädeldecke, anderen Theilen des Kopfes, dem Unterkiefer, einem Theile des Oberkiefers mit verschiedenen Zähnen, den Schenkelknochen, Armenröhren, der Hälfte des Beckens, nebst anderen Knochenfragmenten und einem grün gefärbten Röhrenstückchen. - Nach dem Vorhandenen darf man hoffen, daß ein erfahrener Osteologe im Stande sein werde, ein lebendes Bild des in dem Hügel beigesetzten Leichnams zu liefern. Der Schädel hat eine regelmäßige, kaukasische Form, jedoch nichts Ausgezeichnetes; die Zähne sind alle gesund.

Nach Angabe der dem Unterzeichneten als verständige Männer bekannten Arbeiter hat das Gerippe mit dem Kopfe nach Südost und mit den Füßen nach Nordwest, in langgestreckter Lage, unter den eingesunkenen Steinen des Gewölbes, gerade auf der Mitte des Steindammes gelegen. Die Finder wollen daneben so wenig die Spuren von verwittertem Holze, als Kohlen oder Asche, und, außer den weiter unten zu erwähnenden Fragmenten eines Schwertes aus Erz, nichts Auffallendes wahrgenommen haben.

Diese Behauptung scheint dadurch bestätigt zu werden, daß, mehrmaligen sorgfältigen Nachsuchens ungeachtet, vom Unterzeichneten und dessen Begleiter von einem Leichenbrande und Holzresten auf und neben dem Steinpflaster keine Spur aufge=

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funden werden konnte. Nur in der bereits abgefahrenen Erde fand sich ein kleines vermodertes Stück Holz von der Größe einer Haselnuß; es ist dasselbe, gleich einem kleinen Kohlenreste, ebendaher gerettet.

Demnächst wies man die Arbeiter an, das Steinpflaster aufzunehmen, um sich zu überzeugen, ob dasselbe unmittelbar auf dem Urboden angelegt sei. Während sich diese Vermuthung bestätigte, stieß man beim Vorschreiten auf folgende Erscheinung.

Acht Gerippe im Urboden.

Fast unmittelbar unter dem Steindamme, in der Richtung von Südost nach Nordwest, fand man acht in gleicher Richtung liegende Schädel, mit ihrer Decke nach Oben, mit den Augenhöhlen nach Westen, unter denselben eine nicht zu zählende Menge über einander liegender Gebeine, die Armenröhren anscheinend über den Schenkelknochen, als seien an dieser Stelle im Urboden acht Leichen in hockender Stellung beigesetzt.

Es ward versucht, von diesem Funde so viel als möglich zu retten. Das Meiste zerfiel unter dem Spaten, und konnte nur das Stirnbein 1 ) mit dem oberen Theile der Augenhöhlen, Schädelstücke, ein sehr mürber Backenzahn und ein Theil der stärkeren Knochen der Gerippe dadurch geborgen werden, daß man die einzelnen Theile mittelst des Messers und der Finger aus dem festen Urboden aufzugraben suchte. Auffallen mußte dabei, daß sämmtliche Schädel mit Erde gefüllt waren und die Knochentheile nur die Decke des Kerns zu bilden schienen.

Was conservirt werden konnte, ward sicher gestellt, und finden sich dabei zwei Knochenstücke von den Oberschenkeln der Hinterfüße eines Pferdes von kleiner Race, welche unter den menschlichen Gebeinen gelegen hatten und mit aufgegraben waren. Andere Theile eines Pferdegerippes konnten nicht gefunden werden.

Alle diese Leichenreste lagen, wie bereits angedeutet, in dem Urboden, und zwischen ihnen und dem darüber bestandenen Steinpflaster war eine schwache, zwei bis drei Zoll haltende homogene Erdschicht. Der Raum, den die Gebeine einnahmen, betrug, nach sorgfältiger Messung, eine Länge von zehn Fuß von Südost nach Nordwest, eine Breite von drei Fuß und eine Tiefe von drittehalb Fuß.


1) Dieses Stirnbein ist sehr merkwürdig, da es dem Stirnbein aus dem Urvolkgrabe bei Plau (Jahrb. XII, S. 400 flgd.) völlig gleich ist: dieselbe starke Erhöhung unter den Augenbrauen, dieselbe niedrige Stirn, dieselbe breite Nasenwurzel. Diese beiden völlig gleichen, ungewöhnlich wenig ausgebildeten und niedrigen Stirnbeine können für den Forscher sehr wichtige Ergebnisse zur Culturgeschichte liefern.           G. C. F. Lisch.
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Nach der von den Arbeitern gegebenen, später wiederholten Beschreibung der ursprünglichen Lage des zuerst gefundenen Hauptgerippes muß dieses gerade über dem eben beschriebenen Urgrabe, in gleicher Längenrichtung, gelegen haben. Letzteres war an der Südostseite von drei im Quincunx liegenden Feldsteinen, von der Größe eines Kubikfußes, und am Nordwestende von zwei neben einander liegenden, etwas größeren Feldsteinen begrenzt, und bildeten alle fünf Steine mit den Schädeldecken der 8 Leichen in oberer Fläche eine horizontale Linie, mithin waren alle diese Leichen in einen Raum von ungefähr 70 Kubikfuß zusammengepreßt gewesen; wenigstens fanden sich außer den angegebenen Grenzen keine weiteren Spuren organischer Substanzen. Geräthe irgend einer Art, Reste von Holz fehlten, so wie denn auch die beiden Langseiten des gemeinsamen Grabes keine Steinsetzung hatten.

Auch bei diesem Funde wird der Anatom über die muthmaßliche Race und das Alter der beigesetzten Leichen zu entscheiden haben, wobei hier, ohne irgendwie dem künftigen Sachkundigen vorgreifen zu wollen, zu bemerken erlaubt sein mag, daß, während der Schädelbau der Hauptleiche auf den kaukasischen Stamm, der der Urleichen auf den mongolischen oder einen verwandten Stamm schließen lassen dürfte. Die Stirn ist schmal und liegt mehr hintenüber; der Nasenrücken ist breit, die Erhebungen unter den Augenbraunen sehr hoch, Kennzeichen der ältesten Schädel. Die Knochenreste dieser 8 Leichen sind viel mürber, poröser, leichter und weißer, als die der Hauptleiche, und scheinbar viel älter, als diese.


Nachdem die Nachforschungen am 3. Januar kein weiterers Resultat ergeben wollten, wurden die Arbeiter ausführlich instruirt, wie sie sich bei demnächstigen ungewöhnlichen Erscheinungen zu benehmen, und daß sie in solchem Falle dann unterzeichnetem Referenten sofortige Anzeige zu machen hätten.

Am Abende dieses Tages überbrachten jene Arbeiter, der an sie ergangenen Aufforderung gemäß, die Fragmente des vorberegten Bronze=Schwertes.

Dasselbe steht dem, in dem Friderico-Francisceum Tab. XIV. Fig. 1 a. b. und c. abgebildeten Schwerte von Lehsen ganz nahe.

Nach der Versicherung der Finder hat dasselbe an der linken Seite der zuerst gefundenen Leiche so gelegen, daß der Griff an die Achselhöhle und die Spitze abwärts bis zur Hälfte gereicht hat. Es ist in acht Stücke zerbrochen

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gewesen, die, nach der ursprünglichen Form, hintereinander gelegt gewesen sind. Das Eine der Mittelstücke ist bei den damit angestellten Versuchen der Arbeiter, den Rost abzureiben, abermals zerbrochen, die äußerste Spitze der Klinge aber durch die Sorglosigkeit der Entdecker verloren worden.

Die ganze Länge der ausgezeichnet schön gearbeiteten Waffe mag gegen 22 bis 23 Zoll Hamburger Maaß betragen haben. Der Griff, mit angegossenen halbmondförmigen Heftbogen, scheint über zwei besondere Metall=Lappen (längliche Platten) gefaßt zu haben, zwischen welche (letztere) die eigentliche Klinge geschoben gewesen sein wird. Ueber den beiden nach oben zusammenlaufenden Heftbogen ist der hohlgegossene Griff durchgebrochen und dadurch ein durchreichendes Erzniet, so wie ein Theil des noch vorhandenen thönernen Gußkerns sichtbar geworden. Der zweite Bruch geht 1 3/4 Zoll tiefer durch die Heftlappen und die Klinge. Demnächst ist die eigentliche Klinge noch fünfmal gebrochen gewesen, wie die stark oxydirten Bruchenden deutlich zeigen. Die Klinge selbst wird nicht über 17 Zoll Länge gehalten haben. Der Griff und dessen Knopf sind von ovaler Form. Auf letzterem sitzt in der Mitte ein kleinerer erhöheter Knopf, um welchen 10 gravirte concentrische Ringzeichnungen eine gleichförmige Kette bilden.

Die Heftlappen sind mit dem Griffe durch vier große Nietnägel verbunden, die auf einer Seite abgeplattet, auf der anderen (vielleicht der äußeren) kegelförmig erhaben erscheinen. Das durch die Höhlung des Griffes gehende Niet hat dagegen um die Hälfte kleinere und unregelmäßige Knöpfe.

An beiden Seiten des hohlen Mittelstücks des Griffs (den Spitzen des Ovals) ziehen sich zwei erhabene Bänder vom Hauptknopfe bis zur Vereinigung der Heftlappen herunter, welche 13 um das Mittelstück des 4 Zoll langen Griffs liegende, durch entsprechende Einschnitte gebildete Ringe theilen.

Bei scharfer Beobachtung findet man an allen erhabenen Theilen des Griffs sehr sorgfältig gravirte Strichverzierungen, so wie denn auch auf den Flächen innerhalb der Halbmonde verschiedene erhöhete Knöpfchen hervortreten, welche, so weit der starke Rost erkennen läßt, erhabene Verzierungen gewesen sein mögen.

Der Mittelrücken der Klinge ist flach gewölbt, an beiden Seiten mit schmalen, etwas erhöheten Bändern verziert, und in der Mitte wohl etwas über 2 Zoll breit gewesen.

Alle Fragmente sind stark oxydirt, die oberen, muthmaßlich beim Durchbrechen, bedeutend verbogen, und die zweischneidige Klinge an beiden Seiten stark ausgebrochen.


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Am 5. Januar begab sich Referent, in Begleitung des Advocaten Hansen, auf die Nachricht, daß abermals eine Leiche gefunden sei, zur Stelle. Die Arbeiter hatten, so wie sie auf diesen neuen Fund gestoßen waren, mit dem Abräumen eingehalten.

Man fand nun hinter einigen südöstlich liegenden, gewöhnlichen Feldsteinen, zur rechten Seite der Hauptleiche, zwei Fuß davon entfernt, in dem Urboden die zum Theile schon umgegrabenen Reste eines menschlichen Gerippes. Wir ließen weiter arbeiten und die letzten Reste sorgfältig aus der Erde nehmen. Obgleich mit großer Mühe verfahren wurde, so konnte doch nichts Vollständiges, sondern nur ein Theil des Schädels und der Kiefern mit Zähnen, einige der größeren Knochenstücke und eine Kniescheibe gerettet werden, da die schwere, umgebende Erde sehr hinderlich war. Der Grad der Festigkeit der Knochen, der Bau des Schädels und die Zahnstellung scheinen mit der Hauptleiche in eine Zeit zu fallen, indeß auf einen kleineren Menschen, vielleicht ein Frauenzimmer, hinzudeuten.

Diese Leiche hatte, nach Angabe der Arbeiter, mit dem Kopfe nach oben, die übrigen Knochentheile durch einander in dem Niveau des Urgrabes und von demselben zwei Fuß entfernt, also noch bedeckt von dem Steindamme des Kegelgrabes, gelegen Die Höhlung, welche dieses Skelett ausgefüllt haben mochte, war jedenfalls nicht länger als 4 Fuß gewesen, weil darüber hinaus kein Theil der Gebeine weiter gefunden ward.

An Spuren von Kohlen, Asche, Holz, Metall oder Geräthschaften fehlte es in und neben diesem Grabe gänzlich, auch war kein durch Feuer gehärteter Thon zu finden.


Der letzte Fund, bestehend in einer einzelnen Leiche und den Bruchstücken einer Urne mit Knochenresten, ward am 9. Januar von den Arbeitern gemacht und vom Referenten sofort nach eingegangener Anzeige, im Beisein seines früheren Begleiters Hansen, besichtiget.

Dieses menschliche Gerippe, das sich gleichfalls im Urboden, jedoch außerhalb des Steindammes, zwischen diesem und dem früher beschriebenen regellosen Steinhaufen an dem Nordrande des Hügels, also zu den Füßen der Hauptleiche, fand, lag in einer ganz anderen Richtung, als die Hauptleiche, und zwar mit dem Kopfe nach Nordwesten und den Füßen nach Südosten gestreckt, und nahm einen Längenraum von

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Das Kegelgrab genannt der Herrberg, bei Schwaan 1852
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sechstehalb Fuß ein, während in der Nähe des Kopfes und der Schultern eine Packlage von Steinen gefunden ward, die jedoch etwas Symmetrisches nicht erkennen ließ.

Die geborgenen Reste des Skelettes sind von fester Beschaffenheit und scheinen einem großen Manne, so wie gleichfalls der Zeit der Hauptleiche angehört zuhaben. Von dem Schädel, den Zähnen, Schenkeln u. s. w. ist genug gerettet, um daraus auch hier die Race erkennen zu können.

Geräthe irgend einer Art fanden sich so wenig als Spuren eines Leichenbrandes oder durch Feuer gehärteten Thons.


Die Fragmente der gedachten schmucklosen Urne von der bekannten hellbraunen, sehr grobkörnigen Masse, welche ohne Zweifel noch aus der Zeit der Bronze=Periode stammt, lagen in der oberen sandigen, das alte Grab bedeckenden Schicht des Erdkegels, ungefähr einen Fuß unter der Rasendecke, also 12 Fuß über dem Urboden, an der südöstlichen Dossirung, 18 Fuß von der Höhenaxe des Kegels und 10 Fuß hinter dem Kopfende der Hauptleiche. Mit den Urnenscherben gemischt, fand man eine Quantität durch Feuer caicinirter Knochentheile, jedoch weder Kohlen, noch Geräthe. Um die Urne lagen einige faustgroße Feldsteine und ein keilförmiger Steinsplitter, 10 Zoll lang und am stumpfen Ende 6 Zoll im weitesten Durchmesser. Unter den Scherben befindet sich ein ziemlich großes Stück der Seitenwand mit einem Theile des Bedenk der Urne.

Einige Tage nach diesem letzten Funde mußten die Erdarbeiten, des inmittelst eingetretenen Regenwetters wegen, eingestellt werden. Sie sollen jedoch im Herbste 1852 aufs Neue beginnen, und steht zu erwarten, daß sich alsdann andere interessante Entdeckungen machen lassen werden, da, bei ungefährer Schätzung, noch 3/5 des Erdkegels nebst der Axe des Ganzen vorhanden und unberührt sind.

Schwaan im Februar 1852.

C. L. Daniel, Burgemeister.     

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Kegelgrab von Kemnitz bei Pritzwalk.

Wenn es im Allgemeinen auch außer dem Zwecke des Vereins liegt, außerhalb Meklenburg gefundene Alterthümer in den Kreis der Forschung zu ziehen, so haben wir doch mitunter Ausnahmen von der Regel gemacht, wenn uns von auswältigen Mitgliedern des Vereins über ungewöhnliche Erscheinungen in der Nähe Meklenburgs Mittheilungen in unserm Geiste gemacht sind. Besonders aber haben die Alterthümer der Prignitz immer ein besonderes Interesse für Meklenburg gehabt, weil sie theils zu mannigfachen Vergleichungen Veranlassung geben, theils häufig die meklenburgischen Alterthümer zu ergänzen im Stande waren.

Zu den außergewöhnlichen Erscheinungen in der Nähe Meklenburgs gehört nun das Grab von Kemnitz bei Pritzwalk. Die Beschreibung des Grabes und der darin gefundenen Alterthümer, so wie deren Vorlegung zur unmittelbaren Beschreibung und Prüfung verdanken wir unserm hochverehrten eifrigen correspondirenden Mitgliede, dem Herrn Pastor Ragotzky zu Triglitz bei Putlitz. Auf der Feldmark von Kemnitz steht ein besonders großes Kegelgrab, welches schon vor einigen Jahren nach dem "goldenen Sarge des Hünenkönigs" durchwühlt ist, allerdings ohne Erfolg. Einige Alterthümer, welche bei dieser Gelegenheit gefunden wurden, sind nach und nach zerstreuet worden und verloren gegangen. Seitdem ist in dem Grabe eine Sandgrube eingerichtet, und in dieser stießen einige Arbeitsleute im Januar 1853 auf die im Folgenden beschriebenen Alterthümer.

In einer kleinen quadratischen Kiste von Feldsteinen stand eine Urne aus Thon, welche jedoch zerbrochen war. In dieser thönernen Urne stand

1) eine Urne von dünnem Bronzeblech, welche eben falls zerbrochen war; die Finder gaben an, die thönerne Urne sei mit Bronzeblech "ausgefüttert" gewesen, was allerdings Mißverständniß oder Mangel an Einsicht sein muß. Diese Bronzeurne ist aus sehr dünne und regelmäßig geschlagenem Bronze blech, welches nicht dicker ist, als Schreibpapier, geformt, eine Erscheinung, die sich bei größern heimischen Gefäßen der Bronzeperiode gerade nicht selten findet. Der Bauchrand ist mit einer Reihe von kleinen halbkugeligen Buckeln verziert, welche sehr schön und regelmäßig von innen herausgetrieben sind und 1/8" im Durchmesser haben und eben so weit auseinander stehen. Der tiefe und glänzende edle Rost, welcher die übrig gebliebenen Bruchstücke bedeckt, hat eine schöne dunkelgrüne Farbe. Was in diesem Gefäße gelegen habe ist nicht zu ermitteln gewesen

In oder neben dieser Steinkiste lag ferner:

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2) ein Armring von Bronze, ungewöhnlich stark und tief von schönem hellgrünen Roste durchdrungen; die Tiefe des Rostes läßt auf ein sehr hohes Alter der Alterthümer schließen;

3) ein Schwert von Bronze, im Ganzen etwa 2' 2", in der Klinge (deren Spitze fehlt) gut 1' 9" lang. Die Klinge ist schmal und geradlinig und verbreitert sich gegen die Spitze hin nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, sondern läuft spitz aus. Die Klinge ist sehr schön modellirt, auf jeder Seitenfläche mit einem erhabenen Rücken, der an jeder Seite von einer schmalen Relieflinie begleitet ist. Die Klinge ist beim Einlegen ins Grab in drei Stücke zerbrochen, da die Bruchenden oxydirt sind. Der Griff, welcher mit einer halbmondförmig ausgeschnittenen Ueberfassung an die Klinge mit fünf Nieten angenietet ist, bildet eine voll gegossene, dünne, sechseckige Stange, welche nur 5/8" dick und 2 1/2" lang ist. Diese Griffstange ist ohne Zweifel dazu bestimmt gewesen, eine stärkere Bekleidung von Holz und Leder zu tragen, welche dann noch mit andern Verzierungen bekleidet werden konnte.

Hiezu stimmt die Angabe, daß der Griff mit goldenen Verzierungen bekleidet gewesen sei, welche denn auch zum größern Theile gerettet worden sind, obgleich sie die Wanderung durch mehrere goldgierige Hände gemacht haben. Diese Verzierungen bestehen aus 1/16" breiten, dünnen Goldstreifen, welche die beiden breiten Seiten des viereckigen Griffes umgeben haben und wahrscheinlich oben zu 3, unten zu 4 Serpentinen gebogen sind. Diese Verzierung hat gerade die Länge des Griffes und daher ist auch die Vermuthung begründet, daß sie zum Schmucke des Griffes gedient habe. Die sehr schmalen Goldblechstreifen sind an beiden Rändern mit dicht stehenden eingeschlagenen Punkten verziert, welche ihnen das Ansehen einer geschmackvollen Filigranarbeit geben.

4) Ein in viele Stücke zerbrochener goldener Ring, Welcher 2" im Durchmesser hat und 3/16" dick ist, besteht aus einem bronzenen Kern, um welchen dünnes Goldblech fest gelegt ist, die sich oft wiederholende älteste Art der Vergoldung. Wahrscheinlich hat dieser Ring auch zum Armringe gedient, Vielleicht zum Schwertgehenk oder zu andern Zwecken.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Steffenshagen
in der Prignitz.

Zu Steffenshagen, zwischen Putlitz und Pritzwalk, einem Filiale von Triglitz, liegt in einem kleinen Tannenwalde ein mit

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Tannen bewachsener Sandhügel, mit Steinen besetzt, ziemlich der höchste Punkt der ganzen Feldmark, welcher früher mit Eichen bestanden gewesen sein soll. Dieser Hügel bildet ein Kegelgrab von etwa 20 Fuß Durchmesser und ist genau an den umgrenzenden großen Steinen zu erkennen. Schon früher sind viele kleine Steine von der Oberfläche des Hügels abgefahren. Als im Sommer des J. 1853 wieder Steine zum Bau gebrochen wurden, stieß man etwa 1 Fuß unter der jetzigen Oberfläche auf eine kleine Steinkiste, welche nicht ganz in der Mitte des Hügels stand. In dieser Steinkiste, welche mit einem Deckstein zugedeckt war, stand eine große, offene, hellbraune, thönerne Urne, von der gewöhnlichen Gestalt der großen Urnen der Kegelgräber, mit scharfem Bauchrande, wie die in Jahrb. XI, S. 357 abgebildete und beschriebene Urne von Meyersdorf. Die Steinkiste war nicht größer, als daß diese Urne nur eben hinein paßte. Einer der großen Steine der Steinkiste war inwendig mit einer dünnen, dunkelbraunen, zusammenhangenden Masse, welche noch zusammenhangend ist, fast ganz überzogen; dem Anschein nach ist es Leder womit die Steinkiste ausgefuttert war. Der Finder sagte, der Stein habe ausgesehen, als wenn er mit Löschpapier überzogen gewesen wäre. Die Urne enthielt Erde, Asche, Knochentheile und eine schöne Lanzenspitze aus Bronze, 5" lang, hohl gegossen, mit zwei Nagellöchern, vollständig oxydirt, aber völlig spitz und sehr scharf; in dem Schaftloche steckte noch vermodertes Holz des Schaftes. Leider ward die zum Trocknen ausgehobene Urne zerschlagen. In der Ecke in der Steinkiste neben der großen Urne stand ein leerer Doppelbecher aus gebranntem Thon, eines der seltensten Stücke des Alterthums.

Doppelbecher

Der Becher ist aus gewöhnlicher hellbrauner Urnenmasse, 6" hoch; die Schale ist 2 1/2", der Griff 2, der Fuß 1 1/2" hoch. Die 2 1/2" hohe Schale ist gegen 4 1/4" weit, der 1 1/2" hohe Fuß ist auch ausgehöhlt und 3 1/2" weit. Ohne Zweifel ist dies höchst seltene und bestimmt der Bronze=Periode angehörende Gefäß ein Becher, ein Geräth zum häuslichen Gebrauche, dem Todten mit ins Grab gegeben.

Der Herr Pastor Ragotzky zu Triglitz, correspondirendes Mitglied des Vereins, hat demselben nicht nur die Beschreibung der Aufgrabung sondern auch den Becher geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Goritz.

Beim Bau der Chaussee von Tessin nach Lage wurden im Jahre 1853 auf der Feldmark des Gutes Goritz bei Lage nicht tief unter der Oberfläche der Erde, von mehrern ziemlich großen Steinen bedeckt, mehrere Bronzealterthümer gefunden, durch den zufällig darüber zugekommenen Wirthschafter Herrn Prang von den Arbeitern gekauft und von dessen Vater, dem Herrn G. Prang, Einnehmer am Stadt=Aerario zu Rostock, dem Vereine geschenkt. Diese Bronzealterthümer sind folgende:

eine Framea, mit Schaftloch, ganz hohl gegossen, 6" lang, rund, ohne alle Ausbauchung und Abweichung von den graden Linien in der Länge, etwas zugespitzt, am Ende zugeschärft, am Schaftloche mit Linien reich verziert und mit einem Oehr, von höchst seltener Form in Meklenburg, mit edlem Rost bedeckt; in dem Schaftloche soll noch ein Stück ganz vermoderten Holzes gesteckt haben;

ein Messer, mit sichelförmiger Klinge von 4" Länge und einem ausgeschnittenen Griffe von 13/4" Länge;

ein Messer, mit grader, schmaler Klinge, welches jedoch von den Arbeitern zerbrochen und zum Theil verworfen ist;

ein Schmalmeißel, von viereckiger Gestalt, 3/16" dick, 4 1/2" lang, in zwei Stücke zerbrochen;

ein Beschlag von unbestimmtem Gebrauche, zerbrochen.

Einige Ruthen von der Stelle dieses Fundes entfernt stießen die Arbeiter auf zwei Urnen, von lehmfarbigem Aeußern, ohne alle Verzierungen, mit Knochen und Asche gefüllt; leider zerfielen diese Urnen sogleich nach der Aufgrabung in Trümmer.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgrab von Vietlübbe , D. A. Lübz.

Auf dem Pfarracker von Vietlübbe bei Plau, in der Nähe einer Stelle, wo ich schon früher eine Grabstelle vermuthete und gegraben habe, ließ ich Steine, die vom Haken erreicht wurden, ausbrechen, und fand mein Sohn in einer Steinkiste unter der Erde eine hellbraune thönerne Urne mit Knochenüberresten, zwischen denen eine Nadel von Bronze sich befand. Bei weiterem Nachgraben fand sich eine dammartig gelegte Steinschicht westlich von der Steinkiste und zu beiden Seiten derselben eine Brandstelle mit Lehmunterlage, da sonst der Acker nur Sand enthält, auch noch Urnenscherben, aber sonst nichts. Die Urne, worin die Nadel war, hatte ungefähr die Gestalt wie Frider. Franc. VI. 15. Die bronzene Nadel ist

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4" lang, oben unter dem Kopfe zweimal knieeförmig gebogen und hat einen doppelten Knopf, von denen der obere Theil halbkugelförmig geöffnet ist.

J. Ritter.     

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Kegelgräber von Sandkrug, D. A. Lübz.

Durch den Förster Herrn Conrad zu Sandkrug bei Lübz ward ich benachrichtigt, daß man die auf dem benachbarten Felde vorhandenen Kegelgräber durchwühle, um die Steine nach der zu erbauenden Lübz=Plauer Chaussee wegzufallen. Obgleich ich schon die größeren und gut erhaltenen Gräber aufgegraben hatte (vgl. Jahrb. XI, S. 387), und zwar ohne Erfolg, so begab ich mich doch dahin.

Kegelgrab Nr. 3.

In einem kleinen, anscheinend schon früher an der Oberfläche durchwühlten Kegelgrabe war bereits ein voll gegossener, offener Armring und ein Schwert mit Griffzunge, aus Bronze, letzteres jedoch nicht vollständig, indem das untere Ende fehlt, gefunden; ich erwarb diese Alterthümer von den Arbeitern für den Verein.

Kegelgrab Nr. 4.

Von jetzt an begab ich mich öfter dahin und es wurden in einem zweiten, ebenfalls kleinen und unansehnlichen Grabe fünf Urnen, worunter eine Schachtelurne ) innerhalb einer Steinkiste gefunden; leider waren sie aber alle zerdrückt und noch mehr bei dem gewaltsamen Ausbrechen der Steine zertrümmert.

Kegelgrab Nr. 5.

In einem dritten Kegelgrabe ähnlicher Art fanden sich ein voll gegossener, geöffneter Armring und ein sauber gearbeitetes Gefäß oder Schmuckkästchen aus Bronze, fast ganz wie das im Frid. Franc, Tab. XII, Nr. 3 aus Spornitz abgebildete, jedoch an einer Seite und im Deckel schon sehr durch den Rost zerfressen und zerbrochen.

J. Ritter.     


) Eine Schachtelurne, d. h. eine Urne in Gestalt einer ovalen Schachtel mit überfassendem Deckel, ward in einem Kegelgrabe zu Sukow am plauer See, in gleicher südlicher Gegend, etwa eine Meile östlich vom Sandkruge, gefunden und befindet sich im Besitze des Vereins. Die beiden Gräber stammen also wohl aus derselben Zeit. Vgl. Jahrb. XIII, S. 368 flgd.          G. C. F. Lisch.
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Kegelgrab von Bossow.

Bei dem Bau der Chaussee von Krakow nach Plau vor einigen Jahren ward zu Bossow bei Kralow in einem Hügel in einer zerbrochenen Urne ein glatter, voll gegossener, mit edlem Rost bedeckter Armring aus Bronze gefunden, in welchem noch ein Knochen gesteckt haben soll. Der Ring ward damals von dem Herrn von Jasmund auf Dobbin erworben und später dem Vereine geschenkt.

Eine Spange von Messing welche in oder an demselben Hügel gefunden sein soll, ist offenbar ein Stück von einem Militairzeuge neuerer Zeit.

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Kegelgrab von Sembzin.

Zu Sembzin an der Müritz, bei Malchow, ward vor mehreren Jahren ein kleines Kegelgrab entdeckt, welches nur eine ganz geringe Erhöhung von Sand bildete. In demselben ward gefunden:

eine kleine Henkelurne, ungefähr von der Gestalt der Urne in Jahrb. XI S. 359, ungefähr 5" hoch und 5" weit im Bauchrande; der ganze Rand und der zum Einfassen bestimmt gewesene große Henkel sind abgebrochen. Die Urne war mit zerbrannten, feinen Knochen von einem ganz kleinen Kinde, wahrscheinlich noch einem Säuglinge, gefüllt, da Zähne ganz fehlen.

Zwischen den Knochen lag:

ein Fingerring von matter, weißlicher Bronze, auf den Finger einer erwachsenen weiblichen Person passend, in der Form einer glatten Schlange, die sich in den Schwanz beißt, eine sehr seltene Bildung, wie überhaupt figürliche Darstellungen aus der Bronze=Periode sehr selten sind. Uebrigens ist schon einige Male beobachtet, daß sich in Kinderurnen Schmuck, namentlich Ringe, von ältern Personen findet; so z. B. ward in einem Kindergrabe bei Grabow ein goldener Fingerring einer erwachsenen Frau gefunden (vgl. Jahrb. XVIII, S. 250). Vielleicht gaben die Mütter den Kindern eines ihrer Kleinode mit ins Grab.

Neben der Urne stand

ein kleines Grabgefäß, welches nur mit Asche und Sand gefüllt war, von sehr schöner Form und der Gestalt der kleinen Beigefäße, wie Jahrb. XI, S. 362 oben, mit zwei durchbohrten Knoten auf dem Bauchrande zum Durchziehen eines Fadens, 2 3/4" hoch.

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Der Fund ward von dem Gutspächter Herrn Engel dem Herrn Advocaten Pörtner zu Röbel geschenkt, welcher ihn dem Vereine wieder schenkte.

Durch Vergleichung mit einem andern Funde hat dieser Fund ein großes Interesse. Der Fingerring aus sehr heller Bronze, welcher im J. 1844 in einer Urne zu Kuppentin gefunden ward (vgl. Jahrb. X, S. 292-293) ist dem zu Sembzin gefundenen Ringe völlig gleich, sowohl an Größe und an Farbe der Bronze, als auch an Gestalt, da auch der kuppentiner Ring so gebildet ist, daß er eine sich in den Schwanz beißende Schlange darstellt. Ritter hat damals die Urnen von Kuppentin für Wendengräber gehalten und als solche dargestellt. Aber nach wiederholter Vergleichung sind die Urnen sowohl von Sembzin, als von Kuppentin durchaus der Bronze=Periode zuzuschreiben, da sie noch ganz den Charakter derselben haben. Freilich werden beide Begräbnisse in die letzte Zeit der Bronze=Periode fallen, da in der eigentlichen Bronze=Periode so matte Bronze sonst nicht vorkommt. Aber es deutet theils die Form der Urnen, theils die Art der Beisetzung bestimmt auf die Bronze=Periode, da die Urnen noch unter einen Hügel beigesetzt waren. Von den Urnen von Kuppentin läßt sich dies allerdings nicht mehr mit Bestimmtheit ermitteln; jedoch läßt sich dies auch hier vermuthen, da Ritter von "Steinkreisen" redet, welche immer sicher Zeichen von Kegelgräbern sind, wenn sie auch so niedrig sein sollten, daß sie sich kaum bemerkbar über die Umgebungen erheben. Wahrscheinlich war der Begräbnißplatz von Kuppentin ein großer Begräbnißplatz aus der Bronze=Periode.

Jedenfalls aber ist die Gleichheit der beiden Ringe eine sehr seltene und interessante Erscheinung.

G. C. F. Lisch.     

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Kegelgräber von Grabow.
(Fortsetzung. Vgl. Jahrb. XVIII, S. 247 flgd.)

Kegelgräber beim Grimoor.

Der Herr Apotheker Jänecke zu Grabow setzte aus Interesse an der Sache die in Jahrb. XVIII, S. 251 flgd. beschriebenen Ausgrabungen am Grimoor im Herbste 1853 fort und fand noch viele Gräber und in denselben Urnen der beschriebenen Art. Jedoch waren alle Urnen von den Wurzeln des Haidekrautes so durchwachsen, daß es nur bei einer gelang, sie unversehrt aus dem Grabe zu heben; sie war aber so morsch, daß auch diese einzige Ausbeute der Nachgrabung nach der Aus=

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leerung zusammenfiel. Gewöhnlich waren die zerbrannten Gebeine mit einer kleinern, umgestülpten Schale in den Urnen bedeckt. Alterthümer wurden in den Urnen nicht gefunden. Die Urnen standen in graden Linien, immer 10 bis 12 Fuß von einander entfernt.

Standort der Urnen

Nachdem diese Bemerkung gemacht war, konnte man im voraus immer die Stellen bezeichnen, wo sich die Urnen finden würden. Unter den Urnen war die Bodenschichtung fester und von dunklerer Färbung, als um die Urnen herum; dies deutet entschieden darauf hin, daß die Urnen auf den Urboden gesetzt und mit einem Erdhügel bedeckt worden sind.

Diese fortgesetzte methodische Nachgrabung spricht noch bestimmter dafür, daß dieser Platz eine jetzt schon sehr selten gewordene große Begräbnißstätte für das geringere Volk in der Bronze=Periode war.

G. C. F. Lisch.     

Kegelgrab von Dreveskirchen.
vgl. oben Hünengräber S. 291.

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Bronzeschwert von Cambs.

Im Spätsommer 1850 ward auf der Feldmark des Hofes Cambs, D. A. Schwaan, beim Steinbrechen, also wahrscheinlich in einem Grabe, eine schmale bronzene Schwertklinge mit Griffzunge, 23" lang, beim Vergraben in 3 Stücke, deren Bruchenden oxydirt sind, jetzt aber in 5 Stücke zerbrochen, gefunden und von dem Herrn Burgemeister Daniel zu Schwaan erworben und dem Vereine geschenkt.

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Goldener Eidring von Jülchendorf.

Schon wieder ist ein goldener Eidring in Meklenburg gefunden und wieder durch Gewinnsucht untergegangen, jedoch haben glücklicher Weise noch zu rechter Zeit zuverlässige und übereinstimmende Nachrichten eingezogen werden können. Im Januar des J. 1853 waren zwei Arbeiter aus dem Domanialdorfe Jülchendorf in der Nähe der ventschower Forst bei Sternberg auf dem Felde von Jülchendorf (nach andern Berichten auf dem Gebiete des ritterschaftl. Gutes Kaarz) mit Stämmeroden beschäftigt. Beim Ausroden eines starken Buchenstammes stießen sie am 26. Jan. beim Ausgraben einer Wurzel auf eine Steinkiste, in der eine Urne stand, durch welche die Wurzel gewachsen war. Die Urne war hiedurch in Scherben zerfallen, welche beim Ausgraben eine grauliche Farbe hatten. Als sie die herausgegrabene Wurzel spalten wollten, stießen sie mit der Axt auf einen harten Gegenstand, welcher der Eidring war, um den also die Wurzel herumgewachsen war; der Ring zeigte bei der Befreiung auch den Axthieb. Die Finder gingen mit dem Ringe nach der Stadt Brüel zu dem Kaufmann Herrn Otto Klitzing, welcher den Ring wog und untersuchte, den Ankauf ablehnte, dagegen den Findern den wohlgemeinten Rath gab, den Ring zuvor schätzen zu lassen, aber nicht zu verkaufen, da er der Ansicht sei, daß sie ihn nicht verkaufen dürften, sondern an die höhere Behörde einsenden müßten, wobei er weitere Aufklärungen einzuziehen und ihnen behülflich zu sein versprach. Die Finder ließen sich aber von dem Goldschmiede Winkelmann zu Brüel bereden, ihm den Ring für 19 Thaler Cour. zu verkaufen. Winkelmann schmolz nach einigen Tagen den Ring ein. Vielfache Gerüchte, welche sich bald nach der Auffindung verbreiteten, ließen die Sache bald öffentlich bekannt werden.

Der Ring war ganz wie der im J. 1850 zu Woosten bei Goldberg gefundene Eidring gestallet, über welchen und die Eidringe überhaupt man Jahrb. XVI, S. 268 flgd. vergleichen mag. Der Ring war so groß, daß die Finder ihn über ihre Hand streifen konnten. Er war an einer Seite geöffnet, an der der Oeffnung entgegengesetzten Seite etwas dicker, nach innen etwas eingebogen; die beiden dünner werdenden Enden erweiterten sich an der Oeffnung, wo sie zusammenstießen, zu zwei hohlen Halbkugeln ("in der Form von Mundstücken eines Blaseinstrumentes"). Die Außenseite war "schwach geriefelt", hatte aber sonst keine andere Zeichen. Der Herr Kaufmann Klitzing wog den Ring und fand ihn 7 1/2 bis 7 3/4 Loth schwer.

Es leidet keinen Zweifel, daß der dem Ringe von Woosten

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in jeder Hinsicht ganz ähnliche Ring ein Eidring aus der (germanischen) Bronze=Periode und von reinem Golde gewesen sei, da aus dieser Periode kein anderes als reines Gold, immer von derselben Beschaffenheit, und zwar häufig gefunden ist. Hiernach würde der Ring einen Werth von ungefähr 100 Thlr. Cour. gehabt haben.

Anders freilich berichtet jetzt nach der Einschmelzung der Goldschmied Winkelmann: der Ring sei ein gewöhnliches Armband, 6 3/4 Loth schwer, hohl, von schlechtem Golde und nur 21 Thlr. werth gewesen; nur die Oberfläche sei durch das lange Liegen in der Erde "verfeinert" worden; er habe keine andern Zeichen gehabt, als die Jahreszahl 1742, welche mit modernen arabischen Ziffern einpunktirt gewesen sei!

G. C. F. Lisch.     

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Diadem von Wendisch=Wehningen.

Im J. 1851 ward auf der Feldmark Wendisch=Wehningen bei Dömitz ein sehr schönes Diadem aus Bronze gefunden und dem Vereine von dem Herrn Salomon Blumenthal zu Dömitz geschenkt. Dieser Kopfschmuck ist eines von jenen seltenen Diademen, welche durch Ansetzung von vier rechtwinklig gestellten Bronzestreifen oder Flügeln an einen dicken Drath construirt und dann gewunden sind, und zwar von der Mitte aus nach verschiedenen Richtungen hin, bald vorwärts, bald rückwärts. Diademe dieser Art sind bisher nur gefunden zu Kreien bei Lübz (vgl. Jahrb. XIV, S. 318, wo sich auch eine Abbildung findet) und zu Retzin in der Prignitz (vgl. Jahrb. XVI, S. 272). Das Diadem von Wendisch=Wehningen ist gegen 1" hoch, also niedriger, als das von Kreien, und gleicht an Größe dem von Retzin; leider ist es lang aus einander gebogen.

G. C. F. Lisch.     

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Kopfring und Halsring von Bronze.

Der Herr Kaufmann Schnelle zu Schwerin schenkte dem Vereine einen Kopfring und einen Halsring aus Bronze, welche in Meklenburg in einem Moor gefunden und daher ohne Rost sind.

Der Kopfring, 8" weit, ist schwach gewunden und mit zwei überfassenden Haken, welche Schlangenköpfen ähnlich sind, geschlossen. Die beiden Enden vor den Haken sind zu senkrecht stehenden, ovalen Platten von 5/8" Breite ausgetrieben, welche diesen Kopfring diademartig bilden. Die Ränder dieser Platten sind mit halben Scheiben von 4 eingravirten concen=

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trischen Kreisen verziert; schon dadurch läßt sich dieser Kopfring in eine bestimmte Klasse der Bronzealterthümer einreihen. Der obere der überfassenden Haken, welcher von der Platte aus geht, ist geringelt oder schwach geschuppt verziert.

Der Halsring ist schwach gewunden und von gewöhnlicher Form.

G. C. F. Lisch.     

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Armenschienen von Klink.

Zu Klink an der Müritz, bei Waren, wurden in einem "Sandberge" zwei Armschienen aus Bronze von seltener Beschaffenheit für Meklenburg gefunden und von dem Herrn Kähler auf Klink dem Vereine geschenkt. Diese Armschienen bestehen aus 1 1/4" breiten, dünnen Streifen aus Bronzeblech (mit erhabenem Mittelrücken), welche in drei Windungen zu einem Spiralcylinder von 4" Weite gewunden sind. Die beiden Enden laufen in Dräthe aus, welche zu flach anliegenden Spiralplatten von 1 1/2" Durchmesser gewunden sind. Aehnliche Armenschienen sind bis jetzt in Meklenburg=Schwerin nur ein Mal zu Schwasdorf, A. Neukalen, jedoch verstümmelt, ohne die Spiralplatten, gefunden; Vgl. Frid. Franc. Tab. XXI, Fig. 5. In der Sammlung zu Neustrelitz finden sich mehrere, vollständige und zerbrochene Exemplare; vgl. Frid. Franc. Erläut. S. 135-136. Die zu Klink gefundenen Exemplare, von denen eines ganz vollständig, das andere von den Arbeitern zerbrochen ist, sind mit leichtem, hellgrünen Roste bedeckt, welcher auf der einen Seite als edler Rost, auf der andern Seite als dicker, fester Grünspan erscheint, ohne Zweifel nach der Lage in der Erde nach oben oder unten. Ganz denselben hellgrünen, leichten Rost haben alle übrigen bekannt gewordenen Exemplare. Diese Armschienen scheinen nur dem Südosten Meklenburgs anzugehören und entweder dieser Gegend eigenthümlich oder auf Durchzügen verloren gegangen zu sein, wie denn überhaupt auf der Feldmark Klink auf der großen Straße von Süden nach Norden oft Alterthümer vorkommen, welche sonst in Meklenburg nicht gefunden werden.

G. C. F. Lisch.     

Bruchstücke einer Handberge

aus Bronze, eine volle Windung aus einer Spiralplatte, durch welche eine Baumwurzel gewachsen war, gefunden zu Barkow bei Plau, geschenkt von dem Herrn Pastor Zander daselbst.

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Heftel von Jürgenshagen.

Zu Jürgens hagen, Pfarre Neu=Kirchen, bei Schwaan, ward (wahrscheinlich im Moor) eine bronzene Heftel mit zwei Spiralplatten, ohne Rost und wohl erhalten, von höchst seltener Beschaffenheit gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow dem Vereine geschenkt. Die Heftel ist im Ganzen gegen 6" lang und unterscheidet sich durch ihre Eigenthümlichkeiten wesentlich von den übrigen Hefteln der Bronzeperiode. Der Bügel besteht nicht, wie gewöhnlich, aus einer Stange, sondern aus einem dünnen, elliptischen, in der Mitte gegen 1" breiten Blechstreifen, welcher mit 5 eingravirten Spiralwindungen verziert ist, wie z. B. die Diademe aus derselben Zeit. Die beiden an einem Ende rückwärts gebogenen, an dem auslaufenden Drathe sitzenden Spiralplatten liegen mit dem Blechbügel und den beiden von ihm allslaufenden Dräthen in einer Fläche. Die auf dem einen Drathe hangende Nadel legt sich nicht in eine aus dem andern Drathe gebogene Oese, sondern wird zwischen den Blechbügel und die Spiralplatte auf den gebogenen Drath durchgedrückt. Dort, wo die Spitze der Nadel sich auf den Drath legt, sind Nadel und Drath tief ausgescheuert, was auf einen sehr langen und häufigen Gebrauch schließen läßt. Das Ganze erscheint sehr flach und einfach, obgleich der Blechbügel mit Gravirungen ungewöhnlich reich verziert ist.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzefund von Viecheln.

Zu Viecheln bei Gnoyen wurden beim Moddegraben folgende merkwürdige Bronzen gefunden und von dem Herrn von Kardorff auf Remlin zu Gnoyen dem Vereine geschenkt.

Drei Beinringe.

Es lagen drei Beinringe von Bronze (ohne Rost) auf einander. Es sind vollgegossene, glatte, runde, geöffnete, nach beiden Enden hin dünner werdende Ringe, an der dicksten Stelle 7/16" im Durchmesser. Zwei derselben sind ganz gleich und stehen in den Enden 2" gleich weit aus einander, der innere Durchmesser der Biegung beträgt 4 1/4". Der dritte Ring ist etwas dünner und mit den Enden 1" weit über einander gebogen, so daß der Ring geschlossen und eine etwas ovale Gestall erhalten hat, indem er im Innern Durchmesser 3 1/2" und 4" mißt. Diese Ringe sind für den Arm zu weit und für den Hals zu eng und passen nur für das Bein an der Stelle der Kniee oder Strumpfbänder

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sind auch ohne alle Verzierungen. Diese Ringe dieser Art sind die ersten, welche in Meklenburg gefunden sind.

Eine Spule.

In den eben genannten Ringen steckte eine Spule von Bronze, denn mit einem andern Namen läßt sich dieses Geräth nicht gut bezeichnen. Es besteht aus einer runden, an beiden Enden zugespitzten Stange von 5 1/2" Länge und 1/4" Dicke. Auf dieser Stange sitzen, mit der Stange aus Einem Stück gegossen, zwei dünne, jetzt halb zerbrochene Scheiben von 3" Durchmesser, so daß sie 2 1/2" auseinander stehen; die eine Scheibe ist ein wenig größer, als die andere. An den beiden äußern Seiten setzen sich die Scheiben mit einer kleinen, kegelförmigen Erhöhung an die Stange, so daß das Umdrehen der Stange an den Außenseiten kein Hinderniß findet; an jeder innern Seite legen sich von der Stange 4 kleine im Ganzen mit gegossene Streben, wie ein Stern, auf die Scheiben, wohl zur bessern Haltung, da die Scheiben so dünne sind, wie ein Kartenblatt. Dieses Geräth, welches nur einer Spule gleicht, kann auch wohl nur zu einer Spule gedient haben, und gönnt einen tiefern Blick in die häusliche Gewerbethätigkeit der Bronze=Periode. Man könnte das Geräth auch für eine Spindel halten, um so mehr, da die alte Spindel zugleich Spule war, dazu scheint es aber zu kurz und zu breit zu sein. Es ist nicht möglich gewesen, irgend ein ähnliches Geräth in andern Sammlungen zur Vergleichung aufzufinden.

Man könnte daran denken, daß das Geräth eine mit den Rädern aus einem Stücke gegossene, bewegliche Axe zu einem kleinen Wagen gewesen sei, aber, abgesehen davon, daß die alten Wagenräder immer lose und ganz anders construirt sind, sind die Scheiben viel zu dünne und scharf zu Rädern.

G. C. F. Lisch.     

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Framea von Remlin.

Zu Remlin bei Gnoyen in der Wiese ward eine Framea von Bronze, ohne Rost, gefunden und von dem Herrn von Kardorff auf Remlin dem Vereine geschenkt. Die Framea, voll gegossen, mit Schaftrinne, hat die gewöhnliche, charakteristische Form der in Meklenburg vorkommenden Frameen, ist aber an dem obern, der Scheide gegenüberstehenden Ende breit geschlagen, so daß es scheint, als wenn dieses Werkzeug zu einem Meißel gebraucht worden sei. Es scheint überhaupt immer klarer zu werden, daß, so wie die steinernen Keile der Stein=Periode gewiß zu sehr verschiedenem Gebrauche dienten, so auch die Frameen der Bronze=Periode, Fortsetzung und Ausbildung der Keile der Stein=Periode, eine sehr verschiedene Anwendung fanden; die leichtern, fein gearbeiteten Frameen, welche so häufig in großen, ausgezeichneten Kegelgräbern gefunden werden, sind sicher als Stoß= und Wurfwaffe (framea) gebraucht; andere, wie die vorliegende, dienten wohl zu Meißeln, Keilen u. s. w., andere vielleicht zu Acker= und Hausgeräthen.

G. C. F. Lisch.     

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Framea (oder Schmalmeißel?) von Nütschow.

Im Torfmoore zu Nütschow, bei Sülz, ward ein kleiner Schmalmeißel aus Bronze gefunden und von dem Herrn Geheimen Amtsrath Koch zu Sülz erworben und dem Vereine geschenkt. Dieser Schmalmeißel, welcher bisher noch nicht in Meklenburg vorgekommen ist, hat die Grundgestalt einer Framea, ist aber viel kleiner und zierlicher und anders eingerichtet; er ist 4 1/2" lang, 1/2" breit und 1/4" dick, hat eine durchgehende Schaftrinne und ist an beiden Enden gleich scharf zur Schneide abgeschliffen. Dieses Instrument hat daher wohl zu einem Arbeitsgeräthe gedient.

G. C. F. Lisch.     

Quetschmühle von Doberan.

Eine kleine halbmuldenförmige Quetschmühle, welche zu Doberan in einer der hintern Straßen vor einem Hause lag (vgl. Jahrb. XII, S. 419); ward von dem Gastwirth Herrn Glöde zu Doberan erworben und dem Vereine geschenkt.

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Kornquetscher von Doberan.

Zu Doberan auf der Besitzung des Herrn Gastwirths Glöde im Lindenhofe ward ein rundlicher, fast kugelförmiger,

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sehr feinkörniger Granitstein gefunden, 3" hoch, 3 1/2" im Durchmesser des äußersten Kreises und 2 Pfund schwer. Der Stein, der gerade in eine Faust paßt, ist nicht ganz rund, sondern oben und unten etwas flach, mit natürlichen Flächen. Die ganze Seitenfläche ist rund umher in sehr vielen, sanft in einander verlaufenden Flächen ganz abgerieben, so daß der Stein fast rundlich geworden ist und man klar sieht, daß er nach und nach immer zum Reiben eines Gegenstandes benutzt ist. Höchst wahrscheinlich diente der Stein zum Zerreiben des Kornes in den alten, halbmuldenförmigen Handmühlen aus Granit. Dies ist um so wahrscheinlicher, als ungefähr an derselben Stelle eine solche große, noch nicht tief ausgeriebene Handmühle gefunden ist, welche noch auf dem Hofe des Herrn Glöde als Abflußrinne unter einer Dachrinne aufgestellt ist. Wahrscheinlich gehört der Reibstein zu dieser Mühle. Der Herr Glöde hat diesen Reibstein dem Vereine geschenkt.

G. C. F. Lisch.     

Quetschmühlen von Boddin.

Nach den Mittheilungen des Herrn Staatsministers a. D. von Lützow auf Boddin liegen daselbst auf dem Felde zwei Quetschmühlen aus Granit.

Außerdem gehen dem Vereine sehr häufig Nachrichten über solche Quetschmühlen zu, welche in sehr großer Zahl über das ganze Land verbreitet sind.

Spindelstein von Röbel.

Eine flache, durchbohrte Scheibe aus Sandstein, vermuthlich ein Spindelstein, 1 3/4" im Durchmesser und 3/8" dick, auf beiden Seiten ganz mit eingegrabenen Kreisen und Punkten verziert, bei Röbel auf einer großen Sandfläche gefunden und angekauft.

Volksnamen einiger großer Kegekgräber
in der Nähe von Wismar:

auf der Feldmark Wismar neben der Landstraße nach Lübow: Rummelsberg;

zu Kritzow: Grebenberg;
zu Hof Triwalk: Loyenberg;
zu Martenstorf: Triwall;
zu Gagzow, links von der Straße von Rohlstorf nach Kartlow: Trüllingsberg;
an der Straße von Neuburg nach Kalsow im Drönpöl: Theerberg.

C. D. W.     

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c. Zeit der Wendengräber.


Die wendischen Gräber der Eisenperiode,
verglichen
mit den gallisch=fränkischen Gräbern im Luxemburgischen,

vom

Archivar Lisch.

Wir haben seit Anbeginn unserer Forschungen die Gräber der Eisenperiode den wendischen Völkerschaften zugeschrieben und diese Ansicht in den Jahrbüchern zu begründen gestrebt. Wir sind durch eine Menge von Gründen, vorzüglich aber durch das Zusammenfassen aller Einzelnheiten zu einem Gesammteindrucke, welchen wir für wichtiger halten, als einzelne besonders auffallende Erscheinungen, zu dieser Ueberzeugung gelangt. Mögen auch einzelne Stimmen in Hypothesen sich dagegen erhoben haben, wir haben die immer wiederkehrenden Erscheinungen stets mit unsern Erfahrungen übereinstimmend gefunden. Die Stein=Periode liegt hinter aller Geschichte und hat bis jetzt noch keinen geschichtlichen Anknüpfungspunkt gefunden. Die Bronze=Periode in den germanischen Ländern stimmt mit der Cultur der altgriechischen und altitalischen Bronze=Periode so sehr überein, daß sich alle diese Völker derselben Periode nicht trennen lassen.

Die Eisen=Periode bietet im Ganzen und im Einzelnen eine für alte Cultur so moderne Erscheinung, daß sie nothwendig in die letzte Zeit des Heidenthums fallen muß, welche im nordöstlichen Deutschland von den wendischen Slaven belebt ward. Der Charakter dieser Wendengräber ist im Allgemeinen folgender. Die Leichen sind immer verbrannt. Die Aschenurnen sind nicht unter einen auf der Erdoberfläche aufgeschütteten Hügel (tumulus) beigesetzt, sondern in den natürlichen Erdboden vergraben; sie finden sich in der Nähe der noch stehenden Dörfer, welche ehemals wendisch waren, in großer Anzahl, oft zu Hunderten, vergraben, und diese Stellen werden von dem Volke seit 300 Jahren oft "Wendenkirchhöfe" genannt. Im Besondern haben aber diese Wendenkirchhöfe folgende Eigenthümlichkeiten (vgl. Jahrb. XII, S. 421 flgd.). Die Urnen sind schalenförmig, braun oder kohlschwarz, mit Verzierungen geschmückt, welche durch Stempel oder Rollräder in Punktlinien eingedrückt sind. Das Eisen, welches in den frühern Perioden gar nicht beobachtet

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ist, findet allgemeine Anwendung, selbst zu Schmucksachen. Die Bronze erscheint seltener und nur zu Schmucksachen verarbeitet. Silber ist häufig, noch häufiger buntes Glas; sehr selten ist Gold, welches nur in einzelnen Beispielen beobachtet ist.

Dieselben silbernen Schmucksachen, die sich in den Wendengräbern finden, sind mit den "Wendenpfennigen" und den nachgemachten köllnischen und andern Münzen des 10. Jahrhunderts zusammen gefunden.

Diese und viele andere Gründe haben uns zu unserer Ansicht geführt, ohne daß wir Einzelnheiten besonders hervorgehoben und verglichen haben, was wir leicht hätten thun können.

In den neuern Zeiten sind nun viele Entdeckungen gemacht, welche unsere Ansicht nachdrücklich bestärken. Es sind in der Schweiz, im südlichen Deutschland, am Rhein hinab, in Belgien große Todtenlager aufgedeckt, z. B. zu Bel=Air, Nordendorf, Selzen, selbst bei Hallstadt, welche unter einander die größte Aehnlichkeit haben und alle einer bestimmten Periode, ungefähr seit dem Untergange des weströmischen Reiches, angehören. Diese Gräber stimmen im Wesentlichen nicht nur unter einander, sondern auch mit den Gräbern ferne liegender Völkerschaften, z. B. der Angelsachsen und der Wenden, überein, und es ist anzunehmen, daß eine und dieselbe Form der Cultur damals durch ganz Mitteleuropa ging, wie in den ältesten Zeiten der Bronze=Periode. Man darf hier nicht so sehr einzelne Eigenthümlichkeiten, die sonst nicht vorkommen, vergleichen. Das Verbrennen der Todten konnte bei den Wenden Sitte sein, während man zu derselben Zeit am Rhein die Leichen unverbrannt begrub: und doch konnten die Geräthe in beiden Gegenden gleich sein. Die Geräthe konnten an Kunstfertigkeit sehr von einander abweichen und doch in den Grundformen übereinstimmen. So z.B. sind in diesen Zeiten die damals beliebten Hefteln mit einer Spiralfeder, welche in der alten Zeit der Bronze=Periode ganz fehlen, in der Schweiz und den Rheinlanden häufig sehr reich und kunstvoll verziert, während dieselben Hefteln in den Wendenländern ganz einfach, aber von derselben Gestalt sind. Ueberhaupt spielt die kunstvolle und getriebene Arbeit an Heften, Spangen, Schnallen, Buckeln eine große Rolle in den südwestlichen Gegenden, während dieser Zierrath in den nordöstlichen Gegenden ganz fehlt. Es ist von hohem Interesse, daß jetzt ein merkwürdiges Zwischenglied gefunden ist, welches die Gräber der beiden genannten Gegenden in Verbindung bringt.

Im Großherzogthume Luxemburg sind in neuern Zeiten viele Gräber aufgedeckt, welche der gallo=fränkischen Zeit zugeschrieben und in die Zeit vom 5. bis zu m 11. Jahrhun=

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dert gesetzt worden. Diese Funde sind ausführlich beschrieben in den Publications de la société pour la recherche et la conservation des monumens historiques dans le Grand-Duché de Euxembourg, VIII, 1853, in der mit Abbildungen begleiteten Police sur les tombes gallo - frankes du Grand-Duché de Luxembourg, par M. A. Namur, p. 26 sq. Diese Gräber, welche von der einen Seite mit den angedeuteten Gräbern der Rheinlande auffallend übereinstimmen, zeigen von der andern Seite die größte Aehnlichkeit mit den wendischen Gräbern, so daß man sagen kann, die luxemburger Gräber stehen von allen entferntem Gräbern den wendischen am allernächsten. Die oben beschriebenen wendischen Gräber lassen sich bis jetzt von Pommern über Meklenburg und die Mittelmark bis in die Altmark, an die Lüneburger Haide und in Wagrien, also so weit in Norddeutschland Wenden gewohnt haben, verfolgen. Die bisher bekannt gewordenen Gräber, die zunächst hinter diesen Grenzen liegen, z. B. die Gräber in Sachsen und in der Lausitz, sind von den wendischen Gräbern weiter entfernt, als die Gräber im Luxemburgischen. Es muß also eine gewisse Cultur, deren Wurzeln in den letzten Zeiten des römischen Reiches liegen, vom 5. bis 10. Jahrhundert sich über das deutsche Tiefland von Westen gegen Osten (oder zur See) verbreitet haben; die mitteldeutschen Berge und Wälder, vielleicht die Stammesverschiedenheiten selbst in demselben Volke, scheinen mehr abgesperrt zu haben, als die weite Entfernung.

Die Uebereinstimmung zwischen den luxemburgischen und den wendischen Gräbern bestehen in folgenden Eigenthümlichkeiten. Wir bevorworten hier ausdrücklich, daß wir nur andeuten wollen und nicht ausführen, was wir einer umfassenden Alterthumskunde überlassen müssen.

1) Die den Todten mitgegebenen Urnen sind in beiden Ländern gleich. Im Luxemburgischen finden sich grade solche schwärzliche Urnen, wie in den ehemaligen Wendenländern (vgl. a. a. O. p. 39). Sie sind nicht allein in den Formen übereinstimmend, d. h. in der besondern Führung der Linien, sondern auch in den Verzierungen, welche mit viereckigen Stempeln oder viereckig gezahnten Rollrädern eingedrückt sind. Diese Art von Verzierung ist bisher nur in der Eisen=Periode der wendischen Ostseeländer bis in die Altmark hinein beobachtet. Besonders gleichen die bei Mersch (p. 50) und bei Sierck (p. 54) gefundenen und Tab. II. Nr. 1 und 2 abgebildeten Urnen ganz und durchaus mehreren Urnen der meklenburgischen Wendenkirchhöfe (vgl. Jahrb. XII, S. 432 flgd.).

2) Die bunten Glasperlen, welche a. a. O. Tab. II.

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abgebildet sind, entsprechen ganz den in den Wendenkirchhöfen gefundenen, eben so

3) der a. a. O. Tab. III, Nr. 14 dargestellte silberne Ring.

4) Ganz gleich sind aber wieder die a. a. O. auf Tab. IV, Nr. 23 und 24 abgebildeten eisernen Schildbuckel, welche denen in Meklenburg gefundenen völlig gleich sind. Die großen helmförmigen Beschläge aus Eisen, in deren breitem Rande oft noch bronzene Nägel sitzen, erklärt Herr Namur a. a. O. p. 45 mit Recht für Schildbuckel. Wir erinnern uns nicht, dergleichen Beschlägen in irgend einer andern Periode begegnet zu sein.

5) Noch auffallender ist die Gleichheit der Hefteln, welche so construirt sind, daß auf der Rückseite einer kreisrunden bronzenen Platte, deren Oberfläche zum Schmuck mit bunten Glasperlen besetzt ist, die Nadel mit einer Spiralwindung angeheftet ist. Solche ganz eigenthümlich geformte Hefteln, freilich noch mit Goldplatten belegt, wurden im Luxemburgischen wiederholt gefunden; vgl. a. a O. p. 49 und 53, vgl. Tab. III, Nr. 1 und 2. Eben so gestaltete und verzierte (jedoch nicht mit Gold belegte) Hefteln wurden auch in dem Wendenkirchhofe von Pritzier häufig gefunden (vgl. Jahrb. VIII, S. 71 und 63). Die Form der Urnen in dem Wendenkirchhofe von Pritzier stimmt oft mit den Formen der luxemburgischen Urnen völlig überein.

Das häufigere Vorkommen von Gold in den luxemburgischen Gräbern deutet auf merovingischen Einfluß; das öftere Vorkommen von Silber in den wendischen Gräbern spricht schon für kufische Handelsverbindungen, welche sich in den frühesten Zeiten weit gegen Nordwest erstreckten.

Diese Uebereinstimmung ist zu genau und auffallend, als daß man nicht einen genauem Zusammenhang und Gleichzeitigkeit zwischen den luxemburgischen und wendischen Gräbern annehmen sollte; überdies besitzen wir ja Nachrichten, daß im 9. Jahrh. die wendischen Fürsten mit den westlichen Ländern im fränkichen Reiche in kriegerischer Verbindung standen (Vgl. Rudloff Mekl. Gesch. I, S. 19, 23 flgd.). Die lausitzishen, sächsischen und thüringischen Alterthümer haben dagegen schon einen ganz andern Charakter.

Die Aehnlichkeit geht aber noch weiter. Alle die eisernen Schwerter, Dolche, Lanzen, Pfeile, - ja selbst die vielen Schnallen und Haken, welche freilich in den westlichen Ländern von Bronze und reich verziert, in den wendischen Ostseeländern aber von Eisen, jedoch gut gearbeitet sind, sind dort, wie hier. Jedoch wollen wir hierauf kein großes Gewicht legen,

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da sich diese Eigenthümlichkeiten viel weiter in Raum und Zeit verbreiten. Auch von der "Francisca" und "Framea" wollen wir nicht reden, da dies noch sehr bestrittene Benennungen sind.

Das steht jedoch fest, daß sich in der Eisen=Periode nirgends eine größere Gleichheit zwischen Grabalterthümern findet, als zwischen den Gräbern Luxemburgs und Meklenburgs. In den dazwischen liegenden Ländern Hannover und Westphalen herrscht über den Gräbern der Eisen=Periode noch tiefes Dunkel, so daß sie jetzt wohl schwerlich zur Vergleichung gezogen werden können. Das aber scheint sicher zu sein, daß zu einer gewissen Zeit der Eisen=Periode, etwa vom 5. bis zum 10. Jahrhundert, derselbe Kunstgeschmack im mittleren Europa herrschte und daß es jetzt vorzüglich darauf ankommt, besondere Eigenthümlichkeiten aufzufinden, welche den einzelnen Völkerschaften zukommen. Die kunstvollem Bronze=Arbeiten in Hefteln, Buckeln, Schnallen, Spangen scheinen die niederrheinischen Völkerschaften mit den mittelrheinischen Völkerschaften gemein zu haben; dagegen fehlen dieselben in den deutschen Küstenländern ganz, wenn auch die Formen der Geräthe gleich sind.

Ich wollte nur anregen, da es mir zu einer durchgeführten Bearbeitung des Stoffes an Zeit fehlt und verweise auf die bekannten Schriften über die oberdeutschen Gräberfunde, auf die luxemburgischen und meklenburgischen Jahrbücher.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.     

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Wendenkirchhof von Barendorf.

Auf der Feldmark Barendorf bei Grevismühlen, westlich vom Dorfe, unweit der Everstorfer Forstscheide, befand sich bisher im freien Acker eine mit Holzgestrüpp bewachsene und wohl wegen Abackerung umher erhöhete Stelle, welche "Kirchhof" (plattdeutsch: "Karkhof") heißt. Woher dieser Name rührt, ist hier unbekannt. Er mißt jetzt von Osten nach Westen 80 Fuß und ist 40 Fuß breit, ist früher aber noch etwa einmal so lang und auch wohl breiter gewesen. Vor ohngefähr 40 Jahren sind dort Steine zu einer Feldsteinmauer ausgebrochen und ist ein Theil der Stelle zu Acker gemacht. Man soll auch damals bei dieser Arbeit Topfscherben getroffen haben. Jetzt sind auf dem noch übrigen Theile des Kirchhofes die Steine und das Buschwerk so weit ausgearbeitet, daß er nun dem Pfluge anheimfällt, wobei man eine Graburne gefunden bat. Als ich davon Nachricht bekam, ging ich dahin und traf zwei mir unbekannte

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Arbeiter aus Grevismühlen, welche mir die Scherben und Knochen bei einander liegend zeigten. Sie erzählten mir, wie beim Durchhacken nach Steinen der eine von ihnen Knochen und Scherben herausgebracht, wo er dann die Erde weiter weggenommen und den unteren Theil eines Topfes hervorgezogen habe, welcher aber nach dem Niedersetzen gleich in mehrere Stücke auseinander gegangen sei. Aus Unkunde hätten sie sich gleich darüber hergemacht, die Knochen herausgenommen, durchsucht und sich dabei verwundert, wie solche so fest und regelmäßig eingepackt gewesen; aber auch die morschen Urnenscherben hatten sie zwischen den Fingern so zerbröckelt, daß sich der Boden des Gefäßes davon nicht mehr zusammenfinden ließ. Da nun das Vorgefundene für den Verein für Alterthumskunde keinen Nutzen mehr haben konnte, ging ich einige Tage später mit mehreren meiner größeren Schüler in der Mittagsstunde dahin und sprach mit ihnen darüber, dann gruben wir die Knochen und kleinen Scherbenstücke in die Erde. Einige größere Scherbenstücke nahmen wir mit, welche ich dem Hrn. Pensionär Haupt zu Tressow vorgezeigt habe, welcher diese auch einsenden will, daher übergebe ich ihm auch diese Betreibung.

Die Urne selbst hatte so flach gestanden, daß der obere Theil derselben wohl vom Viehe schon abgetreten war, aber ich glaube, wenn dieser Ort ordentlich durchgearbeitet wäre, derselben mehrere hätten gefunden werden müssen. Die ganze Fläche ist nur mit Bicken durchgehackt, denn die Arbeiter sagten: Es wäre ihnen nur um die kleineren Steine zu thun, weil sie zu Dammsteinen benutzt werden sollten. Die Arbeit geschah im Dec. 1852.

Nachbemerkung. An der Barendorfer Scheide in der Everstorfer Forst in dem sog. Kammerholze finden sich noch Spuren eines untergegangenen Dorfes, wo Bauern oder Kossaten gewesen sein müssen und den Landbau gut cultivirt betrieben haben, das beweisen die noch vorhandenen Steinmauernreste, welche alle in gleichmäßiger Entfernung gerade fortlaufen und wohl zur Einfriedigung der Hofstellen und Gärten gedient haben. Eine jetzt dort vorhandene länglichte Wiese mag damals ein Teich gewesen sein. Unweit derselben zwischen den Steinmauern liegen Steinhaufen, welche wohl die Stellen bezeichnen, wo die Wohnplätze gestanden haben. Auch in der Jameluschen Forst kann man an Stellen die Linien verfolgen, wo Steinmauern gestanden haben, und mehrere Gräben geben der Vermuthung Raum, daß vieles, was jetzt mit großem Holze besteht, angebaut gewesen ist. Unter andern befindet sich darin an der Manderower Scheide das sog. Windmühlenholz, wo große Buchen und Eichen stehen. Auf einem Berge bezeichnet eine runde Umwallung wohl die Stelle, wo die Windmühle ge=

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standen hat. Man weiß aber nicht, wann dort eine Windmühle gestanden und wohin sie gehört hat.

Barendorf den 5. Januar 1853.

C. F. Linshöft, Schulleiter     

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Wendenurne von Tramm.

Beim Bau der Chaussee von Grevismühlen nach Dassow ward im J. 1845 bei T ramm, Pf. Mummendorf, eine Begräbnißurne aus der Eisen=Periode gefunden und von dem Herrn Pächter Haupt zu Tressow erworben und dem Vereine geschenkt. Die Urne gehört zu der Gattung von Urnen der Wendenkirchhöfe, welche in Jahrb. XIII, S. 435, abgebildet ist. Die Urne ist nach unten spitz zugehend, glatt und schwarz, und ist ganz und gar mit senkrechten, eingeritzten Zickzacklinien verziert, welche über dem Bauchrande aus 3, unter dem Bauchrande aus 2 Parallellinien bestehen; die Linien bestehen, wie bei allen Urnen dieser Art, nicht aus Punkten, sondern aus eingeritzten Strichen von ununterbrochener Führung. Diese Art von Urnen ist in Meklenburg nicht sehr häufig.

G. C. F. Lisch.     

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Eiserne Speerspitze von Retzow.

Diese Speerspitze fand sich ganz unter dem Steinhügel eines Kegelgrabes, ohne daß Spuren einer Urne oder von Knochen sich zeigten, auf dem Retzower Felde, wo noch ganze Gruppen Von ähnlichen Kegelgräbern sind. Der Erbpächter Herr Abraham fand sie beim Ausbrechen der Steine. - Es dürften noch einige Gräber angegriffen werden, und werde ich darauf achten, daß nichts verloren gehe.

J. Ritter.

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Spindelsteine
Spindelstein von Boitin.

Zu Boitin, auf der Dorfstätte des untergegangenen Dorfes Dreetz, nicht weit von dem "Steintanze", ward ein seltener Spindelstein gefunden und von dem Herrn Pächter Fratzscher zu Boitin an die großherzogl. Alterthümersammlung eingeliefert. Der Spindelstein bildet eine regelmäßige Scheibe Von grauem Sandstein, 1 7/8" im Durchmesser und etwas über 3/8" dick, und ist auf beiden Flächen mit kleinen, unregelmäßig stehenden Löchern und auf dem Rande mit größern, regelmäßig ste=

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henden Vertiefungen, deren jede in einem eingegrabenen Quadrat steht, verziert. Die Scheibe hat nicht allein in der Mitte ein durchgehendes Loch von etwa 3/8" Durchmesser, sondern umher noch vier gleiche Löcher von gleicher Weite, regelmäßig gruppirt; jedoch ist das mittlere Loch mehr ausgeschliffen, als die übrigen.

G. C. F. Lisch.     

32 Spindelsteine, an verschiedenen Stellen im Amte Grevismühlen gefunden, erworben durch die Bemühungen des Herrn Haupt zu Tressow.

10 Spindelsteine aus gebranntem Thon, gesammelt in verschiedenen Dörfern in der Gegend von Grevismühlen von dem Herrn Haupt zu Tressow.

1 Spindelstein, gefunden zu Satow bei Cröpelin, geschenkt von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow.

1 Spindelstein aus gebranntem Thon, gefunden zu Karbow bei Lübz, geschenkt von dem Küster Herrn Lange daselbst.

1 Spindelstein von gebranntem Thon, gefunden zu Kölpin bei Sternberg.


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d. Außereuropäische Völker.


Bereitung der Thongefäße
bei dem Volke
der Flachschädel in Süd-Amerika.

Der Herr von Bibra in Nürnberg schenkte dem Vereine ein von ihm selbst heimgebrachtes Stück von einer Rüstung aus Baumfasern und von einem Thongefäße aus einem Grabe der Flachschädel an der Westseite von Südamerika, an der Algedon=Bay, bei Bolivia, bei der Wüste Atomaca, unter 20 Grad südlicher Breite. Die Gefäßscherbe zeigt dieselbe Bereitung, welche an den heidnischen Gefäßen Norddeutschlands wahrgenommen wird: Durchknetung mit Kies, Dörrung am offenen Feuer, Bekleidung der rauhen Außenflächen mit fein geschlemmtem Thon. Die Scherbe ähnelt den Scherben aus der Eisen=Periode Norddeutschlands: der Kies ist fein, die Farbe des Gefäßes schwärzlich, der Bruch hart. - Vgl. Jahrb. XV, S. 261.

G. C. F. Lisch.     

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2. Alterthümer des christlichen Mittelalters und in der neuen Zeit.


Reliquien von Berendshagen.

In dem Altare der Kirche zu Berendshagen bei Neu=Buckow wurden zwei Gefäße mit Reliquien gefunden, welche der Herr Gutsbesitzer Hillmann auf Berendshagen, Patron der Kirche, durch Vermittelung des Herrn Pastors Vortisch, dem Vereine freundschaftlichst zum Geschenke machte.

Es wurden zwei Gefäße gefunden:

1) eine runde, gedrechselte, hölzerne Büchse, mit feinen erhabenen Reifen, 2" hoch und 2" weit, mit einem Stöpfel von ungeläutertem Wachs dicht verschlossen. Das Innere, wie das Aeußere der Büchse sind reichlich mit einer rothen Farbe, wie Blut, besprengt und begossen; die Farbe ist aber noch jetzt blutroth, oder vielmehr kirschroth, also wohl mit etwas Anderm, als Blut gefärbt, da Blut wohl nachgedunkelt haben würde. In dieser Büchse lag:

a. ein Stückchen Knochen, 6"' lang, welches in ein Stückchen feinen, weißen Seidenzeuges (wie Krepp) gewickelt war; dieses war wieder in ein größeres Stück dünnen, florartigen Seidenzeuges gewickelt. Beide Stücke Zeug haben dieselben Blutflecken, wie die Büchse;

b. zwei kleinere Stückchen Knochen in ein bräunliches Stückchen Seidenzeug gewickelt, welches ebenfalls rothe Blutflecken hat;

c. ein ebenfalls roth geflecktes, scharf abgeschnittenes, morsches, dreieckiges Stück Pergament, etwa 1" hoch, auf welchem Gregori' pp - (d. i. Gregorius papa) steht;

d. ein kleiner, abgerissener, 3/8" breiter, in zwei Stücke zerbrochener Pergament streifen, auf welchem noch die Buchstaben - - m[a].oris (d. i. majoris?) zu lesen sind;

2) eine kleine, 3 3/4 lange, breit gedrückte, gläserne Flasche, die ebenfalls mit einem Wachsstöpfel verschlossen war. In der im Innern trüben Flasche lagen zwei kleine Stückchen bräunlicher, roth gefleckter, steifer Leinewand.

Leider ward eine bischöfliche Urkunde oder ein bischöfliches Siegel nicht gefunden. Die Schrift der beiden Worte trägt

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aber den Charakter des 13. Jahrhunderts und ist fest und schön gehalten.

Die Reliquien, welche also auch die Schutzheiligen des Hauptaltares und der Kirche bezeichnen, lassen sich also deuten:

zu d, vielleicht auf den Apostel Jacobus den ältern, da ich die Buchstaben m[a].oris = majoris, also: Jacobi majoris lesen möchte; vor diesem Worte ist etwas von dem Zettel abgerissen und verloren gegangen; das a ist nicht mehr ganz vorhanden. Man könnte die Buchstaben oris auch auf den Kopf stellen und rückwärts siro lesen; dagegen spricht aber das einer 2 ähnliche r , welches dem 13. Jahrhundert in dieser Form r angehört.

zu c) Der andere Heilige ist ohne Zweifel Gregorius papa = der Heil. Gregor. I. Papst (590 † 604).

Nach diesen Reliquien dürfte die Kirche zu Berendshagen eine Jacobikirche aus dem 13. Jahrh. sein.

G. C. F. Lisch.     

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Amulet von Langsdorf.

Auf der Feldmark von Langsdorf, A. Sülz, ward auf dem Acker ein messingenes Amulet ausgepflügt, welches die Gestalt und Größe eines Johanniter=Kreuzes hat und auf beiden Seiten quer durch mit flachen Reliefs geziert ist. Auf der Vorderseite ist eine Schlacht dargestellt, darüber Wolken, darunter die Inschrift:

S VDAL
RICVS

Der H. Ulrich war Bischof von Augsburg. Auf der Rückseite ist quer durch eine Stadt abgebildet, darüber Wolken, darunter die etwas undeutliche Inschrift:

EPI
AVS

(= Episcopi Agustani?) Nach den Buchstabenzügen scheint das Kreuz aus dem 16. Jahrh. zu stammen. Geschenk des Herrn Geh. Amtsrath Koch zu Sülz.

G. C. F. Lisch.     

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Bronzenes Thiergebilde von Tews=Woos.

Zu Tews=Woos, im Amte Dömitz, ward ein kleines Thiergebilde aus Bronze gefunden, von dem Taubstummen=Instituts=Inspector Herrn Benque zu Ludwigslust erworben und von diesem dem Herrn Geh. Cabinetsrath Dr. Prosch geschenkt, welcher es wiederum an die Sammlung des Vereins schenkte.

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Das Gebilde stellt ein ungeschlacht gebildetes hockendes Thier, vielleicht einen Hund oder Wolf, mit aufgesperrtem Rachen, dar, welches mit den 4 Beinen auf einem kleinen viereckigen Untersatze sitzt. Das Ganze ist 2" hoch, das Thier 1 5/8", der Untersatz 3/8". Das Metall ist mittelalterliche Bronze. Die Haare an Nacken und Brust sind in kurzen Strichen mit einem scharfen Instrumente eingehauen. Der Untersatz ist länglich viereckig, an den drei vordem Seiten abgeschrägt hervorragend, an der Unterfläche glatt und blank und etwas abgenutzt.

Man könnte versucht sein, das Gebilde für ein Pettschaft zu halten, wenn dergleichen Bildungen für diesen Zweck im Mittelalter nicht ungewöhnlich wären und die sonstige Einrichtung des Ganzen nicht dagegen spräche. An der Stelle des Schwanzes ragt nämlich hinten horizontal ein runder Zapfen von 1/4" Dicke und 1/4" Länge hervor, und unter diesem Zapfen ist das untere Ende hinten, 5/8" lang, etwas eingezogen und abgeflacht, so daß der Untersatz und dessen Abschrägung hier ganz fehlt, auch roh gearbeitet, so daß es sicher ist, daß das Ganze unten mit der untern Hälfte der Rückseite in etwas eingelassen und festgenietet gewesen ist, da das Ende des Zapfens etwas umgenietet ist. Es hat also wohl als ein Schmuck zu irgend einem Geräthe gedient.

G. C. F. Lisch.     

Ringschnalle von Lage.

Bei der Bebauung des ehemaligen Armenkirchhofes zu Lage ward beim Ausgraben der Kellerräume eine silberne Ringschnalle gefunden, welche aus einem Turnosen des Königs Philipp VI. von Frankreich (1328-1350), mit den Umschriften:

PhILIPPVS R e X
TVRONVS c IVIS

dadurch gebildet ist, daß der innere runde Schild ausgeschlagen, der äußere Rand stehen geblieben und eine Nadel angesetzt ist. Der Herr Thorschreiber Roll schenkte diese Schnalle dem Vereine.

G. C. F. Lisch.     

Ein Löffel

aus Messing, mit rundem Blatt und einer Traube am Ende des Stiels, von der gewöhnlichen Form, mit einem Stempel mit drei Löffeln oben im Blatte, gefunden zu Kaarz bei Brüel, geschenkt von dem Herrn Major a. D. von Bülow auf Kaarz.

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Einen zinnernen Teller,

gefunden zu Vilz, schenkte der Herr von Koß auf Vilz. Auf den Rand ist ein Wappen eingravirt, von welchem im obern Theile des Schildes und auf dem Helme ebenfalls ein Vogelkopf eingravirt ist. Ueberall ist viel eingekratzt, z. B.

1588.
G. G. G. N. G. W. W. G. K.
H. v. KOSSE.


1591.
H. Kosse.
Mittelalterliche Ziegelgeräthe von Wismar.

Der Herr J. D. Thormann zu Wismar schenkte dem Vereine mehrere bei Wismar im Hafendamme neben den Resten eines alten Bohlwerkes gefundene, aus roth gebranntem Tbon gefertigte mittelalterliche Sachen, nämlich:

3 Leuchter von ziemlich roher, jedoch origineller alter Arbeit;
3 Netzsenker in Form durchbohrter Scheiben;
1 kleine Kugel.

Eine Gußform

aus gebranntem, weißlichen Thon, von merkwürdiger Beschaffenheit, fand der Herr Kriegsrath Grimm zu Schwerin auf der Sandbank oder Insel Lieps in der Ostsee vor Wismar und schenkte dieselbe dem Vereine (vgl. oben S. 293).

Eine Gußform

aus grauem Sandstein, ein sogenannter Schäferstein, mit den rohen Umrissen eines Herzens, fand der Herr Ingenieur=Gehülfe Beyer zu Güstrow auf der Feldmark von Gantschow bei Güstrow und schenkte dieselbe dem Vereine.

Eine eiserne Pfeilspitze

mit langen Widerhaken, gefunden zu Marlow am Schloßberge beim Graben, geschenkt von dem Herrn Dr. Hüen zu Marlow.

Ein großer Schlüssel

von Eisen, gefunden auf dem alten heidnischen und darauf (im 13. Jahrh.) bischöflichen Burgwalle von Bützow (Jahrb. IX, S. 403), welcher seit aller Zeit der Hopfenwall heißt,

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beim Abgraben eines Theiles desselben vor einigen Jahren, geschenkt von dem Herrn Friedr. Seidel zu Bützow.

Ein eisernes Hufeisen,

stark gerostet, ungewöhnlich klein, 4" lang und 4" breit im äußern Rande, zu Miekenhagen 4 Fuß tief in der Erde gefunden und von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow geschenkt.

Ein fünfschildiges meklenburgisches Wappen

aus gebranntem Thon, aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. oder dem ersten Viertheil des 18. Jahrh. (aus der Zeit der verwittweten Herzogin Sophie Charlotte), in der untern Hälfte vorhanden, gefunden auf dem Schloßplatze zu Bützow unter einer Feldsteinmauer in Bauschutt beim Bau des neuen Amtshauses im Januar 1853, geschenkt von dem Herrn Fr. Seidel zu Bützow.

Gemalte Fensterscheiben
aus Bauerhäusern in Mummendorf und Warnkenhagen.

Der Herr Pächter Haupt zu Tressow hatte Gelegenheit, für den Verein 19 gemalte Fensterscheiben zu erwerben, von denen 15 ziemlich gut erhalten sind und 9 aus Bauerhäusern zu Mummendorf bei Grevismühlen und 6 aus Bauernhäusern zu Warnkenhagen, in der Pfarre Elmenhorst, bei Klütz, stammen. Die Scheiben aus Mummendorf sind aus dem 17. Jahrh. und enthalten Figuren, Wappen und Namen; die Scheiben aus Warnkenhagen, welches am Ostseestrande liegt, sind aus dem 18. Jahrh. und enthalten auf 4 Scheiben Schiffe, auf 2 Scheiben Wappen

G. C. F. Lisch.     

 


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II. Zur Baukunde.

1. Zur Baukunde der vorchristlichen Zeit.


Der wendische Burgwall von Vipperow.

Nach der unten bei der Bechreibung der Kirche zu Vipperow mitgetheilten Darstellung der Bedeutsamkeit des Dorfes Vipperow ließ sich vermuthen, daß sich dort ein wendischer Burgwall finden lasse. Nach einer in Jahrb. II, S. 106, Note, mitgetheilten Nachricht fand sich im Anfange des 18. Jahrhunderts am Müritzufer nördlich von Vipperow

"nahe an der Müritz der sogen, alte Hoff, welcher sonsten für alters, wie der augenschein gab, mit hohen wällen und gräben umgeben gewesen. Dieser ohrt nebst dem darauf stehenden häuschen und da herum liegenden Wiesen war umbher gantz unter waßer von der Müritz gesetzt".

Diese Stelle ist noch auf der großen Schmettauschen Charte nördlich von Vipperow bezeichnet und gehörte zu Solzow. Nach den von dem Herrn Pastor M. Wachenhusen zu Vipperow angestellten Untersuchungen wurden hier neben starken Fundamentmauern nur Kachel=, Gefäß= und Glasscherben aus dem 15. und 16. Jahrh. gefunden. Dieser alte Hof ist also die Stelle des alten Ritterhofes der Linie Hahn auf Solzow.

Es ward mir von einem alten Manne, der in jüngern Jahren Kirchenjurat gewesen ist, eine andere Stelle namhaft gemacht, welche der wendische Burgwall von Vipperow sein könnte. Ungefähr 12 Ruthen vom Ufer, dem Dorfe Vipperow und dem Gute Retzow (am jenseitigen Ufer) gegenüber liegt in der Müritz eine kleine Insel, welche von den Einwohnern von Vipperow der "Borgwall" genannt wird. Diese kleine Insel ist theils mit Weichholz bewachsen, theils wird sie von den Fischern als Gartenland benutzt. Der alte Mann erzählte, "diese Insel

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sei der "Borgwall" und wenn sie in alten Zeiten hinübergewollt hätten, so hätten sie ein Paar "Pferdeköpfe" hinübergeworfen". So dunkel nun auch diese Sage ist und so wenig der allte Mann auch im Stande war, sie weiter auszuführen und zu deuten, so deutet doch die Sage von den "Pferdeköpfen" auf eine alte Zeit, da Pferdeschädel eine große Rolle in den alten Sagen Meklenburgs spielen, wie man sie auch in den Hünengräbern der Stein=Periode beigesetzt findet. Dieser "Burgwall" ist der wendische Burgwall von Vipperow. Bei meiner Anwesenheit in Vipperow fand ich keine Gelegenheit hinüberzukommen, um an Ort und Stelle Untersuchungen anstellen zu können. Der Herr Pastor M. Wachenhusen zu Vipperow hat aber die Güte gehabt, Nachgrabungen anzustellen, und fand mehrere Fuß tief nur die bekannten Gefäßscherben aus der letzten heidnischen Zeit, mit Granitgrus durchknetet und am Rande mit wellenförmigen Linien verziert, wie sich solche Scherben auf allen heidnischen Burgwällen Meklenburgs finden. Von mittelalterlichen Scherben war keine Spur zu finden.

Es leidet also keinen Zweifel, daß diese Insel den heidnischen Burgwall des Landes Vipperow bildete. Die Lage und Beschaffenheit desselben hat die größte Aehnlichkeit mit der des Burgwalles von Kutzin oder Quetzin im plauer See (vgl. Jahrb. XVII, S. 25).

G. C. F. Lisch.     

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Wendische Burg von Schulenberg.

Im Holze des Gutes Schulenberg, bei Sülz, steht hart am Rande des Moores, welches die Reknitz durchströmt, ein alter Burgwall, die "alte Burg" genannt, ein hoher Ringwall, scheinbar mit einem Eingange von Osten und einem Ausgange gegen Westen; wenigstens ist der mit hohen Buchen bestandene Wall an diesen Stellen durchbrochen. Die Sage macht hieraus eine Burg der alten Seeräuber "Störtebek und Jörte Micheel". Doch ist der Wall mehr einem wendischen Lager oder Burgplatze gleich. Vor kurzem hatte ein Dachs aus seinem Bau in diesem Walle ein verziertes Randstück von einem thönernen Gefäße ausgegraben, welches nach den Verzierungen und der Bearbeitungsweise aus der wendischen Zeit stammt. Die Bestimmung dieses Burgwalles kann also nicht zweifelhaft sein.

Nach den Mittheilungen des Herrn Geh. Amtsraths Koch zu Sülz.

G. C. F. Lisch.     

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Burgwälle von Crivitz.

In Jahrb. XVIII, S. 279, ist der rechts neben dem Eingange zur Stadt, von Schwerin her, im See liegende, alte, hohe Burgwall (jetzt Bleiche) von Crivitz als ein muthmaaßlich wendischer beschrieben; da dieser Burgwall früher lange Zeit Armenkirchhof gewesen, also viel umgegraben ist, so ist zur Erforschung seines Ursprunges wenig Hoffnung vorhanden.

An der andern Seite der Stadt liegt aber noch ein zweiter Burgwall, auf dem jetzt das großherzogliche Amt steht, von weiten Wiesen und ehemaligen Gräben umgeben. Dieser Burgwall wird das Schloß der Grafen von Schwerin getragen haben, da er noch im 16. Jahrh. wiederholt als fürstliches Schloß vorkommt und seitdem Sitz des Amtes gewesen ist. Auch dieser Wall giebt wenig Hoffnung zur Erforschung, da auf demselben bis heute immer gebauet ist und die nächsten Umgebungen, so weit der Burgwall aufgeschüttet ist, zur Gartencultur stark bearbeitet sind.

G. C. F. Lisch.     

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Wendische Alterthümer von Bützow.

In einem Garten vor dem Rühner Thore der Stadt Bützow, nach der Seite hin, wo der alte Burgwall liegt (Jahrb. IX, S. 403), hatte Hr. Fr. Seidel zu Bützow früher Spindelsteine, eine eiserne Pfeilspitze und heidnische Gefäßscherben gefunden. In neuern Zeiten fand derselbe dort wieder mit Granitgrus durchknetete, mit wellenförmigen Parallellinien verzierte Gefäßscherben, ganz von der Art, wie sie sich auf den großen Burgwällen aus der letzten heidnischen Zeit finden, und vier bronzene Alterthümer, welche schon an der Grenze der christlichen Cultur stehen:

eine kleine Ringschnalle,
einen kleinen glockenförmigen Beschlag,
einen halben Nagel,
einen Hemdknopf oder Doppelknopf, mit hübschen erhabenen Verzierungen auf der Oberseite,

alle ganz aus Bronze. Der Herr Seidel schenkte diese Alterthümer dem Vereine.

Ohne Zweifel ist diese Stelle ein wendischer Wohnplatz (kein Begräbnißplatz) gewesen.

G. C. F. Lisch.     


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2. Zur Baukunde des christlichen Mittelalters.

a. Weltliche Bauwerke.


Ueber die bischöfliche Burg zu Bützow

aus dem Mittelalter sind bisher keine Nachrichten bekannt geworden. Die Bischofsburg ward in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. von dem heidnischen Burgwalle (dem "Hopfenwalle") an die Stelle verlegt, wo noch jetzt die letzten Reste der mittelalterlichen Burg stehen und zum Criminal=Collegium benutzt werden. Von den ältesten Gebäuden ist nichts mehr vorhanden.

In neuern Zeiten sind viele alte Gebäude der Burg abgebrochen. Das große Gebäude des Criminal=Collegiums stammt ohne Zweifel noch aus dem Mittelalter, wenn es auch unter dem Herzoge Ulrich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. mit einigen Reliefziegeln des schweriner Schlosses aufgeputzt ist.

Sicherer scheint jetzt der Ursprung des alten Nebengebäudes zu sein, welches in Lisch Meklenburg in Bildern, III, 1844, im Titelbilde, im Vorgrunde abgebildet ist. Der Herr Fr. Seidel zu Bützow meldet nämlich: "an den bewohnten Häusern am Schloßplatze, welche früher die Universitäts=Bibliothek genannt wurden, ist noch ein Stein, auf welchem ein Schwan steht, eingemauert". Dieses Sinnbild ist nun das Wappen des schweriner Bischofes Nicolaus I. Böddeker (1444-1457), welcher nach denselben Wappenziegeln auch das bischöfliche Schloß zu Warin nicht allein restaurirte (vgl. Jahresber. III, S. 169), sondern auf demselben im J. 1448 auch ein großes viereckiges Gebäude unter dem Namen "der Bischof" aufführte (vgl. Jahresber. IV, S. 89). Derselbe bauete im J. 1448 auch auf dem Schlosse zu Bützow ein ähnliches Gebäude, welches ebenfalls "der Bischofssaal" hieß (vgl. Lisch Mekl. in Bildern a. a. O. S. 64), an welchem ebenfalls Ziegel mit dem Schwan eingemauert waren (vgl. Jahresber. III, S. 169 und VIII, S. 24). Von diesen Wappenziegeln ist nach dem Berichte des Herrn Seidel auch noch einer in einen nahe vor dem rostocker Thore am Hause des Ackermanns Lippert stehenden Stall eingemauert; wahrscheinlich stammt dieser Ziegel von dem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts abgebrochenen Bischofssaale, dessen Steine öffentlich versteigert wurden.

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Es ist also außer Zweifel, daß der Bischof Nicolaus Böddeker an den bischöflichen Schlössern zu Warin und Bützow viel gebauet hat. Nachdem vor einigen Jahren auch das in Lisch Mekl. in Bildern, IV, 1845, im Titelbilde, abgebildete alte bischöfliche Schloß zu Warin abgebrochen ist, ist das Wenige von alten Gebäuden, welches am Schloßplatze zu Bützow steht, der letzte Rest der Bauthätigkeit dieses Bischofes.

G. C. F. Lisch.     

Es wird hier zu Bützow am Schloßplatze ein neues Amtshaus erbauet, an einer Stelle, wo seit Menschengedenken ein Garten war. Wie ich in meiner Jugend von alten Leuten hörte, hat hier ein Gebäude gestanden, in welchem die fürstliche Küche war. Daneben stand das große Thor, mit einem Thurme, welcher sich dem alten Schlosse anschloß; vom Schlosse ging ein Gang durch den Thurm nach der Küche.

Im April und Mai ward der Bau damit angefangen, daß zuerst die Gartenerde abgeräumt ward; dann ward ein Keller gegraben und zu den neuen Fundamenten der Grund ausgegraben. Es fanden sich nun noch mehrere Fundamente von Mauer= und Feldsteinen, viel Bauschutt und an einigen Stellen viele Kohlen. Ich besuchte den Bauplatz täglich; was ich an Alterthümern erhalten habe, übersende ich hierbei.

1) Wurde eine ganze Menge zerbrochener mittelalterlicher Krüge aus blaugrauem Thon ausgegraben, welche ich sammelte und von denen ich 12 der am besten erhaltenen übersende.

2) An Eisen: einige alte Messer, ein kleiner Schlüssel und ein Splint zu einem großen Schlosse.

3) Ein halber Henkel zu einem Gefäße, aus Messingblech.

4) An Münzen: ein rostocker Kupfer=Dreiling mit der Jahreszahl 1622; ein alter Rechenpfennig mit der Jahreszahl 1652 und Johann Albrecht; ein rostocker Sechsling, mit einem Greifen auf beiden Seiten, aus dem 15. Jahrhundert.

5) Wurde ein kleiner Mühlstein von Sandstein ausgegraben; an der einen Seite sind Rillen eingehauen wie bei einem Mühlstein; auch war in der Mitte über dem Loche ein Eisen befestigt wie bei einem Mühlsteine. Der Stein hat 14 Zoll im Durchmesser, ist 2 1/2 Zoll dick und wiegt 20 Pfund.

Bützow den 30. Mai 1853.

Friedrich Seidel.     

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Das Schloß an der Fähre bei Schwerin.

In Jahrb. VII, S. 251, ist eine Urkunde mitgetheilt, durch welche am 17. Juli 1331 der Graf Heinrich von Schwerin mit dem Herzoge Barnim von Pommern auf dem Schlosse bei der Fähre ("tu der sloten bi der Vere") ein Landfriedensbündniß abschließt. Hierunter wird ohne Zweifel die eine Meile von Schwerin am Ausflusse der Stör aus dem schweriner See gelegene Fähre zu verstehen sein, da nur meklenburgische und schwerinsche Ritter und Knappen bei der Ausstellung der Urkunde gegenwärtig erscheinen.

Diese Annahme wird dadurch bestärkt, daß der Herr Hofschlosser Duve zu Schwerin an dem hohen Ufer hinter der Fähre in dem Sandberge an 20 Fuß tief, also wahrscheinlich in verschütteten ehemaligen Kellerräumen, mehrere große steinerne Kugeln fand, von denen er zwei an die schweriner Sammlungen ablieferte; beide sind in der Oberfläche glatt gerieben; die eine ist rund, die andere ist aber flach, wie zusammengedrückt.

G. C. F. Lisch.     

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Die Burg Galenbek.

Die alte Riebensche Burg zu Galenbek bei Friedland liegt dem jetzigen Hofe grade gegenüber, unmittelbar neben demselben. Von dem großen See her erstreckt sich eine weite moorige Wiesenfläche, welche früher ohne Zweifel Sumpf oder Moor war. An dem Ende dieses Sumpfes, noch in demselben, liegt die alte Burg Galenbek, jetzt mit hohen Bäumen bewachsen.

Der Burgwall ist ein höchstens 8 bis 10 Fuß hohes Rechteck von 45 Schritten Länge und 30 Schritten Breite. Auf demselben stehen in der Erde noch die Wände eines viereckigen Kellers von dem Hauptgebäude in der Mitte, an dem Ost= und Südrande des Walles.

Gegen Norden hin steht noch die sehenswerthe Ruine des großen, runden Thurms, von den Landleuten der "Fangelthurm" genannt. Es ist nur noch die senkrechte Hälfte etwa 25 Fuß hoch vorhanden. In neuern Zeiten ist die Ruine einige Fuß nach der mehr moorigen Seeseite hin hinübergesunken; es hat jedoch der Zusammenhang des Mauerwerkes dadurch nicht im geringsten gelitten. Das Mauerwerk ist sehr dick und fest; die Ziegel sind ungewöhnlich groß, der Kalkmörtel stark mit sehr grobem, reinen Kies, in welchem viele kleine Kieselsteine stecken, vermischt und also sehr mager angerichtet; die äußern Fugen sind mit einer Linie nachgerissen. Die ganze Beschaffenheit des Mauerwerks deutet auf ein Verhältnißmäßig hohes Alter; der Thurm

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wird aus dem Ende des 14. Jahrh. stammen. Die Burg ward im J. 1453 von den Stralsundern zerstört (vgl. Stralsund. Chroniken Bd. I, S. 202). In der Höhe, dem Innern des Burgwalles zugewendet, ist eine niedrige, mit einem flachen Bogen (nicht Spitzbogen) überwölbte Oeffnung, welche wahrscheinlich eine Verbindungsthür zwischen dem Thurme und dem ersten Stock des Hauptgebäudes bildete. Die Rüstlöcher an der Außenwand des Mauerwerkes stehen offen. Das Fundament ist hoch über die Erde hinaus, vielleicht auch das ganze Innere des Mauerwerks, aus Feldsteinen in der Weise gemauert, daß immer eine Schicht von ungefähr 3 Fuß Dicke aus Feldsteinen in Kalk gemauert und diese Schicht mit Bruchstücken von Ziegeln bedeckt ist, um für die nächst folgende Schicht eine grade Oberfläche zu gewinnen. An dem Fundamente sind in Feldsteinen und Ziegeln viele Bohrlöcher zum Sprengen, welches aber vergeblich gewesen ist, wie der Augenschein und viele ausgesprungene Stücke beweisen.

Rund um dieses Viereck der Burg zieht sich ein tiefer Graben.

Nach der Seeseite hin sind weiter keine Befestigungen.

Vor dem ersten Graben liegt im Halbkreise nach der festern Landseite hin ein sehr breiter Wall, auf welchem ohne Zweifel die Vorburgen gestanden haben. Von der Mitte dieses Walles nach der Burg ging die Brücke, von welcher noch einzelne Pfähle in dem Graben stehen.

Um diese Vorburg legt sich im weiten Halbkreise ein zweiter Graben.

Dann folgt ein zweiter Vorwall im Halbkreise, wieder von einem dritten Graben im Halbkreise umgeben.

Daran stößt bis gegen das feste Land ein weites, viereckiges Plateau, auf welchem der jetzige herrschaftliche Hof mit dem Garten steht, welches früher aber wohl das Dorf getragen hat. Auch diess Plateau ist von einem Graben umgeben.

Sowohl durch die feste Lage, als durch alle diese Befestigungen war die Burg Galenbek wohl eine der festesten Burgen im Lande.

Geschrieben zu Galenbek den 31. Januar 1851.

G. C. F. Lisch.     


Einen Grundriß des alten, im J. 1806 abgebrochenen bischöflichen Schlosses Stove im Bisthume Ratzeburg schenkte der Herr Forstjunker von Wickede zu Ratzeburg.


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b. Kirchliche Bauwerke des Mittelalters.


Blätter

zur

Geschichte der Kirche zu Doberan,

vom

Archivar Dr. Lisch.


Ueber

die alte fürstliche Begräbnißkapelle
und
das Grab des ersten christlichen Fürsten

Pribislav

in der Kirche zu Doberan.

Alle alten Chroniken und Urkunden sprechen mit großer Bestimmtheit aus, daß die meisten der alten Fürsten Meklenburgs aus den drei Linien Meklenburg, Werle und Rostock bis zum Jahre 1550 in der herrlichen Kirche der Cistercienser=Mönchs=Abtei Doberan begraben wurden, und zwar mit wenigen Ausnahmen an einer und derselben Stelle, in einer Kapelle, welche großen Ruhm und bedeutende kirchliche und künstlerische Ausstattung hatte. Diese Kapelle gab dem Kloster ein besonderes, ungewöhnliches Ansehen und wandte demselben die reiche Gunst der Landesherren zu. Nach allen Andeutungen war diese Kapelle in dem nördlichen Kreuzschiffe, neben der Pforte, welche in alten Zeiten die öffentliche Hauptpforte war, während die Mönche die Pforte gerade gegenüber im südlichen Kreuzschiffe hatten.

Als im Jahre 1550 der edle Herzog Magnus, der letzte, protestantisch gewordene Bischof von Schwerin, der Sohn des Herzogs Heinrich des Friedfertigen, zuletzt in dieser Kapelle beigesetzt ward, verließ man die alte Sitte des Begrabens in der


*) Ich theile diese Darstellung so mit, wie sie zur Begründung der Verhältnisse amtlich ausgearbeitet ist, ohne die einzelnen Punkte durch die Quellen zu beweisen, da diese in frühern Jahrgängen der Jahrbücher bearbeitet sind.

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Erde: man erbauete für seinen Sarg ein Gewölbe auf dem Fußboden der Kapelle und erhöhete dabei den Fußboden mit dem alten Altare um 4 1/2 Fuß, vorzüglich auch zu dem Zwecke, um ein breites Epitaphium an der Vorderwand der Erhöhung über der vermauerten Oeffnung zu der Gruft anzubringen. Der ganze Fußboden des Vierecks unter dem östlichsten Gewölbe des Kreuzschiffes ward dadurch um ungefähr 5 Fuß erhöhet, und man mußte nun auf einer kleinen Treppe zu dieser erhöheten Kapelle hinaufsteigen, welche mit einem schlechten hölzernen Gitter eingefaßt war. Mit dieser Erhöhung verschwand nun jede Spur von der alten Heiligkeit der Stelle und die erhöhete Kapelle ward sehr bald eine Rumpelkammer für Bau=Material und Rüstwerk; ja zuletzt fing sie an zu verfallen und bot einen unsaubern, störenden Anblick dar, um so mehr, als auch die Umgebungen im Kreuzschiffe zur Aufbewahrung von Bau=Material benutzt wurden.

Sollte die Erkenntniß der merkwürdigen Kapelle wieder lebendig werden, so war es durchaus nothwendig, daß diese verunstaltende Erhöhung entfernt ward. Se. Königliche Hoheit der Großherzog Friedrich Franz gab, in richtiger Erkenntniß der geschichtlichen Bedeutung dieser Stätte, am 18. Dec. 1852 dem Baurath Bartning und dem Archivar und Conservator Dr. Lisch zu Schwerin den Befehl zur Abtragung der Erhöhung und zur Durchforschung der Kapelle, um nach Befinden demnächst die Wiederherstellung anzuordnen. Der Archivar Lisch leitete vom 1.-5. Nov. 1853 an Ort und Stelle die Abtragung und die vorbereitenden Aufgrabungen, welche denn auch zum gewünschten Ziele geführt haben.

Um der Entstehung der fürstlichen Begräbnißkapelle eine sichere Grundlage zu geben, finde hier eine kurze baugeschichtliche Vorbereitung Raum.

Im J. 1164 ward das erste christliche Gotteshaus in den jetzigen meklenburg=schwerinschen Landen in der noch stehenden Kapelle auf dem fürstlichen Hofe Doberan, später Alt=Doberan oder Althof genannt, erbauet. Bei dieser Kapelle zu Althof ward von dem ersten christlichen Fürsten Pribislav im J. 1170 die Cistercienser=Mönchs=Abtei Doberan gestiftet. Am 30. Dec. 1178 stürzte der Fürst Pribislav bei einem Turniere auf der fürstlichen Burg auf dem Kalkberge bei Lüneburg und ward in der Kirche des Benedictiner=Klosters zu St. Michael, welches damals auch auf dem Kalkberge stand, begraben; hier ruhete auch der große Obotritenkönig Heinrich († 22. März 1119; vgl. Jahrb. XVIII, S. 176). Nach Pribislav's Tode fielen die Wenden wieder von dem Christenthume ab und zer=

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störten am 10. Nov. 1179 das Kloster zu Althof. Im J. 1186 stellte Pribislav's Sohn Borwin I. das Kloster wieder her und verlegte es nach dem Dorfe Doberan, wo noch jetzt die Kirche steht, und im J. 1192 bestätigte und erweiterte derselbe und im J. 1193 der Bischof Brunward die Rechte des Klosters. Damals also wird der Grundplan der jetzigen Kirche, mit Ausnahme des aus dem 14. Jahrhundert stammenden vielseitigen Chorumganges festgestellt und theilweise zur Ausführung gekommen sein. Diese älteste Kirche war ohne Zweifel eine große Kirche im romanischen oder Rundbogenstyle, etwa von der Größe und dem Style der großen rundbogigen Klosterkirche zu Jerichow in der Altmark bei Tangermünde, welche vom J. 1147-1152 gebauet ist. Von diesem alten romanischen Bau der doberaner Kirche ist der Westgiebel des südlichen Seitenschiffes mit der Rundbogenpforte und dem Rundbogenfriese in den jüngern Bau aufgenommen und noch heute zu sehen, wie auch viel altes Mauerwerk in den südlichen Seitenwänden steckt. Daß der Grundplan dieser alten Kirche mit der jetzigen Kirche übereinstimmt, geht daraus hervor, daß die südwestliche Ecke der alten Kirche noch heute dieselbe Ecke der jüngern Kirche bildet und die Ruine der Mittelwand des alten, auch noch im Rundbogenstyle aufgeführten Kreuzganges sich an die Außenwand des südlichen Kreuzschiffes lehnt, welche eben so wenig alte Strebepfeiler hat, als die Außenwand des südlichen Seitenschiffes. Die Anlage der beiden Kreuzschiffe, welche sehr breit sind, liegt also im Grundplane des ältesten Baues. Diese romanische Kirche ward am 3. Oct. 1232 eingeweihet. Als aber im 14. Jahrhundert der Spitzbogenstyl die europäische Welt mit einer beispiellosen Begeisterung beherrschte, erhöhete und veränderte man die alte Kirche zu ihrer jetzigen Gestalt und bauete auch den vielseitigen Chorumgang, welche dieser Zeit ganz eigenthümlich ist. Diese spitzbogige Kirche mit ihrer ganzen noch jetzt vorhandenen Einrichtung ward am 4. Juni 1368 eingeweihet.

Nachdem im Verlaufe des ersten Viertheils des 13. Jahrhunderts die Zeiten ruhiger geworden waren und der Kirchenbau so weit Fortschritt gewonnen haben mußte, daß die Ringmauern und die Haupttheile in der Vollendung da standen, führte Borwin, nachdem er im J. 1218 die Besitzungen und Rechte des Klosters wiederholt bestätigt hatte, im Jahre 1219 die Leiche seines Vaters Pribislav vom Michaeliskloster bei Lüneburg nach Meklenburg zurück und begrub sie in der Kirche zu Doberan. Noch vorher schenkte er im J. 1219 dem Michaeliskloster das Dorf Zesemow bei Lübz, welches von da an Michaelisberg genannt ward, aber längst untergegangen ist.

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Die Begräbnißstätte Pribislav's ward nun auch die Begräbnißstätte seiner Nachkommen bis zum J. 1550. Schon im J. 1267 stiftete Heinrich der Pilger ein ewiges Licht an den Gräbern seiner Vorfahren, im J. 1302 stiftete Heinrich der Löwe bei dem Begräbnisse seines Vaters einen Altar in der Begräbnißkapelle seiner Vorfahren in der Kirche zu Doberan und im J. 1400 verordnete der Herzog Rudolph, Bischof von Schwerin, daß auch er in der Kirche zu Doberan, wo alle seine Vorfahren und die alten Fürsten des Landes ruheten, begraben werde. Alle Urkundennachrichten und Traditionen, so wie mehrere alte, große Wappenziegel, welche im Fußboden lagen, deuteten darauf hin, daß diese Begräbnißkapelle im nördlichen Kreuzschiffe an der alten Hauptpforte zu suchen sei.

Die Kreuzschiffe der Kirche zu Doberan sind drei Gewölbe breit, welche nach den Seitenschiffen hin auf zwei hohen, schlanken Pfeilern ruhen, von denen einer in jedem Seitenschiffe achteckig, sehr schlank und wegen des schönen Baues im Volke berühmt ist. Unter dem östlichen Gewölbe des Kreuzschiffes stand der erhöhete Fußboden der Kapelle mit dem Altare über dem Begräbnisse des Herzogs Magnus; unter dem mittlern Gewölbe lagen die Wappenziegel; unter dem westlichen Gewölbe ist die nördliche Pforte und der Zugang zum Schiffe.

Es ließ sich annehmen, daß das östliche und das mittlere Gewölbe zu der alten Begräbnißkapelle gehört hatten, da der Raum unter einem Gewölbe nicht groß genug ist.

Ich begann mit meinen Forschungen im Osten. Der Altarschrein ist ganz verfallen und der Restaurirung völlig unfähig. Die Altarplatte bestand aus einer Kalksteinplatte mit 5 Weihkreuzen. Ich ließ nun den Altarschrein und die Altarplatte abnehmen und darauf den Altartisch abbrechen. Der Altartisch war von alten Ziegeln aufgemauert und enthielt nichts, da er 1550 in der protestantischen Zeit nur aufgemauert war, um den Altarschrein zu erhalten. Zwischen die Steine war ein merkwürdiges Stück von einer uralten Altarplatte, vielleicht von der ältesten Altarplatte der Kapelle, als alter Ziegel vermauert: es war ein an drei Seiten abgehauener, fester Ziegel von 1 1/2 Fuß im Quadrat in der Oberfläche und 4 Zoll Dicke; die vierte Seite, die Vorderteile, war nach unten hin abgeschrägt wie häufig die alten Altarplatten, und auf der Oberfläche war ein großes Weihkreuz eingegraben. - Der ganze Raum der Erhöhung der Kapelle, 4 1/2 Fuß hoch und 12 Fuß Fläche im Quadrat, war mit Sand und Schutt gefüllt. Das Gewölbe über dem Sarge des Herzogs Magnus war sehr leichtfertig auf=

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gemauert, so daß es in kurzer Zeit mit den bloßen Händen abgebrochen werden konnte. Die durch die Erhöhung verdeckt gewesenen alten Seitenwände der Kirche standen im Rohbau; nur die vertieften Flächen der Pfeiler zwischen den Graten waren überweißt. Das Begräbniß des Herzogs Magnus war während des Abbruches durch doppelte Bretterdecken geschützt.

Nachdem der Abbruch vollendet war, öffnete ich die Gruft des Herzogs Magnus. Ich fand dieselbe in der größten Verwüstung. Das Sargholz war zu Moder verfallen und mit Bauschutt vermischt; die Gebeine waren häufig zerbrochen und verwittert und mit verolmtem Knüppelholz vermischt, vielleicht von vielen Rollhölzern, als der Sarg in das niedrige Gewölbe hineingeschoben ward; offenbar war die Gruft früher, vielleicht im dreißigjährigen Kriege, schon durchwühlt.

Ich fand aber, gegen die Vermuthung, nicht eine Leiche, sondern zwei Leichen in dem Gewölbe beigesetzt, an jeder Seite in dem Gewölbe eine, so daß in der Mitte ein breiter Raum leer war. Nach dem Epitaphium gehörte das eine Gerippe, zur Linken, welches am besten erhalten war, dem Herzoge Magnus († 1550). Das zweite Gerippe, welches schon viel mehr zerstört war, gehörte ohne Zweifel seiner Mutter Ursula († 1510), gebornen Markgräfin von Brandenburg, des Herzogs Heinrich des Friedfertigen erster Gemahlin, welche vor dem Herzoge Magnus zuletzt an dieser Stelle in Doberan begraben ward, wie die Gedächtnißtafel auf ihr Begräbniß an der Wand neben dem Fenster beweiset. Wahrscheinlich ward ihre Leiche bei dem Begräbnisse ihres Sohnes, bei der Fundamentirung der Gruft, wieder ausgegraben und umgesargt. Beide Gerippe legte ich in neue Särge, bezeichnete sie interimistisch mit einem Schilde und setzte sie vorläufig in das neuere fürstliche Begräbnißgewölbe hinter dem Altare.

Nach Abräumung der Widerlagen des Gewölbes und des Bauschuttes versuchte ich es, in die Tiefe zu dringen, sah mich jedoch bald durch ein unerwartetes, für den Augenblick unüberwindliches Hinderniß gehemmt. Der ganze Raum der Kapelle unter dem östlichen Gewölbe, von den Seitenwänden bis an die Pfeilergrate, ist nämlich unnöthiger Weise über 4 Fuß tief mit großen Granitblöcken von 3 bis 4 Fuß Durchmesser gefüllt und die Zwischenräume sind mit kleinen Feldsteinen und Ziegelstücken ausgefüllt und mit Kalk ausgegossen, welcher so fest gebunden hat, daß in den Fugen kaum einige Zoll tief einzudringen war; mit gewöhnlichen Brechstangen und andern Werkzeugen war nichts anzufangen, selbst das Untergraben von den Seiten her fruchtete nichts. Ich sah mich daher genöthigt, dieses Unter=

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nehmen aufzugeben; ich that es auch um so lieber, als durch diese ungebührliche Ausfüllung zur bloßen Befestigung des Fußbodens und zur Fundamentirung der Widerlagen für das Gewölbe jede Spur von alten Begräbnissen unter dem Fußboden vernichtet sein muß. Es war freilich gegen meine Erwartung und gegen alle Vermuthung, daß bei dem Begräbnisse des Herzogs Magnus (1550), noch zur katholischen Zeit des Klosters, zwei Jahre vor der Säcularisirung desselben (1552), ein Theil der alten fürstlichen Gruft und Kapelle vernichtet sein sollte.

Ich unternahm darauf die Aufgrabung des Grundes unter dem mittlern Gewölbe des nördlichen Kreuzschiffes, wo die Wappenziegel lagen, welche freilich wiederholt anders geordnet sind, aber doch noch ungefähr in demselben Raume lagen, wohin sie ursprünglich gelegt waren. Hier fand ich in verschiedenen Schichten über einander, etwa 1 Fuß über einander, viele Gerippe, dicht an einander gelegt, im Sande liegen. Ich störte diese nicht weiter, sondern ging in der Mitte unter dem Gewölbe, wo ich keine Leichen, sondern nur reine Erde ohne Schutt fand, weiter in die Tiefe, bis ich grade in der Mitte des Kapellenraumes 4 Fuß tief unter dem Fußboden der Kirche auf altes Mauerwerk stieß, und in diesem das Grab Pribislav's zu vermuthen Ursache hatte.

Von Bedeutung bei dieser Untersuchung war, daß im J. 1843 bei der Aufgrabung des Grundes im hohen Chore zur Fundamentirung des Sarkophages für den hochseligen Großherzog Friedrich Franz I. ganz dieselben Erfahrungen gemacht wurden.

Der ganze Grund der doberaner Kirche ist Sand (sogen. Sogsand), welcher bei 4 bis 5 Fuß Tiefe unter Wasser steht, so daß ein gegrabenes Loch sich nach kurzer Zeit mit Wasser füllt. In diesem nassen Sande stand in gleicher Tiefe die Leiche Heinrichs des Löwen in einem von Ziegelsteinen aufgemauerten offenen Sarkophage (vgl. Jahrbücher des Vereins für meklenb. Geschichte, IX, S. 429-431).

Ganz dieselbe Erscheinung zeigte sich unter dem mittlern Gewölbe der alten fürstlichen Begräbnißkapelle. In einer Tiefe von 6 Fuß war ein Sarkophag von uralten, großen Ziegeln aufgemauert, welcher 2 Fuß hoch war, so daß der obere Rand 4 Fuß tief unter dem Fußboden stand; dieser Sarkophag war 8 Fuß lang, 2 Fuß 10 Zoll weit im Lichten, 2 Fuß hoch, oben und unten offen. In diesen Sarkophag war ein Sarg gestellt, welcher 6 1/2 Fuß lang und am Kopfende 2 Fuß breit war; der Sarg war nur von Holz gewesen, ohne irgend eine Metallverzierung. Von dem Holze war aber keine Spur mehr

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vorhanden; es war völlig vermodert, jedoch an einem dunkelbraunen Streifen in dem nassen Sande sehr klar und bestimmt zu erkennen. In diesem Sarkophage und innerhalb des an dem braunen Streifen erkennbaren Sarges lag, 5 1/2 Fuß tief unter dem Fußboden, in Sand und Wasser, ein Gerippe, gegen Osten schauend, 6 Fuß hamburger Maaß lang. Bei der Aufgrabung kamen der Schädel und die Beine ans Tageslicht; ich ließ diese Gebeine ruhig an ihrer Stelle liegen und befreiete sie nur von Erde. Es fehlten dem Schädel mehrere Backenzähne und die Schneidezähne standen hoch heraus; das linke Schläfenbein war zerbrochen, vielleicht ursprünglich, von dem Sturze, an welchem Pribislav bei dem lüneburger Turnier starb. Das Gerippe hatte ein sehr altes Ansehen, das Gerippe Heinrich's des Löwen († 1329) war fester und besser erhalten: schon hieraus möchte sich der Schluß ziehen lassen, daß das Gerippe wenigstens 100 Jahre länger liege, als das Heinrichs des Löwen. Zu einer weitern Untersuchung und zur Bloßlegung des Gerippes, welche ich nicht einmal paßlich fand, hielt ich mich nicht ermächtigt, sondern bedeckte das Gerippe wieder mit Erde, wie ich es gefunden hatte.

Dieses Grab halte ich mit vollster Ueberzeugung für das Grab des Fürsten Pribislav († 1178) aus folgenden Gründen.

1) Spricht das Begräbniß selbst für die Ruhestätte Pribislavs. Die Leiche liegt in der Mitte unter dem Kirchengewölbe, in grader Linie vor dem Altare, so tief, wie kein anderes, so daß diese Leiche zuerst an dieser Stelle begraben sein muß, indem alle anderen Leichen neben derselben und höher liegen. Außerdem zeugt dafür die uralte, durch andere Beispiele verbürgte Bestattungsweise und die Beschaffenheit des Gerippes.

2) Lagen in der Tiefe dicht an dem Ziegelsteinsarkophage, an der Außenseite desselben, Stücke von dem ältesten Fußbodenpflaster, welche bei dem Begräbnisse losgetreten und hinuntergeglitten waren. Diese bestanden aus den kleinen Mosaikziegeln, 1 ) mit denen die Altarstellen zu Althof und Doberan gepflastert sind; es waren mehrere Male 2, 3, auch 4 Stück neben einander in Kalk gelegt, so daß es nicht zu bezweifeln ist, daß sie von dem alten Fußbodenpflaster abgetreten waren. Alle hatten noch ein frisches Ansehen und an den tiefern Stellen eine glänzende Glasur, so daß sie noch nicht lange gelegen haben


1) Man vergleiche oben die Abhandlung über die Fürstin Woizlava und die Kapelle zu Althof.
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konnten, als sie versanken. Diese Ziegel stammen noch aus der Zeit der Gemahlin des Fürsten Pribislav, der Fürstin Woizlava, und wurden dazu benutzt, die besonders heiligen und wichtigen Stellen in der Kapelle zu Althof und demnächst in der Kirche zu Doberan zu pflastern. Auch bei der Abtragung und Aufgrabung der andern Räume fand ich hin und wieder zwischen Schutt und Erde diese Mosaikziegel, jedoch schon mehr abgetreten.

3) Besitzen wir ein ausdrückliches Zeugniß darüber, daß Pribislav an dieser Stelle begraben liegt. Der aus Wismar gebürtige lübeker Prediger Reimar Kock sagt in seiner Chronik der Stadt Lübek von dem Fürsten Pribislav:

Anno 1170 buvede he ock dat Closter Dobberan, dar he Pribischlaus begrauen licht in der Karcken int Norden under einem schönen Stene mit Mißinck belecht, worup gehauen: Pribislaus dei gratia Herulorum, Vagriorum, Circipanorum, Polaborum, Obotritorum, Cissinorum, Vandalorum rex.

Reimar Kock war in Wismar geboren, trat im J. 1524 in das St. Katharinen=Kloster zu Lübek und ward bald nach Einführung der Reformation daselbst Prädicant und 1553 Pastor an der Petrikirche († 1569). Er schrieb eine Chronik der Stadt Lübek und vollendete das hier zur Frage stehende erste Buch derselben im J. 1549, also ein Jahr vor dem Tode des Herzogs Magnus von Meklenburg. In dieser Chronik behandelt er mit Vorliebe auch die Geschichte Meklenburgs und bewährt sich überall als einen einsichtsvollen und zuverlässigen Mann. Es ist daher keinem Zweifel unterworfen, daß er das Kloster Doberan und die Merkwürdigkeiten der Kirche aus eigener Anschauung kannte, um so mehr, da er so ausführlich und zuversichtlich berichtet. Dieser Grabstein muß bald nach des Herzogs Magnus Beisetzung (1550) untergegangen sein, da Latomus († 1614) in feinem meklenburgischen Genealochronikon (1610) über denselben sagt, daß

"dieser stein nicht alda wird gefunden"

(vgl. Jahrb. II, S. 6). Ohne Zweifel war die Grabplatte eine große, gravirte Messingplatte oder eine Kalksteinplatte, in welche kleinere gravirte Messingplatten, wie z. B. ein Bild oder ein Schild und die Inschrift eingelassen waren. Daß das Grab mit einer großen Platte belegt gewesen ist, geht daraus hervor, daß das Begräbnis seit der Bestattung Pribislav's nicht angerührt gewesen ist, da sich keine Spur von Gebeinen und Mauerschutt über der Leiche fand, während zur Seite in mehreren Schichten die Leichen über einander lagen.

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4) Hiemit stimmt das Epitaphium überein, welches der Herzog Heinrich der Friedfertige im J. 1514 durch seinen gelehrten Rath Dr. Nicolaus Marschalcus Thurius († 1525) über dem Grabe Pribisiav's errichten ließ, als die Stelle des Begräbnisses noch bekannt war und der Leichenstein noch auf dem Grabe lag. Auf einer Tafel, welche an dem Wandpfeiler zu den Häupten Pribislav's hängt, stehen die Worte:

Epitaphium Pribislai, primi fundatoris hujus monastarii, qui fuit filius Nicoloti etc. und ein Gedicht mit der Lebensbeschreibung Pribislav's in lateinischen Hexametern und Pentametern. Im J. 1514 ließ nämlich der Herzog Heinrich nicht allein die fürstlichen Denkmäler in der Kirche zu Doberan restauriren, sondern auch die Epitaphien auf schwarzen Brettern mit goldenen Buchstaben durch den Rath Nic. Marschalk setzen (vgl. Jahrb. II, S. 175).

5) In Verbindung mit diesen Inschriften stehen die Bilder Niklots und Pribislav's, welche an der westlichen Wand des nördlichen Kreuzschiffes dem Altare gegenüber aufgehängt sind und ebenfalls aus der Zeit des Herzogs Heinrich des Friedfertigen stammen (vgl. Jahrb. II, S. 37 flgd.), wenn sie auch im vorigen Jahrhundert unter dem Herzoge Christian Ludwig restaurirt sind.

6) In Betracht der besondern Ehrwürdigkeit des Begräbnisses des Fürsten Pribislav, des christlichen Stammvaters der meklenburgischen Fürsten aller Linien und des Stifters des Klosters Doberan, ward die Kapelle, wo Pribislav begraben liegt, zur Familiengruft aller meklenburgischen Fürsten (bis 1550) erhoben. Schon im J. 1267 stiftete Heinrich der Pilger eine ewige Wachskerze an den Gräbern seiner Aeltern und seines Bruders ("in memoriam patris nostri domini Johannis de Wismaria et matris nostre Luthgardis fratrisque nostri domini Alberti - - circa predictorum "defunctorum sepulcra"). Der Fürst Heinrich der Löwe stiftete im J. 1302 bei der Beisetzung seines Vaters, Heinrich's des Pilgers, eine ewige Wachskerze an der Stelle seines Begräbnisses (im hohen Chore) und einen Altar und lobenswerthe Fenster in der Kapelle, wo seine Vorfahren begraben lagen ("unum altare et fenestras laudabiles in capella, ubi progenitores nostri requiescunt"). Im Jahre 1400 verordnete der Herzog Rudolph, Bischof von Schwerin, daß, da seine Väter und Vorfahren ("patres et progenitores"), wie sie aus dem Heidenthume zu Lichte des rechten Glaubens gelangt seien, bei dem Cistercienser=Orden zu Doberan, der ersten Pflanzung des christlichen Glaubens, sich

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das Begräbniß erwählt und die Nachkommen derselben Fürsten von ganz Wendenland ("totius Slaviae") dort das Begräbniß verdient hätten, auch er sich sein Begräbniß bei seinen Vorfahren ("apud eosdem nostros progenitores") erwähle, in Betracht der herzlichen Liebe, die er zu einem so ausgezeichneten und ihm theuren Orte habe. Die Stiftung des Altares in dieser Kapelle stammt also aus dem J. 1302 von dem Fürsten Heinrich dem Löwen. Der große, dicke Ziegel von einer Altarplatte mit einem Weihkreuze mag also noch aus jener Zeit stammen, als der Ziegelbau noch mehr blühete, als in den folgenden Zeiten.

7) Nach den glaubwürdigen Nachrichten in den Urkunden und Chroniken wurden die in der Anlage 1. verzeichneten Fürsten aus den Linien Meklenburg, Werle und Rostock in dieser Kapelle begraben. Neben dem Grabe Pribislav's lagen in zwei Schichten ungefähr 1 Fuß über einander Gerippe im bloßen Sande dicht neben einander.

8) Da hier der Fürsten so viele begraben wurden, so daß sie nicht neben einander Platz hatten, so wählte man zur Bezeichnung ihres Begräbnisses nur kleine Platten mit den Reliefwappen der Linien. Dies sind Ziegelplatten, von ungefähr 15 Zoll im Quadrat und gegen 4 Zoll Dicke, mit dem flachen Relief des Stierkopfes auf einem schräge rechts gelehnten Schilde, ursprünglich schwarz glasurt, in den Vertiefungen mit Kalk ausgefüllt. Latomus in seinem meklenburgischen Genealochronikon (1610) berichtet:

"Es liegen 12 gebrandte Grabsteine alda, darunter die Herren von Werle begraben".

Von diesen sind jedoch nur 6 übrig geblieben. Vier von diesen enthalten den kurzen, gedrungenen meklenburgischen Büffelskopf mit dem Halsfell; zwei derselben sind durchgebrochen, jedoch noch in den Bruchstücken vorhanden; nach der Zeichnung und der Arbeit, namentlich in Vergleichung mit denselben Steinen (mit Schild und Helm) auf dem Grabe Heinrichs des Löwen, stammen diese Steine aus dem 14. Jahrhundert. Ein fünfter Stein von derselben Größe und Arbeit enthält den lang gezogenen werleschen Ochsenkopf ohne Halsfell; dieser muß vor dem J. 1436 (dem Jahre des Erlöschens der Linie Werle) verfertigt sein und stammt ebenfalls aus dem 14. Jahrh., da die letzten Werleschen Fürsten im Dome zu Güstrow begraben sind und der Füst Johann II. von Werle=Güstrow nach der Chronik der letzte werlesche Fürst war, welcher im J. 1337 in der Kirche zu Doberan begraben ward. Diese 5 Steine lagen, nach neuerer

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Anordnung, jedoch gewiß nach alter Tradition, auf dem Grabe Pribislav's und an der rechten, südlichen Seite desselben, wo die Gerippe über einander lagen. - Ein sechster Stein ward dicht vor dem Gewölbe des Herzogs Magnus († 1550) und halb von demselben bedeckt gefunden. Dieser ist viel kleiner, dünner und von anderer Ziegelmasse; er enthält einen meklenburgischen Büffelskopf, offenbar aus dem Ende des 15. oder den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. - Alle diese Wappenziegel bezeichnen ohne Zweifel die allgemeine Begräbnißstätte der Nachkommen Pribislav's.

9) In Folge aller dieser Denkmäler und gewiß alter Klosternachrichten bezeichnete der Herzog Heinrich der Friedfertige durch seinen Rath Dr. Nicolaus Marschalk diese Begräbnißstätte durch eine Tafel mit der Inschrift:

Principes magnifici de Werle vulgariter dicti hîc sunt depositi.

Diese Tafel hängt an der Nordseite eines Pfeilers im nördlichen Seitenschiffe, dem Begräbnisse Pribislavs gegenüber. Marschalk hat unter den "Fürsten von Werle genannt" unzweifelhaft wohl alle Fürsten wendischen Stammes verstanden, da hiervon züglich die wendischen Fürsten von der Linie Meklenburg begraben sind. Das Wort Werle ward häufig gleichbedeutend mit Wenden gebraucht.

10) Zum Schmuck der Fürstenkapelle wurden dort auch schön gemalte Fenster 1 ) unterhalten. Schon im J. 1302 stiftete der Fürst Heinrich der Löwe zum Seelenheile seiner Aeltern bei dem Begräbnisse seines Vaters einen Altar und

gemalte fenster ("fenestras laudabiles") in der Kapelle, in welcher seine Vorfahren ruheten ("in capella, ubi progenitores nostri requiescunt").

Wahrscheinlich ist es das erste, alte, gemalte Fenster, welches ich in Trümmern bei der Aufgrabung entdeckt habe. Bei dem


1) Die ältesten Glasgemälde der doberaner Kirche, wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert stammend, Arabesken=Muster, meistentheils schwarz auf grau, auf dickem Glase, mit buntem Glase verziert enthaltend, wie häufig in Cistercienser=Kirchen (z. B. in der Kirche des noch bestehenden Cistercienser=Klosters zum Heil. Kreuze bei Baden in Oesterreich), sind wohl im Kloster Doberan selbst gemalt. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden Glasgemälde sur die doberaner Kirche wohl in Rostock gemalt, wofür, nach den wenigen Ueberresten aus dieser Zeit in Doberan und Rostock, auch der Styl zu reden scheint. Im J. 1515 ließen die Herzoge Heinrich und Albrecht die Fenster der doberaner Kirche durch den "Fenstermacher Meister Hans Goltschmidt zu Rostocks restauriren, welcher auch "vermalte Tafeln" zu liefern hatte (vgl. Jahrb. II, S. 38 und 175). Noch am 24. August 1557 bestand zu Rostock das Glasergewerk und das Maleramt (und in diesen die Glasmaler) als Eine Zunft, als dieselben zu einer ihnen gehörenden Vicarei in der Marienkirche zu Rostock einen Vicar präsentirten.
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Abbruche des Altars fand ich hinter demselben eine große Menge alter, gemalter Glasscherben, unter diesen noch viele wohl erhaltene Stücke, welche zum größten Theile einem und demselben Fenster angehörten. Dieses gemalte Fenster hat in der jetzt sehr verstümmelten östlichen Fensterlucht über dem Altare gestanden und ist wahrscheinlich in dem obern Theile heruntergestürzt, weshalb auch noch heute die Fensterlucht oben zugemauert ist. Das Fenster ist dreiteilig und die Scherben gehören wahrscheinlich dem mittlern Drittheil an. Der größte Theil der gemalten Scherben besteht aus dickem, grünlichen Glase, über 1/8 Zoll dick, welches mit Eichenlaub schwarz in grau bemalt ist. Als Schmuck hat in diesem Fenster ein meklenburgisches Wappen gesessen. Ich fand noch mehrere Pfauenaugen von den Pfauenfedern des meklenburgischen Helmes, unter denselben mehrere noch vollständig erhalten. Von dem meklenburgischen Schilde war keine Spur zu finden; wahrscheinlich ist aber derselbe herausgenommen, um ihn zu retten, und in ein südöstliches Fenster des Chorumganges eingesetzt; hier sitzt nämlich noch ein uralter Schild mit dem meklenburgischen Stierkopfe. Der Kirchenglaser hat mich versichert, daß er denselben aus einem Fenster des nördlichen Umganges herausgenommen und in den südlichen Umgang versetzt habe. Andere gemalte Scherben waren jünger, aber noch gut. So fand ich noch einen Christuskopf und andere Scherben eines Crucifixes auf dünnerm Glase. Dies stimmt wieder zu der Verzierung des Altars, wovon unten die Rede sein wird. Wahrscheinlich waren auch die andern Fenster der Kapelle in der Nordwand derselben gemalt. Im Jahre 1522 sagt Dr. Nicolaus Marschalk, als er mit dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen die Alterthümer Doberans durchforschte:

"Der Pribislabus ist gewest der erste, welcher hat den königlichen Titel fallen lassen, in dem Closter Doberan begraben, do mag men heutiges Tages sehen in alten Fenstern etliche von den alten Königen hirinen angezogen".

(Vgl. Jahrb. I, S. 132). Wahrscheinlich war auch in einem Fenster die Inschrift, welche Nathan Chylräus mittheilt:

"Pribislaus, filius regis Nicoloti, primus fundator hujus monasterii inclytus ac religiosissimus, cujus reliquiae sunt hic conditae".

(Vgl. Jahrbücher II, S. 6).

In dem Kreuzgangsfenster, also gegen Süden, im Kreuzschiffe, dem Grabe Pribislav's gegenüber, war der Stammbaum des Geschlechts Pribislav's in allen Linien gemalt; dieser Stammbaum ist in den Jahrb. I, S. 131 flgd. abgedruckt.

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11) Das Begräbniß der Fürsten in dieser Kapelle dauerte bis zur Reformation fort. Wahrscheinlich ward hier auch der Herzog Magnus II. († 1503) begraben, wenn auch seine Statue im südlichen Chorumgange aufgestellt ist. Es war nämlich in der Kapelle neben dem Grabe Pribislav's ein aus Holz geschnitztes fünfschildiges meklenburgisches Wappen aufgehängt. Die Wappenzeichen haben noch ganz die alten Formen, jedoch ist durch die Aufnahme des Armes für Stargard das Wappen fünfschildig geworden. Dieses Wappen kann also erst nach dem Jahre 1488 gemacht sein.

12) Zuletzt wurden hier sicher der Herzog Balthasar († 1507), des Herzogs Magnus Bruder und der Herzog Erich († 1508), des Herzogs Magnus Sohn, begraben, da an dem Mittelpfeiler der Kapelle zu den Füßen Pribislav's die Statuen beider Herzoge aufgestellt sind. Daneben hängt an demselben Pfeiler eine Tafel mit der Inschrift:

Biddet Gott vor Hartich Baltzer vnd vor Hartich Erich, Hartich Magnus Sone, vnd vor Frowen Ursulen, Hartich Hinrichs Vorstinnen, dat en Gott gnedig sie.

13) Ohne Zweifel ward nach dieser Inschrift hier auch die Herzogin Ursula, geborne Markgräfin von Brandenburg, des Herzogs Heinrich des Friedfertigen erste Gemahlin, † 1510, beigesetzt. An einem nördlichen Wandpfeiler der Kapelle, neben dem Epitaphium auf den Fürsten Pribislav, hängt außerdem noch ein von dem Rath Dr. Nicolaus Marschalk verfaßtes Epitaphium auf sie. Die Leiche ward im J. 1550 neben der Leiche ihres Sohnes Magnus beigesetzt.

14) Endlich ward durch das Begräbniß des Herzogs Magnus, Bischofs von Schwerin († 1550), die alte Begräbnißstätte geschlossen und in Vergessenheit gebracht, indem unter dem östlichen Kirchengewölbe ein Begräbnißgewölbe auf den Fußboden aufgeführt und in diesem nicht allein seine, sondern auch seiner Mutter Ursula Leiche beigesetzt ward. Ein großes Epitaphium mit Inschrift und dem meklenburgischen Wappen aus Sandstein war über dem Eingange des Gewölbes angebracht.

15) So deuten alle schriftlichen Nachrichten und Monumente daraufhin, daß unter dem Mittelgewölbe des nördlichen Kreuzschiffes die alte Begräbnißstätte der meklenburgischen Fürsten war, von der Befestigung des Christenthums bis zur Durchführung der Reformation, von der Bestattung Pribislav's 1219 bis zur Beisetzung des letzten schweriner Bischofs Magnus 1550. Auf keiner Stelle waren und

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sind die Monumente auf das Fürstenhaus so sehr auf einen Punkt zusammengedrängt, als hier. Selbst die Gedenktafeln auf Heinrich den Löwen, welcher im hohen Chore hinter dem der Kapelle gegenüberstehenden Pfeiler begraben ist, sind dieser alten Begräbnißstätte zugekehrt. Die Stelle hat um so mehr locale Bedeutung, als sie der hoffentlich wieder herzustellenden Hauptpforte für die Klosterbewohner im südlichen Kreuzschiffe, so wie dem Mittelgange zwischen Chor und Schiff grade gegenüber und der nördlichen Pforte für die Pilger, neben welcher die schöne Heilige=Bluts=Kapelle steht, zunächst lag. Die Namen der Fürsten, welche in dieser Kapelle begraben wurden, so weit sie sich aus Chroniken, Urkunden und Denkmälern haben ermitteln lassen, sind in der unten beigebrachten Anlage 1. verzeichnet. Es unterliegt keinem Zweifel, daß nicht noch mehr Fürsten hier begraben wurden, jedoch sind keine Nachrichten darüber vorhanden.

16) Von Bedeutung dürfte endlich die kirchliche Bestimmung der Fürstenkapelle sein, indem alle Darstellungen fast rein biblisch sind und viel weniger römisch=katholische Heiligenbilder enthalten, als sonst gewöhnlich die Altäre zu haben pflegen. Freilich zeichnet sich die alte Symbolik der doberaner Kirche durch rein biblische Darstellungen aus, wie z. B. der prachtvolle Hochaltar fast ganz biblisch ist. Aber die Fürstenkapelle scheint wenigstens ebenso viel biblischen Geist zu athmen. Der alte Altar, welcher sehr schön gemalt war, hat so sehr gelitten, daß er nur mit Mühe zu entziffern ist. An eine Restaurirung ist nicht zu denken. Nach der Beschreibung in der Anlage 2. enthält die Mitteltafel unten das Abendmahl, eine im Mittelalter seltene Darstellung für die Mitteltafel, und darüber die Kreuzigung Christi. Die Flügel enthielten links wahrscheinlich die Jugendgeschichte Christi in Beziehung auf Maria, rechts die Leidensgeschichte Christi. Hoch über dem Altare steht noch jetzt ein großes Crucifix in Lebensgröße, und in dem östlichen Fenster über dem Altare befand sich ein auf Glas gemaltes Crucifix.


So konnte denn auch der fürstliche Rath Dr. Nicolaus Marschalcus Thurius im vollen gerichtlichen Bewußtsein der Wichtigkeit dieser Stelle im J. 1514 das Epitaphium auf den Fürsten Pribislav in dessen Geiste mit diesen Worten schließen:

Hinc Solymas adii, rediens dum troica lusi,
Urbe cadens Lunae tristia fata tuli.
Oblitos sed ibi cineres relligio grata

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Noluit et justis condidit illa locis.
Felices semper si jura tueri nepotes
Prisca loci studeant et pia coepta juvent.

(Heimgekehrt von der heiligen Stadt, als ich festlich turnierte, Stürzt' ich zu Lüneburg und fand dort ein trauriges Ende. Doch es gestattete nicht die dankbare Kirche, daß meine Asche vergessen werd', und begrub sie an passender Stelle.

Segen den Enkeln, die stets der Stätte geheiligte Rechte

Ehren mit liebendem Sinn und treu das Geweihete pflegen.)


Anlage 1.

Verzeichniß
der Fürsten, welche in der alten fürstlichen Begräbnißkapelle in der Kirche zu Doberan begraben sind.

Nachdem Se. Königliche Hoheit der Allerdurchlauchtigste Großherzog Friedrich Franz am 15.Dec. 1853 die Herstellung * ) der alten fürstlichen Begräbnißkapelle Allerhöchst befohlen hat, ist es zur Aufstellung von Gedächtnißtafeln nöthig, die Namen derjenigen fürstlichen Personen, so viel als noch möglich ist, zu ermitteln, welche an dieser Stelle begraben sind. Es ist beabsichtigt, drei Tafeln aufzustellen, von denen die mittlere den Namen des hier begrabenen fürstlichen Stammvaters Pribislav, die Tafel zur Rechten die Namen seiner Nachkommen von der Linie Meklenburg, die Tafel zur Linken die Namen seiner Nachkommen von den Linien Werle und Rostock enthalten soll.

Es liegen in der alten fürstlichen Begräbnißkapelle folgende fürstliche Personen begraben:

I. Der christliche Stammvater des fürstlichen Hauses: Pribislav † 30. Dec. 1178.

II. Fürsten von Meklenburg:

  1) Nicolaus I. † 25. Mai 1201.
  2) Heinrich Borwin I. † 28. Jan. 1227.


*) Se. K. H. der Allerdurchlauchtigste Großherzog haben geruhet, bei Allerhöchstihrer Anwesenheit in Doberan am 15. Dec. 1853, nach voraufgegangener Allerhöchsteigener Untersuchung, mündlich, und darauf am 17. Dec. schriftlich die Wiederherstellung der alten Fürstenkapelle in altem Style Allergnädigst anzuordnen.
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  3) Nicolaus II. † 28. Sept. 1225.
  4) Johann I. der Theologe † 1. Aug. 1264.
  5) Luitgard, dessen Gemahlin, † 1267.
  6) Heinrich I. der Pilger † 2. Jan. 1302.
  7) Albrecht I. † 17. Mai 1265.
  8) Nicolaus, Propst zu Schwerin, † 8. Juni (1289).
  9) Albrecht II. der Große † 18. Febr. 1379.
10) Heinrich III. † 24. April 1384.
11) Magnus I. † 1. Sept. 1385.
12) Johann III. † 16. Oct. 1422.
13) Rudolf, Bischof zu Schwerin, †† 1415.
14) Heinrich IV. der Dicke † 9. März 1477.
15) Magnus II. † 20. Nov. 1503.
16) Balthasar † 16. März 1507.
17) Ursula, Gemahlin Heinrichs V, † 18. Sept. 1510.
18) Erich † 22. Dec. 1508.
19) Magnus III, Bischof zu Schwerin, † 28. Jan. 1550.

III. A) Fürsten von Werle:

  1) Nicolaus I. † 7. Mai 1277.
  2) Heinrich I. † 8. Oct. 1291.
  3) Johann I. † 15. Oct. 1283.
  4) Bernhard I. † 10. Oct. 1281.
  5) Nicolaus II. † 12. Oct. 1316.
  6) Johann II. † 27. Aug. 1337.

B) Fürsten von Rostock:

  1) Heinrich Borwin III. † 1278.
  2) Waldemar † 9. Nov. 1282.
  3) Heinrich † jung.
  4) Erich † jung.


Bemerkungen.

II. Fürsten von Meklenburg.

1) Fürst Nicolaus I.

fiel in der Schlacht bei Waschow am 25. Mai (1200 ?). In dem doberaner Nekrologium (Jahrb. I. S. 136) heißt es:

"Nicolaus Kussinorum et Kissinorum princeps anno domoni MCC, VIII. kalendas Junii interfectus est in Warcho".

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in dem Jahre waltet hier Wohl ein Versehen, da das Jahr nach Suhm dän. Gesch. VIII, S. 601 flgd., v. Lützow Mekl. Gesch. I, S. 256, v. Kobbe Lauenb. Gesch. I, S. 243 auf 1201 bestimmt ist.

2) Fürst Borwin I.

starb am 28. Jan. 1227; vgl. Jahrbücher I, S. 134 und 136; III, S. 35; X, S. 4.

3) Fürst Nicolaus II.

Nach Wedekind's Vermuthung (Jahrb. I, S. 134, Note) soll Nicolaus II. am 3. Mai 1226 gestorben sein. Wahrscheinlich starb er aber am 28. Sept. 1225, da in dem allerdings wichtigen Memorienbuche des Klosters Amelungsborn (Jahrb. III, S. 36) aufgezeichnet ist:

"IV. kal. Oct. obiit Nicolaus, filius Burwini principis Slauorum";

vgl. Jahrb. XIII, S. 122-123. Im J. 1224 VII. id Jan. war er, "Nicolaus Burwini filius" noch Zeuge bei dem Grafen Albrecht von Holstein zu Eutin (vgl. Schleswig=Holstein. Urkunden=Sammlung I. S. 456). Im August 1226 nennt ihn sein Vater bei der Bestätigung des Doms zu Güstrow nicht mehr.

4) Fürst Johann I.

starb am 1. Aug. 1264. In dem doberaner Nekrologium (Jahrbücher I, S. 136) heißt es:

Johannes dei gratia Magnopolitanorum principes et theologus obiit anno domini MCCLXIIII, kalenis Augusti".

In der Urkunde seines Sohnes Heinrich vom 14. Juni 1267 (gedruckt in Westpahlen Mon. ined. III, p. 1511), durch welche er ein ewiges Licht an den Gräbern seiner Aeltern und seines Bruders Albrecht stiftete, wird auch gesagt, daß an dem Gedächtnißtage des Fürsten Johann dem Klosterconvent eine außerordentliche Gabe (servitium) gereicht werden solle. In dem alten Diplomatarium des Klosters, welches diese Urkunde allein enthält, ist über der Ueberschrift bei den Worten "super servitio" im 15. Jahrh. auch beigeschrieben: "ad vincula Petri", d. i. 1. August.

5) Fürstin Ludgard, dessen Gemahlin,

soll nach Rudloff M. G. II, S. 47, vor dem 14. Juni 1268 nach ihrem Gemahle gestorben sein. Diese Angabe ist offenbar aus der so eben bei dem Fürsten Johann I. berührten Urkunde entlehnt. Diese Urkunde, welche nicht im Originale, sondern nur in dem im Anfange des 14. Jahrh. geschriebenen Diplomatarium der Urkunden des Klosters erhalten ist, ist vom XVIII. kal. Julii MCCLXVII und eben so in dem Abdruck bei Westphalen, also vom J. 1267 datirt. Auf dem Rande des Abdrucks bei Westphalen steht aber durch einen Druckfehler die Jahreszahl 1268, und dieser Druckfehler hat Rudloff zu seiner unrichtigen Angabe verleite Die Fürstin Ludgard ward, gegen den Gebrauch, in der Klosterkirche zu Doberan begraben; die Urkunde sagt ausdrücklich, daß der Fürst Heinrich ein ewiges Licht in der Kirche zu Doberan an den Gräbern seines Vaters Johann, seiner Mutter Luthgard, seines Bruders Albert, seiner Vorfahren und Freunde, welche alle verstorben, stifte:

"pro salutari remedio animarum parentum nostorum, patris nosti videlicet Johannis de Wismaria et matris nostre domine Luthgardis

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fratisque nostri domini Alberti - - ad felicem memoriam iam dictorum parentum nostrorum aliorumque amicorum et progenitorum nostrorum -- candelam ceream circa progenitorum defunctorum sepulchra die noctuque iugiter ardentem; in anniuersario memorati nobilis domini Johannis seruitium faciet annuale".

Die Fürstin war also schon am 14. Juni 1267 gestorben. Da ihr Sohn Albrecht schon am 17. Mai 1265 gestorben war, so machte der Fürst Heinrich diese Stiftung wahrscheinlich beim Begräbnisse seiner Mutter im Juni 1267. Man kann daher annehmen, daß die Fürstin Ludgard im J. 1267 gestorben sei.

Uebrigens war die Fürstin Ludgard nicht die erste Frau, welche in der Klosterkirche zu Doberan begraben ward. Es war hier schon die Fürstin Jutte, Gemahlin des Fürsten Nicolaus I. von Werle, begraben (vgl. Jahrb. IX, S. 431); später ward hier im J. 1464 die Prinzessin Anna, Tochter des Herzogs Heinrich des Dicken, begraben (vgl. daselbst S. 432); es war also nicht so unerhört, daß fürstliche Frauen in der Klosterkirche begraben wurden, wie Slagghert bei dem Begräbnisse der Herzogin Ursula im J. 1510 meint.

6) Fürst Heinrich I. der Pilger

starb am 2. Jan. 1302, vgl. doberaner Nekrologium in Jahrb. I, S. 136.

7) Fürst Albrecht I.

starb am 17. Mai 1265. Das doberaner Nekrologium in Jahrb. I, S. 136 ist in dem Sterbetage incorrect. Ein anderes, später aufgefundenes Exemplar von der Hand des Secretairs und Archivars Samuel Fabricius liest bestimmter:

"Albertus dei gratia Magnopolensis dominus obiit anno domini MCCLXV. Maii".

8) Fürst Nicolaus, Dompropst zu Schwerin.

Nach dem doberaner Nekrologium (in Jahrb. I, S. 136) starb er am 8. Junii:

"Nicolaus dei gratia dominus Magnopolensis et prepositus, in Zwerin obiit VI. idus Junii et sepultus in Doberan".

Am 2. April 1289 stellte er noch eine Ukunde zu Lübek aus. Vgl. Rudloff M. G. I, S. 78.

9) Fürst Albrecht II. der Große. Detmar's Lübische Chronik sagt:

"In dem jare MCCCLXXIX, des vrydages vor vastelauende do starf hertoch albert van mekelenborch to swerin unde wart begraven to doberan".

Nach dieser Hauptquelle starb Herzog Albrecht also am 18. Febr. 1379, und nicht am 19. Febr., wie bisher angenommen ist.

10) Herzog Heinrich III.

starb am Tage des H. Georg (24. April) 1384 in Folge eines Sturzes im Turnier zu Wismar; vgl. doberaner Genealogie (Jahrb. XI, S. 22):

"Filius eius (Alberti) senior Hinricus hastiludiis intenden in curia sua Wismer anno domini M °CCC

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LXXXIIII in die sancti Georgii, ubi subtus equum corruit, adeo lesus fuit, quod paulo post exspirauit".

11) Herzog Magnus I.

starb am Tage Egidii (1. Sept.) 1385; in der doberaner Genealogie (Jahrb. XI, S. 22-23) heißt es:

"dominus Magnus anno domini M °CCC°LXXXV° in die sancti Egidii decesserat".

12) Herzog Johann III.

starb am 16. Oct. ("in sunte Gallen dage") 1422; vgl. Jahrb. XIII, S. 420.

13) Herzog Rudolf, Bischof zu Schwerin,

starb im J. 1415 (vgl. Rudloff M. G. II, 2, S. 560). Der Bischof Rudolf, aus dem Hause Meklenburg=Stargard, erwählte sich schon am 15. Nov. 1400 sein Begräbniß in der Kirche zu Doberan bei seinen Vorfahren (vgl. Jahrb. IX, S. 300 flgd.). Nach Original=Urkunden lebte er noch Ostern 1415.

14) Herzog Heinrich IV. der Dicke.

Eine Nachricht im Archive lautet:

"Im Jar dusend IIIICLXXVII vp den Sundach Oculi (9. März) starff in godt den hern hertzog Henrich tho meklenborch".

Eine andere Nachricht im Archive, aus Doberan, lautet:

"Im Jhare nach der geborth des heren tausent vierhundert vnd sieben vnd siebentzig jhar den sechsten tagk Februarii ist vorscheyden der durchluchtige hochgeborne Furste vnd here her Heinrich hertzog zu Meckelnpurgk vnd ist alhie begraben am tage Gregorii (12. März)".

Eben so fagt eine Urkunden=Relation bei der Johanniter=Comthurei Nemerow:

"dominus Hinricus, pater (Alberti, Johannis, Magni et Balthasaris), qui de anno domini millesimo quadringentisimo septimo, de mense Marcii in domino defunctus et ipso die beate gregory in ecclesia monasterii in Dobbran - - sepultus fuit".

In einer Original=Urkunde (in der Sammlung des Vereins) ."am avende s. Gregorii" (11. März) zu Wismar geben die Söhne des Herzogs Heinrich den von ihrem "leven heren vader, deme god allmechtich gnedich sy", die versäumte Bestätigung des Verkaufes des Gutes Moltow, "vmme zalicheit vnses leven vaders zele willen", und gedenken dabei oft des Todes ihres Vaters, so daß man klar sieht, ihr Vater sei ganz vor kurzem gestorben.

Diese Tage: der Sterbetag am 9. März und der Begräbnißtag am 12. März, sind ohne Zweifel richtig. Die Angabe, daß der Herzog Heinrich am 6. Febr. 1477 gestorben sei, ist ohne Zweifel falsch, da derselbe noch am 24. Febr. seine letzte Urkunde ausstellte (vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 814).

15) Herzog Magnus II.

Eine Nachricht im Archive lautet:

"MVCIII am auende marien tempel offeringe (d. i. vigilia praesentationis b. Mariae: 20. Nov.) starff hertzog Magnus".

Auch Slagghert sagt in seiner Chronik des Klosters Ribnitz:

"Hertich Magnus am auende präsentationis Marie heft gade van hemmel offert synen gheyst, de tho der erden is bestediget in dat closter tho Dobberan by syne oltfadern vnd heren".

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Hiemit stimmen alle andern Nachrichten überein. Die auswärtigen Beileidsschreiben im Archive sind vom Abend Katharinä (24. Nov.) bis zum Tage BarbarÄ (4. Dec.) datirt.

16) Herzog Balthasar.

Nach einem vom Mittwoch nach Lätare datirten Schreiben des Herzogs Heinrich an seinen Bruder Albrecht starb der Herzog Balthasar am "Dienstag nach Lätare (16. März) 1507". Daher ist auch die Nachricht, welche Slagghert in seiner Chronik des Klosters Ribnitz giebt, richtig:

"1507 in deme aueude (d. i. vvigilia) Gertrudis (16. März) hertoch Balthasar tho Mekelenborch ys ghestornen tho Wysmar by deme mekelenborgeschen haue und tho Dubberan begrauen by syne oltfederen"

Eine Nachricht im Archive lautet:

"MVCVII starff hertzog Baltazar thor Wismar am daghe Gertrudis (17. März).

Diese Nachricht ist also nicht ganz richtig. Noch weniger richtig sind die Angaben bei Rudloff III, 1, S. 26, nach welchen der Herzog am 7. März gestorben sein soll.

17) Herzogin Ursula.

Nach einem Schreiben ihres Gemahls, des Herzogs Heinrich, starb sie am "Mittwoch nach Lamberti" (18. Sept.) 1510". Hiemit stimmt auch eine Nachricht im Archive überein, welche lautet:

"MVCX des anderen dages nha Lamberti (18. Septbr.) starff frowe vrsule in Gustrow".

Auch Slagghert in seiner Chronik stimmt hiermit überein, wenn er sagt:

"In dem dage ofte nacht Lamberti, des mydwekens in der quatemper vor Michaelis, welcker ys de dach der entfenginge der V wunden Francisci, tho Güstrow vp deme flate ist HerZogin Ursula gestorben. Se ys begrauen mit groter möghe vnd swarheit in dat closter tho Dubberan, wente id was neue wyse ofte wanheyt, ock nicht ghehoret, dat men vorstynnen hedde begrauen tho Dubberan, men allene de hereu vnd vorsten.

Die doberaner Epitaphiennachricht, daß sie im J. 1511 gestorben sei, ist also ohne Zweifel falsch. Die Beileidsschreiben fallen in die Zeit vom 23. Sept. bis 9. Oct. 1510.

18) Herzog Erich.

Eine Nachricht im Archive lautet:

"MVCVIII starff hertzog Erich des andern dages S. Thome apostoli (22. Decbr.)".

Hiezu stimmen die Archi=Acten, nach denen der Adel zum "Freitag nach Thome" (29. Dec.) zum Begängniß nach Doberan geladen ward.

Slagghert in seiner ribnitzer Chronik sagt dagegen, daß er "an deme Thome" (21. Dec.) gestorben sei.

19) Herzog Magnus III, Bischof zu Schwerin.

Der Herzog Magnus starb nach einer Anzeige vom Mittwoch nach Convers. Pauli 1550 "gestern Abends um 8 Schlägen" (d. i. am 28. Jan.) und nach einer andern Anzeige vom Tage Purif. Mariä 1550 "am nächst verschienenen Dienstag (d. i. am 28. Jan.).

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Hiemit stimmt auch das Epitaphium in der Kirche zu Doberan überein, nach welcher der Herzog V. kal. Febr.(28.Jan.) gestorben war.

III. A) Die Fürsten von Werle.

1) Fürst Nicolaus I.

starb am 7. Mai 1277, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrbücher I, S. 136):

"Nicolaus dei gratia dominus in Sclauia obiit anno domini MCCLXXVII, nonis Maii"

Vgl. Lisch Geschichte und Urkunden des Geschlechts Hahn, I, A, S. 62, und B, S. 74; Lisch Meklenb. Urkunden, II, S. 61.

2) Fürst Heinrich I.

starb am 8. Oct. 1291, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrbücher I, S. 136):

"Hinricus dei gratia dominus in Werle; hunc filius suus interfecit anno domini MCCXI, octauo idus Octobris".

3) Fürst Johann I.

starb am 15.Octbr. 1283, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrb. I, S. 136), nach einer bessern Abschrift von Samuel Fabricius:

"Johannes dei gratia dominus in Werle obiit anno domini MCCLXXXIII, XVIII. kalendas Novembris".

4) Fürst Bernhard I.

starb am 10. Oct. 1281, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrbücher I, S. 136):

"Bernhardus, Nicolai primi filius, dei gratia domicellus de Werle, obiit anno domini MCCLXXXI, sexto idus Octobris".

Kirchberg cap. 170 giebt als Todesjahr Bernhards I. das Jahr 1286 an. Wird sich aber wohl versehen haben, da er das doberaner Nekrologium in dem Kreuzgangsfenster nach mehrern Anzeichen schon kannte und wahrscheinlich das I in der Jahreszahl übersehen und das Wort "sexto" in der Bezeichnung des Tages mit zu der Jahreszahl gezogen hat. Man vgl. zu Heinrich Borwin von Rostock.

5) Fürst Nicolaus II.

starb am 12. Octbr. 1316, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrb. I S. 136):

"Nicolaus secundus dei gratia, filius Johannis, dominus de Wrle, obiit anno domini MCCCXVI, quatro idus Octobris".

Vgl. auch Lisch Gesch. der Stadt Plau in Jahrb. XVII, S. 108.

6) Fürst Johann II.

starb am 27. August 1337, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrb. I, S. 136):

"Johannes secundus dei gratian dominus de Werle obiit anno domini MCCCXXXVII, VII kalendas Septembris".

Vgl. auch Lisch Gesch. der Stadt Plau in Jahrb. XVII, S. 110.


Diese 6 Fürsten sind auch grade diejenigen, welche in dem doberaner Kreuzgangsfenster (Jahrb. I S. 136) aufgezeichnet waren.

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B) Fürsten von Rostock.

1) Fürst Heinrich Borwin.

Die Angabe im doberaner Nekrologium, daß Heinrich Borwin im Jahre 1260 gestorben sei, beruhet offenbar auf einem Irrthume. Er starb nach allen Anzeichen im J. 1278; vgl. Rudloff Mekl. Gesch. II, S. 69. Denselben Irrthum begeht auch Kirchberg cap. 180, der das J. 1260 aus dem doberaner Nekrologium in dem Kreuzgangsfenster entlehnt zu haben scheint. Nach dem rostocker Original=Stadtbuche werden Heinrich Borwin und seine Söhne Johann und Waldemar im J. 1268 als in Regierungsangelegenheiten betheiligt wiederholt namentlich aufgeführt.

2) Fürst Waldemar

starb, nach dem doberaner Nekrologium (Jahrb. I, S. 136), am 9. Nov. 1282:

"Woldemarus dominus in Rostock, obiit anno domini MCCLXXXII, V idus Nouembris".

3) Fürst Heinrich, und

4) Fürst Erich

starben jung vor dem Vater; vgl. Kirchberg und Rudloff a. a. O.


Anlage 2.

Der Altar
in der fürstlichen Begräbnißkapelle zu Doberan.

Auf dem Altare in der fürstlichen Begräbnißkapelle in der Kirche zu Doberan, an der Ostwand des nördlichen Kreuzschiffes, stand ein Altarschrein mit zwei einfachen Flügeln, leider so verfallen, daß an eine Erhaltung oder Restaurirung nicht zu denken ist. Der Altar verdient, daß er durch Beschreibung aufbewahrt bleibe, da er nicht allein sehr schön gemalt ist, sondern auch einen Ideenkreis darstellt, welcher an dieser Stelle sehr bezeichnend und dazu nicht häufig ist. Der Inhalt der Gemälde ist nämlich größtentheils rein biblisch.

Der Altar hat eine Mitteltafel und zwei einfache Flügel und ist nur durch Malerei auf Kreidegrund verziert, ohne alles Schnitzwerk.

I. Die Mitteltafel ist durch eine Leiste horizontal in zwei Theile getheilt.

1) Die untere Hälfte der Mitteltafel enthält die Darstellung des Abendmahls, von welcher leider die linke Hälfte (in der Ansicht) ganz abgefallen ist. An einem gedeckten Tische hat

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ungefähr in der Mitte Christus gesessen; es ist nur ein Stück des Spruchbandes übrig, welches von ihm ausging, mit den Worten: in me (i recordationem) Luc. 22, 19. (= Das thut zu meinem Gedächtniß.) Zur Linken liegt Johannes an der

Brust des Herrn, mit einem Spruchbande: Spruchband (Quis cst qui tradet te. Johannes. = Wer ist es, der dich verrathen wird. Johannes). Dann folgen zwei Apostel, zusammen mit Einem Spruchbande: Spruchband
Spruchband (= Domine ostende nobis patrem et sufficit nobis. Philippus. = Herr, zeige uns den Vater, so genüget uns, - sagt Philippus Joh. 14, 8). Am Ende des Tisches rechts sitzen drei Apostel mit einem Spruchbande: Spruchband
Spruchband (= domine quid factum est quod . . di . . . . atur es de . nobis et non mundo). An der rechten Ecke, dem Beschauer mit dem Rücken zugekehrt, sitzt Judas Jscharioth mit einem Spruchbande: Inschrift (= numquid cgo sum, domine? = Herr bin ich's ? sagt Judas Matth. 26, 22).

a. Das Abendmahlsbild ist oben mit einem Bogen eingefaßt. In den dadurch entstehenden Zwickeln ist rechts ein kleiner runder Schild mit dem Brustbilde eines heiligen Bischofes, der den Kelch segnet. (Der H. Benedict (?), einer der Schirmheiligen des Klosters.)

b. Auf der Theilungsleiste über dem Abendmahlsbilde steht eine Inschrift, von welcher die linke Hälfte ganz abgefallen, von der rechten Hälfte aber noch zu lesen ist:

Inschrift

2) Die obere Hälfte der Mitteltafel ist perpendikulair in 3 Abtheilungen getheilt:

a. Der größere mittlere Theil der obern Hälfte enthält die Darstellung der Kreuzigung Christi (ohne die Schächer). Zur Rechten Christi stehen Maria, Johannes, mehrere Weiber u. s. w. Maria hat mit der linken Hand ein Schwert an die Spitze gefaßt und auf die Brust gesetzt. Zur Linken Christi stehen der Hauptmann und die Knechte u. s. w. Der Hauptmann hält mit der hinaufzeigenden rechten Hand ein Spruchband mit den Worten: V e B e t. FILIVS. D e I e R A T. IST e . (= Wahrlich dieser ist Gottes Sohn gewesen.)

Die beiden Räume links und rechts von diesem Mittelbilde mit der Kreuzigung sind horizontal einmal getheilt und enthalten zusammen 4 kleinere Bilder.

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b. Unten links: ist das Bild abgefallen; es ist nur noch eine Figur mit Heiligenschein, wie Johannes Ev., erkennbar;

c. unten rechts: Christus betet am Oelberge: ein kleiner Berg, auf welchem ein Kelch steht; Christus knieet dahinter an demselben;

d. oben links: Christi Auferstehung: Christus steigt, mit der Siegesfahne in der Hand, aus dem viereckigen Grabe; ein Kriegsknecht sitzt schlafend daneben;

e. oben rechts: Christi Himmelfahrt oder Erscheinung nach der Auferstehung: Christus, ohne Nägelmale an den Händen, steht segnend in der Mitte; zu seiner Rechten sind Maria und drei Männer, zur Linken sechs Männer erkennbar.

II. Die beiden Flügel sind perpendikulair ein Mal und horizontal zwei Male getheilt; jeder Flügel enthält also 6 kleine Bilder.

1) Der Flügel links in der Ansicht hat alle Malerei verloren: auf dem Reste eines Spruchbandes ist nur noch zu lesen: dns. tec. . (dominus tecum), aus der Verkündigung Mariä. Diese Tafel hat also ohne Zweifel die Freuden Mariä und die Jugendgeschichte Christi enthalten.

2) Der Flügel rechts in der Ansicht enthält 6 Bilder, welche zum größern Theile die Leiden Christi enthalten. Von unten nach oben sind die Darstellungen folgende.

a. Unten links: Eine junge Jungfrau mit Heiligenschein, in grünem, golddurchwirkten Gewande, steht in der Mitte und kreuzt die Arme über die Brust. An jeder Seite steht ein Engel, welcher ihr die Hand auf die Schultern legt. Zur Rechten der Jungfrau steht auf der Erde ein Kelch.

b. Unten rechts: Christus, entblößt; rechts steht ein Knecht, der ihm mit einem an eine Stange befestigten Gefäße etwas überschüttet (vielleicht nach Marc. 15, 23: Und sie gaben ihm Myrrhen und Wein zu trinken, und er nahm es zu sich).

c. In der Mitte links: Christus wird mit einer Dornenkrone gekrönt; zwei Kriegsknechte drücken ihm mit Rohren die Dornenkrone auf das Haupt.

d. In der Mitte rechts: Christus mit gebundenen Händen wird von Kriegsknechten vor Pilatus geführt. Pilatus, in rothem Gewande, mit einer cylinderförmigen Mütze, ist mit dem Rücken dem Beschauer zugewandt.

e. Oben links: Gott (?), mit jugendlichem Antlitz, Krone und gespaltenem Bart, segnet eine vor ihm knieende gekrönte Jungfrau, hinter welcher ein Engel steht.

f. Oben rechte: Christus sitzt mit ausgestreckten Armen und blutenden Nägelmalen; zwei Schwerter stoßen ihm horizontal

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an den Mund. Zur Rechten knieet Maria, zur Linken Johannes der Täufer, in Felle gekleidet.

III. Von den Rückwänden der bei den Flügel ist jede in 4 Theile getheilt, in deren jedem eine Heiligenfigur gestanden hat. Von den 4 Figuren auf der linken Tafel ist nur ein Rest von einer Figur übrig. Von den 4 Figuren der rechten Rückwand sind noch einige Reste übrig; unten links steht der Heil. Bernhard, einer der Schirmheiligen des Klosters, in grauem Mönchsgewande, mit Tonsur.

IV. Die Predelle ist auch auf Kreidegrund gemalt. In der Mitte ist noch ein Schwamm auf einem Rohr (Marc. 15, 36) erkennbar. Zur rechten Seite sind noch Spuren von 4 Heiligen, in Brustbildern, mit Spruchbändern, erkennbar.

V. In Verbindung mit dem Ideenkreise dieses Altares stehen auch die gemalten Fenster über dem Altare. Unter den Scherben des eingestürzten Fensters, welche sich 1853 hinter dem Altare fanden, waren auch Reste von zwei Crucifixen.

VI. Ob das große hölzerne Crucifix, über Lebensgröße, immer an dieser Stelle gestanden habe, läßt sich nicht bestimmen.

 


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Der fürstliche Altar der Heil. Drei Könige

oder

das Octogon der Heil. Grabes=Kapelle

in der Kirche zu Doberan.

In den Jahrb. XIII, S. 418 flgd. ist der kleine merkwürdige Altar hinter dem Hochaltare beschrieben, welcher dort nach einigen Malereien der Altar der Heil. Drei Könige genannt ist, weil diese auf die Rückseite einiger Wappenschilde gemalt sind. Es ist a. a. O. bestimmt nachgewiesen, daß das Schnitzwerk sicher kurz nach dem Begräbnisse des Herzogs Johann III. im J. 1425 errichtet worden sei. Es sind a. a. O. auch mancherlei Ansichten über die Bestimmung dieses Altars aufgestellt, welche zum größern Theil wohl richtig sein werden, aber durch neue überraschende Entdeckungen eine bedeutende Erweiterung gewinnen.

Zwischen den beiden Östlichsten Pfeilern der Kirche, unmittelbar dicht hinter dem Hochaltare, ist in den östlichen Chorumgang ein niedriges Mauerwerk im Dreieck hinausgebauet, um den zwischen den Pfeilern stehenden kleinen Altar abzuschranken. Auf den beiden Ecken dieses dreiteilig in den östlichsten Chorumgang vorspringenden Mauerwerkes, der neuern fürstlichen Begräbnißgruft gegenüber, stehen zwei kurze schwarze Marmorsäulen (Monolithen) von ungefähr 3 Fuß Höhe und 1/2 Fuß Durchmesser, mit hohen romanisirenden Kapitälern aus weißem Marmor mit reichem Blattwerk und ganz gleichen Basen. Zwischen und über diesen Säulen und den Kirchenpfeilern ist zur Abschrankung das reiche Schnitzwerk angebracht, welches in den Jahrb. a. a. O. beschrieben ist. Nach der Kirchenseite hin, der Rückwand des Hochaltars gegenüber, ist dieser Raum jetzt ganz offen.

Bei der Untersuchung der alten fürstlichen Begräbnißkapelle im nördlichen Kreuzschiffe am 1.-5. Nov. 1853 fand ich in dem Bauschutte auf dem Gewölbe des Herzogs Magnus († 1550) ein kurzes Stück von einer gleichen schwarzen Marmorsäule 1 ), wie deren zwei hinter dem Hochaltare in den Schranken stehen. Dieser Fund führte zu einer Vermuthung, deren Richtigkeit sich bald rechtfertigte. Hinter dem Hochaltare fanden sich noch zwei schwarze Marmorsäulen, den oben beschriebenen ganz gleich, die eine noch vollständig erhalten, die andere verstümmelt 1 ), lose bei Seite gesetzt. Die beiden dazu gehörenden weißen Mar=


1) Der Uhrmacher soll ein anderes Stück von der verstümmelten Säule abgeschlagen und zum Gewicht für die Kirchenuhr benutzt habe.
1) Der Uhrmacher soll ein anderes Stück von der verstümmelten Säule abgeschlagen und zum Gewicht für die Kirchenuhr benutzt habe.
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morkapitäler sind jetzt, umgekehrt, zu den Basen der beiden noch im Verbande stehenden Säulen benutzt. Wir haben also im Ganzen vier schwarze Marmorsäulen und 4 dazu gehörende weiße Kapitäler von gleicher Gestalt. Diese Säulen haben sicher zu einem und demselben Bau gehört.

Der Altar ist von einem kräftigen Gewölbe überdeckt, welches nach der Construction ursprünglich ein Achteck überdeckt haben muß, jetzt aber nur etwas mehr als zur Hälfte vorhanden ist. Dieses Gewölbe ruhet auf den beiden schwarzen Marmorsäulen und in den beiden östlichen Kirchenpfeilern. Der Schlußstein dieses Gewölbes liegt nun in grader Linie zwischen den innersten Graten der beiden Kirchenpfeiler. Gegen Westen hin ist ein offenbar junger Bogen an die Pfeiler gelehnt, an welchen sich das Gewölbe anschließt. Nun aber lehnen sich nicht der Schlußstein und die beiden westlichsten Rippen an diesen Bogen, sondern das Gewölbe geht noch etwas weiter gegen Westen, so daß noch kurze Enden von zwei gegen Westen von dem Schlußstein auf laufenden Gewölberippen vorhanden sind, die westlichen zwei Drittheile der Hälfte aber roh abgebrochen sind.

Es ist ohne allen Zweifel, daß früher diese Wölbung ein ganzer vollständiges Gewölbe war und erst in neuern Zeiten abgeschlagen und der schlecht construirte Bogen vorgespannt ist. Denkt man sich die Sache vollständig, so bildete diese kleine überwölbte Kapelle hinter dem Hochaltare ein regelmäßiges Achteck, von welchem die noch stehende Wand 3 Seiten, der abgebrochene Theil 3 Seiten und die beiden Kirchenpfeiler 2 Seiten bilden, so daß ein Octogon zwischen die beiden östlichsten Kirchenpfeiler aufgeführt war. Jede Seite dieses Octogons ist nur 4 Fuß lang. Gegen Osten hin stehen die noch im Verbande befindlichen zwei Marmorsäulen auf der dreiseitigen Abschrankungswand hinter den Kirchenpfeilern. Gegen Westen hin standen die beiden aufgefundenen schwarzen Marmorsäulen auf Pfeilern, um den Zugang zu dem beengten Räume hinter dem Hochaltare möglich zu machen, und diese 4 Marmorsäulen in Verbindung mit den beiden Kirchenpfeilern trugen über der achteckigen Kapelle ein achteckiges Gewölbe, welches jetzt in der westlichen Hälfte zerstört ist.

Dieser Bau ist im höchsten Grade merkwürdig. Auf einer Mauer stehen die kurzen, dünnen Säulen, welche offene, fensterartige Bogen von sehr kräftigen Verhältnissen im Uebergangsstyle tragen, über welchen sich ein ähnlich gebauetes kräftiges Gewölbe erhebt. Es ist eine kleine, offene, frei stehende, gewölbte Kirche in der Kirche. Der Bau hat ganz einen fremdartigen, nordischen Charakter, im Uebergangsstyle, mit Eigenthümlich=

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keiten, welche sonst im Ziegelbau Norddeutschlands nicht vorkommen, namentlich mit den kurzen, dünnen, schwarzen Marmorsäulen, auf denen das schwere, ernste Gewölbe ruhet. Es ist möglich, daß dieser Bau aus altern Zeiten stammt und 1425 nur mit Schnitzwerk verziert ward, wenigstens ist er eine seltene Erinnerung oder eine Nachahmung alter Zeit. Nach der Vollendung des Spitzbogenbaues der Kirche (1368) wird aber der Bau ausgeführt sein, da er sich an die Dienste auf den Pfeilern anlegt. In den älteren Zeiten kommen Beispiele vor, daß man im Osten der Kirchen Octogone als Heil. Grabes=Kapellen, nach dem Vorbilde der Kirche zum Heil. Grabe zu Jerusalem und dem Muster der Moschee des Khalifen Omar daselbst (an der Stelle des salomonischen Tempels) anbauete und überhaupt den Heil. Grabes= oder Heil. Bluts=Kapellen die Grundform des Octogons 1 ) gab, wie die Heil. Bluts=Kapelle vor der Nordpforte der doberaner Kirche auch ein Octogon bildet (vgl. unten).

Schnaase sagt über die achteckigen Kirchengebäude:

"Neben der Basilikenform kamen auch Kirchen andrer Gestalt vor, runde oder achteckige. Hauptsächlich wählte man aber diese Form für solche kirchliche Gebäude, welche für die Taufe, als Baptisterien, dienen sollten. Nach einer Nachricht hatte Constantin bei dem Lateran eine solche Taufkirche", u. s. w. (Schnaase Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter, Düsseldorf, 1844, I, S. 48).

"Die Kirche des Heil. Grabes zu Jerusalem, wie sie die Kaiserin Helena bauete, hatte zwar noch die Langschiffe einer gewöhnlichen Basilika, aber diese bildeten nur den Zugang zu dem großen Kuppelgebäude, das, auf Säulen gestützt, die Grabesstelle bedeckte. Indessen boten die Kuppeln in technischer Beziehung manche Schwierigkeiten dar, besonders wenn man sie bei größern Gebäuden mit gradlinigen Mauern anwenden wollte; daher bemerken wir denn auch schon jetzt an andern Bauten das Bestreben, neue Kirchenformen zu erfinden, welche der Kuppel mehr zusagten. Eine wichtige Stelle in diesem Entwickelungsgange scheint die Hauptkirche zu Antiochien einzunehmen, die ebenfalls noch unter Constantins Herrschaft gebauet wurde. Eusebius selbst, der sie beschrieb, bezeichnet sie als ein höchst eigenthümliches, in seiner Art einziges Gebäude: der Haupttheil der Kirche achteckig, von gewaltiger Höhe, im


1) Die achteckige Heil. Bluts=Kapelle vor der Hauptpforte und das Octogon hinter dem Hochaltare zu Doberan sind auffallend; der Octogonbau kommt sonst in späterer Zeit nur in Templerkirchen vor. Mittheilung des Herrn General=Directors von Olfers zu Berlin.
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Kreise umher viele Abtheilungen, Hallen, Krypten und Emporen, reich mit Gold und andern kostbaren Materialien geschmückt. Wir erkennen darin, außer der achteckigen Gestalt, die im Abendlande nur für Baptisterien oder kleinere Kirchen angewendet wurde, die Zusammensetzung des großen Gebäudes aus vielen einzelnen ohne Zweifel gewölbten Theilen: eine Anordnung, welche mit der der Kirche S. Vitale in Ravenna im Wesentlichen übereinzustimmen scheint. Die viereckige Gestalt scheint auch im Orient eine seltene geblieben zu sein; sie bildete nur den Uebergang zu den vierseitigen Kuppelgebäuden" (Schnaase a. a. O. I, S. 123 flgd.). "Auch diese Moschee zu Jerusalem ist eine der ältesten; in ihren Haupttheilen besteht sie noch jetzt so, wie der Kalif Omar bald nach der Einnahme der heiligen Stadt (637) sie auf der Stelle des Salomonischen Tempels errichtete. An ihr sehen wir ganz das Schwankende der arabischen Kunst selbst für die Grundform ihrer heiligen Gebäude; denn sie ist in der ungewöhnlichen Form eines Achtecks erbaut" (Schnaase a. a. O. S. 339).

Bestimmter entwickelt v. Quast in seiner Schrift "Ueber Form, Einrichtung und Ausschmückung der ältesten christlichen Kirchen", Berlin, 1853, die Grundform der ältesten viereckigen, runden oder achteckigen Kirchen, welche er "centrale" Anlagen nennt, indem er diese Anlage, die sich in den ältesten christlichen Kirchengebäuden findet, mit den allerältesten Grabkirchen in den Katakomben Roms in Verbindung bringt (S. 18 flgd.). Auch die Kirche auf dem Oelberge war ein runder Bau (S. 24) und im Abendlande war das erste Beispiel der Dom zu Trier, dessen noch vorhandener ältester Theil einen quadratischen Bau zeigt (S. 26 flgd.). "Aber es ist gewiß, daß diese abweichenden "Kirchenformen, namentlich die centralen, im Occident an sich seltener, mit der Zeit noch immer seltener wurden. - - Dagegen bemeisterte sich zunächst der Orient jener Centralformen, sogleich durchaus Gewölbe mit ihnen aufs engste verbindend, und erschuf hierdurch alsbald eine neue Bauweise, nach dem Ausgangspunkte dieser Richtung mit Recht die byzantinische geheißen, und schon nach zwei Jahrhunderten in der Kirche der göttlichen Weisheit, der heiligen Sophia, zu Constantinopel, das unübertroffene Prachtwerk der ganzen Gattung hinstellend" (S. 28).

Ein merkwürdiges Beispiel des Einflusses des Orients auf den Occident bietet der große Dom zu Drontheim, an dessen östlicher Chorseite die Kapelle des Grabes des H. Olav im Achteck in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts angebauet ist; vgl. v. Minutoli der Dom zu Drontheim, 1853, S. 25,

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30 - 32, 34 - 35 flgd., wo ebenfalls von der Bedeutung der kirchlichen Octogone gehandelt wird.

In Meklenburg sind nur wenig alte kirchliche Gebäude von achteckiger Grundform bekannt geworden: die Heil. Bluts=Kapelle zu Doberan, das neu entdeckte Octogon hinter dem Hochaltare in der Kirche zu Doberan und die Kirche zu Ludorf (vgl. Jahrb. XVI, S. 294 flgd.).

Diese achteckige Kapelle hinter dem Hochaltare der Kirche zu Doberan wollte man nun offenbar nicht an die Ostseite der Kirche anbauen; man stellte sie also in die Kirche im Osten dicht hinter den Hochaltar, von dem sie jetzt kaum einige Fuß entfernt ist. Ist die Kapelle alt, und älter als 1422, so mögen früher die Verhältnisse ganz anders gewesen sein, da die älteste, im J. 1232 geweihete doberaner Kirche im romanischen Style erbauet war und gegen Osten nicht so weit hinausging, als die jetzige Spitzbogenkirche. In der alten Kirche wird die Stelle des Octogons ungefähr in der östlichen Schlußmauer gelegen haben.

Die Sache möge sich übrigens Verhalten, wie sie wolle: sie ist der höchsten Beachtung werth, und die Kapelle verdient eine Wiederherstellung in alter Gestalt.

Ob nun dieses Octogon eine Kapelle der Heil. Drei Könige bildete, wie ich nach der gemalten Darstellung derselben in der Kapelle, der einzigen bildlichen Darstellung in derselben, gemuthmaßt habe, steht sehr zur Frage. Nach der Lage und Gestalt möchte die Kapelle eher eine Heil. Grabes= oder Fronleichnamskapelle gewesen sein, wie die Darstellungen des Heiligen Grabes in der katholischen Kirche sehr häufig sind. An dem Fronleichnams=Altare im südlichen Chorumgange sind auch die Heil. Drei Könige dargestellt (vgl. Jahrb. IX, S. 425 und 421).

Von Interesse ist die Frage, wann dieses Octogon so traurig verstümmelt ist. Ohne Zweifel geschah dies bei dem Begräbnisse des Herzogs Albrecht des Schönen im J. 1547. Dieser Herzog ward "im hohen Altare" begraben. Damit ist nun wohl nicht gemeint, daß er in dem Altartische beigesetzt sei. Aber von der Rückwand des Hochaltars geht in das Octogon hinein ein von oben noch erkennbares Gewölbe, und eine kleine Thür in der Rückwand des Hochaltars soll zu dem Begräbnisse des Herzogs führen. Bei dieser Gelegenheit wurden denn wohl die beiden frei stehenden, westlichen Pfeiler des Octogons mit den schwarzen Marmorsäulen weggenommen, um die Gruft fundamentiren zu können, und das Gewölbe des Octogons mußte in seiner westlichen Hälfte bis an die Kirchenpfeiler abgetragen werden. Darauf

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spannte man den unschön construirten Bogen zwischen den beiden Pfeilern vor. Daher erklärt es sich denn auch, daß man ein Bruchstück von einer schwarzen Marmorsäule in dem Schutt und Sande auf dem Grabgewölbe des Herzogs und Bischofes Magnus fand, welcher im J. 1550 starb und in der alten fürstlichen Gruft im nördlichen Kreuzschiffe zuletzt beigesetzt ward. Es ist auffallend, daß der Herzog Albrecht grade hier, und nicht bei seinen Vorfahren begraben ist. Vielleicht wollten die Mönche des Klosters in der letzten Verzweifelung diesem streng römisch gesinnten Fürsten eine besondere Ehre erweisen oder durch ihn ein neues Heiligthum errichten, wenn sie denselben an der heiligsten Stelle begruben. Vielleicht mag bei dieser Gelegenheit auch das halbe Gewölbe eingestürzt sein, als man den Fundamenten der dünnen Marmorsäulen zu nahe kam.

So wurden binnen wenig Jahren zwei der merkwürdigsten Denkmäler der doberaner Kirche, das alte Fürstenbegräbniß (vgl. oben) und dieses Octogon, durch Begräbnisse vernichtet, ein Beweis, wie tief schon in der Mitte des 16. Jahrh., noch während des Bestehens des Klosters, der Sinn für alte kirchliche Kunst und Symbolik gesunken war.


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Die Heilige=Bluts=Kapelle zu Doberan.

Vor der Pforte des nördlichen Kreuzschiffes des Kirche zu Doberan, welche in alten Zeiten die Hauptpforte für alle diejenigen war, welche nicht im Kloster wohnten, steht isolirt eine kleine, achteckige Kapelle von großer Schönheit (vgl. Jahrb. IX, S. 411 flgd.). In dieser Kapelle ward ohne Zweifel das Heilige Blut aufbewahrt, welches dem Kloster sehr früh einen großen Ruf verschaffte. Schon im J. 1201 soll ein Hirte zu Steffenshagen eine Hostie vom Abendmahle im Munde mit nach Hause genommen, in seinem Hirtenstabe verwahrt und seine Heerde fortan damit geschützt haben, bis das Geheimniß entdeckt und die blutende Hostie ins Kloster zurückgebracht ward, wo sie fortan als wunderthätig eine große Verehrung genoß. So ungefähr erzählt Kirchberg in seiner meklenburgischen Reimchronik die Geschichte. Da die Weiber die Klosterkirche gewöhnlich nicht betreten durften, man aber das Wunder dem ganzen Volke zeigen wollte, so bauete man eine eigene Kapelle für dasselbe vor der Kirche.

Die Kapelle ist alt. Sie ist im kräftigen Uebergangs= oder normannischen Style gebauet und stammt wohl noch aus dem ersten Viertheil des 13. Jahrhunderts, wahrscheinlich noch aus der Zeit vor dem J. 1232, in welchem die alte Kirche geweihet ward. Sicher stand sie schon im J. 1248, als der Fürst Borwin von Rostock den Mönchen eine jährliche Ergötzung an Weißbrot, Wein und Fischen am Tage der Weihung der an der Pforte gegründeten Kapelle aussetzte ("in festo dedicationis capellulae, quae ad portam est fundata"). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß hiemit die in Frage stehende Kapelle gemeint sei. Als der Bischof Friederich von Schwerin am Trinitatisfeste 1368 die jetzige Kirche weihete, bestimmte er auch zugleich, daß der jährliche Weihtag der Kirche und die Verehrung des Heiligen Blutes ("des Sacramentes") ( "visitacio sacramenti in capella portae monasteru Doberanensis") fortan am Sonntage nach der Octave des Fronleichnamsfestes gefeiert werden solle, und verspricht allen Besuchenden Ablaß. Eben so wird in jüngern Ablaßbriefen von 1450 und 1461 die Kapelle an der Pforte ("capella in porticu ipsius monasterii") genannt.

Der Bau der kleinen Kapelle ist höchst ausgezeichnet. Die Kapelle ist achteckig, wohl eine Nachahmung der Kirche des Heil. Grabes und der Moschee des Khalifen Omar zu Jeru=

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salem; die Heiligen=Grabes= und Sacraments=Kapellen wurden nach dem Muster dieser alten Bauten im Mittelalter häufig achteckig ausgeführt; man vgl. das Octogon der Kapelle der Heil. Drei Könige hinter dem Altare (vgl. oben). Die Kapelle hat 7 von einem kräftigen Wulste eingefaßte, leise gespitzte, schmale, jedoch hohe Fenster im Uebergangsstyle: an der achten Seite über der Thür ist eine Rosette von unglasurtem, gebranntem Thon eingesetzt, offenbar in jüngern Zeiten, wohl im 14. Jahrhundert. Jede der 8 Seiten mißt an der Außenwand nur 7 1/2 Fuß hamb. Maaß. Das ganze Gebäude ist im Aeußern von abwechselnd rothen und dunkelgrün und schwarz glasurten Ziegeln mosaikartig aufgemauert. Unter den Fenstern sind die glasurten Ziegel heller; nach oben hin werden sie dunkler und vorherrschend roth und schwarz. (Eine mißverstandene Restauration hat in den letzten Zeiten an den untern Theilen der Wände und sonst viel Altes und Kräftiges vernichtet.) Die Ecken sind mit Säulen bekleidet und mit kleinen, Kreuze tragenden Pyramiden gekrönt. Die 8 Giebel sind mit kleinen Ziegeln mosaikartig verziert. Der Fries besteht aus einer schönen Zusammenstellung von Kreissegmenten. Kurz das Ganze gewährt auf dem grünen Rasen, neben den grünen Bäumen und der majestätischen Kirche einen wunderschönen, reizenden Anblick und ist ein wahres Kleinod der Ziegelbaukunst.

Das Innere ist natürlich ähnlich gebauet, nur einfacher, auf den ersten Anblick. Die Fenster sind auch im Innern mit einem kräftigen Wulste eingefaßt. Das schöne kräftige Gewölbe ist oben in einer großen, hohen Rundung geöffnet, wahrscheinlich um von innen zu dem flachen achteckigen Dache gelangen zu können, da die Kapelle viel zu klein ist, um Treppen und Bodenanlagen anbringen zu können. Die starken Gewölberippen werden von Consolen getragen, welche alle mit verschiedenem Laubwerk in Relief verziert sind. Die Kapelle ist so klein, daß nur ein sehr kleiner Altar, auf dem das Heilige Blut in einer Monstranz stand, und ein "Ostensor", ein Priester, der es dem Volke zeigte, darin Platz finden konnten. Ob die Kapelle jemals auch zur Taufkapelle benutzt worden sei, läßt sich nicht ermitteln, ist aber sehr unwahrscheinlich. Bis in das Jahr 1853 war die Kapelle Kalkkammer für die kleinen Kirchenrestaurationen.

Von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung ist aber die erst jetzt entdeckte künstlerische Ausstattung dieser Kapelle. Die ganze Kapelle ist von unten bis oben mit uralten Wandmalereien geschmückt. Es läßt sich eine dreifache Uebertünchung der Wände verfolgen. Zuerst sind die Wände mit grauem Kalk sehr dünne und fest geputzt und bemalt worden.

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Darauf sind die Wände überweißt, ob auch bemalt, läßt sich nicht ermitteln. Endlich sind die Wände zum dritten Male, ohne Zweifel noch zur katholischen Zeit, überweißt und mit schlechten Arabesken und andern Verzierungen, häufig in grün, bemalt; so sind z. B. die Wulste und Gewölberippen mit abwechselnd rothen und grünen Bändern umwunden. Alle diese jüngern Malereien haben gar keinen Werth.

Die ersten, ältesten Wandmalereien, unter den jüngern Tünchen, sind aber von ungewöhnlich großer Bedeutung. Ohne Zweifel stammen sie aus dem Jahrhundert der Erbauung der Kapelle, dem 13. Jahrhundert, und es ist wahrscheinlich, daß sie gleich nach der Vollendung der Kapelle aufgetragen wurden, da der alte, dünne, porzellanharte, glatte, graue Putz, auf dem die Gemälde stehen, ohne Zweifel unmittelbar nach der Vollendung der Kapelle angebracht ist und die Gemälde ganz den Charakter des 13. Jahrhunderts tragen. Einen technischen Beweis möchten die bischöflichen Weihkreuze liefern, welche dasselbe schwarz gewordene Roth haben, wie die Gewänder mehrerer Figuren, so daß man schließen kann, beide seien zu derselben Zeit gemalt worden. Die Weihkreuze stammen aber von der ersten Einweihung her.

Der Raum für die Gemälde ist sehr beschränkt. Die im stumpfen Winkel gebrochenen Wände des Achtecks zwischen den Fenstern sind in grader Linie nur 1 Fuß 2 Zoll, mit dem Winkel 1 Fuß 8 Zoll breit. Die mit einem Wulst eingefaßten Fenster sind bis an die Wölbung derselben, wo auch die Consolen der Gewölberippen stehen, 10 Fuß hoch. Auf diesem beschränkten Raume von 10 Fuß hoch und 1 Fuß 8 Zoll breit, zwischen den Fenstern, ferner in den Gewölbekappen, endlich über der Thür sind die Wandmalereien angebracht.

Die ganze Ausschmückung der Kapelle ist folgendermaßen geordnet. Die innerste Laibung der Fenster, den Fenstern zunächst bis an die Wulste, steht im Rohbau. Die Wulste, die Leibung nach dem innern Raume der Kapelle, die Wandflächen über den Fensterwölbungen bis an die Gewölbekappen und die Gewölberippen sind geputzt und roth mit weißen Streifen, zur Nachahmung des Ziegelbaues, bemalt, grade so wie der Chor der Kirche zu Alt=Röbel bemalt war. Die innern Flächen der Kapelle und die Gewölbekappen sind grau geputzt und mit Figuren bemalt.

Die gebrochenen Wandflächen zwischen den Fenstern haben folgende anziehende Darstellungen.

Die beiden Flächen zunächst der Thür sind entweder nicht bemalt gewesen oder haben mit den Malereien auf der Wand

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über der Thür im Zusammenhange gestanden, sind jetzt jedoch gar nicht mehr zu erkennen. Es bleiben also nur 6 Wände für den Cyclus der Malereien übrig.

Der bemalte Raum auf den Wänden zwischen den Fenstern ist 10 Fuß hoch.

Unten steht, 3 1/4 Fuß hoch, auf jeder der 5 Wandflächen von der Linken zur Rechten eine der fünf thörichten Jungfrauen, einfach, meistentheils mit röthlichen Umrissen auf grau gemalt. Alle haben sehr traurige Gebärden, theilweise eine Hand an den gesenkten Kopf gelegt u. s. w., nach altem Typus. Die Darstellung auf der sechsten Wand ist nicht mehr zu erkennen.

Ueber diesen Figuren stehen, 1 Fuß hoch, 9 bischöfliche Weihkreuze, immer zwei neben einander auf jeder der vier der Thür gegenüberstehenden gebrochenen Wände, das neunte allein auf der Wand zunächst rechts. Die großen Kreuze sind von einem Kreise eingefaßt, auf welchem noch ein kleineres Kreuz steht. Die Malerei dieser Kreuze ist schwarz geworden; ohne Zweifel war es eine rothe Mineralfarbe, welche, wie häufig, schwarz geworden ist.

Ueber den Weihkreuzen stehen, 3 1/2 Fuß hoch, von der Linken zur Rechten die fünf klugen Jungfrauen, erhabene, schöne Gestalten, mit runden, antiken Lampen, aus denen eine große Flamme emporschlägt, in der Hand. Auf der Brust haben sie zum hochzeitlichen Schmuck ein großes Juwel in rhombischer Gestalt. Gewänder, Lampen und Flammen sind jetzt auch schwarz geworden, ursprünglich aber roth gewesen. An der sechsten Wand rechts steht eine heilige Jungfrau mit einem Schwerte in der Hand, die H. Katharine.

Ueber den klugen Jungfrauen stehen unter den Consolen der Gewölberippen, 1 1/2 Fuß hoch, knieende Gestalten, welche die Arme ausbreiten, um anzubeten oder die Consolen zu stützen, einfach mit hellrothen Umrissen gemalt, wie die thörichten Jungfrauen.

Die klugen Jungfrauen, auf den Weihkreuzen stehend, bilden mit ihrem Farbenschmuck den bedeutendem Mitteltheil der ganzen Darstellung.

Diese Darstellung mit den thörichten und klugen Jungfrauen findet sich öfter in den Vorhallen großer Kirchen, z. B. in der nördlichen Vorhalle des magdeburger Domes, in der Vorhalle der Frauenkirche zu Nürnberg u. s. w. Die doberaner Kapelle vor der Pforte ist auch als Vorhalle zu betrachten, wenn sie auch nicht in unmittelbarer Verbindung mit der Kirche steht.

Von den Gemälden auf der breiten, undurchbrochenen Wand über der Thür ist wenig zu erkennen. Die Gemälde haben schon

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früh, wahrscheinlich beim Einsetzen der Rosette in die Außenwand im 14. Jahrh., gelitten und man sieht deutlich, daß jüngerer Putz in die Gemälde gedrungen ist. Jedoch sind die Darstellungen dem Sinne nach noch zu erkennen. Die Wand war horizontal in zwei Hälften getheilt. Oben ist die Krönung Mariä: auf Stühlen sitzen zwei Gestalten, zur Rechten Maria, die Figur zur Linken ist nicht zu erkennen. Unten ist Christus am Kreuze; zur Rechten ist noch eine knieende weibliche Figur (Maria) zu erkennen.

Die Gemälde in den Gewölbekappen sind nicht so klar; mehrere sind jedoch deutlich zu erkennen. Es sind große, kräftige Gestalten, in röthlichen Umrißlinien, in jeder Gewölbekappe eine. Der Thür gegenüber steht der auferstandene Christus; man erkennt noch den erhobenen linken Arm mit dem Nägelmale. Die beiden nächsten Bilder sind nicht zu erkennen; vielleicht waren es die Jungfrau Maria und Johannes der Täufer, die Hauptheiligen des Klosters nächst Christus und vor dem Evangelisten Johannes. Von den folgenden Bildern steht rechts zunächst: der Apostel Petrus, mit dem Schlüssel in der linken und einem kurzen Kreuzstabe in der rechten Hand; dann folgt (zunächst der Thür) der Apostel Philippus, mit einem Buche in der linken und einem langen Kreuzstabe in der rechten Hand. An der linken Seite steht zunächst der Evangelist Johannes mit einem Kelche in der Hand; dann folgt (zunächst der Thür) der Apostel Paulus mit Buch und Schwert. In der Gewölbekappe über der Thür steht der Apostel Judas Thaddäus mit einem Buche im linken Arme und einer Keule in der rechten Hand.

Diese ganze Ausstattung der Kapelle, wie in Meklenburg an Geist und Ausführung noch kein zweites bekannt geworden ist, verdient die höchste Aufmerksamkeit und Pflege.


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Die Bülowen=Kapelle
in der Kirche zu Doberan.

Die in den Jahrb. XI, S. 447 beschriebene Bülowen=Kapelle am nördlichen Seitenschiffe, unter der Orgel, ist ein sehr merkwürdiges Denkmal alter Kunst, weil sie noch in der ursprünglichen Malerei steht. Die Kapelle hat deshalb in den Jahrb. a. a. O. eine Beschreibung gefunden, jedoch ist Manches unerörtert geblieben, weil zu einer genauen Untersuchung viel Zeit und Vorkehrung gehörte. Nachdem ich beides habe ermöglichen können, folgt hier eine genaue Beschreibung, um das Denkmal für die Folgezeit durch die Schrift festzustellen, da es von Tage zu Tage mehr dem Verderben entgegengeht.

Die Kapelle ist zwei Gewölbe lang und hat in der Nordwand unter jedem Gewölbe ein Fenster und in der Südwand nach dem Seitenschiffe der Kirche hin eine vergitterte Oeffnung und die Eingangsthür. Die ganze Kapelle ist geputzt, dann mit Kalk übertüncht und auf dieser Tünche ganz bemalt. Die Gewölbe sind ganz mit Blumenranken, Lilien und architektonischem Ornament bemalt.

Die Wände haben alle bildliche Darstellungen, welche mit der Geschichte der Familie von Bülow in innigem Zusammenhange stehen.

1) Die östliche Hauptwand hat folgende Darstellung. In der Mitte steht Christus am Kreuze; zu seiner Rechten steht Maria, anbetend, zur Linken Johannes Ev., welcher beide Hände an das Gesicht gelegt hat. Zur rechten Hand der Maria steht ein heiliger Bischof mit dem Stabe in der Hand und auf einem blauen Streifen mit der Inschrift: Inschrift . (S. Thomas Cantuariensis), der Heil. Thomas von Canterbury. Zur linken Hand des Evangelisten Johannes steht ein Heiliger in weltlicher Kleidung, mit Bart, welcher mit der rechten Hand einen Dolch an der Spitze vor sich hält; dies ist ohne Zweifel der H. Olav; die Inschrift auf dem blauen Streifen ist nicht mehr zu lesen. Zur Linken des H. Olav knieet ein Ritter mit dem v. bülowschen Wappen am linken Arme und einem Spruchband, dessen Inschrift nicht mehr zu lesen ist; über demselben ist ein blaues Band mit der Inschrift: Inschrift . Von dem entscheidenden Vornamen sind noch die Buchstaben . . cco zu lesen; der Ritter hat also ohne Zweifel vicco = Vicke (d. i. Friederich) von Bülow geheißen. Meine

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frühern Vermuthungen, daß entweder [God]eco oder [Lud]eco gelesen werden könne, bestätigen sich also nicht, da noch . . cco , und nicht . . eco , zu erkennen ist, aber bald erloschen sein wird, da die Kalktünche schon sehr lose sitzt. Zur rechten Hand des H. Thomas knieet eine betende Frau, ohne Zweifel die Frau des Ritters; hinter ihr steht ein weißer Schild mit einem rechts schreitenden schwarzen Bären mit Halsfessel; die Inschriften auf den Spruchbändern sind nicht mehr zu erkennen, wahrscheinlich aber stammt die Frau aus dem Geschlechte der von Karlow, da dieses einen Bären im Schilde führt und kein anderes Wappen mit einem Bären mit einer Halsfessel bekannt ist, als das von karlowsche.

Die bildliche Darstellung an der östlichen Hauptwand über dem Altare war in der Anschauung also geordnet:

Christus
Maria, am Kreuze. Johannes Ev.
H. Thomas C. H. Olav.
Vicke's Vicke
v. Bülow v. Bülow,
Frau. Ritter.

2) Die nördliche Seitenwand hat an jeder Seite der beiden Fenster das Bild eines Bischofes, ohne Heiligenschein und ohne Inschrift, im Ganzen also 4 Bischöfe. Dies sind ohne Zweifel die 4 schweriner Bischöfe aus dem Hause von Bülow, von denen der letzte, Friederich, welcher am 4. Juni 1368 die doberaner Kirche weihete, im J. 1375 starb. Ueber dem östlichen Fenster, zunächst der Hauptwand, ist ein Christuskopf, über dem westlichen Fenster sind Blumen gemalt.

3) die südliche Seitenwand hat zwei Darstellungen:

a. Auf dem östlichen Theile der südlichen Wand, über der vergitterten Oeffnung, steht ein betender, geharnischter Ritter oder Knappe, welcher am Munde ein Spruchband hat, das ihm über den Kopf geht, auf welchem aber nur noch das Wort - - mundus - - zu lesen ist. Neben dem Kopfe ist ein blauer Streifen, welcher einen Namen getragen hat von dem jedoch nichts mehr zu erkennen ist. - Zu seiner Rechten sitzt ein Mönch, der H. Bernhard, in grauer Klostertracht, über dessen Haupte ein blauer Streifen mit der Inschrift s 9 . bernardus steht; auf dem Spruchbande, welches diese Figur in der Hand hält, ist nur noch - - ilencia - - zu lesen. - Zur Linken des Ritters sitzt ein heiliger Bischof, dessen Name auf dem blauen Streifen über seinem Haupte, so wie auch die Inschrift auf dem Spruchbande in der Hand, ganz verwischt ist; vielleicht foll er den H. Benedict vorstellen, da der

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H. Bernhard und der H. Benedict zu den besondern Schutzheiligen des Klosters gehörten.

Unter der ganzen Darstellung, über dem Gitter, läuft ein blauer Streifen mit einer Inschrift durch, von welcher nur der Anfang Nodie - -ende - - - - - zu lesen, vielleicht die Anrede Christi an Zachäus in Luc. 19, 9: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.

b. Auf dem westlichen Theile der südlichen Wand, über der Thür, steht ein geharnischter Knappe, mit beiden Händen ein großes Schwert vor sich haltend. An jeder Seite des Kopfes ist ein blauer Streifen; auf dem Streifen zur Rechten steht der Name henricus de bulow; die Schrift auf dem Streifen links ist nicht zu lesen.

4) An der westlichen Wand, welche ein Fenster hat, der Hauptwand gegenüber, ist an jeder Seite des Fensters eine Figur gemalt; von beiden ist jedoch nicht viel mehr zu erkennen. In der Ansicht links vom Fenster ist noch eine Bischofsmütze, rechts ein Mönchskopf mit einer Tonsur erkennbar. Wenn auch keine Attribute zu erkennen sind, so läßt sich doch vermuthen, daß die Bilder Mitglieder oder Verwandte des Geschlechts von Bülow darstellen sollen, um so mehr da keine Spur von Heiligenscheinen vorhanden ist. Die beiden Köpfe haben eben so sicher keine Heiligenscheine, wie die übrigen in der Kapelle dargestellten Personen aus dem Geschlechte von Bülow keine haben.

Die Schlußsteine der beiden Gewölbe sind mit hölzernen runden Schilden verziert, auf welche das v. bülowsche Wappen gemalt ist. Beide sind schon zerbrochen und sehr verwittert.

In neuern Zeiten ist ein backofenförmiges Gewölbe in die Kapelle gebauet, in welchem Särge der Familie v. Müller auf Detershagen stehen; damals ist auch wohl der Altar abgebrochen. Noch im J. 1853 ward die Kapelle zur Baumaterialien= und Gerüstkammer benutzt.

Die Kapelle war sonst reich an Inschriften. Nach Schröder's Wismar. Erstlingen S. 400 stand:

An der Bülowen Capell:

1) über der Thür:

      Inschriftskreuz Capella de Bulow Inschriftskreuz

2) ein Kerl mit einer Keule und dabei die Worte:

Sta up h oe r
Van der D oe er.

In der Kapelle stand (nach Schröder a. a. O. S. 402):

Aspera vox Ite sed vox benedida Venite ,
Ite malis vox est, apta Venite bonis.

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Quantus erit luctus, cum judex dixerit Ite
Tantus erit fructus, cum dixerit ipse Venite .

An dem v. Müllerschen Grabgewölbe in der Kapelle steht, jetzt mit moderner Schrift restaurirt:

Inschrift

Diese Inschrift hat gewiß Bezug auf den Kerl mit der Keule, welcher, wahrscheinlich vor der Kapelle, gemalt war. Jetzt steht die Inschrift im Innern an unpassender Stelle und ist auch durch die Umschreibung in der Orthographie gewiß vielfach verändert.

Von Bedeutung ist die Beantwortung der Frage, aus welcher Zeit diese Kapelle und die Malerei stammt. Im 15. Jahrhundert müssen die Bilder gemalt sein, da der ganze Styl und die Technik der Malerei hiefür unabweislich reden. Daß sie jünger sind als 1375, dafür spricht die Darstellung der 4 schweriner Bischöfe aus dem Hause v. Bülow, von denen der letzte, Friederich, in diesem Jahre starb. Von Bedeutung können die Namen der dargestellten Personen werden, des Ritters V icke im Hauptbilde und des Knappen Heinrich über der Thür. Aber trotz dem daß die Familie v. Bülow eine gedruckte Geschichte hat, lassen sich diese Personen doch schwer bestimmen, da theils die Geschichte noch viel zu wenig kritisch, sicher und genügend bearbeitet, theils die Familie ungewöhnlich groß ist und dieselben Vornamen sich häufig wiederholen.

Doch ist noch ein Hülfsmittel vorhanden, die Zeit zu bestimmen, und dieses liegt in den dargestellten Figuren. Auf der westlichen Wand ist nämlich zur Rechten eine Bischofsmütze, zur Linken der Kopf eines Mönches mit der Tonsur, beide ohne Heiligenschein, erkennbar. Es liegt nun in dem ganzen Cyclus, daß, wenn irgend Dedicatoren oder Donatoren sich haben abbilden lassen, dazu nur die äußerste westliche Wand, den Betenden im Rücken, dem Altare gegenüber, gewählt werden konnte. Der Mönch wird derjenige sein, welcher mit seinem Erbtheile die Kapelle dotirt hat. Im Jahre 1452 war nämlich ein Eckhard Bülow Mönch im Kloster Doberan und gehörte

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damals zu den Senioren ("Altherren") des Klosters. Am Sonntage nach S. Jacobi 1452 verkauften

"Johannes Vrome van gades gnaden abbet, Rodolphus Radeloff, prior. Hermannus Konyngk. Eggardus Bulow, Nicolaus Nigeman, oltheren, Johannes Hasselbeke, kelner, Johannes Deptzow, kornescriuer, Johannes Pors, vnderpnor, vnde gantze conuent des monsters to Dobbran"

der Stadt Parchim des Klosters Kornpacht und Mühlengut in der Mittelmühle und in der Vierglindenmühle (vêrgrinde) zu Parchim. Die Urkunde ist zwar nicht im Originale vorhanden; aber zwei im Anfange des 16. Jahrhunderts beglaubigte Abschriften stimmen überein. Es kommen zwar adelige Mönche in den Klöstern selten vor; aber der Fall ist nicht unerhört. Der Vorname Eckhart kommt in der Linie, zu welcher dieser Eckhart Bülow wahrscheinlich gehört, öfter vor. - Die Bischofsmütze gehört zu einer Figur, welche wohl den damaligen Abt des Klosters Dobbran, als Mithelfer, vorgestellt haben mag, da der Abt des Klosters seit dem J. 1402 das Recht hatte, bischöfliche Insignien zu tragen. Ein Bischof aus dem Hause Bülow kann es nicht sein, da vor dem J. 1452 aus dem Geschlechte nur die 4 Bischöfe (von Schwerin) hervorgegangen waren, welche auf der nördlichen Wand dargestellt sind.

Hat dies alles seine Richtigkeit, so würde die Kapelle in der Mitte des 15. Jahrhunderts gemalt sein.

Es kommt dann darauf an, wer der Ritter Vicke und der Knappe Heinrich ist. Es ist wahrscheinlich, daß beide zu der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr angesehenen Linie Plüskow gehörten, welche von dem Ritter Heinrich 12. gestiftet ward. Zu dieser Linie aufwärts gehörten auch die 4 Bischöfe von Schwerin. Diese Linie hatte den Pfandbesitz der Vogteien Plau mit Krakow, Neustadt und Dömitz. Sie ist in den Jahrbüchern XVII, S. 127 flgd. behandelt und giebt folgenden Stammbaum:

Stammbaum
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Stammbaum

Dieser letztgenannte Ritter Vicke von Bülow (1431-1443) mag der in der Kapelle dargestellte sein. In der Mitte des 15. Jahrhunderts sind Ritter nicht mehr so häufig, als daß sich die wenigen, welche die Ritterwürde besaßen, nicht besonders hervorheben sollten. Im J. 1431 wird er in einer Original Urkunde zu Neustadt ("tôr Nyenstad") ausdrücklich genannt: "Hartych, knape, her Vycke vnd her Achym, ryddere, alle ghehêten van Bulow". Zwar soll der Ritter Vicke nach der v. bülowschen Geschlechtsbeschreibung Gödel Hahn zur Frau gehabt haben; aber diese Geschlechtsbeschreibung ist zu unsicher und dunkel, als daß man sich darauf verlassen könnte. - Die Namen Vicke und Eckhart kommen in der Linie Plüschow öfter vor. - Zu diesen Umständen kommt noch, daß des Ritters Heinrich 12. auf Plüschow Vaterbrudersohn Danquard und dessen Nachkommen Zibühl und Tarnow befaßen und einige Zeit, im Pfandbesitze des Amtes Schwaan, also nicht weit von Doberan ansässig waren.

Anstoß könnte die in der Kapelle abgebildete Frau des Ritters Vicke erregen, welche nach dem Wappenschilde sicher eine von Karlow war. In den ratzeburger Urkunden giebt es eine Urkunde 1 ), von der jedoch bis jetzt nur ein Auszug handschriftlich bekannt ist, nach welcher im J. 1386 ein v. Bülow auf Wedendorf eine v. Karlow heirathete; die Regeste lautet:

"Literae illoruin de Karlow super Klokstorf et Kulrade, quae bona sorori suae N. de Bulowe nubenti pro dote dederunt".

Nach einer andern Urkunde vom J. 1394 (gedruckt in der Beschreibung des Geachlechts v. Bülow, Urkunden=Anhang, S. 20) versicherten Henneke v. Bülow auf Röggelin mit seinem Sohne Henneke seiner Tochter Sophie, Klosterfrau zu Rehna, 10 Mk.


1) Nach der Mittheilung meines Freundes Masch zu Demern.
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Renten aus dem Gute Katzendorf; Bürgen waren seine Vettern der Ritter Johann v. Bülow auf Wedendorf, Joachim v. Bülow, Hermann v. Karlow und Reimar v. Karlow, die letztern also gewiß nahe Verwandte der v. Bülow. Ueberhaupt standen die Bülow auf Wedendorf und Röggelin vielfach in Verbindung, und die letzteren kauften Von den ersteren wiederholt dies und jenes. Aber in dieser Linie kommen die Vornamen Vicke, Heinrich und Eckhart gar nicht vor. Auch möchte die Zeit zu weit zurückreichen.

In den Jahrbüchern X, S. 319 ist ausgesprochen, daß die Kapelle im J. 1372 von dem schweriner Bischofe Friederich von Bülow, der im J. 1368 die Spitzbogenkirche zu Doberan weihete, gegründet sei, indem er am 20. Decbr. 1372 dem Kloster Doberan eine Hebung von jährlich 30 Mark aus Schmadebek zu seinem, seines Bruders und seiner übrigen Lieben Gedächtniß schenkte. Wahrscheinlich ist es, daß hierdurch die Kapelle gestiftet oder der Altar in derselben fundirt ward. Damit ist aber nicht gesagt, ja es ist nicht einmal wahrscheinlich, daß die Kapelle damit vollendet und ausgemalt worden sei. Der Styl der Malerei und die jüngeren abgebildeten Personen reden dafür, daß die Kapelle in der Mitte des 15. Jahrhunderts vollendet und gemalt sei. Auch der Baustyl stimmt hiemit überein.

Außer diesem Ritter Vicke kommt in der Geschichte noch ein anderer Ritter Vicke vor, über den jedoch nur die v. bülowsche Geschlechtsbeschreibung S. 77 redet, nach folgender Genealogie:

Stammbaum

Diese Linie, welche in Schweden auftritt und nach einigen Geschlechtern wieder veschwindet, steht bis jetzt ohne alle Verbindung mit der Familie da und ist noch nicht urkundlich begründet. Man könnte aber diese Linie mit den Malereien in der Bülowen=Kapelle in Verbindung zu setzen versucht sein, da die Zeit stimmt und die Heiligen Olaf und Thomas auf den

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Norden hindeuten, es auch gewiß nicht ohne Bedeutung ist, daß der Ritter Vicke vor dem nordischen Heiligen Olaf knieet. Vielleicht kamen Glieder dieser Linie nach Meklenburg zurück und stifteten zum Andenken eines glücklichen Ereignisses diese Kapelle. Dagegen spricht, daß des schwedischen Ritters Gemahlin eine geborne von Krummendik gewesen sein soll.

Eine andere Linie könnte auch zur Berücksichtigung kommen (nach der Beschreibung S. 45):

Stammbaum

Jedoch scheint diese Linie zu alt zu sein, da die Gemälde offenbar jünger sind.

Für den Augenblick lassen sich die Forschungen nicht weiter führen. Jedoch wird das feststehen, daß die Kapelle aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammt und die in derselben vorkommenden Namen zu der urkundlichen Geschichte stimmen.


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Die Austünchung der Kirche zu Doberan
und
die beiden bemalten achteckigen Pfeiler der Kreuzschiffe.

Die Forschung über die Ausmalung der doberaner Kirche ist für die Baugeschichte von Wichtigkeit. In der Regel standen die mittelalterlichen Kirchen im Rohbau. Nur Bogen, Gewölbe und vertiefte Wandflächen waren geputzt oder geweißt; eben so war der Grund für Wandmalereien geputzt. Jedoch ist dies nicht durchgehende Regel. Man findet auch alte Kirchen, welche geputzt und dann wieder roth mit weißen Kalkfugen, als Nachahmung des Ziegelbaues, gemalt sind; jedoch pflegen dann die Steine größer gemalt zu sein, als die größten Ziegel in Natur sind. So waren die Wände des Chores der Kirche zu Alt=Röbel, so sind die nicht mit Figuren bemalten Wandflächen und Wulste der Heil. Bluts=Kapelle vor der nördlichen Pforte der Kirche zu Doberan, beide aus dem 13. Jahrhundert, bemalt. Es scheint, daß man dann häufig die ganzen Wände zu putzen pflegte, wenn sie mit figürlichen Darstellungen geschmückt werden sollten, auch selbst dann, wenn nicht die ganzen Wände bemalt

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werden sollten, um den Abstand nicht zu sehr in die Augen fallen zu lassen. In der Heil. Bluts=Kapelle zu Doberan sind freilich alle Hauptflächen gemalt; in dem Chor der Kirche zu Alt=Röbel waren aber nur die Gewölbe bemalt, jedoch die Wände ganz geputzt. Bekannt ist es, daß man aber auch häufig nur diejenigen Flächen der Wände putzte, welche mit Figuren bemalt werden sollten.

Nach allen Anzeichen stand die Kirche zu Doberan im Rohbau, ehe sie 1830 roth gemalt ward. Zwar wird wohl behauptet, sie sei vorher schon roth gemalt gewesen; aber der Maurermeister und dessen Gesellen, welche 1830 die Kirche roth ausgemalt haben, versichern, daß sie vorher im Rohbau gestanden habe. Und hiemit stimmt denn auch eine Erfahrung überein, welche ich selbst gemacht habe. Als ich am 1.-5. Nov. 1853 in Allerhöchstem Auftrage das Grabgewölbe des Herzogs Magnus († 1550) in der alten fürstlichen Begräbnißkapelle abbrach, welches 4 Fuß hoch über dem Fußboden den ganzen Raum unter dem östlichen Gewölbe des nördlichen Kreuzschiffes bedeckte, fand ich die Seitenwände 4 Fuß hoch im Rohbau stehen; nur die vertieften Flächen der Pfeiler (zwischen den Graten) waren einmal leicht überweißt. Also war die Kirche bis zum Jahre 1550 nicht getüncht.

Die Kirche ist jetzt mit Ziegelfarbe roth und mit weißen Kalkfugen ausgemalt. Die Laibungen und die vertieften Flächen der Pfeiler sind weiß. Unter den hohen Fenstern des Mittelschiffes auf dem Triforium steht auf weißem Grunde eine gemalte Spitzbogen=Gallerie in sehr matter, hellgrüner Farbe, wohl eine nicht recht verstandene Nachahmung alter Malerei. Die Gewölbe sind weiß; die Gewölberippen sind ebenfalls mit demselben matten Grün gemalt.

Die Inschriften auf die neue Ausmalung sind folgende:

Auf der Ostwand des südlichen Seitenschiffes steht oben unter den Fenstern:

Im nördlichen Kreuzschiffe steht:

J. Trede.          J. Schröder. C. Uplegger.
J. Stolz. W. Freudenberg.
Anno 1830. Gott mit uns.

Im nördlichen Kreuzschiffe steht:

1830.

Im Mittelschiffe über dem Hochaltäre steht:

1831.

Besondere Beachtung verdienen die beiden prächtigen, ungewöhnlich schlanken, achteckigen Pfeiler in den Kreuzschiffen.

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Die von den Seitenschiffen auslaufenden beiden Kreuzschiffe sind 3 Gewölbe breit und werden nach dem Seitenschiffe hin von Zwei Pfeilern getragen, von denen der westliche achteckig ist und ebene Flächen hat, abweichend von allen übrigen Pfeilern der Kirche, welche vielfach mit Diensten besetzt sind. Diese ebenen Flächen der beiden achteckigen Pfeiler sind mit verschiedenen, farbigen Mustern mosaikartig bemalt, nach Art der Muster in den alten gemalten Fenstern, jedoch mehr nach Maaßgabe der Architektur, und machen bei guter Beleuchtung eine vortreffliche Wirkung. Es kommt in Meklenburg wohl kein zweites Beispiel dieser Art vor. So hoch man mit Leitern von unten hinaufreichen kann, sind diese Muster mit ganz matten, schlecht stehenden Farben übermalt. Es wird noch heute mit großer Bestimmtheit viel in Doberan erzählt, daß der "Baumeister der Kirche diese Pfeiler ohne Loth und Winkelmaaß selbst aufgeführt" habe.

Es ist glaublich, daß es mit diesen beiden achteckigen bemalten Pfeilern eine besondere Bewandniß habe. Die Kreuzschiffe der doberaner Kirche sind ungewöhnlich breit, 3 Gewölbe breit. So breit sind sie ursprünglich wohl nicht angelegt gewesen. Jedes der beiden Kreuzschiffe hat einen Pfeiler von der gewöhnlichen Form und einen achteckigen Pfeiler. Das Schiff und die Kreuzschiffe der jetzigen Spitzbogenkirche stehen wohl in den Grenzen der alten Rundbogenkirche, gewiß die westlichen Ecken der beiden Kreuzschiffe und die südwestliche Ecke des Seitenschiffes. Es ist nun möglich und wahrscheinlich, daß die Seitenschisse der alten Rundbogenkirche nur zwei Gewölbe breit waren und die beiden westlichen Gewölberäume derselben umfaßten, so daß die achteckigen Pfeiler in der Mitte standen. Diese ließ man zum Andenken stehen und erhöhete sie beim Umbau der Kirche im 14. Jahrhundert. Als man damals auch den Chor und den Chorumgang erweiterte, wird man den östlichen Gewölberaum der Kreuzschiffe angesetzt haben, um der ganzen Kirchenanlage mehr Symmetrie zu geben; man bauete nun den nöthigen neuen Pfeiler nach dem Muster der andern neuen Pfeiler. So erhielten die Kreuzschiffe drei Gewölbe und so blieben die beiden alten Pfeiler stehen, wenn auch gerade nicht in gleichem Styl mit den übrigen, doch als ehrwürdige Denkmäler alter Zeit.


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Leichensteine.

Der Herr Director Dr. Wiggert zu Magdeburg hat den in leoninischen Hexametern geschriebenen doberaner Grabschriften seine besondere und wiederholte Aufmerksamkeit zugewandt und mir seine Bedenken und Vorschläge mitgetheilt, in Folge deren ich die Inschriften an Ort und Stelle wiederholt geprüft habe.

l) Die Inschrift auf dem Grabe des Fürsten Heinrich des Löwen von Meklenburg,

welche in Jahrb. IX, S. 429 mitgetheilt ist, muß folgendermaßen lauten, nämlich so wie man die Verse lesen muß:

1. Anno milleno tricen. vicenque noueno,
2. natus vt est ille, quem predixere Sibille
3. dicta, die magne proch Hin. defungitur Agne,
4. Mychilburgh princeps, quem tristis obisse dolet plebs,
5. Huic genitrix Cristi succurrat, ne nece tristi
6. demonis artetur, sed iustis congratuletur. Amen.

So las auch Nic. Marschalk, welcher eine mit Gold gemalte Abschrift auf einer Tafel an einem Pfeiler hat aufhängen lassen.

Im 1. Verse las Nic. Marschalk so, wie hier steht, "tricen. vicenque". Da der Fürst Heinrich der Löwe am Tage der H. Agnes 1329 gestorben ist, so kann auch gar nicht anders gelesen werden; es muß dann, wie in leoninischen Hexametern öfter vorkommt, nicht mehr gelesen werden, als wirklich geschrieben steht, eben so wie im 3. Verse nicht mehr als "Hin.", statt Hinricus, gelesen werden darf. Bei der Aufräumung des Grabes fand ich in der Tiefe einen wohl erhaltenen, alten Stein mit - │ tenoqz Blumenvignette vice │ ; diese Sylben würden mit den vorhandenen tricen tenoque Blumenvignette vice │ no noueno zwar eine orthographisch vollständigere Lesung gewähren, aber den Hexameter nicht geben. Es muß also die Inschrift entweder zuerst anders gelautet haben und schon im Mittelalter mit andern Wendungen restaurirt sein, oder es muß dieser neu aufgefundene Stein zu einer andern Inschrift gehören, wie sich noch zwei andere Steine mit nunc postulet und nunc quiuis fanden, welche ebenfalls nicht in den Sinn der Inschrift passen. So wie die Inschrift jetzt steht, kann nicht anders als "tricen. vicenque" gelesen werden.

Im 3. Verse ist nach dicta das Komma zu setzen, so daß zusammengehört: " , quem predixere Sibyllae dicta,"

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(d. i. vaticinia) und Sibyllae der von dicta abhängige Genitiv ist. Man vgl. den Vers: Dies irae, dies illa solvet saeclum in favilla, teste David cum Sibylla.

Im 3. Verse muß "Hin." gelesen werden, statt Hinricus, also nicht mehr, als geschrieben steht.

Im 3. und im 5. Verse sind Herrn Director Wiggert die Wörter "proch" (für proh!) und "nece" verdächtig; aber sie stehen wirklich so da und können durchaus nicht anders gelesen werden. Auch Marschalk liest nece und proh.

Im 6. Verse muß ohne Zweifel artetur (= arctetur) gelesen werden, wie auch Marschalk hat. Im Original des Ziegels steht aber sicher arcetur, vielleicht aus Versehen des Formschneiders.

Im 6. Verse waren Herrn Wiggert die Worte: "justus congratuletur" verdächtig. Er zweifelt zuerst an der Lesung justus und vermuthet justis, und wirklich steht auch iustis im Originale; die Lesung justus war also ein Versehen von mir. -

Die Lesart "cō n mit Querstrich grātŭlētūr" ist zwar nach der Quantität falsch und nach dem Sinne etwas gezwungen; aber es steht im Originale wirklich 9 gratuletur, d. i. congratuletur. Der Sinn ist also: "daß er die Gerechten begrüße".

2) Die Inschrift auf dem Grabe des Heinrich von der Lühe,

welche in Jahrb. IX, S. 445-446 mitgetheilt und sehr verwittert und sehr schwer zu entziffern ist, las ich folgendermaßen:

1. Post M bis duo CC CC domini semel I superadde
2. Mart[ini m pro]festo Vincencî rem manifesto
3. [vir] bonus Hinricus de Lu [sin]cerus amicus
4. claustri decessit sub petra qui requiescit feliciter in pace. amen.

Obgleich durch diese Lesung die frühere Lesung in den Hauptsachen verbessert ist, so stößt man doch auf manche Bedenken. Der 1. Vers ist so zu lesen, wie er geschrieben ist:

M                CC. CC                 I
Post em bis duo ce domini semel i superadde

d. i. Nach ein tausend zwei mal zwei hundert und ein mal ein des Herrn, d. i. im Jahre des Herrn 1401. Es fehlt eigentlich das Wort anno, als regierendes Wort vor dem Genitive domin; es kann aber aus dem Sinne des ganzen Verses hinzugedacht werden. Das Wort d n mit Querstrich i (domini) steht sicher da.

Im 2. Verse steht, wie Hr. Wiggert vermuthet, im Originale wirklich martiris in festo = martiris in festo Vincencii.

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In demselben Verse müssen die Worte " , rem manifesto, " als Zwischensatz verstanden und interpungirt werden: " ,ich verkünde es,".

Im 3. Verse fehlt jetzt schon der Name de Lu ganz.

In dem Wunsche am Schlüsse war das Wort f'ıııt unverständlich. Im vorigen Jahrhundert las man fiat; ich vermuthete = feliciter, Hr. Wiggert glaubt, daß feriatur da stehen könne. Nach vielfältiger und scharfer Beobachtung steht im Originale f'iat, d. i. feriat; das a ist zwar nicht ganz deutlich mehr, aber doch noch einigermaßen zu erkennen. Hiernach kann man nicht anders lesen als f'iat z (feriatur) und muß annehmen, daß die Abbreviatur für die Endung - ur, welche durch - z bezeichnet wird, ausgesprungen sei, da der Stein ungewöhnlich bröckelig und an unzähligen Stellen ausgesprungen ist. Der Sinn ist: "er feiere in Frieden".

Die Inschrift lautet also jetzt:

Inschrift

d. i.                (=em)                (=ce)                (=i)

Post M bis duo CC domim semel I superadde, martiris in festo Vincencii, rem manifesto, vir bonus Hinricus de Lu, sincerus amicus claustri decessit, sub petra qui requiescit.
               Feriatur cum pace. Amen.

Heinrich von der Lühe, wahrscheinlich von Buschmühlen, starb also am 6. Junii 1401.

3) Leichenstein des Abtes Hermann Bokholt. (1404 - 1423, † 1427.)

In den Jahrb. IX, S. 437 ist die Inschrift von dem Leichensteine des 29. Abtes Hermann Bokholt aus Schröder's Wismar. Erstlingen S. 397 mitgetheilt, da der Leichenstein selbst damals fehlte. Dieser Stein hat sich aber in neuern Zeiten gefunden und daher läßt sich wenigstens das Wichtigste von der

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Inschrift auf diesen Abt, welcher in einer für die Geschichte des Klosters nicht unwichtigen Zeit lebte, nachtragen. Nach der Erzählung mehrerer Arbeiter hatte der Stein unter dem jetzigen Fußboden der Kirche gelegen und war mitten durchgebrochen gewesen; statt ihn wieder in die Fläche des Fußbodens einzulegen, hatte man die beiden Stücke zurückgesetzt und von denselben zu verschiedenen Zeiten unverantwortlicher Weise zu Stufensteinen Stücke abgeschlagen. Im Novbr. 1853 fand ich die beiden größern Stücke in der Bülowen=Kapelle mit der Inschriftseite gegen die Wand gelehnt; zwei abgeschlagene Stücke mittlerer Größe und viele kleine Bruchstücke lagen in der Pforte der Klostermauer, wo ich sie ausbrechen ließ, um sie wieder nach der Kirche zu bringen. Jedoch haben bis jetzt noch nicht alle Bruchstücke zusammengebracht werden können.

Schröder giebt die Inschrift folgendermaßen an:

Anno domini MCCCCXXVII, IV kal. Decemb. obiit venerabilis dominus Hermannus Bockholt abbas, qui per annos XX rexit abbatiam Doberanensem.

Die Inschrift ist von Schröder nicht ganz richtig und vollständig gelesen. Nach sicherer Lesung lautet die Inschrift folgendermaßen; die Stellen mit gothischer Schrift stehen auf den Bruchstücken des Steines, die Stellen mit lateinischer Schrift sind nach Schröder ergänzt:

Inschrift

(Anno domini millesimo CCCCXXVII. VI kal. Decembris obiit venerabilis dommus Hermannus Bokholt XXIX abbas, qui per XX annos rexit abbatiam Dobberanensem.)

Die Jahreszahl ist sicher richtig gelesen; von der Zahl in der Reihenfolge der Aebte ist ıx auch zuverlässig. Der Abt Hermann Bokholt starb also im J. 1427. Da nun sein Nachfolger Bernhard schon im J. 1424 erscheint, so muß Hermann Bokholt einige Jahre vor seinem Tode (1424) resignirt haben. Die Zahl 29 in der Reihenfolge der Aebte stimmt mit den übrigen Angaben überein, da Hermann Bokholt nach den ausdrücklichen Angaben zwischen den 28. und 30. Abt fällt.

Der Leichenstein ist sehr groß und dick, spaltet aber leicht; die Arbeit ist sehr gut. Bemerkenswerth ist, daß neben dem Bilde des Abtes ein Hund sitzt, der zu ihm hinaufschaut.


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Der Hochaltar,

welcher in Jahrb. XIV, S. 352, beschrieben ist, hat in der Mitte keine Tafel, sondern nach alter Weise einen Schrein zur Aufstellung der Reliquien und ist mit einem thurmartigen Ueberbau gekrönt, welcher nach alter Weise das Ciborium genannt ward. Hiefür giebt es noch einen urkundlichen Beweis. Als der Bischof Werner von Schwerin am 26. October 1461 dem Kloster Doberan einen Ablaß verlieh, weihete er auch die silbernen Statuen der Apostel Johannes und Jacobus, welche im Ciborium des Hochaltars ("in cimborio summi altaris") aufgestellt waren:

"imagines argenteas sanctorum Johannis et Jacobi apostolorum, que continentur in cimborio summi altaris ecclesie Doberanensis, que eciam per nos die dato presentis iuxta institutionem sancte Romane ecclesie sunt consecrate".


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Die Kirchen
zu
Rethwisch, Lichtenhagen und Steffenshagen

bei Doberan sind drei interessante Bauten, welche viel Gemeinsames haben und in manchen Stücken aus derselben Zeit stammen.

Die Chorbauten aller dieser Kirchen sind verschieden und bei jeder eigenthümlich.

Die Schiffe aller drei Kirchen find aber fehr ähnlich und stammen ungefähr aus derselben Zeit aus dem Ende des 13. oder dem Anfange des 14. Jahrhunderts. Es sind dreischiffige, gewölbte Gebäude mit einem weiten und hohen Mittelschiffe und zwei schmalen, niedrigem Seitenschiffen. Die Gewölbe ruhen auf achtseitigen Pfeilern. Die Ringmauern sind niedrig und haben niedrige, weite Fenster mit mehrern Pfeilern; diese Fenster sind gewiß im 15. Jahrhundert in die gegenwärtige Form gebracht, oft grade nicht zum Vortheil der Bauten. Die Kirchen haben dadurch eine unscheinbare Außenseite erhalten, während sie im Innern durch ihre Kraft, oft durch ihre Schönheit überraschen. An mehrern Orten herrscht die Sage vom Brande der Kirchen, wodurch ihre Außenseiten gelitten haben sollen.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Rethwisch

bei Doberan ist äußerlich ein unscheinbarer, niedriger Bau, dessen Außenmauern und Fenster wohl aus dem 15. Jahrh. stammen.

Der einfache Chor hat schöne Blätterconsolen, auf denen die Gewölberippen stehen.

Das dreischiffige Schiff, dessen Gewölbe von achteckigen Pfeilern getragen werden, hat aber ein Mittelschiff in einem sehr schönen und erhabenen Spitzbogenstyl, etwa aus dem Anfange des 14. Jahrh., so daß die Kirche im Innern eine ungewöhnlich erhabene und freie Ansicht bietet.

Die Kirche ist zwar nach allgemeiner neuerer Mode ausgeweißt, jedoch sind die Abschrägungen der Gurtbogen mit hübschen Blattverzierungen in weiß, grau und braun gemalt. Ich halte diese Malereien für alt, wenn auch nicht für sehr alt, jedoch für älter, als die gewöhnlichen Malereien aus dem vorigen Jahrhundert. Jedenfalls sind sie geschmackvoll genug, um Beachtung zu verdienen.

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Der Altar ist ein Schnitzwerk von ziemlich reicher Ausführung und wenn auch nicht ausgezeichnet, doch ganz hübsch. Die Arbeit scheint aus dem Ende des 15. Jahrh. zu stammen. Das architektonische Ornament des Altars ist aber sehr mittels mäßig. In der Mitteltafel ist in der Mitte eine Kreuzigung mit vielen Figuren dargestellt; daneben stehen an jeder Seite zwei Heilige über einander. In jedem der beiden Flügel stehen je zwei Heiligenbilder über einander. In der Predelle ist die Krönung Maria dargestellt, an jeder Seite mit drei Heiligen.

An der nördlichen Wand neben dem Altare ist ein kleines Tabernakel befestigt. Tabernakel haben sich in Meklenburg bisher nur noch, außer in der Kirche des Klosters zum Heil. Kreuz in Rostock, in den Kirchen der Abtei Doberan gefunden: zu Doberan, Hansdorf, Lichtenhagen und Rechwisch.

In dem Fenster über dem Altare sind verschiedene recht gute, alte Glasmalereien, welche in neuern Zeiten aus den übrigen Fenstern zusammengebracht sind. In der Mitte steht eine Kreuzigung, daneben links Johannes Ev., rechts ein anderer Heiliger.

An Geräthen ist noch ein Weihrauchfaß aus Messing und ein messingenes Taufbecken mit einem Hirsche im Mittelschilde bei der Kirche vorhanden.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Lichtenhagen

hat einen Chor, ein Schiff und ein Thurmgebäude von kräftigen Verhältnissen. Aeußerlich hat die ganze Kirche den Charakter des 15. Jahrhunderts; namentlich sind alle Fenster mit ihren weiten Oeffnungen und vielen Pfeilern ein Werk dieses Jahrh.

Der Chor ist ein alter Feldsteinbau mit einem alten Gewölbe, wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh.

Das Schiff ist ein kräftiger, niedriger, gewölbter Bau mit zwei schmalen, gewölbten Seitenschiffen. Die achteckigen Pfeiler sind sehr kurz und haben Basen und Deckplatten. Wahrscheinlich stammt dieser innere Bau aus dem Ende des 13. Jahrhunderts.

Der Thurm ist ein hohes, altes, tüchtiges Ziegelgebäude, an jeder Seite oben mit drei Schallluken oder Fensteröffnungen im Uebergangsstyle und mit drei ähnlichen Nischen in jedem Giebel. Der Thurm ist eines der kräftigsten Gebäude der Gegend.

Im Thurme hangen noch 2 alte Glocken. Eine große Glocke hat die Inschrift:

Inschrift

Die kleine Glocke hat diese Inschrift mit der Jahreszahl 1480.

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Vor der Thurmpforte liegt ein abgetretener Leichenstein aus dem Ende des 14. Jahrhunderts, von dessen Inschrift nur noch zu lesen ist:

Inschrift

( - - dominus Nicolaus Domelowe, rector hujus ecclesie. Orate pro eo.)

In der Kirche und im Thurmgebäude stehen überall viele zurückgesetzte, aus Eichenholz geschnitzte, alte Heiligenbilder von ehemaligen Altären. Im Thurmgebäude liegt auch ein auseinander genommenes Tabernakel, wie es scheint, von schönen Verhältnissen.

Im Thurmgebäude steht zurückgesetzt auch ein großer, alter Taufstein aus Granit. Die Schale ist ganz mit vier Reihen nach unten gekehrter Spitzen in Relief Symbol zum Zierrath bedeckt, wie der Taufstein von Steffenshagen mit einer Reihe solcher Spitzen am Rande eingefaßt ist. Die Schale wird von sechs ungeschlachten Figuren getragen, welche auf dem Fuße des Taufsteins stehen. Der Taufstein stammt, wie der zu Steffenshagen, wohl aus der ersten Zeit des Christenthums in der Gegend von Doberan.

Das Gut Lichtenhagen war im Mittelalter ein Lehn der von Gummern auf Bliesekow; andere Linien der Familie wohnten auf Lambrechtshagen und Gerdeshagen.

G. C. F. Lisch.     

Die Kirche zu Steffenshagen

bei Doberan ist eine der merkwürdigsten Kirchen in Meklenburg und wahrscheinlich einzig in ihrer Art in Norddeutschland. Sie besteht aus Chor und Schiff.

Das Schiff ist dreischiffig, wie die meisten Kirchen der Abtei Doberan, mit achtseitigen Pfeilern; die Seitenschiffe sind sehr schmal; alle drei Schisse sind gewölbt. Wahrscheinlich stammt der innere, kräftige Bau aus dem Ende des 13. Jahrhunderts. Die Seitenwände sind jedoch niedrig und haben große, weite Spitzbogenfenster, dem Anscheine nach aus dem 15. Jahrhundert. Auch hier geht die Sage, daß die Kirche durch Brand gelitten habe und dadurch niedriger geworden sei.

Der Chor ist dagegen von dem allergrößten Interesse. Der Chor ist ein viereckiges Gebäude, mit grauer Altarwand, ganz von kräftigen Ziegeln gebaut, wahrscheinlich am Ende des 13. Jahrhunderts. Die Außenwand ist ganz mit gedruckten Ziegeln mit sehr schönen Reliefs geschmückt. Rings um den

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Chor laufen nämlich Schichten von unglasurten Ziegeln, wie Bänder, welche mit bildlichen Darstellungen in Relief verziert sind, abwechselnd Weinlaub und Löwen (auch Tiger) und Greifen darstellend. Zuerst umgiebt den Chor eine Schicht von Ziegeln, auf welchen immer ein Löwe (auch Tiger oder Panther) und ein Greif, laufend und entgegengekehrt, dargestellt sind; dann folgen drei Schichten glatter Mauersteine, von denen einige Schichten unmittelbar neben den gedruckten Ziegeln glasurt sind; auf diesen drei glatten Schichten liegt eine Schicht, welche mit einer Weinranke verziert ist. So geht diese Architektur in regelmäßigem Wechsel bis zum Dache hinauf. Die Reliefs sind sehr schön modellirt und die Ziegel gut gebrannt und wohl erhalten. Wahrscheinlich soll diese Darstellung den Sieg des Christenthums über das Heidenthum darstellen, indem die wilden, gegen einander gekehrten Thiere das Heidenthum, die Weinranken Christum symbolisiren. So viel bekannt, kommt ein zweites Beispiel dieser Art in Norddeutschland nicht weiter vor. - Der Chorgiebel ist mit vertieften, schmalen Spitzbogennischen und kreisrunden Schilden verziert.

In der Südwand des Chors ist eine durch eine Vorhalle verdeckte, alte Pforte, welche eben so merkwürdig ist. Die schräge eingehende Pforte ist mit 6 Wulsten verziert, welche an jeder Seite 6 Säulen bilden. Diese 12 Säulen haben Kapitäler, welche aus kurzen, gedrungenen Heiligenbildern bestehen; leider sind sie mit Kalk sehr verschmiert, jedoch läßt sich aus den Attributen einiger Figuren, z. B. des Petrus, erkennen, daß sie die 12 Apostel darstellen sollen. Die Bogen sind mit Weinlaub und Rosen in Relief verziert.

An der Nordseite des Chors ist eine Sakristei angebauet, welche jetzt ganz dunkel ist und wüst liegt. Diese Kapelle ist aber dadurch sehr ausgezeichnet und selten, daß sie mit Heiligenbildern und Geschichten aus der Zeit der Erbauung des Chors ausgemalt ist. Leider sind diese Bilder durch die eingeschlossene, feuchte Luft fast ganz verwittert.

Im Innern hat der Chor einen großen geschnitzten Altar von ziemlich guter Arbeit, in der Mitte mit einer großen Figur der Jungfrau Maria, welche auf dem Halbmonde steht.

Bei dem Altare ist noch ein Belt, ein Brett mit einem Heiligenbilde zum Einsammeln der Opfergaben.

Vor dem Altare liegen zwei gute Leichensteine aus Kalkstein:

1) ein großer, schöner Leichenstein mit dem Bilde eines Priesters. Sowohl die figürliche Darstellung, als die Inschrift sind vertieft in die platte Fläche eingegraben. Die Inschrift lautet:

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Inschrift

(= Anno domini MCCCXXX obiit dominus Nicolaus, qui fuit plebanus istius ecclesiae laudabiliter XXX annos, cujus anima requiescat in pace per Jhesum Christum. Amen.)

Dieser Leichenstein gehört zu den älteren Leichensteinen im Lande. Wahrscheinlich ward unter diesem Pfarrer Nicolaus († 1330), welcher 30 Jahre im Amte gewesen war, der Chor der Kirche erbauet, da seiner rühmlich gedacht wird.

Daneben liegt

2) ein anderer Stein, ebenfalls mit dem Bilde eines Priesters. Sowohl die figürliche Darstellung, als die Inschrift sind in der glatten Fläche stehen geblieben und der Grund ist nach Messingschnittmanier ausgegraben. Die Inschrift lautet:

Inschrift

(= Anno domini MCCCXCIII in die Gregorii papae obiit dominus Alardus Schademoller, rector huius ecclesie, qui laudabiliter ei praefuit. Orate pro eo.)

Am Westende des Schiffes steht ein uralter, großer Taufstein von Granit aus der Zeit der Einführung des Christenthums, ähnlich dem Taufsteine in Lichtenhagen. Das Becken ist rund umher mit Relief=Verzierungen bedeckt, welche sehr roh gehalten sind. Vorne ist ein Crucifix eingehauen: das Kreuz hat die Gestalt, wie ein Kreuz , der Kopf Christi ragt über den obern Queerbalken hinaus, der Leib Christi ist ganz bekleidet. Zu beiden Seiten des Crucifixes umher stehen unter Rundbogen 12 Köpfe von roher Arbeit, welche wohl die 12 Apostel darstellen sollen. Der Kopf, welcher an der dem Crucifixe entgegengesetzten Seite steht, hat lange Ohren (vielleicht Judas Ischarioth?). Der Rand des Beckens ist mit einer Reihe dreiseitiger Spitzen Symbol verziert, mit denen das Becken des Taufsteins von Lichtenhagen ganz bedeckt ist.

G. C. F. Lisch.     

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Ueber
die Bau=Perioden des Domes zu Schwerin,

von

G. C. F. Lisch.


Die Bestimmung der Bau=Perioden des Domes zu Schwerin, dieses erhabensten Bauwerkes Meklenburgs, ist im höchsten Grade wichtig, um einen bedeutenden Mittelpunkt in der Geschichte der alten Baukunst Meklenburgs zu gewinnen.

Ich habe in den Jahrbüchern diesen wichtigen Gegenstand wiederholt aufgenommen, namentlich X, S. 306, und XIII, S. 147 flgd., und immer im Allgemeinen die Meinung ausgesprochen, daß der Dom in seiner jetzigen Gestalt wesentlich ein Werk des 14. Jahrhunderts sei, - im Besondern, daß der Chor der ältere Theil und vielleicht im Anfange des 14. Jahrhunderts, der Chorumgang und die Seitenschiffe in der Zeit 1365-1375, das Schiff noch später, etwa im Anfange des 15. Jahrh., erbauet sei. Bedeutende Architekten haben mir mündlich und Lübcke in seiner Beschreibung des schweriner Domes im Deutschen Kunstblatt, Berlin, 1852, Nr. 35, öffentlich beigestimmt. Eine in neuern Zeiten gemachte Entdeckung über die Erbauung des Chores löset nun alle Zweifel und giebt einen sichern Ausgangspunct in der Bestimmung der Bau=Perioden.

1171, am 9. Septbr., ward das Bisthum und der Dom zu Schwerin von dem Herzoge Heinrich dem Löwen gegründet (in dedicatione ecclesiae). Von diesem ersten Bau, welcher ohne Zweifel im romanischen Style ausgeführt gewesen ist, ist wohl nichts weiter übrig als einige romanisirende Basen und Kapitäler aus Kalkstein, welche in der Nähe des Domes aufgefunden sind und im Antiquarium zu Schwerin aufbewahrt werden; das alte Kapitelsiegel (Jahrb. VIII, Lithogr. T. 1. Fig. 3) giebt ein ungefähres Bild von dieser alten Kirche, welche der Anlage nach der jetzigen gleich war. Möglich ist es, daß der untere Theil des Thurmes noch aus dieser Zeit stammt; jedoch ist alles so sehr durchbauet und durchbrochen, daß sich schwerlich etwas bestimmen lassen wird. Die Erhöhung des Thurmes stammt aus der Zeit des zweiten Baues.

Bezeichnend für den alten Bau ist, daß das alte Thurmgebäude nebst den Abseiten noch keinen Granitsockel hat.

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1248, am 15. Junii, ward der Dom geweihet (consecratum). Dieser zweite Bau ist sicher im Uebergangsstyle ausgeführt gewesen, ohne Zweifel von geringer Höhe. Von diesem Bau ist noch das Thurmgebäude, gewiß in den obern Theilen, übrig, wie dessen ganze Construction im Aeußern und stellenweise im Innern der Kirche beweiset. Der Thurm hatte eine Pforte im Rundbogenstyle und darüber zwei Fenster im Uebergangsstyle, wie es scheint; diese sind zwar ausgebrochen und durch eine spitzbogige Construction ersetzt, aber die angegebenen ursprünglichen Constructionen lassen sich noch an den Ueberbleibseln im Mauerwerke erkennen. Vollständig erhaltene Ueberreste dieses alten Baues sind noch vorhanden in dem Rundbogenfries, in den untern Fenstern oberhalb der Pforte, in den Schallluken im Uebergangsstyle, in der antik geformten alten Thurmspitze und den im senkrechten Zickzack aufgemauerten Ziegeln in den Giebeln derselben.


Das ganze Kirchengebäude, wie es jetzt da steht, ist in jüngern Zeiten im Spitzbogenstyle des 14. Jahrhunderts ausgeführt. Man fing mit diesem dritten Bau im Osten an und schritt damit während eines ganzen Jahrhunderts gegen Westen bis zum Thurmgebäude fort, wie der etwas unregelmäßige Abschluß im Westen am Thurme beweiset, wo man bei der neuen Construction nicht mit einem regelmäßigen Anschluß auskommen konnte.

1327 war der Chor eben fertig geworden. Dies wird durch ein Notariats=Instrument in Angelegenheiten des Dom=Capitels bewiesen, welches am 27. März 1327 "zu Schwerin vor der Pforte 1 ) des neuen Chores", welche in der Südwand dem Markte gegenüber liegt, aufgenommen ward:

"Actum Zwerin ante hostium (d. i. ostium) "noui choro", anno natiuitatis domini MCCCXXVII, Martii die XXVII".

Dieses für die in Frage stehende Zeitbestimmung neu entdeckte Instrument ist in Schröder's Pap. Meckl. II, S. 3038


1) Diese Pforte des Chores ist sehr wichtig, da sie eine der wenigen im Lande ist, welche noch die alte Einrichtung der Pforten der Ziegelkirchen bewahrt hat und daher zum Muster dienen kann. Die Pforte ist, wie die übrigen, schräge eingehend mit Rippen verziert und wahrscheinlich bei dem Umbau 1365-75 so verziert. Die Einrichtung ist aber alt. Zur Aufnahme der viereckigen Thürflügel sind an den Seiten Granitpfosten (Monolithen) eingebracht, welche einen Thürsturz von Granit tragen. Das Bogenfeld über dem Sturz ist zugemauert, früher gewiß bemalt gewesen und mit einer kräftigen Verzierung von Laubwerk eingefaßt.
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gedruckt und im Originale im großherzogl. Archive zu Schwerin vorhanden. Dieser Bau ward wahrscheinlich unter dem Bischofe Gottfried I. von Bülow (1292-1314) im Anfange des 14. Jahrhunderts begonnen und der Vollendung nahe gebracht, da der alte päpstliche Ablaß für die Heilige Bluts=Kapelle im Chore des Domes am 22 Junii 1301 erneuert und diesem Bischofe späterhin eine Grabtafel von Messingschnitt im Chore nachgelegt ward. Zu Ende geführt ward dieser Bau wohl unter dem Bischofe Hermann II. Maltzan (1314-1322). Daß der Bau nicht lange vor dem J. 1327 fertig geworden ist, beweiset das angeführte Notariats=Instrument unwiderleglich, da man bei der Datirung einer Urkunde eine Oertlichkeit nicht besonders hervorgehoben haben würde, wenn sie nicht ungewöhnlich merkwürdig gewesen wäre. Den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme giebt der Bau selbst, indem der über den Umgang hervorragende hohe Chor (denn nur von diesem ist die Rede) in den Fenstern eine viel ernstere und einfachere Construction hat, namentlich in den einfach und glatt eingehenden Laibungen, als alle andern Theile des Domes, und noch frei von Strebebogen ist, statt deren er noch Lissenen zwischen den Fenstern hat. Mit dieser Nachricht stimmt eine andere urkundliche Angabe vortrefflich überein, indem

1328, am 26. Junii, das Domkapitel das Kalkhaus (nördlich) neben dem Dome (der Pforte des neuen Chores gegenüber) so lange verkäuflich abstand, bis es den Platz zum Bau eines Schlafhauses oder Refectoriums ("dormitorium seu refectorium") wieder zurückkaufen würde (vgl. Jahrb. XIII, S. 157 u. 325). Für alle großen Bauten errichtete man im Mittelalter auf oder unmittelbar neben der Baustätte immer ein Kalkhaus, in welchem der Kalk gebrannt, gelöscht, aufbewahrt und zubereitet ward. Das Kalkhaus für den hohen Chor des Domes stand nun neben demselben, auf demselben Platze, welchen das Dom=Capitel später zurückkaufte und mit dem Refectorium bebauete, welches jetzt das Gymnasium enthält. In den zugemauerten Souterrains unter den Zimmern des Gymnasiums sind noch jetzt die Ueberreste des alten Kalkofens sichtbar. Mit der Vollendung des hohen Chores war nun dieses Kalkhaus entbehrlich geworden und man konnte es einstweilen anderweitig benutzen.

Das Refectorium konnte aber nicht eher angebauet werden, als bis der Chorumgang vollendet war.

Mit der Anlage des neuen Chores ward aber ohne Zweifel der Grundplan der ganzen neuen Spitzbogenkirche entworfen, da dieser viel zu regelmäßig ist und zu viel Einheit

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hat, als daß er sich nach und nach von selbst gemacht haben könnte.

1365 - 1375, unter dem Bischofe Friedrich II. v. Bülow, wurden der Chorumgang und das südliche Seitenschiff gebauet. Dies ergiebt sich nicht nur aus dem höchst interessanten Bau, indem ein niedriger Kranz von fünf aus den Umfangsmauern erweiterten sechsseitigen Kapellen den hohen Chor umgiebt, sondern auch aus den messingenen Wappenschilden mit dem von bülowschen Wappen, als Dedicationszeichen des Bauherrn, die über den beiden in den genannten Theilen stehenden Pforten angebracht sind. Derselbe Chorumgang mit denselben messingenen Wappenschilden findet sich auch an des schweriner Bischofs Dom=Collegiat=Kirche zu Bützow, deren Chor nach Urkunden unter dem Bischofe Friederich II. v. Bülow (1365-1375) vollendet ward (vgl. Jahrb. X, S. 305 und 307). Unter demselben Bischofe ward auch die gleich construirte Abteikirche zu Doberan vollendet.

Aus diesem Bau stammt ohne Zweifel die bedeutende Rechnung des Steinhauers Daniel vom J. 1380 auf die große Summe von 231 Mark lüb. Pf., da der aus Ziegeln erbauete Dom keine andere Steinhauerarbeit zeigt, als die behauenen Granitsockel des Chorumganges und der Seiten= und Kreuzschiffe (vgl. Jahrb. XIII, S. 156, Not. 1).

1392 ward an der Stelle des Kalkhauses von dem Domherrn Bernhard v. Plessen das Refectorium, d. h. derjenige Theil des Kreuzganges, welcher an die Nordseite des Chorumganges angebauet ist und jetzt die Classenzimmer des Gymnasiums enthält, vollendet. Bernhard v. Plessen starb im J. 1414 und ward neben der Pforte vom Chor zum Refectorium begraben, dort wo jetzt die Gruft des Herzogs Christoph ist (vgl. Jahrb. XIII, S. 157-158), bei deren Bau der Stein gehoben ward. Das Refectorium ward am passendsten angebauet, als der Chorumgang vollendet war; und so stimmen auch die Zeiten dieser Bauten im Fortschreiten zu einander. - Unter demselben Bernhard von Plessen wurden die Wandgemälde in der Heil. Bluts=Kapelle in dem Chorumgange hinter dem Hochaltare ausgeführt; vgl. Jahrb. XIII, S. 159 flgd. - An die Südseite des Chorumganges ward unter dem Bischofe Friederich II. auch das Dom=Archiv oder das Capitelhaus angebauet.

1396 wurden wahrscheinlich die Kreuzflügel begonnen. In diesem Jahre erhielt der Dom ein Stück vom Kreuze Christi und einen Ablaß (vgl. Jahrb. XIII, S. 154, Not. 4), welcher immer auf einen großen Bau hinzudeuten pflegt. Die Pforten haben keine Wappenschilde erhalten, was ohne Zweifel geschehen

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wäre, wenn die Kreuzschiffe noch unter dem Bischofe Friederich II. vollendet worden wären. Die Entwertung des Planes wird unter seiner Regierung vollendet sein, da die meisten großen Kirchenanlagen Meklenburgs um jene Zeit entworfen oder ausgeführt wurden.

Mit dem Bau des Schiffes ging es langsamer von statten. Wahrscheinlich ist dasselbe in jungem Zeiten nur auf einem alten Bau erhöhet, da schon 1365 - 1375 das südliche Seitenschiff vollendet ward, und nach dem Grundplane des ganzen, neuen Spitzbogenbaues ausgeführt.

1412-1430 ward das Schiff gebauet. Im J. 1412 wird schon der Anfang gemacht worden sein, da die Marienkapelle Ablaß erhielt (vgl. Jahrb. XIII, S. 148, Not.). Um das J. 1430 mußten die Stralsunder zur Lösung aus dem Banne für die in einem Aufruhr im J. 1407 verbrannten Priester der schweriner Diöcese das Schiff wölben (vgl. Jahrb. XIII, S. 158). Dies beweiset nicht allein eine ausdrückliche Inschrift auf diesen Bau, sondern noch mehr der - stralsundische Styl derselben, indem die Fenster nicht im Spitzbogen, sondern im flachen Dreieck überwölbt sind, in der unschönen Weise, welche sonst in Meklenburg nicht, dagegen in der Jacobi= und Marien=Kirche in Stralsund vorkommt. Es soll hiemit nicht gesagt sein, als wenn die Stralsunder auch an den Ringmauern gebauet hätten. Diese waren im J. 1430 gewiß schon längst fertig. Aber wahrscheinlich paßten die schon fertigen Fenster nicht zu der Wölbung und daher mußte beim Bau der Gewölbe die Ueberwölbung der Fenster eingebrochen werden und ward in der stralsunder Weise so construirt, wie sie noch heute steht. Dies geht mit Sicherheit daraus hervor, daß die Wulste, welche die Fenster des Schiffes, eben so wie alle andern Fenster der Seitenschiffe, einfassen, bei der Wölbung plötzlich aufhören und die dreiseitige Wölbung glatt überputzt ist.

Uebereinstimmend hiemit ist wieder der Umstand, daß

1463-1473 der westliche Theil des Kreuzganges, welcher sich an das nördliche Seitenschiff lehnt und jetzt den Hörsaal des Gymnasiums enthält, gebauet ward, indem der Bischof Werner (1458-1473) im J. 1463 dem Domkapitel, welches "einen Umgang (Kreuzgang) an der Kirche zu bauen angefangen", einen Ablaß zur Vollendung desselben verlieh.

1482-1503, unter dem Bischofe Conrad Loste, wurden die beiden fertigen Flügel des Kreuzganges durch den nördlichen Straßengang mit einander verbunden, da an einer Verbindungsthür in diesem Theile dieses Bischofes in Stein gehauenes Wappen eingemauert ist. Ob Bischof Conrad diesen Theil neu bauen,

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oder nur ein Geschoß oben aufsetzen ließ und damit den ganzen Dombau vollendete, ist ungewiß. Man möchte sich für das Letztere entscheiden, da der gewölbte Gang einen für den Ausgang des 15. Jahrh. viel zu edlen, hohen Styl hat. Man möchte glauben, dieser Theil sei auch schon am Ende des 14. Jahrh. erbauet und vom Bischofe Conrad Loste nur in einem kümmerlichen Style erhöhet worden.

Durch diese Darstellung werden sich nun die verschiedenen Bau=Perioden des Domes klar verfolgen lassen.


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Die Kirche zu Vipperow.
Vgl. oben S. 335.

Der Ort Vipperow spielt schon in den ältesten Zeiten unserer Geschichte eine Rolle und wird bei der Bestätigung des Bisthums Schwerin schon im 12. Jahrh. genannt. Im J. 1171 1 ) wird gesagt, daß die Provinz des Herzogs Heinrich des Löwen von Schwerin bis Vipperow reiche ("provincia ducis Henrici -- a Zuerin - - usque Vepro"); nach den päpstlichen Urkunden von 1185 und 1189 1 ) sollte das Land Vipperow ("Veprowe") zum Bisthume Schwerin gehören. Ohne Zweifel war also Vipperow in wendischer Zeit ein Ort von Bedeutung 2 ). Durch die Kreuzzüge Heinrichs des Löwen und die darauf folgende feste Einrichtung des Bisthums Schwerin und die Bestimmung der Grenzen desselben waren aber uralte Bestimmungen verändert worden und der Bischof von Schwerin gerieth sehr bald in heftige und lange dauernde Streitigkeiten mit den Bischöfen von Camin und Havelberg. Bei der Stiftung des Bisthums Havelberg im J. 946 hatte nämlich der Kaiser Otto bestimmt, daß die Nordgrenze des Bisthums bis an die Eldequellen ("ab orlu fluminis quod dicitur Eldena") 3 ) reichen solle. Die Eldequellen sind aber immer bei Darze, westlich von Röbel, in gleicher Breite mit Röbel, angenommen. Das Land Vipperow, welches südlich von Röbel lag, gehörte also, gegen die Bestimmungen über die Grenzen des Bisthums Schwerin, zum Bisthume Havelberg. Erst am 16. Dec. 1252 ward der Streit zwischen den Bischöfen von Schwerin und Havelberg geschlichtet 4 ), indem der Bischof von Schwerin dem Bischofe von Havelberg die Kirchen des Landes Vipperow bis zur Kirche des


1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 35, 39, 41.
1) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 35, 39, 41.
2) Vgl. Jahrb. II, S. 102 flgd.
3) Vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 435.
4) Vgl. Lisch Mekl. Urk. III, S. 97, Nr. XL.
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H. Nicolaus in Röbel, d. h. der Kirche auf der Neustadt Röbel, abtrat. Seitdem ging die Nordgrenze des Bisthums Havelberg in grader Richtung von dem Müritzbusen bei Röbel mitten durch die Altstadt und Neustadt Röbel über die Eldequellen bei Darze nach dem südlichen Ende des plauer Sees bei Stuer.

Es läßt sich daher wohl annehmen, daß das Land Vipperow nördlich mit der Neustadt Röbel begann und nach Süden hin an dem westlichen Ufer der südlichen Müritzbuchten, welche in alter Zeit die Vipperowschen Wasser hießen, über Vipperow hinaufreichte, gegen Osten bis an die Eldequellen bei Darze.

Es ließ sich also in der Kirche zu Vipperow ein altes Bauwerk vermuthen. Ich unterwarf sie daher einer Untersuchung; diese hat nun freilich ergeben, daß sie kein sehr altes und bedeutendes, aber doch immer ein interessantes Bauwerk ist. Die Kirche bildet nämlich ein großes Oblongum, ohne irgend eine Gliederung, in einem festen, tüchtigen Feldsteinbau, im Uebergangsstyle. Die Ecken bestehen aus behauenen Granitblöcken. Die Altarwand hat drei Fenster. Die Seitenwände haben zwischen der Altarwand und der Pforte an jeder Seite drei, von der Pforte bis zum Thurme an jeder Seite zwei Fenster; über der Pforte ist noch Raum für ein Fenster. Von den Fenstern sind jedoch mehrere zugemauert. Der Bau ist also so angelegt, daß in jeder Seitenwand für sechs Fenster gleichmäßiger Raum vorhanden ist, die Seitenwände also für zwölf Fenster Raum haben. Die schmalen Fenster sind leise gespitzt und im Uebergangsstyle construirt; die Wölbungen der Fenster sind von Ziegeln ausgeführt. In dem äußern Altargiebel sind die Fenster mit schmalen Streifen von Ziegeln im rechten Winkel eingefaßt. Neben dem nördlichen Fenster in der Altarwand ist eine aus Ziegeln construirte, große, flache, rund gewölbte Mauernische.

Im Innern sind in den Giebeln Töpfe vermauert. Dies sind schwarzblaue, kugelige, sehr feste Töpfe aus dem Mittelalter, mit engem Halse, so weit, um eine nicht zu große Hand durchzulassen; sie sind liegend eingemauert mit dem offenen Halse dem Innern der Kirche zugekehrt, so daß man von der Kirche runde Oeffnungen sieht. Ueber den Altarfenstern in der Altarwand ist eine Reihe von Töpfen sichtbar. In dem gegenüberliegenden Westgiebel, zu welchem man über ein Chor gelangen kann, sind in gleicher Höhe in einer untern Schicht in einer Reihe 9 Töpfe, in einer darüber liegenden Schicht 4 Töpfe vermauert, oder doch wenigstens sichtbar und offen. In Meklenburg sind diese eingemauerten Töpfe bis jetzt nur in der Kirche zu Döbbersen bei Wittenburg beobachtet (vgl. Jahresber. VI, S. 85). Jedoch sind schon früher in Mittel= und Norddeutschland einige

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Male eingemauerte Töpfe in Kirchen vorgekommen; man vgl. Wiggert in Neuen Mittheilungen des thüringisch=sächsischen Vereins I, S. 111 flgd. Auch in der Altmark sind Beispiele vorgekommen. Ich kann mir keinen andern Grund denken, als daß man durch diese Bauart die Giebel erleichtern wollte.

Neben der Eingangspforte, im Innern, ist ein Weihbecken aus einem großen, rohen Granitblock eingemauert, welches ganz das Ansehen einer alten heidnischen Quetschmühle hat.

Der Altar hat ein Mittelstück mit geschnitzten Figuren und zwei Flügel mit Malerei. Die Malerei auf den Flügeln ist in neuern Zeiten, wahrscheinlich im vorigen Jahrhundert, aufgetragen, schlecht und unbedingt zu verwerfen. Das geschnitzte Mittelstück, etwa aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammend, ist aber sowohl in den Figuren, als in den Ornamenten recht gut und, wenn auch nur als Alterthum, aufzubewahren.

In der Mitte des Mittelstückes steht in großer Figur die Jungfrau Maria, mit dem Christkinde auf dem Arme, auf dem halben Monde, in einer Strahlenglorie, welche sie ganz umgiebt. Daneben sind an jeder Seite zwei Mal zwei Nischen über einander, in welchen unter kleinen Baldachinen folgende Heilige stehen:

nach innen neben Maria:
     rechts von Maria:
          oben: S. Antonia (?), mit Faß (?)
          unten: S. Katharina, mit Rad und Schwert;
     links von Maria:
          oben: S. Barbara, mit Thurm,
          unten: S. Elisabeth, mit Korb;
nach außen, neben diesen weiblichen Heiligen:
     rechts von Maria:
          oben: Ap. Petrus, mit Schlüssel,
          unten: Ap. Jacobus, mit Muschel;
     links von Maria:
          oben: Ap. Johannes, mit Kelch
          unten: Ap. Matthäus, mit Beutel,
                    (das Beil in der Hand ist abgebrochen).

Im Mittelraume der Kirche stehen 18 Kirchenstühle, welche wohl noch aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammen. Die Seitenstücke haben runde Köpfe, deren dem Mittelgange zugekehrte Seiten flach ausgeschnitten sind und theils allerlei Thiere, theils Rosetten und architektonische Ornamente zeigen. Die Arbeit ist, wie gesagt, zwar flach, wie dergleichen aus jener Zeit oft vorkommt, aber in der Erfindung und Zeichnung der Beachtung werth und für den Fall der Baufälligkeit der Stühle zu conserviren.

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Die Kirche zu Proseken

ist schon in Jahresber. VIII, S. 144 flgd. beschrieben. Bei wiederholtem Studium in neuern Zeiten habe ich jedoch eine Entdeckung gemacht, welche für die Kunstgeschichte Meklenburgs sehr interessant und der Aufbewahrung werth ist. Chor und Schiff sind im Uebergangsstyle erbauet. Der Chor hat im Aeußern viel gelitten und von dem alten Style nicht viel mehr aufzuweisen, als ein Fensterpaar. Das Schiff ist besser erhalten, obgleich es auch schon viele Veränderungen erlitten hat. Interessant ist der Fries. An der Südseite besteht der Fries aus einfachen Halbkreisbogen, wie sie sich gewöhnlich an Kirchen dieses Styls finden. An der Nordseite ist der Fries aus einfachen Bogen im Uebergangsstyle, mit Spitzen, ganz in der Construction der Fenster, gebildet, eine Erscheinung, welche ich sonst in Meklenburg noch nicht beobachtet habe. Leider sind nur noch zwei kurze Enden von diesem Friese, jeder aus wenigen Bogen bestehend, vorhanden, und vielleicht werden auch diese wenigen Ueberreste bald der Restauration unterliegen.

Der aus Kalkstein im romanischen Style gebildete Taufstein, welcher jetzt in das Thurmgebäude zurückgesetzt ist, gehört zu den schönsten alten Kunstwerken im Lande. Vgl. unten S. 407.

G. C. F. Lisch.     

Wandmalerei in der Kirche zu Proseken.

Die Kirche zu Proseken bei Wismar ist im Mauerwerke sehr feucht und daher ist die ursprüngliche Decoration sehr schwer zu erkennen, indem häufig die Ziegel auf der Oberfläche im Innern der Kirche verwittert sind und dadurch die Tünche verfallen ist. Jedoch ist eine alte Wandmalerei entdeckt. Unter dem westlichsten Gewölbe, neben dem Thurme, ist auf der südlichen Wand in einiger Höhe über den Kirchenstühlen ein horizontaler Streifen mit Heiligenfiguren bemalt. Der Streifen ist mit architektonischen Verzierungen und Schrift eingefaßt; die Figuren, in Gelb, Roth und Grün auf weißem Grunde, neben einander stehend, sind ungefähr 3 Fuß hoch. Die Malerei, auf weißem Grunde, dem Anscheine nach ungeputzt, stammt ungefähr aus dem Ende des 15. Jahrh.; sie ist nicht ausgezeichnet, aber doch ziemlich gut, offenbar aus jüngerer Zeit, wie schon der noch leserliche Anfang der Schriftzüge mit herodes iratus beweiset. Es sind 6 Darstellungen, welche durch eine rothe Kante geschieden sind, - alle fast unkenntlich. Bei der bevorstehenden Restau=

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ration werden sich die wenigen Spuren nicht erhalten lassen, um so weniger da das Mauerwerk sehr verwittert ist. Aber es hat diese Nachricht hier aufbewahrt werden sollen, als ein neuer Beweis, wie sehr verbreitet die Kirchenmalerei im Mittelalter war.

G. C. F. Lisch.     

Taufsteine.
Taufstein zu Proseken.

Die Kirche zu Proseken bewahrt noch einen herrlichen Taufstein, einen der schönsten im Lande, im Rundbogenstyle, aus der ersten Zeit des 13. Jahrhunderts, welcher noch ganz vollständig erhalten ist und nur einen Riß queer durch das Becken hat. Hoffentlich wird dieses Kunstwerk, welches in die Thurmhalle zurückgesetzt ist, bei der bevorstehenden Restauration der Kirche wieder zu Ehren kommen.

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Taufsteine zu Neu=Röbel.

Vor den Pforten der Kirche zu Neu=Röbel liegen die Becken von zwei alten Taufsteinen. Von diesen ist der Stein, welcher an der südlichen Pforte des Schiffes liegt, von großer Schönheit, wenn auch sehr verstümmelt. Das Becken ist mit schöner Architektur im Rundbogenstyle verziert und hat am Rande eine vortreffliche Verzierung von Weinlaub in demselben Style.

Beide Taufsteine, wie viele schöne, alte Taufsteine im Lande, sind aus Kalksteinblöcken. Es ist die Beantwortung der Frage, weiter diese Taufsteine nach Meklenburg gekommen, von der größten Wichtigkeit für die Kunstgeschichte. Es giebt in Meklenburg viele alte Taufsteine aus Granit, welche jedoch in der Regel roher gearbeitet sind; diese können im Lande verfertigt sein, da bekanntlich der Granit in großen Blöcken über das ganze Land verbreitet ist. Ich glaube aber nicht, daß sich Kalksteinblöcke von so großem kubischen Inhalt im Lande finden; überdies fehlte es in so früher Zeit in Meklenburg gewiß an Künstlern, welche so schöne Werke ausführen konnten, zu denen nicht allein Steinmetzfertigkeit, sondern auch große Kunstbildung gehört. Nun könnte man freilich annehmen, daß die Steine eingeführt und hier bearbeitet wurden; eben so gut läßt sich aber auch annehmen, daß die fertigen Taufsteine eingeführt wurden. Und da liegt es denn fehr nahe, anzunehmen, daß diese Taufsteine aus dem Norden, vielleicht aus Norwegen, eingeführt

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worden seien, woher überhaupt ein großer Theil unserer alten Kirchenbaukunst stammen wird. Ohne Zweifel stimmen auch die vielen großen Kalksteinplatten, welche im Mittelalter zu Grabsteinen benutzt wurden und sich durch die Erfahrung als sehr brauchbar bewiesen haben, aus dem Norden. In den ältesten Zeiten finden sich auch Grabsteine aus Granit, welche jedoch im 14. Jahrhundert durch die Kalksteinplatten ganz verdrängt worden zu sein scheinen.

Jedenfalls verdient dieser Gegenstand einer sorgfältigen Beobachtung und Forschung.

G. C. F. Lisch.     

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Die Kirche zu Beidendorf.

In dem Ratzeburger Zehntenregister, also um das Jahr 1230, wird die Pfarre Begenthorp bereits aufgeführt, doch stand damals die jetzige Kirche noch nicht, wie der Augenschein ergiebt. Diese besteht aus dem Chore, an den sich nordwärts die ursprünglich angelegte Sakristei und südwärts das Leichhaus, aus späterer Zeit, anlehnen, dem breiteren und höheren Langhause und dem mit diesem gleich spielenden, mit einem hohen Helme geschmückten Thurme.

Der Chor bildet ein Rechteck von (überall ungefähr gemessen) 31 F. Hamb. Tiefe und 28 F. Breite im Lichten. Er wird von zwei durch einen im Halbkreise gewölbten Gurt getrennten Kreuzgewölben überspannt, deren Rippenprofil einen fast birnenförmigen Stab zwischen zwei Rundstäben zeigt; die Schlußsteine sind sehr klein und vierseitig. Die Dienste sind starke Walzen mit, so viel man erkennen kann, würfelförmigen Kapitälen, der Fuß liegt aber unterhalb des neuen Ziegelpflasters. Die Mauern sind in ihrem oberen Theile zu Spitzbogennischen ausgespart, deren Kanten bis dahin, wo der Bogen beginnt, abgerundet sind. Das Fenster der Altarwand, welche keine Nische hat, ist wahrscheinlich früher zwei= oder dreipfostig gewesen - alles Pfostenwerk ist neu und eitel Holz - , die übrigen vier sind einpfostige. Die Laibung der beiden südlichen und des östlichen Fensters ist mit drei Viertelkreisen oder abgerundeten Kanten gegliedert, die nördlichen haben eine abgerundete zwischen zwei vollen Kanten. Der Triumphbogen ist ohne alles architektonische Ornament und wiederum rundbogig, wie der Gurtbogen, während Fenster, Nischen, seitliche Schildbogen und die sie einfassenden Kappen in kräftigem Spitzbogen gewölbt sind.

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Das Langhaus hat eine Lichtenweite von 36 F. und eine Länge von 43 F. und ist ein paar Fuß höher als der Chor. Wie dieses hat es zwei Kreuzgewölbe, welche aber auch in der Längenrichtung Rippen haben und so vielleicht schon als Sterngewölbe bezeichnet werden müssen; das Profil der Rippen besteht aus einem birnenförmigen Stabe zwischen zwei Hohlkehlen, die Schlußsteine sind klein und durchbohrt. Die Gewölbe haben hier keine Dienste, sondern stützen sich auf ziemlich rohe Vorkragungen. Unterhalb der Fenster sind je zwei mit Stichbogen geschlossene Nischen ausgespart, die ebensowenig eine Gliederung haben, wie die Fenster, die im Norden einpfostig, im Süden zweipfostig sind.

Der auf sehr massiven Mauern ruhende Thurm, welcher in seinen unteren Räumen auch Plätze für die Gemeinde enthält, öffnet sich gegen das Langhaus mit einem kräftigen Spitzbogen. Ein über der Thür angebrachtes quadratisches, mit einem gedrückten Rundbogen geschlossenes Fenster, dessen Schräge mit Stab, Kerbe und Platte gegliedert ist, bringt viel Licht von Westen her, so daß eine Benutzung des unteren Raumes wohl von vorne herein bei Erbauung des Thurmes beabsichtigt zu sein scheint.

Der Chor hat einen Sockel von behauenen Feldsteinen, welcher in Augenhöhe mit einem Sims, aus einem Viertelstabe bestehend, von braunschwarz glasurten Ziegeln abschließt und von dem auf den Ecken Lissenen aufsteigen, die in der Dachhöhe am Giebel stumpf endigen. Die äußere Laibung des Altarfensters ist eben so wie die innere gegliedert. Das darüber weg laufende, dem Dachfriese entsprechende Band besteht aus einer Rollschicht, zwei Strohlagen und einer Läuferschicht; über ihm erhebt sich der Giebel mit drei dicht zusammengerückten Spitzbogennischen, von denen die mittlere höher ist als die seitlichen. Das Band der beiden Seiten ist reicher gestaltet: an die Lissene schließt sich eine Treppenverzierung, unter der Füllung derselben, die nicht geputzt gewesen zu sein scheint, folgt eine Läuferschicht, dann eine Strohlage und darauf die glatte Mauer mit den Fenstern, deren Laibung außen wie im Innern gegliedert ist. Das der Südseite vorgebaute schmucklose Leichhaus verbirgt eine in das Innere führende Thür. Diese befindet sich in einem mit dem Sockel gleich weit vorspringenden, treppenförmig abschließenden Vorsprunge und ist im Bogen des Uebergangsstyles gewölbt, dem auch die Gliederung, in welcher die Viertelsäule wiederkehrt, entspricht.

Am Langhause bemerkt man keinen Sockel: das Kaffsims befindet sich in nicht gewöhnlicher Höhe und ist von der gewöhnlichen einfachen Form, wo die untere Schräge bloß ausgekehlt ist; weitere Gliederung haben die Pfeiler nicht. Das Dachsims

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ist dem des Chores gleich und die Fenster wie im Innern ohne Schräge. Unter dem westlichen Fenster der Südseite ist eine mit grünlich schwarz glasurten Ziegeln schichtweise ornamentirte Pforte oder Blende vermauert.

Die Thurmthür ist in einem wagerecht abschließenden Vorsprunge angebracht. Sie ist spitzbogig und ihre mit Platten und Kerben gegliederte Laibung schichtweise mit grünlich schwarz glasurten Ziegeln geschmückt, eben so das wie im Innern gegliederte Fenster über der Thür. Die Thurmluken sind mit Stichbogen geschlossen, paarweise gestellt und die Kanten abgefast. Die Schildgiebel sind einfach mit Spitzbogennischen belebt. Der Helm ist hoch und spitz und weithin sichtbar.

Der Blitz entzündete vor fünfzehn oder zwanzig Jahren den Thurm und es ist anzuerkennen, daß man ihn wiederherstellte; die Mängel der Restauration der Kirche hervorzuheben, ist hier der Ort nicht, und mag nur bemerkt werden, daß man weiter nichts in der Kirche an Ueberbleibseln aus älterer Zeit sieht, als zwei metallene Kronleuchter. Der größere, seiner meisten Arme beraubte hat auf der Kugel die Inschrift:

DER . wohlgebohrne . Herr . Herr . Hans . Georg . von Bülow . fürstl . Br : Lüneb . Oberster ║ zv . Hannover . jezt in Morea . hat . diese . Krohne . Gott . zv ehren . vnnd . dieser . kirchen . zvm ║ Zierde . anhero . hengen . lassen. ║ Anno 1687 . von . Scharfstorf.

Auf dem kleineren liest man:

CVNO . Hans . von . Bülow . furstlicher . Mecklenb. Landtraht . ║ Elisabeth . von . Bülow . geborn . von . der Lühe . Ano 1671.

Das Alter der Kirche anlangend, so ist offenbar der Chor - vielleicht mit Ausnahme seines Giebels - eins der bei uns nicht allzu reichlich vorhandenen Denkmäler der frühgothischen Zeit, während das Langhaus sammt dem Thurme einer viel späteren Periode angehört. Was letzteren anlangt, so darf man wohl kein Bedenken tragen, seine Erbauung in das sechszehnte Jahrhundert zu setzen, und wenig mehr gewagt ist es, das Langhaus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrh. zuzuschreiben, man müßte denn annehmen, daß die Gewölbe später eingeschlagen seien, und dann den Bau um 1450 hinaufrücken. Keinenfalls darf man wohl bei der Datirung desselben sich durch einen 1396 am Lucientage abgeschlossenen Verkauf von 3 Mark lebenslänglicher Rente durch die Kirchenvorsteher leiten lassen. Der Contract darüber ist theilweise bei Schröder P. M. S. 1616 abgedruckt,

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aber fälschlich auf Biendorf bezogen. Er lautet vollständig also nach dem Wismarschen kleinen Stadtbuche:

Alheydis grabow emit a nicolao dunnebik, hermanno Carowen, et Conrado dunnebik, prouiso ribus ecclesie m beyendorp, et eius successoribus, qui pro tempore fuerint, Redditus ann(u)os vitalicii III marcarum lubicensium dandas ei quatuor anni terminis pro XXX marcis lubicensibus, videlicet pasche, Johannis, Michahelis, et Natiuitatis, ad tempora vite sue dumtaxat et non vitra, infra muros wysmarienses, quia post mortem eius dicti Redditus cum summa principali ecclesie in beyendorp quiti erunt et soluti. Predicti prouisores et eorum successores non debent conductu uel securitate vti pro dicta alheyde et pro Redditibus supradictis infra muros wysmarienses seu in districtibus consulum ciuitatis wysmariensis. Presentes fuerunt Bertoldus Berse, Hinricus gnemerman, Dominus Nicolaus dargetzowe, plebanus ecclesie predicte, et meynardus sedeler. Actum anno domini M° CCC° XCVI° ipso die beate lucie virginis gloriose.

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Die Kirche zu Galenbek bei Friedland,

welche in dem Uebergangsstyle der älteren stargardischen Kirchen, mit einer Pforte von gehauenen Granitblöcken, gegen die Mitte des 13. Jahrb., gebauet ist, ist ganz restaurirt und hat, außer der großen Glocke, keine Spur von altem Mobiliar.

Die große Glocke hat um den Helm die Inschrift:
Inschrift

mit großen, schön und klar geformten Buchstaben, stammt also wohl noch aus dem Ende des 14. Jahrh. und ist wohl ungefähr von gleichem Alter mit der Thurmruine (vgl. S. 340). Auf dem Mantel sind zwei kleine Bilder abgegossen, an der einen Seite ein rundes Medaillon mit der Anbetung der Heil. Drei=Könige, an der andern Seite ein hausähnliches Schild, auf welchem Maria mit dem Christkinde und einem Engel zur Seite unter einem Dache sitzt und ein anderer Engel einen Bischof hinzuführt.

Vor der Seitenthür des Wohnhauses liegt ein viereckiger Leichenstein, auf welchem jedoch nur noch heraldisch links das v. blüchersche Wappen mit zwei aufgerichteten Schlüsseln er=

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kennbar ist; alles Uebrige ist abgetreten, mit Ausnahme weniger unbedeutender Buchstaben, z. B. in der ersten Zeile: - - IN . DER . NACHT . und weiter unten: - - GEBOHREN. Wahrscheinlich ist dieser Leichenstein von dem Grabe der Catharine v. Blücher, Gemahlin des Hans Friedrich Christoph v. Rieben, da der Leichenstein nach den Ornamenten aus dem Ende des 17. oder dem Anfange des 18. Jahrhunderts stammt.

Galenbeck, 31. Januar 1851.

G. C. F. Lisch.     

Zeichnungen.

Der Herr Architekt G. Daniel zu Schwaan schenkte dem Vereine saubere Zeichnungen der von ihm für den Verein aufgenommenen Kirche zu Schwaan in 6 Blättern:

Ansicht der Stadt Schwaan;
Grundriß der Kirche;
Ansicht der Nordseite der ganzen Kirche;
Ansicht der Ostseite,
Ansicht der Nordseite und
Ansicht der Südseite des Chores.


Der Herr Architekt G. Daniel zu Schwaan schenkte dem Vereine eine Zeichnung von einem Anbau der Kirche zu Cambs bei Schwaan.

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III. Zur Münzkunde.


1. Vorchristliche Zeit.

Ein römischer Denar

von reinem Silber, gefunden zu Roggendorf bei Gadebusch, ungefähr 4 Fuß tief beim Aufräumen einer Kartoffelgrube, geschenkt von dem Herrn Architekten Stern zu Schwerin.

Av.    Ein links gekehrter Frauenkopf:
          FAVSTINA AVGVSTA.
Rev. Das Bild der Juno:
                    IV NO.

G. C. F. Lisch.     

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Alter Goldbracteat.

Bisher sind in Meklenburg noch keine Goldbracteaten aus der heidnischen Zeit gefunden, wie sie in Dänemark häufig vorkommen. Im J. 1853 ward auf einer Feldmark in Meklenburg eine solche Münze gefunden und für 5 Thaler an das Münzcabinet zu Berlin verkauft. Die Münze ist einseitig bracteatenartig geprägt, 3/8 Ducaten schwer, 3/4" hamb. Maaß im Durchmesser und mit einem Henkel versehen. Die Darstellung in der Mitte gleicht einem doppelten Hakenkreuze mit V und Punkten in den äußersten Winkeln, eine Darstellung, welche an den Goldbracteaten in den Sammlungen zu Kopenhagen und Berlin noch nicht vorkommt. Die Münze dürfte dem 10. Jahrh. zuzuschreiben sein, ist sicher nicht in Meklenburg geprägt, wenn auch daselbst gefunden, und gehört ohne Zweifel dem Norden an; jedoch sind die nordischen Goldbracteaten gewöhnlich größer, als diese Münze. Der Herr F. W. Kretschmer zu Berlin schenkte dem Vereine eine saubere Zeichnung von dieser Münze.


G. C. F. Lisch.     

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2. Mittelalter.

Alte (ribnitzer ?) Münze der Herrschaft Rostock.

Der Herr F. W. Kretschmer zu Berlin hat dem Vereine die Zeichnung einer Münze geschenkt, welche wohl das einzige Exemplar ihrer Art ist und sicher Meklenburg angehört. Es ist ein einseitig geprägter Silberpfennig, 1/2" hamb. Maaß im Durchmesser, mit einem Stierkopfe mit aushangender Zunge und drei Kugeln zwischen den Hörnern, und mit einem Fische zu jeder Seite des Stierkopfes. Die Münze wird in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen und dürfte vielleicht in der der Herrschaft Rostock angehörenden Stadt Ribnitz geprägt sein, welche im alten Siegel einen Stierkopf mit zwei Fischen (slavisch: ryba) führt.

G. C. F. Lisch.     

Werlescher Pfennig.

Der Herr F. W. Kretschmer schenkte dem Vereine eine Zeichnung von einem Wittenpfenning in einer Privatsammlung zu Berlin:

Av.    Stierkopf im Dreipaß
          Inschrift .
Rev. Kreuz:
           Inschrift .

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3. Neuere Zeit.

Der Münzfund von Slate,

von

G. C. F. Lisch.

Am 27. März 1854 ward zu Slate bei Parchim bei der Planirung und Ueberdämmung des Pfarrhofes ein irdener Topf gefunden, welcher mit Münzen, goldenen und silbernen allerlei Art, gefüllt war. Es waren im Ganzen 1870 Münzen. Nach der jüngsten Münze, einem rostocker Thaler von 1633, zu schließen, werden die Münzen bald nach dieser Zeit vergraben sein; es ist wahrscheinlich, daß es im J. 1634 geschah, da in diesem Jahre der Pastor Simon Muchow durch die Kaiserlichen so mißhandelt ward, daß er den Tod davon nahm, das Dorf

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gänzlich zerstört ward und die übrig gebliebenen Einwohner auswanderten. Die Pfarre ward erst im J. 1654 wieder besetzt.

Der Fund ist freilich nicht alt und daher nicht von besonderer Wichtigkeit, enthält aber eine große Menge Groschen und Schillinge aus dem ersten Drittheil des 16. Jahrhunderts, welche ziemlich selten sind. Jedoch wird die valerländische Münkunde, und die Münzkunde überhaupt, durch diesen Fund durch zwei bischöflich=ratzeburgische Doppelschillinge bereichert, deren Existenz bisher nicht bekannt gewesen ist; die Beschreibung derselben wird unten folgen.

Zur bessern Erkenntniß des ganzen Fundes gebe ich hier folgende

Uebersicht
des Münzfundes von Slate
1854.

Münzfund von Slate
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Münzfund von Slate
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Münzfund von Slate

 

Goldmünzen 13
Thaler und 1 dänische Krone 117
Halbe Thaler 2
Viertelthaler, Markstücke, Zwölfschillingsstücke      5
Achtschillingsstücke, Halborte etc. 15
Dütchen, Groschen, Schillinge, Sechslinge 1718
--------- -----
Summa 1870
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Bischöflich=ratzeburgische Münzen.

Es sind bisher keine andere Münzen der Bisthümer Ratzeburg und Schwerin bekannt geworden, als Münzen der herzoglichen Administratoren nach der Reformation, welche auf mehreren Münzen neben ihrem herzoglichen Titel auch die Titel der Bisthümer in die Umschrift aufnehmen 1 ). Münzen mit dem alten bischöflichen Wappen sind aber bisher ganz unbekannt gewesen. In dem oben beschriebenen Münzfunde von Slate fanden sich nun von dem Herzoge August von Braunschweig=Lüneburg, welcher 1610-1636 Bischof von Ratzeburg war und viele Münzen mit seinem herzoglichen Wappen und dem bischöflich=ratzeburgischen Titel schlagen ließ, 2 Doppelschillinge vom J. 1620, welche auf der Vorderseite das alte bischöflich=ratzeburgische Wappen haben. Diese Münzen haben folgende Gestalt:

Münze

Vorderseite: Auf einem längs getheilten barocken Schilde rechts eine halbe Burg, links ein stehender Bischofsstab, das alte Wappen des Bisthums Ratzeburg; auf dem Schilde eine Bischofsmütze; Umschrift:

AVGVSTVS . D . G . P . E . RATZEB.

Kehrseite: Im Mittelfelde die verschlungenen Buchstaben DS und darüber der Reichsapfel; Umschrift:

DVX . BRVNOVIC . E . L . 20 . Zainhaken.

G. C. F. Lisch.     


1) Ueber einen bisher unbekannt gewesenen Schilling des Herzogs Christoph von Meklenburg, Bischofs und Administrators von Ratzeburg, vgl. Jahrb. XII S. 490.
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IV. Zur Wappenkunde.


Ein Siegelstempel

aus Bronze, gefunden im J. 1843 auf der Feldmark Pastin bei Sternberg beim Pflügen, geschenkt von dem Hrn. Architekten Stern zu Schwerin. Das Siegel ist rund und enthält im leeren Siegelfelde nichts weiter als 4 in ein Quadrat verschränkte Stangen Hauszeichen (ein Hauszeichen ?), mit der Inschrift:

Inschrift

Das Siegel stammt aus dem 13. Jahrhundert und gehörte wohl einem (sternberger) Bürger.

G. C. F. Lisch.     

Ein Siegelring

von Messing mit einem Hauszeichen und den Buchstaben O. V., anscheinend aus dem 16. Jahrhundert, geschenkt von dem Herrn Pastor Schubart zu Schwerin.

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Siegel des Herzogs Christoph von Meklenburg.

Im königlich=sächsischen Geheimen Archive zu Dresden findet sich folgende Nachricht vom J. 1574:

"Postscripta."

"Wir haben vnser Secret in vnserm aufbruch im felde verloren, drumb mussen wir vns eines schlechten gemercks, bis vns ein anders gefertigt werden kan, gebrauchen. Datum ut in litteris.

CHzM.          
manu ppra sst.   

Postscript zu einem Schreiben des Herzogs Christoph von Melkenburg an den Kurfürsten August von Sachsen, d. d. Torgau den 30. Nov. 1574, im königl. sächsischen Geheimen Archive zu Dresden.

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Der Herzog Christoph hat hinter einander mehrere Secret=siegel oder Ringpetschiere. Allerdings erscheint nach dem J. 1574 ein neues Secret desselben, welches dem früheren sehr ähnlich ist.

G. C. F. Lisch.     

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V. Zur Schriftenkunde.


Urkunden.

Der Herr Burgemeister Daniel zu Schwaan schenkte dem Vereine zwei Originalurkunden, welche der Landmesser Herr Klingner in Güstrow gekauft und ihm geschenkt hatte, nämlich die Originale der in den Bützowschen Ruhestunden XIX, S. 36 und 39 gedruckten Urkunden:

1) d. d. 1372 die concept. Marie (Güstrow),

Hartwig von Oldenstat, genannt Bulle, schenkt der Kirche und Pfarre zu Wattmannshagen 5 Mk. weniger 2 Schill. wend. Pf. Hebungen aus dem Dorfe Nigleve, und

2) d. d. 1407 des mandages tho Paschen,

Johann Güstrow, Pfarrer zu Wattmannshagen, entsagt einem Capitale von 10 Mk. zu Gunsten der Kirche, wofür er von den Kirchenvorstehern 1 Mark Hebungen überwiesen erhält,
          beide ohne Siegel.


Ein Original=Urtheil der Juristen=Facultät zu Rostock in einem Privatstreite in der Mark Brandenburg, vom 24. März 1610, Geschenk des Hrn. Pastors Ragotzky zu Triglitz.


Der Herr Staatsminister von Lützow auf Boddin schenkte dem Vereine das kaiserliche Original=Adelsdiplom für den fürstl. meklenburg. Rath und königl. schwedischen Amtmann Johann Cornelius Müllern vom 9. Julii 1742.


Der Herr Rector Koch zu Doberan schenkte einen braunschweigischen Lehrbrief vom J. 1716.

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VI. zur Naturkunde.


Urstiergerippe von Toddin.

In den Jahrb. XVII, S. 407 flgd. ist über die ausgestorbene Thiergattung des Urstiers (bos primigenius) und über einen in Polen ausgegrabenen, im Besitze des Vereins befindlichen Schädel eines solchen Thieres ausführlich berichtet. Im J. 1853 ward in Meklenburg eine Entdeckung gemacht, welche noch viel bedeutender ist. In dem Torfmoore des Erbmüllers Dräger zu Toddin ward nämlich ein Schädel eines Urstiers gefunden, welcher viel großartiger ist, als der in Polen gefundene. Der toddiner Schädel stimmt in seinem Bau mit dem in Polen gefundenen, a. a. O. beschriebenen Schädel völlig überein, ist aber viel größer als dieser. Die Stirn ist zwischen den Hörnern 11" hamb. Maaß, an der schmalsten freien Stelle 11 1/2", zwischen den Augen 13" breit und vom Hinterhaupte bis zur Mitte der Augen 13" lang. Die Hörner stehen in ihrer weitesten innern Biegung 34" und in ihren Spitzen 32 1/2" auseinander und haben an der Wurzel einen Umfang von 17 1/2". Der Schädel ist mit den beiden Kinnladen vollständig erhalten. Das großherzogliche Amt Hagenow ließ auf meinen Antrag sogleich Nachgrabungen anstellen, welche auch noch 5 Nackenwirbel, 5 Rückenwirbel, 1 Schulterblatt, 10 Rippen und die Knochen eines Hinterbeines ans Tageslicht förderten. Mehr konnte leider nicht gefunden werden. Alle diese Reste sind der großherzoglichen Alterthümersammlung einverleibt.

G. C. F. Lisch.     

Ein Elenzahn

(wie es scheint), gefunden bei Malchow, schenkte der Herr Gastwirth Dalitz daselbst.

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Australisches Gold.

Der Tischler Herr Friedrich Lehmkuhl, gebürtig aus Boizenburg, welcher sich mehrere Jahre in Australien aufgehalten hat und wieder dahin zurückgeht, schenkte dem Vereine zum Andenken zwei Stückchen australischen Goldes, 4 Thlr. an Werth, wie derselbe es bei Melbourne selbst ausgegraben hat.

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Jahresbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde,

von

Wilhelm Gottlieb Beyer,

Dr. jur. und Archivsecretair,
als
zweiten Secretair des Vereins

 


Neunzehnter Jahrgang.

 

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In Commission in der Stiller'schen Hofbuchhandlung in Rostock und Schwerin.


Schwerin, 1854.

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Schwerin.

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S eit unser Verein dem vor 2 Jahren gegründeten Gesammtvereine für deutsche Geschichte und Alterthum definitiv beigetreten ist, darf ich mich ohne Zweifel einer regelmäßigen Berichterstattung über die Entwickelung und die Thätigkeit des letzteren nicht ganz entziehen, wenngleich ich mich dabei möglichst auf die Hervorhebung der Hauptmomente beschränken, diejenigen geehrten Mitglieder aber, welche sich lebhafter dafür interessiren, wiederholt auf das im Auftrage des Directoriums des Vereins vom Herrn Professor Dr. M. L. Löwe zu Dresden herausgegebene Correspondenzblatt verweisen zu dürfen glaube.

Die allgemeine freudige Theilnahme, ja man darf sagen, die Begeisterung, mit welcher der Plan, die zahlreichen historischen Vereine der verschiedenen Länder und Städte Deutschlands zu einem gemeinsamen brüderlichen Zusammenwirken zu vereinen, auf der ersten Versammlung zu Dresden von den dort zahlreich anwesenden Gelehrten und Freunden der vaterländischen Geschichte aufgenommen ward, ist in diesem Kreise auch in dem abgelaufenen Jahre ungeschwächt geblieben. Das bewies namentlich die lebhafte Betheiligung an der zweiten, am 13. bis 16. September in der ehrwürdigen Hauptstadt der mittelalterlichen deutschen Kunst unter dem bereits in Dresden bewährten Präsidium des Herzogs Johann von Sachsen, K. H. abgehaltenen Generalversammlung, auf welcher auch wir abermals durch unsern ersten Secretair, Herrn Archivar und Conservator Dr. Lisch, vertreten waren. Außer den zahlreichen deutschen Historikern waren dort zugleich mehre auswärtige Gelehrte von Ruf, namentlich der Herr Etatsrath Thomsen, Director der königl. Museen zu Kopenhagen, Herr Graf Robiano aus Brüssel und Herr de Caumont, Präsident der Vereinigten historischen Gesellschaften Frankreichs zu Paris, als Repräsentanten der verwandten Bestrebungen in den bezeichneten Nachbarländern erschienen. Ihre Anwesenheit bewies, daß das Unternehmen selbst die Aufmerksamkeit des Auslandes erregt hatte und dort mit freudigem Vertrauen begrüßt war, ein Umstand, der wohl geeignet schien, unsere Hoffnung auf einen raschen und weitreichenden

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Erfolg zu rechtfertigen. In der That führten auch die lebhaften und höchst interessanten Debatten, die wir aus dem umfänglichen Berichte des Correspondenz=Blattes, Jahrg. II, Nr. 1 und 2, kennen lernen, zu zahlreichen, für die Befestigung des Vereins und dessen künftige Wirksamkeit entscheidenden Beschlüssen.

Zunächst ward ein formelles Hinderniß der weitern Ausbreitung des Vereines dadurch glücklich beseitigt, daß der Verwaltungs=Ausschuß einen neuen Entwurf der, in Folge einer von allen Seiten laut gewordenen, wohl allzu ängstlichen Eifersucht auf Selbstständigkeit der Special=Vereine, nochmals mit großer Umsicht revidirten Statuten vorlegte, welche die volle Genehmigung der Versammlung und namentlich der anwesenden Repräsentanten von 26 Vereinen erhielten, die demgemäß sofort ihren definitiven Beitritt erklärten. Ein Abdruck dieser auch für uns verbindlichen Statuten befindet sich in der

Anlage A.

Sodann ward der bisherige Verwaltungs=Ausschuß, unter lebhafter Anerkennung seiner umsichtigen Geschäftsführung, auch für das kommende Jahr einstimmig wiedergewählt, die nächste General=Versammlung aber auf den 13. September d. J. zu Münster angesetzt. Hieran schlossen sich die zum Theil sehr lehrreichen Berichte der in Dresden und Mainz niedergesetzten Commissionen, z. B. der Commission zur genauern Erforschung der Grenzen des römischen Reiches, und lieferten den thatsächlichen Beweis, daß der Verein bereits in voller Thätigkeit begriffen sei und theilweise selbst schon nicht unbedeutende Erfolge erreicht habe. Endlich einigte man sich über mehre in der nächsten Zukunft durch den Gesammtverein zu fördernde wissenschaftliche Unternehmungen, unter welchen hier nur die Herausgabe einer Urkunden=Sammlung für die Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts und die Ausarbeitung einer allgemeinen historischen Gaugeographie Deutschlands nach dem Muster der von dem Herrn Archivar Landau zu Kassel bearbeiteten und der Versammlung im Manuscripte vorgelegten Beschreibung der Wetterau als die wichtigsten hervorzuheben sind. Auch die Angelegenheiten der beiden National=Museen zu Nürnberg und Mainz, so wie die Erhaltung und Restauration hervorragender Werke der Baukunst des Mittelalters war, wie früher zu Dresden, so jetzt zu Nürnberg, Gegenstand einer lebendigen und zu wichtigen Beschlüssen führenden Discussion.

Die Versammlungen zu Dresden, Mainz und Nürnberg haben es somit klar herausgestellt, daß die Gründung des Vereins

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insofern vollkommen zeitgemäß war, als es ihm weder an hinreichendem Stoffe einer würdigen und erfolgreichen Wirksamkeit, noch an tüchtigen Arbeitskräften fehlt. Um so schmerzlicher ist die kaum mehr abzuweisende Erfahrung, daß der Verein bis jetzt, ungeachtet der aufopfernden Thätigkeit des Verwaltungs=Ausschusses zu Dresden und dessen hohen Präsidenten, außerhalb des Kreises der eigentlichen Gelehrten und Fachmänner die allgemeine Theilnahme und Unterstützung nicht gefunden hat, die er zu erwarten wohl berechtigt schien, und ohne welche es ihm jedenfalls an den Mitteln fehlen wird, wirklich Großes und Bedeutendes zu leisten. Zwar ist dankbar anzuerkennen, daß einzelne von dem Vereine angeregte Unternehmungen in denjenigen Ländern, welche dabei besonders betheiligt erscheinen, durch die betreffenden hohen Regierungen bereitwillig gefördert worden sind. So ist z. B. die Fortsetzung des zu Dresden erscheinenden Correspondenz=Blattes, als Organes des Vereins, bisher nur durch die Bewilligungen der königlich sächsischen Regierung möglich geworden; so hat sich Se. Hoheit der regierende Herzog von Sachsen=Koburg zuvorkommend bereit erklärt, die Feste Koburg mit Aufwendung bedeutender, von den Ständen bewilligten Kosten zur Aufnahme des v. Aufseßschen Museums, als Grundlage eines deutschen Nationalmuseums, in den Stand setzen zu lassen, was jedoch nach den neuesten Zeitungsnachrichten nicht zur Ausführung gekommen ist, wogegen die königlich baiersche Regierung die nöthigen Mittel zur Aufstellung des Museums in Nürnberg bewilligt haben soll; so hat ferner Se. Durchlaucht der regierende Landgraf von Hessen=Homburg die Aufdeckung der sogenannten Saalburg, eines römischen Castells im Taunus innerhalb der römischen Reichsgrenze, durch die Commission des Vereins auf seine alleinige Kosten beschaffen lassen; so wird endlich auch die königlich würtembergische Regierung ohne allen Zweifel die von der Versammlung zu Nürnberg als ein wahrhaft deutsches Nationalwerk dringend empfohlene Restauration des herrlichen Münsters in der Bundesfestung Ulm nach Kräften zu fördern suchen 1 ), - aber über die Grenzen des zunächst betheiligten Territoriums hinaus scheint weder dieses, noch irgend ein anderes, nur mit gemeinsamen Kräften des ganzen Vaterlandes zu verwirklichendes, Unternehmen die gehoffte Unterstützung zu finden. Selbst von den zahlreichen in Deutschland blühenden historischen Vereinen ist kaum erst die Hälfte und unter diesen, z. B. nach mehrfachen Andeutungen in Folge


1) In Betreff des letztgedachten Unternehmens erlaube ich mir, auf den Quartalbericht vom 2. April d. J. zu verweisen. Die dort mitgetheilte Bitte um Unterstützung desselben ist bis jetzt ohne allen Erfolg geblieben.
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äußerer Hindernisse, kein einziger des deutschen Kaiserstaates der Verbrüderung beigetreten, und die es thaten, haben ängstlich zum Voraus ihre Cassen in Sicherheit gebracht; von den reichen Privatleuten des großen weiten Vaterlandes aber hat bis zur Stunde noch kein einziger von den patriotischen Bestrebungen des Vereins Kenntniß genommen, während z. B. in dem kleinen Dänemark zur Förderung der ähnlichen Zwecke des alterthumsforschenden Vereins zu Kopenhagen jährlich viele Tausende auf dem Altare des Vaterlandes niedergelegt werden. Doch erkennen wir andererseits an, daß der deutsche Verein noch zu jung ist, um sich das Vertrauen des Volkes zu erwerben, und daß überdies die allgemeinen Zeitereignisse, namentlich der unbehagliche Zustand des Halbfriedens während des abgelaufenen Jahres, so weit reichenden und auf eine lange Zukunft berechneten national=wissenschaftlichen Bestrebungen wenig günstig gewesen sind, und hoffen wir von der Zukunft größere Erfolge, wenn Gott unserm Vaterlande den Frieden erhält.

Was sodann die Domestica unsers Special=Vereins betrifft, so ist unsere Verbindung mit den verwandten Gesellschaften abermals durch Anknüpfung einer Correspondenz und eines Schriftenaustausches mit dem auf seinem Gebiete sehr thätigen und tüchtigen Vereine für das Großherzogthum Hessen zu Darmstadt erweitert, so daß die Zahl der correspondirenden Vereine jetzt, mit Einschluß des Gesammtvereins und des in dem letzten Verzeichniß bedauerlich übersehenen Alterthumsvereins zu Lüneburg, auf 66 gestiegen ist.

Dagegen haben wir den Verlust unsers vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, Herrn Geh. Archivraths Prof. Dr. Stengel zu Breslau aufrichtig zu beklagen. Er starb am 3. Januar d. J. Seine zahlreichen, gründlichen und tüchtigen Werke über schlesische Provinzial=Geschichte, die auch unsere Bibliothek als Geschenke des Heimgegangenen ehren und bereichern, werden sein Andenken bewahren.

Von den ordentlichen Mitgliedern starben Herr v. Lücken auf Zahrenstorf im Septbr. v. J., der Gutsbesitzer Pogge auf Roggow und der Syndicus Dr. Fabricius zu Wismar im Frühlinge d. J., und ganz neuerdings am 29. v. M. der Graf Friedrich Emil Christian v. Zieten auf Wustrow bei Ruppin, ein Sohn des berühmten Husaren=Generals unter Friedrich dem Großen, königl. preuß. Rittmeister und Landrath, Exc. Er war ein eifriger Alterthumsforscher und hinterläßt eine bedeutende und sehr werthvolle Sammlung, worüber in unsern Jahrbüchern mehrfach berichtet ist. Unter den übrigen Heimgegangenen haben wir besonders an Pogge, dem kein gemein=

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nütziges Unternehmen fremd blieb, einen warmen Freund und Gönner verloren. - Außerdem sind der Graf v. Krassow zu Franzburg in Pommern, Stadtrichter Dr. Sprengel zu Waren, Regierungs=Secretair Grischow zu Neustrelitz, Oberschulrath Dr. Zehlicke zu Slate bei Parchim, Obermedicinalrath Dr. Flemming zu Schwerin, Rector Gerdess daselbst und der Erbpächter Stenzel zu Hirschburg, jetzt in America, freiwillig ausgetreten. Beigetreten sind dagegen nur Herr Bürgermeister Mau zu Neukalden und Herr Staatsrath v. Brock zu Schwerin. Der Verein hat also in dem abgelaufenen Geschäftsjahre abermals 11 Mitglieder verloren und nur 2 wiedergewonnen, so daß sich die Gesammtzahl, welche nach der im vorigjährigen Berichte gedruckten Matrikel annoch 286 betrug, nunmehr bis auf 277 abgemindert hat.

Ueber die wissenschaftliche Tätigkeit dieses Vereins habe ich hier nur wenig zu sagen, da die eingelieferten Arbeiten in dem 19. Bande unsrer Jahrbücher, welcher mit diesem Berichte gleichzeitig ausgegeben werden wird, gedruckt vorliegen. Man wird aber nach Durchlesung desselben zugestehen müssen, daß er hinter keinem seiner Vorgänger zurücksteht, ja vielleicht der reichste von allen ist. Von dem Herrn Archivar und Conservator Dr. Lisch finden sich in der ersten Abtheilung zwei Abhandlungen, von welchen uns die eine "über die Fürstin Woitzlava und die Kapelle zu Alt=Doberan" (S. 136 -167) in den Anfang des christlich=germanischen Lebens zurückführt, und aus einigen in der Althofer Kapelle und den Klosterruinen zu Hovedöe in Norwegen gleichzeitig entdeckten, an sich ganz unscheinbaren Mosaikziegeln ebenso überraschend, als vollkommen überzeugend nachweiset, daß Meklenburg nicht nur die Gewinnung des Fürsten Pribislav für den christlichen Glauben, sondern auch die Erbauung der ersten christlichen Kirche der von unsern neuern Historikern ganz vergessenen nordischen Fürstentochter verdankt. Hiezu gehören auch 2 in der Tiedemann'schen Steindruckerei vortrefflich ausgeführte Tafeln in Farbendruck, die erwähnten Mosaikziegeln darstellend. - Die zweite Lisch'sche Abhandlung "über die Caselier in Meklenburg" (S. 3-64) bringt uns auf einem sehr weit von jenem erstem entlegenen Gebiete der vaterländischen Geschichte nicht minder anziehende Entdeckungen, indem der Herr Verfasser nachweist, daß schon der Vater des Johannes Caselius, eines der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit und des Stolzes unsrer Landesuniversität, durch den Scharfblick des Herzogs Johann Albrecht nach Meklenburg berufen ward, und daß der Sohn, dessen Verhältniß zu diesem Fürsten und zur Universität hier zum ersten Mal klar

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dargelegt wird, schon als Jüngling von seinem hohen Gönner ausgezeichnet und fortwährend unterstützt ward. - Hieran schließt sich unmittelbar eine sehr lehrreiche Arbeit des Herrn Dr. Julius Wiggers über die Rostocker Kirchenstreitigkeiten zwischen den Predigern Tielemann Heßhusius und Johannes Draconites und ihren Anhängern aus den Jahren 1550-1561 (S. 64 -137), ein Gegenstand, welcher, wie der Hr. Verf. selbst mit vollem Rechte bemerkt, außer dem Kirchen= und Dogmengeschichtlichen, zugleich ein nicht geringes staats= und cultur=historisches Interesse gewährt. - Den Schluß macht die umfänglichste Arbeit dieses Bandes, eine "kritische Geschichte der sogenannten Prillwitzer Idole" von dem Herrn Pastor Fr. Boll zu Neubrandenburg (S. 167-286), deren ich aus rein chronologischen Gründen, als eines interessanten Beitrags zur Culturgeschichte des vorigen Jahrhunderts, zuletzt gedenke. Der Herr Verf. beschränkt sich lediglich auf einen actenmäßigen Bericht über die angebliche Entdeckung und die erste Veröffentlichung dieser berühmten Götzenbilder, sowie über die dadurch veranlaßten gelehrten Streitigkeiten. Das Ergebniß ist, daß die Unechtheit der jüngern zuerst von dem Grafen Potocky beschriebenen Sammlung längst durch eidlich bestärkte Zeugenaussagen juristisch vollkommen erwiesen ist, während in Betreff der ältern Sammlung auf diesem Wege die von einer wissenschaftlichen Kritik aus innern Gründen erhobenen Zweifel und Bedenken mit Sicherheit weder widerlegt noch bestätigt werden. Indeß ist doch auch in dieser Beziehung der endlichen Entscheidung durch eine scharfe Charakteristik aller hierbei in Betracht kommenden Personen und die Schilderung der damaligen Verhältnisse vielfach der Weg gebahnt.

In der 2. Abtheilung, oder den Jahrbüchern für Alterthumskunde, sind außer den Berichten über die neu aufgefundenen, zum Theil bisher ganz unbekannten, Geräthe aus der heidnischen Zeit die Blätter zur Geschichte der Kirche in Doberan vom Herrn Archivar Lisch das Bedeutendste. Hier findet sich unter anderm auch ein ausführlicher Bericht über eine amtliche Untersuchung der altehrwürdigen Begräbniß=Kapelle unsers hohen Fürstenhauses, bei welcher Gelegenheit namentlich auch das Grab Pribislav's, des ersten christlichen Ahnherrn unsrer Herzoge und Gründers der Doberaner Kirche, wieder aufgefunden ward, eine Entdeckung, mit welcher der Fortschritt der von Sr. Königl. Hoheit unserm allerdurchlauchligsten Großherzoge mit so großer Liebe gepflegten Restauration der unvergleichlichen Kirche im engsten Zusammenhange steht.

Wenn es ohne Zweifel zu den Aufgaben des Vereines gehört, seine Mitglieder auf alle, die Geschichte unsers Vater=

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landes betreffenden literarischen Hülfsmittel aufmerksam zu machen, so wird eine kurze Anzeige der neuesten Erscheinungen auf diesem Gebiete der Literatur namentlich auch in diesem Berichte nicht fehlen dürfen, wenn dieselben auch nicht von dem Vereine selbst ausgegangen sind. Das abgelaufene Jahr ist aber in dieser Beziehung ganz ungewöhnlich fruchtbar gewesen. Auf die schon am Schlusse des vorigen Jahres ausgegebene und in meinem damaligen Berichte flüchtig angezeigte Jubelschrift des Herrn Directors Dr. Wex hieselbst: "zur Geschichte der Schweriner Gelehrtenschule", schloß sich nämlich schon nach wenigen Wochen das auf Veranlassung des am 4. October v. J. gefeierten dreihundertjährigen Jubiläums der Güstrower Domschule von dem Herrn Director Dr. Raspe daselbst ausgegebene Festprogramm als ein würdiges Seitenstück an. Beide auf gründlichem Quellenstudium beruhenden, für die Culturgeschichte Meklenburgs ungemein wichtigen Werke haben natürlich zahlreiche Berührungspunkte, und gehen überdies beide von demselben Zeitpunkte aus, dem Zeitalter unserer großen Herzoge Johann Albrecht und Ulrich, den Stiftern beider Anstalten, unterscheiden sich aber dennoch in der Auffassung ihres Themas wesentlich dadurch, daß Herr Director Wex nur die ältere Zeit erschöpfend behandelt und auch hier mit Vorliebe bei der allerdings bedeutenden und höchst anziehenden Persönlichkeit der ersten Leiter der Anstalt verweilt, für die spätem Zeiten aber wider seine ursprüngliche Absicht sich im Wesentlichen auf Mittheilung eines vollständigen und deshalb allerdings sehr dankenswerthen Verzeichnisses der Lehrer beschränkt, während Herr Director Raspe die Entwickelung der innern Organisation seiner Anstalt als seine Hauptaufgabe betrachtet und diese ziemlich gleichmäßig bis in die neuere Zeit fortführt, alle Personalien aber fast gänzlich übergeht. - Bald darauf erschienen, wiederum fast gleichzeitig, zwei neue Beiträge zur Geschichte unsrer Städte, nämlich die Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz von dem Herrn Dr. med. Tott daselbst und die Geschichte der Vorderstadt Parchim von 1801-1852 von dem Herrn Advocaten und ehemaligen O.=A.=Gerichtsprocurator Wilh. Ludw. Icke daselbst. Die Schrift des Herrn Tott enthält nicht nur eine sehr fleißige und übersichtliche Zusammenstellung des bisher bekannten Materials, sondern giebt auch aus den Archiven der Stadt viele bisher unbekannte Nachrichten, weshalb es um so mehr zu bedauern ist, daß der Hr. Verf. nicht in der Lage gewesen zu sein scheint, auch das hiesige Geh. und Haupt=Archiv, sowie das Archiv des Klosters benutzen zu können. Es würde dann ohne Zweifel auch möglich gewesen sein, auf eine kritische Untersuchung über die

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Verfassung der Stadt einzugehen, die man bei allen bisher erschienenen Stadtgeschichten mehr oder weniger vermißt. - Herr Adv. Icke erzählt uns dagegen in einfacher Chronikenform fast nur Selbsterlebtes, jedoch mit Benutzung der Magistratsacten und der sehr sorgfältig geführten Tagebücher eines dortigen Bürgers. Die Schrift ist für die gegenwärtige Generation der Bewohner Parchims ein ganz angenehmes Gedenkbuch, wird aber von künftigen Historikern als eine nicht unwichtige Quelle benutzt werden können. - Außer diesen bereits in den Quartalberichten angezeigten Werken und mehren kleineren Gelegenheitsschriften ist neuerdings von dem Herrn Präpositus E. Saalfeld zu Ludwigslust eine recht interessante Schrift erschienen: "Wie Meklenburg ein christliches Land geworden ist". Der Herr Verf. beabsichtigte nach dem Titel zunächst nur eine Geschichte der Ausbreitung des Christenthums in Meklenburg zu geben, und schließt deshalb mit dem Tode des ersten christlichen Fürsten Pribislav 1168 ab, da aber bis dahin die religiöse Richtung durchaus vorherrschend ist, so wird man nicht leicht ein Ereigniß von irgend einer Erheblichkeit vermissen. Die Darstellung aber ist überaus ansprechend, für die ältere Zeit meistens mit den eignen schlichten Worten des würdigen Pfarrers zu Bosow, später besonders nach Kirchberg und Saxo Grammaticus, aber mit gewissenhafter Benutzung aller neuern kritischen Forschungen. - Endlich ist so eben unsere vaterländische Literatur durch eine der bedeutendsten Erscheinungen der letzten Jahre bereichert, nämlich durch eine kritische Geschichte der Universität Rostock im 15. und 16. Jahrh. von Otto Krabbe, Dr. und Prof. der Theolog., Consistorial=Rath und der Zeit Rector der Universität, ein durchaus gründliches und mit Benutzung aller archivarischen Quellen und literarischen Hülfsmittel nicht nur der Universität, sondern auch der Stadt Rostock und des hiesigen Archivs, in echt wissenschaftlichem Geiste durchgeführtes Werk, wie es von diesem Verfasser nicht anders zu erwarten stand. Mit besonderer Freude hebe ich hervor, daß auch unser Verein sowohl an diesem, als an den oben besprochenen Schriften in sofern seinen bescheidenen Antheil hat, als die in unsern Jahrbüchern niedergelegten Resultate unsrer Forschungen überall redlich und mit bereitwilliger Anerkennung benutzt sind.

Ueber die sonstige Thätigkeit der Vereines habe ich für dies Mal wenig zu berichten. Sie beschränkte sich im Wesentlichen auf die von dem ersten Secretair geführte umfängliche Correspondenz im In= und Auslande und die eifrige Pflege unsrer Sammlungen. Namentlich sind die früher so eifrig betriebenen Ausgrabungen heidnischer Alterthümer aus finanziellen Gründen

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immer noch sistirt, und bald dürfte es dazu überhaupt zu spät sein, da Ackercultur und Chausseebau nicht viel mehr übrig gelassen haben. Desto nothwendiger scheint es jetzt auch einmal in entgegengesetzter Richtung thätig zu werden, nämlich für die Erhaltung der wenigen noch vorhandenen Denkmäler des Alterthums. Die meisten historischen Vereine, namentlich in unsern Nachbarländern Schleswig=Holstein und Hannover, sowie in Oestreich, Luxemburg und in andern Staaten, sind uns in dieser Beziehung längst mit ihrem Beispiele vorangegangen, wobei sie sich freilich auch einer sehr wirksamen Unterstützung ihrer hohen Regierungen zu erfreuen hatten. So hat z. B. das königl. Ministerium zu Hannover in den Jahren 1853 und 1854 zur Erhaltung merkwürdiger Monumente der heidnischen Vorzeit in dem Landdrosteibezirke Lüneburg jährlich 300 Thlr. bewilligt, wofür in diesen beiden Jahren nicht weniger als 41 Denkmäler (13 Hünenbetten, 20 Hünengräber, 1 Hünenstein, 1 Opferstein und 16 Erddenkmäler) angekauft wurden. Außerdem aber sind dort noch andere 33 solcher Denkmäler kostenfrei vor Zerstörung gesichert. Ebenso bewilligten die Stände des Großherzogthums Luxemburg der Société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le Grande-Duché de Luxembourg zur Bestreitung ihrer gesellschaftlichen Bedürfnisse einen Beitrag von 1500 Fr's, und außerdem noch für das Jahr 1853 einen Zuschuß von 1000 Fr's zur Unterstützung ihrer auf die Ausgrabung und Erforschung der Denkmäler der Römerzeit bezüglichen Arbeiten. Aehnliches ist in den letzten Jahren in Steiermark und andern östreichischen Provinzen geschehen. Auch in unserer Generalversammlung ist dieser Gegenstand bereits wiederholt zur Sprache gekommen, aber die Rücksicht auf die Casse hat bisher der Ausführung aller wohlgemeinten Vorschläge hemmend im Wege gestanden, was auch in Zukunft nothwendig der Fall sein muß, so lange der Verein auf seine eignen Mittel beschränkt bleibt. Dagegen ist außerhalb des Vereins in dieser Beziehung durch die verdienstlichen Bemühungen des Herrn Conservators Dr. Lisch in der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit bereits vieles geschehen und noch mehr für die Zukunft zu hoffen. Seine nächste Aufgabe ist allerdings die Erhaltung und Restauration der Werke mittelalterlicher Kunst in Meklenburg, aber auch die Denkmäler der ältern Zeit sind seiner Fürsorge nicht entgangen. So sind namentlich die beiden Hauptburgen des Landes, die uralte Stammburg unsers Fürstenhauses, Meklenburg, und das historisch fast eben so wichtige Werle, von dem ihnen, dem Vernehmen nach, zum Besten der Wiesencultur drohenden Untergange gerettet. Auf Antrag des

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Herrn Conservators sind beide auf unmittelbaren allerhöchsten Befehl zur vollständigen Erhaltung bestimmt und zum bessern Schutze, Meklenburg ganz und Werle zum Theil, der Forst überwiesen.
Der in der

Anlage B.

angeschlossene Auszug aus der diesjährigen Vereinsrechnung liefert insofern ein günstiges Resultat, als sich die ordentliche Einnahme, also abgesehen von dem Cassenvorrathe und den eingezogenen Capitalien, gegen das voraufgehende Jahr um 21 Thlr. 19 ßl. gehoben hat, ungeachtet dies Jahr keine Rückstände, welche im vorigen Jahre 23 Thlr. 41 ßl. betrugen, zu erheben waren und die ordentlichen Beiträge von 566 Thlr. auf 542 Thlr. 16 ßl. herabgesunken sind. Dieser doppelte Ausfall ward nämlich durch den erhöheten Erlös aus dem Verkauf der Jahrbücher, welcher dies Mal 70 Thlr. betrug, nicht nur völlig gedeckt, sondern es blieb auch noch der gedachte Ueberschuß. Dagegen betrug die laufende Ausgabe, mit Ausschluß der belegten Capitalien, in diesem Jahre 164 Thlr. 33 ßl. weniger als 1853, welche Ersparung in der geringeren Ausgabe an Druckkosten und für die Vereinssammlungen ihren Grund hat. Auf diese Weise ist es möglich geworden, das Vermögen des Vereins von 55 Thlr. Gold und 2484 Thlr. 35 ßl. Cour. auf 70 Thlr. Gold und 2541 Thlr. 47 ßl. 3 pf. Cour., also um 15 Thlr. Gold und 57 Thlr. 12 ßl. 3 pf. Cour., zu erhöhen.

Einen wertvolleren Schatz, als dies Capitalvermögen, besitzt der Verein aber an den fortwährend von allen Seiten mit der größten Liebe gepflegten Sammlungen. - Die Bibliothek hat sich nach dem in der

Anlage C.

mitgetheilten Verzeichnisse der neuen Erwerbungen, obgleich nicht mehr als 25 Thlr. zum Ankauf neuer Bücher verwandt wurden, also fast ausschließlich durch Geschenke, wiederum um 119 Bände vermehrt und besteht gegenwärtig im Ganzen aus 2687 Bänden, darunter etwa 500 Bände Meklenburgica und 50 Bände typographischer Seltenheiten, wobei jedoch die ziemlich zahlreichen Dubletten mitgerechnet sind. Fast vollständig ist die umfängliche und sonst schwer zusammenzubringende Literatur der historischen Vereine vorhanden. Ueberhaupt ist die Sammlung bei weitem reicher an Werken für die Specialgeschichte deutscher, namentlich der uns benachbarten Länder, als an allgemeinen und umfänglicheren historischen Werken. Hier werden indeß für den ein=

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heimischen Forscher die Universitäts=Bibliothek zu Rostock und die an ältern historischen und staatsrechtlichen Werken sehr reiche Regierungs=Bibliothek zu Schwerin in der Regel genügend aushelfen.

Auch die Urkunden=Sammlung, welche in dem abgelaufenen Jahre um 4, S. 421 der Jahrbücher beschriebene, Originale vermehrt ist, ist allmälig bis auf 155 Original=Urkunden, 208 Abschriften, 246 Regesten und 16 handschriftliche Werke, Original=Briefe und dergl. angewachsen.

Für die Alterthums=Sammlung sind seit Ostern 1853 wiederum 128 neue Stücke erworben, wovon 22 der Zeit der Hünengräber, 30 der Zeit der Kegelgräber, 42 der Zeit der Wendenkirchhöfe und 34 dem christlichen Mittelalter angehören. Das übliche Verzeichniß dieser Erwerbungen findet sich in der

Anlage D.,

die genauere Beschreibung und Würdigung dagegen in den Jahrbüchern für Alterthumskunde. Am unbedeutendsten sind wiederum, wie immer, die mittelalterlichen Sachen, woran Meklenburg im Vergleich zu andern deutschen Ländern überhaupt auffallend arm ist. Der Grund dieser Erscheinung liegt ohne Zweifel in den Verwüstungen des dreißigjährigen Krieges, wovon Meklenburg vielleicht härter getroffen ward, als irgend ein anderes Land. Doch enthalten unsere Kirchen noch mancherlei werthvolle Kunstschätze, welche man bei uns lieber an Ort und Stelle läßt und neuerdings auch restaurirt, während man sie anderswo in den allgemeinen Museen zusammenstellt.
Ueber die Münz=Sammlung giebt der in der

Anlage E.

befindliche Bericht des gelehrten Aufsehers derselben, Herrn Pastors Masch zu Demern, wie immer so vollständige Auskunft, daß mir keine Nachlese übrig bleibt.

Ebenso verweise ich rücksichtlich der Bilder=Sammlung auf den in der

Anlage F.

beifolgenden Bericht ihres jetzigen Aufsehers, Herrn Archiv=Registrators Glöckler, unter dessen fortgesetzten eifrigen Bemühungen dieselbe auch in diesem Jahre über alle Erwartung angewachsen ist. Der diesem Berichte anliegende Katalog giebt nähere Auskunft über unsern Reichthum und weis't zugleich nach, wo es noch Lücken auszufüllen giebt.

Die Zahl derer, welche sich durch Einsendung größerer Abhandlungen oder interessanter Mittheilungen, so wie durch Ge=

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schenke für die verschiedenen Sammlungen an den Arbeiten des Vereins betheiligt haben, ist auch in diesem Jahre wieder sehr groß. Außer den sämmtlichen correspondirenden Vereinen habe ich namentlich folgenden Herren den öffentlichen Dank des Vereins auszusprechen: Erbpächter Abraham zu Retzow, Prof. Bachmann zu Rostock, Rittmeister v. Bassewitz auf Scharbow, Ingenieur Beyer zu Güstrow, v. Bibra zu Nürnberg, Kaufmann Salomon Blumenthal zu Dömitz, Oberstallmeister v. Boddien zu Schwerin, Pastor Boll zu Neubrandenburg, Gymnasiast G. Brüning zu Schwerin, Major v. Bülow auf Kaarz, Lehrer Chrysander zu Schwerin, Rector Dr. Crain zu Wismar, Dr. med. Crull zu Wismar, Bürgermeister Daniel zu Schwaan, Bauconducteur Daniel zu Schwerin, Senator Demmler zu Rehna, Hofschlossermeister Duve zu Schwerin, Oberlandforstmeister Eggerss daselbst, Dr. Ernst zu Wien, Pensionair Fratzscher in Boitin, Gastwirth Glöde zu Doberan, Kriegsrath Grimm zu Schwerin, Reichsfreiherr v. Grote zu Hannover, Maurermeister Haase zu Grevismühlen, Präpositus Hast zu Hagenow, Pensionair Haupt zu Tressow, Prof. Dr. Havemann zu Göttingen, Gutsbesitzer Hertell auf Plenin in Pommern, Buchhändler Hildebrand zu Schwerin, Gutsbesitzer Hillmann auf Behrenshagen, Dr. med. Hüen zu Marlow, Apotheker Jänecke zu Grabow, Dr. Janssen zu Leyden, H. Jatzow in Schwerin, Gutsbesitzer Kähler auf Klink, Gutsbesitzer v. Kardorff auf Remlin, John Kemble zu Hannover, Regierungsrath Dr. Knaudt zu Schwerin, Amtsrath Koch zu Sülz, Gutsbesitzer Koch auf Dreveskirchen, Rector Koch zu Doberan, Dr. med. Kortüm zu Schwerin, Gutsbesitzer v. Koß auf Vilz, F. W. Kretschmer zu Berlin, Hofopernsänger Kühn zu Schwerin, Küster Lange zu Karbow, Landrath v. Leers auf Schönfeld, Fr. Lehmkuhl zu Melbourne, Hofmaler Lenthe zu Schwerin, Amts=Registrator Luther zu Hagenow, Justizrath Baron v. Maltzan zu Rostock, Goldschmied Meinhof zu Grabow, Dr. Napiersky zu Riga, Geheimerath v. Oertzen zu Schwerin, Hofbuchhändler Otto daselbst, Frau Kammer=Ingenieur Peltz zu Güstrow, Einnehmer Prang zu Rostock, Pastor Ragotzky zu Triglitz, Director Dr. Raspe zu Güstrow, Pastor Ritter zu Vietlübbe, Thorschreiber Roll zu Laage, Geheime Medicinalrath Sachse zu Schwerin, Pastor Schliemann zu Kalkhorst, O. Schönhuth zu Stuttgart, Joseph Schneiger zu Gratz, Kaufmann Schnelle zu Schwerin, Senator Schröder zu Brüel, Pastor Schubart zu Schwerin, Kammerrath Schumacher daselbst, Fr. Seidel zu Bützow, Architekt Stern zu Schwerin, J. O. Thormann

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zu Wismar, Dr. med. Tott zu Ribnitz, Pastor Vortisch zu Satow, Bauconducteur Wachenhusen zu Schwerin, Director Dr. Wex daselbst, C. D. W. . . . zu Wismar, Gastwirt Wietzer zu Röbel, Dr. theol. Jul. Wiggers zu Rostock, Conrector Wiggers zu Gnoien, Pastor Willebrandt zu Kladow, Inspector Worsaae zu Kopenhagen, Pastor Zander zu Barkow, Prof. Dr. Zober zu Stralsund.

In der jüngsten General=Versammlung wurden die bisherigen Repräsentanten des Vereins, nämlich die Herren Oberstallmeister v. Boddien, Canzlei=Director v. Bülow, Revisionsrath Hase und Prorector Reitz auch für das laufende Jahr wiedergewählt. Auch in dem sonstigen, aus den früheren Jahresberichten bekannten Personale des Ausschusses sind keine Veränderungen vorgekommen, da die beiden Herren Präsidenten ihre Aemter noch ferner beizubehalten die Güte haben werden und auch die übrigen Beamten sämmtlich bestätigt wurden. Der Besuch dieser Versammlung hat übrigens bedauerlich von Jahr zu Jahr so bedeutend abgenommen, daß z. B. dies Mal außer dem Herrn Vicepräsidenten, den 5 Beamten und 2 Repräsentanten nur 5 Mitglieder zugegen waren, während in den ersten Jahren nach der Gründung des Vereines in der Regel über 100 Mitglieder, zum Theil aus weit entfernten Gegenden des Landes, zu erscheinen und nach beendeten Geschäften zu einem frohen Mahle beisammen zu bleiben pflegten. Diese betrübende Erscheinung, so wie die Mittel, das Interesse an den Verhandlungen über die Angelegenheiten des Vereines wieder zu beleben, sind schon oft Gegenstand der Besprechung gewesen, ohne daß man sich bisher zu einem bestimmten Beschlusse hätte vereinigen können. Auch auf der letzten Versammlung entspann sich auf Anregung des Herrn Präpositus Schencke zu Pinnow eine lebhafte Debatte über diesen Gegenstand, welche zu dem einstimmigen Beschlusse führte, die Versammlung in dem nächsten Jahre 1855 an dem statutenmäßig festgesetzten Tage (11. Juli) versuchsweise um 11 Uhr Vormittags zu eröffnen, die laufenden Geschäfte möglichst kurz zu beseitigen und die dadurch gewonnene Zeit durch wissenschaftliche Vorträge auszufüllen, wozu sich Herr Archivar Dr. Lisch und Herr Archiv=Registrator Glöckler zum Voraus bereit erklärten, wenn sich inzwischen kein anderes Mitglied dazu melden sollte. Zugleich ward beliebt, daß diese Vorträge auf keinen Fall über eine halbe Stunde erfordern und nicht zugleich zum demnächstigen Abdruck in den Jahrbüchern bestimmt sein dürften; rücksichtlich des darin zu behandelnden historischen Stoffes aber konnten sich die Anwesenden nicht einigen, indem von Einzelnen die Ansicht geltend gemacht ward, daß die

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Redner nicht auf das Gebiet der meklenburgischen Geschichte zu beschränken seien, da es sich hier offenbar weniger um eine directe Förderung des statutenmäßigen Vereinszweckes handle, als um eine im Allgemeinen anregende wissenschaftliche Unterhaltung, in welcher der den historischen Vereinen so oft vorgeworfene, gleichwohl aber in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit wohlbegründete, einseitige Particularismus füglich vermieden werden könne. Die Mehrheit glaubte sich indeß dafür entscheiden zu müssen, daß auch in diesem Falle der statutenmäßig festgestellte Vereinszweck strenge festzuhalten und also namentlich auch Vorträge über Gegenstände aus der allgemeinen deutschen Geschichte oder der Geschichte anderer deutscher Provinzen ausgeschlossen bleiben müßten. Indem der Unterzeichnete diesen Beschluß hiemit auftragsmäßig zur Kenntniß der Vereinsmitglieder bringt, verbindet derselbe damit die Anzeige, daß der Ausschuß seiner Zeit Vorsorge treffen wird, um den hoffentlich recht zahlreich erscheinenden Gästen Gelegenheit zu geben, die Feier des Tages nach aufgehobener Versammlung durch ein gemeinschaftliches Mahl zu beschließen.

Schwerin, im Juli 1854.

W. G. Beyer, Dr.,                     
Archiv=Secretair, als zweiter Secretair des Vereins.


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Anlage A.

Revidirte Satzungen

des

Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und
Alterthums=Vereine.

Die deutschen Geschichts= und Alterthums=Vereine verbinden sich auf den im Nachstehenden näher bezeichneten Grundlagen zu einem Gesammtvereine.

§. 1.

Zweck des Gesammtvereins ist einheitliches Zusammenwirken der einzelnen Vereine zur Erforschung, Erhaltung und Bekanntmachung der vaterländischen Denkmäler und Geschichte.

§. 2.

Die Organe des Vereins bestehen aus der alljährlich stattfindenden allgemeinen Versammlung und einem Verwaltungs=Ausschusse.

§. 3.

Die allgemeine Versammlung besteht aus den Bevollmächtigten der verbundenen Vereine; außerdem ist es den Mitgliedern der einzelnen Vereine, so wie Jedem, der sich für die Zwecke des Gesammtvereins interessirt, gestattet, sich daran zu betheiligen.

Es ist gestattete daß mehrere, doch nie mehr als drei Vereine einen gemeinsamen Bevollmächtigten senden.

§. 4.

Der Verwaltungs=Ausschuß besteht aus dem Directorium eines der verbundenen Vereine, welcher durch die Versammlung mittelst Wahl bestimmt wird. Hat der betreffende Verein kein aus mehreren Personen bestehendes Directorium, so wird sich der Director desselben einige Mitglieder des gewählten Vereins als Directionsmitglieder beiordnen.

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A. Geschäfte des Verwaltungs=Ausschusses.

§. 5.

Der Verwaltungs=Ausschuß vertritt den Verein nach Außen hin, sorgt für Ausführung der Beschlüsse der Versammlung und verwaltet überhaupt die Geschäfte des Vereins von der Zeit einer Versammlung zur andern.

§. 6.

Er trifft die Einleitung und Vorbereitung zu der Versammlung, so wie zu den auf derselben vorzunehmenden Angelegenheiten und Geschäften, und hat daher die Anträge derjenigen Vereine und Individuen entgegenzunehmen, welche eine Angelegenheit auf der Versammlung zur Sprache zu bringen beabsichtigen.

§. 7.

Er leitet die Redaction des Correspondenz=Blattes (§. 19).

§. 8.

Er führt den Vorsitz in der Generalversammlung, und zwar durch das oberste seiner anwesenden Mitglieder.

Im Verhinderungsfalle des gesammten Directoriums geht sein Geschäft in der Versammlung auf den Vorstand des Ortes, wo die Versammlung abgehalten wird, über.

B. Geschäfte der Versammlung.

§. 9.

Die wissenschaftlichen Arbeiten werden auf der Versammlung in 3 Sectionen vorbereitet, welche durch freiwilliges Einschreiben der Mitglieder gebildet werden. Diese Sectionen sind:

1) für die Archäologie der heidnischen Vorzeit,

2) für die Kunst des Mittelalters,

3) für Geschichtsforschung und historische Hülfswissenschaften.

Die Resultate der Berathungen sind am Schluß der Versammlung in den Plenarversammlungen vorzulegen und die gestellten Anträge zur Beschlußnahme zu bringen. Empfehlungen wissenschaftlicher Werke Einzelner sind zuvörderst in den Sectionen vorzubringen.

§. 10.

Für einen einzelnen besondern Gegenstand können auf Beschluß der Versammlung von dem Vorsitzenden Ausschüsse ernannt werden, welche ebenfalls an die Generalversammlung Vortrag zu erstatten haben.

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§. 11.

Alle Theilnehmer in der Versammlung sind gleichberechtigt, und die Beschlüsse werden in der Regel durch absolute Stimmenmehrheit gefaßt, so weit nicht in beiderlei Beziehung in Nachstehendem Ausnahmen festgesetzt sind.

§. 12.

Eine besondere Aufgabe des Gesammtvereins ist die Vornahme solcher Arbeiten, welche weder von einzelnen Vereinen, noch von einzelnen Gelehrten ausgeführt werden können.

§. 13.

Als anderweite Aufgabe wird bestimmt: die Anregung dunkler wissenschaftlicher Fragen, die Hinweisung auf vorhandene Lücken im Gebiete der Geschichte und Alterthumskunde, die Feststellung von Normen für bestimmte Arbeiten, um eine größere Uebereinstimmung in denselben anzubahnen.

§. 14.

Sobald eine gemeinsame Arbeit beschlossen wird, soll ein Redactions=Ausschuß von Sachverständigen zur Leitung derselben erwählt werden.

§. 15.

Die einzelnen Vereine verpflichten sich hierbei nach Kräften für Gewinnung des für die bestimmte Arbeit am geeignetsten erscheinenden Gelehrten in Betreff des in ihren Bereich fallenden Antheils derselben bemüht zu sein.

Sobald diese Bemühungen zum Ziele geführt haben, so ist sowohl der Name des Uebernehmers, als die Bezeichnung des Antheils, für welchen dieser sich verpflichtet hat, sofort vom betreffenden Vereine dem Redactions=Ausschusse anzuzeigen.

§. 16.

Der Redactions=Ausschuß hat, wenn er es nöthig findet, über die eingelieferten Arbeiten sich mit den betreffenden Verfassern zu verständigen.

§. 17.

Der Redactions=Ausschuß hat zugleich die Veröffentlichung jener Arbeiten zu besorgen, nachdem das Nähere über deren Herausgabe von der jährlichen Versammlung festgestellt ist.

§. 18.

Ehe die Herausgabe einer solchen Arbeit auf der Versamm=

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lung oder auch außerhalb derselben beschlossen wird, sind sämmtliche verbundene Vereine zu Unterzeichnung auf eine Anzahl Exemplare aufzufordern, jedoch ohne daß sie zu einer solchen Unterzeichnung eine statutenmäßige Verpflichtung übernehmen.

§. 19.

Als Organ des Gesammtvereins wird ein mindestens allmonatlich erscheinendes Correspondenz=Blatt dienen. Dieses Blatt ist bestimmt zur Aufnahme der Berichte über die jährlichen Versammlungen, zu Bekanntmachungen über den Fortschritt der beschlossenen Arbeiten, so wie überhaupt zur Mittheilung aller die Interessen der Vereinigung berührenden Angelegenheiten. Es soll ferner eine fortlaufende Uebersicht der Thätigkeit der einzelnen Vereine geben, zu welchem Zwecke jeder Verein sofort nach Vollendung seiner Vereinsschrift ein Exemplar oder mindestens ein Inhaltsverzeichniß derselben an den Verwaltungs=Ausschuß einzusenden hat. Weiter soll es bestimmt sein zur Aufnahme von Wünschen, Anträgen, Anfragen etc. ., und endlich soll dahin gewirkt werden, mit demselben einen Anzeiger aller neu erscheinenden, in den Bereich der deutschen Geschichts= und Alterthumskunde gehörenden Schriften zu verbinden.

§. 20.

Jeder der verbundenen Vereine verpflichtet sich, von diesem Blatte eine Anzahl von Exemplaren zu übernehmen. Der Preis derselben wird den Vereinen nach den Herstellungskosten berechnet.

§. 21.

In der jährlichen Versammlung wird stets durch Stimmenmehrheit Zeit und Ort der nächstkünftigen Versammlung bestimmt.

§. 22.

Abänderungen dieser Satzungen können nur durch Beschluß der Mehrheit der Bevollmächtigten der Einzelvereine vorgenommen werden.

C. Von den Geldmitteln und Ausgaben des Vereins.

§. 23.

Die Einkünfte des Vereins bestehen:

  1. in einem von jedem Theilnehmer der jährlichen Versammlung zu entrichtenden, von dem jedesmaligen Verwaltungs=Ausschuß zu bestimmenden Eintrittsgeld;
  2. in den Subscriptionen für das Correspondenz=Blatt;
  3. in sonst zu erlangenden Unterstützungsgeldern.
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§. 24.

Hieraus werden zunächst bestritten:

  1. die Kosten der jährlichen Versammlung;
  2. die Herausgabe des Correspondenz=Blattes und die mit derselben und mit der Centralverwaltung verbundenen Kosten;
  3. sofern noch Geld übrig bleiben sollte, die Ausgaben für andere Vereinszwecke.
§. 25.

Die Einnahmen und Ausgaben werden von dem Verwaltungs=Ausschuß besorgt, der der Versammlung jedesmal Rechnung darüber ablegt.

§. 26.

Die Versammlung bestimmt, welche Ausgaben für das nächste Jahr stattfinden sollen und ertheilt dem Verwaltung=Ausschuß hierzu die nötigen Ermächtigungen.

§. 27.

Zu Geldbeiträgen können weder die einzelnen Teilnehmer, noch die verbundenen Vereine jemals durch Mehrheitsbeschluß genöthigt werden.

Sollten zu einzelnen Zwecken dergleichen nöthig werden, so kann die Aufbringung stets nur durch freiwillige Beiträge erfolgen. - Solchen Falls wird daher der Verwaltungs=Ausschuß so viel möglich vor der Zeit der Versammlung die erforderliche Summe bekannt machen, damit die einzelnen verbundenen Vereine in den Stand gesetzt werden, ihre Abgeordneten bevollmächtigen zu können, ob und bis zu welchem Betrage sie sich zu einer Geldbewilligung herbeilassen dürfen.

Beschlossen zu Nürnberg, den 15. September 1853.


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Anlage B.

Auszug
aus der Rechnung über die Vereins=Casse vom
1. Juli 1853 - 30. Juni 1854.

Inschrift
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Inschrift

Schwerin, den 30. Juni 1854.

F. Wedemeier, Dr., Ministerial=Registrator,
p. t. Cassen=Berechner.               


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Anlage C.

Verzeichniß
der in dem Vereinsjahre 1853/54 erworbenen Bücher.

I. Kunstgeschichte. Numismatik.

Nr.

  1. Ueber Protestantismus und Katholicismus in der Kunst. Von Richard Fischer. Berlin. 1853. Gr. 8.
  2. Baudenkmäler des Mittelalters im Erzherzogthum Oesterreich, nach der Natur aufgenommen von den Architecten L. Ernst und L. Oescher. 4 Hefte. Wien. 1846. Roy. Fol. (Geschenk des Hrn. Dr. Ernst zu Wien.)
  3. Andeutungen über Erhaltung und Herstellung alter Burgen und Schlösser. Von Scheiger. Gratz. 1853. Gr. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. Das Kieler Kunstmuseum. Ein Wegweiser durch dasselbe, zugleich eine kurze Einleitung in das Studium der Kunst. Von Professor G. Thaulow. Kiel. 1853. 8.
  5. Memoires de la société impériale d'Archéologie de St. Pétersbourg. Publié par B. de Koehne. XVIII. Vol. VI. Nr. 3. St. Pétersbourg. 1852. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

II. Historische Sammelwerke. Neuere Geschichte Europa's.

  1. Historisches Taschenbuch. Herausgeg. Von Fr. v. Raumer. Dritte Folge. Fünfter Jahrgang. Leipzig. 1854. 8. (Geschenk des Hrn. Geheimenraths v. Oertzen.)
  2. Aktstykker til Nordens Historie i Grevefeidens Tid. Utgivne af Fyens Stifts literaere Selskab ved Dr. C. Paludan=Müller. Anden Samling. Odense. 1853. 8. (Geschenk der literar. Gesellschaft zu Odensee.)
  3. Graf Christoph von Oldenburg und die Grafenfehde, 1534 bis 1536. Ein Beitrag zur Geschichte des dänischen Interegnums. Von Fr. von Alten. Hamburg. 1853. 8.
  4. Monumenta Habsburgica. Sammlung von Actenstücken und Briefen zur Geschichte des Hauses Habsburg in dem Zeitraum von 1473 bis 1576. Herausgeg. von der histor.
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Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Zweite Abtheilung. Kaiser Carl V. und König Philipp II. Erster Band. Von Dr. K. Lanz. Wien. 1853. 8. (Geschenk der kaiserl. Akademie zu Wien.)

  1. Urkundliche Geschichte des Hansischen Stahlhofes zu London. Von Dr. J. M. Lappenberg. Hamburg. 1851. 4. (Geschenk des Vereins für Lübeckische Geschichte.)

III. Die Schweiz. Die Niederlande. Dänemark. England.

  1. Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. XVII. Zürich. 1851. Gr. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. Mittheilungen der Gesellschaft für vaterländische Alterthümer in Basel. V. Der Münzfund von Reichenstein, beschrieben von Dr. Vischer. Mit 2 lithogr. Tafeln. Basel. 1852. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  3. Oudheidkundige Verhandelingen en Mededeelingen, von Dr. Janssen, Conservator bii het Museum von Oudheiden te Leyden. I. Arnhem. 1853. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. Antiquarisk Tidskrift, udgivet af det kongelige Oldskrift=Selskab. 1849-1851. 3 Hefte. Kiobenhavn. 1851. 52. 8. (Nebst Bericht über die Jahresversammlungen 1848 bis 1852 und Verzeichniß der Schriften der Königl. Gesellschaft.) (Geschenk der Gesellschaft.)
  5. Die Dänen und Nordmänner in England, Schottland und Irland. Von J. Worsaae. Deutsch von Dr. Meißner. Mit 51 Abbildungen und 3 Karten. Leipzig. 1852. 8.

IV. Liv=, Esth= und Curland.

  1. Esthnische Volkslieder. Urschrift und Uebersetzung von H. Neus. Dritte Abtheilung. Herausgeg. von der esthländischen literar. Gesellschaft. Reval. 1852. 8.
  2. Der revidirten esthländischen Ritter= und Landrechte erstes Buch, oder die Gerichtsverfassung und das Gerichtsverfahren in Esthland vor hundert Jahren. Ein Beitrag zur vaterländischen Rechtsgeschichte. Reval. 1852. 8. (Nr. 16 und 17 Geschenke der literar. Gesellschaft zu Reval.)
  3. Dr. C. E. Napiersky, Livoniae Commentarius, Gregorio XIII., P. M. ab Antonio Possevino, S. J., (a. 1582) scriptus nunc primum editus e Codice Bibliothecae Vaticanae. Scriptum gratulat. universit. litterar. Dorpatensi, festa semisecularia celebranti, dedic. Rigae. 1852. 4.
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  1. Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv=, Esth= und Kurlands. Herausgeg. von der Gesellschaft für Geschichte etc. . der russischen Ostseeprovinen. Bd. VII. Heft 1. Mit 3 lithogr. Tafeln. Riga. 1853. 8. (Nr. 18 und 19 Geschenke der Gesellschaft.)

V. Deutsche Alterthümer und Geschichte.

  1. Zwölf kleine Schriften und Blätter, betr. die im Sept. 1853 zu Nürnberg gehaltene Versammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. 4 und 8. (Geschenk des Hrn. Archivar Dr. Lisch.)
  2. Sechs kleine Druckschriften, das germanische Museum zu Nürnberg betreffend. 1853. 54. 4. u. 8. (Geschenk des Museums.)
  3. Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts= und Alterthumsvereine. Herausgeg. von Prof. Dr. Löwe. Erster Jahrgang. Dresden. 1853. Gr. 4. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs.)
  4. Zeitschrift für deutsches Alterthum, herausgeg. von Moritz Haupt. Bd. IX. Heft 2. Leipzig. 1853. 8. (Enth. u. a. Abhandlungen von Wackernagel über den Todtentanz und von Zarncke über den Verf. des Reineke Fuchs.)
  5. Thor's Donnerkeil und die steinernen Opfergeräthe des nordgermanischen Heidenthums. Zur Rechtfertigung der Volks=Ueberlieferung gegen neuere Ansichten von Ernst Kirchner, Superintendent zu Gransee. Mit 4 Steindrucktafeln. Neustrelitz. 1853. Gr. 8.
  6. Die Territorien in Bezug auf ihre Bildung und Entwickelung. Von Dr. G. Landau. Hamburg u. Gotha. 1854. 8.
  7. Ueber das germanische Loosen, von G. Homeyer. Mit einer Bildtafel. Berlin. 1854. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

VI. Oesterreich.

  1. -29. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Philosoph.=histor. Classe. Bd. IX. X. XI. Wien. 1852. 53. 8.
  1. 31. Fontes rerum Austriacarum. Oestreich. Geschichtsquellen. Herausgeg. von der histor. Commission der kaiserl. Akademie zu Wien. II. Abtheil. Diplomataria et acta. Bd. VI. 1) Summa de literis Missilibus. Ein Formelbuch aus Petri de Hallis, kaiserl. Notars, processus judiciarius. Herausgegeben von Fr. Firnhaber. 2) Das Stiftungsbuch des Klosters St. Bernhard. Herausgeg. von Dr. Zeibig. Wien. 1853. 8.
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Dasselbe Werk. Bd. III. Copeybuch der Gemainen Stat Wienn. 1454-1464. Herausgegeben von Dr. Zeibig. Wien. 1853. 8.

  1. -34. Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen. Herausgegeben von der Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Bd. IX-XI. Wien. 1853. 8.
  1. Notizenblatt. Beilage zum Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen. Herausgeg. von derselben Commission. Jahrg. 1853. Wien. 8. (Nr. 27- 35 Geschenke der kaiserl. Akademie zu Wien.)
  2. Dreizehnter Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Nebst der achten Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. Linz. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft des Museums daselbst.)
  3. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. Drittes Heft. Mit 8 lithogr. Beilagen. Gratz. 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)
  4. Mittheilungen des historischen Vereins für Krain. Redig. von Dr. Klun. VIII. Jahrg. Laibach. 1853. 4. (Geschenk des Vereins.)
  5. Ferdinandeum. 25ster Jahresbericht des Verwaltungs=Ausschusses vom Jahre 1851-1852. Innsbruck. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

VII. Baden. Würtemberg. Nassau.

  1. Denkmale der Kunst und Geschichte des Heimathlandes. Herausgeg. von dem Alterthums=Vereine für das Großherzogthum Baden, durch dessen Director A. v. Bayer. Drei Blätter Römer=Werke zu Baden. 1853. Fol. (Geschenk des Vereins.)
  2. 42. Zeitschrift des histor. Vereins für das Wirtembergische Franken. Herausgegeben von O. Schönhuth. Sechstes Heft. Jahrg. 1852. 8.
    Dieselbe Zeitschrift. Siebentes Heft. (Bd. III. H. 1.) Aalen. 1853. 8.
  1. Chronik des histor. Vereins für das Wirtembergische Franken. Herausgeg. von O. Schönhuth. Wertheim. 1853. 8.
  2. Die Kirchen und Kapellen zu Mergentheim. Beschrieben von O. Schönhuth. 8. (Nr. 41-44 Geschenke des Vereins und resp. des Hrn. Verf.)
  3. Württemberg. Jahrbücher für vaterländ. Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie. Herausgeg. von dem königl. statistisch Topograph. Bureau mit dem Verein für
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Vaterlandskunde. Jahrgang 1852. Stuttgart. 1853. 8. (Geschenk des Bureaus.)

  1. Geschichte der Herrschaft Kirchheim=Boland und Stauf. Von A. Köllner. Herausgeg. von dem Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung. Mit 1 Karte und 11 lithogr. Bl. Wiesbaden. 1854. 8. (Geschenk des Vereins.)

VIII. Hessen.

  1. -53. Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde. Herausgeg. von Dr. Steiner und demnächst von Ludwig Bauer. Band 1-7. Darmstadt. 1835-1853. 8.
  1. Register zu den 5 ersten Bänden des Archivs für Hessische Geschichte etc. . von C. F. Günther. Darmstadt. 1850. 8.
  2. Urkundenbuch des Klosters Arnsburg in der Wetterau. (Ungedruckte Urkunden vom 12. bis 15. Jahrh.) Bearbeitet und herausgeg. von L. Bauer. Darmstadt. 1851. 8.
  3. -58. Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landes= und Ortsgeschichte des Großherzogthums Hessen. Gesammelt und bearbeitet von Dr. H. E. Scriba. Erste Abth.: Die Regesten der Provinz Starkenburg. Darmstadt. 1847. 4. Desselben Werkes zweite Abth.: Die Regesten der Provinz Oberhessen. Darmstadt. 1849. 4. Desselben Werkes dritte Abth.: Die Regesten der Provinz Rheinhessen. Darmstadt. 1851. 4.
  1. Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde. Herausgegeben von L. Bauer. Erster Supplementband. Geschichte der Stadt Grünberg. Darmstadt. 1846. 8.
  2. Urkunden zur Hessischen Landes=, Orts= und Familiengeschichte, welche bis jetzt im Druck noch nicht erschienen sind. Im Auftrage des histor. Vereins etc. . herausgegeben von L. Bauer. Erstes Heft: 1145-1278. Darmstadt. 1846. 8.
  3. Neue Beiträge zur Geschichte Philipps des Großmüthigen, Landgrafen von Hessen, bisher ungedruckte Briefe dieses Fürsten und seiner Zeitgenossen. Im Auftrage des histor. Vereins für das Großherzogthum Hessen gesammelt zu Brüssel und Darmstadt und herausgeg. von Dr. E. Duller. Darmstadt. 1846. 8.
  4. Verzeichniß der Druckwerke und Handschriften in der Bibliothek des histor. Vereins zu Darmstadt. October 1852. 8.
  5. Periodische Blätter der Hessischen Vereine für Geschichts=, Landes= und Alterthumskunde zu Kassel. Darmstadt und Mainz. 1852. 1853. 6 Hefte. 8. (Nr. 47-63 Geschenke des histor. Vereins etc. . zu Darmstadt.)
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  1. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Bd. VI. Heft II. Kassel. 1853. 8. (Geschenk des Vereins zu Kassel.)

IX. Bayern.

  1. 66. Abhandlungen der histor. Classe der königl. bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. VII. Abth. I. München. 1853. 4.
    Bulletin der königl. Akademie der Wissenschaften. Jahrgang 1853. 4.
  1. 68. Ueber die Bewegung der Bevölkerung im Königreich Bayern. Akademische Festrede am 26. Novbr. 1853 von Dr. v. Hermann. München. 1853. 4. Afrika vor den Entdeckungen der Portugiesen. Akademische Festrede am 29. März 1853 von Dr. F. Kunstmann. München. 1853. 4. (Nr. 65-68 Geschenke der königl. Akademie zu München.)
  1. 70. Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, herausgeg. von dem histor. Vereine von und für Oberbayern. Bd. XIII. Bd. XIV. Heft 1. München. 1852. Gr. 8.
  1. Fünfzehnter Jahresbericht des histor. Vereins von und für Oberbayern. Für das Jahr 1852. München. 1853. 8. (Nr. 69-71 Geschenke des Vereins.)
  2. Vierzehnter und fünfzehnter Bericht über das Wirken des histor. Vereins zu Bamberg für Oberfranken u. Bayern. Bamberg. 1851. 52. 8.
  3. Quellensammlung für fränkische Geschichte, herausgeg. von dem histor. Vereine zu Bamberg. Dritter Band. Friedrichs von Hohenlohe, Bischofs von Bamberg, Rechtsbuch vom Jahre 1348. Zum erstenmale herausgegeben von Dr. C. Höfler. Bamberg. 1852. 8. (Nr. 72 und 73 Geschenke des Vereins.)
  4. Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken. Herausgeg. von v. Hagen. Bd. V. Heft 3. Bayreuth. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)
  5. Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. Bd. XII. Heft 2. 3. Würzburg. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)
  6. Neunzehnter Jahresbericht des historischen Vereins im Regierungsbezirk von Schwaben und Neuburg für das Jahr 1853. Mit 3 lithogr. Abbildungen vom Dome zu Augsburg. 1853. 4. (Geschenk des Vereins.)
  7. Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg. 15ter Band. Mit 5 lithograph. Tafeln. Regensburg. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)
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X. Schlesien. Sachsen und Thüringen.

  1. Dreißigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1852. Breslau. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. 25.-27. Jahresbericht des Voigtländischen alterthumsforschenden Vereins. Jahr 1850-1852. Herausgegeben von Fr. Alberti, Pastor zu Hohenleuben. Gera. 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)
  3. Mittheilungen der Geschichts= und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlande s zu Altenburg. Bd. III. Mit 1 Kupfertafel und 2 lithogr. Abbildungen. Altenburg. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  4. Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde. Zweites bis viertes Heft. Jena. 1853. 1854. 8.
  5. Codex Thuringiae diplomaticus. Sammlung ungedruckter Urkunden zur Geschichte Thüringens. Erste Liefer. Herausgegeben von A. Michelsen. Jena. 1854. 4.
  6. Annales Reinhardsbrunnenses. Zum ersten Mal herausgegeben von Dr. Fr. X. Wegele. Jena. 1854. 8.
  7. Der Mainzer Hof zu Erfurt am Ausgange des Mittelalters. Herausgeg. von A. Michelsen. Jena. 1853. 4. (Nr. 81- 84 Geschenke des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde.)

XI. Luxemburg. Westphalen. Hannover. Braunschweig.

  1. Publications de la société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le grandduché de Luxembourg. Année 1852. VIII. Luxembourg. 1853. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. 87. Zeitschrift für Vaterland. Geschichte und Alterthumskunde. Herausgeg. von dem Vereine für Geschichte und Alterthumskunde Westphalens durch Rosenkranz und Geisberg. Neue Folge. Bd. III. IV. Münster. 1852. 1853. 8.
  1. 89. Begesta historicae Westfaliae. Accedit Codex diplomat. Herausgeg. Von Dr. H. A. Erhard. Erster Band. Von den ältesten Nachrichten bis 1125. Mit Monogramm= und Siege=Abbildungen. Münster. 1847. 4. Zweiter Band. Vom Jahre 1126 bis 1200. Das. 1851. 4. (Nr. 86-89 Geschenke des Vereins.)
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  1. Mittheilungen des historischen Vereins zu Osnabrück. Herausgegeben von Dr. Stüve. Dritter Jahrg. Osnabrück. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)
  2. Kurzer Bericht über die Entstehung, Entwickelung und Wirksamkeit der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Alterthümer zu Emden. Das. 1854. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  3. Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Königreichs Hannover und des Herzogthums Braunschweig von 1243 bis 1579. Herausgegeben von J. Grote, Reichsfreiherrn zu Schauen. Wernigerode. 1852. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  4. Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg. Von Dr. W. Havemann. Erster Band. Göttingen. 1853. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

XII. Preeußen. Pommern und die Mark.

  1. -97. Der neuen preußischen Provinzialblätter andere Folge. Herausgeg. von Dr. A. Hagen. Bd. I bis IV. Königsberg. 1852. 53. 8. (Geschenk der Alterthums=Gesellschaft Prussia.)
  1. 99. Märkische Forschungen. Herausgeg. von dem Vereine für Geschichte der Mark Brandenburg. Bd. III. Berlin. 1847. Bd. IV. Daf. 1850. Gr. 8. (Geschenk des Vereins.)
  1. Baltische Studien. Herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Jahrg. XV. Heft 1. Stettin. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)
  2. Beiträge zur Geschichte der Schützengesellschaft und des Vogelschießens zu Stralsund. Nach großentheils handschriftl. Aufzeichnungen mitgetheilt von Prof. Dr. E. Zober. Stralsund. 1853. 4. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  3. 103. Bericht des literarisch=geselligen Vereins zu Stralsund über sein Bestehen während der Jahre 1852. 53. IX. Stralsund. 1854. 8.
    Zur Erinnerung an Friedrich von Suckow (aus Meklenburg=Schwerin). Von Dr. E. Zober. Aus dem IX. Bericht über den literar.=geselligen Verein. Stralsund. 1854. 8. (Geschenke des Hrn. Prof. Dr. Zober zu Stralsund.

XIII. Schleswig-Holstein und Lauenburg. Lübeck.

  1. Mittheilungen zur näheren Kunde des Wichtigsten der Staatsgeschichte und Zustände des Herzogthums Lauenburg von der Vorzeit bis zum J. 1851. Dritte Lieferung. Ratzeburg. 1853. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
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  1. Kurzgefaßte zuverlässige Nachricht von den Holstein=Plönischen Landen, wobey zugleich die Geschichte der Klöster Arensböck und Rheinfeld mitgetheilt worden von P. H. (Peter Hansen), Plön. (1759.) 4.
  2. Urkundenbuch der Stadt Lübeck. Herausgegeben von dem Vereine für Lübeckische Geschichte und Alterthumskunde. Th. II. Lief. 1. Lübeck. 1854. 4. (Geschenk des Vereins.)

XIV. Meklenburgica.

  1. Beiträge zur Geschichte des alten wendischen Rostocks. Von J. F. A. Mahn. Rostock. 1854. 4. (Geschenk des Hrn. Prof. Bachmann daselbst.)
  2. Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz. Von Dr. C. A. Tott. Mit dem neuesten Plane der Stadt. Ribnitz. 1853. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)
  3. Wismar's Schicksale während der franz. Kriege. Denkblätter zur Feier des 19. August 1853. Wismar. 4. (Geschenk des Hrn. Rectors Dr. Crain.)
  4. 111. Urkunden=Sammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan, herausgeg. von Dr. Lisch. Bd. IV. Bd. V. Schwerin. 1852. 53. 8. (Geschenk des Herausgebers.)
  1. Zum meklenburg. Bauernrecht von Petermann. Neubrandenburg. 1853. 8.
  2. Sieben kleine Schriften, betr. die 300jährige Jubelfeier des Schweriner Gymnasiums, am 4. August 1853. (Geschenkt vom Hrn. Director Dr. Wex.)
  3. Neun kleine Schriften, betr. die 300jährige Jubelfeier des Gymnasiums zu Güstrow, am 29. September 1853. (Geschenkt vom Hrn. Director Dr. Raspe.)
  4. Archiv für Landeskunde in den Großherzogthümern Meklenburg und Revue der Landwirthschaft. Jahrgang 1853. Gr. 8. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs.)
  5. Charte des alten Meklenburg, gefertigt von J. S. Frank, Pastor zu Malchow; Charte des neuen Meklenburg, gefertigt von demselben; Meilenzeiger von Städten, Flecken und Aemtern im Herzogthum Meklenburg=Schwerin, von demselben. 3 Bl. kl. Q.=Fol. auf einem Blatte.
  6. (Fluß=) Charte von Meklenburg, gez. von F. Münchmeyer, gest. von E. C. A. Behrens. Jllum. Q.=Fol. (Nr. 116 und 117 Geschenke des Hrn. Baucondncteurs W. Wachenhusen zu Schwerin.)
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Zur typographischen Sammlung.

  1. Tomus sextus omnium operuni domini Martini Lutheri. Witebergae, excud. M. Welack. 1580. Fol. (Geschenk des Hrn. Lehrers Chrysander.)
  2. Nederduytsche Poemata von Adrianus Hofferus Zirizaeus, Rentmeester General over Graafeliicke Domeynen van Zeeland. Mit Kupfern. (1634.) 4. (Geschenk des Hrn. Oberstallmeisters von Boddien.)

A. Gloeckler.     


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Anlage D.

Verzeichniß

der in dem Zeiträume von Ostern 1853 bis dahin
1854 erworbenen Alterthümer.

I. Alterthümer aus vorchristlicher Zeit.

A. Aus der Zeit der Hünengräber

1 Streitarx aus Hirschhorn.
11 Keile ans Feuerstein, worunter einer unvollendet.
2 Dolche aus Feuerstein, von denen einer unvollendet.
6 Lanzenspitzen aus Feuerstein, von denen gleichfalls eine unvollendet.
1 Handmühle aus Granit, Bruchstück. 1 Schleifstein ans Thonschiefer.
Bruchstücke einer menschlichen Wohnung.
Scherben von Thongefäßen.

B. Aus der Zeit der Kegelgräber.

aus Bronze.

3 Schwerter
2 Frameen
2 Schmalmeißel
2 Messer
1 Diadem
1 Kopfring
1 Halsring
1 Paar Armschienen
2 Armringe
1 Handberge
3 Fingerringe
2 Hefteln
1 Nadel
1 unbekanntes Werkzeug
1 Gefäß
1 Beschlag

1 Quetschmühle und
1 Quetschstein aus Granit.
1 Becher aus Thon.
1 Spindelstein aus Sandstein.
1 Schachtelurne und eine Menge Urnenscherben.

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C. Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe.

1 Lanzenspitze aus Eisen.
1 unbekannter Schmuck aus Gold.
1 Heftel aus Silber, Bruchstück.
39 Spindelsteine aus Thon.
Mehre Gefäßscherben.

II. Alterthümer aus dem christlichen Mittelalter.

1 Amuletkreuz aus Messing.
2 Reliquien.
19 gemalte Fensterscheiben.
1 Siegelring aus Messing.
1 Schnalle aus Silber.
1 Teller aus Zinn.
1 Löffel aus Messing.
3 Leuchter ans Thon.
1 Mörser mit 2 Keulen aus lavaartigem Gestein.
2 Gußformen, die eine aus Sandstein, die andere aus Thon.
1 Netzsenker aus Thon.
1 Kugel ans Thon.


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Anlage E.

Bericht über die Münzsammlung.

Der Münzsammlung sind im verflossenen Geschäftsjahre 150 Stück zugekommen, und wurden ihr seit ihrem Bestehen 827 Bracteaten, 31 goldene, 3792 silberne, 1075 kupferne und 212 Schaumünzen, im Ganzen 5937 Stück, zu Theil; daß in diesen Zahlen alle Dubletten, von denen jedoch bereits ein gut Theil vertauscht sind, mit einbegriffen, darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Mit allerunterthänigstem Danke ist die Gnade Sr. K. H. des Großherzogs zu verehren, welcher aus einem bei Göhlen (D.=A. Grabow) gemachten Funde von 48 Reichsthalern der Sammlung 10 Stück überweisen ließ. Es sind ein Thaler von Wismar von 1608 von einem Stempel, den Evers nicht hat, zwei von Hamburg von 1607 und 1631, von denen der erstere Langermann nicht bekannt war, einer von Frankfurt von 1622 (Madai n. 4869), von Herzog Georg von Braunschweig=Lüneburg von 1638 (Madai 3674), von August, Churfürst zu Sachsen, von 1559 (Madai 2949) und Christian II. und seinen Brüdern von Sachsen von 1601 (Madai 519). Dann ein Thaler von Erzherzog Ferdinand von Oesterreich ohne Jahr, ähnlich dem, welchen Madai n. 3859 anführt, ein Thaler von Seeland von 1649 und von Utrecht 1618, denen, welche Madai 4733 und 4741 angiebt, ähnlich. - Herr v. Koß auf Vilz gab, außer einem brandenburgischen 2 Groschenstück von 1693 und einem Stralsunder Dütchen von 1630, einen halben Thaler der Stadt Glückstadt von 1623, dessen Bild mit dem ganzen Thaler bei v. Schultheß n. 1040 übereinstimmt. Bei Grevismühlen ward eine große broncene Medaille auf Alexius, Gr. Bestuschef=Riumin von 1762 gefunden und durch Hrn. Maurermeister A. Haase geschenkt. Herr Rittmeister v. Bassewitz auf Scharbow gab uns außer mehreren Scheidemünzen den silbernen Abschlag der einen Seite der Krönungsmünze der Kaiserin Anna, Gemahlin des K. Matthias, von 1612, ihr Bild in ungewöhnlich sauberer Arbeit darstellend, und fügte noch 13 römische und andere antike Münzen bei, von denen eine mit dem Januskopf und der prora eines Schiffes der frühesten Zeit angehört und andere die Bilder von Augustus, Nero, Domitian, Antonin, Salonina, Maximian

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und Valerian zeigen; die übrigen zu bestimmen reichen die vorhandenen Hülfsmittel nicht aus. Die Herren v. Kardorff=Remlin, Pastor Vortisch=Satow und Bürgermeister Daniel zu Schwaan, denen die Sammlung schon viel verdankt, haben sie auch diesmal beschenkt, und ferner sind ihr mannigfache Gaben von den Herren Conrector Wiggers zu Gnoien, Dr. Kortüm zu Schwerin, Senator Demmler zu Rehna, Justizrath v. Maltzan in Rostock, H. Jatzow in Schwerin, Frau Kammer=Ingenieur Peltz in Güstrow - die einen schönen halben Thaler Carlo's IX., König von Schweden, von 1606 (v. Schultheß n. 1991) gab - und dem Hrn. Regierungsrath Dr. Knaudt zugegangen, unter welchen letzteren die Braunschweig=Lüneburgischen Münzen besonders erfreulich waren. Herr Fr. Seidel in Bützow beschenkte uns mit Münzen, welche bei dem Bau des neuen Criminalgebäudes gefunden waren und den verschiedensten Zeiten angehören. So ist etwa aus dem 14. Jahrhundert ein Wittenpfennig der Stadt Wisby mit der Lilie auf der einen und dem Gotteslamm auf der andern Seite (17 Millimeter groß, 1/16 Loth 4 Aß schwer); aus dem 15. ein Wittenpfennig von Lübeck mit dem Adlerschilde auf beiden Seiten (nach 1403). Das 16. Jahrhundert ward durch eine Münze der Herzoge Magnus und Balthasar und einen Schilling von Stralsund, das 17. durch einen Schilling von H. Gustav Adolph von 1689 repräsentirt. Dabei fand sich auch ein kupferner Zahlpfennig mit einer zwar lesbaren, aber ganz sinnlosen Umschrift, welche als ein Beispiel zu den vielen räthselhaften Inschriften auf Metallgefäßen dienen kann, an deren Entzifferung man so viele Mühe wandte und doch nichts erreichte, weil die Verfertiger derselben eben nur Buchstabenzeichen darauf setzten, in welchen keine Bedeutung enthalten war.

Demern, den 10. Juli 1854.

G. M. C. Masch.     


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Anlage F.

Die Bildersammlung des Vereins.

Im Interesse der Bildersammlung des Vereins sind im Laufe des Jahres 1853/54 manche Bemühungen nicht ohne Erfolg geblieben. Für die Abtheilung der Bildnisse haben wir 70 neue Blätter erworben, von denen 20 gekauft, 50 geschenkt worden sind. Von dem Tiedemann'schen lithographischen Institut zu Rostock erhielten wir 20 neuere meklenb. Portraits, 20 ältere von dem Herrn Geh. Medicinalrath Dr. Sachse und die übrigen von einzelnen Gebern.

An Architecturen, Prospecten etc. . ist die Sammlung um 60 Blätter erweitert, von denen wir 30, zum Theil in einer erfreulich vorgeschrittenen Technik ausgeführte, dem Tiedemann'schen Institute verdanken.

Unter den übrigen Gönnern dieses Theils unserer Sammlungen haben die Herrn Kammerrath Schumacher, Geheimerath v. Oertzen, Ober=Landforstmeister a. D. Eggerss, Hofmaler Lenthe, Hofopernsänger Kühn, Architect Daniel, Ingenieur Beyer und Fridericianer G. Brüning den Verein zu Dank verpflichtet.

Als besonders interessant erscheinen die aus dem Nachlaß des Concertmeisters Massonneau erworbenen, meistens in sauberer Handzeichnung ausgeführten Portraits von Mitgliedern der herzoglichen Hofcapelle zu Ludwigslust aus der Zeit um 1780 bis 1815.

Die gesammte Erweiterung der Bildersammlung im abgelaufenen Jahre beträgt demnach an 130 Blätter. Die Abtheilung der Architecturen und Prospecte ist von 124 auf 184 angewachsen; die der Portraits stieg von 233 auf 303 Nummern, so daß die Sammlung im Ganzen nun aus 487 Blättern besteht.

Uebrigens ergiebt sich, daß in Meklenburg im Laufe des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch von den zeichnenden Künsten überhaupt wenig und fast gar nichts Tüchtiges geleistet ist. So sind z. B. die meisten, ja fast alle uns vorliegenden meklenburgischen Bildnisse jener Zeit von auswärtigen Künstlern gefertigt.

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Andrerseits ist in den letzten hundert Jahren, besonders aber seit Einführung der Lithographie, bei uns - wenn ich nicht irre um das Jahr 1824 durch die Herren Mau, Achilles u. A. - eine mehr regsame Thätigkeit der zeichnenden Künste eingetreten. Die Zahl ihrer Erzeugnisse ist größer, als man gemeinhin glaubt, ihr künstlerischer Werth freilich vorherrschend nur untergeordnet.

Die Abtheilung der Bildnisse ist in unserer Sammlung - nach Maßgabe des bei uns Vorhandenen - schon zu einem bedeutenden Umfange angewachsen. Ein gedrängter Katalog derselben, auch wenn er sich nur auf Angabe der Hauptdaten erstreckt, mag schon jetzt wünschenswerth sein, um den Mitgliedern des Vereins und den Künstlern und Sammlern Uebersicht des Vorhandenen und Material zur Vergleichung zu gewähren, dem Vereine aber manches noch Fehlende zuzuführen.

Ich habe deshalb die Bildnisse nach Abtheilungen 1 ) und nach der Zeitfolge geordnet und einen erweiterten Inventar=Katalog derselben entworfen, welcher vielleicht das Interesse für diese Richtung unsrer Bestrebungen fördern hilft.

Es ist kaum nöthig, uns hier zu verwahren gegen den Einwurf, ein müssiges Werk zu treiben. Denn bei umfänglichen, auch ältere Zeiten umfassenden Portrait=Sammlungen treten bedeutsame Interessen ein. Zunächst ein physiognomisches. In der vergleichenden Betrachtung der Formen des Schädels und des Angesichts der Zeitgenossen verschiedener Perioden schärft sich der prüfende Blick. Er strebt nach Verständniß der nationalen Entwickelung und der herrschenden Zeitrichtung in den einzelnen dargestellten Personen. Er sucht auch die Einwirkung des inwohnenden Geistes und der Lebensschicksale auf den bildsamen Stoff der Gesichtszüge zu erforschen.

Nächstdem macht sich ein sittengeschichtliches Interesse geltend, das des Costüms. Wo Portrait=Sammlungen bis in die erste Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts hinaufreichen, bieten sie Material zur Kenntniß jener theilweise reichen und schönen Trachten dar, welche gewöhnlich mit dem Ausdruck: spanisches Costüm bezeichnet werden, obgleich sie keineswegs alle oder einzelne in der ganzen bei uns üblichen Form in Spanien erfunden sind. Alte volksthümliche und Standestrachten haben bei uns - in Norddeutschland - bis um die Mitte des sieben=


1) Bei der Classification werden freilich einzelne Bedenken immer auftreten, z. B. das öftere Ineinandergreifen der beiden Classen: Gelehrte und Staatsbeamte und Celebritäten; eine ähnliche Rücksicht tritt bei einzelnen Künstlern hervor. Indessen hat eine auch nur einigermaßen gelungene Classification den Vorzug des wissenschaftlichen Interesses und der Fachübersicht gegen die bloß alphabetische Ordnung.
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zehnten Jahrhunderts vorgeherrscht, wo noch andere und größere Elemente, wie das Städte= und Lehnwesen, abstarben. Unsere Sammlung von Bildnissen gewährt schon jetzt Stoff, an den Zeitgenossen die äußere Gestaltung jener französischen Periode um das J. 1660 zu betrachten, wo die letzten Reste der nationalen und standesmäßigen Trachten verschwanden; auch die Weise zu verfolgen, in welcher das fremde oder "modische" Costüm eindrang und angewandt ward.

Doch neben solchen allgemeinen Gesichtspunkten wird bei einer Sammlung vaterländischer Bildnisse das geschichtliche und speciell das biographische und literarische Interesse sich vorwiegender geltend machen. Dies gilt besonders von Meklenburg, wo die einheimischen Kunstleistungen aus manchen frühern Perioden überhaupt sehr spärlich sind, wo umfassende biographische Arbeiten fehlen, wo wir es noch nicht bis zu einem Gelehrten=Lexicon oder einem Museum für bildende Kunst gebracht haben.

Ueber den Ursprung und die biographische Bezeichnung der 315 1 ) Bildnisse des folgenden Katalogs mag noch Einiges bemerkt werden.

In der Neuen Monatsschrift von und für Meklenburg begann schon Siemssen im J. 1792 eine meklenb. Iconographie. Sein "Verzeichniß der in Kupfer gest. Bildnisse eingeborner und recip. Meklenburger", - N. Monatsschrift, 1792, S. 368 flgd. - bei welchem Werke der Prof. Eschenbach und der Dr. Koppe ihm Hülfe leisteten, fand damals Theilnahme. Der Prediger zu Kuppentin E. G. Mantzel, einer der bei uns seltenen Sammler und Kunstfreunde, lieferte bald einen Nachtrag zu dem von Siemssen gegebenen Katalog, in der N. Monatsschrift, 1793, S. 48 flgd. Auch Siemssen selbst konnte noch in demselben Bande der Monatsschrift, s. 226 flgd., einen zweiten Nachtrag bringen, dem schließlich ein dritter folgte im Jahrgange 1794, S. 15, 16.

Siemssen und Mantzel gelangten im J. 1794 bis zu 131 Bildnissen, das heißt bis zur Aufzeichnung von 131 dargestellten Personen; zugleich konnten sie von vielen dieser Portraits verschiedene Ausgaben nachweisen. Dieses Verzeichniß ist jedoch ohne Classification und nimmt keine Rücksicht auf die Zeitfolge.


1) Die Zahl unserer Blätter ist inzwischen - bis Ende Juli - auf 315 gestiegen; ich habe die nach dem 11. Juli neu erworbenen Bildnisse gleich mit in dieses Verzeichniß aufgenommen. Die Zahl ist immerhin noch sehr geringe! So sind z. B. bloß an Portraits aus der Stadt und Umgebung von Nürnberg seit dem Ende des XV. Jahrh. an 7000 Blätter von Panzer und Müller nachgewiesen worden!
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Die Ergänzungen sind in mehreren Nachträgen zerstreuet, welche sich durch drei Jahrgänge der Monatsschrift hindurch ziehen. So wird dieses Verzeichniß unserer älteren Bildnisse für den Handgebrauch unbequem und ist wenig übersichtlich. Andrerseits besitzt dieser Katalog das Verdienst, die Bildnisse ziemlich genau nach den Künstlern, dem Formate, den Beschriften etc. . zu beschreiben und von den meisten die Quelle ihrer Entstehung nachzuweisen.

Zu den älteren Sammelwerken, welche meklenburgische Bildnisse enthalten, gehören: E. J. de Westphalen, monumenta inedita rerum germanicarum etc. IV Tom. Lipsiae. 1739-1745. Fol. M. F. Seidel, Brandenburg. Bildersammlung. Herausgeg. von G. G. Küster. Berlin. 1751. Fol. Die mit Abbildungen ausgestatteten Werke des Paul Freher und Lieberkühn, die Europ. Fama, die Allgem. Deutsche Bibliothek, die Europ. Staatskanzlei, Krünitz Eucyclopädie und andere Werke der Art bieten nur vereinzelte meklenburg. Bildnisse dar. Auch in den "Annales litterar. Meklenburg." 1721. 22, den Rostocker gelehrten Nachrichten, Jahrg. 1755-58, und den Kritischen Sammlungen (um 1776) ist die Zahl der beigegebenen Portraits nur geringe. Ein größerer Vorrat derselben findet sich in den eigenen Werken unserer Gelehrten, besonders in solchen Ausgaben, welche nach dem Tode der Verfasser erschienen sind oder von Dritten besorgt wurden. Auch die früher allgemein üblichen Leichen=Programme - eine heute fast ganz vergessene literarische Quelle - wurden öfter mit den Bildnissen der Verstorbenen geziert. Ich darf annehmen, daß sich die Entstehung oder erste Verbreitung fast sämmtlicher älterer Bildnisse unserer Sammlung, mit Hülfe des von Siemssen und Mantzel gelieferten Verzeichnisses und der in Krey's Andenken an die Rostockschen Gelehrten enthaltenen Notizen über die Portraits derselben, nachweisen läßt.

Für die biographische und chronologische Bestimmung unserer Bildnisse dienen zunächst die eigenen Beischriften derselben, dann die Angaben bei Siemssen und Mantzel, und zur weitern Vergleichung: J. C. Krey, Andenken an die Rostockschen Gelehrten aus den drei letzten Jahrhunderten. Rostock. 1816. 8.; so wie: J. Ch. Koppe, Meklenburgs Schriftsteller von den ältesten Zeiten bis jetzt nach Vor= und Zunahmen, Bedienung und Wohnort in alphabet. Folge. Rostock. 1816. 8. Auch Jöchers allgem. Gelehrten=Lexicon und unser meklenburg. Staatskalender (seit 1776) leisten bei dergleichen Arbeiten gute Dienste.

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Aus den oben angedeuteten Gründen beschränke ich mich zur Zeit auf die Hauptpunkte der üblichen Verzeichnisse von Bildnissen: 1. Angabe von Namen, Beruf, Stellung und -wo Nicht=Rostocker oder wenig bekannte Personen vorliegen -auch Wohnort der Dargestellten. 2. Angabe der Kunstart: Kp. = Kupferstich; Lth. = Lithographie; Hdz. = Handzeichnung. 3. Angabe des Formats: F. = Folio; 4 = Quart etc. ., wobei freilich die Bestimmung hin und wieder etwas Schwankendes ht, weil einzelne Blätter bis über den Platten=, ja über den Stechrand beschnitten sind, bei einigen und besonders neueren aber das Format überhaupt nicht scharf bestimmt hervortritt.

Schwerin, im Juli 1854.

A. Gloeckler.     


Verzeichniß
von 315 meist meklenburgischen Bildnissen.

I. Bildnisse des meklenburgischen Fürstenhauses.

A. Meklenburg=Schwerin.

Heinrich V., "der Friedfertige". Kp. von G. Walch. F. Sophie, Heinrich V. Tochter, Gem. des Herzogs Ernst von Braunschweig=Lüneburg. Color. Hdz. nach einer gleichzeit. Chronik. F. Joh. Albrecht I. Lth. 4. Christian I. Louis. Kniest. von L. Möller. Kp. F. Derselbe. De la Mare=Richard p. Pombart sc. Paris 1670. F. Defectes E. Herzog Friedrich zu Grabow. Kp. von C. Fritsch. F. Derselbe. Kp. von L. Wichman. F. Christine, Herz. Adolph Friedrich I. Tochter, Aebtissin zu Gandersheim. Kp. 4. Maria Elisabeth, desselben Tochter, Decanissin zu Gandersheim. Kp. 4 Friedrich Wilhelm, H. z. M. Kp. 4. Derselbe. Kp. 8. Carl Leopold, H. z. M. Kp. 4. Anna, Prinz. von Meklenb., Erbin des russ. Throns. Kp. 8. Dieselbe. Kp. von Bernigeroth. F. Christian Ludwig II., H. z. M. 3 Ausg. Kp. 8. So=

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phie Louise, geb. Prinz. von Mekl.= Schwerin, dritte Gem. des Königs Friedrich I. von Preußen. Kp. 4.

Friedrich "der Fromme", H. z. M., in verschiedenen Lebensaltern, in 5 Ausg., von denen 2 in verschiedenfarb. Abzügen. (7 Bl.) Kp. F. und 4. Derselbe, in ganzer Figur silh. 4. Louise Friederike, Herz. zu Würtemberg, Gemahlin des Herz. Friedrich des Fr., in ganzer Figur silh. 4. Dieselbe. Brustb. Silh. 8. Prinzessin Ulrike Sophie, Tochter des Hz. Christian Ludwig II., in ganzer Figur silh. 4. Charlotte Sophie, Prinzessin von Sachen=Koburg=Salfeld, Gem. des Prinzen Ludwig, in ganzer Figur silh. 4.

Friedrich Franz I., H. z. M. Silh. 2 Ausg. 8. Derselbe. Kp. 3 Ausg. 4. 8. Derselbe. Lth. 4 Ausg. F. 4. Derselbe, auf dem Parade=Bette. Lth. F. Louise, Prinzessin von Sachsen=Gotha, Gem. des Herzogs Friedrich Franz I. Silh. 8. Dieselbe, in ganzer Fig. silh. 4. Dieselbe. Kp. 4.

Sophie Friederike, H. z. M., verm. 1774 mit dem Erbprinzen Friedrich von Dänemark; dargestellt im Alter von 8 Jahren, rad. von Matthieu. 4. (Seltenes Bl.) Friedrich Ludwig, Erbprinz v. M., in ganzer Figur silh. 4. Derselbe, im Tode. Hdz. 4. Helene Pawlowna, Großfürstin von Rußland, des Erbgroßh. Friedrich Ludwig Gem. Kp. 2 Ausg. 4. F., gest. von Arnold. Gustav Wilhelm, H. v. M. Hdz. F. Derselbe. Lth. ohne Schr. F. H. Carl August Christian und H. Adolph Friedrich als Knaben in ganzer Fig. silh. 4. H. Carl Aug. Chr. Lth. ohne Schr. F. Louise Charlotte, Prinz. v. M., verm. mit dem Erbprinzen Emil zu Sachsen=Gotha, gest. von Bolt. 1797. 12.

Erbgroßherzog Paul Friedrich von M.=Schwerin. Lth. 2 Ausg. 4. Derselbe. Kp. 4. Groh. Paul Friedrich. Stahlst. 12. Derselbe. Lth. 4. Alexandrine, Prinz. von Preußen, Erbgroßherzogin von M.=Schw. Kp. 4. Dieselbe, Großherzogin Mutter. Lth. F.

Marie, Herzogin von Sachsen=Altenburg, geb. Prinz. von M.=Schw. Stahlst. 12. Albrecht, Herzog von M.=Schw. Lth. 2 Ausg. F. Helene, Herzogin von Orleans, geb. Prinz. v. M.=Schw. Stahlst. 12. Ferdinand Philipp, Herzog von Orleans, Kronprinz von Frankreich Stahlst. 12. Louis Phil. Albert, Graf von Paris. Stahlst. 4.

Erbgroßherzog Friedrich Franz. Lth. 2 Ausg. F. Großherzog Friedrich Franz II: Lth. 2 Ausg. F. 4. Derselbe Stahlst. 12. Derselbe. Kp. 4.

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B. Meklenburg=Güstrow 1 ).

Herzog Gustav Adolph zu Mekl.=Güstrow. Kp. J. A. Boner sc. F. Elisabeth, reg. Herzogin zu Sachsen=Merseburg, Tochter des H. Gustav Adolph. Kp. 4.


Wallenstein, Herzog zu Friedland etc. . 1628 H. zu Meklenburg. 2 Ausg. Kp. 8. 12.

C. Meklenburg=Strelitz.

Adolph Friedrich IV., Herzog zu M.=Strelitz. Kp. von T. Simpson. 4. Derselbe. Kp. von Schröder. 4. Sophie Charlotte, des vorigen Tochter, Königin von Großbritannien; in verschied. Lebensaltern. 3 Ausg. Kp. 8. Georg III., König von England, Gemahl der Vorigen, gem. von Zoffany, gest. v. Fritsch. Gr. F. Carl, Herzog zu M.=Strelitz. Kp. von Bendix. 4. Derselbe, Großherzog. Lth. 4. Friederike Caroline, Prinz. v. M.=Strelitz. Kp. 12. Louise Auguste, Prinz. v. M.=Strelitz. Kp. 12. Louise und Friederike, Prinzessinnen von Preußen, geb. Prinzs. von M.=Strelitz. Kp. 8. Louise, Prinz, von Preußen, geb. Prinz. von M.=Strelitz. Kp. 4. (Treffliches Bl.) Friedrich Wilhelm, König von Preußen, und Dessen Gem. Louise. Kp. 4. Louise, Königin von Preußen. 6 Ausg. Kp. 8. 4. Dieselbe, gem. v. Ternite, gest. v. Buchhorn. 4. Dieselbe, gem. v. Lauer, gest. v. Clar. 4. König Friedrich Wilhelm III. Kp. von Bolt. 8.

Georg, Großherzog von M.=Strelitz. Kp. 8. Derselbe. Lth. 4. Derselbe. Stahlst. 12. Carl, Herz. v. M.=Strelitz. Stahlst. 12. Caroline, Kronprinzessin von Dänemark, geb. Herzogin von M.=Strelitz. Lth. Gr. F.


Auf einem Blatte: Großherzog Friedrich Franz I. und die Erbgroßherzoge Friedrich Ludwig und Paul Friedrich v. M.=Schwerin; Großherzog Georg v. M.=Strelitz. Lth. Kl. F.

II. Meklenburgische Hof- und Staatsbeamte und Celebritäten.

Sechszehntes und siebenzehntes Jahrhundert.

Freiherr Joachim Maltzan, meklenb. und kaiserl. Rath. Stahlst. 8. Georg v. Blumenthal, Bischof zu Ratzeburg.


1) Das Großherz. Geh. und Haupt=Archiv besitzt: "Ulrich, Hertzog zu Meckelnburgk" etc. . Brustb. Holzschnitt; unten im Rande: "1582. H. G. V. V. G." und in der Mitte der Jahreszahl ein E.
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Kp. 4. Ernst Cothmann, Prof. der R., Canzler. Kp. 8 Abraham Keyser, Dr. der R., meklenb. Rath und Gesandter. 2 Ausg. Kp. F. gest. von Galle. 4. Hans Fr. v. Leisten auf Wardow, Landrath(?) gest. 1677. Kp. 8. (Titelblatt von: Quintus Curtius Rufus, verdeutschet durch etc. .) Hartwich v. Passow auf Zehna, meklenb. Geh. Rath. Kp. 4.

Achtzehntes Jahrhundert.

Johann v. Klein, mekl. Geh. Rath und Consistor.=Dir., gest. 1732. 2 Ausg. Kp. F. 4. Joachim v. Oertzen auf Roggow und Gerdshagen, gest. 1707. Kp. F. (Aus dem Leichenprogramm.) Da v. Jon. Scharf, meklenb. Rath. Kp. 4. Johann Schöpfer, Prof. der R., herzogl. R. und Consistor.=Dir. Kp. F. G. v. Bernhard, ehemals meklenb. Officier, gest. 1719 als relig. Schwärmer. 8. Peter Tornow, meklenb. Rath, Assessor des Hof= u. Landgerichts u. Bürgerm. zu Güstrow. 2 Ausg. Kp. 4. Silhouette ohne Schrift. Geh. Rath J. P. Schmidt(?). 8. Hofprediger J. G. Friederich, hernach Superintendent in Sternberg. Kp. 4.


Kammer=Präsident v. Dorne. Hdz. F. Etatsräthin v. Böckler zu Ludwigslust. Hdz. 4. Leibmedicus Hofrath Störzel zu Ludwigslust. Hdz. 4. (Ohne Schrift:) Steuerrath Schultze der J. Lth. F. Hofrath Piper zu Güstrow. Lth. F. (Ohne Schrift:) Steuerdirector Matthies=Klinger. Lth. F. C. v. Breitenstern, Bürgermeister zu Wismar. Lth. F. C. Kahle, Bürgermeister zu Schwerin. Lth. F. A. Haupt, Bürgermeister zu Wismar. Lth. F. Dr. Hennemann, Geh. Medicinalrath und Leibarzt. Lth. Gr. F. Dr. Sachse, Geh. Medicinalrath und Leibarzt. Lith. Gr. F. C. Brüning, Oberamtmann in Wismar. Lth. F. (Ohne Schrift:) Fr. Karsten, Gewetts=Secretair zu Rostock. Lth. 4.

L. F. v. Lehsten, General=Postmeister. Lth. F. Ch. F. Krüger, Dr. der R., Geh. Rath und Minister. Lth. F. Geh. Rath und Minister v. Plessen. Lth. F. Derselbe. Hdz. F. Ober=Appell.Rath v. Nettelbladt. 2 Ausg. Lth. F. (Ohne Schrift:) Landdrost v. Schack auf Nustrow. Lth. F. (Desgl.) Rittmeister v. Hopfgarten, vormals zu Rostock. Lth. F. Kammerherr v. Vieregge. Lth. F. Joh. Hillmann auf Lübzin. Lth. F. Friedrich Pogge auf Zierstorf. 2 Ausg. Lth. 4. 8. Moritz Passow, Ober=Hofprediger und Consistor. R. Lth. F. Theodor Kliefoth, Prediger zu Lud=

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wigslust. Lth. F. J. H. Francke ("Rausse"), Lehrer der Wasserheilkunde. Lth. F. C. Pohle, Advocat, Senator. Lth. F. C. Brockmann. Silh. 12. Die Kammer der Abgeordneten zu Schwerin. 2 Bl. Lth. F. Archivar Lisch. 2 Ausg. Lth. 4.

Ober=Jägermeister v. d. Lühe zu Jasnitz. Lth. Gr. F. Ober=Jägermeister a. D. v. Bülow auf Kühren. Lth. Gr. F. Hofmarschall, Kammerherr B. v. Bülow. Hdz. 4. Oberlandforstmeister a. D. Eggerss. Lth. F. Stallmeister a. D. Eggerss zu Ludwigslust. Lth. F.

(Ohne Schrift:) Erblandmarschall Baron v. Maltzan auf Penzlin. Lth. F. (Desgl.) Landrath v. Maltzan auf Rothenmoor. Lth. F. (Desgl.) Friederike v. Dewitz, des Vorigen Gemahlin. Lth. F. A. v. Maltzan auf Peutsch. Lth. 8. C. v. Oertzen auf Blumenow. Hdz. F. (Ohne Schrift:) Landrath G. v. Oertzen auf Kittendorf. Lth. F.

Dr. C. Wildberg, Districts=Physikus zu Neustrelitz. Kp. 4. Joh. v. Hieronymi, Geh. Medicinalrath und Leibarzt zu Neustrelitz. Lth. F. K. A. v. Kamptz, preuß. Geheimerath und Minister. Lth. 4. A. v. Oertzen, meklenb.=strelitz. Staatsminister. Kp. F. (Ohne Schrift:) Oberstallmeister Graf v. Moltke zu Neustrelitz. Lth. F.

Anhang.

Auswärtige Staatsbeamte und Celebritäten, welche aus Meklenburg stammen, oder zeitweise bei uns aufgetreten, oder den meklenburg. Schriftstellern beizuzählen sind.

Hugo Grotius. 2 Ausg. Kp. 4. H. F. Graf von Bassewitz, Holstein=Gottorfscher Premier=Minister. Kp. 8. A. P. Graf von Bernstorff, dänischer Staatsminister. Kp. 4. C. H. Möller, Consistorialrath zu Rostock, dann Assessor beim Tribunal zu Wismar. Kp. 8. J. C. Edler v. Quistorp, Assessor beim Tribunal zu Wismar. Kp. 8. H. H. Engelbrecht, Dr. der R., Consistorialrath und Syndikus der Universität zu Greifswald. Kp. 8. Ch. G. G esterding, Dr. der R. zu Greifswald, Sachwalt beim Tribunal zu Wismar. Kp. 4. Chr. Ulr. v. Ketelhodt, Erbmundschenk und Vice=Canzler zu Rudolstadt. Kp. 8. Carl Gerd v. Ketelhodt, Geheimerath und Canzler zu Rudolstadt. Kp. von Lips. 4. Fr. v. Schuckmann, preuß. Staatsminister des Innern. Lth. 4. Graf v. Bernstorff, preuß. Staatsminister des Auswärtigen. Lth. 4.

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III. Meklenburgische Militairs.

Feldmarschall Curt Chr. v. Schwerin. 2 Ausg. Kp. 8. Joh. Theden, preuß. General=Chirurgus. Kp. 8.

Fürst Blücher von Wahlstadt. 3 Ausg. 2 Kp. 1 Stahlst. 4.

v. Kamptz, Generalmajor, zu Schwerin, ganze Figur. Lth. 4. Def. E. Derselbe, Brustb. Lth. F. Oberst v. Kleeburg. Lth. F. (Ohne Schrift:) Generalmajor v. Pentz. Lth. F. (Desgl.) Oberlieutenant v. Weukstern zu Neustrelitz. Lth. F. Generalmajor v. Boddien. Lth. Gr. F.

Major v. Schill. Kp. von Buchhorn. 4. Theodor Körner. Kp. 8. Derselbe. Todten=Maske. Mit Autogr. Lth. F. "Le géneral Langermann". Lth. 8.

IV. Meklenburgische Gelehrte,

mit Einschluß der im Auslande lebenden, so wie solcher auswärtigen, welche zeitweise in Meklenburg gewirkt haben oder als meklenb. Schriftsteller zu betrachten sind

Sechszehntes Jahrhundert.

Aegidius Faber, Prediger zu Schwerin, gest. 1536. Kp. F. Johannes Draconites, Prediger zu Rostock, hernach in Wittenberg. Kp. 4. David Chytraeus, Prof. der Theol. Kp. 12. Johannes Caselius, Prof. der Philos. und Bereds. Kp. 8. Laur. Kirchhovius, Prof. der Rechte. Kp. F. Johannes Posselius der Aeltere, Prof. der griech. Sprache. Kp. 4. Simon Pauli, Prof. der Theol., Superintendent. Kp. 4. Lucas Bacmeister der Aeltere, Prof. der Theol., Superintend., gest. 1608. Kp. F. Jacob Coler, Dr. der Theol., Prediger und Consistorial=Assessor zu Berlin, hernach, 1599-1612, Superintendent zu Güstrow. Kp. F.

Siebenzehntes Jahrhundert.

Joh. Kirchmann, Prof. der Poesie, hernach Rector zu Lübeck. Kp. 4. Joh. Quistorp der Aeltere, Prof. der Theol. und Superintendent. Kp. 4. Eilhard Lubinus, Prof. der Poesie und der Theol. Kp. 12. Jacob Bruno, Prof. der Philol. zu Altorf. Kp. 8. Michael Cordes, Prediger zu Parchim, Chronikant. Kp. 4. Def. Ex. Joachim Lütke=

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mann, Prof. und Prediger, hernach Superintendent zu Wolffenbüttel und Abt zu Riddagshausen, gest. 1655. 2 Ausg. Kp. 8. Stephan Klotz, Prof. der Theol. und Prediger zu Rostock 1628-1635, hernach General=Superintendent und Kirchenrath zu Flensburg. Kp. 4. Herrn. Becker, Prof. der Theol. und Prediger. Kp. 4. Stephan Hane, geb. im Eichsfelde, Hof=Prediger und Kirchenrath zu Güstrow. Kp. 4. Heinrich Müller aus Lübeck, Prof. der Theol. und Superintendent. 3 Ausg. Kp. F. und 4. Christ. Woldenberg, Prof. der Rechte. Kp. F. Joh. Dorschaeus, Prof. der Theol. 3 Ausg. Kp. 4. Heinr. Kipping, Conrector am schwed. Gymn. zu Bremen, gest. 1678. Kp. 4. Michael Freud, Prediger zu Kuppentin. Kp. 4. Johann Rist, Prediger zu Wedel, meklenb. Rath. Kp. 8. August Varenius, Prof. der Theol., Consistorial=Dir. Kp. 4. Theovilus Grosgebauer, Pred. zu Rostock. Kp. F. Michael Siricius, Prof. der Theol. Superintendent, gest. 1685. Kp. F. Peter Grünenberg, Prof. der Theol., Superintendent, gest. 1712. Kp. F. Johannes Fechtius, geb. im Breisgau, Prof. der Theol., gest. 1716. 3 Ausg. Kp. 8. Daniel Morhof, Prof. der Poesie. 2 Ausg. Kp. 4. 8. Samuel Oerthling, Pastor zu Brunn und Ganzkow im Meklenb.=Strelitz. Kp. 4. (aus dem Leichenprogramm.)

Achzehntes Jahrhundert.

Johann Schaper, Prof. der Medicin. Kp. 2 Ausg. F. 4. M. H. Eggerdes, Prediger zu Rostock. Kp. 8. Zacharias Grapius, Prof. der Theol. und Pred., gest. 1713. Kp. F. Christoph Burchard, Prof. der Medicin. Kp. 8. Matthias Hering, Prof. der Rechte und Consistorialrath. Kp. 4. David Franck, Pred. zu Sternberg, Geschichtschreiber. Kp. 4. Georg Detharding der Aeltere, Dr. und Prof. der Medicin zu Rostock, hernach zu Copenhagen. Kp. 8. Ernst Mantzel, Prof. der Rechte. Kp. 8. Georg Detharding der Jüng., Prof. der Medicin. Kp. 8. Johann Quistorp, Prof. der Metaphysik und Prediger zu Rostock. Kp. 4. Franz Aepinus, Prof. der Theologie und Consistorialrath. Kp. 8. Peter Becker, Prof. der Mathematik und Prediger. Kp. 8. Peter Herm. Becker, Prediger. Kp. 4. S. C. Litzmann, Prediger zu Plau, geb. zu Halle. Silh. Kp. 12. Joh. Aug. Hermes, Prediger zu Waren. 2 Ausg. Kp. 8. Joh. C. Velthusen, Prof. der Theol., Consistorialrath, hernach General=Superintend. in Stade. Kp. 12. Joachim Hartmann, Prof. der Theol. Kp. 4. Joh. Kesler, Consistorialrath und Su=

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perintenden zu Güstrow. Kp. Fol. Ferd. Ambros. Fidler, ehemals Augustiner zu Wien, Convertit, Consistorialrath und Superintendent zu Doberan. 2Ausg. Kp. 8. O. G. Tychsen, Prof. der oriental. Literatur. Silh. Kp. 8. A. G. Masch, Hofprediger und Consistorialrath zu Neustrelitz. Kp. 4. Bernhard Kosegarten, Prediger zu Grevismühlen. Kp. 8. J. G. Daries, Prof. der R. zu Jena, dann zu Frankfurt a. d. O. 2 Ausg. Kp. 4, von Rosenberg. 8. W. J. G. Karsten, Prof. der Math. u. Physik zu Halle, vorher Prof. der Logik zu Rostock und zu Bützow. Kp. 8. J. P. Willebrandt, hans. Chronist. Kp. F. Daniel Nettelbladt, Prof. der R. zu Halle. 2 Ausg. Kp. 4, gest. von Beyel. 8. Jac. Eckermann, Prof. der Theol. zu Kiel. Kp. 12. Joh. Jac. Engel, Prof. der Philos. zu Berlin. 2 Ausg., 1 von Chodowieki. Kp. 4. 8. J. E. Biester, Oberbibliothekar zu Berlin, früher zu Bützow. 2 Ausg. Kp. 8.

Neunzehntes Jahrhundert.

L. Th. Kosegarten, Prediger, später Professor u. Kirchenrath. Kp. 8. J. H. Voß, Prof. der class. Literatur zu Heidelberg. 4 Ausg. Kp. und Lth. F. 8. Werner Ziegler, Prof. der Theol., Consistorialrath. Kp. 8. F. Ch. L. Karsten, Prof. der Oeconomie. 3 Ausg. Lth. 4. 8. H. Floerke, Prof. der Botanik. Lth. F. (Ohne Schrift:) Hecker, Prof. der Mathem. Lth. F. A. L. Diemer, Prof. der R., Consistorialrath. Lth. F. Friedrich Raspe, prof. der R. Lth. F: S. G. Vogel, Prof. der Med., Dir. des Seebades zu Doberan. 2 Ausg. Kp. 8. Lth. F. C. A. Fritzsche, Prof. der Theol. Lth. F. Ed. Schmidt, Prof. der Philos. Lth. F. Def. E. Friedr. Cleemann, Prediger zu Parchim, Schriftsteller. Kp. 4. (Ohne Schrift:) Dr. Johnssen, Privatgelehrter. Lth. F. Dr. Sam. Holdheim, Landes=Rabbiner. Lth. F. Dr. David Einhorn, Landes=Rabbiner. Lth. F. F. Beutler, Prediger zu Schwerin. Lth. 4. Def. E. (O. Schrift:) C. Masch, Prediger zu Demern. Lth. F. Dahlmann, Prof. der R. 2 Ausg. Lth. F. Vollrath Hoffmann, Geograph. Stahlst. 8. Clara Mundt, geb. Müller (Louise Mühlbach), Schriftstellerin. Stahlst. 8.

V. Meklenburgische Künstler,

mit Einschluß solcher auswärtigen Künstler, welche zeitweise in Meklenburg und den nahen Hansestädten aufgetreten und mehr allgemein bekannt sind.

L. Ch. Sturm, Kammerrath und Baudirector, gest. 1719. Kp. 4.

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H. G. Koch, dramat. Dichter, Schauspiel=Director. Kp. 4. Frau Chr. Henr. Koch, Schauspielerin. Kp. 4. Magdal. Marie Charl. Ackermann, Schauspielerin. Kp. 8. Joh. Chr. Brandes, dramat. Dichter und Schauspieler, gest. 1799. 2 Ausg. Kp. 8. Fr. Unzelmann, geb. Flittner, Schauspielerin, Directr. Kp. 8. Frau F. S. Sailer, als Merope, Directr. Kp. 8.

Mitglieder der herzogl. Hofcapelle zu Ludwigslust, in Handzeichnung - Aquarell, Tusche oder Kreide - ausgeführt, zum Theil von A. Abel dem J. aus der Zeit um 1780-1815, alle in 4:

Frau Affabili, Hofsängerin. L. Abel der A., Violinist, gemach königl. Kammermusikus zu London. C. Westenholz, Kapellmeister. Frau Westenholz, Hofsängerin. Rosetti, Kapellmeister. Celestino, Concertmeister (gez. von Perrier, in Tusche). L. F. A. Kunzen, Hofcapellist. Rhigirii, Hofsänger. Joh. Sperger, Contrabassist. Xaver Hammer, Violoncellist. Brandt, Fagottist. G. Benda, Violinist. Frau Benda, hernach verehel. Heine, Hofsängerin.

Fr. L. Schröder, geb. zu Schwerin 3. Nov. 1744, gest. 3. Sept. 1816, dramat. Dichter, Schauspiel=Director. Lth. F. C. L. Fernow, Maler und Kunstkritiker. 2 Ausg. Kp. 4. 8. H. W. Tischbein, Maler, Director zu Eutin. Lth. F.

A. Stievenard, Violinist. Lth. 4. C. Schmidtgen, Musikdirector am Hoftheater. Lth. 4. Joh. Schmidtgen, geb. Weiland, erste Sängerin am Hoftheater. Lth. 4. Anna Lemke, Sängerin und Schauspielerin. Lth. F. Def. E. Dieselbe, als Rosa in der schönen Müllerin. Lth. F. Eduard Hoffmann, Oberregisseur am Hoftheater. Lth. 4. Julie Gneib, erste Sängerin am Hoftheater. Lth. 4. Fr. Bethmann, Schauspiel=Director zu Rostock. Lth. F. Wilhelmine Reichel, Hofschauspielerin. Lth. F. Louise Schlegel, Hof=Opernsängerin. Lth. F. Clara Stich, Hofschauspielerin. Lth. F. G. Gliemann, Hofschauspieler und Regisseur. Lth. F. C. Peters, Hofschauspieler. Lth. F. Def. E. Ed. Mantius, Hof=Opernsänger in Berlin. Lth. F. J. G. Tiedemann zu Rostock. Lth. F. (Ohne Schrift:) Theodor Schloepcke, Hofmaler. Lth. 4

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XIX. 1.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 10. October 1853.

Vignette

D ie am 13. bis 16. des vorigen Monats zu Nürnberg unter dem schon zu Dresden bewährten Präsidium des Herzogs Johann von Sachsen K. H. abgehaltene zweite Generalversammlung des Gesammtvereines, auf welcher auch wir durch unsern ersten Secretair, Herrn Archivar und Conservator Dr. Lisch, vertreten waren, ist nach dessen in der heutigen Ausschussversammlung erstatteten Berichte von 140 deutschen Gelehrten besucht gewesen, denen sich ausserdem 4 Ausländer, nämlich der königlich dänische Etatsrath und Director der königlichen Museen Herr Thomsen aus Kopenhagen, der englische Gelehrte Herr Bell, gegenwärtig in Hamburg, Herr de Caumont, Präsident der vereinigten historischen Vereine Frankreichs, aus Paris, und der Herr Graf Robiano aus Brüssel, durch welche letzten beiden eine sehr erwünschte wissenschaftliche Verbindung der französischen und belgischen Vereine mit den deutschen angeknüpft ward. Das Resultat der stattgefundenen Verhandlungen darf als ein für die Befestigung und weitere Entwickelung des Gesammtvereins durchaus günstiges bezeichnet werden, indem sich namentlich, nach Genehmigung des von dem auch für das nächste Jahr wiedergewählten Verwaltungsausschusse vorgelegten Entwurfs der im Sinne grösserer Freiheit und Selbstständigkeit der einzelnen Vereine modificirten Statuten, sofort 26 der letztern, welche in der Versammlung vertreten waren, der Verbindung anschlossen.

Unter den in Nürnberg besprochenen, durch den Gesammtverein zu fördernden, gemeinschaftlichen wissenschaftlichen Unternehmungen können hier nur die wichtigsten hervorgehoben werden. Dahin gehört namentlich die Fortsetzung der genauern Untersuchung der römischen Reichsgränze gegen Deutschland, worüber die in Mainz ernannte und hier erneuerte Commission einen sehr interessanten Bericht erstattete. Ferner die Herausgabe einer Urkundensammlung für das 16. Jahrhundert und die Ausarbeitung eines ganz Deutschland umfassenden Werkes über die so wichtige Gauverfassung der einzelnen Provinzen, worüber definitive Beschlüsse gefasst wurden. Auch ward eine Commission zur Einführung einer allgemeinen Nomenclatur der Alterthumskunde erwählt, wogegen der in No. 7 des Corresspondenzblattes mitgetheilte Entwurf eines Handbuchs der deutschen Alterthumskunde von Herrn Dr. Rehden von der Versammlung nicht adoptirt ward.

Die Angelegenheit der beiden National-Museen zu Nürnberg und Mainz scheint in dieser Versammlung nicht wesentlich weiter gefördert zu sein, obwohl ein Theil der Anwesenden auf die Einladung Sr. K. H. des regierenden Herzogs

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von Koburg, eines ächt deutschen Fürsten, welcher sich zu dem Ausbau der alten Veste Koburg zum Zwecke der Aufstellung des Museums in Vereinigung mit den herzoglichen Sammlungen, zur Einrichtung der Beamtenwohnungen u. s. w. erboten hatte, die Reise dahin wirklich unternahm, jedoch ohne dadurch entscheidende Beschlüsse herbeiführen zu können. Dagegen schreiten die Vorsteher beider Unternehmungen, jeder für sich, rüstig auf der begonnenen Bahn vorwärts, und hat namentlich Herr v. Aufsess das Probeblatt eines von ihm als Organ des germanischen Museums gegründeten "Anzeigers für Kunde der deutschen Vorzeit" auch an uns eingesandt, worin natürlich das Unternehmen nochmals vollständig gerechtfertigt wird. Dem Vernehmen nach hat Herr v. Aufsess später das erwähnte hochherzige Anerbieten Sr. K. H. des Herzogs von Koburg angenommen und ist bereits mit der Vorbereitung zur Uebersiedelung der bisher in Nürnberg aufgestellten Sammlungen nach Koburg beschäftigt.

Von dem Correspondenzblatte des Gesammtvereins sind bis jetzt 13 Nummern in unsern Händen, die des Interessanten viel und mancherlei enthalten, namentlich aber fortwährend vollständige Auskunft über die Vereinsthätigkeit geben. In No. 12 findet sich unter anderm auch eine sehr anerkennende und lobende Anzeige des 17. Heftes unserer Jahrbücher, worin jedoch die von uns angenommene Eintheilung unserer Alterthümer nach 3 Zeitabschnitten angefochten wird. Der Herr Berichterstatter scheint den Wortführern der "grossen Nation" im Osten zu folgen, die seit längerer Zelt, besonders in Böhmen und auf andern Vorposten gegen Deutschland, in Leben und Wissenschaft mit nicht geringerer Nationaleitelkeit und Anmassung, als die bisher in dieser Beziehung bei uns übelberufene grosse Nation des Westens, auftritt und namentlich allen historischen Zeugnissen zuwider auch das ganze nordöstliche Deutschland über die Elbe hinüber, ja theilweise bis an die Ufer des Rheines von den urältesten Zeiten an dem Slaventhum zu vindiciren bemüht ist.

Was demnächst die Arbeiten unsers Specialvereins in dem abgewichenen Quartale betrifft , so habe ich nur zwei grössere Abhandlungen anzuzeigen, nämlich

1) von dem Herrn Dr. theol. Julius Wiggers: Tilemann Hesshusius und Johannes Draconites. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirchenverfassung und Kirchenzucht; - und

2) von dem Herrn Archivar Dr. Lisch: Johannes Caselius.

Aus der Correspondenz des Vereins und den eingegangenen antiquarischen Berichten sind hier hervorzuheben:

von dem Herrn Pastor Ragotzky zu Triglitz: über ein Kegelgrab zu Steffenshagen zwischen Putlitz und Pritzwalk und über ein Kegelgrab zu Kemnitz bei Pritzwalk; - von dem Herrn Archivar Dr. Lisch: über die wendischen Burgwälle bei Crivitz, bei Schulenburg und bei Vipperow; über die Dörfer Görgelin, Gallin und Gaillin rect. Gelsdorf; über die Kirchen zu Hagenow, zu Pinnow, zu Proseken, zu Rethwisch, Lichtenhagen und Steffenshagen und zu Vipperow.

Im übrigen ist das Jahr 1853 bisher für die historische Literatur ungemein fruchtbar gewesen, was theilweise freilich ganz besondere Veranlassungen hatte, aber doch auch beweist, dass die historische Forschung in unserm Vaterlande mehr und mehr Freunde gewinnt und zugleich das Interesse des Publicums an diesen Arbeiten fortwährend im Steigen ist. Zu der schon in dem vorigen Quartale ausgegebenen Jubelschrift des Herrn Directors Dr. Wex: zur Geschichte der Schweriner Gelehrten-Schule, ist nämlich jetzt auf Veranlassung der Jubel

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feier des dreihundertjährigen Bestehens der Güstrower Domschnle am 4. Octbr. in dem Festprogramm des Herrn Directors Dr. Raspe ein würdiges Seitenstück erschienen. Beide für die Kulturgeschichte Meklenburgs ungemein wichtigen Arbeiten beruhen auf gründlicher Quellenforschung, unterscheiden sich aber in der Auffassung ihres Themas wesentlich dadurch, dass erstere nur die ältere Zeit erschöpfend behandelt und auch hier mit Vorliebe bei der allerdings ausgezeichneten und höchst anziehenden Persönlichkeit der ersten Leiter der Anstalt verweilt, für die späteren Zeiten aber wenig mehr als ein vollständiges und daher allerdings sehr dankenswerthes Verzeichniss der Lehrer giebt, während letztere die Entwickelung der inneren Organisation der Schule als ihre Hauptaufgabe betrachtet und diese ziemlich gleichmässig bis in die neuere Zeit fortführt, alle Personalien dagegen fast ganz übergeht. Ferner sind so eben fast gleichzeitig zwei neue Beiträge zur Geschichte unserer Städte ausgegeben, nämlich eine Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz von dem Herrn Dr. med. Tott daselbst und eine Geschichte der Vorderstadt Parchim von 1801-1852 von dem Herrn Adv. und ehemaligen Oberappellationsgerichts-Procurator Wilh. Ludw. Icke daselbst. Die Schrift des Herrn Tott enthält nicht nur eine sehr fleissige und übersichtliche Zusammenstellung der bisher bekannten Materials, sondern giebt auch aus den Archiven der Stadt manche bisher unbekannte Nachrichten, wesshalb es um so mehr zu bedauern ist, dass der Herr Verfasser nicht versucht hat, sich auch die übrigen Quellen, namentlich durch Benutzung des hiesigen Archives, zu öffnen. Herr Advocat Icke dagegen erzählt in einfacher Chronikenform fast nur Selbsterlebtes, jedoch mit Benutzung der Magistratsacten und des sehr sorgfältig geführten Tagebuchs eines dortigen Bürgers. Das Buch scheint daher fast mehr für das kommende, als das gegenwärtige Geschlecht geschrieben und wird von künftigen Forschern als eine nicht unwichtige Quelle benutzt werden können.

Die Sammlungen des Vereins haben durch den fortdauernden Eifer und die Liberalität seiner zahlreichen Freunde wiederum fast in allen Ihren Abtheilungen bedeutenden Zuwachs erhalten. Es wurden nämlich erworben:

I. Für die Alterthumssammlung

A. Aus vorchristlicher Zeit.

      1) Aus der Zeit der Hünengräber:

1 Streitaxt aus Hirschhorn, gefunden im Moore an der Recknitz bei Plenin in Pommern (Marlow gegenüber), gesch. von dem Herrn H ertell auf Plenin durch Vermittelung des Herrn Dr. Huen zu Marlow.

1 unvollendeter, erst an 2 Seiten zugehauener Kell, gef. zu Doberan, gesch. von dem Herrn Gastwirth Glöde daselbst.

2 Lanzenspitzen aus grauem Feuerstein, gef. zu Cambs im A. Schwaan, gesch. von dem Herrn Bürgermeister Daniel zu Schwaan.

1 Feuersteinspan, gef. zu Klink bei Waren, gesch. von dem Herrn Dr. Kortüm zu Schwerin.

      2) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 schmale Schwertklinge aus Bronze, 23" lang (zerbrochen), gef. bei Cambs im A. Schwaan, gesch. von dem Herrn Bürgermeister Daniel zu Schwaan.

1 Schmalmeissel aus Bronze, gef. im Moore zu Nütschow, gesch. von dem Herrn Geh. Amtsrath Koch zu Sülz.

1 Diadem aus gewundener Bronze, gef. zu Wend. Wehningen, gesch. von dem Herrn Salomon Blumenthal zu Dömitz.

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1 Paar spiralförmige Armschienen aus Bronzblech, gef. in einem Sandberge zu Klink bei Waren, gesch. von dem Herrn Kähler auf Klink

1 Handberge aus Bronze (Bruchstück), gef. zu Barkow bei Plau, gesch. von dem Herrn Pastor Zander daselbst.

1 Nadel von Bronze, gef. in einer Urne mit Knochenresten in einer Steinkiste zu Vietlübbe bei Plau, gesch. von dem Herrn Pastor Ritter daselbst.

1 Becher aus Thon, gef. in einem Kegelgrabe zu Steffenshagen bei Putlitz, gesch. von dem Herrn Pastor Ragotzky zu Triglitz.

1 Spindelstein aus Sandstein, gef. bei Röbel (angekauft).

      3) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

1 Speerspitze aus Eisen, gef. in einem Grabe bei Retzow im A. Lübz, gesch. von dem Herrn Erbpächter Abraham daselbst durch die Vermittelung des Herrn Pastors Ritter zu Vietlübbe.

32 Spindelsteine aus Thon, gef. im A. Grevismühlen, eingesandt von dem Herrn Pensionair Haupt zu Tressow.

1 Spindelstein aus Thon, gef. zu Karbow im A. Lübz, gesch. von dem Küster Herrn Lange daselbst, durch Vermittelung des Herrn Pastors Ritter zu Vietlübbe.

      4) Zur comparativen Alterthumssammlung:

Bruchstück einer Urne aus einem Grabe der Flachschädel an der Algedon-Bay auf der Westseite von Südamerika, gesch. von dem Herrn v. Bibra in Nürnberg.

B. Aus dem christlichen Mittelalter:

1 Amuletkreuz von Messing mit flachen Reliefs, eine Schlacht und eine Stadt darstellend, und der Inschrift:

S. VDALRICUS. EPI. AUS.
(S. Udalricus episcopus Augustanus),

gef. zu Langsdorf, A. Sülz, gesch. von dem Herrn Geh. Amtsrath Koch zu Sülz.

1 Siegelring von Messing mit einem Hauszeichen, etwa aus dem 16. Jahrhundert, gesch. von dem Herrn Pastor Schubart zu Schwerin.

19 gemalte Fensterscheiben aus Bauerhäusern zu Mummendorf und Warnkenhagen, A. Grevismühlen, für den Verein erworben durch Herrn Pensionär Haupt zu Tressow.

1 silberne Ringschnalle, aus einem Turnosen des Königs Philipp VI. von Frankreich (1328-1300) gefertigt, gef. beim Ausgraben eines Kellers zu Lage, geschenkt von dem Thorschreiber Herrn Roll daselbst.

1 messingener Löffel mit einer Traube am Ende des Stieles, gef. zu Kaarz bei Brüel, gesch. von dem Herrn Major v. Bülow auf Kaarz.

1 Mörser mit 2 Keulen aus lavaartigem Gestein, gef. zu Roxin bei Grevismühlen, angekauft durch den Herrn Pensionär Haupt zu Tressow.

3 Leuchter, 1 Netzsenker und 1 Kugel aus Thon, gef. am Hafendamme bei Wismar, gesch. von dem Herrn J. O. Thormann daselbst.

1 Gussform oder sogenannter Schäferstein aus grauem Sandstein, gef. zu Ganzkow bei Güstrow, gesch. von dem Herrn Ingenieur-Eleven Beyer zu Güstrow.

1 Gussform aus Thon, gef. auf der Insel Lieps bei Wismar (Sandbank), gesch. von dem Herrn Kriegsrath Grimm zu Schwerin.

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II. Für die Münzsammlung:

1 halber Hamburger Privat-Portugaleser, 5 Ducaten schwer; 1 sogenannter Kinderducaten der Kurfürstin Sophie von Sachsen von 1616; 3 silberne Abschläge der Hamburger Bank-Portugaleser von 1677, 1691 und 1713; 1 silberne Medaille auf die tausendjährige Jubelfeier der Stadt Hamburg von 1803; 1 Bürgermeisterpfennig auf Heinrich Didrich Wiese von 1728; 1 Medaille auf den Tod des Prinzen Friedrich August von Braunschweig-Wolffenbüttel von 1676; 1 Medaille auf die Geburtstagsfeier der Gemahlin des Herzogs Anton Ulrich von Braunschweig von 1695; 1 sogenannte Katechismusmedaille auf das vierte Gebot; 1 Hamburger Sechsling von 1675; 2 meklenburgiscbe Doppelschillinge von 1764 und 1765, gefunden zu Vietlübbe bei Gadebusch beim Ausroden einer Dornenhecke und gesch. von dem Herrn Landrath v. Leers auf Schönfeld und Vietlübbe. - 3 alte Russische Silberrubel; 1 Schwedischer 16 Oer von 1563; 1 halber Schwedischer Thaler von 1567; 13 kleinere seltene Silbermünzen; 2 Kupfermünzen, - gesch. von der Esthländischen literarischen Gesellschaft zu Reval. * ) - 1 Brandenburgischer Groschen von 1679 und 1 Dänischer Schilling von 1618, gesch. von dem Herrn Gastwirth Wietzer zu Röbel. - 3 silberne Scheidemünzen, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow. -1 Rostocker Sechsling aus dem 15. Jahrhundert; 1 Rostocker Dreiling von 1622; 1 Rechenpfennig, gef. bei dem Bau des Amtshauses auf dem Schlossplatze zu Bützow, gesch. von dem Herrn Fr. Seidel daselbst. - 12 Silbermünzen aus der wendischen Zeit, ungefähr von dem J. 1000, mit vielen andern ähnlichen Münzen gef. in der Gegend von Röbel und angekauft von einem Goldschmiede in Röbel.

III. Für die Bildersammlung:

Eine Reihe von Portraits der gefeierten Mitglieder der herzoglichen Hofcapelle zu Ludwigslust aus dem Zeitraum von 1770-1820, darunter namentlich beide Westenholz und beide Benda, Rosetti, Coelestino, die Affabili, Abel, Kunzen und andere, meistens in Handzeichnung, einige in Pastell- und Wasserfarbe ausgeführt. Aus dem Nachlasse des Concertmeisters Massonneau in Ludwigslust erworben.

Eine Reihe von mehr als 20 meklenburgischen Portraits, fast sämmtlich ältere in Kupfer gestochene Bildnisse, unter denen sich namentlich der Dr. Abraham Kayser, meklenb. Gesandter zu Osnabrück, gest. von Galle, der Convertit F. A. Fidler, Superintendent zu Doberan, gest. von Fritsch, David Chytraeus, Hofprediger Friedrich, J. C. Brandes, Friederike Unzelmann, Fürst v. Blücher und andere befinden. Geschenk des Herrn Geh. Medicinalraths Sachse.

Ferner schenkte der Herr Architect G. Daniel zu Schwaan 6 von ihm eigends für den Verein aufgenommene Zeichnungen der Kirchen zu Schwaan und Cambs, und ausserdem ward die Sammlung von dem Herrn Oberlandforstmeister Eggerss hieselbst, Herrn Dr. Crull zu Wismar, Herrn Gymnasiasten G. Brüning, der Stillerschen Hofbuchhandlung und der Hildebrandschen Buchhandlung allhier, so wie von mehren Beamten des Vereins mit Geschenken von Porträts und Ansichten bedacht, grösstentheils neueren lithograph. Blättern.


*) Die bis hieher aufgezählten Münzen sind, etwas verfrühet, bereits in dem Berichte des Herrn Pastors Masch zu dem letzten Jahresberichte ausführlich besprochen.
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IV. Für die Bibliothek:

1) Baudenkmäler des Mittelalters im Erzherzogthum Oesterreich, nach der Natur aufgenommen von den Architecten L. Ernst und L.Oescher. 4 Hefte. Wien. 1846. Roy.-Fol. (Geschenk des Herrn Dr. Ernst zu Wien.)

2) Andeutungen über Erhaltung und Herstellung alter Burgen und Schlösser. Von Joseph Scheiger. Gratz. 1853. Gr. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

3) Ehstnische Volkslieder. Urschrift und Uebersetzung von H. Neu s. Dritte Abtheilung. Herausgegeben von der ehstländ. literar. Gesellschaft. Reval. 1802.

4) Der revidirten ehstländischen Ritter- und Landrechte erstes Buch, oder die Gerichtsverfassung und das Gerichtsverfahren in Ehstland vor hundert Jahren. Ein Beitrag zur vaterländ. Rechtsgeschichte. Reval. 1802. 8. (No. 3 und 4 Geschenke der literar. Gesellschaft zu Reval.)

5) Dr. C. E. Napiersky, Livoniae Commentarius, Gregorio XIII, P. M. ab Antonio Possevino, S. J., (a. 1582) scriptus, nunc primum editus e Codice Bibliothecae Vaticanae. Scriptum gratulat. universt. litterar. Dorpatensi, festa semisecularia celebranti, dedic. Rigae. 1852. 4. (Geschenk des Herrn Verf.)

6) Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. XVII. Zürich. 1851. Gr. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)

7) Mittheilungen der Gesellschaft für vaterländische Alterthümer in Basel. V. Der Münzfund von Reichenstein, beschrieben von Dr. Vischer. Mit 2 lithogr. Tafeln. Basel. 1802. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)

8) Zwölf kleine Schriften und Blätter, betr. die im Sept. 1803 zu Nürnberg gehaltene Versammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine. (Geschenk des Herrn Archivar Dr. Lisch.)

9) Zeitschrift für deutsches Alterthum, herausgeg. von Moritz Haupt. Bd. IX, Heft 2. Leipzig. 1853. 8. (Enth. u. a. Abbandlungen von Wackernagel über den Todtentanz und von Zarncke über den Verf. des Reineke Fuchs.)

10) Urkundliche Geschichte des Hansischen Stahlhofes zu London. Von Dr. J. M. Lappenberg. Hamburg, 1851. 4. (Geschenk des Vereins für Lübeckische Geschichte.)

11) Zeitschrift des histor. Vereins für das würtembergische Franken. Herausgegeben von O. Schönhut h. Sechstes Heft. Jahrg. 1852. Oehringen. 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)

12. 13) Vierzehnter und fünfzehnter Bericht über das Wirken des historischen Vereins zu Bamberg in Oberfranken in Bayern. Bamberg. 1851, 52. 8.

14) Quellensammlung für fränkische Geschichte, herausgeg. von dem histor. Vereine zu Bamberg. Dritter Band. Friedrichs von Hohenlohe, Bischofs von Bamberg, Rechtsbuch vom J. 1348. Zum ersten Male herausgeg. von Dr. C. Höfler. Bamberg. 1852. 8, (No. 12-14 Geschenke des histor. Vereins zu Bamberg.)

l5) Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, herausgeg. von dem histor. Vereine von und für Oberbayern. Bd. XIII. Mit 2 lithogr. Tafeln. München. l852. Gr. 8. (Geschenk des Vereins.)

16) 25.-27. Jahresbericht des Voigtländischen alterthumsforschenden Ver-

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eins. Jahr 1850-1852. Herausgeg. von Fr. Alberti, Pfarrer zu Hohenleuben. Gera. 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)

17) Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde. Zweites Heft. Jena. 1853. 8.

18) Der Mainzer Hof zu Erfurt am Ausgange des Mittelalters. Herausgegeben von A. Michelsen. Jena. 1853. 4. (No. 17 und 18 Geschenke des Vereins.)

19. 20) Der neuen Preussischen Provinzial-Blätter andere Folge. Bd. L H. Königsberg. 1852. 8. (Geschenk der Alterthums-Gesellschaft Prussia.)

21) Baltische Studien. Herausgeg. von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Jahrg. XV. Heft 1. Stettin. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

22) Beiträge zur Geschichte der Schützengesellschaft und des Vogelschiessens zu Stralsund. Nach grossentheils handschriftl. Aufzeichnungen mitgetheilt von Prof. Dr. E. Zober. Stralsund. 1853. 4. (Geschenk des Herrn Verf.)

23. 24) Märkische Forschungen. Herausgeg. von dem Vereine für Geschichte der Mark Brandenburg. Bd. III. Berlin. 1847. Bd. IV. Das. 1850. Gr. 8. (Geschenk des Vereins.)

25) Mittheilungen des histor. Vereins für Steiermark. Drittes Heft. Mit 8 lithogr. Beilagen. Gratz, 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)

26. 27) Urkundensammlung zur Geschichte des Geschlechts von Maltzan, herausgegeben von Dr. Lisch. Bd. IV. Bd. V. Schwerin. 1852. 1853. 8. (Geschenk des Herausgebers.)

28. Sieben kleine Schriften, betr. die 300jährige Jubelfeier des Schweriner Gymnasiums, am 4. August 1853. (Geschenkt vom Herrn Director Dr. Wex.)

29) Neun kleine Schriften, betr. die 300jährige Jubelfeier des Gymnasiums zu Güstrow, am 29. Sept. 1853. (Geschenkt vom Herrn Director Dr. Raspe.)

30) Charte des alten Meklenburg, gefertigt von J. S. Frank, Pastor zu Malchow; Charte des neuen Meklenburg, gefertigt von demselben; Meilenzeiger von Städten, Flecken und Aemtem im Herzogthum Meklenburg-Schwerin, von demselben. 3 Bl. kl. Q.-Fol. auf einem Bl.

31) (Fluss-) Charte von Meklenburg, gez. von F. Münchmeyer, gest. von E. C. A. Behrens. Illum. Q.-Fo. (No. 29 - 31 Geschenke des Herrn Bauconducteur W. Wachenhusen zu Schwerin.)

32) Nederduytsche Poemata von Adrianus Hofferus Zirizaeus, Rentmeester General over de Graaffeliicke Domeynen van Zeeland. Mit Kupfern. (1634.) 4. (Geschenk des Herrn Ober-Stallmeisters v. Boddin.)

V. Für die Naturaliensammlung:

Die Erwerbungen des Vereins beschränken sich auf 2 Stückchen australischen Goldes, von dem Tischler Fr. Lehmkuhl aus Boitzenburg zu Melbourne gesammelt und geschenkt.

Ausserdem darf aber hier das bei Redefin im Moore gefundene Gerippe eines kolossalen Urstiers, dessen Kopf namentlich durchaus vollständig und wohl erhalten ist, und den polnischen im Besitz des Vereins befindlichen an Grösse weit übertrifft, nicht unerwähnt bleiben. Dasselbe ist an die grossherzogliche Sammlung abgeliefert und einstweilen in dem Locale des Vereins aufgestellt.

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Von den ordentlichen Mitgliedern des Vereins ist der Herr v. Lücken auf Zahrenstorf im Sept. d. J. gestorben und dagegen der Herr Bürgermeister Mau zu Neukalden wieder beigetreten. Weitere Personalien habe ich nicht zu berichten.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

Vignette

 

 

 

 


Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Schwerin.

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XIX. 2.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 2. Januar 1854.

Vignette

I n Folge der während des abgelaufenen Jahres eingetretenen Kündigungen sind mit dem Beginn des gegenwärtigen Quartales wiederum 5 ordentliche Mitglieder, nämlich der Herr Graf von Krassow zu Franzburg in Pommern, Herr Stadtrichter Dr. Sprengel zu Waren, Herr Regierungs-Secretair Grischow zu Neustrelitz, Herr Ober-Schulrath Dr. Zehlicke zu Slate bei Parchim und Herr Ober-Medicinalrath Dr. Flemming zu Sachsenberg aus dem Vereine ausgeschieden, wogegen nur der Herr Staatsrath v. Brock zu Schwerin demselben wiederum beigetreten ist.

Die Sammlungen des Vereines erfreuen sich fortwährend des lebhaften Interesses sowohl des grösseren Publicums, als der fremden und einheimischen Gelehrten, so wie der gebildeten Vaterlandsfreunde überhaupt. Auch Se. K. H. der Grossherzog von Meklenburg-Schwerin, unser allergnädigster Protector, haben dieselben schon mehrmals mit höchstIhrem Besuche beehrt, und noch am 17. Decbr. v. J. geruheten Se. K. H. in Begleitung Ihrer hohen Gemalin der Frau Grossherzogin Auguste K. H. und der Frau Grossherzogin Mutter Alexandrine K. H. mehre Stunden in den Räumen unsers Antiquariums zu verweilen, und sich namentlich die dort aufgestellten Alterthümer durch unsern ersten Secretair, Herrn Archivar Dr. Lisch, erklären zu lassen. - Die neuen Erwerbungen für die verschiedenen Sammlungen während des abgelaufenen Quartales sind folgende:

A. Für die Alterthumssammlung:

1) Aus vorchristlicher Zeit.

      a) Aus der Zeit der Hünengräber:

1 Keil aus dunkelgrauem Feuerstein, 1 Keil aus weissem Feuerstein, 2 Feuersteinblöcke zu einem Dolche und einer Lanzenspitze roh zugehauen, ein Feuersteinspan, Scherben von Thongefässen und gedörrte Lehmklumpen, anscheinend aus der Wand einer menschlichen Wohnung, gef. zwischen Dreveskircben und Dahmkow, 4 F. tief unter der Erde, und gesch. von dem Gutsbesitzer Herrn Koch auf Dreveskirchen. - 1 Keil aus Feuerstein, gef. zu Miekenhagen, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow. - 1 Keil aus Feuerstein, gef. auf der Lieps bei Wismar 1853, und gesch. von dem Herrn Architecten Stern zu Schwerin. - 1 Dolch aus Feuerstein, gef. zu Gr.-Roge bei Teterow, gesch. von dem Ingenieur-Eleven Beyer in Güstrow. - 1 Lanzenspitze aus Feuerstein, gef. auf dem Kaninchenwerder bei Schwerin, gesch. von dem Herrn Hofschlosser Duve daselbst. -Bruchstück eines Handmühlsteines aus Granit, gef. bei Brüel, gesch. von dem Herrn Senator Schröder daselbst.

      b) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 Schwert mit Griffzunge, in der Klinge 2 1/2 Fuss lang, 1 Heftel mit 2 Spiralplatten aus Bronze, (beide Alterthümer zerbrochen), und Reste verbrannter menschlicher Gebeine, gef. in einem Kegelgrabe bei Dreveskirchen, gesch. von dem Gutsbesitzer Herrn Koch daselbst. - 1 Schwert, 2 vollgegossene Armringe und 1 kleines Gefäss aus Bronze, und 5 zertrümmerte Urnen, darunter eine Schachtelurne aus Thon, gef. in 3 verschiedenen Kegelgräbern bei dem Sandkruge bei Lübz, eingesandt von dem Herrn J. Ritter, jetzt

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zu Karbow. - 1 Framea, 2 Messer, 1 Schmalmeissel, 1 Beschlag aus Bronze, und 2 zertrümmerte Urnen aus Thon, gef. in einem Kegelgrabe zu Goritz bei Lage, gesch. von dem Einnehmer Herrn G. Prang zu Rostock. - 1 Kopfring und 1 Halsring aus Bronze, gef. in einem nicht mehr zu ermittelnden Moore in Meklenburg, gesch. von dem Kaufmann Herrn Schnelle in Schwerin. - 1 Heftel mit 2 Spiralplatten von eigenthümlicher Form, gef. zu Jürgenshagen bei Schwaan, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch zu Satow. - 1 Quetschmühle und 1 Quetschstein aus Granit, gef. in Doberan, gesch. von dem Gastwirth Herrn Glöde daselbst. - Mehre Urnenscherben von dem germanischen Begräbnissplatze am Grimoor bei Grabow (Jhrb. XVIII. S. 251), gesch. von dem Herrn Apotheker Jänecke zu Grabow.

      c) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

Mehre Gefässscherben und Thierknocben, gef. bei Dreveskirchen (auf einer wendischen Wohnstätte), und gesch. von dem Gutsbesitzer Herrn Koch daselbst. - 1 Spindelstein aus grauem Sandstein von eigenthümlicher Form, gef. auf der Stätte des untergegangenen Dorfes Dreetz bei Boitin, gesch. von dem Pächter Herrn Fratzscher zu Boitin.

      d) Zur comparativen Alterthumssammlung:

Gypsabgüsse mehrer steinerner Alterthümer aus der Zeit der Hünengräber, aus der Sammlung des historischen Vereins für Niedersachsen in Hannover. Geschenk des gedachten Vereins.

2) Aus dem christlichen Mittelalter.

3 Stückelten Knochen in feines seidenes Zeug gewickelt, und 1 Stück Pergament mit dem Namen Gregorius papa in sogenannter Mönchsschrift, zusammen in einer gedrechselten hölzernen Büchse aufbewahrt, ferner 1 gläserne Flasche mit 2 Stückchen rothgefleckter Leinwand, Reliquien, gef. in dem Altare der Kirche zu Berenshagen, und gesch. durch Vermittelung des Herrn Pastors Vortisch zu Satow, von dem Gutsbesitzer Herrn Hillmann daselbst. - 1 zinnerner Teller mit dem mehrmals eingekratzten Namen H. KOSSE, und den Jahreszahlen 1588 und 1591, gef. zu Vilz, und gesch. von dem Herrn v. Koss auf Vilz.

B. Für die Münzsammlung:

10 verschiedene alte Reichsthaler aus der Zeit von 1559-1643, gef. bei Göhlen i. A. Grabow. Geschenk Sr. K. H. des allerdurchlauchtigsten Grossherzogs v. Meklenburg-Schwerin.

1 Dütchen der Stadt Stralsund von 1610, 1 halber Thaler der Stadt Glückstadt von 1623 und 1 brandenburgisches Zweigroschenstück von 1693, gef. zu Vilz, gesch. von dem Herrn v. Koss auf Vilz.

1 kupferne vergoldete Medaille auf den Grafen Alexius v. Bestuschef von 1762, gef. zu Grevismühlen, gesch. von dem Maurermeister Herrn A. Haase daselbst.

C. Für die Bildersammlung:

Die in Kupfer gestochenen Bildnisse von vier meklenburgischeu Theologen:

Aegidius Faber, Johann Fecht, Michael Freud und Dr. Fidler, geschenkt von dem Herrn Geh. Medicinalrath Dr. Sachse zu Schwerin.

Die älteste Ansicht von Doberan, gezeichnet und in Kupfer gestochen von Hornemann, eine Skizze in Q.-Fol., geschenkt von dem Herrn Kammerrath Schumacher.

Die Ueberreichung des Ehrenbürgerrechts der Stadt Teterow an den Dr. v. Thünen auf Tellow, nebst dem Berichte über diesen Vorgang und dem Abdruck des Diploms. Dem Dr. v. Thünen gewidmet von seiner Familie. Druck und Lithographie von Kunckel in Bremen. Kl. Q.-Fol. Gesch. von demselben.

D. Für die Büchersammlung:

1) Ueber Protestantismus und Katholicismus in der Kunst. Von Richard Fischer. Berlin. 1853. Gr. 8.

2) Oudheidkundige Verhandelingen en Mededeelingen, van Dr. Janssen, Conservator bii het Museum van Oudheiden te Leyden. L Arnhem. 1853. 8. (Gescnenk des Herrn Verf.)

3) Antiquarisk Tidsskrift, udgivet af det kongelige Oldskrift - Selskab, 1849-1851. 3 Hefte. Kiobenhavn. 1851. 52. 8. (Nebst Bericht über die Jahresversammlungen 1848-1852 und Verzeichniss der Schriften der Königl. Gesellschaft. - Geschenk der Gesellschaft.)

4) Graf Christoph von Oldenburg und die Grafenfehde, 1534-1536. Ein Beitrag zur Geschichte des Dänischen Interregnums. Von Fr. v. Alten. Hamburg. 1853. 8.

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5) Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands. Herausgegeben von der Gesellschaft für Geschichte etc. der russischen Ostseeprovinzen. Bd. VII. Heft 1. Mit 3 lithogr. Tafeln. Riga. 1853. (Geschenk der Gesellschaft.)

6) Die Territorien in Bezug auf ihre Bildung und Entwickelung. Von Dr. Georg Landau. Hamburg und Gotha. 1854. 8.

7) Thors Donnerkeil und die steinernen Opfergeräthe des nord-german. Heidenthums. Zur Rechtfertigung der Volks-Ueberlieferung gegen neuere Ansichten von Ernst Kirchner, Superintendent zu Gransee. Mit 4 Steindrucktafeln. Neustrelitz. 1853. Gr. 8.

8) Correspondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthums-Vereine. Herausgeg. von Prof. Dr. Löwe. Erster Jahrgang. Dresden. 1853. Gr. 4. (Geschenk Sr. Kömgl. Hoheit des Grossherzogs.)

9) Monumenta Habsburgica. Sammlung von Actenstücken und Briefen zur Geschichte des Hauses Habsburg in dem Zeitraum von 1473 bis 1576. Herausgeg. von der histor. Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Zweite Abtheil. Kaiser Carl V. und König Philinp II. Erster Band. Von Dr. K. Lanz. Wien. 1853. 8.

10) Fontes rerum Austriacarum. Oesterreich. Geschichtsquellen. Herausgeg. von der histor. Commission der kaiserl. Akademie zu Wien. II. Abtheil. Diplomataria et acta. Bd.VI. 1) Summa de literis Missilibus. Ein Formelbuch aus Petri de Hallis, kaiserl. Notars, processus judiciarius. Herausgeg. von Fr. Firnhaber. 2) Das Stiftungsbuch des Klosters St. Bernhard. Herausgeg. von Dr. Zeibig. Wien. 1853. 8.

11) Dasselbe Werk. Bd. III. Copeybuch der Gemainen Stat Wieun. 1454-1464. Herausgeg. von Dr. Zeibig. Wien. 1853. 8.

12-14) Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen. Herausgeg. von der Commission der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Bd. IX-XI. Wien. 1853. 8.

15) Notizenblatt. Beilage zum Archiv für Kunde Österreich. Geschichtsquellen. Herausgeg. von ders. Commission. Jahrg. 1853. Das. 8.

16-18) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Philosoph. historische Classe. Bd. IX. 3-5. Bd. X. Bd. XI. 1. 2. Das. 1852. 53. 8. (Num. 9 bis Num. 18 Geschenke der kaiserl. Akademie zu Wien.)

19) Dreizehnter Bericht über das Museum Francisco-Carolinum. Nebst der achten Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. Linz. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft des Museums das.)

20) Neunzehnter Jahresbericht des histor. Vereins im Regierungsbezirk von Schwaben und Neuburg für das J. 1853. Mit 3 lithogr. Abbildg. vom Dom zu Augsburg. 1853. 4. (Geschenk des Vereins.)

21) Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken. Herausgeg. von v. Hagen. Bd. V. Heft 3. Bayreuth. 1853. 8. (Geschenk des Vereins)

22) Archiv des histor. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. Bd. XII Heft 2. 3. Würzburg. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)

23) Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Bd. VI. Heft II. Kassel. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)

24) Dreissigster Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1852. Breslau. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)

25) Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg. Bd. III. Mit 1 Kupfertafel und 2 lithogr. Abbildungen. Altenburg. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

26) Zeitschrift für vaterländ. Geschichte und Alterthumskunde. Herausgeg. von dem Verein für Geschichte und Alterthumskunde Westphalens durch Rosenkranz und Geisberg. Neue Folge. Bd. III. Münster. 1852. 8. (Geschenk des Vereins.)

27) Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg. Von Dr. Wilh. Havemann. Erster Band. Göttingen. 1853. 8. (Geschenk des Hrn. Verf.)

28) Mittheilungen zur nähern Kunde des Wichtigsten der Staatsgeschichte und Zustände des Herzogthums Lauenburg von der Vorzeit bis zum J. 1851. Dritte Lieferung. Ratzeburg. 1853. 8. (Geschenk des Herrn Verf.)

29) Kurzgefasste zuverlässige Nachricht von den Holstein-Plönischen Landen, wobey zugleich die Geschichte der Klöster Arensböck und Rheinfeld mitgetheilet worden von P. H. (Peter Hansen). Plön. (1759.) 4.

30) Zum meklenburg. Bauernrecht von Petermann. Neubrandenburg. 1853. 8.

31) Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz. Von Dr. C. A. Tott. Mit dem neuesten Plane der Stadt. Ribnitz. 1853. 8.

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32) Wismars Schicksale während der französ. Kriege. Denkblätter zur Feier des 19. Aug. 1853. Wismar. 4. (Geschenk des Herrn Rectors Dr. Crain.)

33) Archiv für Landeskunde in den Grossherzogthümern Meklenburg und Revue der Landwirthschaft. Jahrg. 1853. Gr. 8. (Geschenk Sr. Königl. Hoheit des Grosherzogs.)

E. Für die Urkundensammlung:

Ein Braunschweigscher Lehnbrief von 1716. Original. Geschenk des Herrn Rectors Koch zu Doberan.

Von den eingegangenen wissenschaftlichen Arbeiten ist ein ausführlicher und kritischer Bericht über die Geschichte der Prillwitzer Götzenbilder von dem Herrn Pastor F. Boll zu Neubrandenburg bereits unter der Presse für den nächsten Band der Jahrbücher. Der Herr Verfasser spricht die Ueberzeugung aus, dass das ihm vorliegende, theilweise bisher noch ganz unbekannte, Material genügen werde, diese berühmte Streitfrage endlich zum Abschluss zu bringen. - Unter den Correspondenzen und Berichten sind hervorzuheben: Ueber den Germanen-Kirchhof bei Grabow, vom Herrn Apotheker Jänecke daselbst. - Ueber die Namen von Kegelgräbern in der Umgegend von Wismar, von C. D. W. in Wismar. - Ueber das Grab Pribislav's und die fürstliche Begräbnisskapelle zu Doberan, von dem Herrn Archivar Dr. Lisch. - Ueber die Wandmalerei in der Kirche zu Proseken, von demselben. -Ueber die Urkunden in dem Stadtarchive zu Röbel, von demselben. - Ueber das bei Toddin (nicht Redefin, wie es in dem Quartalberichte vom 10. Oct. v. J. irrthümlich heisst) gefundene Gerippe eines Urstiers, von demselben. -

Die Angelegenheiten des Gesammtvereins gehen ihren ruhigen Gang vorwärts. No. 1. und 2. des zweiten Jahrganges des Correspondenzblattes liefern nunmehr einen umfänglichen Bericht über die Nürnberger Versammlung mit mehren Beilagen, darunter namentlich auch die dort genehmigten revidirten Statuten des Vereins. Ausserdem ist namentlich der Bericht der Commission zur Erforschung des limes imperii Romani über den bisherigen Erfolg ihrer Bemühungen, so wie der von dem Herrn Archivar Dr. Landau vorgelegte und von der Versammlung genehmigte Plan einer Beschreibung der deutschen Gaue von dem allgemeinsten Interesse. Der Verwaltungsausschuss empfiehlt zugleich die von dem Herrn Dr. Landau selbst bereits vollständig ausgearbeitete Beschreibung des Gaues Wetereiba, welche als erster Band der Sammlung erscheinen wird, sobald die Kosten durch Subscription gedeckt sind. Zur Beförderung von Subscriptionen aus Meklenburg ist der Ausschuss unsers Vereins mit Freuden bereit.

Die obgedachten Gypsabgüsse von Alterthümern in der Hannoverschen Sammlung sind übrigens die ersten sehr werthvollen Früchte unsrer Betheiligung an dem Gesammtverein. Wir dürfen hoffen, dass sie nicht die einzigen bleiben, wogegen nach dem Beschlusse der letzten Quartalversammlung als Gegengeschenk die Anfertigung von Gypsabgüssen der wichtigsten Alterthümer unsrer Sammlung beschlossen ward.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

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Gedruckt in der Hofbuchdruckerei in Schwerin.

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XIX. 3.

Quartalbericht

des

Vereins für meklenburgische Geschichte
und Alterthumskunde.


Schwerin, den 2. April 1854.

I n Gemässheit der Beschlüsse der Nürnberger Versammlung hat der Verwaltungsausschuss des Gesammtvereines ein Circular an die gesammten Specialvereine gesandt, wodurch dieselben namentlich aufgefordert werden:

1) sich zur Veranstaltung einer Geldsammlung für die Restauration des Münsters zu Ulm, nach Analogie der Kölner Dombauvereine, als Münster-Comité zu constituiren, so wie

2) den Fortgang der Subscription auf die von dem Herrn Archivar Dr. Landau bearbeitete Beschreibung des Gaues Wetereiba (Wetterau), als Probearbeit der von dem Gesammtvereine herauszugebenden allgemeinen historischen Gaugeographie Deutschlands, möglichst zu fördern.

Wir haben uns schon in dem Neujahrs-Quartalbericht erlaubt, dies letztere Unternehmen den geehrten Mitgliedern unsers Vereines zu empfehlen, und erklären uns wiederholt zur Entgegennahme von Subscriptionen bereit.

Was das Münster zu Ulm betrifft, so ist dasselbe nach dem Urtheile competenter Kunstrichter nicht nur eins der umfänglichsten, sondern auch der schönsten und grossartigsten Baudenkmäler des Mittelalters, welches namentlich den berühmten Meisterwerken der gothischen Baukunst zu Köln, Strassburg, Freiburg und Wien vollkommen ebenbürtig zur Seite steht. Von je her hat das deutsche Volk vor allen auf diese 5 Denkmäler seiner grossen Vergangenheit mit gerechtem Stolze hingeblickt, und den Verlust des einen derselben niemals verschmerzt, während es einem andern verdoppelte Liebe zuwandte, um den noch unausgeführten Riesenplan desselben ohne Rücksicht auf confessionelle und territoriale Spaltungen mit gemeinsamen Kräften zur Ausführung zu bringen. In demselben Geiste brüderlicher Eintracht ist jetzt auf den Antrag des Ulmer Vereins für Kunst und Alterthum in Oberschwaben von den Versammlungen zu Mainz und Nürnberg die Restauration des leider mehr und mehr verfallenden Münsters in der deutschen Bundesfeste Ulm für ein Nationalwerk erklärt, und namentlich an die gesammten historischen Vereine Deutschlands die dringende Mahnung ergangen, den Plan nach Kräften zu unterstützen. Indem wir uns daher hiedurch dieser Aufforderung gemäss an den deutschen Patriotismus der Meklenburger wenden, erlauben wir uns zugleich darauf hinzuweisen, dass das Unternehmen für uns, für das protestantische Deutschland überhaupt, dadurch ein zweifaches Interesse gewinnt, dass das Münster zu Ulm, - das einzige von jenen fünfen -, unserer Kirche als ein Heiliges Vermächtniss heimgefallen ist, zu dessen treuer Erhaltung und unverletzten Ueberlieferung an die Nachwelt wir vor allen verpflichtet sind. Das Secretariat unsers Vereins ist bereit, die Beiträge Meklenburgs zu dem grossen Werke entgegenzunehmen und wird demnächst öffentlich Rechenschaft ablegen. Zugleich ersuchen wir die geehrten Mitglieder des Vereins freundlich, sich in ihrem Wohnorte der Einsammlung von Beiträgen gefälligst unterziehen zu wollen.

Zu den correspondirenden Vereinen ist im Laufe des Quartals der historische Verein für das Grossherzogthum Hessen zu Darmstadt hinzugekommen, welcher uns sofort 16 Bände seines werthvollen Archivs, hessischer Urkundensammlungen und anderer Werke übersandt hat. - Dagegen haben wir den am 3. Jan. d. J. erfolgten Tod unsers vieljährigen correspondirenden Mitgliedes, des berühmten schlesischen Historikers Herrn Geh. Archivraths Professors Dr. Stenzel zu Breslau zu beklagen. - Auch von unsern ordentlichen Mitgliedern sind bereits mit dem Beginne des Jahres zwei durch den Tod abgefordert, der Gutsbesitzer Pogge auf Roggow und der Syndicus Dr. Fabricius zu Wismar, und Herr Rector Gerdess zu Schwerin ist freiwillig ausgetreten.

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Die neuen Erwerbungen für die verschiedenen Sammlungen des Vereins während des abgelaufenen Quartals sind folgende:

A. Für die Alterthumssammlungt

1) Aus der vorchristlichen Zeit.

      a) Aus der Zeit der Hünengräber:

2 Keile aus grauem und 1 aus gelbem Feuerstein, so wie 2 Lanzenspitzen aus grauem Feuerstein, gefunden in der Umgegend von Gnoien, geschenkt von dem Herrn v. Kardorf auf Remlin. - 1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, gef. bei Gnoien, gesch. von dem Herrn Conrector Wiggers zu Gnoien. - 1 Keil aus gelbem Feuerstein, gef. zu Kalkborst, gesch. von dem Herrn Haupt zu Tressow. - 1 Keil aus bräunlichem Feuerstein, gesch. von dem Herrn Dr. Crull zu Wismar. - 1 Wetzstein aus dunkelgrauem Thonschiefer, gef. bei Krakow, gesch. von dem Herrn Haupt zu Tressow.

      b) Aus der Zeit der Kegelgräber:

1 einer Spule ähnliches Werkzeug und 3 Ringe von Bronze ohne Rost, zusammen gefunden beim Moddegraben zu Viecheln bei Gnoien, gesch. von dem Herrn v. Kardorf auf Remlin zu Gnoien. - 1 Framea von Bronze ohne Rost, gef. in einer Wiese zu Remlin, gesch. von Herrn v. Kardorf daselbst.

      c) Aus der Zeit der Wendenkirchhöfe:

Der Bügel einer Heftel von Silber und ein unbekannter, unsern Ohrbommeln ähnlicher Schmuck von 14karätigem mit Silber legirten Golde, angeblich zusammen in einer zerbrochenen Urne gefunden bei Milow in der Prignitz hart an der meklenburgiscben Grenze und für den Verein angekauft von dem Herrn Goldschmied Meinhof zu Grabow. - 1 Spindelstein aus Thon, gef. zu Remlin, gesch. von dem Herrn v. Kardorf daselbst. - 2 Spindelsteine aus Thon, gef. zu Tressow, gesch. von dem Herrn Haupt daselbst. - 1 Spindelstein aus Thonschiefer und 1 Spindelstein aus gebranntem Thon, gef. beim Eulenkrug bei Gadebusch, gesch. von dem Hofschlosser Duve zu Schwerin.

2) Aus dem christlichen Mittelalter.

Ein Ringhalter, eine junge Dame im Brautschmuck darstellend, aus Kupfer gegossen und stark versilbert, etwa aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, gef. zu Viecheln bei Gnoien, gesch. von dem Herrn v. Kardorf auf Remlin. -1 Medaillon mit einem kleinen Portrait aus dem vorigen Jahrhundert, gef. in einem Garten zu Rehna, gesch. von dem Herrn Senator Demmler daselbst. - 8 glasurte Ofenkacheln mit Bildwerk aus dem 16. Jahrhundert, gef. zu Wismar, gesch. von dem Herrn Dr. Crull daselbst. - 1 Topf aus braunem Thon, wahrscheinlich aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, gefunden im Lüneburgischen, gesch. von dem Herrn Pächter Fratzscher zu Boitin.

B. Für die Münzsammlung:

13 römische Bronze-Münzen, 1 einseitiger silberner Abschlag des Krönungsthalers auf die Kaiserin Anna, Gemahlin des Kaisers Mathias 1612, 1 bleierne Medaille auf die Uebergabe der augsburgischen Confession vom 25. Jun. 1830 und 9 neuere Scheidemünzen, geschenkt von dem Herrn Rittmeister v. Bassewitz auf Scharbow. - 1 schwedischer 1 1/4 Oer von 1635, gef. zu Satow, gesch. von dem Herrn Pastor Vortisch daselbst. - 1 kurfürstlich-sächsischer Viertelthaler von 1555, 1 Achtschillingsstück des Herzogs Christian Ludwig II. von Meklenburg und 1 dänischer Schilling von 1614, gesch. von dem Herrn v. Kardorf auf Remlin zu Gnoien. - 3 preussische Silbermünzen und 3 meklenburgische Kupfermünzen aus der Zeit des siebenjährigen Krieges, in einer kleinen kupfernen Dose, gesch. von dem Herrn Conrector Wiggers zu Gnoien. - 1 Zwei Cent des Königs Hieronymus von Westphalen von 1812, gesch. von dem Herrn Dr. Kortüm zu Schwerin. - 1 dänisches Zwei-Mark-Stück von 1646, 2 dänische Dütchen von 1545 und 1671 und 1 dänisches Zwei-Schillings-Stück, gef. zu Rehna, gesch. von dem Herrn Senator Demmler daselbst. - 1 schwedisch-pommerscher Gulden von 1773 und 1 dänisches Acht-Schillings-Stück von 1704, gesch. von dem Herrn Justizrath v. Maltzan zu Rostock. - 44 verschiedene Silbermünzen aus den letzten beiden Jahrhunderten, gesch. von dem Herrn Regierungsrath Dr. Knaudt zu Schwerin.

C. Für die Bildersammlung:

Portraits:

1) Landrath Gustav D. v. Oertzen. Lithogr. Fol. - geschenkt vom Herrn Geh. Rath v. Oertzen.

2) Oberjägermeister Adolph v. d. Lühe zu Jasnitz, gez. von G. v. Boddien, lithogr. von Funcke. Fol.

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3) Se. Excellenz Dethloff L. Fr. v. Bülow auf Kühren, Oberjägermeister a. D., gez. und lithogr. wie vor. Bl. Fol. Num. 2 und 3 dankt der Verein dem Herrn Ober-Landforstmeister Eggerss, welcher auch biograph. Notizen zu beiden ausgezeichneten Bildnissen dem Vereine mitgetheilt hat.

4) Ch. G. N. Gesterding, geb. zu Greifswald 1740, Dr. der Rechte daselbst und seit 1763 Sachwald beim Königl. Tribunal zu Wismar, in Kupfer gestochen von F. C. Krüger. Berlin 1781. 4.

5) S. C. Litzmann, Prediger zu Plau, geb. 4. April 1740 zu Halle, gest. 24. März 1782, in K. gest. von Glassbach. 12. im Medaillon.

6) Dr. Jac. Chr. Rud. Eckermann, geb. 6. Septbr. 1754 zu Wedendorf, Prof. der Theologie zu Kiel, in K. gest. von J. G. Schmidt. 12.

7) Joh. C. Velthusen, Dr. und Prof. der Theologie und Ober-Kirchenrath zu Rostock, geb. 7. Aug. 1740 zu Wismar; gem. von Strantz, in K. gest. von J. G. Schmidt. 12.

8) Louis Ph. Albert, Graf von Paris, im Alter von 4 Jahren, in Stahl gest. von A. Duncan. 4.

9) Clara Mundt, geb. Müller (als Schriftstellerin: Louise Mühlbach), in Stahl gest. 4.

10) Joh. Quistorp, Dr. und Prof. der Theol., Superintendent zu Rostock, in K. gest. von M. Haffner. 4. - Num. 4-10 sind Geschenke des Herrn Hof-Opemsängers C. Kühn allhier.

11) Major Fr. v. Schill, gez. und in K. gest. von L. Buchhorn. Fol. Geschenkt vom Herrn Geh. Medicinalrath Dr. Sachse.

12) Ohne Namen und Schrift: Herzog Carl August Christian zu Meklenburg-Schwerin. Lithgr. Fol.

13) Geh. Rath und Kammer-Präsident Ludwig v. Dorne. Nach dem Leben in Kreide ausgef. Orig.-Zeichnung. Fol. Num. 12 und 13 sind Geschenke des Herrn Fridericianers G. Brüning.

14) Carl Gerd v. Ketelhodt, fürstl. schwarzburgischer Geh. Rath und Canzler, geb. 1738, gest. um 1794?; gem. von Morgenstern, gest. von Lips. 1794. 4. - Geschenkt vom Hrn. Amts-Registrator Luther zu Hagenow.

Architekturen und landschaftliche Ansichten:

1) Die Kirche zu Gadebusch. Lithgr. 4. Tiedemanns Verlag.

2) Der Dom zu Ratzeburg. Lithgr. 4. Desgl.

3) Kloster Malchow. Landschaftl. Ansicht nach der Natur auf Stein gez. von A. Podesta. Fol. - Num. 1-3 sind Geschenke des Hrn. Archivar Lisch.

4) Ansicht des neuen Schauspielhauses zu Schwerin. Fol.

5) Der neue Markt in Rostock. Nach der Natur auf Stein gez. von F. W. Otte. Gr. Fol. Num. 4 und 5 sind von dem Hrn. Fridericianer G. Brüning geschenkt.

6) Situations-Plan mit Ansicht von Stadt und Festung Demmin. In K. gest. um 1640. Fol. Anscheinend zu den Merianschen Prospecten des Theatrum Europ. gehörig.

7) Situations-Plan und Ansicht von Stralsund. Wie vor. Blatt aus der Zeit um 1640. Jo. Staud delin. Fol. - Num. 6 und 7 sind Geschenke des Herrn Hof-Opernsängers C. Kühn.

D. Für die Büchersammlung:

1) Das Kieler Kunstmuseum. Ein Wegweiser durch dasselbe, zugleich eine kurze Einleitung in das Studium der Kunst. Von Professor G. Thaulow. Kiel 1803. 8.

2) Mémoires de la société imperiale d'Archéologie de St. Petersbourg. Publiés par B. de Koehne. XVIII. Vol. VI. No. 3. St. Pétersbourg. 1852. 8. (Geschenk der Gesellschaft.)

3) Die Dänen und Nordmänner in England, Schottland und Irland. Von J. J. A. Worsaae. Deutsch von Dr. Meissner. Mit 51 Abbildungen und 3 Karten. Leipzig. 1852. 8.

4) Historisches Taschenbuch. Herausgeg. von Fr. v. Raumer. Dritte Folge. Fünfter Jahrg. Leipzig 1854. 8. (Gesch. des Hrn. Geh. Rath v. Oertzen.)

5) Aktstykker til Nordens Historie i Grevefeidens Tid. Utgivne af Fyens Stifts literaere Selskab ved Dr. C. Paludan-Müller. Anden Samling. Odense. 1853. 8. (Geschenk der literar. Gesellschaft zu Odensee.)

6) Publications de la société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le grand duché de Luxembourg. Année 1852. VIII. Luxembourg. 1853. 4. (Geschenk der Gesellschaft.)

7) Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Philosoph, histor. Classe. Band XI. Jahrg. 1853. Heft 3. Mit 4 Tafeln Abbild. Wien. 1853. 8. (Geschenk der Akademie.)

8) Ferdinandeum. 25ster Jahresbericht des Verwaltungs-Ausschusses vom J. 1851-1852. Innbruck. 1853. 8 (Geschenk der Gesellschaft.)

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9) Württemberg. Jahrbücher für vaterländ. Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie. Herausgeg. von dem königl. statistisch-topograpb. Bureau mit dem Verein für Vaterlandskunde. Jahrgang 1852. Stuttgart. 1853. 8. (Geschenk des Bureaus.)

10) Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Boland und Staut. Von A. Köllner. Herausgeg. von dem Verein für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung. Mit 1 Karte und 11 lithogr. Bl. Wiesbaden. 1854. 8. (Geschenk des Vereins.)

11-16) Archiv für hessische Geschichte und Alterthumskunde. Herausgeg. von Dr. Steiner und demnächst von Ludwig Bauer. Band 1-7. Darmstadt. 1835-1853. 8.

17) Urkundenbuch des Klosters Arnsburg in der Wetterau. (Ungedruckte Urkunden vom 12. bis 15. Jahrhundert.) Bearbeitet und herausgeg. von L. Bauer. Darmstadt. 1851. 8.

18) Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landes- und Ortsgeschichte des Grossherzogthums Hessen. Gesammelt und bearbeitet von Dr. H. E. Scriba. Erste Abth.: Die Regesten der Provinz Starkenburg. Darmstadt. 1847. 4.

19) Desselben Werkes zweite Abth.: Die Regesten der Provinz Oberhessen. Darmstadt. 1849. 4.

20) Desselben Werkes dritte Abth.: Die Regesten der Provinz Rheinhessen. Darmstadt. 1851. 4.

21) Archiv für Hessische Geschichte und Alterthumskunde. Herausgeg. von L. Bauer. Erster Supplement-Band. Geschichte der Stadt Grünberg. Darmstadt. 1846. 8.

22) Urkunden zur Hessischen Landes-, Orts- und Familiengeschichte, welche bis jetzt im Druck noch nicht erschienen sind. Im Auftrage des histor. Vereins etc. herausgeg. von L. Bauer. Erstes Heft: 1145-1278. Darmst. 1846. 8.

23) Neue Beiträge zur Geschichte Philipps des Grossmüthigen, Landgrafen von Hessen, bisher Ungedruckte Briefe dieses Fürsten und seiner Zeitgenossen. Im Auftrage des histor. Vereins für das Grossherzogth. Hessen gesammelt zu Brüssel und Darmstadt und herausg. von Dr. E. Duller. Darmst. 1846. 8.

24) Register zu den 5 ersten Bänden des Archivs für Hessische Geschichte etc. von C. F. Günther. Darmstadt. 1850. 8.

25) Verzeichniss der Druckwerke und Handschriften in der Bibliothek des histor. Vereins zu Darmstadt. October 1852. 8.

26) Periodische Blätter der Hessischen Vereine für Geschichts-, Landes- und Alterthumskunde zu Kassel, Darmstadt und Mainz, 1852. 1853. 6 Hefte. 8. (Num. 11-26 Geschenke des histor. Vereins für das Grossherzogthum Hessen zu Darmstadt.)

27) Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg. 15ter Band. Mit 5 lithogr. Tafeln. Regensburg. 1853. 8. (Geschenk des Vereins.)

28) Zeitschrift des histor. Vereins für das Wirtembergische Franken. Bd. III. Heft 1. Aalen 1853. 8.

29) Chronik des histor. Vereins für das Wirtembergische Franken Herausgeg. von O. Schönhuth. Wertheim. 1853. 8.

30) Die Kirchen und Kapellen zu Mergentheim. Beschrieben von O. Schönhuth. 8.

31. 32) Neue Preussische Provinzial-Blätter. Andere Folge. Herausgeg. von Dr. A. Hagen. Band III. IV. Königsberg. 1853. 8. (Geschenk der Gesellschaft Prussia.)
Herr F. W. Kretschmer in Berlin, dessen Freundschaft der Verein schon so vieles verdankt, hat uns abermals durch Einsendung eines Berichtes über mehre Münzen in der königlichen Münzsammlung zu Berlin mit Handzeichnungen in seiner meisterhaften Manier erfreuet. - Aus der sonstigen Correspondenz ist noch hervorzuheben: die Berichte des Herrn Pastors Schliemann zu Kalkhorst und Herrn Haupt zu Tressow über die in einem heidnischen Grabe bei Kalkhorst gefundenen angeblichen steinernen Figuren (Naturbildungen); des Herrn Haupt zu Tressow über ein v. Plessensches Epitaphium in der Kirche zu Gressow und des Herrn John Kemble über mehre neu erworbene interessante Alterthümer der Sammlung zu Hannover, namentlich den Untertheil eines eisernen Wagens aus einem Grabhügel in der Nähe Hannovers.

W. G. Beyer, Dr., Archiv-Secr.,     
als zweiter Secretair des Vereins.     

 

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