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V. Zur Naturkunde.


Der Ur = Stier (Wisent, Ur, Tur, Büffel),
Bos primigenius.

In unsern Torfmooren werden nicht selten gewaltige Gehörne, Zähne und andere Knochen ausgegraben, welche dem jetzt ausgestorbenen Ur = Stier gehört haben (vgl. Jahrb. IX, S. 496, und X, S. 418, und erster Bericht über das Antiquarium zu Schwerin, S. 19). Es hat uns aber bis jetzt ein vollständiger Schädel dieses Thieres gefehlt, welches für Meklenburg von besonderem Interesse ist.

Der Reichsfreiherr August von Maltzan Exc. auf Duchnow etc. . schenkte seinem Neffen, dem wail. Reichsfreiherrn Albrecht von Maltzan auf Peutsch, Peccatel etc. ., einen vollständigen, prachtvollen Schädel dieses Thieres, welcher in Polen hinter Warschau ausgegraben ist. Zugleich mit diesem ungeheuren Schädel kamen die Urnen von Lippiny an, welche unser Verein sogleich zum Geschenke erhielt (vgl. Jahrb. XII, S. 442 flgd.). Ich habe diese Seltenheiten selbst ausgepackt, als sie im J. 1846 aus Polen ankamen. Nachdem unser unvergleichlicher und unvergeßlicher Freund am 11. Oct. d. J. gestorben ist, hat dessen Vater, der Herr Landrath Reichsfreiherr von Maltzan auf Rothenmoor, in Uebereinstimmung mit seinen Söhnen, in dem lebhaften Wunsche, im Geiste seines Sohnes in dessen wissenschaftlichen Bestrebungen fortzuhandeln, diesen Schädel unserm Vereine geschenkt, um demselben ein dauerndes Andenken an seinen verstorbenen Sohn und dessen frühes Hinscheiden zu hinterlassen.

Ueber diesen Schädel ist eine polnische Abhandlung geschrieben:

O turach i zubrach z okolicznosci znalezienia niedawno czaszki wolu kopalnego w pruszkowie w plocki przez Antoniego Wage. Warszawa, 1843.

Diese zu dem Schädel gehörende Abhandlung hat der Reichsfreiherr von Maltzan auf Gr. Lukow aus dem Nachlasse seines verstorbenen Bruders Albrecht dem Vereine geschenkt.

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Außer diesem und dem wissenschaftlichen Werthe hat dieser Schädel für Meklenburg noch das große Interesse, daß er uns endlich ein gutes Vorbild zu dem meklenburgischen Landeswappen gewährt. Denn nach vieljährigen, tiefen Forschungen ist der Kopf dieses Thieres unzweifelhaft das Wappenbild der Herrschaft Meklenburg, während der Kopf des jetzt lebenden Rindes das Wappenbild der Herrschaft Werle ist.

Die Bestimmung dieses Thieres ist sehr schwierig, da in dem Namen desselben eine unglaubliche Verwirrung herrscht, eine noch größere, als in den Namen der Fichte und Tanne in den verschiedenen Gegenden Deutschlands.

Eine Beschreibung und Untersuchung des Schädels wird ohne Zweifel die Bestimmung feststellen. Die Stirn unsers Schädels ist viereckig und nicht allein platt, sondern sogar eingedrückt; die "vorspringende Queerleiste", zwischen Stirne und dem platten, etwas eingedrückten Hinterhauptbein, ist horizontal ganz grade und trägt an seinen Enden die Hörner. Die Hörner sind weit, halbmondförmig gebogen und nur an den Spitzen sehr wenig, kaum bemerkbar nach oben gekrümmt. Die Stirn ist zwischen den Hörnern 8 1/2? hamburg. Maaß, an der schmalsten freien Stelle 9?, zwischen den Augen 12? breit und vom Hinterhaupt bis zur Mitte der Augen 12? lang. Die Hörner stehen in ihrer weitesten Biegung 27? und in den Spitzen 22? aus einander und haben an der Wurzel einen Umfang von 14?. Von unten angesehen erscheinen die Hörner ganz halbmondförmig, wie an dem Büffelskopfe auf dem meklenburgischen Wappen. Durch die Stirn unterscheidet sich dieser Stier wesentlich von dem noch im bialowieser Walde lebenden Urochsen (bos urus, bison), welcher eine gewölbte Stirn hat.

Wenn nun auch der Ochse, dem unser Schädel angehört, der Gattung nach bestimmt ist, indem er ziemlich bekannt ist, so ist er doch keinesweges dem Namen nach bestimmt. Wir können ihn nur den Ur = Stier nennen, von dem unsere Stiere als Hausthiere herkommen; es ist nicht der litthauische Urochse, nicht der Auerochse, nicht der Bison, von denen jetzt Gattung und Namen feststehen. Ueber dies Alles hat Oken in seiner Naturgeschichte VII, 2, S. 1420 flgd. sehr ausführlich historischen Bericht erstattet. Schon im frühen Mittelalter war die Namensverwirrung sehr groß; vgl. Oken a. a. O. Unser Ur = Stier ist gewiß das Thier, welches in der deutschen mittelalterlichen Poesie unter dem Namen Ur und Wisent (bison) neben dem Elch (Elen) als Thier der hohen Jagd häufig vorkommt. In Meklenburg, wie überhaupt in den slavischen Ländern, hieß er, wie noch jetzt in Polen und Masovien, Tur; daher kommt in

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Meklenburg der Name des Landstriches Ture und der öfter vorkommende Name Turow. Seit der Germanisirung scheint er in Meklenburg Büffel genannt zu sein, da die Bezeichnung des meklenburgischen Wappens mit dem Namen Büffelskopf ganz volksthümlich ist und schon in Urkunden des Mittelalters vorkommt.

Schwerin, Weihnacht 1851. G. C. F. Lisch.