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III.

Ueber

Ernst von Kirchberg,

Verfasser der meklenburgischen Reimchronik vom Jahre 1378,

von

G. C. F. Lisch.


D ie deutschen Ostseeländer besitzen in der meklenburgischen Reim=Chronik des Ernst von Kirchberg vom Jahre 1378 ein in diesen Ländern einziges Werk, welches in vieler Hinsicht sehr beachtenswerth und wichtig ist, wenn es auch den hohen Werth der lübischen Chroniken, einer Hauptquelle mittelalterlicher Geschichte, lange nicht erreicht. Die Originalhandschrift auf Pergament in Groß=Folio bewahrt das großherzoglich=meklenburgische Geheime und Haupt= Archiv zu Schwerin; ein nicht sehr correcter, bisher der einzige Abdruck ist in v. Westphalen Mon. ined. IV, p. 594-846, enthalten. Der erste, in nachstehenden Zeilen mitgetheilte Abschnitt, in welchem der Verfasser sich selbst, seinen Zweck und seine Zeit nennt, giebt eine klare Anschauung von dem dichterischen Gehalt und der Form des Werkes.

Miniaturbild.      Thema.
O et alpha, kyrios,
Emanuel et yschiros,
Altissimus, almechtig,
dyn gnade sy betrechtig,
  God vatir, son, heiligir geyst,
gib mir dyn helfe vnd euch volleyst,
du eynich god vnd drylich genennet,
myn ynnekeyt daz wol irkennet,
daz an dyne helfe nicht
volkumen mak in keyner schicht,
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  sint du bist anbegyn vnd ende:
so ruche heylant myn vnd sende
mir kunstelosen hartin
vz dyner kunste gartin
getichte, daz virnemelich
sy vnd dir, vatir, lobelich.
Mit geblumeten worten cziren,
virnunft rethorisiren,
des bin ich leyder gar eyn kynt
vnd an kunstlicher witze blynt,
virdummet vnd virnarred,
dar vm nach hulfe harred,
nach kunst vnd nach genaden stur;
zu wylde ist mir vil ebentur
zu sagen vnd zu kunden
virnemelich vz grunden,
dy ich kunstenloser man
hy vor mich genomen han:
kunde ich dy sunder strafin
gecziren vnd geczafin,
daz were mir gelinges gold.
Der gude prister Helmold
hat in latinischer czungen
von alden vnd von iungen
Wentlanden vnd der herren geschicht
der gemeynen fulg virgeszin nicht;
her wolde vnd hat geticht von yn
ir virlust vnd ir gewyn
vnd von aldens her ir leben
hat her bescrieben eben:
sus hat her der behende
dy croniken der Wende
bescriebin vns gar meystirlich
vnd dy getichtet lobelich
mit stoltzen spruchin in der kunst.
Almechtig god, gib mir virnunst,
daz ich des volkumme nu,
mit dutschen worten bringe zu
ryme vnd zu gudem synne,
daz mich mit gantzer mynne
eyn getruwir furste tichten bad,
der von gelimphe ny getrad,
in eren milde vnt da by kurg,
herczoge Albrecht von Meklenburg,
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  des dy laut Obotritin syn
vnd ist eyn greue zu Sweryn,
Rostokir herschaft vnd Stargartin
gehoren an den fursten hartin;
syn mildigheit mich dar czu bant,
daz ich mich des vndirwant:
mit myner kleynen kunste phlichte
nam ich vor so dyt getichte.
Maria mutir vnde mayd,
bis hulfe mir y nicht vorczayd,
daz mir also gelinge,
daz ich dit buch vollinbringe
virnemlich mit getichtes kunst,
gyb mir rethoriklichen brunst
in ynnygheit myns herczin,
daz ich nachstrafynder smertzin
blybe sichir vnde fry;
des hilff mir ouch adonay,
daz ich der materien gang
nicht zu kurtz vnd nicht zu lang
mit warheit so betrachte,
daz ich mit keyner slachte
strafe moge syn bevallin,
ob mit mir ymant syn schallin
habin wolde durch myn vnkunst
vnd durch myne kindische virnunst;
nu hilf mir vort eynborner son,
du hoher tetragramaton.
Daz dyt buch so wart irhabin
dutsch vz latinischin buchstabin
vmb herczogin Albrechtis bede gar,
daz was du man screib tusint iar
dryhundert achte vnd sybenczig vord
also lange nach godes gebord;
vf den frytag nach epyphany,
du bestunt ich kunsten fry
dyt buch zu puren vnd zu fynen
dudisch gar vz den latinen
vnd hub an also dyt werg:
daz ted ich Ernst von Kirchberg.
Wo hern Helmoldes getichte want,
da suchte ich vorbaz, da ich vant
me croniken sunder lassin,
der Romer vnd der Sassin
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  vnd der von Thenemarkin rich,
dy mich vnderwyseten glich,
des ich hy nicht vinden kunde,
vnd irfur ys vz manigem munde,
so ich allirbeste mochte,
vnd daz ez mir zu wiszin tochte,
vnd waz ich kunde irfarin y
daz han ich belichtet hy,
wo ich es kunde bevragin
mit worheit sunder czagin,
des han ich gespart nicht
nach myner ynniglichen phlicht,
myn sichtekliches sehen
vnd myner vrage spehen,
der ich wielt zu mancher stunde,
von man zu manne, von munt zu munde,
von buchin hin zu buchin.
God hilf, daz ich myn suchin
so ydelich icht habe getan,
daz mich doch ymant strafe dran.

Aus dieser Probe sieht man, daß das Werk eine mittelhochdeutsche Dichtung ist, wenn auch grade nicht hohen Schwunges.

Zur Beurtheilung des historischen Werthes der Chronik und der Geistesrichtung ihres Urhebers ist es nun von wesentlicher Bedeutung, zu wissen, was für ein Vaterland und was für einen Stand der Verfasser gehabt habe. In der Chronik selbst sind keine Andeutungen hierüber enthalten; Urkunden reden über den Verfasser auch nicht, ja es wird selbst sein Name außer der Chronik nicht weiter genannt. Daher sind auch die Urteile über die Chronik und ihren Verfasser zu allen Zeiten sehr verschieden gewesen, je nachdem die Geschichtschreiber diese oder jene vorgefaßte Meinung über ihn gehabt haben.

Die ältern Geschichtschreiber sind der Ansicht, Ernst von Kirchberg sei ein meklenburgischer Edelmann, und zwar weltlichen Standes gewesen.

Der meklenburgische Archivar Schultz im Anfange des vorigen Jahrhunderts sagt in einer Abhandlung über das meklenburgische Wappen, E. v. Kirchberg sei ein

"eingeborner meklenburgischer Edelmann und des Königs von Schweden, auch Herzog Albrecht II. von Meklenburg Hofbedienter"

gewesen.

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Eine gleiche Ansicht stellt auch Franck A. u. N. M. VI, S. 308, auf, wenn er sagt:

"Bis hieher hat auch Mecklenburgs erster einheimischer Geschicht=Schreiber gelebt. Es war derselbe Ernst von Kirchberg, welcher für einen Mecklenburgischen Edelmann gehalten wird, dessen Geschlecht sich sonst die Kerbergen genannt, und seine Güter im Ampt Wredenhagen zu Retzow und Crümmel hatte. Er ist bey dem Hertzoge Albrecht und dessen Sohn, dem König Albrecht von Schweden, als Raht in Diensten gestanden."

Dagegen sagt Rudloff, M. G. II, 2, S. 441 flgd., obwohl er aus den Quellen schöpfte und mit gediegener Kritik prüfte:

"Ein Mecklenburgischer Edelmann, wie man gemeiniglich dafür hält, ist Ernst von Kirchberg sicherlich nicht gewesen: das beweiset schon der Name, die Sprache und die ganze Arbeit. Merkwürdig ist es zwar, daß genau um eben die Zeit, wo der Geschichtschreiber lebte, (1370, Aug. 29) ein Beteke von Kerkberge von Otto Retzow einen Antheil in Loyßow kaufte und (1374, Aug. 24) dem Knapen Jacob Tzartewißen einen Antheil in Reddechlin verkaufte. Allein eben so merkwürdig ist es auch, daß vor dieser Zeit keine Spur dieser Familie in Mecklenburg anzutreffen ist. So wahrscheinlich es also hiedurch wird, daß selbige erst um diese Zeit sich in Mecklenburg niedergelassen hat, so gewis ist es dagegen, daß Chroniken, besonders in hochdeutschen Reimen zu schreiben, damals eben nicht die Sache des hiesigen Adels war. Wenn also Ernst von Kirchberg auch zu jener Familie gehörte, die seitdem in Mecklenburg einheimisch blieb; so war er doch von Geburt ohne Zweifel ein Oberdeutscher und von Metier wahrscheinlich ein Geistlicher, obgleich keine der bisher bekannten vielen Urkunden aus dem Zeitalter, worin seine Chronik geschrieben ist, ihn unter dem herzoglichen Gefolge, oder unter der Geistlichkeit des Landes als Hauptperson oder als Zeugen namhaft macht."

Ihm folgen mehr oder weniger die neuesten Geschichtschreiber: z. B. v. Lützow in seiner M. G. II, S. 331, indem er sagt, daß

"Ernst von Kirchberg aus dem Reiche gebürtig war und vermuthlich erst zu dieser schriftstellerischen Arbeit nach Mecklenburg kam,"

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und Beyer in Jahrb. XI, S. 38, welcher meint, daß

"Ernst von Kirchberg, nach einer wenigstens sehr wahrscheinlichen Vermuthung, ein Mönch des Klosters Doberan"

gewesen sei.

Alle diese Ansichten sind auf nichts weiter begründet, als auf die Kunst und die Sprache des Verfassers und auf die Tendenz, welche die Geschichtschreiber in seinem Werke zu erkennen glaubten.

Bevor die besondere historische Untersuchung beginnt, müssen diese Ansichten der Geschichtschreiber beleuchtet werden; dies kann in unsern Zeiten sehr kurz und ohne Beweismittel geschehen, da Deutschland hierüber eine überaus reiche, gesicherte Literatur besitzt. Es bedarf nur einer einfachen Hinweisung.

Die Chronik des E. v. Kirchberg ist in mittelhochdeutscher Sprache in Reimversen abgefaßt, ist also ein Stück von mittelhochdeutscher Poesie. Die allgemein gebräuchliche Sprache der Poesie im Mittelalter, vom Anfange des 12. Jahrh. bis in das 15. Jahrh., war aber jene unter den Hohenstaufen ausgebildete oberdeutsche Sprache, welche wir jetzt in der Wissenschaft die mittelhochdeutsche nennen; diese Sprache war damals eben so allgemein verständlich, wie jetzt die ihr sehr nahe stehende hochdeutsche Schriftsprache, und war allgemein angenommene Form für alle Dichtung, namentlich an den Höfen: es giebt in jener Zeit kaum andere Dichterwerke, als mittelhochdeutsche.

Die Form der Reimchronik ist also durchaus kein Beweis für die oberdeutsche Herkunft ihres Verfassers. Der Dichter mußte nach der herrschenden Sitte der Zeit in dieser Sprache dichten, zumal er für den Fürsten und dessen Hof schrieb, er mochte geboren und erzogen sein, wo er wollte.

Das Vaterland eines mittelhochdeutschen Dichters läßt sich außer den etwanigen historischen Andeutungen in der Regel an den mundartlichen Beimischungen und Eigenthümlichkeiten erkennen, mit denen seine Sprache gefärbt ist. Nun ist es auf den ersten Blick klar, daß nicht nur der ganze Ton, sondern auch die Sprache Kirchbergs sehr häufig niederdeutsch anklingt: z. B. in dem häufigen dyt statt diz, in dem häufigen drad, auf tad reimend, statt drate, in mudir (statt muter), auf brudir reimend, in Formen wie worheit statt warheit, bede u. s. w.

Dergleichen niederdeutsche Eigenthümlichkeiten, die in der Originalhandschrift wohl nicht auf Rechnung des Schreibers kommen können, begegnen dem Leser sehr häufig. Man ist daher zu dem Schlusse berechtigt, daß E. v. Kirchberg ein Niederdeutscher gewesen sei.

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Eben so wenig läßt sich daraus, daß E. v. Kirchberg die Chronik abgefaßt habe, schließen, daß er ein Geistlicher gewesen sein müsse, weil "man die Kunst, zu schreiben und zu dichten, gerne den Geistlichen überließ" (Rudloff). Es ist jetzt allgemein bekannt, daß bei weitem die meisten Dichter jener Zeit, namentlich die bedeutendsten, wie "her Wolfram von Eschenbach, her Walther von der Vogelweide, her Hartmann von der Aue" und unzählige andere, Ritter oder rittermäßiger Herkunft waren. Das Dichten war zu jener Zeit eine Lieblingsbeschäftigung des Ritterstandes; das Schreiben besorgte allerdings die Geistlichkeit. Geschrieben hat E. v. Kirchberg die Handschrift sicher nicht; aber er brauchte kein Geistlicher zu sein, um die Dichtung auszuführen. Es läßt sich also aus dem Vorhandensein der Dichtung nicht anders auf den Stand des Dichters schließen, als daß er aller Wahrscheinlichkeit nach von ritterlichem Geschlechte gewesen sei.

E. v. Kirchberg hat häufig das Kloster Doberan genannt und ohne Zweifel die doberaner Quellen benutzt. Man hat hieraus schließen wollen, er sei ein Mönch des Klosters gewesen: gewiß mit Unrecht. Die Abtei Doberan war das älteste, reichste und angesehenste Mönchskloster im ganzen Lande, Hauptbegräbnißort der Fürsten aller Linien, Besitzerin eines reichen Urkundenschatzes und vieler Aufzeichnungen (vgl. die doberaner Genealogie in Jahrb. XI, S. 1 flgd.) und Ueberlieferungen, und Lieblingsaufenthalt der Fürsten, welche in dem nicht weit vom Meere reizend gelegenen, reichen Kloster häufig Ablager hielten. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß jeder Geschichtschreiber des meklenburgischen Mittelalters in Doberan seine Studien machen mußte und hier allein vorzüglich machen konnte, zumal wenn er von den Landesherren begünstigt ward. Es läßt sich also auch aus der Benutzung der doberaner Quellen keineswegs folgern, daß E. v. Kirchberg dem Kloster Doberan angehört habe.

Alles dieses ist so bekannt und gesichert, daß es keines Beweises und keiner Kritik bedarf.

Es bleibt also aus den früher aufgestellten Ansichten nur die zur Prüfung übrig, ob E. v. Kirchberg dem rittermäßigen Geschlecht der von Kerkberg angehört habe; sie allein kann fruchtbar werden und wurzelt allein in historischem Boden. Franck scheint diese Ansicht zuerst aufgestellt zu haben; Rudloff folgte ihr um so lieber, als er die alten Originalurkunden des schweriner Archivs über diese Familie kannte. Allerdings muß man dieser Ansicht beipflichten; der Name Kirchberg ist nichts weiter, als eine niederdeutsche Form des Namens Kerkberg.

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Bevor aber der Beweis geführt werden kann, von welcher Herkunft und von welchem Stande Ernst von Kirchberg gewesen sei, ist es nöthig, daß man eine klare, möglichst vollständige Einsicht in die Geschichte der Familie von Kerkberg oder von Kerberg gewinne.

Vor dem Jahre 1370 kommt in Meklenburg kein Kerkberg vor. Die einzige Person dieses Namens in frühern Zeiten ist ein "magister Hinricus de Kircberg", welcher in einer dargunschen Urkunde der pommerschen Herzoge am 1. Febr. 1292 als Geistlicher ("clericus") unter den Zeugen genannt wird.


Die Familie von Kerkberg.

Die Familie von Kerkberg oder Kerberg 1 ) war eine märkische Vasallenfamilie, welche ihre Stammgüter in der Nähe von Pritzwalk hatte. Das Gut Kerberg oder Kehrberg, südlich von dieser Stadt, war ohne Zweifel seit alter Zeit der Rittersitz des Geschlechts; neben demselben lagen andere den von Kerkberg gehörende Dörfer. Wir lernen die Familie in alter Zeit vorzüglich, und fast allein, aus ihren Verhältnissen zu dem zwischen Witstock und Pritzwalk gelegenen Kloster zum Heiligen Grabe kennen, dessen vorzüglichste Güter östlich von der Stadt Pritzwalk und den kerkbergschen Gütern lagen. Zuerst begegnen wir einem Hampo de Kerberc im J. 1326 im Gefolge des Markgrafen Ludwig von Brandenburg, als dieser dem Kloster zum Heiligen Grabe das Eigenthum der Grävendiksmühle verkaufte (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 1, S. 483, nach der Original=Urkunde); derselbe wird der Ritter "Hampo von Hertberge" sein, welcher am Ende des 13. Jahrh. in einer undadirten Original=Urkunde desselben Klosters (bei Riedel daselbst


1) Als ich diese Abhandlung in die Druckerei geben will, kommt mir durch Vermittelung meines Freundes v. Ledebur zu Berlin dessen Abhandlung: "Der Adel in der Mark Brandenburg nach Wappenbildern gruppirt und auf Stammesgemeinschaft zurückgeführt", in den Märkischen Forschungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg, III, Heft 1, 1845, S. 96 flgd., in die Hände. Mein verehrter Freund hat in dieser Abhandlung den ohne Zweifel richtigen Grundsatz aufgestellt, daß trotz verschiedener Namen ein gemeinsamer Wappenschild auf denselben Stammvater zurückführe, und hiernach in der ersten Abtheilung drei Familiengruppen bebandelt. Die Arbeit ist durch die Zusammenstellung interessant, aber die Ansicht ist nicht neu. Bei allen frühern Versuchen dieser Art, auch noch bei v. Ledebur, fehlt immer der urkundliche Beweis, also die Hauptsache; diesen aber habe ich schon im Anfange des Jahres 1844 in der Geschichte des Geschlechts Hahn vollständig geliefert. Für die gegenwärtige Abhandlung ist zu bemerken, daß in v. Ledebur's Abhandlung auch die "Gruppe mit der senkrechten Spitzentheilung" und in dieser auch die Familie v. Kerberg, a. a. O. S. 117, behandelt ist. Da dieser Abschnitt aber nichts wesentlich Neues giebt, so habe ich meine Forschungen nicht umarbeiten wollen sondern etwanige Ergänzungen und Abweichungen in den Noten behandelt.
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S. 479) genannt wird. Im J. 1354 trat Henning von Kercberghe zu Heiligengrabe für Wigalois von Stendal als Bürge für eine Schuld gegen das Kloster ein (vgl. Riedel a. a. O. S. 487). Dies sind die geringen Spuren von dem Geschlechte in ältern Zeiten. Erst nach dem J. 1370 finden sich genauere Nachrichten. Am 23. Junii 1371 zu Kiritz schenkte der Markgraf Otto von Brandenburg dem Kloster zum Heiligen Grabe das Eigenthum und die völlige Freiheit des nördlich an Kerberg grenzenden Dorfes Klein=Woltersdorf, welches bis dahin die Brüder Henning, Beteke und Vivianz von Kerkeberg und Anna, deren Muhme ("patruus", = im deutschen Urkundenstyl: vedderke), seine Vasallen ("nostri fideles dilecti"), von ihm bis dahin zu Lehn getragen hatten (vgl. Riedel a. a. O. S. 489 flgd., nach dem Originale). Wahrscheinlich waren die Genannten, deren Namen die eigenthümlichen Vornamen des Geschlechts sind, die alleinigen damals lebenden Glieder der Familie oder der Linie. Im J. 1380 verkauften die Brüder Heine und Kune von Winterfeld an "Beteke von Kerberch" ihre Renten aus dem bei Kl. Woltersdorf liegenden Dorfe Schönebeck (vgl. Riedel a. a. O. S. 490), welche später auch an das Kloster zum Heiligen Grabe übergingen (vgl. Riedel a. a. O. S. 469). Im J. 1373 wurden die "von Kerkberge" unter der Ritterschaft der Prignitz aufgeführt, als der Markgraf Otto die Stände des Landes zur Huldigung an den Kaiser Carl IV. und dessen Sohn Wenzel wies (vgl. Lenz Marggräfl. Brand. Uhrkunden, S. 424, und Beckmann Mark Br. V, II, S. 28).

Zu derselben Zeit als die von Kerkberg ihr altes märkisches Lehn Kl. Woltersdorf an das Kloster zum Heiligen Grabe veräußerten, findet man die ersten Spuren ihrer Ansässigkeit in den Meklenburgischen Landen. Am 12. Mai 1370 nämlich verkauften die Brüder Otto und Harnit Römer dem Beteke von Kerkberghe und dem Otto Retzow, Gothmars Sohn, das Recht der Einlösung ihres Gutes zu Leussow, welches Otto Retzows Vater seiner Tochter, der Mutter der Brüder Römer, mitgegeben hatte 1 ), und am 29. August 1370 verkaufte Otto Retzow demselben Beteke von Kerkberghe seine Besitzungen in demselben Dorfe Leussow, unter Zustimmung der beiden Brüder Römer 2 ). Das Dorf Leussow, im Amte Mirow, dessen Besitz getheilt gewesen zu sein scheint, ging nach und nach an die Johanniter=Comthurei Mirow über: schon im J. 1273 verlieh der Fürst Nicolaus I.


1) Vgl. Urk. Samml.
2) Vgl. Urk. Samml.
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von Werle derselben 2 Hufen in Leussow mit aller Freiheit (vgl. Jahrb. II, S. 225) und im J. 1296 beschenkte der Fürst sie mit dem Eigenthum und mit der Abgaben= und Dienst=Freiheit derselben Hufen (vgl. Jahrb. II, S. 236 u. 238), zu welcher Handlung die Brüder Otto und Gothmar von Retzow als Zeugen ihre Zustimmung gaben; im J. 1301 verkaufte derselbe Fürst der Comthurei das Eigenthum von 32 1/2 Hufen in demselben Dorfe (vgl. Jahrb. II, S. 243), und im J. 1387 nahm die Comthurei von Wedege von Plate das halbe Dorf Leussow zu Pfande (vgl. Jahrb. II, S. 269): bald darauf erscheint das ganze Dorf, welches noch heute zum Amte Mirow gehört, im Besitze der Comthurei.

Die von Retzow erscheinen schon früh in der Gegend von Röbel und der südlichen Müritz, z. B. der Ritter Gothmar von Retzow 1270, der Ritter Otto von Retzow 1291-1304 und der Knappe und Marschall Gothmar von Retzow 1301, u.a. (vgl. Jahrb. II, S. 223-251). Im J. 1298 verkauften die Brüder Otto, Ritter, und Gothmar, Knappe, von Retzow der Comthurei Mirow das Dorf Gaarz an der Müritz und die Brüder Otto und Heinrich, Ritter, und Gothmar, Marschall, von Retzow gaben zu dieser Veräußerung als Zeugen ihre Zustimmung (vgl. Jahrb. II, S. 239-241). In der Folge werden als alte Lehen der Familien von Retzow die Güter Retzow, Rechlin und Leppin, zwischen dem östlichen Ufer der südlichen Müritz und der Comthurei Mirow, namhaft gemacht. Die von Kerkberg hatten vielfach Theile von diesen Gütern erworben. Die Familie von Retzow soll um das J. 1700 ausgestorben sein (nach v. Gamm in Jahrb. XI, S. 454). Nach den Lehnacten von Retzow war Joachim Ernst von Retzow um das J. 1700 gestorben und hatte nur zwei Töchter hinterlassen. Jedoch lebte noch im J. 1703 im Strelitzischen ein Burchard Friederich von Retzow, welcher damals sein Gut Eickhorst an Jürgen von Oldenburg abtrat. Die von Retzow in der Mark starben im J. 1836 aus: vgl. v. Ledebur in Märk. Forsch. II, S. 387.

Auch in Rechlin müssen damals die v. Retzow Besitzungen an die v. Kerkberg verkauft haben; denn am 24. Aug. 1374 verkaufte Beteke von Kercberghe an den Knappen Jacob Zartewitz 3 Hufen zu Rechlin ("Reddechlin") 1 ).

Der in Meklenburg um diese Zeit als Käufer auftretende Beteke von Kercberg ist höchst wahrscheinlich einer der drei Brüder aus der Mark, welche im J. 1371 das Gut Kl. Woltersdorf an das Kloster zum Heiligen Grabe veräußert hatten.


1) Vgl. Urk. Samml.
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Nach dieser Zeit verschwinden 1 ) die Nachrichten über die Kerkberg oder Kerberg in Meklenburg eine Zeit lang gänzlich, bis sie um den Anfang des 16. Jahrh. 2 ) mit altem Güterbesitze wieder auftreten und sich bis zum Aussterben verfolgen lassen. Als erster Anknüpfungspunct erscheinen Besitzstreitigkeiten der beiden Häuser Krümmel und Kerberg, welche im J. 1497 zu Fehden zwischen Hans und Henning auf Krümmel und Hampe, Henning und Heinrich auf Kerberg ausgeartet waren. In den Verhandlungen darüber ward folgende Klage angebracht:

Dat anseggent, dat Hans vnnd Henningk gebrûder de Kerberge, myner g. h. vnderdâen hebben gegen ere vedderen Hampe, Henningk vnnd Hinrick.

Item X hôuen up deme velde to Kerberge.

Item XV wurde up deme suluen velde mit wische, holtinge, gresinge vnd mit aller herren rechticheit.

Item efft wy Henningk vnnd Hans gebrûder de Kerberge noch itwes mêr rechticheit in vorgeten hadden vnd noch mochten vtvrâgen, vns vnschedelich.

Vnnd wy sie vâken vmme bolanget, âuers nicht kônen eynen recht wêten krîgen, wo se dâr sîn by gekâmen, edder nicht, vnnd dâr vîll vmme vertêrth.

Dagegen ward folgende Klage erhoben:

Heinrich vnnd Hampe dy Kerberge vettern beclâgen sich, wy dy Kerberg zu Krummell, der heren von Mecklburg belêhenden man, in uerganngen iârn mit nâm, brannt vnd rôff beschedigt aus der herrn von Mecklburg lannd vnnd wîder dârein, den schâden achten sy auff acht hundert gulden, bitten în


1) In der Prignitz wird 1433 ein "Betke Kerberch to Kerberghe", mit dem bezeichnenden Vornamen, genannt; (vgl. Riedel Cod. Dipl. Brand. I, 1, S. 113).
2) v. Ledebur theilt mir brieflich aus einem auf dem Rathhause zu Pritzwalk aufbewahrten Verzeichnisse der Kalands=Mitglieder, scheinbar aus dem Anfange des 16. Jahrh, folgende Namen mit, welche in diesem Register in Absätzen in nachstehender Folge sich finden:
   Anne van Kerberge, Henning van Kerberge.
   Beteke van Kerberge, Elizabeth uxor cjus.
   Merten van Kerberge.
   Hans van Kerberge, Viviantz van Kerberghe, Beteke van Kerberghe.
   Viviantz van Kerberge cum uxore.
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solichen schâden verbûst zu verschaffen von den gnanten Kerbergen iren beschedigern.

An diese Streitigkeiten schließt sich dann unmittelbar der kurfürstliche Lehnbrief vom 14. Aug. 1514 1 ).

In der Zeit der neuern Geschichte waren die vorzüglichsten alten Güter der Kerberg in Meklenburg: Krümmel, Retzow und Klopzow, alle im Amte Wredenhagen belegen: der Hauptrittersitz der Familie aber war Krümmel 2 ), an welches die Feldmark Göhren (belegen harde by der "landtwehre") grenzte; außerdem hatten sie noch mehrere andere Güter auf kürzere Zeit im Besitze. Die Hauptgüter erscheinen in zwei Hauptmassen getheilt, von denen die eine Klopzow und Retzow, welches die Familie ohne Zweifel von den von Retzow erworben hatte, die andere Krümmel und Göhren 3 ) umfaßte; beide Hauptmassen liegen am östlichen Ufer der südlichen Müritz: die nördliche Hauptmasse, Klopzow und Retzow, ist von der südlichen, Krümmel, durch die mirowschen Comthureidörfer Gaarz und Viezen und durch das dobbertinsche Klosterdorf Lärz getrennt; aus allen diesen Besitzverhältnissen erklärt sich denn auch die Zerstückelung der landesherrlichen Rechte zwischen Meklenburg=Schwerin und Meklenburg=Strelitz in dieser Gegend.

Nach diesen beiden Gütermassen theilte sich auch die Familie von Kerkberg in Meklenburg in zwei Linien: in die schwarze auf Krümmel und in die weiße auf Klopzow. Dies wird aus den Streitigkeiten klar, welche sich über die Nachfolge im Lehn erhoben, nachdem im J. 1673 die krümmelsche Linie mit Henning von Kerkberg, welcher ohne alle Leibeserben starb, erloschen war. In einem Zeugenverhöre vom 2. Sept. 1674 heißt es:

Adelheid Margaretha von Kerbergen, Hr. Berndt von der Lühen eheliche Hausfrawe, zeugete an Eydes staet, das Sehl. Maria Kerbergen begebene Closter Jungfer zue Malchow, alß Detloff Kerbergen nahe anverwandten, als Brüder Kinder, zu ihr offtermahls gedacht vndt ausgesaget, die Kerbergen von Klobtzow, worunter Detloff Kerberg mit begriffen, würden die weißen, vndt die von Krümmel die schwartzen, vmb des


1) Vgl. unten und Urk. Samml.
2) Nach dem Berichte des Herrn Lindig, Predigers zu Laerz und Krümmel, ist die Kirche zu Krümmel im J. 1734 von der Familie von Arenstorf neu aufgebaut und enthält gar nichts Alterthümliches.
3) Die Feldmark oder Meierei Göhren kommt bis in die Mitte des 18. Jahrh. als Pertinenz von Krümmel vor; wie die jetzigen, vielleicht aus Göhren entstandenen Pertinenzen Ichlim und Troja in der Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden sind, ist aus den Acten nicht ersichtlich, wie häufig bei den im vorigen Jahrhundert entstandenen Pertinenzen ritterschaftlicher Güter.
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vnterscheidts halben, daß sie nicht in Eine Linie gehöreten vnd die gesambte handt hetten, genandt, vnd köndten also die weißen, alß die von Klobtzow, denen Schwartzen von Crümmel im lehn nicht folgen, vndt kehmen also gar nicht bey einander; dieses hette nicht allein die Sehl. Jungfer Maria Kerbergen ihr offtermahls erzehlet, besondern hette es auch von vielen andern gehöret, welches sie auf ihr gewißen nehmen köndte.

Dasselbe wird auch von Andern an mehrern Stellen der Proceßacten berichtet. Allerdings werden die Kerberg von Krümmel und Klopzow zwei Linien gebildet haben; aber sie wurden in den Lehnacten immer als Vettern angesehen z. B. 1572 "Vivienz und Henning Geuettern von Kerckberg zu Retzow und Krümmel"; 1606 verkauft Daniel Kerberg zu Krümmel seinen Bauhof zu Retzow: Henning Kerberg zu Krümmel war sein Bruder und Heinrich, Christoph, Johann und Vivientz Kerberge zu Krümmel, Göhr und Kloptzow waren seine Vettern.

Ueber das Aussterben der Familie von Kerkberg sind die gedruckten Nachrichten nicht zuverlässig; die Aufklärung hierüber ist aber wichtig, da sie fast allein Licht auf die Familie wirft. Nach v. Pritzbur Index conc. v. J. 1722 soll die Familie ungefähr 30 Jahre vorher gänzlich ausgestorben sein. Dagegen bemerkt v. Behr. Rer. mecl. libr. p. 1623 v. J. 1741, daß zu seiner Zeit noch das Fräulein Maria Elisabeth von Kerberg gelebt und das Gut "Klovtow" (Klopzow) besessen habe. Die beste Nachricht giebt v. Gamm in seinem handschriftlichen Nachlasse in Jahrb. XI, S. 450, daß die "allerletzte Catharine Elisabeth" am 17. April 1742 unvermählt gestorben sei. In seinen Genealogien sagt er nur, daß "Heinrich v. Kerberg, so 1673 im 80sten Jahre zu Crümmel verstorben, der letzte seines Stammes gewesen sei und daß Christine Adelheid v. Kerberg, so mit Adam Christoph v. Ahrenstorf verheirathet gewesen und 1707 verstorben, das Gut Crümmel in dieses letztern Familie gebracht habe." Alle diese Nachrichten bedürfen einer genauern, actenmäßigen Berichtigung.

Die krümmelsche Linie starb im Jahre 1673 im männlichen Stamme mit Henning von Kerberg aus. Es lebten aber noch zwei Töchter seines verstorbenen Bruders, des Obristen Carl von Kerberg: Christine Adelheid, an Adam Christoph von Ahrensdorf zu Krümmel vermählt, und Catharina Helena, unvermählt. Das Haus Krümmel erlosch glanzlos; ein gerichtliches Actenstück ist merkwürdiger Weise datirt:

"Actum Krümmel auff sehl. Henning Kerberges gantz wüsten Hoeffe, woselbst nichts zu finden, alß die rudera

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des Hoeffs und ein alter bauwfelliger Stall, den 17. Marty 1674."

Es lebte damals aber noch von der klopzowschen Linie Dethloff v. Kerberg, aus Retzow, auf Klopzow, zu Ludorf wohnend, welches ihm theilweise adjudicirt war, jedoch im J. 1685 von seinen Erben an Adam Levin Knuth abgetreten ward, der dadurch zu dem vollständigen Besitze des ganzen Gutes Ludorf gelangte. Bald erlosch aber plötzlich auch die klopzowsche Linie der Kerberg, indem Dethloff v. Kerberg am 10. Januar 1676 und sein einziger Sohn Friederich am 14. Februar 1676 an einem grassirenden hitzigen Fieber starben. Dethloff von Kerberg hinterließ eine Wittwe, Anna geb. von Rekentin, und 4 Töchter, nämlich die an den preußischen Hauptmann Achatz Christoph v. Burghagen verheirathete Anna Emerentia († 1737) und 3 unverheirathet: Maria Elisabeth († zwischen 1735 und 1740), Ilsabe Catharine († 1742) und Margarethe Dorothea († 1731). Alle diese hatten bis zu ihrem Tode als Erbjungfern zu Klopzow gewohnt. Die vorletzte, Ilsabe Catharine, starb am 11. April 1742, über 80 Jahre alt, und mit ihr erlosch gänzlich das Geschlecht der von Kerkberg in Meklenburg.

Bei dem Aussterben der meklenburgischen Linie lebte von dem Geschlechte jedoch in der Mark Brandenburg noch Heinrich von Kerberg auf Kerberg. Nachdem aber auch dieser in dem verhängnißvollen Jahre, am 29. November 1676, gestorben war, waren dessen Söhne Joachim Christoph, Heinrich Christian und Ernst Jürgen die letzten männlichen Glieder des Geschlechts 1 ).

Das Gut Krümmel erscheint in den Lehn=Acten im J. 1523, und schon früher im J. 1497, als altes Lehn im Besitze der Familie von Kerberg. Merkwürdig ist aber, daß die Rohr auf Neuhaus in ältern Zeiten nicht allein von Krümmel, sondern auch von den meisten andern v. kerbergschen Gütern die Hälfte besaßen. Im J. 1568 erscheinen die Rohr zuerst im Besitze der Hälfte der Güter Krümmel und Göhren, wie ihre Vorfahren dieselben besessen hatten. Die Rohr veräußerten ihre Hälfte von Krümmel im J. 1583 an die von Marin, welche seit alter Zeit in jenen Gegenden ansässig waren. Die


1) Nach v. Ledebur's brieflichen Mittheilungen starb mit diesen das Geschlecht auch in der Mark Brandenburg aus. Die jüngsten waren die genannten 3 Söhne des Heinrich v. Kerberg auf Kerberg; Heinrich Christian starb als der letzte von ihnen im Jahre 1683 ohne männliche Erben. Caspar, ein Vetter des Heinrich auf Kerberg, lebte noch 1687. Eine Margarethe v. Kerberg, Gattin des Samuel Ernst v. Krüsicke auf Dannenwalde, starb am 16. September 1734. Von jüngern v. Kerberg ist in der Mark keine Spur. - So starb denn wirklich das ganze Geschlecht mit Ilsabe Catharine am 11. April 1742 aus.
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v. Marin aber verkauften im J. 1612 ihre Hälfte von Krümmel an Christoph von Ahrensdorf, und Hartwig v. Kerberg verkaufte im J. 1625 die Schäferei zu Göhren an denselben. Adam Christoph von Ahrensdorf zu Krümmel heirathete 1645 die Elisabeth v. Kerberg von Klopzow; im J. 1673 hatte er Christine Adelheid v. Kerberg aus Krümmel zur Frau, wahrscheinlich zweiter Ehe. Nach dem Tode des Henning v. Kerberg auf Krümmel 1673 machte nun Adam Christoph v. Ahrensdorf für seine Frau und deren unvermählte Schwester, als Erbjungfern, Ansprüche an Krümmel; zugleich erhoben sich mit Ansprüchen Dethloff v. Kerberg auf Klopzow und Heinrich v. Kerberg auf Kerberg. Der Streit dauerte einige Jahre, während welcher die streitenden Partheien dahinstarben. Heinrich v. Kerberg auf Kerberg entsagte zu Gunsten der Erbjungfern auf deren Lebenszeit seinen Ansprüchen; die nicht unbedeutenden Gläubiger drängten und v. Ahrensdorf kaufte sie aus; nach manchen Verhandlungen und Abtretungen ging im J. 1683 ganz Krümmel auf die Söhne des Adam Christoph von Ahrensdorf über und im J. 1695 ward Georg Otto v. Ahrensdorf namentlich mit dem v. kerbergschen Anteile an Krümmel belehnt. Seitdem sind die von Ahrensdorf im vollen Besitze des Gutes Krümmel gewesen.


Nach diesen Vorbereitungen wird sich ein sicheres Urtheil über den Ursprung und die Verbreitung der Familie von Kerkberg fällen lassen. Die Familie von Kerkberg oder Kerberg stammte ohne Zweifel aus der Prignitz, wo sie das alte Familienlehn Kerberg oder Kehrberg mit den angrenzenden Dörfern Kl. Woltersdorf, Vettin und Littbeck 1 ) besaß. Um das J. 1370 siedelte sich ein Glied dieser Familie, Beteke von Kerkberg, in Meklenburg am östlichen Ufer der südlichen Müritz zu Leussow und Rechlin an und wahrscheinlich erwarb seine Linie darauf die alten Lehen Krümmel mit Göhren und Klopzow mit Retzow, auf welchen sich zwei Unterlinien bildeten. Diese Ansicht galt auch immer in der Familie. Heinrich von Kerberg auf Kerberg sagte am 30. Mai 1674 vor Joachim Sietmann, Pastor zu Kerberg und Vettin, aus:

"Und saget erstlich vorwolgedachter Juncker Heinrich von Kerberg, das er zum öfftern von seinen Vor=


1) Nach v. Ledebur's brieflichen Mittheilungen besaßen die v. Kerberg auch das Gut Kramptsch (jetzt Krambsow?) neben den genannten Familiengütern und Gartz in der Altmark; so waren Gratian, Vivientz und Charin Gebrüder v. Kehrberg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. auf Kerberge, Krambs, Vettin und Garz erbgesessen.
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fahren gehöret, das die Krümmelschen vndt Gorschen Kerbergen vhrsprünglich auß der March vom Hause Kerberg weren, vndt so es die Noht erforderte, er solches mit seinem Eydt bekräfftigen wolte."

Eben so bezeugte am 16. Junii 1674 Maria Dessin, Friederich Kerbergs hinterlassene Wittwe, an Eides statt, daß sie von ihrem verstorbenen Manne oft gehört habe:

"das die semptlichen Kerberge auß Meckelnburgk vom Hause Kerberg beim Berlin entsproßen weren."

So ungefähr berichtet auch V. Gamm, indem er Jahrb. XI, S. 450, sagt, daß das Geschlecht sich ungefähr 1500 aus der Mark nach Meklenburg gewandt und hier das Gut Krümmel erworben habe, was jedoch nicht ganz richtig ist.

Diese Verhältnisse werden nun durch einen kurfürstlich=brandenburgischen Lehnbrief 1 ) vom 14. August 1514 zur größten Gewißheit geführt. Nachdem damals Henning v. Kerkberg auf Krümmel gestorben und die Muthung seiner märkischen Lehngüter versäumt war, hatte die Lehnsherrschaft dieselben als heimgefallen eingezogen; jedoch gab der Kurfürst Joachim am 14. Aug. 1514 den Vettern Hans und Henning v. Kerkberg diese Güter, bestehend aus 9 Hufen und 14 Worthen zu Kerberg, 1 Hof und 1 Hufe zu Vettin und das halbe Schulzengericht zu Littbeck, wieder zu Lehn. Nach den oben mitgetheilten Klagepuncten waren dies ungefähr die Antheile, welche die krümmelschen Kerberg an den altväterlichen Gütern in der Prignitz besaßen. Wer nun diese neu belehnten v. Kerberg gewesen sind, läßt sich nicht genau bestimmen, da die Vornamen Hans und Henning in jener Zeit in der Familie häufig vorkommen. Nach mehrern in den Acten mitgetheilten Ueberlieferungen starb ungefähr damals die eine Linie aus, die andere succedirte und bildete durch Theilung der Güter zwei neue Linien. So viel ist außer Zweifel, daß seit alter Zeit die krümmelschen (die schwarzen) und die märkischen v. Kerberg die nächsten Lehnsvettern in der Familie gewesen und wieder geworden waren; die klopzowschen (die weißen) v. Kerberg werden noch von der ersten Abtrennung im 14. Jahrhundert abstammen: sie wurden im 16. Jahrh. von den übrigen gar nicht mehr für nahe verwandt gehalten, da sie sich nicht mehr berechnen konnten. Daher hatte der letzte krümmelsche Henning v. Kerberg immer geäußert:

"die Kerberge auß der Mark wehren seine negsten Lehensfolgere, dan sein vater vom hause Karbergk aus


1) Vgl. Urk. Samml.
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der Marck bürtig; die von Klopzow alß Detloff Kerbergk gehörete nicht dazu, köndte auch nicht dazu kommen besondern vielmehr diese aus der Mark sich entsprießend wehren seine negsten Lehnserben."

Mit irgend einem süddeutschen Geschlechte von Kirchberg hat das Geschlecht der von Kerkberg keine Verwandtschaft, da die Wappen aller von Kirchberg von dem v. kerkbergischen Wappen verschieden sind: vgl. v. Meiern Geschichte der Reichs= und Burg=Grafen von Kirchberg.

Der Name Kerkberg ist eine plattdeutsche Sprachform für Kirchberg, und die Form Kerberg oder Kehrberg ist aus der Form Kerkberg entstanden 1 ). Die älteste Form des Namens ist nach den oben angeführten Urkunden, und überhaupt in den alten Originalurkunden und Acten, immer 2 ), vielleicht mit nur wenig Ausnahmen: Kerkberg oder Kercberg. Ungefähr bis zum J. 1580 schreibt die Familie ihren Namen: Kerkberg, z. B. noch 1569 "Vivienz Kerkberg" zu Retzow, 1572 "Vivienz und Henning Geuettern von Kerckberg" zu Retzow und Krümmel, "Christoph und Hans Gevettern die Kerckberge "zum Ghor und Krümmel vnd Henning Kerckberg zu Krümmel"; nach dieser Zeit aber wird der Name fast durchgehends Kerberg geschrieben, zuerst 1568 "Henning Kerberg zum Krümmel". -


1) v. Ledebur scheint a. a. O. die Form Kehrberg als Hauptform anzunehmen und hält sie nach einem reichhaltigen Schreiben an mich für die richtigere. In den Original=Acten des großherzogl. Archivs ist aber die Form v. Kerkberg bis zur Mitte des 16. Jahrh., wo sie sich in Kerberg abstumpft, die vorherrschend gebräuchliche; die Schreibung Kehrberg ist nur märkisch, in meklenburgischen Urkunden aber nie gebräuchlich gewesen.
2) Die Form Kerkberg stumpft sich in der Mark Brandenburg fast hundert Jahre früher in Kerberg ab, als in Meklenburg, wo diese Form erst um die Mitte des 16. Jahrh. allgemein wird. In einer meklenburgischen Klage über Räubereien ungefähr vom J. 1450 heißt es z. B.

Item de Blomendale, Clyszinge, Grabow, Kergberg, de van der Weyde, Syker, Brunne, Beszemerow nemen vor Warne acht clopper vnde grepen twe borger, de perde geachtet vn hundert lubsche mark, vnde hebben de beyden vangen noch wech, etc.

Dagegen heißt es in einer ungefähr gleichzeitigen märkischen Klage:

Des hertogen manne van Swerin hebben Merten van Kerberge gedan dessen nagescreuen schaden. --- Item to eyner andern tyd nemen de Lutzouwen suluen eyn nerd van XIII schogken Mertens sone. Item Diderick van Plessen nam de koye vor Kerberge. Achim Vlotow, Philippes Prignitzer, Clawes Wulff, Gereke Vribergh nemen Merten vor Kerberge vnd vor Vettin III schock koye vnd I schock guder swyne amme donnerdage na vnnser liuen frouwendage assumptionis, de wile vnses heren gnade vor Pazewalk lach. Item Clawes Wulff, iunge Philippus Priggenitzer, Mertens manne, to Kerberge III ossen---. Item die schade, die den Kerbergen, Klitzingen vnd Blumendalen sind deme letczsten dage exaltationis sancte crucis bynnen louen vnd freden geschin is to Kerberge vnd Vettin van den Flotowen vnd van Claws Wulffe dem vogede tom Hagen.

Und so öfter.
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Aehnlich ist die Geschichte des Namens von Kardorf. Im Mittelalter wird dieser Name beständig Kerkdorp geschrieben, d. i. hochdeutsch Kirchdorf, obgleich diese hochdeutsche Form nie vorkommt. Gegen das Ende des 16. Jahrh. entsteht aus der Form Kerkdorp, oder ganz platt: Karkdorp, die Form: Kardorf; z.B. im J. 1591 unterschreiben drei Brüder eine Urkunde und zwei derselben schreiben ihren Namen schon: "Kardorff", der dritte aber noch "Karckdorff".

Die Stammesverwandtschaft aller v. Kerkberg in der Mark und in Meklenburg beweiset auch die Gleichheit des Wappens. Alle v. Kerkberg führen nämlich vier Spitzen, bald links, bald rechts, im Schilde; die Richtung der Spitzen ist nicht bestimmt, eben so auch die Zahl derselben nicht; am häufigsten kommen vier Spitzen vor, jedoch finden sich auch drei. Ein Siegel mit vier linken Spitzen führt Beteke v. Kerberg an der oben erwähnten Urkunde 1 ) vom 24. August 1374, wie die hiernebenstehende getreue Abbildung nach dem im großherzoglichen Archive zu Schwerin aufbewahrten Originale beweiset.

Siegel

Dies ist das einzige, bisher bekannt gewordene v. kerkbergsche Siegel aus alter Zeit; es hat, zur Andeutung einer besondern Linie, kein Nebenzeichen, aus welchem sich eine Theilung in eine schwarze und eine weiße Linie vermuthen ließe.

Vier rechte Spitzen führt Achim v. Kerberg auf Retzow, obgleich von der weißen Linie, in seinem Siegel unter einer Quittung vom 7. Jul. 1577, welche im Original im großherzoglichen Archive zu Schwerin aufbewahrt wird; über dem Schilde stehen die Buchstaben I. K. d. i. Joachim Kerberg.

Siegel

Eben so führt Heinrich v. Kerberg auf Kerberg vier rechte Spitzen im Schilde, über welchem ein nicht ganz deutlicher Helm steht, mit den Buchstaben H. V. K.; das Wappen ist einem im großherzoglichen Archive zu Schwerin aufbewahrten Briefe vom 10. Jan. 1675 aufgedrückt.

Siegel

Es geht hieraus hervor, daß sowohl die ältesten v. Kerberg, als auch die v. Kerberg von der kerbergischen und von der klopzowischen Linie gleiches Wappen führten.

Das v. kerbergische Wappen ist bisher wenig bekannt und durch einen besondern Umstand verdunkelt gewesen. In Fürst


1) Vgl. Urk. Samml.
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Wappen=Buch V, T. 150 ist unter dem holsteinischen Adel auch das Geschlecht der "v. Kerckberg" aufgeführt. Auf T. 150 und 151 dieses Wappenbuches sind aber die Ueberschriften der Wappen um eine Stelle vorwärts verschoben, so daß der Name nicht über dem dazu gehörenden, sondern über dem nächst folgenden Wappen steht. So steht denn über dem kerckbergischen Wappen: mit vier linken Spitzen, (welche hier jedoch in verschobenen Doppellinien gezeichnet sind, als sähe man sie durch Strahlenbrechung), der Name von Johannsen, über dem darauf folgenden Wappen der v. Kassenbrock: mit drei Rosen auf einem Querbalken, steht der Name v. Kerckberg, u.s.w. Dieses Versehen hat v. Behr rer. mecl. libr. p. 1623 als Wahrheit aufgenommen, indem er sagt, daß die v. Kerberg einen Querbalken mit drei Rosen im Schilde führen:

Kerberg. Hujus familiae tessera gentilitia est parma, fascia media secta. In fascia tres sunt rosae. In galea jugum alarum et iterum fascia cum tribus rosis singulas alas dividente.

Dieses Versehen hätte von v. Behr vermieden werden können, da v. Westphalen in Mon. ined. I, p. 6, und Tab. D die von Kercberge in Holstein aus dem J. 1590 mit dem richtigen, auch bei ihm abgebildeten Wappen aufführt.

Was die Färbung des Schildes betrifft, so berichtet v. Gamm in Jahrb. XI, S. 450:

"In deren geführten Wapen waren drey aus der rechten hervorgehende silberne Spitzen im rohten Felde; auf dem mit silbern und rohten Decken umgebenen Helm erschienen drey überhängende silberne Straußfedern."

Auch aus andern, unten anzuführenden Gründen läßt sich schließen, daß der Schild silberne Spitzen in rothem Felde hatte.

Es ist außer Zweifel, daß Familien mit verschiedenem Namen, aber gleichem Schilde, denselben Stammvater hatten. Mit den Kerkberg führte nun das in der Prignitz mächtige und reich begüterte, noch blühende Geschlecht der Rohr, in Meklenburg vorzüglich durch ihr altes Schloß Neuhaus unfern der Grenze bekannt, gleichen Schild, nämlich silberne Spitzen in rothem Felde. Dazu kommt die auffallende Thatsache, daß die Rohr in ältern Zeiten fast alle meklenburgischen Güter der v. Kerkberg zur Hälfte besaßen. Freilich lagen die vorzüglichsten alten Lehn= und Pfand=Güter und Schlösser der Rohr, wie: Neuhaus, Meienburg und Freienstein, zwischen den meklenburgischen und märkischen Gütern der v. Kerkberg und in der Nähe derselben. Aber es bleibt dieser gemeinsame Güterbesitz bei der Gleichheit des Schildes beider

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Familien immer höchst beachtenswerth. So besaßen die Rohr sicher die Hälfte des kerkbergischen Hauptgutes Krümmel 1 ) bis zum J. 1583, und auch an allen andern Gütern der v. Kerkberg hatten sie Antheil 2 ), wenn auch nicht immer bestimmt die Hälfte. Es läßt sich daher mit Grund vermuthen, daß beide Familien denselben Stammvater hatten. Die Herkunft der Rohr ist noch dunkel 3 ); Riedel a. a. O. meint, daß die Rohr von dem baierschen Markgrafen Ludwig (seit 1324) in die Mark herbeigezogen seien, namentlich da die Familie Rohr früher niemals in der Mark vorkomme; es dürfte aber wohl noch eine genauere genealogische Forschung anzustellen sein, ehe sich über dieses Verhältniß mit Bestimmtheit entscheiden läßt. In der Original=Urkunde des Witmansdorfer Vertrages vom 15. Jan. 1304 (gedruckt in Rudloff Urk. Lief. Nr. LXIV und Riedel Cod. dipl. Brand. II, 1, S. 255) erscheint in unbezweifelt richtiger Lesart in Gefolge der brandenburgischen Markgrafen 4 ) ein Ritter "her Allard van deme Rore", zugleich mit den Rittern "her Bertold van Koninghesmarke" und "her Gherad van Molendorp." Freilich kommt Hampo v. Kerkberg, der erste des Namens, erst im J. 1326 im Gefolge des Markgrafen Ludwig vor (Riedel a. a. O. I, S. 483); aber es wäre noch zu untersuchen, ob der Name des Ritters "Hampo de Hertberge" (Riedel a. a. O. S. 479) in der erwähnten undatirten Originalurkunde wirklich richtig gelesen ist und ob die Urkunde aus dem Ende des 13. Jahrh. stammt (vgl. Riedel a. a. O. S. 467). Einstweilen dürfte es nicht zu gewagt erscheinen, den "Hampo von Kercberg" für gleichen Geschlechts mit den Rohr zu halten. Ist aber dieser auch der "Hampo von Hertberg" und stammt die Urkunde, welche ihn nennt, wirklich aus dem 13. Jahrh., so würde der Stammvater beider Geschlechter ziemlich weit in das 13. Jahrh. hinauf zu setzen sein. Dieser Hampo von Kercberg giebt aber noch einen bedeutenden Fingerzeig für die Stammesverwandtschaft beider Geschlechter; der Vorname Hampo findet


1) Vgl. Urk. Samml. Urk. v. 25. Oct. 1568.
2) Vgl. Urk. Samml. Urk. v. 31. Jan. 1572.
3) v. Ledebur a. a. O. leitet alle Geschlechter mit der senkrechten Spitzentheilung im Schilde von den Rohr her, wenn man so sagen darf, und findet die ältesten dieses Geschlechts in den seit dem Anfange des 13. Jahrh. auftretenden v. Rohrbeck, deren Hauptgut Rohrbeck in der Altmark liegt, umgeben von den Gütern der Stammesverwandten: Königsmark, Möllendorf und Büste oder Beust, welche denselben die Namen gaben. Auch die v. Kerkberg besaßen noch 1362 in der Altmark das Gut Gartz (Gardisse).
4) Auch v. Ledebur a. a. O. S. 116 verwirft Riedel's Annahme von der Einwanderung der Rohr mit der baierschen Dynastie. Da Alard Rohr schon im J. 1304 als Ritter in einem wichtigen Vertrage als Bürge auftrat, so muß er schon damals zu Jahren und von Einfluß gewesen sein, und daher ziemlich weit in das 13. Jahrhundert hineinreichen.
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sich in den frühesten Zeiten auch in der Familie Rohr neben dem rohrschen Hauptvornamen Alard (vgl. Riedel Cod. dipl. Brand. I, 2, S. 249, und Beckmann Mark Brandenburg V, 2, 4, S. 160: 1337 Henningus, Helmicus, Fritsekinus et Henricus ac Busso et Alardus dominus de? (dicti?) Rohre cum nostris fratribus Ludolpho, Ottono, Hampone, Henningo, Meynardo). Die Vornamen aber pflegen in den ältesten Zeiten stark auf Stammesverwandtschaft zu deuten. Auch der uralte, große Güterbesitz beider Familien möchte mehr darauf hindeuten, daß sie eingeborne, als nach 1324 eingewanderte Geschlechter seien. Es dürfte sich vielmehr annehmen lassen, daß die Stammväter im 13. Jahrh. unter andern Namen vorkommen; Forschungen in den Wappen, Vornamen und Gütern mögen wohl noch einst unerwartete Aufschlüsse geben.

Auch die v. Königsmark führen mit den v. Kerkberg und Rohr gleichen Wappenschild; übereinstimmend hiemit tritt im 14. Jahrh. Yo von Königsmark öfter neben den Kerkberg auf. Auch sind seit früher Zeit die v. Königsmark in der Nähe von Krümmel, in der meklenburgischen Enclave Netzeband und Rossow, ansässig 1 ).


Herkunft, Vaterland und Stand des Ernst von Kirchberg.

Die im großherzoglich=meklenburgischen Geheimen und Haupt=Archive zu Schwerin aufbewahrte Reim=Chronik des Ernst von Kirchberg ist eine Pergamenthandschrift in größtem Folioformat, in gespaltenen Columnen mit 30 Zeilen; die Schrift ist eine ungewöhnlich große Minuskel: das Ganze, in Holzband mit rothem Leder gebunden, ist ein mittelalterliches Prachtexemplar. Voran gebunden ist ein Blatt, auf welchem der Herzog Albrecht und sein Sohn der Schwedenkönig Albrecht, auf einem Throne sitzend, in Farben abgebildet sind. Die Handschrift hat durchgehends mit kleineren Miniaturen geschmückt werden sollen. Hin und wieder ist im Texte, im Anfange der Hauptabschnitte, für ein kleines Bild Raum gelassen; es sind aber nur die ersten 15 Bilder ausgeführt, grade diejenigen, welche das wenigste Interesse haben, da sie nur die alte, den alten lateinischen Chroniken entnommene Geschichte berühren.


1) v. Ledebur a. a. O. hat diese Untersuchung noch weiter ausgedehnt und zu der
"Gruppe mit der senkrechten Spitzentheilung die v. Rohr, v. Königsmark, v. Möllendorf, v. Kehrberg, v. Kratz, v. Plate, v. Beust, v. Burkersrode, v. Heßler",
gerechnet.
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Nur das erste Miniaturbild 1 ) im Anfange der Handschrift und der oben mitgetheilten Vorrede, in welcher E. v. Kirchberg von sich selbst und seinem Unternehmen redet, hat einen großen Werth; in demselben hat nämlich E. v. Kirchberg sich selbst abbilden lassen, wie er, in dem Geiste seiner Zeit und nach der ganzen Richtung der eben mitgetheilten Vorrede knieend betet; es ist eine bildliche Darstellung des Hauptinhaltes der Einleitung (des Textes), wie man dergleichen Miniaturen häufig findet. Dieses Bild, welches bisher ganz unbeachtet geblieben ist, giebt nun vollkommenen Aufschluß und Beweis über Vaterland, Herkommen und Stand des Dichters, wenn man ihn so nennen darf.

Auf dem Bilde knieet eine männliche Figur betend. Sie ist in Hauskleidung dargestellt: mit blauem Wams, grauen Beinkleidern, gelben Schuhen und grauer Kappe. Diese Hauskleidung soll den Dichter bezeichnen. Obgleich in Hauskleidung, trägt die Figur aber den ritterlichen Gürtel, zur Bezeichnung, daß die Person Ritter war oder doch wenigstens dem ritterlichen Stande angehörte. Der Dichter war also sicher kein Geistlicher, sondern ein Ritter, wie fast alle Dichter der mittelhochdeutschen Zeit.

Der Dichter hat in dem Bilde aber auch seine Familie angegeben. Hinter der knieenden Figur steht nämlich sein Wappen; ein links gelehnter Schild mit zwei ganzen und zwei halben, oder im Ganzen mit drei gestürzten weißen Spitzen, oder mit vier Spitzen, wenn man die an dem Rande stehenden für ganze halten will. Der Schild selbst ist längs geteilt, in der rechten Hälfte schwarz, in der linken Hälfte roth, d.h. mennigroth, welches mehr orange erscheint, eine gewöhnliche Farbe in den mittelalterlichen Miniaturen. Ueber dem Schilde steht ein Helm, auf dem Helme ein bärtiger Kopf, welcher zwei aufgerichtete Spitzen trägt, eine schwarze und eine rothe, beide weiß gesäumt, also das Schildzeichen. Es ist bei mehrern Spitzen im alten Wappen immer schwer zu entscheiden, welches die Schildzeichen sein sollen, da die Spitzen auch im Schilde wieder Spitzen hervorbringen; es scheint hier, als wenn die halb schwarzen, halb rothen Spitzen die Wappenzeichen sein sollen, da diese Zeichen auch auf dem Helme stehen. Daher sind denn auch auf alten Siegeln die Spitzen, d. h. der erhabene Theil des Wappens, bald rechts, bald links gekehrt. Man kann daher z. B. von den von


1) Dieses Miniaturbild ist auf der Steindrucktafel I. in getreuer Abbildung mitgetheilt.
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Kerkberg auch eben so gut sagen, daß sie rothe Spitzen in weißem Schilde, als daß sie weiße Spitzen in rothem Schilde führen.

Nach dem Hauptschildzeichen gehörte Ernst von Kirchberg also zu der märkischen und meklenburgischen Familie von Kerkberg, deren Namen er mit der hochdeutschen Form seines Gedichtes auch verhochdeutschte. Zwar sind die Spitzen nach den Umrissen des Schildes nicht rechts oder links gekehrt, sondern nach oben oder unten gerichtet; diese Darstellung dürfte aber von dem Maler nach der Stellung des gelehnten Schildes gewählt sein, da dem Beschauer die Spitzen rechts oder links gekehrt erscheinen. Die drei oder vier Spitzen in weiß sind aber vorhanden.

Nur das könnte befremden, daß die Färbung des Schildes oder der Spitzen halb schwarz und halb roth ist. Dieses Räthsel löset aber die Theilung der Familie v. Kerberg in zwei Hauptlinien: die Linie Krümmel und Kerberg hieß die schwarze, die Linie Klopzow die weiße. Es läßt sich daher annehmen, daß Ernst von Kirchberg zu der sogenannten schwarzen Linie gehörte, da die eine Hälfte der Schildeshälfte und der Helmzier schwarz gefärbt ist; die Nebenstücke in Wappen sind aber für ein ganzes Geschlecht nicht von Bedeutung, wenn die Hauptsachen gleich sind.

Es ist daher ohne Zweifel, daß

Ernst von Kirchberg ritterlichen Standes war und dem Geschlechte der von Kerkberg oder Kerberg angehörte, und zwar der schwarzen Linie des Geschlechts, welche Jahrhunderte hindurch auf Krümmel in Meklenburg saß und im 16. Jahrhundert in den Stammsitz Kerberg in der Prignitz folgte.

Freilich wird E. v. Kirchberg in keiner Urkunde genannt. Aber die stille Beschäftigung mit den Wissenschaften entzog ihn dem öffentlichen Leben: auch die übrigen mittelhochdeutschen Dichter kommen selten in den Urkunden vor; die Zeugen in den Urkunden haben aber immer eine rechtliche Beziehung zu dem in den Urkunden behandelten Rechtsgeschäfte oder zu dem Staatsleben. Vielleicht aber war E. v. Kirchberg ein Johanniter=Ritter der Comthurei Mirow, deren Güter an die Güter seines Hauses grenzten. Die geistlichen Ritter werden, mit sehr seltenen Ausnahmen, in den Urkunden nie genannt.