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II.

Die

Siegel der meklenburgischen Fürsten
von Parchim=Richenberg,

von

G. C. F. Lisch.


D ie Kenntniß der Siegel der Fürsten von Parchim=Richenberg ist für die Geschichte dieser Linie unsers Fürstenhauses von so großer Wichtigkeit, daß diese ohne dieselbe kaum mit Sicherheit dargestellt werden kann. Die Kenntniß derselben ist aber ohne Abbildung der noch vorhandenen Abdrücke kaum zu erlangen. Es ist daher hier Hauptzweck, um der Geschichte des Hauses Parchim=Richenberg eine festere Grundlage zu geben, Abbildungen der Siegel dieser Fürsten mitzutheilen und dieselben mit einigen historischen Erläuterungen zu begleiten. Außerdem werden diese Abbildungen endlich die Heraldik des meklenburgischen Landeswappens säubern, welche in frühern Zeiten durch neu erfundene richenbergische Wappen so sehr verunstaltet ist.

Als Heinrich Borwin I., nach seinem ihm vorangegangenen Sohne Heinrich Borwin II., am 28. Januar 1227 starb, waren seine vier Enkel, die Fürsten Johann, Nicolaus, Heinrich und Pribislav von Meklenburg, noch minderjährig. Die Vormundschaft für diese jungen Fürsten besiegelte ihre Urkunden mit einem gemeinschaftlichen Siegel, welches einen Greifen zum Wappenzeichen hatte 1 ). Das gesammte Erbe der Borwine ward unter die jungen Fürsten vertheilt und Pribislav, der jüngste der Brüder, erhielt den Theil des Landes, dessen Hauptstadt Parchim war; daher nannte er sich auch Herr von Parchim. Er ward erst spät volljährig; wenigstens tritt er erst im J. 1238 selbständig als Herr von Parchim auf, wenn auch


1) Ueber diese Verhältnisse vergl. man die voraufgehende Abhandlung: Ueber die meklenburgische Hauptlandestheilung.
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Spuren von dem frühern Eintritt seiner Volljährigkeit (im J. 1234) vorhanden Sein mögen.

Die Geschichte des fürstlichen Hauses Richenberg liegt noch sehr im Dunkeln (vgl. noch v. Lützow Mekl. Gesch. II, S. 15) und wartet einer ausführlichen, begründeten Darstellung, zu welcher die Archive noch viel wichtigen Stoff enthalten. Die folgende kurze Darstellung enthält die Hauptbegebenheiten der Familie. Als nach seiner bekannten Fehde mit dem Bischofe von Schwerin im J. 1256 nicht nur dieser, sondern auch der Graf von Schwerin die Hände nach seinem Reiche ausstreckte, ja selbst seine Brüder zulangten, um das väterliche Erbe nicht in fremde Hände gerathen zu lassen, ging er zu dem Schwiegervater seines Sohnes Pribislav, einem Herzoge von Pommern, und erwarb hier die Herrschaft Wollin; er trug zwar mit seinem Schwager Richard, Herrn von Frisack, im J. 1261 die Stadt Parchim dem Markgrafen von Brandenburg auf, damit dieser ihm seine Güter wieder verschaffe; jedoch waren alle Bemühungen vergeblich. Er starb nach dem J. 1270. Pribislav, der letztlebende von seinen Söhnen, erwarb durch seine Gemahlin Catharine, eine pommersche Fürstentochter, die Länder Daber und Belgard in Hinterpommern. Auch er verpflichtete sich im J. 1285 den brandenburgischen Markgrafen zum Dienst und nahm im J. 1287 mit den Herren Heinrich und Richard von Frisack von denselben seine Länder zu Lehn. Jedoch auch seine Bemühungen waren fruchtlos und im J. 1315 starb mit ihm seine Linie aus.

Höchst wichtig für die Ergründung der Geschichte Pribislavs und seiner Herrschaft Parchim sind nun die Siegel, welche er und sein Sohn führten. Ohne die bisher angenommenen Siegelbilder kritisch zu prüfen, möge hier zuvor eine Darstellung des Wirklichen Raum finden.

So lange Pribislav minderjährig war, wurden die für ihn ausgestellten Urkunden der Vormundschaft auch mit demselben Vormundschaftssiegel besiegelt, welches für alle vier Brüder gebraucht ward.

Nachdem er nach erlangter Volljährigkeit, als Herr von Parchim (dominus de Parchem), im J. 1238 seine Herrschaft Parchim angetreten hatte, wählte er sich, wie seine Brüder, ein eigenes Siegel und führte zum Wappen einen vorwärts schauenden Stierkopf mit einem schwebenden Ringe zwischen den Hörnern. Von diesem Siegel ist nur noch ein Fragment von einem einzigen Exemplare vorhanden, welches an der Urkunde des Klosters Dargun (vgl. Lisch Meklenb. Urk. I, S. 65 und 66) vom J. 1241 hängt;

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auf diesem Fragment, welches noch jetzt, jedoch sehr zersplittert, an der Urkunde hängt,

Siegel

ist noch das rechte, kräftige, nach innen gebogene Stierhorn und der Ring in der Krümmung desselben klar zu erkennen. Der Archivar Schultz im Anfange des vorigen Jahrhunderts kannte es noch unverletzt und hat von demselben eine etwas verkleinerte Zeichnung, die jedoch, da er nicht Zeichner war, zur Abbildung nicht zuverlässig genug ist, im Archive hinten lassen.; nach dieser hatte das Siegel die Umschrift:

Umschrift

Auch Westphalen Mon. ined. IV, Tab. 8, Nr. 6, hat das Siegel, angeblich nach dem Originale, wahrscheinlicher aber nach Schultz's Ueberlieferung oder nach eigenem Entwurfe, abbilden lassen, jedoch ohne Umschrift und überhaupt schlecht, wie alle, von ihm gelieferten Siegel= und Münzenabbildungen. Rudloff und Evers d. A. kannten (nach Rudloff II, S. 128 und 129) das Siegel wahrscheinlich auch noch vollständig, wenn nicht auch in ihren Angaben die Schultzsche Abbildung das Original hat vertreten müssen 1 ); dergleichen kommt freilich auch noch im vorigen Jahrhundert vor. Die Existenz eines Siegels Pribislavs mit einem Stierkopfe, so lange Pribislav sich noch vorherrschend Herr von Parchim nannte, ist jedoch außer allem Zweifel.

Nachdem Pribislav sich, sicher seit dem J. 1249, an der nordwestlichen Grenze seines Reiches auf den hohen Ufern der Warnow, zwischen Kritzow und Brahlstorf oder Kleefeld, nicht weit vom Ostufer des schweriner Sees, die Burg Richenberg hatte erbauen lassen 2 ) und sich nach derselben vorherrschend Herr von Richenberg nannte, ließ er sich ein neues Siegel


1) Daß, nach Rudloff, dieses Siegel an einer Urkunde von 1244 gehangen haben soll, ist jedenfalls ein Druckfehler; es existirt aus diesem Jahre keine Qriginal=Urkunde von Pribislav im Archive, dagegen hängt das Siegel an einer Urkunde vom J. 1241.
2) Vor dem Jahre 1249 ist nur Eine Urkunde, über die Kirchen= und Pfarrgüter von Raden, vom 25. Junii 1237, in den Archiven, in welcher er sich Herr von Richenberg nennt, wenn anders das Datum richtig ist, da die Urkunde nur in einer Abschrift vorhanden ist.
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stechen. Dies ist ein großes, rundes Siegel, wie ein sogenanntes Majestätssiegel: auf einem Throne mit einer Säule an jeder Seite ist des Fürsten eigenes Bild sitzend dargestellt, wie er mit der rechten Hand ein entblößtes Schwert auf dem Schooße hält und die linke Hand, wie gebietend, erhebt; ein Wappen fehlt auf diesem Siegel ganz. Von diesem Siegel sind noch vier, wenn auch zerbrochene, alte Original=Exemplare vorhanden, aus denen sich das Siegel bis auf einige Buchstaben der Umschrift wieder herstellen läßt.

Siegel

Die Umschrift lautet:

Umschrift

Da der Fürst selbst auf diesem Siegel abgebildet ist, so fehlt auch das Wort SI G ILLVM und die Umschrift besagt, daß der thronende Fürst PRIBIZL A VS selbst sein soll.

Dieses Siegel hängt in Bruchstücken noch:

1) an einer Urkunde der Kirche zu Parchim vom J. 1249, nicht gedruckt;

2) an einer Urkunde des Klosters Doberan vom J. 1253, gedruckt in Westphalen Mon. ined. III, p. 1496;

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3) an einer Urkunde der Kirche zu Wahmkow vom J. 1256, nicht gedruckt;

4) an einer Urkunde über die Vereinbarung mit dem Grafen Guncelin von Schwerin vom J. 1270, gedruckt in Rudloff Urk=Lief. S. 59 und Cleemann's Chronik von Parchim S. 116.

Als Pribislav nach den trüben Erfahrungen, welche er in seiner Fehde mit dem Bischofe Rudolph von Schwerin gemacht hatte 1 ), die Regierung seines Landes aufgab (1257) 2 ) und sich nach Pommern zurückzog, nannte er sich Herr zu Wollin, genannt Herr von Wendenland (dominus de Wolin, dictus de Slavia). Auch als solcher führte er noch sein großes Siegel, welches er als Herr von Parchim und Richenberg geführt hatte; er besiegelte noch im J. 1270 damit die Acte, durch welche er sein Land Parchim den Grafen von Schwerin überließ 3 ). Die Ueberreste, welche von diesem Original=Siegel noch vorhanden sind, gehören ohne Zweifel zu dem abgebildeten Siegel dieses Fürsten.

Pribislavs I. von Parchim=Richenberg Sohn Pribislav II. lebte in Pommern; sein Schwiegervater, Herzog Mestwin, hatte ihm die Herrschaft Daber und Belgard in Hinterpommern zum Besitz gegeben. Nachdem der Sohn vermählt und ansässig geworden war, entsagte der Vater für sich und seine Erben den Ansprüchen an Parchim. Pribislav II. scheint nach seinen Knaben= und Jünglingsjahren gar nicht in Meklenburg gewesen zu sein; er erscheint in meklenburgischen Urkunden nur ein Mal, nämlich als er am 30. April 1289 zu Colberg zu Gunsten des Klosters Dargun den Ansprüchen entsagte, welche er an den in seines Vaters ehemaliger Herrschaft belegenen Klostergütern hätte haben können 4 ). Gewöhnlich nennt er sich Herr von Daber und Belgard: dominus de Belgard, auch: dominus de Belgard et Doberen, auch wohl: Pribizlaus de Slavia dominus terrae Doberen et terrae Belgard in Cassubia. Als solcher führt er, wie sein Vater, ein großes, rundes Siegel, mit seinem eigenen Bilde in weitem Gewande, auf einem Throne sitzend, mit der rechten Hand ein bloßes Schwert über die Schulter haltend, mit der linken


1) Vergl. Rudloff M. G. II, S. 43.
2) Vergl. Lisch Urk. zur Gesch. des Geschlechts Maltzan I, Nr. VIII.
3) Vergl. Rudloff Urk. Lief. Nr. XXII.
4) Vergl. Lisch Mekl. Urk. I, S. 185 flgd. Zu der Zeit war der Abt von Dargun mit mehreren Mönchen seines Klosters zu Colberg und ließ sich dort zu größerer Sicherheit diese Urkunde ausstellen. Dargunsche Mönche waren öfter in Hinterpommern (man vergl. die folgende Urkunde, d. d. Cöslin 18. Sept. 1289, S. 187), wahrscheinlich in Angelegenheiten des Filialklosters Bukow.
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einen Wappenschild, auf welchem ein gekrönter Stierkopf steht, neben sich auf die Erde stützend;

Siegel

Die Umschrift lautet:

Umschrift

Dieses Siegel hängt an der erwähnten dargunschen Urkunde vom J. 1289 im Archive zu Schwerin und an einer Urkunde vom Weihnachtstage 1291 im Archive zu Stettin, in welcher Pribislav II. als Zeuge auftritt 1 ).

So sind die Siegel der beiden Pribislave von Parchim=Richenberg völlig klar, und die Geschichte beider ist nach ihren Siegeln und Titeln zu scheiden; desto größer ist die Verwirrung, welche bisher in der Beschreibung derselben geherrscht hat. Westphalen hat in Mon. med. IV zu p. 1254, Tab. 7 und Tab. 8, die Siegel Pribislavs I. in Kupferstich gegeben, und zwar nach Urkunden ("fide diplomatum"), wie er sagt. Zuerst giebt er Tab. 7, Nr. 4, das Vormundschaftssiegel für ein Siegel Pribislavs allein aus und bezeichnet es, mit einem verhunzten Greifen, als "sigillum Pribislai domini Megapol."


1) Von diesem vollständigen Abdruck hat der Verein einen Lackabguß durch die Güte des Herrn Oberlehrers Dr. Hering zu Stettin erhalten.
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"1231 inter diplomata Sonnenk. et Neukl.", mit der Umschrift: SI G ILLU M . PRIBISL A I . DO M . M e c KL e N B, - einer Umschrift, welche rein erdichtet ist, wie man sich aus dem oben mitgetheilten Vormundschaftssiegel, welches grade an der Sonnenkampschen oder Neuklosterschen Urkunde von 1231 hängt, überzeugen kann. Auf Tab. 8 theilt er das Siegel Pribislavs mit dem Stierkopfe mit ziemlichen Freiheiten nach Schultz's verkleinerter Handzeichnung mit, jedoch ohne Umschrift. Die meiste Verwirrung haben jedoch die großen Siegel der beiden Pribislave mit ihrem eigenen Bilde hervorgebracht. Nach Kirchbergs Chronik Cap. CXXIX soll Pribislav I. ein Jungfrauenbild im Siegel geführt haben. Kirchberg sagt:

her vurte eyn jungfrowin bilde
gemalt an syme schilde.

Hiernach führte er aber auf seinem Schilde ein gemaltes Jungfrauenbild; von einem Siegel ist hier gar nicht die Rede; Kirchberg mag übrigens auch das Siegel Pribislavs gemeint und in dem thronenden Herrscher mit dem lockigen Haupte ein Jungfrauenbild erkannt haben. Der sogenannte Heraldiker Rixner, der sich um das J. 1530 in Meklenburg aufhielt und hier eine rein erdichtete meklenburgische Heraldik schrieb, die leider lange genug als Quelle gebraucht ist, malte nun flugs auf einem möglichst schlecht gestalteten Schilde ein splitternacktes, stehendes Weibsbild mit einem fliegenden Schleier um Hand und Hüften als Landeswappen für die Herrschaft Parchim. Für eine weibliche Figur nahm man nun, verführt durch die unklare Angabe Kirchbergs, das thronende Bild Pribislavs mit weitem Gewande, und auf die, vielleicht archivarische, Versicherung, daß dem wirklich so sei, bemühete man sich nicht weiter um Aufsuchung der Originalsiegel, sondern nahm die Zeichnung Rixners für Wahrheit an. Daher ließ Westphalen a. a. O. Tab. 8, Nr. 11, dieses Rixnersche Gebilde ("fide diplomatum"!) in Kupfer stechen und nannte es: "Sigillum Pribislai dni. in Parchim. Dipl. Parch. 1273". Schon Chemnitz nahm dies für Wahrheit und stellte weitläuftige Untersuchungen über dieses Nebelbild an und sagte von Pribislav II.: "und hat er mit seinem Herrn Vatter ein Siegel und Wappen geführt". Selbst Rudloff (Mekl. Gesch. II, S. 128-129) kann sich von diesen Rixnerschen Traditionen noch nicht losmachen, und wenn er auch auf die wirklichen Darstellungen hindeutet, so redet er doch bei Pribislav I. noch von einer "sitzenden nackenden Person" und bei Pribislav II. von einem "nackenden weiblichen Fußsiegel".