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VI.

Der

reichsgerichtliche Pfandungsproceß,

in besonderer Anwendung

auf das

meklenburgische Dorf, jetzt Lehngut Strisenow,

ein vormaliges Besitzthum des Heil. Geist=Hospital zu Lübeck,

von

G. W. Dittmer , b. R. Dr.
zu Lübeck.


D ie älteren Reichsgesetze, namentlich die goldene Bulle, gestatteten bekanntlich das Recht der Fehde, oder die Befugniß, einen Andern mit gewaffneter Macht zu überfallen, sobald dem Ueberfalle nur drei Tage vorher eine Ankündigung voraufgegangen war. Mangelhafte Organisation der Gerichtsbehörden, geringe Auctorität der Landesfürsten, uraltes Herkommen war der der Grund, weshalb die deutschen Kaiser jener Zeit weniger daran dachten, die Fehden zu verbieten, als vielmehr nur daran, sie in gewisse Grenzen einzuschließen, ohne daß sie jedoch immer die Gewalt besaßen, sie innerhalb solcher Grenzen zu halten.

Sogar Kaiser Friederich III. begnügte sich noch, in der von ihm erlassenen Reformation (v. J. 1442) den Ackerbau, die Weinpflanzungen, den Handel, die Geistlichkeit und die Kirchen gegen Fehden in Schutz zn nehmen und für die Pfandung um Schuld gewisse Vorschriften zu erlassen.

Weiter ging schon Kaiser Maximilian, indem derselbe nicht nur in dem Landfrieden v. J. 1495 alles Fahen, Belagern, Ueberziehen, Einnehmen der Güter eines Andern mit gewaffneter Hand, bei Strafe der Reichsacht und Verlust aller Privilegien und einer Strafe von 2000 Mk. Goldes, auferlegte, sondern auch verordnete, daß künftig ein Jeder die zuständigen Ansprüche bei seinem ordentlichen Richter anzubringen und zu verfolgen habe.

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Wiewohl nun mit diesen Gesetzen sehr viel für die Befestigung eines geregelten Zustandes im deutschen Reiche gewonnen war, so hielten doch die regierenden Fürsten sich dadurch nicht verhindert, nach wie vor, in den unter ihnen häufig sich ereignenden Besitzstreitigkeiten die Entscheidung auf die Spitze des Schwertes zu stellen und mit Gewalt der Waffen entweder den bedrohten Besitzstand zu schützen oder den verlornen wieder zu erringen. Kaiser Carl V. fand sich dadurch veranlaßt, theils in seinem erneuerten Landfrieden (v. J. 1521) das Verfahren in Landfriedensbruchsachen genauer zu bestimmen, theils hinsichtlich der Besitzstreitigkeiten unter Reichsunmittelbaren - in der Reichskammergerichtsordnung vom J. 1521, Art. 32 - zu verordnen, daß beide Theile sich aller Thätlichkeit, Fehde und Aufruhrs gänzlich enthalten und bei dem Reichskammergerichte in erster Instanz Recht zu nehmen hätten.

Zwar hat die im J. 1532 publicirte peinliche Gerichtsordnung im Artikel 129 wiederum eine Fehde, die entweder unter Auctorität des Kaisers unternommen, oder zu welcher der Anstifter durch sonstige rechtmäßige Ursachen gedrungen worden, für straflos erklärt; allein diese Anomalie ist wohl weniger einem Wankelmuthe in den politischen Ansichten des Kaisers Carl beizumessen, als in dem Umstande zu suchen, daß der Entwurf jenes Strafgesetzbuches schon seit langer Zeit vorlag, und bei endlicher Publication desselben es nur übersehen worden zu sein scheint, den Artikel 129 in angemessener veränderter Fassung den jüngst ergangenen reichsgesetzlichen Vorschriften anzupassen. Die wahre Absicht des Kaisers, dem Faustrechte und der Selbsthülfe ein Ende zu machen, geht wenigstens aus dem Reichsabschiede vom J. 1548 und der Reichskammergerichtsordnung vom J. 1555 unwiderlegbar hervor.

Uns interessirt hier insbesondere dieses letztgedachte Reichsgesetz, und zwar diejenige Stelle desselben, welche von der Erledigung der Besitzstreitigkeiten unter Reichsunmittelbaren handelt (Thl. 2. Tit. 21 u. 22), nebst den ergänzenden Verordnungen darüber in den Reichsabschieden vom J. 1568 (§. 21. 22), 1594 (§. 71 u. f.) und 1600 (§. 36 u. f.) Dagegen bleiben die weiteren Modificationen, die in dem westphälischen Friedensschlusse, so wie auch in dem jüngsten Reichsabschiede vom J. 1654 (§. 138, 139) enthalten sind, hier unberücksichtiget, weil diese Reichsgesetze zu derjenigen Zeit, als unser Rechtsfall sich zutrug, noch nicht erlassen waren.

Sodann muß man die dadurch hervorgerufenen beiden Proceßarten: die imploratio ex constitutione super litigiosa possessione und die imploratio ex constitutione

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super pignoratione genau von einander unterscheiden. Denn obgleich beide übereinstimmend die Eigenschaft der Reichsunmittelbarkeit der Litiganten voraussetzten, so weichen sie doch wesentlich in den übrigen Erfordernissen von einander ab. Die erstere nämlich war bedingt durch den rechtlichen Anspruch beider Theile auf das Object und durch wirklich streitigen Besitz, so wie durch die Besorgniß einer Gewaltthat; denn wäre diese schon geübt gewesen, so hätte - nach Umständen - entweder ein Friedensbruch oder eine Pfandung vorgelegen, folglich in jenem Falle auf den Landfriedensbruch, in diesem Falle hingegen auf die Pfandung geklagt werden müssen. Die letztere (der eigentliche Pfandungsproceß) war bedingt durch den ruhigen Besitz eines nicht in Streit befangenen Objects, ferner durch die Hinwegnahme dritter Gegenstände oder durch unbefugte Zurückhaltung von Menschen, und endlich durch eine Thätlichkeit, durch welche der Pignorat im ruhigen Besitze gestört worden war, der Pignorant aber sich eine neue Gerechtigkeit anzueignen beabsichtiget hatte.

Uebrigens zerfiel dieser Pfandungsproceß wieder in zwei Hauptabschnitte. Bei dem ersten handelte es sich bloß um Restitution des abgenommenen Pfandes. Hier hatte der Pignorat also die Rolle des Klägers zu übernehmen, und wenn dann in Folge der von ihm vorgebrachten Bescheinigung vom Reichsgerichte auf ein mandatum restitutorium sine clausula erkannt worden war, so ging die Sache in das Paritionsverfahren über. Nun stand es bei dem Beklagten, zugleich die Rechtmäßigkeit der Pfandung (die causales oder das jus pignorationis) nachzuweisen, womit sich der zweite Hauptabschnitt des Processes eröffnete, und wobei dem Pignoranten die Rolle des Klägers zufiel. Sein Obsieg hatte eine Cassirung des ersten Mandats zur Folge; das Pfand mußte daher dem Pignoranten wiederum abgetreten werden, und dem Pignoraten blieb hiergegen nichts weiter übrig, als im petitoschen Wege sein Recht selbst geltend zu machen.

Nach dieser kurzen Charakteristik des Ursprungs und der Eigenthümlichkeiten des reichsgerichtlichen Processes in Besitz= und Pfandungssachen, welche zum besseren Verständnisse des Folgenden vorangehen mußte, haben wir noch einen Blick auf die zum Grunde liegenden historischen Momente zu machen.

Zu demjenigen Besitzthum, welches dem lübeckischen Hospitale zum Heil. Geist eigenthümlich zustand, gehörte vormals auch das in Meklenburg zwischen Teterow und Lage belegene, zum Kirchspiel Warnckenhagen eingepfarrte Dorf

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Strisenow, so wie auch ein bedeutender Theil (22 Hufen Landes) der Feldmark der Stadt Teterow. Fürst Heinrich von Werle hatte nämlich im Jahre 1285 diese Güter dem Hospital um 1278 Mk. Pf. verkauft und mit dem Kaufpreise die Dotation seiner, dem Herzoge Albert 1 ) von Braunschweig vermählten Tochter Rixa bestritten. In dem Kaufbriefe 2 ) ist von einem besonderen Reservate - mit Ausnahme des Aufgebots zur allgemeinen Landwehr, sobald die Landesvertheidigung dasselbe erfordern werde - nicht die Rede, vielmehr dem Gotteshause ein unbeschränktes Eigenthum, mit allem Zubehör (höhere und niedere Jurisdiction eingeschlossen), so wie mit der Freiheit von Landesbeden, von Steuern, von Burg= und Brückenfrohnden, ausdrücklich zugesichert worden. Eben so haben denn auch am 3. Januar 1318 noch die Fürsten Johann und Johann der Jüngere von Werle dem Hospitale das Eigenthum an Strisenow und an den 22 Teterowschen Hufen in gleichem Umfange confirmirt 3 ).

Unter solchen Umständen hätten die gutsherrlichen Befugnisse des Heil. Geist=Hospitals dort ohne Zweifel eben so sich gestalten müssen, wie wir sie nach und nach bei dem übrigen Hospitalgrundbesitze im Meklenburgischen, z. B. bei den Hospitaldörfern auf der Insel Pöl bei Wismar, ausgebildet finden. Wenn das dennoch nicht der Fall war, so muß der Grund davon in der Entlegenheit Strisenows und Teterows von Lübeck, als dem Centralpunkte der Geschäftsführung, oder in der großen Schwierigkeit der Communication mit diesen isolirten Gütern gesucht werden. So viel ist gewiß, daß man sie mehr und mehr aus dem Auge verlor, daß man aus Scheu vor den damit verbundenen Weitläuftigkeiten und Kosten es vermied, die gutsherrlichen Abgaben und Gefälle dort direct erheben oder die Rechtspflege, wie herkömmlich, an Ort und Stelle verwalten zu lassen, und daß man nicht zur rechten Zeit einschritt, als die meklenburgischen Fürsten sich wiederum dort solche Gerechtsame aneigneten, deren doch ihre Vorfahren sich vollkommen zu Gunsten der Stiftung entäußert hatten.

Ungeachtet daher das Hospital im 14ten Jahrhunderte aus seinem sonstigen Grundbesitze schon die verschiedenartigsten Revenüen bezog, finden wir dasselbe in Strisenow und Teterow noch immer auf die Grundheuer (Landheuer - Pächte -) beschränkt, unter den Naturalprästationen nur des Rauchhuhns (Herrenhuhns) gedacht und von einer Einnahme an Gerichts=


1) Zweiter Sohn Herzogs Albert des Großen.
2) Vgl. Urkunden=Sammlung.
3) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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strafen (Bruchgeldern) keine Spur. Ja es muß sogar die Heuer im Verlaufe der Zeit eine Reduction erlitten haben, weil ein Rentenregister aus dem 14ten Jahrhunderte sie aus Teterow noch zu 54 Mk. und aus Strisenow zu 65 Mk. jährlich angiebt 1 ), und doch später aus Teterow nur 9 Gulden, aus Strisenow aber nur 20 Gulden (der Gulden zu 24 Schill. gerechnet) alljährlich eingegangen sind. Ueberhaupt war schon am Schlusse des 16ten Jahrhunderts die Gerechtsame des Hospitals dermaßen problematisch geworden, daß, als man im Jahre 1603 den Umfang derselben in Teterow durch eine notarielle Vernehmung des dortigen Burgemeisters Hans Otte und des Kammerherrn Hans Wesenberg ermitteln wollte, die Vernommenen darüber nichts weiter anzugeben vermochten, als daß alle Jahr auf Martini dem Heil. Geist=Hospital 9 Gulden gezahlt würden, wenn deshalb besonders angesucht werde; der Ursprung dieser Abgabe sei unbekannt, und den Bürgern, von denen sie erhoben werde, oft befremdend gewesen, daß sie solche zahlen müßten; von gewissen Hufen Landes, die dem Hospitale in Teterow eigenthümlich zugehören sollten, wäre den Deponenten nichts bekannt; 12 unter den Bürgern ausgetheilte Hufen gehörten der Kirche und den Armen.

Daß also hier mittlerweile die wohlerworbenen Rechte des Hospitals durch Anmaßungen der Stadtgemeinde verletzt worden sind, unterliegt keinem Zweifel. Aehnliches war aber vorlängst bei Strisenow vorgekommen, indem dort durch das herzogliche Amt Güstrow sowohl alle Handlungen der streitigen und willkührlichen Gerichtsbarkeit geübt, als auch Landessteuern und gutsherrliche Abgaben erhoben wurden.

Schon im Jahre 1493 hatten sich die Herzoge Magnus und Balthasar einen merkwürdigen Eingriff gestattet, indem sie, zu Gunsten ihrer Vasallen Henneke und Johann von Lehsten auf Göttin, einem jeden Eingesessenen des Dorfes Strisenow jährlich 10 Tage Hofdienst auferlegten. Die darauf bezügliche Urkunde 2 ) enthält zwar den Zusatz, daß weitere Frohnden weder von den Lehnsmännern von Lehsten, noch von dem Landesherrn oder dem Amte Güstrow den Strisenowern angesonnen werden, die Belehnten auch damit keine Vogtschaft (Vorbedent) über Strisenow oder sonstige Gerechtsame dort erworben haben


1) Diese Notiz lautet: Item habet domus Sancti Spiritus in oppido sive veltmarke Teterowe XXII mansos, quolibet anno solventes quinquaginta quatuor marcas usualis monetae. Item habet villam Strisenowe disterminatam per XX mansos, qui solvunt singulis annis sexaginta marcas usualis monetae et quinque plus.
2) Vgl. Urk.=Sammlung.
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sollten, gestattet ihnen jedoch, gegen die im Dienste Säumigen mit der landesüblichen Pfändung zu verfahren.

Nach den so eben angedeuteten Vorgängen befand sich das Dorf Strisenow (von Teterow haben wir vorerst nichts mehr zu erwähnen) erweislich um die Mitte des 16ten Jahrhunderts in einer dreifachen Abhängigkeit.

1) Das Heil. Geist=Hospital zu Lübeck erhob von den 10 Hufen, die sich damals vorfanden, jährlich 20 Gulden Pächte und 10 Rauchhühner. Der güstrowsche Stadtschreiber Martin Probst hatte, im Auftrage der Hospitalvorsteher, diese Prästanden einzuziehen, und behielt dann die Rauchhühner für seine Mühwaltung.

2) Der Herzog von Meklenburg ließ durch das Amt Güstrow von den Strisenowern alle Jahr erheben: 15 Gulden baaren Geldes, als Heuer oder Pächte, 10 Schweine bei voller Mast oder 5 Schweine bei halber Mast, 10 Rauchhühner, 10 Top Flachs und das sogenannte Hundekorn, bestehend in 3 Drömt 4 Schffl. Roggen, 3 Drömt 4 Schffl. Gerste und 5 Drömt 4 Schffl. Hafer. Ueberdies nahm er die Hoheit und Justiz über Strisenow in Anspruch, daher das Amt Güstrow nicht nur die dort verfallenen Straf= und Bruchgelder und die Gebühr für Auflassung der Erben sich aneignete, sondern auch jeder Hauswirth die Türkensteuer mit 8 Schill. von der Hufe, so wie auch die Landesbede mit 2 Mk. von der Hufe dahin zu entrichten hatte. Bestimmter Hofdienste der Eingesessenen nach dem herzoglichen Gute Mamerow wird nur beiläufig gedacht, wie denn auch aus einem Notariatsdocument vom 5. Januar 1603 hervorgeht, daß damals erst 32 Jahre vergangen waren, daß der güstrowsche Amtmann Gottschalk Berner dergleichen Hofdienste zwangsweise eingeführt hatte. Unverkennbar standen alle diese Ansprüche mit den alten fürstlichen Privilegien im Widerspruche und konnten daher nur in dem Erwerb durch unvordenkliche Verjährung den Stützpunkt finden.

3) Den Erbherren auf Göttin waren gewisse Hofdienste gegen Strisenow zuständig, und zwar waren die ursprünglichen 10 Tage auf 12 Tage angewachsen - 10 Tage Pflugdienst und 2 Tage Mähedienst -, welche jedem einzelnen Hauswirthe oblagen, so daß die ganze aus 10 Hauswirthen bestehende Dorfschaft im Jahre 120 Tage auf dem Hofe zu Göttin dienen mußte. Bei Verrichtung der Pflugdienste erhielt die Mannschaft freie Kost und auf je 5 Pflüge eine Kanne Bier; bei den Mähediensten ward keine Erfrischung gereicht.

Den Ursprung dieser Gerechtsame wollten die Berechtigten aus ihrer Qualität als Schutzherren und Schirmvögte von

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Strisenow ableiten, und machten sie wiederum hiefür geltend, daß ein Vorbesitzer von Göttin einst die Strisenower gegen gewisse Jagddienste, welche der herzogliche Jägermeister von ihnen begehrt, wirksam vertheidiget habe. Es war ihnen also unbekannt, daß die Herzoge Magnus und Balthasar ihren Vorfahren grade die Schirmvogtei über Strisenow abgesprochen hatten, derjenige Gnadenact aber, durch welchen sie in den Besitz jener Frohndienste gelangt waren - abgesehen von seinem rechtlichen Werthe - ein geringeres Maaß umfaßte. Ueberdies scheint der Umstand, daß der Original=Lehnbrief noch jetzt im Archive des Heil. Geist=Hospitals angetroffen wird, anzudeuten, daß, vielleicht auf Remonstration der Hospitalvorsteher, jene wunderbare Belehnung wiederum eingezogen worden ist; wenigstens ist dieselbe in dem Prozesse, zu dessen Darstellung wir jetzt übergehen, von keiner Seite zur Sprache gebracht, sondern von den göttiner Gutsbesitzern der Rechtsbestand und Umfang ihres Anspruches auf Frohnden ebenfalls nur mit der Berufung auf einen verjährten Besitzstand vertheidiget worden.

Keiner der drei Berechtigten war nun geneigt, seinem Anspruche zu entsagen; den Strisenowern hingegen konnte es nicht übel gedeutet werden, daß sie nach einer Milderung des auf ihnen lastenden Druckes strebten. Um das Jahr 1567 machten sie damit den Anfang, dem Hospitale die herkömmliche Landheuer vorzuenthalten, die Rauchhühner aber an das Amt Güstrow abzugeben, wozu sie vielleicht durch die unmittelbare Nähe des zu Güstrow residirenden Herzogs Ulrich oder auch durch eine directe Einwirkung von Seiten des Amtes Güstrow veranlaßt wurden. Auf einen Beweggrund einer oder anderer Art deutet die Willfährigkeit, mit welcher die Strisenower sich, etwa seit dem Jahre 1571, in die Hofdienste nach Mamerow gefügt zu haben scheinen.

In Lübeck war man nicht lange unschlüssig, was dabei zu thun sei. Die Hospitalsvorsteher wandten sich beschwerend an Herzog Ulrich, welcher am 15. Januar 1573 also rescribirte: es seien die strisenower Eingesessenen schuldig, sowohl die rückständigen, als auch die noch fällig werdenden Termine unweigerlich an den Monitor des Heil. Geist=Hospitals, den Stadtschreiber Martin Probst zu Güstrow, zu entrichten, und solle das Amt Güstrow angewiesen werden, vorkommenden Falles mit schleuniger Execution an die Hand zu gehen. Indessen steht es dahin, ob man sich demnächst der Rechtshülfe dieses Gerichts wirklich bedient habe; beim Eintritte desjenigen Zeitpunktes, wo der Bürgermeister Gotthard von Höveln 1 ) die


1) Der hochfahrende Sinn und der unbeugsame Trotz dieses Mannes, beson= (  ...  )
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Administration des Hospitals leitete, seit 1589, dachte man nicht mehr daran. Denn seine Aufgabe scheint es gewesen zu sein, die Gerechtsame des Hospitals auf Strisenow in ihrem ganzen Umfange wiederherzustellen.

In so fern es nur darauf ankam, den Widerstand der strisenower Eingesessenen gegen das herzogliche Amt Güstrow und gegen die Erbherren von Göttin (damals Joachim, Otto und Adam von Lehsten) zu erregen, so gelang ihm das sehr leicht, indem er ihnen die Freiheit von drückenden Abgaben und Frohnden in Aussicht stellte und sie des kräftigen Beistandes von Seiten der Stadt Lübeck versicherte. Er hatte indessen nicht bedacht, daß er das Recht des Stärkeren in die Schranken rief, daß dieses sodann mit ungewöhnlichem Nachdrucke vertheidiget werden würde und daß bei der ganz eigenthümlichen Gestaltung der Verhältnisse im endlichen Ausgange auf einen Obsieg nicht einmal gerechnet werden konnte. Sehen wir daher während der zwanzigjährigen Dauer eines nutzlosen Prozesses den Wohlstand der strisenower Hausleute vollständig untergraben, Vieh und Fahrniß ihnen geraubt, ihre Aecker wüste darniederliegen und endlich die trügerischen Hoffnungen in einem mageren Vergleiche verschwinden: so ist um so mehr zu beklagen, daß ein solches Ziel unter so schweren Opfern erreicht wurde.

Am 2. Juli 1589 brachte der strisenower Dorfschulze bei den Hospitalvorstehern zur Anzeige, daß die Dorfschaft zu Hofdiensten nach Mamerow und Göttin entboten worden sei, und bat um Verhaltungsbefehle. Am 28. August erneuerte er dies Begehren, unter dem Hinzufügen: ihre Vorfahren hätten zwar die Hofdienste nach Göttin geleistet, indessen würden die Vorsteher davon besser unterrichtet sein, ob eine rechtliche Schuldigkeit hier vorwalte, und ob es also gerathen sei, den Eintritt der bereits angedrohten Pfandung zu erwarten.

Ein am 15. September 1589 gegen die von Lehsten und am 16. desselben Monats gegen das Amt Güstrow erhobener Notariatprotest blieb wirkungslos; denn in der Nacht vom 28. auf den 29 October erschien unvermuthet vor Strisenow eine große Schaar von Reutern und Fußvolk, umzingelte das Dorf, drang in die Häuser ein, bemächtigte sich der zehn Stellwirthe und führte sie gefesselt nach Güstrow in das Gefängniß. Hier hielt man sie ganze vier Wochen zurück und entließ sie - wohl


(  ...  ) ders seitdem er zum Präsidium im Rathhause gelangt war, führte in den damals zu Lübeck ausgebrochenen bürgerlichen Unruhen zu mehreren ärgerlichen Auftritten. Vgl. Becker, Gesch. der Stadt Lübeck. Th. 2. S. 260 u. s. w.
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nicht ohne Erwägung der aus solchem Attentate zu befürchtenden unangenehmen Folgen - erst dann, nachdem jeder von ihnen zwei Schillinge Stockgeld (Schließgeld) erlegt und die Frohndenlast anerkannt hatte.

Unterdessen war die Nachricht von dem Ueberfalle durch einen der Haft entsprungenen Strisenower nach Lübeck gelangt, und des Burgemeisters von Höveln Ansehn im Rathhause genügte, um den Repräsentanten der Reichsunmittelbarkeit Lübecks, den Senat, zu bewegen, sofort beim Reichskammergerichte zu Speier - auf den Grund des bescheinigten Besitzes und der erlittenen Störung - wegen Erlassung eines Mandats in Gemäßheit der Pfandungsconstitution einzukommen, ein Antrag der theils gegen Herzog Ulrich, theils, mit Rücksicht auf die Connexität der Sache, gegen Joachim, Otto und Adam von Lehsten gerichtet war. Das Mandat vom 2. December 1589 entsprach auch vollkommen dem Wunsche, indem er dem Gegner auferlegte, die gefangenen Hausleute, ohne Verzug und Entgelt, auf gewöhnliche Urfehde und gegen das Versprechen, sich wieder einzustellen, falls demnächst darauf würde erkannt werden, zu entlassen, die ihnen abgenommenen Pferde und Wagen oder den Werth zu restituiren und innerhalb des festgesetzten Termins sowohl die Parition, als auch die angemaßte Gerechtigkeit des Fahens glaublich nachzuweisen.

Zum gedachten Termine (17. März 1590) ließ nun Herzog Ulrich eine Einredeschrift übergeben, worin vor allen Dingen die Competenz des Reichsgerichts in dieser Angelegenheit bestritten wird, indem es sich hier um ein angebliches Besitzthum des Heil. Geist=Hospitals handele, diese Stiftung aber nicht reichsunmittelbar sei, folglich bei dem zuständigen meklenburgischen Landesgerichte habe geklagt werden müssen. Weiter ward hervorgehoben, daß die Gefangenen schon am 25. November 1589, also vor Abgabe des reichskammergerichtlichen Mandats, wiederum in Freiheit gesetzt worden seien, eine Pfandung an deren Pferden und Wagen hingegen überall nicht stattgefunden habe, weshalb denn die Auflage der Parition des Mandats sich von selbst erledige.

Ebenso beschäftiget sich die gleichzeitig eingereichte von lehstensche Exceptionsschrift damit, die beiden Hauptvertheidigungsmomente auszuführen, daß eine Connexität zwischen ihrer Sache mit derjenigen des Herzogs überall nicht vorliege und daß sie dem Reiche nicht unmittelbar unterworfen seien, daher nur vor dem meklenburgischen Landesgerichte Rede zu stehen hätten.

Gegen den Haupteinwand des herzoglichen Anwalts kam indessen in Betracht, daß die Entlassung der Gefangenen mit

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allerdings unzulässigen Nebenbestimmungen verknüpft gewesen war, und das Anführen des von lehstenschen Anwalts konnte füglich auf sich beruhen, da es sich im eigentlichen Sinne von den Folgen einer Gewaltthat, die auf Befehl oder doch im Namen des Herzogs geschehen war, handelte. Das Reichskammergericht erließ daher am 17. August 1591 ein inhärirendes Mandat dahin: daß den strisenower Hausleuten das abgenommene Stockgeld zurückzugeben und das von ihnen erzwungene Versprechen (die abgedrungene Obligation) zu erlassen sei, und habe also der imploratische Anwalt in solchem Maaße die Parition nachzuweisen, wobei ihm gestattet werde, die causales der angemaßten Pfandung vorzubringen.

Die Verhandlungen über die Parition, mit denen zugleich eine Widerklage herzoglicherseits verbunden ward, nehmen einen Zeitraum von sechs Jahren ein; sie schließen mit dem reichskammergerichtlichen Bescheide vom 24. November 1597, in Folge dessen das Mandat vom 17. August 1591 zum Vollzuge kommen sollte.

Um dann diesen Vollzug zu beschaffen, versah Herzog Ulrich den Professor und Hofrath Dr. Ernst Cothmann zu Rostock mit Specialvollmacht; dieser aber erstattete den am 24. November 1597 vor ihm persönlich erschienenen Hausleuten, in Gegenwart von Notar und Zeugen, 40 Schillinge Stockgeld, jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalte, damit den herzoglichen Gerechtsamen nichts vergeben haben zu wollen. Zugleich veranlaßte er sie, an Eidesstatt zu erklären, daß ihnen bei Entlassung aus der Haft überall keine Neuerung aufgedrungen worden sei und daß sie, nach wie vor, nicht mehr als zwei Tage Hofdienst auf Mamerow geleistet, das geschehene Anloben solcher Hofdienste hingegen nie für eine ihnen abgedrungene Obligation angesehen hätten, worauf der Professor Cothmann sie auch davon, jedoch vorbehältlich der herzoglichen Zuständigkeiten, liberirte.

Ein so günstiger Erfolg bewog nunmehr den Burgemeister von Höveln, den Streitpunct wegen der herzoglicherseits angesprochenen strisenower Geld= und Naturalprästanden aufzunehmen. Eine Pfandung in Strisenow von 10 Seiten Speck war davon die Folge. Abermals trug dann der Rath zu Lübeck gegen Herzog Ulrich beim Reichskammergerichte auf ein unbedingtes Mandat an, und dieses (das zweite) erging am 17. März 1598 dahin: daß, bei Vermeidung einer Strafe von 8 Mk. löthigen Goldes, die gepfandeten Speckseiten zu restituiren seien (deren Wiedereinlieferung, für den Fall, daß künftig darauf erkannt werden sollte, unbeschadet), dem herzoglichen Anwalte aber nachgelassen bleibe, innerhalb vorberaumter Frist neben zu docirender

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Parition auch die Pfandungsursachen (causales) vorzutragen und zu begründen. Wiewohl nun Letzterer dagegen vorbrachte, daß das Heil. Geist=Hospital sich keineswegs in dem behaupteten Besitze von Striesenow befinde, sondern dort nur eine geringfügige Geldabgabe erheben lasse, der Herzog auch die geklagte Pfandung weder anbefohlen, noch das Pfandobject nach Hofe habe fahren lassen - was freilich an sich nichtig war, da der herzogliche Hofmeister (Inspector) auf Mamerow die Pignoration hatte vollführen und die Speckseiten nach Krassow bringen lassen - so ließ das Reichskammergericht es doch im Bescheide vom 6. Juli 1600 bei dem erkannten Mandate bewenden.

In dem Schriftsatze, welcher hierauf in articulirter Weise sich über die causales verbreitet, wird der Besitz von Strisenow mit allen Gerechtigkeiten dem Herzoge vindicirt, und behauptet, daß das Amt Güstrow, unter welches Strisenow gestellt worden, jene Gerechtigkeiten im Namen des Herzogs seit undenklicher Zeit geübt habe. Die strisenower Bauern seien Unterthanen des Herzogs, nicht des Heil. Geist=Hospitals oder der Stadt Lübeck, das Gotteshaus habe auch wiederholt sich des Beistandes des Amtes Güstrow bedient, um sich den Bezug der einzigen Revenüe von 20 Gulden zu sichern. Hieran schließt sich die Bitte um Cassirung des Mandats, Entbindung von der Klage und Verweisung des Raths zum ewigen Stillschweigen.

Dagegen entwickelt die erst im Jahre 1604 1 ) von Seiten des Raths eingereichte Refutationsschrift, daß die vorliegenden Urkunden von einer Beschränkung des Hospitals auf eine bloße Revenüe von jährlich 20 Gulden kein Wort enthielten, daß die eigenmächtige Abgabe des Rauchhuhns an das Amt Güstrow für das Hospital unpräjudicirlich sei, daß die vom Herzoge angesprochene Botmäßigkeit über Strisenow auf einer Anmaßung beruhe und daher auch das Berufen auf Verjährung unstatthaft sei.

Während die Parteien auf diese Weise mit einander stritten, waren die herzoglichen Beamten nicht müssig gewesen, wegen der inzwischen weiter fällig gewordenen, von den Strisenowern gleichfalls verweigerten Termine, wie früher einzuschreiten. Daraus entstand dem zunächst der dritte Pfandungsproceß, dessen Gegenstand schon bedeutender war; denn am 19. Sept. 1598 hatte man den Strisenowern abgenommen: 10 Schweine, 10 Ochsen, 7 Speckseiten, 2 große Kessel, 1 Grapen, 3 Schmiedehämmer, ferner am 7. November desselben Jahres 20 Speckseiten und am 22. April 1599 abermals 20 Speckseiten.


1) Ohne Zweifel ist der Verzug durch die großen bürgerlichen Unruhen, welche bei dem Beginne des 17. Jahrhunderts die Thätigkeit der rechtskundigen Mitglieder des Rathes in Anspruch nahmen, veranlaßt worden.
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In Bezug darauf erging am 1. Juni 1599 ein reichskammergerichtliches mandatum restitutorium, über dessen Parition und causales dann wieder mit ähnlichen Argumenten hin und her gestritten ward.

Ein vierter Pfandungsproceß eröffnete sich mit einer am 4. August 1599 in Strisenow vollstreckten Pfandung an 8 Ochsen und 3 Seiten Speck, deren Zurückgabe durch reichskammergerichtsliches Mandat vom 15. September 1599 angeordnet ward.

Der fünfte Pfandungsproceß betraf 5 Schnittelschweine und 5 Gulden, derentwegen ein Mandat vom 12. Januar 1600 die Restitution und Parition auferlegte, jedoch ohne Zuerkennung eines Schadensersatzes.

Es würde ermüden, auf den Inhalt der in diesen verschiedenen Processen gewechselten Schriftsätze einzugehen; hier nur noch Einiges über deren Verlauf. Als nämlich auf die drei letztgedachten Mandate drei verschiedene Paritions=Urtheile ergangen waren und es sich gezeigt hatte, daß - da die Pfandobjecte schon verkauft worden waren - jetzt nur noch deren Werth erstattet werden könne, so deponirte der herzoglich meklenburgische Anwalt, um die Parition zu dociren, bei dem Reichskammergerichte die Summe von 104 Rthlr. Der Anwalt des Raths bestritt indessen die Zulänglichkeit solcher Parition und erwirkte, wiewohl erst nach weitläuftigen Verhandlungen, drei gesonderte Urtheile (vom 19., 22. und 26. Januar 1607), durch welche der Gesammtbelauf aller von dem Herzoge zu erstattenden Gerichtskosten auf 97 Fl. 47 Kr. ermäßigt, der von ihm zu vergütende Werth der Pfandobjecte in den drei Pfandungsprocessen auf 237 Fl. 30 Kr. und der erlittene Schaden in zwei Pfandungssachen - nach vorgängig erfolgter Ableistung des Schätzungseides durch den Anwalt des Raths in dessen Seele - auf 144 Fl. 17 Kr. festgestellt, mithin dem Rathe ein Totalbetrag von 479 Fl. 34 Kr. zuerkannt wurde. So weit nun dieser nicht durch das überwiesene Depositum gedeckt war, ist er durch den eigens nach Lübek abgeordneten Notar Andreas Wedell berichtiget worden.

Die bisher bezeigte Willfährigkeit des Reichskammergerichts, mittelst unbedingter Mandate die Besitzrechte des Hospitals zu schützen, hatte gleichwohl nicht die gehoffte Wirkung. Vielmehr sehen wir demungeachtet sowohl das Amt Güstrow mit erneuerten Pfandungen fortfahren, als auch beim Beginn des Jahres 1601 die göttiner Gutsbesitzer von Lehsten, welche bisher nur ruhige Zuschauer abgegeben hatten, die unglücklichen Strisenower mit einer unerhörten Verfolgung heimsuchen, und damit einen namenlosen Jammer über diese hereinbrechen.

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Denn nicht genug, daß um die gedachte Zeit auf herzoglichen Befehl 9 Pferde, 8 Ochsen und 5 Schweine in Pfand gezogen wurden, auch die von Lehsten überfielen jetzt mit ihren Bauern bei nächtlicher Weile das Dorf, erbrachen Häuser und Ställe und führten 57 Ochsen hinweg, nicht ohne die Drohung deren sofortigen Verkaufs, falls die geweigerten Hofdienste nicht unbedingt geleistet würden, zurückzulassen. Um aber dann das Maaß der Leiden voll zu machen, so erging noch ein Verbot an die benachbarten Dorfschaften, bei namhafter Strafe den Strisenowern in ihrer Ackerwirthschaft in irgend einer Weise behülflich zu sein, Gehorsam und Unterwerfung sollte also um jeden Preis erzwungen werden.

Zwar säumte der Rath zu Lübeck nicht, beim Reichskammergerichte das Geeignete beantragen zu lassen, auch war das gewöhnliche Pönalmandat (das sechste) schon am 14. Januar 1601 nicht nur gegen den Herzog, sondern auch gegen die von Lehsten erwirkt; allein da der Erfolg desselben, wie immer, durch ein Erkenntniß in paritorio bedingt war, die Verhandlungen darüber hingegen sich sehr in die Länge zogen und erst am 4. November 1609 dem herzoglich meklenburgischen Anwalt auferlegt ward, die geschehene Pfandrestitution nachzuweisen: so konnte man diesmal das Resultat um so weniger für ein günstiges halten, als das Amt Güstrow den zur Auszahlung bereit stehenden Werthbetrag von 143 Gulden für 21 Stück Vieh und 5 Schweine nunmehr deswegen zurückhielt, weil die Strisenower seit 8 Jahren mit den an das Amt zu entrichtenden Geldprästationen und seit 2 Jahren auch mit den üblichen Naturalabgaben sich im Rückstande befänden: ein Umstand, der zu erneuerten Anträgen bei dem Reichskammergerichte nöthigte.

Noch schlimmer war es, daß es inzwischen den von Lehsten gelang, im Wege der Restitution der Einrede der Incompetenz des Reichsgerichts Eingang zu verschaffen, wovon denn eine Cassirung jenes gegen sie erwirkten Mandats vom 14. Januar 1601 die Folge war. Denn so wie nun die späteren Mandate (nämlich das siebente vom 16. Jun. 1602 wegen gepfändeter 20 Kühe, das achte vom 16. October 1602 wegen 14 Stück Vieh, das neunte vom 13. Februar 1604 wegen 6 Ochsen und 3 Kühe und das zehnte vom 30. October 1604 wegen 10 Stück Vieh) ein gleiches Schicksal hatten, so fanden die Sieger, welche die absolutorischen Sentenzen durch Publication von der Kanzel der Parrochialkirche zur Kunde der ganzen Gemeinde bringen ließen, darin nur eine zu deutliche Aufforderung, auf dem einmal betretenen Wege fortzuschreiten, ohne

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daß sie daran durch die Landesregierung behindert worden wären oder die Folgen des von dem Rathe gegen die cassatorischen Sentenzen eingelegten Rechtsmittels der Gegenrestitution eben sehr gefürchtet hätten.

Schwerlich findet sich in den Proceßannalen ein ähnliches Beispiel einer so rücksichtslosen Behandlung unschuldiger dritter Personen zum Schutze des eigenen Rechts. Die Lage der von zwei Seiten unablässig bedrängten Dorfschaft war aber in der That höchst bedauerlich. Fast ihres ganzen Viehstandes beraubt, konnten die Hauswirthe weder pflügen, noch säen, ja nicht einmal das Saatkorn mehr ankaufen; und was sie früher als eine Last von sich abzuwälzen getrachtet hatten, nämlich die Leistung von Abgaben an das Amt Güstrow und von Hofdiensten an die göttiner Gutsherren, das erbaten sie sich jetzt als eine Gnade vom Rathe zu Lübeck, weil derselbe ihnen eine wirksame Hülfe zu gewähren außer Stande sei, sie aber fast im Elend umkommen oder Haus und Hof verlassen müßten.

Zwar kann man unbedingt den Herzog Ulrich, und - nach dessen im Jahre 1603 erfolgtem Ableben - den Regierungsnachfolger Herzog Carl, von dem Vorwurfe freisprechen, solche Folgen beabsichtiget zu haben, darf auch die Ungebühr ihrer Vasallen von Lehsten nicht eben sehr auf ihre Rechnung bringen, weil es damals mit der Handhabung des Land= und Hausfriedens in Mecklenburg noch etwas mißlich aussah und des Herzogs Carl Patent von 19. April 1609 andeutet, wie er sich kaum der Frevler an seinem eigenen Hofe zu erwehren vermochte, - allein weniger die güstrowschen Amtleute Gottschalk Berner und Levin Vieregge, die solchen Gewaltthätigkeiten ihren Beistand liehen, und am wenigsten den lübeckischen Burgemeister Gotthard von Höveln, welcher mit wahrer Leidenschaftlichkeit auf einem immer mehr sich verwickelnden Rechtswege beharrte. Denn obgleich auch ihm der Gedanke an die Möglichkeit des Unterliegens in der Hauptsache sich aufdrängte, wie dies aus einer brieflichen Aeußerung desselben an den Kammergerichtsprocurator klar hervorgeht, wodurch er in Frage stellt, ob es nicht gerathen sei, sofort zum Petitorium überzugehen oder auf einen für alle Theile gleich diensamen Ausweg bedacht zu nehmen, so ist doch bis an seinen Tod (16. März 1609) weder in der einen, noch in der anderen Beziehung der mindeste Versuch gemacht worden.

Der nach ihm an die Spitze der Administration des Heil. Geist=Hospitals tretende Bürgermeister Alexander von Lüneburg mußte aber schon in dem harten Schicksale, unter welchem Strisenow erlegen war, einen hinreichenden Anlaß finden, über

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die Lage des Rechtsstreits und den von seinem Fortgange zu erwartenden Erfolg gutachtlichen Bericht einzuziehen. Der damit beauftragte Syndicus Dr. Brambach äußerte sich nun folgendermaßen. Bereits in der Antwort auf die causales habe man dem Herzoge eine 70jährige Possession eingeräumt; überdies lasse sich nicht mit Wahrheit behaupten, daß das Hospital in seinem Besitze gestört worden sei, oder daß der Herzog sich der Pfandung bedient habe, um sich ein neues Gerechtsam anzueignen, weshalb es denn an den gesetzlichen Erfordernissen eines Pfandungsprocesses gebreche. Da nun auch, alles Nachforschens ungeachtet, nichts davon zu ermitteln gewesen sei, daß die strisenower Eingesessenen dem Rathe zu Lübeck jemals den Huldigungs= oder Unterthaneneid geleistet hätten oder daß zu irgend einer Zeit von dem Hospitale die Gerichtsbarkeit in Strisenow geübt worden sei, so befinde man sich in der Unmöglichkeit, für das jetzt grade vorliegende Beweisverfahren zweckmäßige Interrogatorien zu verfassen.

In der That bedurfte es auch keiner tiefen juristischen Einsicht, um die große Zweifelhaftigkeit der bisherigen Erfolge zu erkennen, indem die Gerechtsame des meklenburgischen Landesherrn über Strisenow und der Anspruch der göttiner Erbherren wegen der Hofdienste ihrem Ursprunge nach freilich mit klarem Brief und Siegel im Wiederspruche standen, allein durch einen Ablauf vieler Jahrzehende den Charakter der Legalität genommen hatten, so daß man sich vergeblich noch jetzt gegen ihre Anerkennung auflehnte.

Unter so bewandten Umständen erging dann vorerst am 23. December 1609 ein Befehl an den reichskammergerichtlichen Anwalt des Raths, in der Sache nicht weiter vorzuschreiten, da man eine gütliche Beilegung derselben bezwecke. Die darauf bestellten Commissarien (von herzoglich meklenburgischer Seite: Joachim Wolfrath von Bassewitz auf Lühburg und Maslow, Gotthard von Moltke auf Toitendorf, Hofrath Dr. Ernst Cothmann und Hofrath Dr. Jacob Heine; von lübeckischer Seite: Burgemeister Dr. Jacob Bording und Syndicus, Dompropst Dr. Johann Brambach) eröffneten zu Wissmar die Unterhandlungen und vereinigten sich am 12. April 1610 einstweilen dahin, den Proceß nicht weiter fortzusetzen. Alsdann ward wegen gänzlicher Abfindung des Hospitals verhandelt und dabei die Revenüe aus Teterow von jährlich 9 Gulden mit hineingezogen, am 12. September 1610 aber der Hauptvergleich 1 ) abgeschlossen. Derselbe ist auf Pergament,


1) Vgl. Urkunden=Sammlung.
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unter den Namensunterschriften der damals regierenden Herzoge Adolph Friederich und Hans Albrecht ausgefertiget, mit deren Handpettschaften, so wie auch mit dem kleineren Siegel der Stadt Lübeck versehen worden und enthält folgendeVertragspuncte:

1) die Herzoge zu Meklenburg zahlen dem Heiligen= Geist= Hospitale zu Lübeck im Antonitermine des Jahres 1611 die Summe von 1000 Gulden, gegen genugsame Quittung;

2) das Hospital cedirt ihnen dagegen das Einkommen von jährlich 13 Mk. 8 ßl. aus Teterow;

3) alle und jede zwischen beiden Theilen wegen des Dorfes Strisenow obwaltende Streitigkeiten, so wie die desfallsigen gegenseitigen Ansprüche oder Forderungen sind für immer abgethan, beigelegt und aufgehoben.

Fassen wir schließlich noch das so eben dargelegte Vergleichsresultat ins Auge, so hatten auf der einen Seite die Herzoge von Meklenburg eine durch fortgesetzte Gewaltthat ruinirtes Dorf, frei von einem geringfügigen Anspruche des Hospitals und mit einem unbedeutenden Zuwachse aus Teterow, gewonnen, auf der anderen Seite war dem Gotteshause nur die erbärmliche Summe von 1000 Gulden (1500 Mk.) zu Theil geworden, die schwerlich kaum die Proceßkosten deckte, viel weniger als Aequivalent für die Ankaufssumme von 1278 Mk. Pf. (nach dem Münzfuße von 1610 auf etwa 16000 Mk. zu berechnen) angesehen werden konnte. Endlich geschieht auch der unschuldigen Dritten, welche unter der Proceßlust der Parteien zu Grunde gerichtet waren, überall keiner Erwähnung, und muß es dahingestellt bleiben, ob und in wie weit die herzogliche Milde das ihnen zugefügte große Unrecht späterhin ausgeglichen hat. Indessen ist grade die Regierung der Herzoge Adolph Friederich und Hans Albrecht durch jene denkwürdigen Ereignisse, welche den Herzog von Wallenstein zum Thron Meklenburgs führte, unterbrochen, überhaupt aber der nördliche Theil Deutschlands durch die Folgen des dreißigjährigen Krieges zu sehr heimgesucht worden, um annehmen zu können, daß die strisenower Hauswirthe den so andauernden Drangsalen gewachsen gewesen wären. Vielmehr scheint das Dorf damals niedergelegt und in ein Gut umgewandelt worden zu sein, mit welchem dann Herzog Adolph Friederich II. im Jahre 1673 einen von Lehsten, und nachdem dieser es im J. 1675 an von Hahn auf Dieckhof abgetreten hatte, diesen letzteren belehnte. Seitdem ist Strisenow ein Lehngut geblieben.