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Ueber den Rundbogenstyl in Meklenburg und die Kirchen zu Ratzeburg, Schlagsdorf, Gadebusch, Vietlübbe und Lübow.

Die Werke aus der Zeit des Rundbogen= oder byzantinischen Baustyls haben in den neuesten Zeiten mit Recht die ganze Aufmerksamkeit aller denkenden und fühlenden

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Menschen auf sich gezogen. Da aber theils der byzantinische Baustyl einer längst entschwundenen Zeit angehört, indem die letzten Werke desselben in das Ende des 12. Jahrhunderts fallen, theils die deutsche Bildung, und mit ihm der Steinbau, erst in dieser Zeit in die nordöstlichen Länder Deutschlands einwandert, so müssen die wenigen Ueberreste förmlich entdeckt werden.

Schon seit längerer Zeit waren die Dome zu Lübeck und Ratzeburg als Werke des Rundbogenstyls bekannt. Die Capelle zu Althof bei Doberan (vgl. Jahrb. II, S. 1 flgd. u. S. 24 flgd.) hat im Laufe der Zeit zu viel gelitten und ist zu sehr verbaut, als daß sie als Muster oder Beispiel eines Baustyls aufgestellt werden könnte. Darauf ward im J. 1837 das Schiff der Kirche zu Gadebusch (vgl. Jahresber. III, S. 125 flgd.) als ein byzantinisches Bauwerk entdeckt, später im J. 1839 die Kirche zu Vietlübbe (vgl. Jahresber. IV, S. 82) und im J. 1841 die Kirche zu Lübow (vgl. unten). Es wurden durch diese Entdeckungen die Eigenthümlichkeiten dieses Styls in den Ostseeländern klar. Im J. 1839 entdeckte Kugler auch in Pommern einige byzantinische Bauten (vgl. Kugler's pommersche Kunstgeschichte in Balt. Stud. VIII, Heft 1, 1840), nachdem Al. v. Minutoli (Denkmäler mittelalterl. Kunst in den brandenb. Marken) schon im J. 1836 die Hauptwerke des Rundbogenstyls in der Mark Brandenburg, wie die Marienkirche bei Brandenburg und die Klosterkirche zu Jerichow, so wie die Krypten zu Jerichow und Brandenburg, bekannt gemacht.

Bei der Entdeckung der einzelnen Bauwerke des Rundbogenstyls stellte es sich nach und nach heraus, daß bestimmte Ueberreste desselben in Meklenburg nur in der Nähe der ältesten Bischofssitze und Residenzen zu finden seien; jede andere Forschung war vergeblich, wenn man nicht Bauten aus der Uebergangsperiode und andere unklare Erzeugnisse für wichtiger halten will, als sie wirklich sind. Die Aufstellung unbestimmter Bauwerke als Muster eines Styls ist aber verführerisch, um so mehr, da sich in vielen schlechten und geistlos restaurirten Landkirchen mancher runde Bogen findet. Es ist hier daher nicht die Rede von Andeutungen und Spuren, sondern von scharf ausgeprägten Formen, welche keinen Zweifel übrig lassen.

Der Rundbogenstyl ist in der bischöflichen Kirche zu Ratzeburg (im J. 1154 gegründet und noch im 12. Jahrh. vollendet) völlig klar ausgebildet. Von hier hat er sich im Vorrücken sächsischer Cultur gegen Westen hin in die Gegend

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von Gadebusch und Meklenburg verbreitet, wo er bei der allmäligen Paciscirung der Sachsen nach und nach in den Spitzbogenstyl übergeht.

Der Spitzbogenstyl des 12. und 14. Jahrhundert erscheint in Meklenburg nicht plötzlich, sondern bildet sich vermittelst eines Ueberganges aus, während dessen die Fensterwölbungen aus zwei Kreissegmenten in einer ernsten und strengen Gestalt, ohne Gliederung der Seitenwände, gebildet sind und daneben noch rundbogige Pforten und Friesverzierungen angewandt werden. Jedoch sind die Altartribunen in dieser Zeit schon beständig dreiseitig gebildet oder rechtwinklig abgeschnitten.

Um nun die Kirchen des Rundbogenstyls (denn von Privatgebäuden dieses Styls in Meklenburg kann nicht die Rede sein) in übersichtlichen Zusammenhang zu bringen, machte der Einsender mit dem Herrn Pastor Masch zu Demern und dem Herrn Hofmaler Schumacher zu Schwerin im Junii 1842 im Interesse des Vereins eine Entdeckungsreise in die Gegend von Ratzeburg und Gadebusch, um die Kirchen, welche in den Urkunden als die ältesten genannt werden, einer vergleichenden Prüfung zu unterwerfen. Das Resultat dieser Untersuchung ist, daß Meklenburg in den 5 Kirchen zu Ratzeburg, Schlagsdorf, Gadebusch, Vietlübbe und Lübow alle Formen des Rundbogenstyls in fast vollständiger Reinheit besitzt.

1. Der Dom zu Ratzeburg

ist schon in Masch Geschichte des Bisthums Ratzeburg, S. 747 flgd., beschrieben; es soll hier daher nur berührt werden, was eigenthümlich und charakteristisch ist und zur Vergleichung dienen kann. Zuvor sei bemerkt, daß das Material der Kirche zum größten Theil aus vortrefflichen, hellen, gelblichen Ziegeln besteht, welche in Meklenburg äußerst selten vorkommen. Die Grundform der Kirche ist die eines lateinischen Kreuzes mit langem Stamm im Schiffe, mit zwei niedrigen Seitenschiffen. Die Altartribune, mit 3 Fenstern, von denen das mittlere höher ist, ist im reinen Halbkreise aufgeführt. Die Fenster, welche paarweise nicht weit von einander stehen, jedoch nicht verbunden sind, sind schmal und im Halbkreise gewölbt; unter dem Kranzgesimse krönt die Mauern ein Fries von kleinen Halbkreisbogen, von dem zwischen den Fensterpaaren schmale Wandstreifen oder Lissenen niederlaufen, welche die großen Mauermassen angemessen theilen. Der Chor liegt sehr hoch, ganz als wenn unter demselben eine Gruft=

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kirche oder Krypte wäre, welche jedoch nicht vorhanden sein soll. Die Altartribune ist im Innern mit einer Halbkuppel, dem einzigen Beispiele in Meklenburg, vortrefflich gewölbt. Im Innern ist Alles, Pforten, Bogen und Gewölbe der Seitenschiffe, im Halbkreise gewölbt. Nur die Hauptgewölbe des Chores und der Hauptschiffe haben Gewölbe aus der Zeit des ersten, ernsten Spitzbogenstyls. Diese Construction ist auffallend, aber sie ist sicher vorhanden; sei es nun, daß während der Vollendung der Kirche sich schon der Spitzbogen entwickelte und man diesen beim Schlusse des Gebäudes anwandte, derselbe also ursprünglich ist, wie bei Masch a. a. O. von dem Architecten Lauenburg angenommen wird, sei es daß die Sage Wahrheit hat, die Gewölbe seien im 15. Jahrhundert erbauet worden: so viel ist gewiß, daß die Gewölbe, mit Verachtung der rundbogigen Fenster= und Mauerformen, schlecht, unregelmäßig und unsauber genug angesetzt sind, um solche Gedanken aufkommen zu lassen. - Am westlichen Ende der südlichen Seitenwand ist eine Vorhalle oder eine dem ersten Bischofe Evermod zugeschriebene Capelle vorgebauet, auf deren äußern Schmuck besondere Sorgfalt verwandt ist; gleichviel ob sie eine Taufhalle (Baptisterium) oder eine Büßerhalle (Narther), ob sie bloß eine Vorhalle zum Schutze des Einganges sein sollte: sie ist sehr alt. "Gehört sie auch vielleicht nicht zum Grundplane der Kirche," da die reich geschmückte Hauptpforte und andere Details durch sie verdeckt sind, so stammt sie doch ohne Zweifel aus der Zeit der Erbauung der Kirche; denn das Material besteht aus ganz denselben hellfarbigen Ziegeln, aus denen das Schiff aufgeführt ist, und die Ornamente sind den Ornamenten des alten Baues völlig gleich. Der gegen Süden gewandte dreiseitige Giebel ist ebenfalls mit einem Fries von Halbkreisbogen verziert 1 ); durch die nach unten geöffnete Zusammensetzung von drei Halbkreisbogen im Schlusse des Giebels wird eine kleeblattartige Verzierung gebildet, welche in einer strengen Durchführung dem byzantinischen Baustyl in Meklenburg eigenthümlich ist. Das Giebelfeld, welches ganz in Zickzacklinien aufgeführt ist 2 ), enthält


1) Die übrigen zwischen der Vorhalle und dem Kreuzschiffe ausgebaueten Capellen verunzieren die Kirche nicht wenig. Die beiden äußersten rechts und links sind am Ende des 15. Jahrhunderts eingefügt, denn der Baustyl derselben mit den dreigetheilten, flachbogigen Fenstern ist dem auffallenden und eigentümlichen Slyl der Kirche zu Ziethen, welche nach Masch a. a. O., S. 373, seit dem J. 1481 erbaut ward, völlig gleich.
2) Diese Stellung der Zickzacklinien in Giebelfeldern ist dem Rundbogen= und Uebergangsstyl eigenthümlich (vgl. Jahresber. VI, S. 87); (  ...  )
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eine große rundbogige Rosette aus Reliefziegeln, deren genauere Vergleichung mit dem bronzenen Rosenfenster im Westgiebel der Kirche zu Gadebusch von Interesse sein dürfte. Die gegliederte Pforte ist, wie die Hauptpforte der Kirche, im Halbkreise gewölbt. Von den vier Gewölben der Vorhalle hat der Raum unter dem Gewölbe rechts vor der Hauptpforte der Kirche eine wie die Altartribune halbkuppelförmig gewölbte Nische.

Ein ähnlicher Giebel, wie die Vorhalle, schmückt auch den an die Nordseite der Kirche angelehnten östlichen Theil des Kreuzganges oder des Klosters, der sowohl hiedurch, als durch seine Gewölbe und Säulenstellungen seinen Ursprung aus der Zeit der Erbauung des Doms beweiset.

Für das Studium der Entwickelung des Spitzbogenstyls geben mehrere Inschriften in den Mauern der Klostergebäude (vgl. Masch Gesch. des Bisth.) treffliche Grundlagen.

2. Die Kirche zu Schlagsdorf

(sonst Slavekestorp), eine Meile von Ratzeburg, liegt gegen Westen hin dem Dom von Ratzeburg am nächsten und ist nach dieser unzweifelhaft die älteste Kirche in der Nähe von Ratzeburg, wie sie auch im Zehntenregister des Bisthums Ratzeburg von allen zuerst genannt wird. Die Kirche hat eine ganz eigenthümliche und seltene Bauart. Sie besteht aus einem Schiffe im Oblongum und einem etwas schmalern, oblongen Chor, welcher dreiseitig zur Altarnische ausgebaut ist. Ohne Zweifel ist das Schiff ein älterer Bau, wenn auch der Chor nicht viel jünger ist. Das Schiff bildet ein regelmäßiges Oblongum, ohne Strebepfeiler, das an jeder Seite 4, im Ganzen also 8 schräge eingehende, nicht verzierte, enge Fenster hat, welche jedoch nur in der nördlichen Wand ganz erhalten und im reinen Rundbogenstyl ohne Mittelstäbe construirt, in der südlichen Wand dagegen schon sehr entstellt sind. Die Hauptpforte ist in der Mitte der südlichen Wand eingesprengt und mit Wulsten im Rundbogenstyl, jedoch so construirt, daß, grade wie an der Friesverzierung im Giebel der "Evermods=Capelle" am Dome zu Ratzeburg, die Kreiswölbung unterbrochen ist und nach oben hin einen kleeblattartigen Ausschnitt durch Aufsetzung eines kleinen Halbkreises auf die


(  ...  ) auch an den Giebeln des Doms zu Schwerin, der nach mehrern Spuren, wie der Chor, aus der Uebergangs=Periode stammt, stehen die Ziegel noch im Zickzack.
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unterbrochenen Kreislinien erhalten hat  . Eine gleiche Pforte findet sich in der Nordwand der Kirche zu Lübow, welche die Hauptpforten ebenfalls in der südlichen Wand hat. In der nördlichen Wand der schlagsdorfer Kirche ist eine kleine, rundbogige Thür zugemauert. Das Innere des Schiffes ist mit Rundbogen, welche jedoch schon eine kleine Spitze haben, gewölbt. Die ganze Decke besteht aus 8 Kreuzgewölben, welche auf 3 in der Mitte der Kirche stehenden Säulen ruhen; und hierin besteht vorzüglich die seltene Eigenthümlichkeit der Kirche. Die beiden äußersten Säulen sind Bündel, welche aus 4 Säulen bestehen; der mittlere Säulenbündel besteht aus 4 achteckigen, aus dem Viereck geschnittenen Pfeilern; die Kapitäler sind aus einem kräftigen Viereck geschnitten. Die Säulen stehen also dem Altare grade gegenüber. Der östlichste Gurtbogen, welcher die Richtung grade auf den Altar hat, ist in zwei Bogen gespalten, welche sich an die Seiten des Bogens vor der Altarnische legen und durch diese Construction am östlichen Ende ein Sterngewölbe bilden. Ohne Zweifel schloß sich früher hieran unmittelbar eine halbkreisförmige Altartribune mit Halbkuppelwölbung. Dies liegt schon in dem ganzen Grundplan der Kirche; denn es ist kaum glaublich, daß man die starken Pfeiler in die Mitte der Kirche gestellt haben würde, wenn man ursprünglich die Absicht gehabt hätte, einen engen, langen Chor anzubauen, da in diesem Falle, wie gegenwärtig, der Altar so weit in den Hintergrund zu liegen kommt, daß eine freie Wechselwirkung zwischen Altar und Schiff wenigstens sehr erschwert wird. Statt der halbkreisförmigen Altartribune ist ein gewölbter, oblonger Chor ohne Strebepfeiler an das Ostende der Kirche angesetzt; lange nach der Erbauung des Schiffe wird dies nicht geschehen sein, da die in der südlichen Wand liegende, jetzt durch einen Vorbau verdeckte Pforte zum Chor noch im reinen Rundbogenstyl construirt ist; wahrscheinlich ist der Bau des Chors noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausgeführt, da die Fenster noch in dem ernsten Style der ersten Zeit des Spitzbogens mit zwei in einen Winkel zusammengesetzten Kreissegmenten gewölbt sind; von diesen Fenstern ist jedoch nur noch eins an der Nordseite mit einfachen, schräge eingehenden Wänden erhalten, das andere an der Südseite ist verändert und zwei sind ganz zugemauert: ursprünglich hatte der Chor 4 Fenster. - Die Altarnische ist dreiseitig ausgebauet, hat 4 Strebepfeiler und 3 Fenster im Spitzbogenstyl mit gegliederten nicht schräge eingehenden Seitenwänden; von diesen Fenstern ist das mittlere dreifach, die beiden andern sind zweifach getheilt.

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Nach dieser ganzen Construction scheint die Altarnische und also auch die gewöhnliche, spitzbogige Wölbung des Chors in noch jüngerer Zeit erbauet zu sein. - Der am Westende angebauete Thurm mit vielen flachbogigen Doppelfenstern und einer Pforte im strengen Styl aus der ersten Zeit des Spitzbogens stammt ohne Zweifel aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

3. Die Kirche zu Gadebusch

ist im Jahresber. III, S. 125 flgd. bereits beschrieben. Gadebusch war die älteste Stadtresidenz im Lande Meklenburg und ihre Pfarrer nehmen vor den übrigen der Umgegend nah und fern gewöhnlich die erste Stelle ein. - Die Kirche besteht aus zwei verschiedenen Theilen. Der Chor ist im Spitzbogenstyl im 14. Jahrhundert erbaut. Das Schiff ist jedoch sehr alt und im reinen Rundbogenstyl aufgeführt; durch die Ansetzung des Chors ist die alte Altartribune natürlich verschwunden. Diese alte Kirche bildet ein Oblongum von drei gleich hohen und breiten Schiffen mit 12 Rundbogengewölben, welche auf 6 verschieden gestalteten Säulenbündeln ruhen: die Kirche ist also eine gewölbte Basilika und darin besteht das Eigenthümliche dieser Kirche. Die in der südlichen Wand liegende Hauptpforte mit den verzierten Rundbogenwulsten und den verschiedenen Kapitälern, wie am Dome zu Lübeck, ist die einzige dieser Art in Meklenburg. Eine von dem Innern der Kirche zur Thurmtreppe führende, im strengsten byzantinischen Style gebildete, durch eine kurze, dicke Säule gebildete und rund gewölbte Doppelöffnung in der Mauer findet sich außer hier nur zweimal in den Kreuzschiffen der Kirche zu Ratzeburg. Das bronzene Rosenfenster scheint auch aus der Zeit des Rundbogenstyls zu stammen. Uebrigens sind die engen, schmucklos und schräge eingehenden, kurzen, hoch liegenden, rundbogigen Fenster und der Rundbogenfries hier, wie überall an byzantinischen Bauten.

4. Die Kirche zu Vietlübbe

bei Gadebusch, welche im Jahresber. IV, S. 82 flgd., beschrieben ist, ist, nach der Rangordnung der Pfarrer zu urtheilen, die älteste nach Gadebusch im weiten Kreise umher. Die Grundform der Kirche ist ein gleicharmiges, griechischem Kreuz. Im Innern ist sie mit 5 auf mächtigen Pilastern ruhenden Gewölben im Rundbogenstyl bedeckt. Die Pforten, welche unter jedem Giebel in die Kirche führen, sind rund gewölbt,

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eben so die kurzen, engen, schräge eingehenden Fenster. Die Altartribune mit 3 Fenstern ist im reinen Halbkreise aufgeführt und mit halber Kuppel gewölbt. - Die Kirche zeichnet sich durch ihren ernsten, strengen, schweren Charakter aus.

5. Die Kirche zu Lübow

bei Meklenburg ist eine der interessantesten Landkirchen und der ältern Kirchen überhaupt in Meklenburg. Die am 25. Julius 1841 als wichtig entdeckte Kirche zu Lübow und die Kirche zu Vietlübbe (vgl. Jahresber. IV, S. 82, und vor. Seite) sind die einzigen Landkirchen in Meklenburg=Schwerin, von denen es bis jetzt bekannt ist, daß sie im reinen Rundbogenstyl und ohne Zweifel noch im 12. Jahrhundert erbaut sind; beide Kirchen haben ihre frühe, tüchtige Erbauung wohl dem Einflusse der benachbarten alten Residenzen zu verdanken, die Kirche zu Vietlübbe der Residenz Gadebusch, die Kirche zu Lübow der Residenz Meklenburg. Die Kirche zu Lübow aber ist in dem Geiste der ältesten, einfachen, byzantinischen Baukunst erbauet 1 ).

Schon in den ersten Zeiten der Einführung des Christenthums erscheint im J. 1192 der Pfarrer Marsilius von Lübow im Gefolge des Fürsten Borwin I. (vgl. Westph. Mon. III, p. 1473) und in den ersten Zeiten der Befestigung des Christenthums nach dem letzten Aufstande nach Pribislavs Tode der Pfarrer Ovo 2 ) von Lübow 1219-1222 öfter im Gefolge desselben Fürsten (vgl. Rudloff Urk. Lief., S. 7, Jahrb. II, S. 292, Lisch Mekl. Urk. II, S. 3 u. 7), woraus sich auf eine besondere Theilnahme des Fürsten an dieser Pfarre und des Pfarrers an der Kirchengründung im Lande schließen läßt; auch in spätern Zeiten, selbst bis ins 16. Jahrh., läßt sich öfter ein engeres Verhältniß der Pfarrer von Lübow zum nahen Fürstenhofe zu Wismar nicht verkennen (vgl. z. B. Jahrb. V, S. 13).

Die Kirche zu Lübow ist von dem festesten, schönsten Material erbaut, das gefunden werden kann; obgleich sie sicher schon 600 Jahre alt ist, so ist doch nicht allein die Oberfläche der glatten, großen Ziegel, sondern auch die Kalksausfugung so fest, daß weder Zeit, noch Wetter den Außenwänden den geringsten Schaden haben zufügen können und daß nirgends ein Mangel oder eine Reparatur sichtbar ist.


1) Vgl. Der Großmünster in Zürich von Ferd. Keller, S. 13.
2) Ovo ward in der Folge wahrscheinlich Domherr zu Schwerin: 1237 erscheint Ovo canonicus Zwerinensis; vergl. Westph. Mon. III. p. 1481-82.
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Die Gestalt der Kirche bildet ein Oblongum von Westen gegen Osten in folgenden Abtheilungen, welche in derselben Richtung immer schmaler und niedriger werden: Schiff, Chor (oder Vorchor) und Altartribune (Chor). Das Thurmgebäude, welches nicht zur Kirche genommen ist, ist im Westen, in gleicher Breite mit dem Chor, aufgeführt.

Pforten und Fenster sind im reinen Rundbogen oder Halbkreise gewölbt und nicht ganz eng; Zahl und Lage derselben werden den Geist des Baues am besten charakteresiren können. Die Altartribune hat 3 Fenster (= Dreieinigkeit?), der Chor an jeder Seite 2 Fenster (= die 4 Evangelisten?) und das Schiff an jeder Seite 4 Fenster (= die übrigen 8 Apostel?). Alle Fensteröffnungen verengen sich nach innen hin bedeutend. Die große Hauptpforte für das Volk liegt in der Südwand des Schiffes; eine kleine Pforte für den Clerus liegt in der Südwand des Chors; an der Nordseite ist nur eine kleine schmale Pforte. Diese nördliche Pforte, der Pfarrwohnung gegenüber, bildet jetzt das Haupthor; die alte Hauptpforte in der Südwand ist gegenwärtig vermauert. Die Vermauerung der Hauptpforten ist eine sehr häufig vorkommende Erscheinung; diese hat gewiß darin ihren Grund, daß mit der Reformation die Kanzeln sehr häufig an die Pfeiler zwischen Chor und Schiff angebracht wurden, und dadurch eine Eingangspforte zu nahe kam, als daß diese durch Eintreten und Zugluft nicht zu Störungen und Unbequemlichkeiten hätte Veranlassung geben können: deshalb bauete man nach Bedürfniß die nahe liegenden Pforten zu, freilich gegen den Geist und die Schönheit der Bauwerke.

Die Altartribune oder der Chor bildet einen halben Kreisbogen, der an der Ostwand des Vorchors heraustritt; die 3 gesonderten Fensteröffnungen derselben gingen einst tiefer hinab, als die übrigen Fenster der Kirche, so daß das Licht der 3 Fenster concentrirt auf den niedrigem Altar der alten Zeit fiel; die Altartribune gewährt nur Raum für den Altar. Schon in früher Zeit sind die Fensteröffnungen des Chors von unten auf fast bis zur Hälfte zugemauert, wahrscheinlich im 14. oder 15. Jahrhundert, als der Heiligencultus überhand nahm und die hohen Flügelaltäre herrschend wurden.

Der Chor wird durch starke Pilaster im Rundbogenstyl abgegrenzt.

Die Fenster des Schiffs sind viel kürzer und liegen viel höher, als die übrigen, so daß die Wände des Schiffes im untern Zweidrittheil undurchbrochene Mauern bilden.

Der Chor oder Vorchor, welcher ein Viereck bildet, ist von einem ganzen Kreuzgewölbe und die Altartribune

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mit einem halben, sich daran schließenden Gewölbe im Spitzbogen bedeckt. Das Schiff im Oblongum, ohne Nebenschiffe, ist in der Decke flach mit Gebälk belegt. Die Wölbung ist offenbar viel jünger und wohl erst im 15. Jahrhundert gemacht, um so mehr, da sie ohne Geist, Geschmack und Gliederung auf die alten Pilaster gesetzt ist und sehr schlecht den rundbogigen Fensteröffnungen angepaßt ist.

Die ganze Kirche ist im Innern auf weißem Kalkgrunde bemalt, zuletzt vielleicht im 17. Jahrhundert übermalt. Die Gliederungen sind mit Weinlaub und Pametten etc. . geschmückt; das Schiff hat 3 Reihen von Wandgemälden übereinander: die untere Reihe hat Gehänge von Teppichen, die mittlere Reihe die (nicht schlecht gemalten) Apostel (in Beziehung auf die Zahl der Fensteröffnungen?) in Lebensgröße, die obere Reihe zwischen den Fenstern Medaillons oder Kränze mit Inschriften. Mag diese Malerei auch im 17. Jahrhundert renovirt oder übermalt sein, so scheinen doch einige Reste von alter Malerei, z. B. eine Lilie, dafür zu zeugen, daß diese Verzierung schon sehr frühe und im Geiste des Baues angelegt worden ist.

Was das Aeußere der Kirche betrifft, so sind die Fenster ohne Gliederungen, die südlichen Hauptpforten von vortrefflicher Construction, aber mit schönen, jedoch einfachen Wulsten und Kapitälern aus Ziegeln verziert: leider ist die größere, zugemauerte Hauptpforte fast zur Hälfte verschüttet. Die kleine Pforte in der Nordwand ist ohne Gliederungen, aber kleeblattförmig mit einem kleinen, aufgesetzten Rundbogen gewölbt: oben im halben Kreisbogen, an dem nach unten hin zwei Viertelkreisbogen hangen, welche auf perpendiculairen Pilastern stehen.

Die vortreffliche Altartribune ist im Geiste einer colossalen Säule mit einer schön gegliederten Basis aufgeführt; der Chor ist von seinen Umgebungen und in seinen Theilen durch dünne, verticale Wandstreifen oder Lissenen abgegrenzt.

Das Gesimse ist dadurch verziert, daß die äußern Wände des Schiffes von zwei Reihen triangulairer Ziegel bedeckt sind oder die Ziegel mit einer Ecke in der Außenwand stehen; der Chor hat außerdem noch zur Verzierung unter diesem halbdurchbrochenen Gesimse einen Fries von sich durchschneidenden nach unten geöffneten halben Kreisbogen.

Ueber der südlichen Hauptpforte ist zur Verzierung eine Vertiefung, bestehend in einem Viereck, auf dessen Seiten vier halbe Kreisbogen stehen, eingemauert.

Der Thurm ist etwas jünger, als die Kirche; das Material ist freilich noch gleich mit dem der Kirche; die Maurer=

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arbeit ist aber schon leichtfertiger. Durch zwei Leisten von halben Kreisbogen in Relief ist das Thurmgebäude in drei Theile abgegrenzt. Die Thür, über welcher ein zirkelrundes Fenster angebracht ist, ist im Spitzbogen gewölbt, eben so auch die Schallöcher, welche jedoch je zwei in einer rundbogigen Vertiefung liegen. Das Granitfundament des Thurmgebäudes ragt über der Erde hervor, das Fundament der Kirche nicht.

An der südlichen und nördlichen Wand der Kirche sind die Sakristei und eine Kapelle im Spitzbogenstyl, vielleicht im 14. Jahrhundert, angebauet und Veranlassung zur Verunstaltung der Kirche geworden.

In der nördlichen Wand sind neben einander zwei große, zugemauerte Rundbogen, deren Bestimmung sich schwer errathen läßt; da jedoch über denselben jetzt zugemauerte Oeffnungen zur Einsetzung von Balkenköpfen befindlich sind, so läßt sich vermuten, daß sie den Eingang zu einem früher angehängt gewesenen Gebäude, einer Art von Kreuzgang, vielleicht der ältesten Pfarrerwohnung, bildeten. Zur Materialersparniß, wie an der Kirche zu Neuburg, werden sie schwerlich angebracht worden sein, da sie in diesem Falle durch das ganze Gebäude hätten durchgeführt werden müssen.

An alten Leichensteinen besitzt die Kirche noch zwei, beide mit dem Bilde eines den Kelch consecrirenden Geistlichen und den Inschriften:

Inschrift

(Anno [Lücke durch die Aufsetzung der Kirchenstühle entstanden: wahrscheinlich 15. Jahrh.] feria III ante invencionis sancte crucis obiit dominus Nicolaus Tzyttkowe [d. i. Zittow], huius ecclesie vicarius, orate pro eo),

und
Inschrift

(Anno domini MCCCLXXXII, in vigilia Elisabet obiit dominus Hermannus - - [wahrscheinlich Pfarrer von Lübow].)

Das Ende dieser Inschrift ist zur Eingrabung einer jüngern Inschrift abgeschliffen.

Außerdem enthält die Kirche an der Nordwand des Chors ein großes Epitaphium aus Sandstein für Ludolph von

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Bassewitz und seine Gemahlin, geb. von Osten, eine große, nicht werthlose Bildhauerei vom J. 1620, im Styl der Epitaphien aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit den knieenden Figuren der Familie.

Der Greser Kirchenstuhl von 1585 enthält die geschnitzten Wappen von "Klaves fan Oldenborch, Seffige Fineken, Margret Pensen, Christoffer Dryberch".

Im Pfarrgarten stehen zwei große Kapitäler aus nordischem Kalkstein im einfachen reinen Styl der Rundbogenzeit. Sie werden jetzt als Fuß eines Gartentisches benutzt; früher lagen sie neben einer im Pfarrgarten stehenden noch 4 - 5 Fuß hervorragenden achteckigen Säule aus demselben Gestein. Diese merkwürdigen Monumente zeugen von einem großen Bau, der jetzt wohl nicht zu erforschen ist.

Schlußbetrachtung.

Dies sind nach aufmerksamen Forschungen die bis jetzt bekannten Kirchen des Rundbogenstyls in Meklenburg. Vergleichen wir sie unter einander und mit andern Kirchen desselben Styls, so stellen sich folgende Eigenthümlichkeiten heraus.

Die Grundform aller 5 Kirchen ist verschieden, denn es bildet

die Kirche zu Ratzeburg ein lateinisches Kreuz,

die Kirche zu Schlagsdorff ein Oblongum, dessen Gewölbe in der Mitte der Kirche stehende Säulen tragen,

die Kirche zu Gadebusch eine gewölbte Basilika von 3 gleichen Schiffen,

die Kirche zu Vietlübbe ein griechischem Krenz,

die Kirche zu Lübow ein mit Gebälk bedecktes Oblongum.

Allen gemeinsam sind jedoch folgende Eigenthümlichkeiten.

Die Gewölbe und Bogen sind im Halbkreise aufgeführt.

Die Pforten sind im Halbkreise gewölbt und in Wulsten gegliedert. Verschieden gebildete Kapitäler finden sich nur an der Kirche zu Gadebusch, welche auch auf den die Gewölbe tragenden Säulen freier gebildete Kapitäler hat. Sonst sind die Kapitäler gewöhnlich halbachteckig, aus dem Würfel geschnitten. Zu Lübow und Schlagsdorf finden sich auch kleeblattförmige Pforten, welche durch Aufsetzung eines Halbkreises auf den unterbrochenen Bogen gebildet werden.

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Die Hauptpforten liegen in den südlichen Wänden und zwar führt die Hauptpforte für die Gemeinde ins Schiff, eine kleinere für den Clerus in den Chor; außerdem hat die Nordwand gewöhnlich eine kleinere Pforte.

Die Fenster sind eng, kurz und schmal, schräge eingehend, ohne Gliederung der Seitenwände und im Halbkreise gewölbt. Die Fenster im Schiffe liegen sehr hoch, die im Chore gehen tiefer hinab, die in der Altartribune noch tiefer.

Die Zahl der Fenster ist vorherrschend gleich und hat wahrscheinlich eine symbolische Bedeutung; die 3 Fenster in der Altartribune deuten wohl auf die Dreieinigkeit, die 4 Fenster im Chore auf die Evangelisten, die 8 Fenster im Schiffe auf die übrigen Apostel. - Strebepfeiler fehlen.

Die Altartribune ist im Halbkreise aufgeführt. Kuppelwölbung findet sich nur noch zu Ratzeburg und Vietlübbe.

Die Verzierungen des Frieses bestehen aus kleinen, erhabenen Halbkreisen, welche gewöhnlich neben einander stehen, mitunter sich auch schneiden. Die Fenster sind oft durch senkrechte Wandstreifen oder Lissenen geschieden.

Die Ziegel der Giebelfelder sind häusig in Zickzacklinien gestellt.

Das Material besteht aus Ziegeln von größtem Format, welche ausgezeichnet schön und dauerhaft sind.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.