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Wendisches Priestergeräthh von Roga.

Im Jahresber. VI, S. 110 flgd. gab der Herr Pastor Boll Nachricht von einem merkwürdigen Funde bronzener Gräthschaften, welcher bei Roga, westlich nicht weit von Friedland, in der Richtung zwischen Friedland und Neu=Brandenburg, gemacht war, und fügte zur Instruction für den Ausschuß des Vereins einige Handzeichnungen von denselben hinzu. Die ungemeine Dichtigkeit dieser Alterthümer, welche schon aus den in Eile entworfenen Umrissen sogleich hervorleuchte veranlaßten den Ausschuß, den Herrn Erblandmarschall Grafen von Hahn auf Basedow und Roga, Mitglied des Vereins, um die Uebersendung und Erlaubniß zur Benutzung der Gegenstände zu ersuchen; nachdem derselbe die Sammlungen zu Schwerin in Augeschein genommen hatte, übergab er dem Vereine nicht nur den Fund von Roga, sondern auch alle Alterthümer, welche fortan auf seinen Gütern gefunden werden würden, zum Besitze, sich jedoch das Eigenthumsrecht vorbehaltend.

Da die Alterthümer jetzt zur ruhigen und vergleichenden Forschung vorliegen, so wird neben den hiebei erfolgenden Abbildungen eine Beschreibung willkommen sein.

Der ganze Fund besteht aus einem Kessel, einem Diadem, drei Paar Armringen, drei Kopf= oder Halsringen, drei Fingerringen, alles aus Bronze, und einer Spanqe aus Bernstein.

Als im Laufe des Winters 1840/41 der Herr Pächter Runge zu Pleetz bei Friedland im Großerzogthum Mecklenburg=Strelitz auf dem benachbarten Dorfe Roga aus einem kleinen Teiche nahe hinter den Tagelöhnerhäusern Moder fahren ließ, wurden die genannten Alterthümer 3 Fuß tief im Moder beisammen gefunden; die Armringe und die Fingerringe lagen unter dem umgestülpten Kessel, die übrigen Sachen um denselben. Sämmtliche Alterthümer sind von gleichmäßiger, dunkelfarbiger Bronze, ohne allen Rost, wie alle in Mooren gefundenen Bronzen, jedoch hin und wieder auf dieselbe Weise schwärzlich und bläulich von dem Moder leicht angelaufen, und vollkommen wohl erhalten. Der Kessel ist mit einer schwärzlichen Materie dünne und fest, wie mit Ruß bedeckt und hat den Anschein, als wäre er vom Feuer in den Teich versunken. Der Ueberzug kann aber auch durch die Modererde entstanden sein; jedoch haben die übrigen Geräthe nicht diesen Überzug, sondern sind nun hin und wieder schwarzbläulich angelaufen.

Die Zuverlässigkeit des Fundes unterliegt keinem Zweifel, da er in Gegenwart des Sohnes und des Neffen des

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Herrn Pächters Runge, zweier umsichtiger und zuverlässiger, der Landwirthschaft beflissener junger Männer gemacht und darauf sogleich von dem Herrn Runge selbst in Obhut genommen ward; demnächst ward von dem Herrn Pastor Boll zu Neu=Brandenburg der im Jahresber. VI, S. 110 abgedruckte Bericht nach den Berichten der Finder und den Originalstücken abgefaßt und demnächst von dem Herrn Runge vor dem Abdruck in allen Stücken genehmigt. Hierauf ward der Fund nach Basedow eingesandt, wo ihn der Unterzeichnete im Mai 1841 sah; damals fehlte schon der spiralförmig gewundene Fingerring, der Eisendrath am Diadem und die Bernsteinstange, welche letztere jedoch später wieder dazu gekommen ist. Am 23. Febr. 1842 brachte der Herr Graf von Hahn den ganzen Fund nach Schwerin.

Die einzelnen Gegenstände sind folgende:

1) ein Kessel von Gestalt der hiebei stehenden Zeichnung, 5" hoch, 9 1/2" weit im Bauchrande, 7 1/4" weit in der Mündung, 1 Pfund 10 Loth schwer. Ueber dem scharfen,

Kessel

7/8" breit eingezogenen Bauchrande ragt die Wand der Mündung 1 3/8" hoch empor und legt sich nach innen 3/4" breit zu einem Rande um, der mit einem Zickzack in Relief geschmückt ist. Auf diesem Rande stellen zwei oblonge, 1 1/2" lange Henkel, aus Einem Stück mit dem Kessel. Das Ganze ist aus Einem Stück gegossen, wie überhaupt alle vorchristlichen Bronze=Alterthümer Gußwerke sind; die Gußnäthe stehen im Innern noch stark hervor und zeigen keine Spur von Feile.

Der obere Theil ist durch zwei, mit dem Stück gegossene, concentrische, erhabene Reifenpaare verziert, welche nahe stehende, eingefeilte Querstriche haben.

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Der untere Theil der Außenfläche ist polirt und ganz mit eingravirten Verzierungen bedeckt. Es laufen drei Reihen Verzierungen übereinander umher, welche durch angemessene Abgrenzungen getrennt sind.

Kessel

Unten um den hiebei abgebildeten Knopf stehen fünf Drachen oder gewundene Schlangen ohne Füße, mit einem Kamm. Die beiden höher stehenden Reihen sind Drachenverzierungen, d. h. Ornamente nach Art der Drachenwindungen, jedoch keine Drachen mehr.

Diese Bronze=Kessel sind sehr selten und in Meklenburg bisher nur im Großherzogthume Meklenburg=Strelitz, und zwar vorherrschend in der Gegend von Neu=Brandenburg, gefunden. In der großherzoglichen Sammlung zu Neu=Strelitz befinden sich zwei aus der Sammlung des bekannten Gideon Sponholz, zwei aus einem Funde bei Neu=Brandenburg, bei welchen der verstorbene Pastor Masch zu Schlagsdorf in seiner Jugend auch den Runenstein mit dem Radegast, bei v. Hagenow Beschreibung der Runensteine, Fig. 1, zu S. 16, entdeckte, und einer, dessen weiter unten Erwähnung geschehen wird, aus einem Funde bei Wesenberg. - In Dänemark sind ähnliche Kessel, auch in kleinern Maaßen von Gold, gefunden (vgl. Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 41).

Allem Anscheine nach haben diese Kessel eine gottesdienstliche Bestimmung gehabt, da sie vorzüglich in dem seiner Tempel wegen berühmten Lande der Rhedarier (vgl. Jahrb. III, S. l flgd.) gefunden werden und Rhetra in der Nähe von Neu=Brandenburg (vgl. Jahresber. V, S. 110 flgd.) oder Neu=Strelitz zu suchen sein wird, da sie mit Drachenbildern verziert sind und gewöhnlich mit Gegenständen zusammen getroffen werden, welche ebenfalls eine gottesdienstliche oder doch räthselhafte Bestimmung haben und nicht mit den häuftgen Geräthen des gewöhnlichen Lebens übereinstimmen.

2) Drei Paar oder besser sechs breite, hohl gegossene Armringe von der Gestalt beistehender Zeichnung, 1 1/2" breit

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und etwas über 3" weit, so daß sie auf einen vollen weiblichen oder kräftigen männlichen Oberarm passen (für den Unterarm sind sie zu weit); sie sind offen und elastisch, so daß sie noch gut federn, und haben kurz vor jedem Ende eine dreiseitige Oeffnung. Die Ringe selbst sind alle gleich, theilen sich jedoch nach äußerlicher Ausstattung in zwei Gattungen:

a. Drei derselben haben, in gleichen Zwischenräumen von einander, nämlich zu beiden Seiten und grade hinter der Oeffnung, drei angelöthete oder mit dem Armringe zufammen gegossene, feste, kleine Ringe oder Oehren, welche auf den verzierenden Reliefreifen der Armringe stehen; in jedem dieser Oehren hängt ein etwas größerer, zusammengebogener Drathring, und in jedem von diesen hangen wieder drei kleinere, aus Einem Stücke bestehende Drathringe; an dem einen Armringe fehlen von den eingehängten Ringelchen 5 Stück, da die großem Ringe etwas auseinander gebogen sind.

Armring

b. Die drei andern haben diese drei Oehren mit den anhangenden Ringen gar nicht, sind auch nicht dazu bestimmt gewesen, solche eingehängte Ringe zu tragen, da keine Spur von Anheftung der Oehren vorhanden ist.

Wollte man diese Armringe nach Paaren zählen, so würde vielleicht immer ein beringter und ein nicht beringter zusammen gehören.

Auch in Dänemark sind solche Armringe mit kleinen anhangenden Ringen gefunden (vgl. Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, S. 49, Nr. 4)

Gegenstände von derselben bisher erwähnten Art wurden am 1. Junii 1838 auf der Pomel, einem Theile der Stadtfeldmark Wesenberg, in Meklenburg=Strelitz, entdeckt und werden jetzt in der großherzogl. Sammlung zu Neu=Strelitz aufbewahrt. Neben Steinen, Urnenscherben und Knochen fand man nämlich einen Kessel von derselben Gestalt und mit denselben Verzierungen, wie der so eben beschriebene, nur ein wenig kleiner, und sieben Armringe, denen von Roga völlig gleich, nur daß alle sieben die eingehängten Ringe, jedoch nur

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zwei Ringelchen in dem größern zusammengebogenen, in ein Oehr eingehängten Ringe haben.

Die Bestimmung der eingehängten Ringelchen erscheint durchaus dunkel.

3) Ein Diadem oder eine Stirnbinde aus sehr dünnem Bronzeblech, gebildet aus einem 1 5/8" breiten Streifen, der an

Diadem

beiden Enden umgerollt ist; in diesen Umrollungen waren die Enden der Stirnbinde durch einen eisernen Drath, der mit einer zeugartigen, nicht mehr zu erkennenden Masse umgeben war, zusammengehalten; leider fehlt dieser Bindedrath jetzt. Die zeugartige Masse war vielleicht der Ueberrest von einer herabhangenden Binde, wie dergleichen im Alterthume vorkommen. Die Weite der Rundung beträgt 7 Zoll, das Gewicht des ganzen Didems nur 2 1/4 Loth.

Die ganze Außenseite dieses Diadems ist mit Verzierungen bedeckt, welche, mit Ausnahme von 8 kreisförmigen, mit Einem Stempel bewirkten Verzierungen, aus feinen Punctlinien bestehen, die mit feinen Punzen von der innern Seite her getrieben sind. Verfolgen wir diese Darstellungen der Länge des Blechstreifens nach von einem Ende bis zum andern.

Zuerst kommt eine kurze Strecke reiner Ornamenten=Verzierung, die sich in gleicher Länge am andern Ende wiederholt; darauf folgen zwei neben einander stehende, mit einem Stempel eingeschlagene Augen oder Kreise mit einem Puncte in der Mitte. Auf diesen Augen steht aufrecht, mit dem Schwanze nach unten, ein großer im Oberleibe doppelter, gewundener Drache mit einem Kamme an Kopf und Nacken und einem Kamme auf der Brust, mit zwei Schwänzen, welche sich

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Diadem

Schlangen= oder unbekammte Drachen=Köpfe endigen und mit zwei Paar Füßen (oder Flügeln?) am Leibe, nicht weit von dem Nacken und dem Schwanze. Ueber diesem größern Drachen steht in entgegengesetzter Richtung, mit dem Schwanze nach oben, ein kleinerer, gewundener Drache, von einer einfachen Windung, mit Einem kurzen Kamme auf dem Kopfe, mit Einem Schwanze, der sich ebenfalls in einen Schlangenkopf endigt, und mit zwei Paar, von dem Unterleibe ausgehenden Füßen. Diese Drachendarstellung wird von zwei Augen geschlossen.

Die große Wichtigkeit dieser Darstellung wird auf den ersten Blick einleuchten; sie wird aber noch mehr gehoben, wenn man, was allerdings sehr nahe liegt, annimmt, daß diese Drachenbilder Darstellungen heidnischer Gottheiten sein sollen, was um so leichter anzunehmen ist, als sich auf den meisten Alterthümern des jüngern nordischen Heidenthums, welche eine ernstere oder gottesdienstliche Bestimmung zu haben scheinen, wie auf Runensteinen etc. ., solche Drachenverzierungen finden. Bei dem gänzlichen Mangel an zuverlässigen wendischen Götzenbildern oder deren Beschreibung (denn in die wendische oder Eisen=Zeit müssen wir die rogaschen Alterthümer setzen) dürfte es aber schwer sein, Namen und Charakter der Drachenbilder festzusetzen, um so mehr, da sie die ersten authentischen Götzenbilder der wendischen Heidenzeit sein mögen.

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Indessen giebt das Diadem selbst Mittel zur Verfolgung der Forschung an die Hand. Zwischen den beiden schlangenköpfigen Schwänzen des größern Drachen steht nämlich das Zeichen Zeichen oder Zeichen und über demselben stehen zwei 6, die eine rechts, die andere links gekehrt, oder im ganzen Bilde die Darstellung Zeichen . Vielleicht sind die zwei über Zeichen stehenden 6= Zeichen nur Ornamente oder Hindeutungen auf die zwei schlangenköpfigen Drachenschwänze. Aber das Zeichen Zeichen wird ohne Zweifel eine Rune sein; und so enthielte das Diadem auch die älteste und erste Rune in Deutschland auf einem gleichzeitigen Monumente des heidnischen Alterthums, und die Bekanntschaft der Wenden mit der Runenschrift wäre gesichert. Dasselbe Zeichen Zeichen wiederholt sich am andern Ende des Diadems noch 9 mal. Es ist dasselbe Zeichen, welche sich auch auf dem zu Dargun gefundenen, hieneben zur Veranlassung genauerer Forschung nach einem Abgusse abgebildeten, alten Gußform (vgl. Jahresber. HI, S. 83 und 190 und Baltische Studien VI, 1, S. 239 flgd.) findet.

Diadem

Bei dem Mangel eines unzweifelhaft sichern wendischen Runenalphabets ist die Deutung der Rune waglich; da aber nach den von v. Hagenow (1826, Greifswald, in der Universitäts=Buchhandl.) beschriebenen, bisher als ächt anerkannten strelitzischen Runensteinen das Zeichen Zeichen oder Zeichen für den Laut Z zu stehen scheint (vgl. v. Hagenow, S. 17), so könnte dasselbe hier den Namen des Götzen Zarnebog oder, da der im Folgenden erwähnte Runenstein neben dem Drachen mit dem Zeichen Zeichen noch das Wort Radegast enthält, auch das Wort Zirn (zornig) oder Zirnitra (zauberkräftig) in Beziehung auf den Radegast bedeuten. Es bliebe freilich noch übrig, das Zeichen Zeichen nach nordischer Weise umgekehrt zu betrachten und Zeichen = M zu lesen. Jedoch können hier bei der Entdeckung der ersten Spuren von Götzenbildern und Runenschrift nur Vermuthungen gewagt werden.

Von großem Interesse sind hier die neustrelitzer Runensteine, auf die noch kein gegründeter Verdacht gefallen ist, wogegen die Götzenbilder zur Unterstützung begründeter Untersuchungen gänzlich aus dem Spiele bleiben müssen. Würde

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durch unser Diadem die Aechtheit der Runensteine unterstützt, so könnten diese wiederum das Diadem erläutern helfen. Nun befindet sich zu Neustrelitz ein hiebei nach dem Originale abgebildeter Runenstein, welcher zu Prillwitz gefunden und schon bei v. Hagenow Fig. 4 zu S. 18 abgebildet ist, mit

Runenstein

derselben Darstellung, wie sie das Diadem enthält, nämlich mit einem Drachen (oder einer Schlange), über deren Rücken ebenfalls ein Zeichen steht. Außerdem steht zu den Füßen des Drachen, nach der von mir an dem Originale angestellten, genauen Untersuchung noch unter dem Drachen Rade- . . (Rade-) und auf der Rückseite des Steins unter dem mit Runen besetzten (Zauber-?) Kreise die obere Hälfte der Buchstaben: -gast . (-gast), welche mehr als wahrscheinlich die Fortsetzung der Runen auf der Hauptseite sind und zusammen Radegast =

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Radegast bedeuten würden. Dasselbe Wort bilden wahrscheinlich die auf der Rückseite des Steines auf einem Kreise (dem "Zauberkreise") stehenden Runen, nämlich Zeichen mit einem schließenden Zeichen .

Die Schriftzüge sind nach Verhältniß der Größe des Steins nicht allzutief, dahr nicht scharf, sondern rauh und an den Grenzlinien ausgesprungen, beurkunden auch durch ihr ganzes Ansehen ein hohes Alterthum.

Dieser Runenstein hat also nach allen innern und äußern Zeichen durchaus den Charakter der Aechtheit. Schließen wir von diesem Steine auf die übrigen nicht verdächtigen Runensteine, namentlich auf den, von dem wail. Pastor Masch gefundenen, ohne Zweifel ächten, bei v. Hagenow Fig. 1 abgebildeten Stein, der in den Runen Aehnlichkeit mit Fig. 4 und dieser wieder mit Fig. 3 hat, so muß das Zeichen über dem Nacken des Drachen nach unten geöffnet Zeichen gestellt und durch Z gedeutet werden, wie auch der Runenstein Fig. 5 bei v. Hagenow die Inschrift Zirn = Zirn hat.

Mag man nun das Zeichen Zeichen oder Zeichen stellen, so ist es offenbar ein Schrift=Charakter von Bedeutsamkeit, der öfter, vielleicht noch gar in der Tradition, vorkommt und sich noch in den Gußformen findet, gleichviel aus welcher Zeit diese stammen

Auf die beiden Augen über den kleinen Drachen folgen drei Reihen von │ über einander, in der 1. Reihe 27, in der 2. Reihe 30, in der 3. Reihe 30, welche an jeder Seite von einer zweifach ausgebogenen Verzierungslinie Verzierung und Verzierung begrenzt sind, in deren 4 Biegungen die Zeichen Zeichen oder Zeichen nach verschiedenen Richtungen stehen; diese Zeichen sind aber wahrscheinlich nur Verzierungen oder Füllungen der 4 Ausbiegungen der begrenzenden Verzierungslinien, wie der mittlere Theil dieser eine Perpendikulärlinie bildet und mit der mittlern Reihe der │ in Einklang steht. Sollten die │ aber Runen sein, so würden sie ein i bezeichnen.

Die Augen haben schwerlich eine tiefere Bedeutung, da sie, auch im Norden, häufig als reines Ornament vorkommen und wohl mit den Spiralverzierungen im Zusammenhange stehen; schon der Umstand, daß sie mit einem Stempel einschlagen sind, deutet auf einen gewöhnlichen Gebrauch als Ornament.

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Dagegen könnte es möglich sein, daß das Zeichen N am Ende die Rune Zeichen (= u) darstellen sollte und die Schlußverzierung Verzierung sich nach diesem Buchstaben gerichtet hätte, und nicht umgekehrt. Dann wäre es mögliche wenn man alle Runenzeichen des Diadems zusammenbrächte, das Wort Ziv (=Zîv) aus demselben herzustellen.

Auf diese durch │ Zeichen gebildeten Linien folgen wieder 2 Augen, worauf zwei Reihen Zeichen oder Runen übereinander, nämlich neun Zeichen und neunzehn │, und zwar immer ein Zeichen und darüber zwei Perpendikulairlinien oder ││, oder in der ganzen Darstellung neun mal Zeichen und zuletzt ein │ folgt. Diese Darstellung hat durch die Wiederholung des Zeichen Zeichens offenbar Beziehung zu den Drachenbildern.

Nach zwei Augen schließt die Reihe der Darstellung dieselbe Endverzierung, welche den Anfang bezeichnete.

Im Ganzen sehen wir auf dem Diadem 3 Haupt=Gruppen von Darstellungen, jede von Augen begrenzt, nämlich die Gruppe mit den beiden Drachen, die Gruppe mit den 3 Reihen │ und die Gruppe mit den Zeichen , und 2 Nebengruppen mit bedeutungslosen Verzierungen an den beiden Enden, wobei jedoch zu bemerken ist, daß in denselben eine Reihe von │ steht.

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4) Drei Fingerringe, nämlich einer aus Kupferdrath spiralförmig in 9 Windungen gewunden, der jetzt aber fehlt, die beiden andern, ein etwas weiterer und ein engerer, aus Einem Stücke gegossene Reifen.

5) Drei gewundene Kopf= oder Halsringe, wie sie

Halsring

häufig gefunden werden, wie Frid. Franc. Tab. X, Fig. 2, an beiden Enden mit in einander greifenden Schließhaken versehen. Zwei haben die gewöhnliche Dicke, von ungefähr 5/16"; der eine von ihnen hat eine Weite von 8", der andere von 7"; der letztere ist in liegender Stellung auf der obern und untern Seite stark abgenutzt, so daß die Windungen fast ganz verschwunden sind.

Auf die Bestimmung der Zeit haben diese Ringe wenig Einfluß. Sie sind am häufigsten und sehr häufig in dem (germanischen) Bronze=Zeitalter; jedoch finden sie sich schon in den jüngsten Hünengräbern der Steinzeit und sind noch in der Eisenzeit beobachtet; sie reichen also von der ältesten Zeit bis in die jüngste Zeit des Heidenthums hinein.

6) Eine Spange von Bernstein, bestehend aus einem runden, platten Ringe, von 2 " Durchmesser und 3/4" Weite in der Oeffnung, an einer Seite zum Umlegen der Zunge ausgeschnitten; die Zunge fehlt jetzt. Spangen von dieser Form kommen auch schon in der (wendischen) Eisenzeit vor, wenn sie gleich vorzüglich dem Mittelalter eigen sind.

Spange

Auffallend ist, daß alle in mehr als Einem Exemplare vorhandenen Stücke in drei Exemplaren vorhanden sind und auch die Darstellung auf dem Diademe eine dreifache Eintheilung hat.

Forschen wir nach der Zeit, aus welcher diese Alterthümer stammen, so sind wir genöthigt, sie der Zeit der wendischen Bevölkerung zuzuschreiben. Hiefür redet: der eiserne Ver=

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bindungsdrath des Diadems, die Analogie der Drachenverzierungen mit ähnlichen Monumenten Skandinaviens, welche dort aus der letzten Periode des Heidenthums stammen, der sehr leichte Rost, welchen ähnliche Alterthümer, namentlich die bei Neu=Brandenburg und Wesenberg gefundenen Kessel und Ringe haben, die Beisetzung derselben unter der natürlichen Erdoberfläche, welche nur der Eisenperiode eigenthümlich ist, und endlich die Abweichung der Formen von den Alterthümern der Bronzeperiode 1 ).

Da in dieser Darstellung alles berührt ist, was in meklenburgischen Ländern nach authentischen Funden für Götzenbilder und Runenschrift zeugt, so möge hier zugleich der im Jahresber. V, S. 82-83 angeführte Spangenring mit Inschrift eine Abbildung nach einem Abgusse (nicht nach der Gußform selbst) finden, welcher als in Meklenburg, jedoch ungewiß an welchem Orte, gefunden von dem Herrn Lieutenant von Lewetzow auf Hohen=Mistorff zu Hildesheim dem Vereine geschenkt ist.

Spangenring

Die Entzifferung der Schrift, welche vielleicht aus combinirten Runen besteht, hat noch keinem Gelehrten gelingen wollen.

Schwerin.

G. C. F. Lisch.     


1) Daß diese Alterthümer aus der wendischen Zeit stammen, wird durch einen ähnlichen, sehr interessanten Fund bestärkt, der in Joh. Ge. Keysler Antiquitates selectae septentrionales etc., Hannoverae. 1720, p. 513, von Abbildungen begleitet, beschrieben ist. Im Septeber 1719 wurden die Sachen in der Altmark zu Neilingen beim Kloster Arendsee ausgepflügt und gewissenhaft zusammengehalten und sogleich beschrieben. Das Hauptgefäß war eine bronzene Urne, ganz von der Gestalt, wie solche Urnen in Wendenkirchhöfen oder aus der Eisenperiode in Meklenburg gefunden werden, von der Grundform der Urne in Frid. Franc. Tab. XXXIV, Fig. 10: nach unten hin spitz, oben weit geöffnet, mit scharfem Bauchrande im obern Theile. In dieser Urne stand ein bronzener Kessel, ganz wie der rogasche, von derselben Gestalt und mit denselben gravirten Verzierungen, nur daß unten um den Knopf 12 gekämmte Schlangen stehen und daß der Rand nicht nach innen gebogen ist, sondern aufrecht stehend ausläuft. In diesem Kessel stand ein zweiter, etwas kleinerer bronzener Kessel, statt der emporstehenden zwei Handhaben mit zwei in den Seitenrand geschlagenen länglichen Löchern versehen; es fehlen jedoch in den Verzierungen die Schlangen : statt deren sind alle drei Reihen Verzierungen gleich und wie die obern Reihen der Verzierungen auf dem rogaschen Kessel; der Knopf war mit einem Kreuze verziert. Dieser innere Kessel war mit Asche und Knochen gefüllt. In der Asche lagen 9 bronzene Schüsselchen, oder große, flache Knöpfe oder Buckel von verschiedener Größe, von 4 bis 6" Durchmesser, und an 60 kleine, runde Knöpfe, theils von Bronze, theils von Silber. - Die Gestalt der äußern Urne, welche alle diese Sachen enthielt und das Vorkommen des Silbers in den Knöpfen dürfte die gravirten Kessel ungefähr in die Mitte der heidnischen Eisenperiode, etwa in das achte Jahrhundert n. Ch., verweisen. - Ich freue mich, daß ich auf die Beschreibung dieses Fundes noch zu rechter Zeit durch (  ...  )