zurück zur Metadatenansicht auf dem Dokumentenserver
zurück
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 144 zur nächsten Seite zur letzen Seite
Dokument dauerhaft verlinken Dokument im gesamten Band öffnen Metadaten auf dem Dokumentenserver anzeigen

V. Ueber Sporen in heidnischen Gräbern. 1 ).

In Frid. Franc. Tab. IX, Fig. 1, und Erläut. S. 94 ist ein Schild aus der wendischen Eisenzeit abgebildet, der auf einem großen Begräbnißplatze zu Kothendorf bei Schwerin im J. 1820 vom Hauptmann Zinck mit vielen andern Alterthümern aus der heidnischen Eisenzeit Meklenburgs ausgegraben ward. Schröter stellte die Fragmente der Alterthümer, welche in einer Urne gefunden waren, bei der Katalogisirung der Alterthümer zu Ludwigslust, zu einem Schilde so zusammen, wie er den Schild in seiner muthmaßlichen Gestaltung im Frid. Franc. a.a.O. hat abbilden lassen. Der eiserne Schildnabel mit den bronzenen Eichelverzierungen auf dem Rande, der bronzene Schildrand und die bronzene Schildfessel ebenfalls mit Eichelverzierungen bildeten wohl ohne Zweifel die Metallbeschläge eines Schildes. Außerdem hielt er 3 kurze eiserne Spitzen auf Bronzestühlen für Schildbuckel, welche zur Zusammenhaltung der Hauptbestandtheile des Schildes (Leder oder Holz) und zur Zierde den Schildnabel umgeben hätten. Die Entdeckung war so interessant und so seltener Art, daß er alle als Reste des Schildes erkannten Fragmente auf einer eigenen Platte befestigte. Dadurch ward Schröters Ansicht eine ganze Reihe von Jahren hindurch als richtig angenommen und bei der scheinbaren Unfehlsamkeit derselben nicht weiter untersucht. Im Laufe der Zeit wurden bei Röbel (Jahresber. II, 76) ähnliche Schildnabel und Schildbuckel entdeckt und von mir mehrere, den kothendorfern ähnliche, zu Camin, einige Meilen von Kothendorf, ausgegraben (Jahresber. II, S. 58 flgd.). Nach Schröters Vorgange wurden auch diese Fragmente als Schildreste der Sammlung eingereiht.

Als unser Freund Justizrath Thomsen aus Copenhagen Schwerin am 2. Nov. 1840 mit seinem Besuche erfreute, erkannte er sogleich, daß die sogenannten Schildbuckel von Röbel


1) Hiebei eine Steindrucktafel.
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 145 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

antike Sporen seien (Fig. I und II der Abbildung). Diese Ansicht mußte sogleich einleuchten, um so mehr, da sie auf Analogien gestützt war, und forderte zu weiterer, gründlicherer Forschung auf.

Betrachten wir die Sache genauer. Schröter ging von der Ansicht aus, die Buckeln hätten den Nabel in regelmäßigen Entfernungen umgeben; dann mußten zu dem kothendorfer Schilde 4 Stücke gehört haben: da aber nur 3 vorhanden waren, so nahm er das vierte als verloren gegangen an. Ferner müßte man wohl annehmen, daß die zusammengehörenden Stücke von gleicher Beschaffenheit seien; dies ist aber bei den 3 vorhandenen keinesweges der Fall, vielmehr sind nur 2 gleich (wie Fig. IV mit 4 Nieten) und der dritte hat eine ganz abweichende Gestalt (wie Fig. III mit 2 Knöpfen unter dem Stuhl).Die Einrichtung der zur Frage stehenden Spitzen ist folgende; die Leser werden hiebei auf die Abbildung derselben in natürlicher Größe verwiesen.

Auf einer an zwei Seiten ausgeschnittenen viereckigen Platte steht gewöhnlich in rechtem Winkel eine kurze cylindrische Erhöhung, welche mit der Platte bald von Bronze,

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 146 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bald von Eisen ist: wir nennen diese den Stuhl. Auf dem Stuhle steht ein scharf zugespitzter, eiserner Kegel von 1 1/4" bis 1 3/4" Höhe, die Spitze, welche auch zuweilen unmittelbar auf der Platte steht, und, wenn der Stuhl von Bronze ist, unter der Platte zwischen den Knöpfen umgenietet ist. Unter der Platte sitzen zwei Knöpfe von dem Metall der Platte. Diese Knöpfe sind entscheidend für den Gebrauch dieser Werkzeuge: sie sind jedesmal nur so weit von der Platte entfernt, daß um ihren Stiel etwa ein lederner Riemen geknöpft werden kann. Zu Nieten, welche die Holz= und Lederlagen eines Schildes zusammenhalten könnten, sind sie bei weitem zu kurz und zu schwach, und dazu sind sie offensichtlich keine Niete, sondern Knöpfe. Nur die zwei kothendorfer Stücke haben 4 Niete, an jeder Ecke der Platte eines; mit diesen aber sind, nach den noch vorhandenen Fragmenten, zwei Bronzestreifen angenietet gewesen, unter welchen ein dünner lederner Riemen durchgezogen werden konnte. Auch sind mehrere der Instrumente, wie Fig. II, zu stark gebogen, als daß die Biegung zu der allmäligen Wölbung eines Schildes passen, also naturgemäß sein könnte. Durch die zweimalige Ausschneidung der Platte (vgl. die Grundrisse der Platten auf der Abbildung) entstanden 2 Paar hohe Ecken, welche die Berührung der Spitze mit dem Fußboden zu verhindern bestimmt sein dürften. Durch die ganze Einrichtung gewannen diese Instrumente aber, je nach Belieben, 2 obere Seiten.

Beleuchten wir jetzt die einzelnen Funde genauer.

1) Der Fund von Röbel (vgl. Jahresber. II, S. 76) setzt es nun außer Zweifel, daß die in Frage stehenden Geräthe Sporen seien. Es wurden neben einem Schildbuckel drei Spitzen gefunden. Die eine, Fig. I, ganz von Eisen, welche isolirt dasteht, ist unleugbar ein Sporn. Sie hat schon kurze Bügel, nach heutiger Weise, und Riemenknöpfe an dem äußern Ende der Bügel. Die Spitze ist ein kurzes Ende hohl, wahrscheinlich um zur bessern Haltung die Höhlung auf eine eben so große Verlängerung der Fußbekleidung auf der Ferse zu stecken. Neben ihr ward das Paar, ebenfalls ganz von Eisen, von der Gestalt Fig. II gefunden. Beide Stücke haben einen Stuhl und zwei Knöpfe unter der raschen Wölbung desselben. Die Spitze ist etwas stark, jedoch der Spitze von Fig. I ähnlich.

2) Zu Camin (vgl. Jahresber. II, S. 58) wurden neben einem Schildbuckel in der Urne Nr. 1. zwei Paare gefunden. Das eine Paar ist ganz von Eisen, wie Fig. V, jedoch mit Knöpfen von Bronze. Das andere Paar, mit Stuhl von Bronze und Spitze von Eisen, ist wie Fig. III gebildet; jedoch

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 147 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

ist zu bemerken, daß beide Stücke dieses Paares in der Gestaltung nicht ganz gleich sind.

3) Zu Camin (vgl. Jahresber. II, S. 59) wurden in der Urne Nr. 2. zwei Paare ganz von Eisen von der Gestalt Fig. V gefunden. Von Schildresten fand sich keine Spur. Die im Jahresber. a.a.O. angeführte Schildfessel ist bei genauerer Betrachtung nicht eine solche, sondern irgend ein anderer an beiden Enden durch Knöpfe zusammengehaltener, noch nicht erkannter Beschlag. Dagegen ward neben diesen Sporen ein vollständiges zusammengebogenes Schwert von Eisen in der Urne gefunden.

4) Zu Camin (vgl. Jahresber. II, S. 60) wurden in der Urne Nr. 5 zwei Paare gefunden, alle auf Stühlen von Bronze mit Spitzen von Eisen; alle sind stark durch den Leichenbrand angegriffen: nur einer ist wohl erhalten und Fig. III abgebildet. Von Schildresten war hier wieder keine Spur; die im Jahresber. angegebene Schildfessel ist ein gewöhnliches Messer mit bronzenen Stielbeschlägen.

5) Zu Camin (vgl. Jahresber. II, S. 62) ward in der Urne Nr. 22 ein einzelner Sporn ganz von Eisen von der Gestalt Fig. V gefunden. Auch diese Urne zeigte keine Spur von einem Schilde und die Bemerkung zu diesem Funde a.a.O. des Jahresber. erweiset sich jetzt als eine falsche Vermuthung.

6) Zu Camin (vgl. Jahresber. IV, S. 50) ward in der Folge ein Schildnabel, aber keine einzige dieser Spitzen oder Sporen gefunden.

7) Zu Kothendorf wurden neben dem vielbesprochenen Schilde in einer Urne 3 Sporen gefunden. Zwei bilden ein Paar; es stehen eiserne Spitzen auf bronzenen Stühlen, durch deren Ecken 4 kurze Niete zur Befestigung von Blechstreifen, welche den Riemen hielten, gingen. Einer derselben ist Fig. IV abgebildet; er hat um den Cylinderaufsatz eine hübsche Verzierung, welche dem andern fehlt, welche dieser auch vielleicht nie gehabt hat. Der dritte, allein stehende ist wie Fig. III gebildet und hat 2 Knöpfe unter dem bronzenen Stuhl.

Außer diesen Exemplaren bewahrt die großherzogliche Alterthümersammlung noch ein

8) zu Kothendorf bei der erwähnten großen Aufgrabung gefundenes Paar, wie Fig. III gebildet, mit eisernen Spitzen auf bronzenen Stühlen, mit 2 Knöpfen, aber mit so kurzen Spitzen, wie der Sporn Fig. V eine hat. Ob dies Paar bei einem Schildnabel gefunden sei, deren außer dem erwähnten noch zwei aus dem kothendorfer Funde in der Sammlung auf=

Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen Seite 148 zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite

bewahrt werden, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht ersichtlich.

Alle diese Sporen gehören ohne Zweifel der wendischen Eisenperiode an. Hiefür redet das Eisen, die umfassenden Aufgrabungen, bei denen sie gefunden wurden, und der äußerst leichte, gewöhnliche Rost der Bronze.

Die großherzogl. Alterthümersammlung bewahrt nun noch eine Spitze von Bronze, deren Fundort nicht aufgezeichnet ist, welche aber nach dem Typus und dem Rost der Bronzezeit der Kegelgräber angehört. Leider ist der Stuhl verloren gegangen; die Spitze ist als Sporn ebenfalls von Thomsen erkannt und Fig. VI abgebildet.

Aus allen diesen Gründen dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß die hier in Abbildung gegebenen Geräthe Sporen seien; die Einführung derselben in die Alterthumskunde wird den Forschern für die Zukunft Stoff zur schärfern Beobachtung neuer Funde geben. Nach den Funden dürfte es wahrscheinlich sein, daß, wenn auch vorherrschend im Alterthume schon Paare von Sporen vorkommen, doch auch einzelne Stücke getragen wurden.

Ob und seit wann den alten Griechen und Römern Sporen bekannt gewesen seien, ist bis jetzt wohl schwer zu bestimmen. Der Sporn in Dorow's Alterthümern hat als ein jüngeres Product durch spätere Erklärungen seinen Werth verloren. In Ginzrot Fuhrwerke der Griechen und Römer II, Taf. 87, Nr. 10, vgl. II, S. 555, ist ein Sporn (vgl. Caylus Recueil T. III) abgebildet, der der Sporn des Columella und Virgil sein soll; er hat einen Bügel und daran eine kegelförmige Spitze, wie unsere Sporen. Thomsen erinnert sich nicht, auf antiken Monumenten Reitende mit Sporen gesehen zu haben, und meint, die Römer hätten, bei der Sandalentracht, eben so wenig Sporen gehabt, als jetzt die Türken. Die ältesten Rittersporen bestanden, nach Thomsen, auch nur aus einer Spitze.

Unsere Sporen des germanischen und wendischen Alterthums sind bis jetzt fast gar nicht bekannt; nach Thomsens Mittheilung ist in einem Hefte der schlesw. holstein. Provinzial=Blätter ein Sporn dieser Art abgebildet. In der Alterthümersammlung zu Kopenhagen befindet sich ein Paar dieser Art Sporen aus Bronze und ein Paar aus Silber.

G. C. F. Lisch.     

Vignette
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite zur nächsten Seite zur letzen Seite
Sporen aus Urnen in Wendenbegräbnissen
Seite dauerhaft verlinken Seite als Digitalisat öffnen   zur ersten Seite zur vorherigen Seite