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VII.

Die Burg Dobin und die Döpe * )

bei Hohen=Vicheln,

von

G. C. F. Lisch.

D ie Lage der ältesten Ortschaften unsers Vaterlandes ist durch das ganze Land mehr besprochen, als irgend eine historische Begebenheit: ein Beweis, daß die Geschichte in der Geographie einen Boden haben will; jeder sucht vor allen Dingen sich den Boden, auf welchem er lebt und wirkt, durch geschichtliche Begebenheiten lebendig zu machen. In dem mittlern und südlichen Theile Europas reden tausendjährige Werke noch vernehmlich zu den Bewohnern der Länder. Anders ist es im Norden Europas; hier ist durch die Vergänglichkeit des angewandten Baumaterials auch die letzte Spur der ältesten Baudenkmale verschwunden: vergebens sucht man in unserm Lande nach Ueberresten von Meklenburg, Werle, Kissin und anderen Oertlichkeiten gleicher Art. Dennoch weiß man im Volke nicht selten genau die Stellen nachzuweisen, an welchen die alten wendischen Burgen und Städte gestanden haben sollen. Man hält diese Kunde nur zu oft für uralte Traditionen; bei genauerer Forschung wird man aber bald finden, daß die scheinbaren Volkssagen aus den Schriften der ältern Geschichtschreiber der letzten Jahrhunderte fließen, welche, bei geringen Mitteln, lieber eher etwas fertig zu haben, als in strenger Forschung der Wahrheit nahe zu kommen strebten.


*) Hiebei eine Lithographie von dem nördlichen Theilen des schweriner Sees nach der großen schmettauischen Charte zur Veranschaulichung der in Frage stehenden Localitäten.
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Zu diesen viel besprochenen Oertlichkeiten in Meklenburg gehört denn auch die Döpe, ein am nordöstlichsten Ende des großen schweriner Sees gegen Schlagsdorf hin belegener, zu dem Dorfe Hohen=Vicheln gehöriger kleiner See, welcher durch einen Graben mit dem großen See in Verbindung steht. Ueber diesen See geht die weitverbreitete Sage:

der Sachsenherzog Heinrich der Löwe habe bei Gelegenheit der Stiftung des Bisthums Schwerin (1171) in dem Wendenlande die heidnischen Bewohner desselben auf eine gewaltsame Weise zum Christenthume bekehrt, indem er sie schaarenweise bei Vicheln in einen Theil des schweriner Sees habe treiben und also taufen lassen; die Stelle, wo dieses geschehen sei, führe daher bis auf den heutigen Tag den Namen: Taufe (Döpe).

Diese nicht allein in Hohen=Vicheln, sondern auch weiter verbreitete Sage, welche an sich nichts Unwahrscheinliches hat, erhielt auf auffallende Weise scheinbar Bestätigung durch einen, aus der ältesten Zeit des Christenthums in Meklenburg stammenden, großen, granitenen Taufstein, welcher am Ende des vorigen Jahrhunderts aus der Tiefe der "Döpe" ans Tageslicht gebracht und späterhin zur Landes=Universität versetzt ward. Nach einer vichelnschen Sage sollen die Wenden in diesem Taufstein getauft worden sein; späterhin sollen sie aus rachsüchtiger Hartnäckigkeit den Stein in den See gestürzt haben, wo er bis auf die neuern Zeiten gelegen hat 1 ).

Ohne der urkundlichen Geschichte vorzugreifen, sei hier im voraus bemerkt, wie sich in ganz neuen Zeiten durch die Auffindung des Steins die Sage von der Weise der Taufe nach dem Taufsteine accommodirt zu haben scheint: früher sollen die Wenden zur Taufe in den See getrieben, seit der Entdeckung des Taufsteins aber in demselben getauft sein.

Die Sage ist in den neuesten Zeiten durch v. Lützow 2 ) bestritten, indem er sagt, daß sie "sehr wenig glaubwürdig erscheine", ohne daß er jedoch Beweise gegen die Glaubwürdigkeit derselben beibringt, auch die Existenz des Taufsteins nicht gekannt zu haben scheint.

Für die Gültigkeit der Sage von der Wendentaufe scheint aber ihr Alter zu sprechen. Schon Hederich 3 ) sagt (im J. 1603):


1) Vgl. Jahresbericht I, S. 33 flgd.; II, S. 115 flgd.; III, S. 146.
2) Vgl. v. Lützow mekl. Gesch. I, S. 232.
3) Vgl. Hederich Verzeichniß der Bischöfe zu Schwerin, gedruckt in Gerdes Samml. 378 flgd.
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"Zu dieses Bischoffes (Berno) Zeiten hat vorgemelter Hertzogk Heinrich, mit dem Zunahmen Leo oder Lew, die Wenden hart bekrieget und mit Gewalt zum Christenglauben bezwungen, und wie man davon sagen will, die ungläubigen oder die vnchristen bey Tausendt in die Schwerinsche See nicht weit von Vicheln treiben und alda vom Bischof Berno tauffen laßen, davon der ordt den nahmen behalten und noch heutigen tages die Töpe genent wird".

Eben so sagt Latomus 1 ):

"Auch ist die gemeine Sage, das der Hertzog umb diese Zeit viel Vnchristen oder Schlawen bey tausend in die Schwerinsche See, nicht weit von Fichel, treiben vnd alda vom Bischoff Bernone tauffen lassen, dauon der orth den Nahmen bekommen vnd bis annoch behalten hat, das er die Töpe genandt wirt. (Hederic. Chron. Swerin. ex Cranetzio.)"

Diese glaubwürdigen Zeugen aus dem Anfange der neuern Geschichte Meklenburgs scheinen allerdings für ein hohes Alter der Sage zu sprechen. Dasselbe ward noch durch die Entdeckung einer Urkunde 2 ) vom J. 1462 im Großherzoglichen Archive bestätigt 3 ), welche das Wasser "jeghen Vichel - "de dope" klar und ausdrücklich nennt; zur weitern Bestätigung steht auf der Rückseite der Urkunde noch die gleichzeitige Registratur:

"Itz de dobe by Vichell".

Selten ist eine Sage fast vier Jahrhunderte hindurch so kräftig unterstützt, als die von der Döpe. Mehrere neuere gleichzeitige Entdeckungen machen die Sache aber sehr verdächtig, wenn sie dieselbe nicht ganz umstoßen.

Die angeführten Nachrichten sind fast die einzigen, welche bekannt sind: sie sprechen für die Sage. Zahlreicher sind die Zeugnisse gegen dieselbe; leider sind sie bisher unbekannt geblieben.

Der niederdeutsche Name Döpe, welcher hochdeutsch Taufe lauten würde (wie Raufe = Röpe), kommt nämlich nur vor in der angeführten Urkunde vom J. 1462 in der Form dope und in Archivacten und Chroniken aus dem Ende des 16. und dem Anfange des 17. Jahrhunderts in der Form


1) Vgl. Latomi historia episcopiae megapolensis, gedruckt in Westph. Mon. IV, p. 545.
2) Vgl. Urkunde Nr. III.
3) Vgl. Jahresber. I, S. 35.
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döpe; im Anfange des 17. Jahrhunderts erlauben sich auch die hochdeutschen Schreiber von Zeugenverhören, das Wort Döpe in Taufe zu verhochdeutschen. Dies sind alle Zeugnisse für die döpe oder Heidentaufe.

In den Kammer=Acten und Contracten über dieses Gewässer aus dem 18. und 19. Jahrhundert wird dasselbe aber häufig und beständig nur die Döwe genannt; auch Franck 1 ) bemerkt, daß zu seiner Zeit (1753) das Wasser Düve heiße; eben so kennen die Bewohner des Dorfes Vicheln, nach angestellten Forschungen an Ort und Stelle, das Gewässer nur unter dem Namen: "Döwe" oder "Düwe". Diese Form des Namens ist denn auch nach den folgenden Untersuchungen der richtige; ist dies aber der Fall, so ist es ein Mißgriff, daß man denselben (Düwe oder Döwe) durch Taufe interpretirt, da er vielmehr eher durch Taube (plattdeutsch: Duwe) übersetzt werden müßte, da Taufe plattdeutsch: Döpe heißt.

Im Anfange des Jahres 1837 hatte ich das Glück im Großherzogl. Archive mehrere, bisher noch unbekannte Original=Documente zu entdecken, welche mit der oft angeführten Urkunde von 1462 in Verbindung stehen und die ganze Sache in ein anderes Licht setzen, indem die Geschichte dieser Gewässer viel weiter in der Zeit hinaufgeführt werden kann. Diese Geschichte möge hier Raum finden.

Am 26. Januar 1462 verpfändete der Herzog Heinrich von Meklenburg für 100 Mark guter Pfennige an den schwerinschen Domherrn Johann Sperling und seinen Bruder Curd Sperling

dat watere, dat belegen is jeghen Vichel in deme lande to Tzilesen, mit vthflote vnd inflote vnd mit aller herlicheyd vnd nuth, vthgenomet de dope" 2 ).

Das Land Zilesen oder Zellesen umfaßte das östliche Ufer des schweriner Sees, sicher von Pinnow bis Rubow; durch die Bezeichnung, daß die dope bei Vicheln liege, wird es außer Zweifel gesetzt, daß das in Frage stehende Gewässer gemeint sei. Die von Sperling waren vom Mittelalter an bis in das 18. Jahrhundert Besitzer der Güter Schlagsdorf, Rubow, Keetz u. s. w., welche alle um das fragliche Gewässer liegen. Die beiden hier genannten Brüder Johann und Curt


1) Vgl. Franck A. und N. M. III, S. 40.
2) Vgl. Urkunde Nr. III.
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Sperling lebten noch im J. 1476; im J. 1462 wohnte Curt Sperling auf Keetz und Johann Sperling auf Schlagsdorf, als ihnen Herzog Heinrich die Bede von Zickhusen verpfändete, und im J. 1476 wohnte Curt Sperling auf Schlagsdorf 1 ). Durch diese genealogischen Nachrichten wird die Lage des Gewässers außer allen Zweifel gesetzt.

Aber schon früher war dieses Wasser im Gebrauche derselben Familie. Am 1. Januar 1408 verpfändete nämlich der Herzog Johann den See für 50 lüb. Mark an den ältern Claus Sperling, welcher noch von 1421 bis 1437 Besitzer von Schlagsdorf war. In dieser Urkunde 2 ) heißt der See aber zwei Male der

"Důbersee".

Durch diese wiederholte Benennung wird der neuere von den Historikern gemachte Name Döpe schon bedeutend in Zweifel gestellt; man wird versucht den Namen für einen alten Ortsnamen zu halten:

Duber See
oder
See von Duben.

Die Entdeckung einer dritten Urkunde 3 ) bestätigt diese Meinung völlig, und zwar um so mehr, da die Urkunde noch lateinisch abgefaßt ist: lateinische Urkunden pflegen Oertlichkeiten häufig klarer zu bezeichnen, weil in ihnen die deutschen Endungen noch nichts verdunkeln. Es war schon im Jahre 1356, als der Graf Otto von Schwerin und Teklenburg seinen Vasallen Henning Knop und Johann Berchteheilen für den verstorbenen Gerhard Holstein für 24 Mark 3 Schill. lüb. Pfennige seinen kleinen 4 ) See bei Döben verpfändete:

"parvum stagnum juxta Døben";

das o ist, wie oft in meklenburgischen und pommerschen Urkunden, mit dem dänischen ø geschrieben, welches ein ö bezeichnet. Die beiden Vasallen kommen in der Mitte des 14. Jahrh. öfter vor: Johann Berchteheile 1352 - 1366 [im J.1371 war er schon gestorben 5 )] und Johann Knop 1356-1371.


1) Ueber die Descendenz des Curt Sperling auf Schlagsdorf und Keez vgl. man die Stammtafel zu Müller über alte und neue Lehne, 1837. Anhang.
2) Vgl. Urkunde Nr. II.
3) Vgl. Urkunde Nr. III.
4) Der "kleine" See wird dieses Gewässer wohl zum Unterschiede von dem benachbarten großen schweriner See genannt.
5) Dieser war also ein anderer, als der bekannte schwerinsche Dom=Senior Johann Berchteheile, welcher in den Dom=Capitel=Streit 1397 und 1401 verwickelt war; vgl. Franck A. und R. Mekl. VII, S. 64 und 95 (  ...  )
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Beide waren Vasallen der Grafen von Schwerin gewesen und hatten von denselben in der Nähe von Schwerin mehrere Pfandgüter; so verpfändete ihnen zusammen im J. 1356 der Graf Otto auch die Bede aus Meteln, Kl. Stück, Wüstemark (prope mericam sita), Mirow und Pampow, und dem Henning Knop allein die Bede aus Warnitz, Lankow, Kl. Medewege, Kl. Trebbow, Gr. Stück und Wüstemark; im J. 1371 verpfändete Herzog Albrecht von Meklenburg an Johann Knop und Berchteheilens Kinder die Bede aus Driberg. Daß beide auch mit Gütern in der Grafschaft in der Nähe von Schwerin ansässig waren, ist höchst wahrscheinlich. Am 13. Dec. 1373 kommt ein Henning Knop vor. Im J. 1391 wohnte " Hinrik Knop to Exen, Clawes Knop to Brüsewiz, Clawes Knop to Stuke"; vgl. Ungnaden Amoen. S. 369.

Durch diese Darstellungen kommt man nun nothwendig zu dem Schlusse, daß Döwe eine plattdeutsche Form von Döbe oder Dobe ist (wie: Stube = Stuw, Rübe = Röw) und die Döwe ihren Namen von einer Ortschaft hat, welche noch im J. 1356 existirte und den Namen Döben führte, wie damals der See: der See bei Döben hieß. Auch hier bestätigt es sich, wie so häufig, daß die Seen den Namen von alten Ortschaften tragen.

Dieses Resultat wird denn auf das kräftigste unterstützt durch die unvermuthete Entdeckung einer alten wismarschen Chronik über die Fehden der Vormundschaft der Söhne Heinrichs des Pilgers (durch den Herrn Dr. Burmeister zu Wismar 1 ), in welcher zu dem Jahre 1278 gesagt wird:

die Herren von Werle und der Graf von Schwerin seien mit dem Markgrafen Otto von Brandenburg in das Land Meklenburg gezogen, hätten dort die Burg Dobe aufgebauet und von dort aus das Land bis Wismar mit Raub und Brand verheert.

Die Chronik redet hierüber also:

Wismarsche Chronik.

Post haec sequenti anno de eadem seris (?) scilicet Sternenberg et Gadebuz venerun prae-


(  ...  ) und Rudloff II, S. 537. Dieser Domherr Johann Berchteheile war, nach ungedruckten Urkunden=Registraturen, ein Sohn des obengenannten Johann Berchteheile zu "Schwerin"; der Domherr und seine Mutter Mechthild schenkten im J. 1373 der Kirche zu Schwerin den Hof zu Sülten,welchen Herzog Albrecht im J. 1356 dem Vater des Domherrn gegeben hatte.
1) Vgl. Jahrb. III, S. 46.
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dicti domini de Werle et comes de Zwerin et posuerunt se ante civitatem Wismariae VI. sep timanis et hostiliter devastaverunt terram do minorum nostrorum cum adjutorio illuslris prin cipis Ottonis marchionis de Brandeburg, et edi ficaverunt castrum Dobe potenter et de eodem castro combusserunt terram et spoliave runt eam. Post haec saepe dicti domini ex Godebuz intrauerunt terram dominorum nostro rum et combusserunt eam sabbato ante festum beati Galli videlicet anno domini MCCLXXVIII.

Aus diesen urkundlichen Angaben erhellt denn wohl un umstößlich Folgendes:

Im J. 1278 stand die Burg Dobe, welche damals noch geräumig war und fest ausgebauet ward; im J. 1356 existirte noch der Ort Döben und neben ihm lag ein kleiner See, welcher noch im J. 1408 der Důuber=See genannt ward; im J. 1462 hieß dieser See Döbe oder Döpe; dieser Name erhielt sich im 16. Jahrhundert, ward im 17. Jahrhundert auch wohl in Taufe übersetzt, obgleich im Munde des Volkes und in Acten der zwei letzten Jahrhunderte der alte Name Döwe oder Düwe herrschend blieb.

Spuren von dieser alten Burg waren noch in jüngern Zeiten sichtbar. In Zeugenverhören aus den Jahren 1616 bis 1621 wird einstimmig ausgesagt, an der Döpe und dem Verbindungs=Kanal zwischen der Döpe und dem großen Schweriner See, der Döper=Furth, liege ein

"Stück Ackers, der Wall genannt";

und in Acten aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts kommt der "Wallberg" an der Döpe bei Vicheln öfter vor. Nach Untersuchungen an Ort und Stelle werden von den Bewohnern des Dorfes Hohen=Vicheln zwei Hügel an der Döper=Furth auf der Landenge zwischen dem großen Schweriner See und der Döwe noch heute die "Wallberge" genannt; sie liegen jenseit an der Döper=Furth, dicht an derselben, und gehören jetzt zu dem ritterschaftlichen Gute Flessenow.

Die Sage von der gewaltsamen Wendentaufe mag immerhin ihren Grund haben, aber der Name des See Döwe ist durchaus kein Beweis dafür, sondern beweiset nur die ehemalige Existenz der historischen Burg Doben; auch der gefundene Taufstein kann die Sage nicht mehr unter=

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stützen, da derselbe höchst wahrscheinlich in die Burgkapelle gehört hat 1 ); dergleichen Taufsteine kommen öfter in Meklenburg vor, sind aber wohl überall außer Gebrauch gesetzt, indem sie gewöhnlich an den Kirchenmauern und auf den Kirchhöfen liegen. - Möglich ist es jedoch immer, daß diese alte Burg in den frühesten Zeiten ein Bollwerk des Christenthums war.


Ist nun durch historische Kritik eine scheinbar alte Sage in ihren Fundamenten zerstört, so ist doch die Sage nicht ganz ohne Nutzen gewesen, vielmehr ist es möglich, daß sie zu noch interessanteren Resultaten führt, als es die gewaltsame Heidenbekehrung ist, von der die Annalen ohnehin überfüllt sind.

Die Burg Döben war ohne Zweifel, nach den beigebrachten Zeugnissen, ein altes und wichtiges Schloß. Ich trage daher kein Bedenken, sie für die berühmte, alte, wendische Veste Dobin auszugeben. Der Name Döben und Dobin ist grammatisch derselbe; es ist bekannt, daß im Mittelalter ein - i -, welches eine vorhergehende Sylbe berührte, dieser den Umlaut gab, während sich das - i - in - e - abstumpfte: aus Dobin mußte Döben werden, und dieses wiederum ward sprachrichtig niederdeutsch in Döwen, Döwe verwandelt 2 ); das - n fiel fort, seit der Burg=Name zum See=Namen ward.

Aber auch die Lage stimmt mit den alten urkundlichen Angaben völlig überein. Die Burg Dobin kommt in den letzten Zeiten der Geschichte des Wendenvolks häufig vor. Als im J. 1147 der Ruf des Bernhard von Clairvaur Tausende von Kämpfern unter die Kreuzesfahne gesammelt hatte, wandte sich auch ein großes Heer nach Norddeutschland in die Wendenländer zur Bekehrung der Völker, deren Schutz und Schirm der gewaltige Niklot war. Dieser errichtete nun die Veste Dubin 3 ) zum Zufluchtsort der Seinen in der Gefahr; sie muß also groß und stark gewesen sein, wie es auch noch im


1) Es ist auch nicht einmal wahrscheinlich, daß das Kriegsheer der Sachsen große, künstlich behauene Taufsteine aus Granit bei sich geführt haben sollte; wurden Tausende von Wenden zugleich in einem See getauft, so diente auch wohl der See zum Taufbecken.
2) So heißen die wendischen Namen der Städte Lüben und Guben im Mittelalter Lubbin und Gubbin (vgl. v. Raumer Cod. dipl. Brand. cont. I, p. 169 u. 174.). - Plattdeutsch wird regelmäßig aus Rübe: Röw.
3) Auch die isländischen Sagen, wie die Knytlinga=Saga, nennen die Burg Dubin oder Dubbin. Vgl. Memoires de la societe royale des antiquaires da Nord, p. 92 - Helmold nennt die Burg immer Dubin; daher ist die spätere Form Duber See und Düwe nicht allein sehr natürlich, sondern auch die richtigere.
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J. 1278 der Fall gewesen zu sein scheint. Helmold sagt darüber 1 ):

"Audiens ergo Niclotus quia congregandus esset in brevi exercitus ad destruendum eum, con vocavit universam gentem suam et coepit aedificare castrum Dubin, ut esset po pulo refugium in tempore necessitatis".

Im Frühling des Jahres 1148 rückte das Kreuzheer in zwei Zügen in das Wendenland; der eine Zug rückte gegen Dubin, der andere gegen Demin 2 ):

"partito exercitu duas munition es obsede runt, Dubin et Dimin, et fecerunt contra eas machinas multas. Venit quoque Danorum exercitus et additus est his, qui obsederant Dubin, et crevit obsidio. Una ergo dierum, considerantes ii, qui tenebantur inclusi, quia Danorum exercitus segnius ageret, facta subita eruptione percusserunt ex eis multos; quibus etiam subveniri non poterat propter inter jacens stagnum 3 ). - - Ad ultimum, nostris jam pertaesis, conventio talis facta est, ut Slavi fidem Christianam reciperent; - multi ergo eorum falso baptizati sunt" 4 ).

Aus diesem Kreuzzuge entwickelten sich die verheerenden Eroberungszüge des Sachsenherzogs Heinrich des Löwen. Als Niclot


1) Helmold Chron. Slav. I, Cap. 62, §. 2.
2) Helmold Chron. Slav. I, Cap. 65, §. 1 et 2.
3) Aus dieser Stelle, welche dem Helmold aus strategischen Gründen aus der Feder geflossen ist, sieht man klar, daß Dobin an einem See lag. Auch war dieses Gewässer ein Landsee (stagnum) und nicht das Meer, wie Mehrere anzunehmen geneigt sind, weil die Dänen von der Seeseite die Burg belagert gehabt haben sollen; davon steht aber im Helmold nichts, vielmehr sagt er, daß ein dänisches Heer zu den Kreuzfahrern gestoßen sei. Daß Saro Dobin eine berüchtigte Raubstadt nennt, in der Stelle, ed. Soroe, p. 254: "(Dani) - - hostilem occupant portum. Occurrunt in littore Saxones. - - Mox Dobinum, insigne piratica oppidum, ab utroque circumsidetur exercitu, omni Danica multitudine, pranter paucos classis custodes, navigia relinquente", führt nicht zu der Annahme, daß Dobin unmittelbar am Meere gelegen habe: man sieht aus den Begebenheiten des Jahres 1287, das von der Burg aus große Gewaltthätigkeiten bis zu dem nahen Wismar ausgeübt wurden. Auch sagt Saro selbst, daß die feindlichen Schaaren die Schiffe verließen und zu Lande eine Belagerung begannen. - Der Wall von Dobin füllt die ganze Landenge zwischen beiden Seen.
4) Nach dieser Stelle wurden also allerdings bei Dobin viele Wenden ungewöhnlich und gewaltsam (? = falso) getauft. Die Sage hat also, wenn die Lage von Dobin als richtig erkannt wird, Wahrheit, aber nicht weil Döpe = Taufe heißt, sondern weil die Taufe vor Dobin (Döwen) geschah, welches an dem Orte der Taufe lag.
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im J. 1160 sah, daß er gegen einen so mächtigen Gegner allein nicht werde Stand halten können, nahm er zu dem Mittel seine Zuflucht, welches die Slaven öfter versucht haben: er steckte seine Burgen Jlow, Meklenburg, Schwerin und Dobin in Brand 1 ):

"videns virtutem ducis succendit omnia castra sua, videlicet Ilowe, Mikilinburg, Zuerin et Dobin, praecavens obsidionis periculum",

warf sich in das weite Feld und fand bald den Heldentod 2 ).

Aber so wenig in den nächsten und den spätern Zeiten die drei erstgenannten Burgen spurlos verschwanden, eben so wenig ist es mit Dobin der Fall, vielmehr wird derselben bei der Befestigung des Christenthums öfter gedacht.

Es giebt noch ein Dobin bei Krakow und ein Dobin bei Dobbertin; bald hat man dieses, bald jenes für die alte Burg Dobin halten wollen 3 ), je nachdem aufgefundene Alterthümer, oder die Lage, oder Liebhabereien der nahe Wohnenden dafür das Wort zu führen schienen. Erst in neuern Zeiten hat Rudloff 4 ) annäherungsweise die Lage der alten Burg Dobin am schweriner See entdeckt, welche in den Stiftungs= und Bestätigungs=Urkunden des Bisthums Schwerin deutlich genug angegeben ist. Diese Urkunden sind häufig genug gedruckt, zuletzt alle hinter einander in Franks A. und N. Mecklenburg. Diese Urkunden nennen die Burg unter den Gütern, welche dem Bischofe von Schwerin am großen schweriner See verliehen wurden, bei Gelegenheit der Schenkung zweier Inseln im schweriner See, nämlich der Insel bei Schwerin (jetzt: Werder, genannt) und einer Insel Lipz, welche der Burg Dobin gegenüber lag:

a) die Stiftungsurkunde des Bisthums Schwerin vom Herzog Heinrich dem Löwen vom J. 1171 5 ) nennt:


1) Vgl. Helmold Chron. Slav. I, c. 87, §. 2.
2) Vgl. Rudloff mekl. Gesch. I, S. 123.
3) Dies hat noch in den allerneuesten Zeiten Petersen in seiner Abhandlung:
"Die Züge der Dänen nach Wenden" ( deutsch in Memoires de la societe royale des antiquaires du Nord, 1836 - 1837 Copenhague, p. 92, -
dänisch in Annaler for nordisk oldkyndighed, 1836 - 1837, p. 177), versucht, obgleich er weiß, daß Dubin bei der Lieps lag und daß die Dänen, um nach Dubin zu gelangen, bei Vizmarhöfn landeten. Er kennt zwar die Meerinsel Lieps bei Pöl, aber nicht die bedeutendere Insel gleiches Namens im schweriner See; indem er jedoch auf den Schluß kommt, Dubin müsse zwischen Wismar und Schwerin gelegen haben, versetzt er die Veste nach Dobbin bei Dobbertin, da hier "die Insel Lipiz nach der Stadt "Lübz hindeute". - Auch Dahlmann Gesch. v. Dän. I, S. 254, entscheidet sich noch nicht.
4) Vgl. Rudloff mekl. Gesch. I, S. 155.
5) Vgl. Franck A. und N. M. III, S. 127.
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"insulam Zwerin adiacentem et aliam insulam prope Dobin, quae Lipitz dicitur";

b) die schweriner Confirmations=Urkunde des Papstes Urban III. vom J. 1185 1 ) nennt

"insulam, quae dicitur Lypitz";

c) die Confirmations=Urkunde des Papstes Cölestin vom J. 1191 2 ) nennt

"insulam Zwerin adjacentem - et aliam in sulam prope Dobin, quae Libitz dicitur";

d) die Confirmations=Urkunde des Kaisers Otto IV. vom J. 1211 3 ) nennt

"insulam Zwerin adjacentem - et aliam in sulam prope Dobin, quae Liptze dicitur".

Die Insel Lieps im schweriner See führt noch heute diesen Namen und liegt im nördlichsten Theile desselben zwischen den Gütern Gallentin am westlichen und Schlagsdorf (oder Flessenow) am östlichen Ufer, grade der Stelle der alten Burg Dobin oder der Döwe gegenüber. An welchem Ufer der Lieps gegenüber Dobin gelegen habe, wird in den Urkunden nicht gesagt; v. Lützow 4 ) nimmt an, sie habe am westlichen Ufer des Sees (ungefähr bei Gallentin) gelegen; hiefür redet aber kein Grund, keine Urkunde, keine Sage, kein Alterthum. Man hat völlige Freiheit, und ist nach der Geschichte genöthigt, sie an das gegenüberliegende östliche Ufer, an die Döwe, zu verlegen, um so mehr, da in den angeführten Fundations= und Confirmations=Urkunden unmittelbar vorher mehrere Güter, Rampe und Liessow, am östlichen Ufer aufgeführt werden und die alten Urkunden es mit der geographischen Aufzählung der Ortschaften es gewöhnlich sehr genau nehmen. Hier, an der sogenannten Döpe, d. h. der Döwe, dem See von Döben, lag also die viel besprochene Veste Dubin oder Dobin, deren Wälle auf der Landenge zwischen dem großen See und der Döpe noch jetzt weithin über den Spiegel des Sees sichtbar sind. Von Vicheln aus gesehen liegen diese Wallhöhen auch der Insel Lieps gegenüber; es kommt hier nur darauf an, welchen Standpunct man nimmt: vorgeschrieben ist er nirgends.

Diese Annahme von der Lage der Burg Dobin hat um so weniger Bedenklichkeiten, da diese noch im J. 1211 nach der


1) Vgl. Franck A. und N. Mekl. III, S. 191.
2) Vgl. daselbst S. 219.
3) Vgl. daselbst IV, S. 26.
4) Vgl. v. Lützow mekl. Gesch. I, S. 171.
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Confirmations=Urkunde des Kaisers Otto stand und schon im J. 1278 nach der Wismarschen Chronik als Hauptveste wieder ausgebaut ward.

Die Lage von Dobin als Hauptveste scheint geographisch und strategisch mit tiefer Einsicht gewählt zu sein. Das Land Meklenburg wird in der Mitte durch den langen schweriner See, der von Norden nach Süden liegt, gewissermaßen getheilt; sicher wird der Durchgang durch die Mitte des Landes von Westen gegen Osten hin durch diesen See bedeutend erschwert. Von dem Südufer des Sees bis zur märkischen Grenze lagen ungeheure Waldungen, Sümpfe und Moore, östlich von dem Flußbette der Stör, von denen die größte Bruchholzung Meklenburgs, die Lewitz, noch heute ein merkwürdiger Ueberrest ist. Von Vicheln bis Ludwigslust ist kaum ein anderer Durchgang von Osten nach Westen zu finden, als bei Schwerin oder den südlich nahe gelegenen Dörfern Plate und Bantschow, welche in alter Zeit, wie heute, Pässe waren. Der Hauptdurchgang gegen Osten hin war in ältern Zeiten sicher in dem schmalen Landstriche zwischen dem Nordende des schweriner Sees und dem wismarschen Meerbusen. Von hier gegen Osten und Westen hin öffnet sich ein fester, fruchtbarer Boden. Daher lag, hier, nahe bei Wismar, die alte Stadt Meklenburg, und nicht ferne davon die Veste Dobin, ungefähr zwei Stunden von Wismar. Daß die Veste hier und nicht nördlicher angelegt ward, geschah ohne Zweifel, um nicht von der Landseite her gegen den Meeresstrand gedrängt und von diesem her angegriffen zu werden; die Lage von Dobin aber war an der großen Pforte des Durchganges, an einem großen Landsee, welcher Verbindung gegen den Süden eröffnete, nahe genug dem Meere und im Angesicht des weiten, fruchtbaren Landes im Osten, welches Hülfe und Zuflucht auf manche Weise bot, sicher eben so vortheilhaft, als die Lage der ähnlich situirten Insel=Veste Schwerin.

 


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Lage der Burg Dobin
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