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b. einzeln aufgefundene Alterthümer.

Metallbeschlag eines Hifthorns von Wismar.

Im Jahresberichte II, S. 48-49 ist die Erwerbung eines bei Wismar gefundenen Beschlages eines Heer= oder H ifthorns kurz angezeigt und eine Abbildung desselben zur Grundlage weiterer Forschungen als höchst wünschenswerth dargestellt, um so mehr, da eine genaue Beschreibung dieses seltenen Stückes ohne eine Abbildung nicht gut möglich ist. Da nun dieses Horn vielen andern Forschungen zur Grundlage dienen kann, so hat es der Ausschuß des Vereins für nothwendig erachtet, vor allen andern Gegenständen eine getreue Abbildung desselben anfertigen zu lassen und dem gegenwärtigen Jahresberichte beizugeben. Zum genauem Verständnisse folgt hier nicht allein eine genaue Beschreibung dieser Antiquität, sondern auch zur Vollständigkeit eine kurze Wiederholung der Auffindungsgeschichte.

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Der Beschlag des Horns ward in einer Grube des wismarschen Torfmoors ungefähr 6 Fuß tief gefunden und war bei der Auffindung ohne allen Rost (wie immer Bronze, welche in Mooren gefunden wird). Der Herr Amts=Actuar Treu zu Wismar traf denselben zufällig unter andern Metallen bei dem dortigen Glockengießer, der ihn zum Einschmelzen bestimmt hatte, und brachte ihn sogleich eigenthümlich an sich, um ihn dem Vereine zum Geschenke zu überreichen.

Der Fund besteht aus drei Stücken, welche den Beschlag gebildet haben: Mundstück, Mittelring und Schallmündung; von dem Horne selbst, welches entweder aus einem natürlichen Horn oder aus Holz bestanden haben wird, war keine Spur vorhanden, da es vermodert sein muß. Die drei Metallstücke sind aus der bekannten Bronze gegossen, aus welcher vorherrschend alle Gegenstände bestehen, welche sich in den (germanischen) Kegelgräbern finden.

Auf der, diesem Jahresberichte beigegebenen Abbildung sind die drei Stücke in natürlicher Größe dargestellt:

Fig. I. das Mundstück,
Fig. II. der Mittelring,
Fig. III. die Schallmündung, und
(Fig. IV.) ist eine muthmaßliche Darstellung des ganzen Horns,

mit Anwendung der drei gegebenen Stücke: Fig. I, II u. III, in kleinerm Maßstabe versucht. Diese wahrscheinliche Gestalt des ganzen Horns ergiebt sich nicht allein aus den Umrissen und Schwingungen der metallenen Beschlagstücke, sondern stimmt auch mit uralten, tief in meklenburgischen Mooren gefundenen natürlichen Hörnern aus dem Geschlechte der Büffel 1 ) überein, woraus herverzugehen scheint, daß die Hauptmasse des eigentlichen Horns aus einem natürlichen Büffelhorne bestanden habe. Zwar sind in Meklenburg und in Skandinavien andere alte, bronzene Heerhörner gefunden, welche sehr lang und stark gekrümmt sind (vgl. Frid. Franc. Tab. IX. und Erläut. S. 117 flgd., und Leitfaden zur nord. Altthsk. S. 47), wie die römischen; aber das wismarsche Horn scheint die Gestalt der muthmaßlichen Darstellung gehabt zu haben, da die Schallmündung fast noch einmal so weit ist, als bei den andern Hörnern, und auf eine starke und schnelle


1) Wahrscheinlich sind diese kräftigen, nicht gewundenen, halbmondförmigen, hohlen Hörner vom Bison=Ochsen (bison), dem in der mittelhochdeutschen epischen Dichtung noch öfter vorkommenden Wisent.
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Verjüngung von der Schallmündung nach dem Mundstücke schließen läßt.

Die Beschaffenheit der einzelnen metallenen Beschlagstücke ist, nach dem Originale und der Abbildung, hier in umgekehrter Ordnung der Fig., folgende:

Fig. III. Die Schallmündung.

Die Schallmündung ist ein becherförmige Erz, gegen 6" hoch, an der Mündung 5", an dem andern Ende nach dem Horne hin 4" im Durchmesser. An der Mündung ist das Blech ein wenig nach außen hin gebogen. Die Oberfläche ist durch 7 schmale, erhabene Reifen in 7 Felder getheilt, wozu noch der schmale umgebogene Rand kommt; alle diese Felder oder Abtheilungen sind mit Verzierungen bedeck. Das Ganze ist, nach der innern Fläche zu urtheilen, unbezweifelt gegossen. Das Drittheil dieses Beschlages, welches die beiden, dem Horne am nächsten stehenden Felder 6 u. 7 in einer Höhe von 2" umfaßt, ist nur halb so dick im Erze, als der übrige Theil, ungefähr von der Dicke eines gewöhnlichen Bleches, und scheint an den größern Theil durch Löthung angesetzt zu sein, da zwei, nicht kleine Lappen von dem dickern Theile ungefähr 1" weit an der innern Fläche in den dünnern Theil hinüberreichen und hier scharf abgeschnitten sind. Dieser dünnere Theil hat in jedem seiner zwei Felder 8 Nietlöcher, von denen in beiden Feldern immer je zwei und zwei in senkrechter Linie einander gegenüberstehen. Offenbar dienten die dünnere Einrichtung dieser Felder in der Binnenwand und die eingeschlagenen Löcher zur Einschiebung und Befestigung des natürlichen Hornes. Ungefähr in der Mitte des Horns, auf dem dritten Reifen vom Horne aus gerechnet, ist, wie die Abbildung an der bezeichneten Stelle zeigt, ein starkes Oehr aufgelöthet.

Der äußere, scharf und fast im rechten Winkel nach außen hin umgebogene Rand der Mündung, welcher ¼" breit ist, ist mit eingefeilten, dichten Kreuzstrichen schraffirt. — Die 7 erhabenen Reifen auf der Oberfläche, welche die Felder scheiden, sind mit eingefeilten Querstrichen, von Reifen zu Reifen abwechselnd schräge rechts und schräge links, verziert.

Durch die Reifen und den Rand sind 7 Felder auf der Oberfläche abgetheilt, welche von verschiedener Breite und mit den verschiedenartigsten Verzierungen bedeckt sind. Diese Felder sind auf der Zeichnung mit den Ziffern 1-7 bezeichnet und zwei derselben, 2 und 4, sind ihrer ganzen Länge nach abgewickelt dargestellt; die einzelnen Gruppen der Verzierungen auf den abgewickelten Bändern sind mit lateinischen Buchstaben be=

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zeichnet. Diese Verzierungen sind es vorzüglich, welche das Horn im hohen Grade merkwürdig machen und daher eine genauere Beschreibung verdienen.

Feld 1, zunächst an der äußersten Mündung des Horns. Die Ränder dieses Feldes sind an jedem der begrenzenden Reifen mit einer Reihe von kleinen Dreiecken verziert, deren Spitzen nach dem Innern des Feldes hin gerichtet sind; in der Mitte des Feldes läuft um die ganze Rundung ein Ring von kleinen Punkten. Alle diese Verzierungen sind mit Stempeln eingeschlagen. Die kleinen eingeschlagenen Dreiecke, wohl nichts weiter als reine Ornamentenzeichnung, sind von Wichtigkeit für die älteste Kunstgeschichte Germaniens. Sie kommen auf unserm Horne noch öfter vor und zwar einfach und zu andern Zeichnungen benutzt, z. B. III, 4, a, c, d, g, 5, 6b, u. I, 1, 5 u. 7. — Außerdem aber kommen sie noch an dem merkwürdigen, ehernen und vergoldeten, bei Bochin gefundenen Becher vor, welcher im Frid. Franc. Tab. XII, Fig. 1 abgebildet und Erläut. S. 121 beschrieben ist. An diesem Gefäße sind, was bei der Erläuterung desselben noch nicht klar war, die dort als durch eingegrabene Zickzacklinien entstanden bezeichneten, abgrenzenden Hauptbänder allem Anscheine nach dadurch gebildet, daß die Dreieckstempel, abwechselnd mit den Spitzen gegen einander gerichtet, so dicht an einander gelegt sind, daß die zwischen je zwei Stempeleindrücken stehen gebliebene schmale Erhöhung eine erhabene Zickzacklinie zu bilden scheint, welche in mehreren Reihen über einander fortläuft und so eine kunstreiche Einfassung bildet, deren Entstehung auf den ersten Blick nicht klar ist. — Da nun das Horn außer allem Zweifel der Zeit der Kegelgräber angehört, so ist auch eben so unzweifelhaft das Gefäß von Bochin aus derselben Zeit und aus derselben Kunstschule, wenn man sich so ausdrücken darf, — aus einer Zeit, deren Geschmack und Kunstübung vollkommene Achtung abnöthigt.

Ueber dem letzten begrenzenden Ringe ist ebenfalls eine Reihe von Dreiecken eingeschlagen, welche mit den Spitzen nach dem Rande der Schallmündung hingerichtet sind.

Feld 2. Dieses Feld zeigt eine noch bedeutsamere Verzierung, deren. vorzüglichste Gruppen zum großen Theil eingegraben sind. Die Hauptgruppe der Verzierungen dieses Feldes bilden vier Schiffe (c.); Schiffe kommen auf dem Horne noch III, 4 und 7 vor. Darstellungen von Schiffen sind auf Alterthümern in Deutschland unsers Wissens noch nicht bemerkt worden; in den nordischen Reichen kommen

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sie häufig vor 1 ). Sie sind redende Zeichen für den Seeverkehr der ältesten Ostseebewohner und deuten, namentlich auf unserm Horne aus dem Seeufer eines bequemen Hafens, bedeutsam auf die Wikingerfahrten der alten germanischen Völkerschaften; klar wird es, wie das Horn einer so großen Weite bedurfte: sein Schall mußte durch das Tosen der empörten Elemente dringen! — Die Schiffe sind gravirt; die Bezeichnung der Ruderer scheint mit Stempeln eingeschlagen zu sein. Merkwürdig ist es, daß auf jedem Schiffe nach dem Vordertheile hin eine Stelle durch einen emporstehenden, gebogenen Strich ausgezeichnet ist, vielleicht zur Bezeichnung des Befehlshabers. Aber auch die einzelnen Schiffe sind verschieden durch gewisse Auszeichnungen: die beiden vordern sind größer als die beiden hintern, und die beiden vordern haben Verzierungen an demVorder= und Hintertheil, welche darin bestehen, daß diese Theile stark gebogen sind; namentlich hat der Vordertheil des ersten Schiffes einen sehr gebogenen Hals und an dem Ende desselben eine Gravirung, wie einen Thierkopf, so daß die beiden kleinen Striche auf der Biegung des Halses vor dem Kopfe zwei Ohren zu gleichen scheinen. Dies erinnert lebhaft an die alten nordischen Bezeichnungen der Schiffe mit den Wörtern: Drache, Schnecke u. s.w., welche den Schiffen wohl unbezweifelt von den Verzierungen ihres Vordertheils beigelegt wurden. Die beiden hintern, kleinem Schiffe haben nur erhöhete Vorder= und Hintertheile. — Diese Schiffgruppe ist umher von einer Reihe eingeschlagener Punkte eingefaßt. — An jeder Seite dieser Schiffgruppe ist eine Gruppe von eingegrabenen Spitzen (b.), welche durch Zusammenstellung mehrerer paralleler und convergirender Linien gebildet sind; diese Spitzen stehen abwechselnd gegen einander gerichtet neben einander, rechts 10, links 8, jedoch ist in der Gruppe zur Linken noch für 2 Platz. Diese gravirten Spitzen finden sich überraschender Weise auch auf dem Bronze=Gefäße von Bochin und erscheinen in ähnlicher Gestalt sehr häufig als Verzierungen der ehernen Armringe — Zwischen den beiden Gruppen von Spitzen erscheinen zwei Gruppen sich kreuzender Linien (wie Andreaskreuze) (a.), aus eingeschlagenen Punkten gebildet, an jeder Seite durch drei ähnlich gebildete Linien begrenzt.

Feld 3. Dieses Feld ist nur mit ununterbrochen fortlaufenden, eingravirten Spiralwindungen verziert. Die


1) Alle Arten von Darstellungen von Schiffen auf nordischen Alterthümern sind abgebildet in: Antiquariske Aunaler IV, 2, Tab. I.
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Spiralwindungen sind die unabweisbaren Kennzeichen für die (germanische) Zeit der Kegelgräber 1 ) und erscheinen auf Bronze nicht nur häufig im nördlichen Deutschland, sondern noch häufiger in den nordischen Reichen 2 ). Die Zahl der auf diesem Felde eingegrabenen Spiralen beläuf sich auf vierzehn.

Feld 4. Dieses Feld bietet unstreitig die interessanteste Parthie der Verzierungen, wenn auch die dunkelste, und damit reichlichen Stoff zu ausgedehnten Forschungen. Wir wagen es nicht, hier irgendwo etwas erläutern zu wollen und unhaltbare Vermuthungen aufzustellen, sondern begnügen uns mit einer einfachen Beschreibung, bis andere Forschungen oder ein glücklicher Fund uns lehren, was wir nicht wissen. - Die Hauptgruppe scheint über dem angelötheten Oehr zu stehen: ein Kreis, um welchen sechs fächerförmige Zeichnungen, wie Strahlen stehen. Links davon sind vier concentrische Kreise, in deren jedem ein Kreuz steht, eingravirt; rechts davon stehen zwei Vierecke von eingeschlagenen Punkten, in deren jedem zwei Schlangenlinien eingegraben sind. Dann folgen (b.) zwei Schiffe über einander, deren oberem das emporstehende kleine Häkchen zu fehlen scheint. Diese größere Gruppirung wird durch drei Querbänder von Verzierungen aus senkrechten Linien und eingeschlagenen Dreiecken (c.) beschlossen, wie sie damit begann (g. und a.); in dem dritten Querbande sind die Baen der Dreiecke aufeinander gesetzt, so daß hiedurch viereckige Stempeleinschläge vorhanden zu sein scheinen. — Es folgt eine zweite größere Gruppirung (d. e. f.) von Zeichen, bestehend aus drei kleinern Gruppen, welche durch schmalere Querbänder geschieden sind; die Zeichen der drei Gruppen sind gravirt. Die mittlere Parthie (e.) besteht aus drei doppelten Schlangenlinien; an jeder Seite steht eine Gruppe von concentrischen Kreisen mit eingelegten Kreuzen (d. und f.); die Kreise rechts (f.) sind größer, als die Kreise links (d.), dagegen haben die Kreise links (d.) im Mittelpunct der Kreuze einen Kreisförmig gestalteten Punct, welcher den Kreisen rechts (f.) fehlt. — Diese zweite größere Gruppirung wird durch vier Ouerbänder aus senkrechten Linien und eingeschlagenen Dreiecken (g.) geschlossen, von denen die erste


1) Klare Beispiele finden sich im Frid. Franc. auf Diademen Tab. XXXII, Fig. 2 und auf einem Schildnabel Tab. XXXIII, Fig. 8; vgl. Lisch Erläut. S. 34 flgd.
2) Die verschiedenen Arten von Spiralwindungen, welche in den nordischen Reichen vorkommen, sind abgebildet im: Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde, 1837, S. 63, vgl. S. 45.
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die aus zwei Dreiecken entstandenen Vierecke am klarsten zeigt, die dritte aber die Dreiecke so enthält, daß die dadurch stehen bleibenden, erhabenen Zickzacklinien genau die Verzierungen auf dem Gefäße von Bochin wiedergeben. Das vierte Querband, welches zugleich die ganze Darstellung beginnt (a.), besteht, auf diesem Beschlage allein, aus eingegrabenen, rhombisch gesetzten Kreuzstrichen.

Bei Betrachtung der verschiedenen Zeichen auf diesem Felde kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß diese Zeichen Schriftzeichen oder symbolische, religiöse Charactere zu bedeuten haben mögen; eine Vermuthung, als könnten sie Himmelszeichen oder Jahreszeiten andeuten, soll für nichts weiter, als eine Vermuthung gelten.

Feld 5. Dieses Feld ist oben unter dem Reifen mit dem Oehr durch eine Reihe eingeschlagener Dreiecke, unten am begrenzenden Reifen durch eine Reihe eingeschlagener Punkte begrenzt. Das Feld selbst füllt eine Reihe zusammenhängender Spiralwindungen (wie das Feld 3.), deren elf an der Zahl sind. Die Spirale unter dem Oehr hat, sei es aus Versehen oder aus Vorsatz, in der Mitte eine kurze geschwungene Linie zu viel, so daß es scheint, als liefen 3 Spirallinien von einem Mittelpuncte aus.

Feld 6. Dieses Feld wird oben am Reifen (bei 6. b.) durch vier parallele Kreise von eingeschlagenen Dreiecken begrenzt; auf diese folgen drei einfache Linien. Den größern Theil dieses Feldes füllt eine Reihe nach unten gekehrter Bogen, welche aus einfachen, eingegrabenen Linien bestehen, die im Innern der Bogen mit eingeschlagenen Punkten besetzt sind. Die Nietlöcher, welche sich schon auf diesem Felde befinden, haben keine Verzierungen in ihren Begrenzungen.

Feld 7. Dieses Feld ist an den beiden Grenzen von Reihen einfacher Bogenlinien eingefaßt. Das Innere des Feldes hat nur auf der Oehrseite des Beschlages, welche für die Abbildung gewählt ist, bedeutungsvolle Zeichen. Auf dieser Seite ist jedes der vier Nietlöcher mit vier eingegrabenen concentrischen Kreisen eingefaßt. Auf das erste verzierte Nietloch, über welchem in der obern Bogenreihe eine Lücke für 4 bis 5 Bogen ist, folgt rechts hin ein (auf der Abbildung ganz dargestelltes) Schiff, rechts hin fahrend, welches weiter keine Verzierungen hat, als leise Andeutungen wie von Wimpeln am Vorder = und Hintertheil. Dann folgen zwei der verzierten Nietlöcher und zwischen beiden ein Andreaskreuz aus eingeschlagenen Punkten. Auf das dritte Nietloch folgt ein zweites Schiff (das voraufgehende im Weiterfahren gedacht),

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welches an Vorder= und Hintertheil die Verzierungen der oben dargestellten größern Schiffe hat. Die Reihe beschließt ein mit concentrischen Kreisen umgebenes Nietloch. — Auf der andern Seite sind weiter keine Verzierungen, als daß die vier Nietlöcher in Rhomben von eingeschlagenen Punkten stehen, welche je zwei und zwei mit den Spitzen zusammenstoßen und paarweise durch horizontale Punktlinien verbunden sind.

Fig. II. Der Mittelring.

Der Mittelring hält 2½" im Durchmesser und ¾" in der Breite. Das Innere ist glatt und zeigt die Entstehung durch Guß. Auf der Außenseite ragen dicht neben einander fünf erhabene Reifen hervor, von denen der mittlere bei weitem der stärkere ist; an demselben sitzt ein Oehr zur Befestigung des Tragriemens, wie an dem Bleche der Schallmündung. Die Reifen sind schräg links mit eingeteilten Querstrichen verziert, wie die Abbildung zeigt. An verschiedenen Stellen sind sechs Nietlöcher eingeschlagen.

Fig. I. Das Mundstück

Das Mundstück ist gegen 7" lang, nach der Schallmündung hin 1¾", in der Mundöffnung ¾ im Durchmesser; der rechtwinklig abgeschnittene Rand an der Mundöffnung ist ¼" breit. Dieser Beschlag ist nach außen hin, an der untern Seite der Abbildung merklich gekrümmt und zeigt hierin die starke Verjüngung des ganzen Horns. Das Ganze ist, wie das Innere zeigt, ebenfalls gegossen. Das Hornende ist in sieben Spitzen ausgeschnitten. Das Feld dieser Lappen und das zunächst folgende (l. und 2.) sind, wie der Beschlag der Schallmündung, im Blech viel dünner, als der übrige Theil, der sehr dick und schwer ist; dies ist gewiß zum Einlassen des Horns so eingerichtet und reicht daher auch nur um ein Geringes weiter, als die Felder der Nietlöcher. Im Anfange einer jeden ausgezackten Spitze (1.) ist ein Nietloch; einem jeden derselben steht ein zweites Nietloch im nächsten Felde (2.) gegenüber. Die einzelnen Felder werden durch erhabene Reifen abgegrenzt, 1 durch drei, 2 durch drei, 3 durch vier, 4 durch drei, 5 durch fünf, 6 durch vier Reifen. Die Verzierungen bestehen, wie die Zeichnung sie klar zeigt, mehr aus schmückenden Ornamenten. Die Spitzen (1.) werden von eingegrabenen Linien eingefaßt, an welchen Reihen von Punkten parallel laufen; dann folgen Reihen eingeschlagener Dreiecke. — Das folgende Feld (2.) zeigt wieder die charakteristischen Spiralwindungen, von denen immer eine zwi=

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schen je zwei Nietlöchern steht. — Die beiden folgenden Felder (3. und 4.) sind mit eingegrabenen Spitzen verziert. — Das vorletzte Feld (5.) zeigt leere, längliche Vierecke, von eingegrabenen Linien eingefaßt, auf denen nach den Vierecken hinein an den Seiten und nach unten hin Reihen von eingeschlagenen Dreiecken stehen. — Das letzte Feld (6.) ist mit Kreuzstrichen schraffirt, und vor dem ausladenden Mundstückrande ist zuletzt eine Reihe von Dreiecken eingeschlagen.

G. C. F. Lisch.

Nachträge zu der vorstehenden Beschreibung.
1.

Ueber das wismarsche Horn und dessen Verzierungen hat der Ausschuß die Ansicht eines bewährten Kenners, des Hrn. Canzleiraths Thomsen zu Kopenhagen, eingeholt.

Das Horn stimmt auf das genaueste mit den nordischen Alterthümern aus der reinen Bronzezeit überein und zwar mit den ältern aus dieser Zeit; ganz ähnlich sind die Darstellungen und Zierrathen auf alten nordischen Altertümern. Die Ringe oder Oehren deuten auf ein Blasehorn. Nichts ist im Norden gewöhnlicher, als die Darstellung von Schiffen (vergl. Antiq. Annaler Bd. IV, H. .II, Tab. 1.) auf Bronzesachen, auch auf sehr alten Messern von Bronze; die Schiffe auf dem Horne sind von der ältesten Art, nämlich lang und zum Rudern, oft mit Drachenköpfen als Verzierungen; die aufwärts gerichteten Linien bedeuten die Mannschaft oder die Ruderer. — Schwieriger ist die Entzifferung der Kreise mit den übergelegten Kreuzen. Diese Darstellungen kommen neben Schiffen auch auf alten nordischen Monumenten vor. In Beziehung hierauf ist das berühmte Kivik=Monument in Schonen an einer antiquarisch reichen Stelle sehr belehrend: das Monument besteht in einem Steinhügel aus einer langen Steinkiste von großen glatten Steinen, auf welchen alte bildliche Darstellungen eingegraben sind, abgebildet in Suhm Historie af Danmark, I. S. 529, Tab. I und II. Hier finden sich auch Männer, welche auf eben solchen großen, gekrümmten, weit geöffneten Hörnern blasen, wie das unsrige gewesen ist. Ferner finden sich Schiffe und die fraglichen gespeichten oder bekreuzten Kreise. Diese bedeuten hier offenbar Räder; sie finden sich auf dem Kivik=Monument nicht allein paarweise zusammengestellt, sondern ein Paar ist auch an einer Deichsel verbunden, an welche zwei Pferde gespannt sind, die ein, vor der

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Deichsel stehender Mann antreibt. Diese Schiffe und Räder kommen zusammen auch auf andern Grabmonumenten im Norden vor: vergl. Nordiskr Tidskrift I. p. 181. Daher möchten diese Kreise oder Räder auf Wagen oder Fahren deuten. Was der mit den Pfeilen umgebene Kreis und die Schlangenlinien bedeuten, ist noch zweifelhaft; sie haben eine gewisse Aehnlichkeit mit Figurenschrift anderer Völker auf niederer Stufe gesellschaftlicher Cultur.

Thomsen.

2.

Die Charaktere auf dem wismarschen Horne gewinnen durch neuere Mittheilungen in den von der königlich=dänischen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde herausgegebenen "Antiquitates Americanae sive scriptores septentrionales rerum antecolumbianarum in America, Hafniae, 1837", eine große Bedeutung. In diesem Werke werden auf Tab. XII mehrere alte nordische Monumente mit Charakteren gegeben, welche mit denen auf unserm Horn völlig übereinstimmend sind. Zuvor werfen die Herausgeber p. 392 noch einen Blick auf das Kivik=Monument, auf welchem Schiffe, Rosse, Räder, Streitäxte, Speere, ein Triumphwagen und Triumphbogen, ein Triumphzug, Gefangene, Hornbläser, Altäre, Opferpriester etc. . dargestellt sind, welches Alles auf die Darstellung eines kriegerischen Ereignisses deutet und nach Münters Erklärung (in Antiquariske Annaler II, 183, 302) die Beendigung einer Schlacht und die Opferung der Gefangenen bedeutet. — Zu diesem Monumente werden nun noch einige andere Sculpturen auf Felsklippen hinzugefügt, welche diesem ähnlich sind. Vor allen ist unserer Darstellung am nächsten die Sculptur auf den Felsen am See Roxen, im östlichen Gothland, auf deren einem mehrere Schiffe und auch zwei Räder, auf dem andern gewundene Heerhörner, wie sie (nach dem Leitfaden für nord. Alterth. S. 47) in nordischen Gräbern gefunden werden, abgebildet sind. Eben so finden sich auf dem Monument auf dem Felde von Kolstadt im Kirchspiel Tanum in Bohus=Län außer einigen menschlichen Figuren auch Schiffe und zwei Räder, wie auf unserm Monument. Vergl. den Text der Antiq. Amer. p. 395. Am auffallendsten ist aber die Sculptur aus den Wanden der Paradies=Höhle, Paradisarhellir, auf dem südlichen Island im Gau Rangervall: auf diesem findet sich auch das Zeichen des Kreises mit den umherstehenden Strahlen oder Pfeilen, welches auf unserm Horne

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in dem Bande Nr. 4, in der Mitte über dem Oehr, eingegraben ist; die Charaktere in der isländischen Felsenhöhle hält Finn Magnussen "mit Recht" für eine aus Runen zusammengesetzte uralte Geheimschrift.

So deuten die Gravuren auf unserm Heerhorne wohl unbestreitbar auf eine uralte Uebereinstimmung in der Cultur in den Ostseeländern und dem höchsten Norden.

G. C. F. Lisch.